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Leistungsbeschreibung und Nachträge aus Leistungsänderungen Rechtsanwalt Peter Oppler Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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Leistungsbeschreibung und Nachträge aus Leistungsänderungen

Rechtsanwalt Peter OpplerFachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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55,1

51,9

50,6

49,7

44,2

41,9

41,3

40,8

37,9

29,1

26,8

24,5

23,5

17,5

14,8

12,2

12,0

0 10 20 30 40 50 60

Leistungsänderung

Zusätzliche Leistungen

Unklarheiten im Vertrag

Fehlerhaf tes LV

Fehlende Planunterlagen

Mangelhaf te Bauleistung

Fehlende Vorleistung

Fristenüberschreitung

Zahlungsverzug

Fehlerhaf te Kalkulation

Fehlendes Know-How

Insolvenz

Schlechte Prüfbarkeit der Rechnung

Wettereinf luss

Materiallieferung

Streik

Gesetzesänderungen

Mittelwert der Häufigkeitsangaben in %

Streitursachen

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Streitursachen

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Konsequenzen von Konflikten

37,4

37,1

32,3

17,0

16,8

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Bauzeitverzögerung

Keine zukünftigeZusammenarbeit

GerichtlicheAuseinandersetzung

Kündigung durch einenVertragspartner

Baustillstand

Mittelwert der Häufigkeitsangaben in %

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Konfliktkonsequenzen

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Erfahrung mit Konfliktlösungsverfahren

80,3

76,3

65,8

40,8

28,9

19,7

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Gericht

SelbständigesBeweisverfahren

Schiedsgutachten

Schiedsgericht

Schlichtung

Mediation

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Erfahrung mit Konfliktlösungsverfahren

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Anteil der positiven Bewertungen bzgl. der Wirksamkeit von Konfliktlösungsverfahren

50,0

48,1

45,3

44,6

41,3

21,4

0 10 20 30 40 50 60

SelbständigesBeweisverfahren

Schlichtung

Schiedsgutachten

Schiedsgericht

Mediation

Gericht

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Wirksamkeit von Konfliktlösungsverfahren

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Vermeidung durch juristischen Beistand?

30,3

60,9

17

69,7

39,1

83

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Gesamt Juristen Bauingenieure

JaNein

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Ansätze zur Konfliktvermeidung

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Vermeidung durch bessere Kommunikation?

76,3 73,9 77,4

23,7 26,1 22,6

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Gesamt Juristen Bauingenieure

JaNein

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Ansätze zur Konfliktvermeidung

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Vermeidung durch bessere Vertragsgestaltung?

77,687

73,6

22,413

26,4

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Gesamt Juristen Bauingenieure

Ja Nein

Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Ansätze zur Konfliktvermeidung

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Haghsheno/Kaben, Jahrbuch Baurecht 2005

Ansätze zur Konfliktvermeidung

Vermeidung durch Gesetze bzw. Richtlinienänderung?

10,8 17

89,2100

83

0

20

40

60

80

100

120

Gesamt Juristen Bauingenieure

Ja Nein

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1. Das System der Nachträge

Leistungsänderungen

§ 2 Abs. 3 Mengenänderungen

§ 2 Abs. 4 Selbstübernahme

§ 2 Abs. 5 Leistungsänderung

§ 2 Abs. 6 Zusatzleistungen

§ 2 Abs. 8 Nicht bestellte Leistungen

Störungen

§ 6 Abs. 6 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

§ 642 BGB Entschädigung wegen unterlassene Mitwirkung

§ 304 BGB Aufwendungsersatz bei Annahmeverzug

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1. Das System der Nachträge

OLG Hamm, Urteil vom 14.04.2005 – 21 U 133/04 (BauR 2005, 1480)

„Die Unterscheidung ist insbesondere wichtig, weil sich der vertragliche Mehrvergütungsanspruch grundlegend anders berechnet als der Schadensersatz- oder der Entschädigungsanspruch. Während bei Geltendmachung eines Mehrvergütungsanspruchs gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B eine Fortschreibung der Vertragskalkulation darzulegen ist, müssen für den Schadensersatzanspruch gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B ein konkreter zurechenbarer Schaden und bei dem Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB die Grundlagen für die Festsetzung einer angemessener Entschädigung durch den Auftragnehmer vorgetragen werden.

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1. Das System der Nachträge

OLG Hamm, Urteil vom 14.04.2005 – 21 U 133/04 (BauR 2005, 1480)

Macht ein Auftragnehmer Ansprüche wegen Verlängerung der Bauzeit geltend, die sowohl auf vertragsgemäßen Anordnungen als auch auf vertragswidrigen Eingriffen des Auftraggebers beruhen, ist es im Hinblick auf die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen mit den verschiedenen Anspruchsvoraussetzungen erforderlich, dass die vertragsgemäßen und vertragswidrigen Bauzeitverlängerungen hinsichtlich ihres jeweiligen Umfangs deutlich getrennt voneinander dargelegt werden. Nur dann sind die Voraussetzungen für die verschiedenen Ansprüche schlüssig dargelegt und die behaupteten Tatsachen ggf. einer Beweisaufnahme zugänglich.“

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1. Das System der Nachträge

Übersicht über wichtige Nachträge aus Leistungsänderungen

§ 2 Abs. 3 VOB/B, Mengenänderungen

§ 2 Abs. 4 VOB/B, Selbstübernahme

§ 2 Abs. 5 VOB/B, geänderte Leistungen

§ 2 Abs. 6 VOB/B, notwendige Zusatzleistung

§ 2 Abs. 8 VOB/B, nicht bestellte Leistungen

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2. Ausgangspunkt Vertragsleistung

Charakteristik des Werkvertrags:

Die vertragliche Schuld ist der Werkerfolg ; die Ausführung von Tätigkeiten, die zur Bewirkung des Erfolgs geeignet sind, reicht nicht aus.

Die vereinbarte Vergütung ist das Äquivalent für den Werkerfolg.

Besonderheit bei detailliert beschriebener Leistung:

Mit Bezahlung der vereinbarten Vergütung ist die Erfüllung der vertraglich beschriebenen Leistungsschuld abgegolten.

Insgesamt:

Die Forderung des AN nach Änderung (Erhöhung) der Vergütung (Nachtrag) setzt zwangsläufig eine Änderung auf der Leistungsseite voraus.

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Frage:

Frage:

Hat eine Änderung der vertraglichen Leistung immer eine Änderung der Vergütung zur Folge?

Anders:

Setzt eine Änderung der vereinbarten Vergütung immer eine Änderung der vertraglichen Leistung voraus?

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3. Die Leistungsbeschreibung

Was ist die Leistungsbeschreibung?

VOB: Bestandteil der Verdingungsunterlagen vgl. etwa § 1 Abs. 2 VOB/B„Bei Widersprüchen im Vertrag gelten nacheinander:a) die Leistungsbeschreibung,b) die Besonderen Vertragsbedingungen,c) etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen,d) – f) u.s.w.Übernahme des Begriffs Leistungsbeschreibung aus der VOB/A, vgl. 7 VOB/A (Beschreibung der Leistung) wettbewerbliche Prägung des Begriffs LeistungsbeschreibungBGH: Gesamtheit aller Angaben zur Definition der vertraglich geschuldeten Leistung des AN vertragsrechtliche Prägung des Begriffs Leistungsbeschreibung

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Frage

Frage:

Der AN ist mit der Fassadensanierung eines 4-stöckigen Altbaus inkl. komplettem Fensteraustausch beauftragt.

Im Zuge der Sanierungsarbeiten fordert er beim AG die Fensterpläne an und meldet, nachdem diese ausbleiben, Behinderung an.

Zu Recht?

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3. Die Leistungsbeschreibung

Zur Beschreibungspflicht des AG:

BGH, Urteil vom 27.11.2008 - VII ZR 206/06 (Glasfassade)………………………Im Rahmen dieser Mitwirkungshandlungen hat der Besteller dem Unternehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen…….. Der Senat hat schon früher darauf hingewiesen, dass ein mitwirkendes Verschulden des planenden Architekten dann vorliege, wenn Pflichten und Obliegenheiten verletzt worden seien, die denBesteller gegenüber dem Unternehmer träfen, wie z.B. die Lieferung von Plänen…….. Zwar hat der Senat später den Begriff "Obliegenheit" nicht mehr verwendet, sondern ausgeführt, der Besteller "schulde" dem Unternehmer zuverlässige Pläne oder "habe" diese zu stellen………. Diese Formulierung ändert jedoch nichts daran, dass es sich insoweit jedenfalls um eine Obliegenheit des Bauherrn handelt, die allerdings durch die vertragliche Vereinbarung zu einer Leistungspflicht erhoben werden kann.………………………

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3. Die Leistungsbeschreibung

§ 7 VOB/A (Auszug):

1. Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.

2. ………………………

3. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.

4. – 15. ………u.s.w.

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3. Die Leistungsbeschreibung

§ 7 VOB/A:

vertragsrechtliche Bedeutung gering:

-- Normadressat nur öffentliche Auftraggeber

-- VOB/A konforme Auslegung

-- Nachtrag vor Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von VOB/A-Ausschreibungsgrundsätzen

-- Problem des Schadensersatzes: Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens und Rückfrageobliegenheiten

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3. Die Leistungsbeschreibung

Grundsätzlich gibt es zwei Beschreibungstechniken:

Die eine (a) beschreibt, was zu tun ist, die andere (b) was herauskommen soll.

Technik (a) ist also eine (detaillierte) Produktionsanweisung, Technik (b) eine (funktionale) Produktbeschreibung.

Beispiel: Baugrube

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3. Die Leistungsbeschreibung

Boden für Baugrube ausheben und abtransportieren, -- Bodenklasse 3-5, 5.000 m³, Lage und Einmessung nach Plan

oder-- Lage und Einmessung nach Plan

oder-- 5.000 m³ (50x20x5)

oderHerstellen der Baugrube

-- auf dem Grundstückoder

-- für Gebäude xyoder

-- nach Wahl des AG

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3. Die Leistungsbeschreibung

Grenzen bei Funktionalbeschreibung:

• Die auszuführende Werkleistung muss den vertraglich vorgegebenen Funktionen entsprechend und insoweit vertragsgerecht, tauglich, mangelfrei und vollständig sein.

• Der Unternehmer muss dabei regelmäßig die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigen und sich auch im Rahmen öffentlich-rechtlicher Bestimmungen bewegen.

• Das Leistungsbestimmungsrecht muss, soweit es besteht, nach billigem Ermessen ausgeübt werden, § 315 BGB.

• Das Leistungsbestimmungsrecht muss sich darüber hinaus am technischem Zustand und Funktion des Gebäudes orientieren . Ein Generalunternehmer, der sich funktional zur Errichtung eines „5 Sterne-Luxus-Super-Hotels„verpflichtet hat, kann sich selbst dann, wenn der Leistungsbeschrieb zum Fußbodenbelag in der Empfangshalle keinerlei Angaben enthielte und der Unternehmer somit wählen könnte, seiner Leistungspflicht nicht dadurch entledigen, dass er Baumarkt-Filz-Fliesen zu € 2,95/qm verlegt.

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Frage

Frage:

Der AN wird mit dem Abbruch „komplett“ dreier Gebäudeteile zum Pauschalpreis von 600.000 € beauftragt. In der Leistungs-beschreibung (Zulagepositionen für „Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung“) findet sich die Angabe:

„Estrichstärke 3 cm (geschätzt)“

Tatsächlich stellten sich Estrichstärken von über 7 cm heraus. Für die mit dem Abbruch dieser Estrichmehrstärken verbundenen Mehraufwand macht der AN einen Nachtrag von 120.000 € geltend.

Zu Recht?

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3. Die Leistungsbeschreibung

BGH, Urteil vom 30.06.2011 - VII ZR 13/10 (Estrichstärke)

Der Abschluss eines Vertrages über eine komplett funktional beschriebene Bauleistung zu einem Pauschalpreis schließt es nicht aus, dass die Parteien zu einzelnen Leistungen besondere Vereinbarungen treffen (sogenannte Detaillierung)………

Es geht insoweit im Wesentlichen nicht um die Begrenzung der nach dem Vertrag geschuldeten Leistung, sondern der dafür vereinbarten Vergütung………..

Die Erwähnung von detaillierten Bauumständen in einer Leistungsbeschreibung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Vergütungsvereinbarung insoweit tangiert ist. Vielmehr ist es auch möglich, dass die Erwähnung von detaillierten Bauumständen lediglich zum Ausdruck bringen soll, wovon der Auftraggeber ausgeht, ohne dass er dies zum Vertragsinhalt erheben will……….

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3. Die Leistungsbeschreibung

BGH, Urteil vom 30.06.2011 - VII ZR 13/10 (Estrichstärke)

Die … Auslegung muss auch im Blick haben, dass die Erwähnung von Bauumständen dazu führen kann, diese als Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen, wenn sie nicht Gegenstand der Entgeltvereinbarung geworden sind ……..

Macht der Auftraggeber in einer Leistungsbeschreibung zum Pauschalvertrag detaillierte Angaben zu den Mengen oder die Mengen beeinflussende Faktoren, die erhebliche Bedeutung für die Kalkulation des Pauschalpreises haben, wird das häufig nach Treu und Glauben dahin zu verstehen sein, dass diese Angaben auch nach seinem Willen zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben werden sollen.

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3. Die Leistungsbeschreibung

BGH, Urteil vom 30.06.2011 - VII ZR 13/10 (Estrichstärke)

Das kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen darf, der Auftraggeber habe eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben wollen…. In solchen Fällen werden beide Parteien regelmäßig davon ausgehen, dass die beschriebenen Umstände vorliegen und auch bei der Bildung des Preises berücksichtigt werden. Der beiderseitige Irrtum über solche Umstände kann eine Anpassung des Vertrages nach den zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelten Grundsätzen erfordern. …..

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3. Die Leistungsbeschreibung

Die Leistungsbeschreibung kann in zweierlei Hinsicht mangelhaft sein:

a) Sie ist von der Beschreibungstechnik her einwandfrei, also eindeutig, beschreibt jedoch ein Werk (oder dessen Herstellung), das nicht einwandfrei, in der Praxis oft vor allem nicht zur vorgesehenen Verwendung geeignet ist.

Beispiele: Fall Flachgründung, Fall Druckwasserisolierung

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3. Die Leistungsbeschreibung

Die Leistungsbeschreibung kann in zweierlei Hinsicht mangelhaft ein:

b) Sie ist von der Beschreibungstechnik her nicht einwandfrei, weil sie keine eindeutige Aussage über das vertraglich vom AN geschuldete Werk trifft. Sie ist unklar oder widersprüchlich.

Beispiel: Fall Schallschutztüren

c) Sie kann natürlich auch beides sein.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, (Blockheizkraftwerk, IBR 2008, 77)

Der AG beabsichtigt, für ein nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossenes Forsthaus ein Blockheizkraftwerk errichten zu lassen. Dieses Kraftwerk soll den gesamten Strom- und den gesamten Heizungsbedarf des Forsthauses decken.

Mit der Errichtung des Blockheizkraftwerks beauftragt der AG den G, mit der Installation der Heizung den H.

Der AG lehnte die Abnahme der Heizungsanlage (AN H) ab, weil das Forsthaus nicht ausreichend erwärmt wird. Der dazu notwendige Stromverbrauch des Blockheizkraftwerks (AN G) wird nicht abgerufen.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, (Blockheizkraftwerk, IBR 2008, 77)

Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Danach ist die von der Klägerin errichtete Heizungsanlage mangelhaft. Die Errichtung der Heizungsanlage und deren Anschluss an das Blockheizkraftwerk wurde in Auftrag gegeben, umdas Forsthaus D. ausreichend zu beheizen und mit Warmwasser zu versorgen. Diesen vertraglich vereinbarten Gebrauchszweck kann die Anlage nicht erfüllen. Die Heizkörper werden nicht durchgehend ausreichend erwärmt. sind.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, (Blockheizkraftwerk, IBR 2008, 77)

Ohne Bedeutung ist, dass die von der Klägerin einzubauenden Teile der Heizungsanlage …. für sich gesehen ordnungsgemäßerrichtet sind. Denn das führt nicht dazu, dass die vereinbarte Funktion erfüllt ist. Ohne Bedeutung ist auch, dass die mangelnde Funktion der Heizungsanlage ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass das Blockheizkraftwerk keine ausreichende Wärme zur Verfügung stellt. Denn ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Besteller zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Unternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werkes abhängt, unzureichend sind.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 16.07.1998 - VII ZR 350/96 (Haussanierung, BauR 1999, 37)

Hinsichtlich der Decken und Böden enthält der Vertrag folgende Regelungen: "... Komplettes Herstellen von Fußböden aus Trockenestrichelementen, bestehend aus einem Papierrieselschutz, einer bis zu 20 mm starken Ausgleichsschicht aus Perliten, sowie 20 mm starke Fermacel-Platten mit Stufenfalz. ... Herstellen von planebenen, aus 12,5 mm starken Gipsfaserplatten bestehenden Decken. ... Herstellen von Trennwänden aus Gipsfaserplatten, einschließlich dem Herstellen eines 75 mm starken Ständerwerkes sowie dem beidseitigen Beplanken mit 12,5 mm starken Gipsfaserplatten. ... Einarbeiten von 50 mm Dämmmatten in sämtliche Trockenbauwände. …usw.Unstreitig wurden hierdurch bei der Neuherstellung der entkernten Böden die DIN 4109 (Schallschutz) und die DIN 4102 (Brandschutz) nicht eingehalten.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 16.07.1998 - VII ZR 350/96 (Haussanierung, BauR 1999, 37)

Die Leistung des Auftragnehmers ist nur vertragsgerecht, wenn sie die Beschaffenheit aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch erforderlich ist. Im Rahmen der getroffenen Vereinbarung schuldet der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk. An dieser Erfolgshaftung ändert sich grundsätzlich nichts, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktionstauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann (st. Rspr.: vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82 = BauR 1984, 510; Urteil vom 19. Januar 1995 - VII ZR 131/93 = BauR 1995, 230 m.w.N.).

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 16.07.1998 - VII ZR 350/96 (Haussanierung, BauR 1999, 37)

Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch versprochen und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Ausführungsart nicht zu erreichen, dann schuldet der Auftragnehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82 aaO). Unabhängig davon schuldet der Auftragnehmer vorbehaltlich abweichender Vereinbarung die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, (Blockheizkraftwerk, IBR 2008, 77)

Der Unternehmer kann in diesen Fällen allerdings der Verantwortlichkeit für den Mangel seines Werks durch Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflicht entgehen. Liegen die Voraussetzungen dazu nicht vor, bleibt er für den Mangel der Funktionstauglichkeit verantwortlich. Er muss deshalb seine Leistung nachbessern, bis die vereinbarte Funktionstauglichkeit erreicht ist.

Die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht ist ein Tatbestand, der den Unternehmer von der Sach- oder Rechtsmängelhaftung befreit. Das ist deutlich in der Regelung des § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 VOB/B zum Ausdruck gebracht

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

§ 13 Abs. 3 VOB/B

Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers, haftet der Auftragnehmer, es sei denn, er hat die ihm nach § 4 Nr. 3 obliegende Mitteilung gemacht.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

§ 4 Nr. 3 VOB/B

Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich - möglichst schon vor Beginn der Arbeiten - schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

Prüfpflichten des AN beim Angebot

o Allgemeine vertragliche Treuepflicht jeder Vertragspartei, den Vertragspartner vor Schaden zu bewahren

o Kooperationsgebot

o Bereits im Zeitraum der Vertragsanbahnung

o Prüfungsmaßstab; Prüfungs- und „Wahrnehmungspflichten“

o Schaden und „Sowieso-Kosten“

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Frage

Werkvertrag

Vertragsgegenstand: Herstellung von Fußbällen

Leistungsbeschreibung:Fußbälle: 10 Stück herstellen mit nahtloser Oberfläche (TSBE-Technik) und liefernMaterial: Polyurethan, 100% wasserdicht, LatexblaseForm und Größe: Würfelform, Kantenlänge 24 cmGewicht: zwischen 410g und 450gOberfläche: Grip´n Groove, Mikro-NoppenFarbe: white/poppy

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

Vergütungsfolgen: Abgeltungsanknüpfung an beschriebene Leistung

§ 2 Abs. 1 VOB/B

Durch die vereinbarten Preise werden alle Leistungen abgegolten,die nach der Leistungsbeschreibung, den Besonderen Vertragsbedingungen, den Zusätzlichen Vertragsbedingungen, den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen, den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zur vertraglichen Leistung gehören.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 16.07.1998 - VII ZR 350/96 (Haussanierung, BauR 1999, 37)

Der für die bestimmte Ausführungsart vereinbarte Werklohn umfasst, sofern die Kalkulation des Werklohnes nicht allein auf den Vorstellungen des Auftragnehmers beruht, nur diese Ausführungsart, so dass der Auftraggeber Zusatzarbeiten, die für den geschuldeten Erfolg erforderlich sind, gesondert vergüten muss.

Ist das Werk deshalb mangelhaft, weil der Auftragnehmer die vereinbarte Ausführungsart ausgeführt hat, können die ihm zustehenden Zusatzvergütungen im Rahmen der Gewährleistung als "Sowieso-Kosten" berücksichtigt werden.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 22.03.1984 - Az: VII ZR 50/82 (Druckwasserisolierung, BauR 1984, 395)

Nach dem GU-Vertrag hatte die Klägerin eine Wohnanlage schlüsselfertig zu erstellen und den Beklagten bezugsfertig zu übergeben . Zu diesem Zweck war sie nach dem Wortlaut des Vertrags verpflichtet, sich mit dem Baugrundstück sowie den örtlichen Verhältnissen vertraut zu machen die Vollständigkeit des Leistungsverzeichnisses zu überprüfen und auch nicht vorgesehene, aber erforderliche Leistungen zu erbringen. Daraus folgt, dass sie insgesamt ein mängelfreies Gebäude zu errichten hatte und ihre Gewährleistungspflicht nicht vom Inhalt des Leistungsverzeichnisses abhängen sollte. Sie schuldete all das, was nach den örtlichen und sachlichen Gegebenheiten jeder Fachmann als notwendig erachtet hätte.

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4. Eingeschränkte Verwendungseignung

BGH, Urteil vom 22.03.1984 - VII ZR 50/82 (Druckwasserisolierung, BauR 1984, 395)

Gleichwohl war sie nicht verpflichtet, die unstreitig erforderliche Abdichtung gegen drückendes Wasser ohne Zusatzbezahlung auszuführen. Der Umfang der vom Pauschalpreis abgegoltenen Leistungen (§ 2 Abs. 1 VOB/B) wurde hier nämlich nicht allein durch das Ziel, ein schlüsselfertiges Bauwerk zu errichten, sondern noch durch weitere Vorgaben der Beklagten bestimmt.

So gehörte nach § 2 Nr. 2 des Vertrags insbesondere die Bau- und Leistungsbeschreibung des Architekten zu den ausdrücklich vereinbarten Vertragsbestandteilen. Eine Druckwasser-Isolierung war darin nicht vorgeschrieben, obwohl die Firma B, deren sich die Beklagten als Treuhänderin bedienten, bereits 1976 ein Bodengutachten eingeholt hatte und über die problematischen Grundwasserverhältnisse hinreichend unterrichtet war.

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Und wie beurteilen Sie diesen Sachverhalt?

BGH, Urteil vom 30.06.2011 - VII ZR 13/10 (Estrichstärke)

Sachverhalt:

Auftrag: Abbruch „komplett“ dreier GebäudeteileVergütung pauschal: 618,655 €

Angabe in der Leistungsbeschreibung (Zulagepositionen für„ Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung“):

„Estrichstärke 3 cm (geschätzt)“

Tatsächlich stellten sich Estrichstärken von über 7 cm heraus. Für die mit dem Abbruch dieser Estrichmehrstärken verbundenen Mehraufwand macht der AN einen Nachtrag von 124.695 € geltend.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

Grundsätze der juristischen Vertragsauslegung

§ 133 Auslegung einer Willenserklärung Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

§ 157 Auslegung von Verträgen Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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Wichtige Grundsätze zur Auslegung von Leistungsbeschreibungen:

1. Allein durch Risikoverlagerung keine Unklarheit2. Bedeutung des Wortlauts bei Ausschreibungen3. Anerkannte Regeln der Technik als Mindeststandard4. Vertraglicher Leistungsstandard als Auslegungskriterium5. Widerspruchsfreie Auslegung vor Rangfolgevereinbarung6. Keine besondere Risikoübernahme durch unterlassene

Erkundigung

5. Unklarheiten und Widersprüche

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 27.06.1996 - VII ZR 59/95 (Kammerschleuse, BauR 1997, 126)

Für die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses ist nicht von Bedeutung, dass die übernommenen Verpflichtungen kalkulierbar sind.

Ob und wie sich ein Vertragspartner der Risiken eines Vertragsschlusses vergewissert, ist ausschließlich seine Sache. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem riskante Leistungen nicht übernommen werden können.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 27.06.1996 - VII ZR 59/95 (Kammerschleuse, BauR 1997, 126)

Eine mit § 9 VOB/A unvereinbare Ausschreibungstechnik führt nicht dazu, dass anstelle der ausgeschriebenen Leistung eine mit§ 9 VOB/A übereinstimmende Vertragsinhalt wird. § 9 VOB/A enthält kein zwingendes Vertragsrecht.

Ein sachkundiger Auftragnehmer kann sich nicht darauf berufen, er habe die mit einer funktionalen Leistungsbeschreibung verbundene Risikoverlagerung nicht erkennen können oder nicht zu erkennen brauchen

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 09.04.1992 - VII ZR 129/91 (Wasserhaltung I, BauR 1992, 759)

Mangels hinreichender Unterlagen ist eine bestimmte Form der Wasserhaltung nicht Vertragsinhalt geworden ist. Vielmehr hatte der AN ohne Rücksicht auf seine eigenen Planungsvorstellungen und Kalkulationsüberlegungen eine nach Sachlage mögliche Wasserhaltung zu leisten.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 11.11.1993 - VII ZR 47/93 (Wasserhaltung II, BauR 1994, 236)

Auch bei eindeutigem Wortlaut können nach den Umständen des Einzelfalls völlig ungewöhnliche und von keiner Seite zu erwartende Leistungen von der Leistungsbeschreibung ausgenommen sein.

Bei einer öffentlichen Ausschreibung muss sich der Auftraggeber ….. nach Treu und Glauben daran festhalten lassen, dass er nach eigenem Bekunden den Auftragnehmern kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen will (§ 9 VOB/A). Im Zweifelsfalle brauchen die Auftragnehmer ein solches Wagnis nicht ohne weiteres zu erwarten.

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Frage

Frage:

Der AN ist mit dem Aushub einer in einem Plan näher bezeichneten Baugrube beauftragt. Die Leistungsposition lautet:

„Baugrube nach Plan herstellen. Aushubmaterial lösen, ausheben und abfahren“.

Im Zuge der Aushubarbeiten stellen sich Kontaminationen des Aushubmaterials heraus, die zu beträchtlichen Mehraufwendungen des AN führen. Er beansprucht – unter anderem unter Hinweis auf § 645 BGB – Vergütungsanpassung.

Zu Recht?

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5. Unklarheiten und Widersprüche

§ 645 Verantwortlichkeit des Bestellers

(1) 1 Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, sokann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechendenTeil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. 2 Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des § 643 aufgehoben wird.(2) Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 22.12.2011 - VII ZR 67/11

a) Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, ihm mögliche und zumutbare Angaben zur Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Ein Unterlassen solcher Angaben kann die Auslegung des Vertrages dahin rechtfertigen, eine Bodenkontamination liege nicht vor.*)

b) Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontaminierung des zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens ist nicht notwendig, wenn diese sich aus den Umständen klar und eindeutig ergibt, weil der im Leistungsverzeichnis beschriebene Boden regelmäßig kontaminiert ist (hier: Boden unterhalb einer teerhaltigen Asphaltschicht).

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 22.04.1993 - VII ZR 118/92 (Fall Farbpalette, BauR 1993, 595)

Bei Ausschreibungen nach VOB/A ist für die Auslegung der Leistungsbeschreibung die Sicht der möglichen Bieter als Empfängerkreis maßgebend. Das mögliche Verständnis nur einzelner Empfänger kann nicht berücksichtigt werden.

Dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung kommt für die Auslegung einer nach VOB/A ausgeschriebenen Leistung besondereBedeutung zu. Nicht ausgesprochene Einschränkungen des Wortlauts können nur zum Tragen kommen, wenn sie von allen gedachten Empfängern so verstanden werden mussten.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.05.1998 - VII ZR 184/97 (Schallschutz I, BauR 1998, 872)

1. Welcher Luftschallschutz geschuldet ist, ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Sind danach bestimmte Schalldämm-Maße ausdrücklich vereinbart oder jedenfalls mit der vertraglich geschuldeten Ausführung zu erreichen, ist die Werkleistung mangelhaft, wenn diese Werte nicht erreicht sind.

2. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, ist die Werkleistung im allgemeinen mangelhaft, wenn sie nicht den zur Zeit der Abnahme anerkannten Regeln der Technik als vertraglichem Mindeststandard entspricht.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.05.1998 - VII ZR 184/97 (Schallschutz I, BauR 1998, 872)

Die anerkannten Regeln der Technik sind von erheblicher Bedeutung. Der Besteller kann redlicherweise erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertig gestellte und abgenommene Bauwerke erfüllen. Der Unternehmer sichert üblicherweise stillschweigend bei Vertragsschluss die Einhaltung dieses Standards zu. Es kommt deshalb im allgemeinen auf den Stand der anerkannten Regeln der Technik zur Zeit der Abnahme an.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.06.2007 - VII ZR 45/06 (Schallschutz II)

Welcher Schallschutz … geschuldet ist, ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Wird ein üblicher Qualitäts- und Komfortstandard geschuldet, muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren.

Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.06.2007 - VII ZR 45/06 (Schallschutz II)

Es geht um den Erwerb einer Doppelhaushälfte im Oktober 1996. Die in dem Vertrag in Bezug genommene Baubeschreibung lautet unter dem Stichwort "Bauausführung":

"Alle Bestimmungen im Hochbau in Bezug auf Wärme, Schall- und Brandschutz werden eingehalten. Die in den Verordnungen festgelegten Mindestwerte werden überschritten."

Unter dem Stichwort "Vorwandinstallation" heißt es:

"Im WC und Badezimmer werden die Rohre und isolierten Spülkästen der WC’s vor der Wand verlegt, isoliert und fachgerecht abgemauert, wodurch neben optimaler Geräuschdämmung auch eine dekorative, sinnvolle Ablagemöglichkeit mit interessanter Raumgestaltung entsteht."

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.06.2007 - VII ZR 45/06 (Schallschutz II)

Das OLG meint:

Die Beklagte schulde mangels abweichender Vereinbarungen einen Schallschutz nach den anerkannten Regeln der Technik.

Es sei nicht feststellbar, dass die DIN 4109 nicht den Stand derTechnik wiedergebe. Der Sachverständige habe sie in seinen Gutachten als Maßstab für die zu erfüllenden Mindestanforderungen herangezogen.

Um 3 dB höhere Schallschutzwerte habe er aus technischer Sicht erst im Rahmen einer vereinbarten Überschreitung gefordert.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.06.2007 - VII ZR 45/06 (Schallschutz II)

Das Berufungsgerichts lässt unberücksichtigt, dass die Schalldämm-Maße der DIN 4109, wenn sie nicht vereinbart sind, in aller Regel nicht die maßgeblichen Anknüpfungspunkte für die Feststellung des geschuldeten Schallschutzes sind.

Maßgebend sind die im Vertrag zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen von der Qualität des Schallschutzes, also der Beeinträchtigung durch Geräusche.

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 14.06.2007 - VII ZR 45/06 (Schallschutz II)

Der Besteller hat insoweit in aller Regel keine Vorstellungen, die sich in Schalldämm-Maßen nach der DIN 4109 ausdrücken,sondern darüber, in welchem Maße er Geräuschbelästigungen ausgesetzt ist, inwieweit er also Gespräche, Musik oder sonstige Geräusche aus anderen Wohnungen oder Doppelhaushälften hören oder verstehen kann. Entsprechende Qualitätsanforderungen können sich nicht nur aus dem Vertragstext, sondern auch aus erläuternden und präzisierenden Erklärungen der Vertragsparteien, sonstigen vertragsbegleitenden Umständen, den konkreten Verhältnissen des Bauwerks und seines Umfeldes, dem qualitativen Zuschnitt, dem architektonischen Anspruch und der Zweckbestimmung des Gebäudes ergeben.

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BGH, Urteil vom 09.02.1995 - VII ZR 143/93 (Schallschutztüren, BauR 1995, 538)

Technischer Zuschnitt und Funktion sind bei der Auslegung von Bedeutung,

Bei der nach BGB §§ 133, 157 gebotenen Auslegung von Leistungsverzeichnissen kann den Ausführungen eines technischen Sachverständigen nur eine begrenzte Funktionzukommen. Sie beschränkt sich im wesentlichen darauf, das für die Beurteilung bedeutsame Fachwissen zu vermitteln, also etwa Fachsprache und Üblichkeiten, vor allem wenn sie sich zu einer Verkehrssitte iSv BGB § 157 verdichtet haben.

5. Unklarheiten und Widersprüche

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5. Unklarheiten und Widersprüche

BGH, Urteil vom 25.06.1987 - VII ZR 107/86 (Universitätsbibliothek, BauR 1987, 683)

Der Auftragnehmer darf ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe seines Angebots klären.

Ähnlich ist es, wenn sich für ihn aus dem Leistungsverzeichnis und den ihm überlassenen Unterlagen die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt. … Auch dann muss er versuchen, insoweit aufkommende Zweifel vor Abgabe des Angebots auszuräumen, wenn sich das mit zumutbarem Aufwand machen lässt.

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Frage

Frage:

Ein mit Fliesenarbeiten beauftragter AN hat sich vertraglich gegenüber dem AG verpflichtet, die Bäder eines Mehrfamilienhauses „türstockhoch“ mit Wandfliesen zu belegen.

Nach Vertragsschluss verlangt der AG geänderte Ausführung, nämlich Fliesenbelag „deckenhoch“.

Der AN, der wegen anderer Aufträge unter großem Zeitdruck ist, weigert sich unter Hinweis auf die vertraglichen Vereinbarungen.

Zu Recht?

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

Grundsatz Konsensprinzip

§ 311 Abs. 1 BGB: Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

Leistungsänderungsrecht nach Treu und Glauben

BGH, Urteil v. 25.01.1996 - VII ZR 233/94 (BauR 1996, 378)

Das gesetzliche Werkvertragsrecht kennt allerdings eine Änderungsbefugnis des Bestellers nicht. Jedoch kann sich das in § 1 Nr. 4 VOB/B geregelte Gestaltungsrecht des Auftraggebers mit den dort genannten Einschränkungen im Einzelfall auch beim BGB-Werkvertragsrecht aus Treu und Glauben gemäß §§ 157, 242 BGB als Vertragspflicht ergeben.

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

Die Regelungen der VOB/B

§ 1 Abs. 3 und 4 VOB/B

3. Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen, bleibt dem Auftraggeber vorbehalten.

4. Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftragnehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden.

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

Die Regelungen der VOB/B

§ 2 Abs. 5 und 6 VOB/B

5. Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. …..

6. (1) Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. …..(2) Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. …..

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

Unterschiede zwischen §§ 1 Abs. 3 und 1 Abs. 4 VOB/B

o Gemeinsamkeiten und Grenzen der §§ 1 Abs. 3 und 4 VOB/B

o Unterschiedlicher Ausführungszwang

o Ankündigungspflicht nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

BGH, Urteil vom 23.05.1996 - VII ZR 245/94 (BauR 1996, 542)

Die nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 S 2 VOB/B erforderliche Ankündigung des Auftragnehmers, für eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung eine zusätzliche Vergütung zu beanspruchen, dient dem Schutz des Auftraggebers. Er soll über drohende Kostenerhöhungen rechtzeitig informiert werden, um danach disponieren zu können. Die Ankündigung soll ferner frühzeitig Klarheit schaffen, ob eine geforderte Leistung von der ursprünglichen Beschreibung der Leistung nicht erfasst war, also eine zusätzliche Leistung im Sinne von VOB/B § 1 Nr. 4 ist.

Ein Verlust des Vergütungsanspruches für eine zusätzliche Leistung tritt nicht ein, soweit die Ankündigung im konkreten Fall für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich und daher ohne Funktion war oder wenn ihre Versäumung ausnahmsweise entschuldigt ist. Der Auftragnehmer trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

In dieser Auslegung hält § 2 Nr. 6 Abs. 1 S 2 VOB/B einer isolierten Inhaltskontrolle nach AGBG § 9 stand.

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

§ 1 Abs. 4 VOB/B

o Rechtsnaturo Zusatzleistung nicht vereinbarto Zusatzleitung erforderlich:

• Technisch erforderlich• Rechtlich erforderlich

o Verlangen des Auftraggebers (Erklärung der Anordnung)o Betrieb auf derartige Leistungen eingerichteto AGB-Verträglichkeit von 1 Abs. 4 VOB/B

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

BGH, Urteil v. 25.01.1996 - VII ZR 233/94 (BauR 1996, 378)

Bei Bauverträgen lässt sich bei Vertragsschluss häufig nicht übersehen, ob Leistungen zusätzlicher Art erforderlich werden, um den vereinbarten Leistungserfolg zu erreichen. Erfahrungsgemäß werden im Laufe der Errichtung eines Bauwerkes immer wieder zunächst nicht vorgesehene Leistungen notwendig. Damit trägt § 1 Nr. 4 VOB/B im Bauvertragsrecht dem Spannungsverhältnis zwischen Planung und Realität angemessen Rechnung. Die Vorschrift regelt zugleich die Grenzen, in denen der Auftraggeber sein Recht ausüben darf. Für die zusätzlich geforderten Leistungen steht dem Auftragnehmer gemäß § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B ein Anspruch auf besondere Vergütung zu. ……Nach alledem enthält § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B keine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers.

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

§ 1 Abs. 3 VOB/B

o Anordnungsrecht zu Bauinhalto Anordnungsrecht zu Bauumständen o Anordnungsrecht zu Bauzeit/Beschleunigungeno Frage: Was ist der Bauentwurf o AGB-Verträglichkeit von 1 Abs. 3 VOB/B

Anordnungsrechte außerhalb 1 Abs. 3 und 4 VOB/B o „andere Anordnungen“ nach § 2 Abs. 5 VOB/B

Der Anordnungsexzess

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7. Leistungsänderungen und Zusatzleistungen

BGH, Urteil vom 20.08.2009 - VII ZR 212/07, BauR 2009, 1736

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreiseverstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen……..

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist ein Begriff, der innerhalb eines AGB-Klauselwerks mehrfach verwendet wird, grundsätzlich für alle Klauseln einheitlich auszulegen. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner wird in der Regel davon ausgehen, dasseinem identischen Wortlaut auch eine identische Bedeutung beizumessen ist.

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8. Nachtragsvereinbarung/Leistungsverweigerung

BGH, Urteil vom 24.06.2004 - VII ZR 271/01

Der Auftragnehmer ist zur Verweigerung einer nach § 1 Nr. 4 VOB/B angeordneten Leistung berechtigt, wenn der Auftraggeber deren Vergütung endgültig verweigert.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Angebot:Pos. 32.5.120"200 kg Betonstahl ... liefern und verlegen für Bauteile aus

Ortbeton. Schneiden und Biegen ist abzurechnen"

Einheitspreis: 2.210 DM/kg

Pos. 32.5.130"100 kg Betonstahlmatten ... liefern und verlegen für Bauteile aus Ortbeton einschließlich Schneiden und Biegen"

Einheitspreis: 2.210 DM/kg

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Ausführung:

Pos. 32.5.120: statt 200kg 1.429,20 kg Formeisen

Pos. 32.5.130: statt 100kg 302,50 kg Betonstahlmatten

Sachverständiger:

Der vom Sachverständigen in erster Instanz bundesweit ermittelte, statistische, angemessene Preis beträgt pro kg 2,47 DM.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Forderung:

Der AN verlangt für die Mehrmengen, die 110 % der ausgeschriebenen Mengen überschreiten, einen Preis von

2.045,15 DM/kg

Mit der Klage werden 3.325.340,38 DM (1.700.219,54 €) geltend gemacht.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Voraussetzung:Objektiv: Auffälliges, Wucher ähnliches Missverhältnis von Preis und Leistung-- Bauvertrag als ein auf Austausch von Leistungen und

Vergütung gerichteter Vertrag, Äquivalenzgefüge, Kooperationsgebot

-- gilt auch für einzelne Position, selbst wenn Gesamtpreis nicht anstößig ist.

„Es wäre bedenklich, wenn es vergabe- und vertragsrechtlich ohne Weiteres zulässig wäre, die Kooperation in der Weise zu beginnen, dass der Unternehmer über erkannte Ausschreibungsmängel nicht aufklärt, sondern diese dazu nutzt, über von ihm vorausgesehene oder vermutete Nachtragssachverhalte Positionspreise zu erzielen, die das angemessene Maß deutlich überschreiten.“

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Voraussetzung:

-- Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden

-- BGH: Es kann keine Rede davon sein, dass ein um das zweihundertfache überhöhter Einheitspreis die Grenze einer sittlich verwerflichen Preisbildung nicht überschreitet.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Voraussetzung:

subjektiv: Verwerfliche Gesinnung des Handelnden

Ist der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen um mehr als das Achthundertfache überhöht, weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge angeboten hat, besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Voraussetzung:

Die Beurteilung eines Rechtsgeschäfts als sittenwidrig wegen des einseitig motivierten übersteigerten Gewinnstrebens einer der Vertragsparteien scheitert nicht daran, dass die Gegenpartei diese Motivation erkennen konnte oder dass sie das Geschäfts hätte verhindern können.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Beweislast:

Ein Auftragnehmer, der sich einen außerordentlich überhöhen Preis versprechen lässt, muss daher Umstände darlegen, die die Vermutung des sittlich verwerflichen Gewinnstrebens ausräumen.

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9. Spekulation, Sittenwidrigkeit, SGG

BGH, Urteil vom 18.12.2008 - VII ZR 201/06 (800-facher Preis, BauR 2009, 491)

Folge:- Die Nichtigkeit dieses Teils des Rechtsgeschäfts führt nicht dazu, dass die jeweilige Position, soweit es um die Mehrmenge geht, nicht wirksam vereinbart wäre, was auch zur Folge hätte, dass die entsprechenden Leistungen nicht erbracht werden müssten. An die Stelle der nichtigen Vereinbarungsvergütung der Mehrmengen tritt vielmehr die Vereinbarung, die Mehrmengen nach den üblichen Einheitspreisen zu vergüten.

- Danach ist, im Falle des § 2 Nr. 3 VOB/B auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren (§ 2 Nr. 3 Abs. 2, Nr. 5 VOB/B). Im Streitfall ist dieser Preis durch das Gericht zu ermitteln, wobei auch eine Schätzung nach § 287 ZPO möglich ist.

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10. Mengenänderungen

§ 2 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B

(1) Weicht die ausgeführte Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung um nicht mehr als 10 v. H. von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang ab, so gilt der vertragliche Einheitspreis.

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10. Mengenänderungen

§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B

(2) Für die über 10 v. H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren.

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10. Mengenänderungen

§ 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B

(3) Bei einer über 10 v. H. hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Die Erhöhung des Einheitspreises soll im Wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten und der Allgemeinen Geschäftskosten auf die verringerte Menge ergibt. Die Umsatzsteuer wird entsprechend dem neuen Preis vergütet.

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10. Mengenänderungen

BGH, Urteil vom 26.01.2012 - VII ZR 19/11

Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Auftragnehmer einen Anspruch nach Maßgabe des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B haben kann, wenn Leistungspositionen im VOB/B-Einheitspreisvertrag entfallen (Nullpositionen).

§ 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B greift allerdings nicht, wenn einzelne Leistungspositionen vollständig entfallen. Zu Recht wird jedoch in der Literatur darauf hingewiesen, dass die mit der Vereinbarung der VOB/B getroffene Abrede insoweit eine Lücke enthält, weil ein erkennbar regelungsbedürftiger Fall keine Regelung gefunden hat. Diese Lücke ist durch ergänzende Auslegung des VOB/B-Vertrages zu schließen.

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10. Mengenänderungen

BGH, Urteil vom 26.01.2012 - VII ZR 19/11

Anzuknüpfen ist dabei an den hypothetischen Parteiwillen, so dass darauf abzustellen ist, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Das führt dazu, dass dem Auftragnehmer im Rahmen eines VOB/B-Vertrages für Nullmengen unter den genannten Voraussetzungen eine Vergütung für entfallene Leistungen nach Maßgabe des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B zusteht. …… Der Auftragnehmer kann keine Vergütung beanspruchen, soweit er durch Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält Zu ersterem zählen insbesondere die über 110 % liegenden Mehrmengen im Sinne von § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B, zu letzterem können zusätzliche Vergütungsansprüche für geänderte Leistungen nach § 2 Nr. 5 VOB/B und für zusätzliche Leistungen nach § 2 Nr. 6 VOB/B gehören.

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Frage

Frage:

Worin liegt der Unterschied im Regelungsbereich der §§ 2 Abs. 3 und 2 Abs. 5 VOB/B?

Warum wurden überhaupt zwei unterschiedliche Regelungen geschaffen?

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11. Pauschalsummenvertrag

Pauschalierung der Vergütung

§ 2 Nr. 7 VOB/B

(1) Ist als Vergütung der Leistung eine Pauschalsumme vereinbart, so bleibt die Vergütung unverändert. Weicht jedoch die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich ab, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (§ 313 BGB), so ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren. Für die Bemessung des Ausgleichs ist von den Grundlagen der Preisermittlung auszugehen.(2) Die Regelungen der Nummern 4, 5 und 6 gelten auch bei Vereinbarung einer Pauschalsumme.

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11. Pauschalsummenvertrag

Rechtsprechung Opfergrenze

BGH, Schäfer/Finnern, Z 2311 Blatt 5 (Erhöhung um etwa 20% noch zumutbar)

OLG Hamburg, NN 1970, 688 (Minderleistung um etwa 15% noch tragbar)

OLG Köln, 19.3.1970 (Mehrkosten von 17% noch keine unzumutbare Äquivalenzstörung)

OLG Düsseldorf, BauR 1986, 363 (Überschreitung von mehr als 20% erheblich)

OLG München, NJW-RR 1987, 598 (Risikorahmen bei etwa 20%)OLG Frankfurt, NJW-RR 1986, 572 (Risikorahmen bei etwa 20%)OLG Düsseldorf, OLGR 1995, 52 (Risikorahmen bei 20% erreicht)BGH BauR 1996, 250 (es gibt keine starre Risikogrenze)BGH IBR 2011, 503 (es gibt keine starre Risikogrenze)

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12. Nicht bestellte Leistungen

BGH, Urteil vom 27.11.2003 - VII ZR 346/01 (Kreisstraße, BauR 2004, 495)

Eine Erklärung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B kann von einem Dritten für den Auftraggeber nur wirksam im Rahmen einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht abgegeben werden.

Die Leistungsänderung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B ist ein Verpflichtungsgeschäft im Sinne des § 109 ThürKommO, so dass ein Landkreis durch eine Erklärung des zuständigen Landrats oder seines Stellvertreters nur wirksam verpflichtet werden kann, wenn die in der Thüringer Kommunalordnung geregelten Voraussetzungen für eine wirksame Vertretung beachtet worden sind.

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12. Nicht bestellte Leistungen

§ 2 Nr. 8 VOB/B

1. Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausführt, werden nicht vergütet. ….

2. Eine Vergütung steht dem Auftragnehmer jedoch zu, wenn der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich anerkannt. Eine Vergütung steht ihm auch zu, wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Soweit dem Auftragnehmer eine Vergütung zusteht, gelten die Berechnungsgrundlagen für geänderte oder zusätzliche Leistungen der Nr. 5 oder 6 entsprechend.

3. Die Vorschriften des BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB) bleiben unberührt.

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12. Nicht bestellte Leistungen

Architektenvollmacht

ohne rechtsgeschäftliche Erteilung keine Vollmacht

- Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Bauunternehmer zu ändern, Zusatzaufträge zu erteilen oder Vergleiche abzuschließen;

- Bauunternehmerleistungen rechtsgeschäftlich abzunehmen;

- Auf Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers oder sonstige Einwendungen zu verzichten;

- vertraglich festgelegte Fertigstellungstermine zu ändern;

- Ersatzvornahmeleistungen für den Auftraggeber in Auftrag zu geben.

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13. Abrechnung und Zahlung

Damit der Auftraggeber seine Vergütungspflicht ordentlich erfüllen kann, ist zu klären:

- Wie viel muss der Auftraggeber bezahlen?

- Wofür muss er bezahlen?

- Wann muss er bezahlen?

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13. Vereinbarung der Vergütung

Vertragstypen nach Vergütungsberechnungsmethode:

-- Einheitspreisvertrag -- Pauschalvertrag-- Stundenlohnvertrag-- Selbstkostenerstattungsvertrag

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13. Regelung der VOB/B

§ 2 Abs. 2 VOB/B

Die Vergütung wird nach den vertraglichen Einheitspreisen und den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet, wenn kein andere Berechnungsart (z.B. durch Pauschalsumme, nach Stundensätzen, nach Selbstkosten) vereinbart ist.

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13. Schlussrechnung zur Saldenfeststellung

Die Schlussrechnung dient der Saldenfeststellung. Durch sie soll ein etwaiges noch auszubezahlendes Guthaben des Auftragnehmers unter Berücksichtigung von Voraus- und Abschlagszahlungen (oder seine Überzahlung) festgestellt werden. „Abschlagszahlungen sind in diesem Rahmen reine vorläufige Rechnungsposten, die nicht auf einzelne konkrete Positionen des Vertrags bezogen werden können“, BGH, Urteil vom 11.02.1999 - VII ZR 399/97 (BauR 1999, 635), BGH, Urteil vom 22.10.1998 (BauR 1999, 251) und BGH, Urteil vom 15.04.2004 - VII ZR 471/01 (BauR 2004, 1146; IBR 2004, 361).

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13. Voraussetzungen der Fälligkeit der Schlusszahlung

- Abnahme der Werkleistung; diese setzt das Endabrechnungsstadium des VOB-Vertrags in Gang;

- Übergabe einer prüfbaren Rechnung, vgl. §§ 14 Nr. 1, 16 Nr. 3 VOB/B;

- Ablauf der 2-Monats-Frist des § 16 Nr.3 VOB/B, soweit nicht früher Guthabensbestandteile unstreitig feststehen.

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13. Prüfbarkeit, Stufe 1

- der Auftraggeber muss sich sachgerecht verteidigen können (BGH BauR 1999, 631; BGH BauR 2000, 1182)

- berechtigte Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers (BGH BauR 2001, 251)

- objektive Mindestanforderungen

- Trenne Richtigkeit der Rechnung von deren Prüfbarkeit

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13. Prüfbarkeit, Stufe 2

- Prüfbarkeit kein Selbstzweck (BGH BauR 1997, 1065; BGH BauR 1999, 63; NJW 1998, 3123)

- Tatsächliche Prüfung, BGH vom 22.11.2001 - VII ZR 168/00, BauR 2002, 468

- Anderweitige Erlangung der zur Prüfung benötigten Sachverhaltskenntnisse, BGH vom 27.11.2003 - VII ZR 228/02, BauR 2004, 316

- AG erhebt nicht innerhalb angemessener Frist den begründeten Einwand fehlender Prüfbarkeit, BGH vom 27.11.2003 - VII ZR 228/02, BauR 2004, 316

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13. Leistungsermittlung durch Aufmaß

- DIN 18 299, Abschnitt 5: Leistungsermittlung aus den zeichnerischen Unterlagen;

- Aufmass möglichst gemeinsam, § 14 Nr. 2 VOB/B;

- Fernbleiben des AG, BGH, Urteil vom 22.05.2003 - VII ZR 143/02 (BauR 2003, 207);

- Bestätigung einseitigen Aufmaßes durch AG; BGH, Urteil vom 24.07.2003 - VII ZR 79/02;