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ENTWICKLUNG Ottomotoren 680 MTZ 9/2004 Jahrgang 65 Leichter Viertaktmotor mit Gemischschmierung Mit einem neuen portablen Ottomotor vereint Stihl, Hersteller von Motor- sensen und Motorsägen, die Vorteile von Zweitakt- mit Viertaktmotoren. Als Grund für die Einführung des Viertaktprinzips in die Produktpalette des Waiblinger Unternehmens werden die geringeren Abgaswerte und das angenehmere Geräuschverhalten genannt. 1 Einleitung Das Waiblinger Unternehmen Stihl hat ei- nen neuen mobilen Verbrennungsmotor des namens Stihl 4-Mix herausgebracht. Die „4“ steht für das Viertaktprinzip, das „Mix“ für die Gemischschmierung. Letztere wurde gewählt, weil sie zum einen den Wegfall zahlreicher Bauteile eines her- kömmlichen Viertaktmotors ermöglicht. Zum anderen führt dies – neben eingespar- ten Fertigungskosten – zu einer deutlich leichteren Bauweise; ein Vorteil, der bei handgeführten Arbeitsgeräten, für die der Motor vorgesehen ist, besonders schwer wiegt. Weil der Viertaktmotor keinen Ölsumpf hat, kann er wie die in denselben Geräten angebotenen Zweitaktmotoren in jeder Ar- beitsposition, also auch über Kopf, betrie- ben werden. Ebenfalls praxisgerecht ist die Befüllung des Kraftstofftanks mit dem ge- wohnten Gemisch aus ein- und demselben Kanister (Mischungsverhältnis 1 : 50). 2 Schmierung Für den Viertaktmotor wurde ein neuarti- ges Prinzip der Motorschmierung entwi- ckelt: Über einen Bypasskanal im Zylinder- kopf wird eine Teilmenge an Benzin-Öl-Ge- misch im Motor verteilt, der damit zuver- lässig und lageunabhängig geschmiert wird. Eine Ölstandskontrolle entfällt da- durch ebenso wie ein Ölwechsel. Zudem kann so auf die Bauteile Ölwanne, Ölpum- pe und Ölfilter verzichtet werden. Durch das eingesparte Gewicht wiegt der Motor kaum mehr als ein vergleichbarer Zwei- taktmotor. Der Viertaktmotor, hier als Antriebseinheit für eine Motorsense, ist kompakt in einem ergonomischen Gehäuse untergebracht; die Gemischschmierung erlaubt das Arbeiten in allen Positionen, auch über Kopf

Leichter Viertaktmotor mit Gemischschmierung

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Page 1: Leichter Viertaktmotor mit Gemischschmierung

ENTWICKLUNG Ottomotoren

680 MTZ 9/2004 Jahrgang 65

Leichter Viertaktmotormit Gemischschmierung

Mit einem neuen portablen Ottomotor vereint Stihl, Hersteller von Motor-sensen und Motorsägen, die Vorteile von Zweitakt- mit Viertaktmotoren.Als Grund für die Einführung des Viertaktprinzips in die Produktpalettedes Waiblinger Unternehmens werden die geringeren Abgaswerte unddas angenehmere Geräuschverhalten genannt.

1 Einleitung

Das Waiblinger Unternehmen Stihl hat ei-nen neuen mobilen Verbrennungsmotordes namens Stihl 4-Mix herausgebracht.Die „4“ steht für das Viertaktprinzip, das„Mix“ für die Gemischschmierung. Letzterewurde gewählt, weil sie zum einen denWegfall zahlreicher Bauteile eines her-kömmlichen Viertaktmotors ermöglicht.Zum anderen führt dies – neben eingespar-ten Fertigungskosten – zu einer deutlichleichteren Bauweise; ein Vorteil, der beihandgeführten Arbeitsgeräten, für die derMotor vorgesehen ist, besonders schwerwiegt.

Weil der Viertaktmotor keinen Ölsumpfhat, kann er wie die in denselben Gerätenangebotenen Zweitaktmotoren in jeder Ar-beitsposition, also auch über Kopf, betrie-ben werden. Ebenfalls praxisgerecht ist dieBefüllung des Kraftstofftanks mit dem ge-wohnten Gemisch aus ein- und demselbenKanister (Mischungsverhältnis 1 : 50).

2 Schmierung

Für den Viertaktmotor wurde ein neuarti-ges Prinzip der Motorschmierung entwi-ckelt: Über einen Bypasskanal im Zylinder-kopf wird eine Teilmenge an Benzin-Öl-Ge-misch im Motor verteilt, der damit zuver-lässig und lageunabhängig geschmiertwird. Eine Ölstandskontrolle entfällt da-durch ebenso wie ein Ölwechsel. Zudemkann so auf die Bauteile Ölwanne, Ölpum-pe und Ölfilter verzichtet werden. Durchdas eingesparte Gewicht wiegt der Motorkaum mehr als ein vergleichbarer Zwei-taktmotor.

Der Viertaktmotor, hier als Antriebseinheitfür eine Motorsense, ist kompakt in einemergonomischen Gehäuse untergebracht; dieGemischschmierung erlaubt das Arbeiten in allen Positionen, auch über Kopf

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Das patentierte Schmiersystem nutztdas im Gemisch enthaltene Öl nicht nurwie bei Zweitaktmotoren für die Schmie-rung des Kurbeltriebs, sondern auch für dieanderen bewegten Teile. Für die Zufuhrund Umwälzung des Benzin-Öl-Gemischessorgt die Unterseite des Kolbens, Bild 1.Wie beim Zweitaktmotor bewegt er sichmit dem Kurbeltrieb in einem dichten Kur-belraum.

Mit der Aufwärtsbewegung saugt derKolben über den bereits erwähnten By-passkanal das Luft-Kraftstoff-Gemisch ausdem Einlasskanal des Zylinders in den Kur-belraum und pumpt es anschließend aufdemselben Weg wieder hinaus. Das Öl be-netzt damit neben Kurbeltrieb und Zylin-der auch alle Teile des Ventiltriebs. Das No-ckenrad aus Polyamid wird von einemZahnrad auf der Kurbelwelle angetrieben.Der einzige Nocken betätigt über filigraneSchlepphebel, die im MIM-Verfahren (Me-tal Injection Molding) hergestellt werden,die Stößelstangen, Blechkipphebel undschließlich die beiden Ventile mit je 12 mmDurchmesser, Bild 2.

Die zur Schmierung abgezweigte Ge-mischmenge wird durch eine Drossel imBypass begrenzt, damit es im Verbren-nungstakt (Kolben bewegt sich nach un-ten/Einlassventil geschlossen) nicht zu ei-ner zu starken Rückpulsation in den Verga-ser kommt. Beim Saugtakt hingegen (Kol-ben bewegt sich nach unten/Einlassventilgeöffnet) wird das rückgepumpte Gemischim Verhältnis von etwa 1 : 9 angesaugt. In-folgedessen kommt es beim nachfolgen-den Verdichtungstakt zu einer teilweisenSubstitution des zur Schmierung abge-zweigten Gemischs.

3 Werkstoffe und Leistungsdaten

Zylinder und Zylinderkopf sind einteiligaus Aluminium-Druckguss ausgeführt, dieZylinderlaufbahn ist nikasilbeschichtet,Bild 3. Das auf Kurbelwellenmitte geteilte

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Bild 1: Das Benzin-Öl-Gemisch desMotors, umgewälzt von der Unter-seite des Kolbens, schmiert nicht nurden Kurbeltrieb, sondern auch alleanderen bewegten Teile des Trieb-werks; eine Drossel im Bypassdämmt die Pulsation im Einlasskanal

2 Schmierung

Bild 3: Der Blick auf dieEinlassseite des Motorszeigt den kostenoptimalenAufbau des einteiligenZylinders mit Ventilen undKipphebeln; im Bild untendas Ventilatorrad auf derdem Nockenwellenradentgegengesetzten Seiteder Kurbelwelle

3 Werkstoffe und Leistungsdaten

Bild 2: Ein einziger Nockenaus Kunststoff treibt überzwei filigrane Schlepphebel,Stoßstangen und Kipphebeldie beiden Ventile an

Tabelle:TechnischeDaten desViertaktmotors

Merkmal Wert Einheit

Hubvolumen 31,4 cm3

Hub/Bohrung 25 / 40 mm

maximale Leistung 1 kW

– bei Drehzahl 7500 1/min

maximales Drehmoment 1,45 Nm

– bei Drehzahl 5000 1/min

mininimaler spezif. Verbrauch 461 g/kW/h

– bei vergleichbarem Zweitaktm. 615 g/kW/h

Masse 3,29 kg

Der Autor

Dipl.-Ing. HelmutDobler ist freierJournalist für dasFachgebiet Kraftfahr-zeug und Antrieb inEsslingen.

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Kurbelgehäuseunterteil mit der Kühl-luftführung besteht wie die weiterenAnflanschteile aus Magnesium-Druck-guss. Eine Magnetzündung mit dreh-zahlabhängig elektronisch gesteuerterZündkennlinie liefert die Energie fürdie schlanke Zündkerze mit einemDurchmesser von 10 mm.

Die Motorleistung von 1 kW bezeich-net Stihl-Entwicklungsvorstand Wolf-gang Zahn als maßgeschneidert fürden Einsatz als „robustes Arbeitspferd“,Tabelle. Das Drehmoment steht übereinem breiten Drehzahlbereich zur Ver-fügung. Aufgrund der viertaktspezi-fisch sparsamen und sauberen Ver-brennung unterschreitet der Motor diestrengen Emissionswerte, die in denUSA ab 2005 für Kleinmotoren gelten.Diese Grenzwerte werden ab 2007 auchin Europa vorgeschrieben sein.

Ein interessantes Detail haben sichdie Entwickler von Stihl auch für denStartvorgang ausgedacht. Der Motor istmit einem automatischen Dekompres-sionssystem ausgestattet, das beimStarten den Kraftaufwand für das An-werfen des Motors erheblich reduziert.Bewerkstelligt wird der Effekt mit Stif-ten, die aus der Nockenflanke hervor-stehen und folglich den Ablauf derSchlepphebel mit dem Ziel beeinflus-sen, die Ventile länger zu öffnen. Nachdem Anspringen des Motors werdendie Stifte fliehkraftgesteuert zurückge-zogen, die Schlepphebel laufen unge-hindert auf dem Nocken ab. Vor derMarkteinführung wurde der Viertakt-motor ausgiebig im praktischen Be-trieb, unter anderem in Schweden undin Florida, als Antrieb für Motorsensenerprobt. Seine Haltbarkeit wird mitmindestens 1000 Betriebsstunden dasdreifache gebräuchlicher Zweitaktmo-toren betragen. Diese optimale Symbio-se aus Zwei- und Viertaktmotor ist fürweitere Anwendungen wie Hecken-schneider und Bodenkultivatoren vor-gesehen. ■

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