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LEISTUNGSSTARKE TURBOAUFLADUNG FÜR PKW-DIESELMOTOREN Um der steigenden Nachfrage nach geringerem Kraftstoffverbrauch und mehr Leistung nachzukommen, hat BorgWarner eine geregelte Aufladegruppe mit drei Turboladern entwickelt. Das System besteht aus zwei kleinen parallelen Turboladern mit variabler Turbinengeometrie in der Hochdruckstufe und einem größeren Turbolader in der Niederdruckstufe. In enger Zusammenarbeit mit BMW konzipiert, vereint das System die hohe spezifische Leistung einer zweistufigen Aufladung mit den guten Fahreigenschaften, die eine parallel-sequenzielle Aufladung bietet. 26 TITELTHEMA EFFIZIENTE ANTRIEBE

Leistungsstarke Turboaufladung für Pkw-Dieselmotoren

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Page 1: Leistungsstarke Turboaufladung für Pkw-Dieselmotoren

LEISTUNGSSTARKE TURBOAUFLADUNG FÜR PKW-DIESELMOTORENUm der steigenden Nachfrage nach geringerem Kraftstoffverbrauch und mehr Leistung nachzukommen,

hat BorgWarner eine geregelte Aufladegruppe mit drei Turboladern entwickelt. Das System besteht aus

zwei kleinen parallelen Turboladern mit variabler Turbinengeometrie in der Hochdruckstufe und einem

größeren Turbolader in der Niederdruckstufe. In enger Zusammenarbeit mit BMW konzipiert, vereint das

System die hohe spezifische Leistung einer zweistufigen Aufladung mit den guten Fahreigenschaften, die

eine parallel-sequenzielle Aufladung bietet.

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TITELTHEMA EFFIZIENTE ANTRIEBE

Effiziente Antriebe

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MEHRSTUFIGE AUFLADUNGEN SETZEN SICH DURCH

Eine Vielzahl von Verbrennungsmoto-ren zeichnet sich mittlerweile durch ein hohes Maß an Fahrdynamik in Kombi nation mit geringem Kraftstoff-verbrauch aus. Mit der zweistufigen, geregelten Turboaufladung (R2S) konnte BorgWarner Turbo Systems bereits im Jahr 2004 ein Turboladersystem im Markt etablieren, das die Leistungsdichte von Pkw-Dieselmotoren verbessert [1]. Heute erzielen Vierzylinder-Dieselmotoren mit 2,0 l Hubraum und zweistufiger, gere-gelter Aufladung eine Nennleistung von bis zu 170 kW, während Sechszylinder-aggregate mit 3,0 l Hubraum und R2S-Technologie eine Nennleistung von bis zu 230 kW aufweisen.

Das R2S-System umfasst einen großen Turbolader in der Niederdruckstufe und einen kleineren Turbolader in der Hoch-druck(HD)-Stufe [2]. ❶ zeigt die schema-tische Darstellung der zweistufigen Auf-ladung, wie sie in Nutzfahrzeugen und Pkw mit Dieselmotor zum Einsatz kommt. Im Vergleich zu einer klassischen zwei-stu figen, geregelten Aufladung verfügt das R2S-System für Pkw-Motoren über eine zusätzliche Bypass-Regelklappe im Niederdruckturbolader sowie über einen Verdichter-Bypass in der Hochdruckstufe. Primäres Ziel der zweistufigen, geregel-ten Aufladung ist ein höheres Drehmo-ment im unteren Drehzahlbereich bei gleichzeitiger Steigerung der Nennleis-tung des Motors. Doch selbst im mittle-ren Drehzahlbereich ist es möglich, den Mitteldruck beträchtlich zu erhöhen.

Lediglich der Turbolader der Nieder-druckstufe sorgt bei Nennleistung für

den Ladedruck und deckt das gesamte Druckverhältnis ab. Die Hochdruckstufe liegt entsprechend ungenutzt im Bypass. Aus diesem Grund gibt das maximale Druckverhältnis des speziell für hohe

Druckverhältnisse und großen Wir-kungsgrad entwickelten Verdichters der Niederdruckstufe die Leistung des Motors vor. R2S-typisch reicht die spezifische Leistung bis 85 kW/l.

AUTOR

DR. FRANK SCHMITTist Senior Manager Customer

Application System Performance – Appplication Engineering Europe

bei der BorgWarner Turbo Systems Engineering GmbH in

Kirchheimbolanden.

AGR-Ventil

AGR-Kühler

Ladeluft-kühler Regelventil

Niederdruck-Stufeohne Bypass

Hochdruck-Stufe

Verdichter-Bypass

AGR-Ventil

AGR-Kühler

Ladeluft-kühler

Regelventil

Niederdruck-Stufemit Bypass

Hochdruck-Stufe

HD 1

HD 2

Zwischenkühler

Turbinen-RegelventilVerdichter-Regelventil

Verdichter-Bypass Niederdruck-Stufe

mit Bypass

Hochdruck-Stufen

AGR-Ventil

AGR-Kühler

Ladeluft-kühler

❶ Aufbau des R2S-Turbo lader systems für Diesel- Nutzfahrzeuge (permanent zwei stufig, oben), des R2S-Systems für Pkw (Mitte) und des geregelten Systems mit drei Turboladern (R3S-System, unten)

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Effiziente Antriebe

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In R2S-Pkw-Applikationen mit einer höheren spezifischen Leistung erweisen sich einstufige Turbolader, wie sie bei hohen Motorleistungen in diesen Applika-tionen üblich sind, als unzureichend. Stattdessen machen diese Anwendungen selbst bei Nennleistung eine zweistufige Turboaufladung erforderlich. Zwar genü-gen zwei Lader – je ein Turbolader für die Niederdruck- und einer für die Hoch-druckstufe, die in Serie laufen und mit einem Regelorgan für die Ladedruckrege-lung versehen sind –, um die angestrebte Nennleistung zu erzielen. Ein verbesser-tes Drehmoment im unteren Drehzahlbe-reich und ein bestmögliches transientes Ansprechverhalten bedingen jedoch einen zusätzlichen kleineren Turbolader in der Hochdruckstufe. BorgWarner bezeichnet dieses System mit R3S. Eine entspre-chende Gegenüberstellung der Turbola-dersysteme zeigen ① und ❷. Weil der Lader auch bei Nennleistung funktions-tüchtig sein und zum Ladedruck beitra-gen muss, bietet sich für die Hochdruck-stufe die parallel-sequenzielle Aufladung an. Bei hohen Motordrehzahlen teilt sich der Abgasmassenstrom dabei auf zwei parallel laufende Turbolader auf, die folg-lich genügend Energie bereitstellen kön-nen, um in der Hochdruckstufe zwei Ver-dichter parallel antreiben zu können. ② zeigt den Mitteldruckverlauf unterschied-licher Turboladersysteme. Das neue R3S-System setzt einen neuen Maßstab beim Mitteldruckverlauf und stellt so eine Her-ausforderung für neue Entwicklung neuer Turboladerkomponenten dar.

GEREGELTE AUFLADEGRUPPE MIT DREI TURBOLADERN

Entwicklungsziel bei Downsizing-Diesel-motoren mit dem neuen R3S-Turbolader-system, ➌, ist, dass sie der Leistung, dem Drehmoment und dem Komfort von Moto ren mit mehr Hubraum oder einer größeren Anzahl von Zylindern entspre-chen. Gleichzeitig sollen auch der geringe Kraftstoffverbrauch sowie das Gewichts-Leistungs-Verhältnis bestehender Diesel-motoren erreicht werden. Das neue R3S-Turboladersystem setzt sich aus einem großen Niederdruckturbolader und zwei parallelen Turboladern in der Hoch-druckstufe zusammen. ❹ zeigt das Funktionsprinzip der Turbolader sowie zusätzlicher Kernkomponenten des R3S-Systems in verschiedenen Betriebsmodi. Die Ansaugluft dringt in den Verdichter

der Niederdruckstufe ein. Weil dieser die Ansaugluft bei geringer Drehzahl bezie-hungsweise im niedrigen Lastbereich kaum vorverdichtet, sondern lediglich drosselt, kann der Verdichter in diesem Betriebsmodus optional umgangen wer-den. Um die Ladelufttemperatur zu redu-zieren, fließt die Ansaugluft durch einen in das Verdichtergehäuse der Nieder-druckstufe integrierten Ladeluftkühler. Abhängig vom Betriebsbereich wird die Ansaugluft anschließend in einem Verdichter (Betriebsmodus 2 in ④) oder in beiden Verdichtern der Hochdruck-stufe (Betriebsmodus 3 in ④) weiter verdichtet. Nach der Kühlung im Haupt-ladeluftkühler gelangt die Ladeluft schließlich über den Ansaugtrakt in den Verbrennungsraum.

Um einen spontanen Aufbau des Lade-luftdrucks und ein optimales dynami-

sches Ansprechverhalten sicherzustellen, fließt das Gas abgasseitig bei geringen Drehzahlen und niedriger Motorlast ledig-lich durch eine der beiden Turbinen der Hochdruckstufe (Betriebsmodus 1 in ④). Während bei mittleren Motordrehzahlen genügend Abgasmassenstrom vorhanden ist, um zusätzlich zum Ladedruck in der Hochdruckstufe auch bereits Ladedruck im Verdichter der Niederdruckstufe zu generieren (Betriebsmodus 2 in ④), öff-net sich bei höheren Abgasmassenströ-men eine Ab gasregelklappe und damit eine zweite parallele Zuleitung, mit deren Hilfe sich der Abgasgegendruck verringert (Betriebsmodus 3 in ④). Anschließend entspannt sich das Abgas in der Niederdruckstufe weiter, bevor es abschließend der motornahen Abgas-nachbehandlung zugeführt wird. Um die Ladedruckregelung zu op timieren, öffnet

0

5

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Motordrehzahl [1/min]

Mitteldruck R2S (Basis)

Mitteldruck R2S (permanent zweistufig)

Mitteldruck R3S (HD-Stufe sequentiell)

Mitteldruck R3S (künftiges Potenzialbei 2,0- und 3,0-l-Motoren)

❷ Mitteldruckkennlinien der R2S- und R3S-Turboladersysteme

❸ Das R3S-System mit drei Abgasturboladern

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sich im Umschaltbereich zwischen dem zweiten und dritten Turbolader bezie-hungsweise zur Entlastung in der Nenn-leistungsspanne das Wastegate der Niederdruckturbine.

NEUE TURBOLADERKOMPONENTEN

Die Anwendung eines R3S-Turbolader-systems in Dieselmotoren bedingt einige Modifikationen des Motors, beispiels-weise ein neues Einspritzsystem für eine vergrößerte Einspritzmenge und einen an gepassten Zylinderkopf für höhere Zylinderdrücke [3, 4]. Im Rahmen der Integration eines R3S-Systems müssen bezüglich des Turboladers verschiedene sehr wichtige Weiterentwicklungen berücksichtigt werden. Weil mithilfe von Regelungssystemen die optimale Leistung sichergestellt wird, verfügt das R3S-Turboladersystem beispielsweise über ein neuartiges Regelventil mit opti-malem Dichtverhalten, das nur minimale Leckage(mengen) zulässt. Für ein ver-bessertes transientes Verhalten sorgen indessen Turbolader mit variabler Turbi-nengeometrie (VTG) in der Hochdruck-stufe. Da einer der VTG-Turbolader in der Hochdruckstufe nicht permanent rotiert, wurde zudem ein spezielles Dicht-system eingeführt, um ein Ölen sowie hohe Blow-by-Werte des Turboladers zu verhindern.

Einen weiteren zentralen Aspekt stellt die Verdichter-Austrittstemperatur dar. Weil eine hohe Verdichter-Austrittstem-peratur zur Verkokung der Blow-by-Gase in der Verdichterspirale führen kann, reduziert ein wassergekühlter Verdichter die Temperatur direkt im Austritt der Niederdruckstufe. Zusätzlich kommt zwischen dem Verdichter der Nieder-druckstufe und der Hochdruckstufe ein Zwischenkühler zum Einsatz.

REGELVENTIL

Aufgrund der besonderen Bedeutung von Regelventilen für die Motordynamik verlangt vor allem die umfassende Ab -dichtung der Abgasregelklappe in ge -schlossener Stellung große Aufmerksam-keit. Die sogenannte Kugel-Kegel-Gestal-tung, dargestellt in ❺, ermöglicht eine flexiblere Verbindung im Klappensitz. Sie besteht aus einem kugelförmigen Bauteil in der Klappe sowie einem Kegel im Hebel. Das Kugel-Kegel-Konzept sorgt damit dafür, dass toleranzbedingte Posi-

Hochdruckstufe 1(VTG)

Hochdruckstufe 2(VTG)

Verdichterklappe

Verdichter-umluftventil

Turbinen-regelventil

Niederdruck-stufe

Wastegate

Zwischen-kühler

Ladeluft-kühler

Phase 1

Hochdruckstufe 1(VTG)

Hochdruckstufe 2(VTG)

Verdichterklappe

Verdichter-umluftventil

Turbinen-regelventil

Niederdruck-stufe

Wastegate

Zwischen-kühler

Ladeluft-kühler

Phase 2

Hochdruckstufe 1(VTG)

Hochdruckstufe 2(VTG)

Verdichterklappe

Verdichter-umluftventil

Turbinen-regelventil

Niederdruck-stufe

Wastegate

Zwischen-kühler

Ladeluft-kühler

Phase 3

❹ Betriebsmodi des R3S-Turboladersystems

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tionsabweichungen der Klappe oder des Klappensitzes nahezu optimal ausgegli-chen werden können.

VERDICHTERANWENDUNGEN

Die Anforderungen an einen Turbolader der Hochdruckstufe unterscheiden sich maßgeblich von denen einer einstufi gen Applikation. So muss der Bereich des maximalen Wirkungsgrads hin zu gerin-gen Druckverhältnissen optimiert wer-

den, weil unter stationären Bedingungen über die gesamte Volllastkurve und auch unter Teillast ein eher niedriges Druck-verhältnis herrscht. ❻ zeigt die Wirkungs-gradsteigerung des neuen Verdichters bei niedrigen Druckverhältnissen (rote Linien). Dennoch muss der Verdichter während des transienten Betriebs den gesamten Drehzahlbereich abdecken, da der Turbolader der Hochdruckstufe unter diesen Bedingungen solange den größten Teil des benötigten Ladedrucks liefern

muss, bis der Turbolader der Niederdruck-stufe, der eine viel größere Massenträg-heit und ein größeres Schluckvermögen hat, den Ladedruck bereitstellen kann.

Der Verdichter der Niederdruckstufe wurde eigens für hohe Druckverhältnisse konzipiert. Ein hoher Wirkungsgrad bei hohen Druckverhältnissen erweist sich bei niedrigen Verdichter-Austrittstempe-raturen als sehr wichtig, weil die Frisch-luft in der Hochdruckstufe ein zweites Mal verdichtet wird und damit die Tem-peratur abermals ansteigt.

GLEITRINGDICHTUNG

Wie bereits geschildert, besteht das R3S-Turboladersystem aus einem Turbolader in der Niederdruckstufe und zwei Turbo-ladern in der Hochdruckstufe. Weil pha-senweise nur ein Turbolader der Hoch-druckstufe rotiert, stellt das Dichtkonzept eine große Herausforderung dar.

Der Turbolader weist einen Öleinlass und einen Ölauslass auf. Mit dem Öl werden die Lagerbuchsen und die Welle des Läufers im Lagersystem geschmiert. Weil das Standarddichtsystem nur bei dynamischem Betrieb abdichtet, gerät bei stehendem Turbolader leicht Öl aus dem Lagergehäuse in den Verdichter. Dadurch entsteht ein hoher Ölverbrauch, der nicht vom Motorölkreislauf bewältigt

❺ Das neue Regelventil mit verbesserten Dichteigenschaften

230

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uredC = 520 m/s

ηisC = 0,74

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uredC = 520 m/s

ηisC = 0,760,74

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Volumenstrom [m3/s]

Neuer Verdichter für Hochdruckstufe

Basisverdichter

Dru

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t [-]

❻ Der Verdichter des neuen Turboladers in der Hochdruckstufe im Vergleich mit dem Standardverdichter

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Page 7: Leistungsstarke Turboaufladung für Pkw-Dieselmotoren

❼ Gleitringdichtung (gelb markiert) auf der Verdichterseite

❽ Wassergekühltes Verdichtergehäuse

werden kann. Eine Mischung aus Frisch-luft und Öl hätte außerdem eine nicht ak -zeptable Zunahme von Motoremissionen zur Folge. Um zu verhindern, dass Öl aus dem Lagergehäuse des stationären Abgasturbolader in das Luftsystem ge -langt, entwickelte BorgWarner einen speziellen Abgasturbolader mit einer gasgeschmierten Gleitringdichtung [5].

Das dynamische Dichtungskonzept beinhaltet eine gasgeschmierte Gleitring-dichtung und wurde speziell für die An -wendung in einem Turbolader konzipiert, ❼. Es kommt erstmals im R3S-Turbo-ladersystem zum Einsatz und bietet her-vorragende Dichtungseigenschaften, un -abhängig davon, ob die Rotoren gerade in Betrieb sind oder nicht. Bei bestimmten langsamen Rotordrehzahlen wechselt die Dichtung von der statischen zur dynami-schen Dichtfunktion.

Derzeitiger Stand der Technik bei Ab -gasturboladern ist der Einsatz von einem oder zwei Kolbenringen auf der Verdich-ter- und Turbinenseite. Mit einem han-delsüblichen Kolbenring erreichen die Blow-by-Gase bei ansteigendem Lade-druck problematisch hohe Werte. Unter-

druck auf der Ansaugseite des Verdich-ters, verstärkt durch Drosselverluste im Saugbereich sowie durch einen Pump-effekt auf der Rückseite des Verdichter-rads, führt zum Auskriechen des Öls aus dem La ger gehäuse. Kolbenringdichtun-gen verkörpern dynamische Spaltdich-tungen, die großen Ölmengen jedoch nicht ge wachsen sind. Für den Einsatz in einem stehenden Turbolader sind Kol-benringe daher nicht geeignet.

Die Gleitringdichtung besteht unter anderem aus einem Gleitring und einem Gegenring. Unmittelbar nachdem die Rotation einsetzt, schwimmt die Gleit-fläche zwischen dem Gleitring und dem Gegenring auf einem Gaspolster. Das Gaspolster entsteht mithilfe sichelförmi-ger dreidimensionaler Nuten im Gegen-ring, die den Dichtspalt zwischen Gleit-ring und Gegenring bilden. Die Gleitring-dichtung arbeitet ohne Kontakt, was messbaren Verschleiß verhindert und nur geringe Reibungsverluste von wenigen Watt erzeugt. Im Nichtbetrieb verschließt der Dichtspalt mittels Federkraft und dichtet auf diese Weise Gleitring und Gegenring statisch ab.

WASSERGEKÜHLTES VERDICHTERGEHÄUSE

Anders als das R2S-Turboladersystem, das bei hohen Motordrehzahlen lediglich den Turbolader der Niederdruckstufe einsetzt, arbeiten beim R3S-System selbst bei Nenn leistung immer zwei Turbolader in Serie, um beim gewählten Downsizing-Grad jederzeit die angestrebte spezifische Leistung gewährleisten zu können. Für eine hohe spezifische Leistung bedarf es eines extremen Ladedrucks und eines ebenso hohen Druckverhältnisses. Letzte-res führt in der Regel zu hohen Verdichter-Austrittstemperaturen, bei denen Öl in der Spirale des Verdichtergehäuses verkoken kann. Eine Verkokung der Blow-by-Gase im Verdichter führt wiederum zu redu-zierter Motorleistung. Um bei hohen Lade-drücken die Verdichter-Austrittstempera-tur zu reduzieren und somit die Verko-kung des Öls aus den Blow-by-Gasen in der Verdichterspirale beziehungsweise im Ladeluftkühler zu verhindern, muss das Verdichtergehäuse der Niederdruckstufe über ein integriertes Kühlsystem verfügen.

❽ stellt die Kühlung im Bereich der Kontur des Verdichtergehäuses dar. Diese kann sogar bei Bedarf mit einer kennfeld-stabilisierenden Maßnahme (KSM) kom-biniert werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, den Verdichter mit ähnlichen Resultaten in der Rückwand zu kühlen. Eine Kombination aus beiden Varianten verstärkt den Kühleffekt und führt zu den niedrigsten Verdichter-Austrittstempera-turen. Wassergekühlte Verdichtergehäuse wurden speziell für R2S-Anwendungen in Dieselmotoren entwickelt und erzielen gute Resultate bei der Reduzierung der Verdichter-Austrittstemperatur. Sie konn-ten erfolgreich an die Anforderungen des R3S-Turbo ladersystems angeglichen wer-den, sodass sie heute in R2S- und R3S-Systemen zum Einsatz kommen.

Die Verdichterkühlung ist bei üblichen Kühlmitteltemperaturen möglich. ❾ zeigt

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eine typische Temperaturabsenkung durch wassergekühlte Verdichtergehäuse. Gerin-gere Kühlmitteltemperaturen reduzieren die Verdichter-Austrittstemperatur noch effektiver, erfordern aber einen zweiten Wasserkreislauf. Die Integration eines Wasserkanals zwecks Kühlung und eines Zwischenkühlers in das Verdichtergehäuse der Niederduckstufe, ❿, wurde erstmalig für eine BorgWarner-Applikation umge-setzt und in Serie gebracht, um extreme Package-Anfor derungen zu erfüllen.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

BorgWarner hat die geregelte Aufladegruppe mit drei Turboladern (R3S) für Downsizing-Anwendungen entwickelt, um dort eine sehr hohe spezifischer Leistung und ein hervor-ragendes transientes Verhalten bei erheblich reduziertem Kraftstoffverbrauch zu erreichen. Die R3S-Turboladertechnologie debütierte im sogenannten M Performance Dieselmotor von BMW, dem weltweit leistungsstärksten Sechszylinder-Pkw-Dieselmotor [3, 4]. Der 3,0-l-Motor verfügt über eine maximale Leis-tung von 280 kW und ein maximales Dreh-moment von 740 Nm. Ein mit dem R3S-Tur-boladersystem von BorgWarner ausgerüsteter 3,0-l-Dieselmotor erreicht im Vergleich mit einer R2S-Anwendung eine um 25 % gestei-gerte Leistung sowie einen um 8 % reduzier-ten Kraftstoffverbrauch. Im Vergleich zu seinen Konkurrenten mit acht Zylindern schneidet der Kraftstoffverbrauch des Motors mit R3S-System sogar um mindestens 18 % besser ab [4]. Zudem optimiert die Technolo-gie das transiente Verhalten und hilft dabei, die Euro-6-Abgasnorm zu erfüllen.

Um maximale Motorleistung und Dreh-momente zu erzielen, bedarf es einiger Modifikationen am Motor. Vor allem sind eine Optimierung des Einspritzsystems und Verbesserungen der Motormechanik notwendig, damit der Motor den höheren Zylinderdrücken standhalten kann. Bei der geregelten Aufladegruppe mit drei Turbola-dern kommen zudem neuentwickelte Tech-nologien er folgreich zum Einsatz: Neben einer in das Verdichtergehäuse integrierten Wasserkühlung und einem Zwischenkühler wurden ein neues Regelventil, ein neuer Verdichtertyp in der Hochdruckstufe sowie eine neue Dichtungstechnik für den nicht permanent rotierenden Turbolader erstmalig in Serie gebracht.

Aufgrund einer geringeren Massenträgheit und dem Einsatz einer VTG in der Hoch-druckstufe ermöglicht das R3S-System schnellen Ladedruckaufbau unter tran sien-

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Mit 21.500 Studierenden und 1.500 Beschäftigten, davon 420 Professorinnen und Professoren, ist die Fachhochschule Köln die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Deutschland. Elf Fakultäten bieten 70 Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschluss an.

Die Fachhochschule Köln zählt mit ausgewiesenen Stärken im ingenieur- und naturwissenschaftlichen wie auch im geistes- und sozialwissenschaftlichen und im künstlerisch-gestalteri-schen Bereich zu den sehr innovativen und forschungsstarken Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Sie ist in Lehre und Forschung international vernetzt und eine wichtige Partnerin im Wissens- und Technologietransfer.

In der Fakultät für Fahrzeugsysteme und Produktion am Standort Köln-Deutz ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Professur mit folgendem Auf-gabengebiet zu besetzen:

„Fahrzeugantriebe mit dem Schwerpunkt Verbrennungskraftmaschinen“ (Bes. Gr. W2 BBesO)

Kennzi�er: 08049/2

Die Professur ist im Institut für Fahrzeugtechnik angesiedelt, welches mit 22 Professuren und mehr als 800 Studentinnen und Studenten eines der größten fahrzeugtechnischen Institute an Hochschulen in Deutschland ist.

Ihre Aufgaben

Sie vertreten Ihr Aufgabengebiet in der Lehre insbesondere in den Gebieten Fahrzeugantriebe und Verbrennungskraftmaschinen in allen Studiengängen der Fakultät und in der Forschung. Gemäß des im Qualitätspakt ausgezeichne-ten Programms Pro�L2 der Fachhochschule Köln sind Sie bereit, Ihre Lehrveran-staltungen projektorientiert zu konzipieren. Sie halten Ihre Lehrveranstaltungen in deutscher und englischer Sprache. Mit innovativen Projekten auf Drittmittel-basis sind Sie in Forschung und Wissenstransfer aktiv und tragen damit dazu bei, das wissenschaftliche Pro�l der Fakultät und des Instituts für Fahrzeugtechnik weiter auszubilden. Darüber hinaus bereichern Sie so Ihre Lehrveranstaltungen mit einem hohen Praxisbezug. Dazu werden Kooperationen mit anderen Hoch-schulen/Universitäten und der Industrie in nationalem und internationalem Rahmen erwartet.

Ihr Pro�l

Sie haben ein technisch/naturwissenschaftliches Hochschulstudium mit he-rausragenden Leistungen und mit einer Prädikatspromotion abgeschlossen. Sie weisen mehrjährige einschlägige Berufserfahrung im Fachgebiet der Fahrzeug- oder Fahrzeugzulieferindustrie auf. Idealerweise haben Sie bereits Erfahrungen in der Lehre gesammelt und sind am Einsatz moderner Hoch-schuldidaktik interessiert. Sie besitzen die Fähigkeit zur Ausrichtung des eige-nen Denkens und Handelns auf langfristige Ziele der Hochschule sowie die Fähigkeit, Lösungen gemeinsam und arbeitsteilig zuverlässig zu erarbeiten.

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Bitte wenden Sie sich für Rückfragen zur Stelle an Herrn Prof. Dr.-Ing. Frank Herrmann ([email protected]; 0221 8275-2344).

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Präsidenten der Fachhochschule Köln, z. Hd. Frau Jutta Jung, Gustav-Heinemann-Ufer 54, 50968 Köln

richten. Weitere Informationen zu Einstellungsvoraussetzungen, Bewerbungs-unterlagen, W-Besoldung unter www.fh-koeln.de – Stellenangebote (wissen-schaftlich).

Page 9: Leistungsstarke Turboaufladung für Pkw-Dieselmotoren

ten Bedingungen. Dies gilt be sonders dann, wenn die Hochdruckstufe als parallel-sequenzielle Aufladung kon-zipiert ist. Der Turbolader der Nieder-druckstufe eignet sich verdichterseitig für den gesamten Frischluftmassen-durchsatz und turbinenseitig für den kompletten Abgasmassendurchsatz, was große Rotoren mit hoher Massenträgheit erfordert. Während des transienten Vor-gangs beschleunigt der Turbolader in der Hochdruckstufe viel schneller als der Turbo lader der Niederdruckstufe.

Ein erster Ansatz, das transienten Verhalten des unlängst mit dem PACE-Award ausgezeichneten R3S-Turbo lader-systems noch weiter zu verbessern, ist der Einsatz eines VTG-Turboladers in der Niederdruckstufe. Die Eigen schaften sol-cher Turbo lader verbessern die tran siente Reaktion, indem sie das Schluckvermögen durch Schließen der VTG-Leitschaufeln reduzieren. Eine Maßnahme zur Redu-zierung der Massenträgheit für ein ver-bessertes transientes Ver halten der Nie-derdruckstufe stellt die Aufteilung des Abgas massendurchsatzes auf zwei paral-lele kleinere Turbolader dar. Dieser Vor-gang verringert die Mas sen trägheit des Laufzeugs der Niederdruckstufe etwa um die Hälfte. Ein anderes Turbinenradmate-rial, etwa Titan alumi nid, eingesetzt in einem ein zigen Niederdruckturbolader, würde die Massenträgheit des Rotors um circa 35 % reduzieren.

Vor einigen Jahren als Hochleis tungs-technologie eingeführt, ver größert das R2S-Turboladersystem von Borg Warner stetig seinen Marktanteil. Ähn liches Wachstumspotenzial erwartet BorgWarner langfristig auch für die R3S-Technologie. Es ist anzunehmen, dass Vierzylinder-motoren mit R3S aufgrund ihrer Vorteile bei Kraftstoffverbrauch, Emissionen und Kosten in der Lage sein werden, Sechs-zylindermotoren mit herkömmlichen Aufladesystemen zu ersetzen.

LITERATURHINWEISE[1] Schmitt, F.; Schreiber, G.; Engels, B.: Regulated 2-Stage (R2S) Charging System for High Specific Power Engines. 13. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 2004[2] Schmitt, F.; Schwarz, A.; Schmalzl, H.-P.; Christmann, R.: The 2-stage Regulated Charging System (R2S) for Passenger Car and Commercial Diesel Engines. In: MTZ 66 (2005), Nr. 1[3] Eidenböck, T.; Mayr, K.; Neuhauser, W.; Staub, P.: The new BMW 6-cylinder Diesel Engine with Three Turbochargers. In: MTZ 73 (2012), Nr. 10[4] Ardey, N.; Wichtl, R.; Steinmayr, T.; Kaufmann, M.; Hiemesch, D.; Stütz, W.: The all new BMW Top Diesel Engines. 33. Wiener Motorensymposium, 2012[5] Simon, C.; Lang, K.; Feigl, P.; Bock, E.: Turbo-charger Seal for Zero Oil Consumption and Minimized Blow-by. In: MTZ 71 (2010), Nr. 4

DANKE

Der Autor möchte seinen Kollegen Patrick

Steingass, Andreas Kopietz und Günter Krämer,

alle BorgWarner Turbo Systems in Kirchheim-

bolanden, für ihre freundliche Unterstützung

danken.

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Red. Volumenstrom [m3/s]

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❾ Das Verdichterkennfeld zeigt die Temperatursenkung mit einem gekühlten Verdichter-gehäuse sowie eine typische Motorleistungslinie (beschrieben durch die roten Punkte)

❿ Verdichtergehäuse mit Wasserkühlung und Zwischenkühler

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03I2014 75. Jahrgang 35

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