22
Heinrich-Heine-Gesamtschule Korrektes Pferdetraining anhand der Biomechanik am Beispiel eines Vorwärts- Abwärts laufenden Pferdes Facharbeit im Leistungskurs Biologie bei Torsten Tews von Melanie Dittel Schuljahr 2011/2012 Abgabedatum: 7. März 2012

Korrektes Pferdetraining

  • Upload
    mdittel

  • View
    379

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Korrektes Pferdetraining

Heinrich-Heine-Gesamtschule

Korrektes Pferdetraining anhand der

Biomechanik am Beispiel eines Vorwärts-

Abwärts laufenden Pferdes

Facharbeit im Leistungskurs Biologie bei Torsten Tews

von Melanie Dittel

Schuljahr 2011/2012 Abgabedatum: 7. März 2012

Page 2: Korrektes Pferdetraining

2

Inhaltsverzeichnis

Seite

1. Vorwort 2

2. Einleitung 3

3. Biomechanik des Pferdes 4

3.1 Das Achsenskelett 4

3.2 Für diese Arbeit relevante Muskelfaszien 5

4. Skala der Ausbildung 10

4.1 Takt 10

4.2 Losgelassenheit 11

4.3 Anlehnung 11

4.4 Schwung, Geraderichtung, Versammlung 12

5. Vorwärts-Abwärts 13

5.1 Definition 13

5.2 Welche Muskeln werden dabei benötigt und wie sie zusammen arbeiten 14

6. umstrittene Ausbildungsmethoden & ihre Folgen 15

6.1 Hyperflexion/LDR/Rollkur 15

6.2 Zu frühes Aufrichten der Pferde 16

6.3 Keine ausreichende dressurmäßige Ausbildung von Pferd & Reiter 17

7. Fazit 18

8. Literaturverzeichnis 19

9. Selbstständigkeitserklärung 20

10. Anhang 21

Page 3: Korrektes Pferdetraining

3

1. Vorwort

Die meisten Menschen, die sich mit Pferdetraining bisher noch nicht auseinandergesetzt

haben, verstehen meist auch nicht viel von gedemütigten Pferden aufgrund von

übereifrigen Reitern, die die Muskeln ihrer Pferde zu sehr beanspruchen.

Wenn man sich jedoch mal damit auseinandersetzt, wie ein Pferd einen Menschen, ohne

spätere Schäden davon zu tragen, tragen kann, schreit die Welt de Reitturniere nur noch

nach Hilfe.

Ich selber möchte mein Pony so ausbilden, dass ich mit ihm zusammen Spaß bei der

Sache habe – mit Schmerzen hat man keinen Spaß am Reiten, weder Reiter noch Pferd.

Außerdem trage ich als Besitzer die Verantwortung für die Gesundheit meines Pferdes,

ich trage die Verantwortung dafür, ob es Schmerzen hat oder nicht. Damit ich

Schmerzen jedoch vorbeugen kann, muss ich zunächst einmal wissen, wie sich ein

Pferd überhaupt bewegt & wo ich als Reiter überhaupt drauf sitze.

Ich wünsche den Lesern dieser Arbeit viel Spaß.

Melanie Dittel

Page 4: Korrektes Pferdetraining

4

2. Einleitung

Um ein Pferd korrekt zu reiten, muss man zunächst einmal wissen, wie es sich also

bewegt, sodass das zusätzliche Gewicht des Reiters es weder aus der Balance bringt,

noch dass es negative Schäden hat.

In meiner Arbeit spreche ich von einem gesunden Pferd, dass bereits geritten wird &

seine Balance mit Reiter gefunden hat. Wenn ich erläutern würde, wie sich die Arbeit

bei einem gerade angerittenen Jungpferd oder einem kranken Pferd (z.B. mit Arthrose)

verhält, würde die Arbeit den Rahmen sprengen. Ich beziehe mich auch nicht auf den

weiteren Ausbildungsweg, sondern lediglich auf das sogenannte vorwärts-abwärts: Eine

Dehnungshaltung, die die Balance fördert & die richtigen Muskelpartien aufbaut. Sie ist

die Grundlage für die Versammlung und den weiteren Ausbildungsweg des Pferdes,

egal in welcher Sparte man sich befindet.

Damit man jedoch verstehen kann, wie sich die Muskeln anspannen und entspannen

müssen, ist es wichtig, die Biomechanik des Pferdes zu kennen. Hierbei werde ich mich

auf das Skelett, sowie auf die für diese Dehnungshaltung relevanten Muskelfaszien

beschränken.

Danach werde ich die Skala der Ausbildung des Pferdes beschreiben – eine Richtlinie,

die bereits in der Heeresdienstvorschrift 12, zuletzt 1937 aktualisiert, vorkommt, jedoch

nicht unter diesem Wortlaut. Auch hierbei werde ich mich nur auf die Hälfte beziehen,

wenn Takt, Losgelassenheit & Anlehnung ergeben das vorwärts-abwärts, die

Dehnungshaltung.

Danach werde ich dann noch mal auf das vorwärts-abwärts eingehen.

Als letztes werde ich noch umstrittene Ausbildungsmethoden darstellen und

beschreiben, was man falsch machen kann bei der Ausbildung eines Pferdes.

Page 5: Korrektes Pferdetraining

5

3. Biomechanik des Pferdes

Die Biomechanik des Pferdes ist ein wichtiger Bestandteil für diese Arbeit, wie auch für

jeden Reiter. Pferde dienten früher nicht zum Reiten, höchstens als Zugtier. Sie sind

also nicht zum Reiten gedacht, weshalb es besonders wichtig für Reiter ist, auf die

Biomechanik Rücksicht zu nehmen.

3.1 Das Achsenskelett

Wenn man am Kopf des Pferdes beginnt, hat man dort zunächst den Schädel. Die

Halswirbelsäule schließt direkt an den Schädel an, besteht aus sieben Halswirbeln und

verläuft S-förmig vom Genick zu den achtzehn Brustwirbeln, von denen die Rippen den

Rumpf des Pferdes umschließen. Die Dornfortsätze der Brustwirbel dienen als „Hebel

für Bewegungen“. 1 Dadurch, dass die Brustwirbel so starr sind, können wir auch auf

dem Pferd sitzen und reiten. Ein Sattel sollte zudem nie weiter aufliegen als bis zum 18.

Brustwirbel, da er sonst in die Nieren des Pferdes drückt. 2

Die Lendenwirbelsäule schließt an die Brustwirbelsäule an und besteht aus sechs

Lendenwirbeln. Die Querfortsätze der Lendenwirbelsäule sind Ansatzpunkte für den

langen Rückenmuskel und die innere Lendenmuskulatur. 3

Das Kreuzbein, bestehend aus fünf zusammengewachsenen Kreuzwirbeln verbindet die

Wirbelsäule mit dem Kreuzdarmbeingelenk und dem Beckenring.4 Die

Schwanzwirbelsäule bildet das Ende der Wirbelsäule des Pferdes und besteht aus 18-21

Segmenten, die im Schweif des Pferdes auslaufend dünner und kleiner werden.

Abbildung 1: Das Achsenskelett

1 Higgins: Anatomie verstehen – besser reiten, Seite 25 2 http://ps-sattel.de/sattel/ 4.2.2012 3 Heuschmann: Finger in der Wunde, Seite 50 4 Heuschmann: Finger in der Wunde, Seite 48

Page 6: Korrektes Pferdetraining

6

3.2 Für diese Arbeit relevante Muskelfaszien

Auch hier beginne ich wieder am Schädel des Pferdes. Vom Schädel bis zum Kreuzbein

zieht sieht das Nacken-Rücken-Bandsystem, welches beim Reiten sehr wichtig ist, da

dadurch der Rücken angehoben werden kann, worauf ich später noch mal

zurückkomme.

Das Nackenband verläuft als sogenannte Oberlinie des Pferdes oberhalb der

Wirbelsäule entlang und lässt, wenn es gut trainiert ist, das Pferd ästhetisch aussehen

lässt.5 Die Nackenplatte verläuft von fünf Halswirbeln zum Nackenband, wie man im

Unteren Bild sehr gut erkennen kann. Dadurch muss der gesamte „Oberhals“ (über der

Halswirbelsäule liegende Muskeln) arbeiten, damit das Nacken-Rücken-Bandsystem

angehoben werden kann. Abbildung 2 verdeutlicht meine Erklärungen hierzu.

Abbildung 2: Nackenstrang/band, Nackenplatte und Rückenband

“Die Muskulatur des Pferdes soll aus Gründen der Übersicht und der

Verständlichkeit in die des Rückens (des Rumpfes), in die

Bauchmuskulatur (untere Verspannung), die des Halses und die der

Kruppe und der Hintergliedmaßen eingeteilt werden.“ 6

Einer der für Reiter wichtigsten Muskeln ist der lange Rückenmuskel des Pferdes,

einem Bewegungsmuskel. Dies erkennt man daran, dass der Muskel sehr fleischig ist

und weniger weiße Muskelfasern aufweißt als ein Tragemuskel.

5 Heuschmann: Finger in der Wunde, Seite 52 6 Zitat nach Heuschmann: Finger in der Wunde, Seite 52

Page 7: Korrektes Pferdetraining

7

Der lange Rückenmuskel verläuft recht und links von der Wirbelsäule und ist mit

Darmbeinschaufeln, dem Kreuzbein und den Dornfortsätzen verbunden, welche seine

Basis bilden.7 Vorne ist der lange Rückenmuskel mit dem siebten Halswirbel verbunden

und hat die Aufgabe, den Rumpf des Pferdes anzuheben – wie z.B. im Galopp, wo das

Pferd den Rumpf anheben muss. Auch beim Ausschlagen mit den Hinterbeinen oder bei

einem Sprung über ein Hindernis kommt der lange Rückenmuskel zum Arbeiten – denn

auch hier muss der Rumpf angehoben werden.

Unterschieden werden verschiedene Zustände des Rückens:

„Der lose Rücken

Er ist häufig bei schwunglos, aber unverspannt trabenden und galoppierenden

Pferden anzutreffen. Er lässt den Reiter bequem sitzen. Es wird ihm jedoch

nicht das wunderbare Gefühl vermittelt, auf einer Welle getragen zu werden.

Bei Pferden mit dieser Rückenposition ist oft eine andersartige Anlehnung zu

finden. In diesem Zustand wird eine korrekte Dehnungshaltung, die den

Rücken mit hoch nimmt, nicht erreicht. Die Pferde geraten beim Vorwärts-

abwärts auf die Vorhand, weil die Nachhand [Hinterhand] zu wenig Impuls

besitzt.“ 8

Dieser Rücken ist völlig unschädlich für das Pferd, da es lediglich eine andere

Auffassung der Dressur und der ursprünglichen Richtlinien bedeutet.

Abbildung 3 ist ein Beispiel für den losen Rücken: Die Hinterbeine treten nicht

genügend unter den Schwerpunkt des Pferdes, sodass der Rücken nicht aufgewölbt

werden kann.

Abbildung 3: Der lose Rücken

Quelle: © by Jennifer Schulze, das Bild zeigt mein eigenes Pony & mich

7 Heuschmann: Finger in der Wunde, Seite 53 8 Heuschmann, Finger in der Wunde, Seite 57

Page 8: Korrektes Pferdetraining

8

Der getragene Rücken

Er ist das Ergebnis guten Reitens. Der getragene Rücken kommt zustande, wenn er

unverkrampft, mit viel Schub aus der Hinterhand (siehe Hinterhandmuskulatur ->S.) bis

in die leichte Reiterhand fließt und damit das Gefühl vermittelt, auf einer Welle zu

sitzen. Heuschmann sagt „Die Ausbildungsskala ist nur mit diesem Rücken zu erfüllen,

da schwungvolle Gänge davon abhängig sind“.

Der verspannte Rücken

Hierzu gibt es mehrere Unterteilungen:

den weggedrückten Rücken (sogenannte Schenkelgänger) und den überspannten

Rücken (Rollkur, sogenannte Spannrückengänger).

Bei beiden wird die Hinterhand blockiert durch eine zu feste Verbindung zwischen

Pferdemaul und Reiterhand. Genaueres dazu erkläre ich im Kapitel „Skala der

Ausbildung, Anlehnung“ weiter.

Dadurch, dass das Pferd verspannt ist, kann es sich nicht mehr so frei bewegen wie bei

einem getragenen Rücken, die Gänge werden nicht schwungvoller, durch die gesperrte

Hinterhand des Pferdes. Diese Rückenhaltung ist schädlich für das Pferd, dadurch kann

es zu langwierigen Bein- und/oder Rückenschäden kommen (S.58).

Abbildung 4 zeigt eine Momentaufnahme des verspannten Rückens, wo sichtlich

erkennbar ist, dass das Hinterbein nicht so weit vorschwingt wie beim losen Rücken

oder besser noch beim tragenden Rücken.

Abbildung 4: Der verspannte Rücken

Quelle: © by Jennifer Schulze

Page 9: Korrektes Pferdetraining

9

Die untere Verspannung

Die Bauchmuskeln des Pferdes dienen der Stabilisation des Rumpfes. Wenn wir

Menschen den Rücken stabilisieren wollen, ziehen wir auch den Bauch ein bzw. setzen

dazu unsere Bauchmuskeln ein.

Auch die Bauchmuskeln sind wie der lange Rückenmuskel, reine Bewegungsmuskeln.9

Deutlich erkennbar sind die Bauchmuskeln an Abbildung 5:

Abbildung 5: Darstellung der aktiven Bauchmuskeln

Die Rinne am Bauch sind die aktiven Bauchmuskeln, welche sich verspannen, wenn die

Hinterhand unter den Bauch getreten werden.

Die Halsmuskulatur

Die Halsmuskulatur hat beim Reiten eine wichtige Bedeutung – sie dient als Heber des

Halses, als auch als Rückenband-Heber beim Strecken des Halses.

Durch die Streckung dieser Muskulatur kann der Lange Rückenmuskel über das

Rückenband angehoben und entlastet werden. 10

Die Halsmuskulatur ist es auch, die ein Pferd schön und ästhetisch aussehen lässt, wenn

die sogenannte Oberhalsmuskulatur gut entwickelt ist. Die Oberhalsmuskulatur befindet

sich oberhalb der Halswirbelsäule und geht teilweise auch von dort aus in die

Rückenmuskeln über. Die im Oberhals liegenden Muskelgruppen werden

9 Heuschmann, Finger in der Wunde, Seite 59 10 Heuschmann: Finger in der Wunde, S. 63

Page 10: Korrektes Pferdetraining

10

unterschiedlich eingeteilt: Es gibt Dreher, Seitwärtsbieger und Heber in dieser

Muskelregion.

Die Unterhalsmuskulatur sitzt neben und unter der Halswirbelsäule und dient als

Seitwärtsbieger der Halswirbelsäule, wie auch als Herunterzieher des Kopfes. 11

Muskulatur der Hintergliedmaßen

Die erste Gruppe der Hinterhandmuskulatur sind die Kruppenmuskeln. Sie sitzen

zwischen Becken/Kreuzbein und dem Hüftgelenk und können sowohl als Beuger als

auch als Strecker dienen.

Die nächste Gruppe ist die Innere Lendenmuskulatur. Sie zieht sich vom Bocken bis zur

Innenseite des Oberschenkels. Die Innere Lendenmuskulatur besteht aus reinen

Bewegungsmuskeln und dient dazu, die Gliedmaßen nach vorne zu führen.

Als dritte Muskelgruppe der Hintergliedmaßen gibt es die Langen Sitzbeinmuskeln.

Hier wird der hintere Teil der Kruppe mit der Kniegelenksregion verbunden. Diese

Muskeln dienen sowohl als Strecker des Kniegelenks, als auch als Kniegelenksbeuger.

Die letzte Gruppe der Hinterhandmuskulatur sind die Kniegelenksstrecker. Sie legen

unter dem Hüfthocker auf dem Oberschenkel. Auch diese Muskeln sind wieder

fleischige Muskeln, also reine Bewegungsmuskeln, die keine Haltearbeit leisten

können.

4. Skala der Ausbildung

Abbildung 6: Skala der Ausbildung

11 Heuschmann, Finger in der Wunde, S. 66

Page 11: Korrektes Pferdetraining

11

Die Skala der Ausbildung ist in der Reitlehre ein bedeutender Begriff. Ich werde mich

in dieser Arbeit auf die Gewöhnungsphase (siehe Abbildung 6) beziehen, da die Punkte

Takt, Losgelassenheit & Anlehnung das Ergebnis und auch der Weg des Vorwärts-

Abwärts laufenden Pferdes darstellen.

4.1 Der Takt

Ein Pferd geht taktrein, wenn es in allen drei Grundgangarten gleichmäßig läuft. Der

gleichmäßige Gang entsteht aus dem gleichmäßigen Abfußen der Gliedmaßen in den

jeweiligen Gangarten Schritt, Trab und Galopp.

Der Schritt ist ein Viertakt in acht Phasen – das bedeutet, dass jedes einzelne Bein auch

einzeln abfußt.

Der Trab ist ein Zweitakt, bei dem das diagonale Beinpaar gleichzeitig abfußt.

Der Galopp teilt sich in den Arbeitsgalopp im Dreitakt und den Renngalopp im

Viertakt. Beide Arten sind asymmetrisch gesprungene Gangarten.

Der Galopp im Dreitakt besteht aus 6 Phasen und der Schwebephase zum Schluss.

Der Dreitakt deutet darauf hin, dass entweder ein einziges oder drei Beine gleichzeitig

den Boden berühren. Im Renngalopp hingegen wird dieser Dreitakt zu einem Viertakt,

sodass nur ein bis zwei Beine gleichzeitig den Boden berühren. 12

Die Ausbildungsskala ist nur mit taktreinen Gängen zu erfüllen.

4.2 Die Losgelassenheit

Losgelassenheit bezeichnet den „taktmäßigen, raumgreifenden, ohne zu eilen,

vorwärtsgehenden Gang“13 mit dem Bestreben, die Nase Vorwärts-Abwärts zu strecken.

Das bedeutet, dass das Pferd psychisch und physisch ausgelastet und entspannt sein

muss. Es muss also losgelassen von Schmerzen und Unmut sein, damit das Pferd sich

überhaupt mit dem Hals und Kopf Vorwärts-Abwärts dehnen kann.

4.3 Die Anlehnung

12 Higgins: Anatomie verstehen – besser reiten, S. 94-97 13 H.Dv. 12, S. 115/ 62 b

Page 12: Korrektes Pferdetraining

12

„Das Pferd tritt an den Zügel heran, es kommt zu einer bestimmten

Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, die man nimmt

Anlehnung nennt. Diese muss das Ergebnis der richtig entwickelten

Schubkraft durch die treibenden Hilfen sein. Sie darf niemals durch

Rückwärtsrichten mit den Zügeln gewonnen werden.“14

Mit diesem Wortlaut wird der Begriff „Anlehnung“ seit 1912 in der

Heeresdienstvorschrift erklärt und ist auch heute noch aktuell.

Damit ist gemeint, dass das Pferd mit den Hinterbeinen unter den gemeinsamen

Schwerpunkt von Pferd und Reiter treten soll, damit Gewicht auf seine Hanken (siehe

4.4) und dabei eine Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul entsteht.

In weiteren Reitweisen definiert man den Begriff Anlehnung als die Bereitschaft des

Pferdes, auf die Reiterhilfen prompt zu reagieren.

4.4 Schwung, Geraderichtung, Versammlung

Die drei Punkte der Ausbildungsskala sind bei dieser Arbeit von nicht allzu großer

Bedeutung, jedoch werden die Begriffe immer wieder vorkommen, da der weitere

Ausbildungsweg des Pferdes auf die Versammlung zusteuert.

Die nächste Hürde der Skala der Ausbildung ist also der Schwung. Als Schwung

bezeichnet man das federnde Abfußen der Beine, insbesondere der Hintergliedmaßen.

Ein Pferd hat eine natürliche Schiefe, ähnlich der Händigkeit bei uns Menschen. Daher

muss das Pferd als nächstes Geradegerichtet werden, denn die Vorderbeine sollen auf

die Spur der Hinterbeine eingestellt werden. Das bedeutet, dass kein Hinterbein am

Vorderhuf vorbeifußt, sondern in die Spur des Vorderhufes tritt.

Die Versammlung ist der letzte Punkt der Ausbildungsskala. Sie erfordert viel Training

und eine exzellente Ausbildung des Pferdes. Dabei wird der Schwerpunkt des Pferdes,

ursprünglich auf der Vorhand, auf die Hinterhand des Pferdes verlagert. Dadurch

entsteht eine Hankenbeugung, sodass das Pferd sehr stolz erscheint.

In Abbildung 7 sehen Sie eine korrekte Hankenbeugung in der Lektion Piaffe15. Die im

Vergleich zur Vorhand deutlich tiefer liegende Hinterhand ist gut erkennbar.

14 H.Dv. 12, S. 116/62c 15 Eine Piaffe ist ein Trab auf der Stelle, bei der sich das Pferd so sehr versammelt, dass das Becken abkippt und das Pferd Last auf die Hinterhand nimmt.

Page 13: Korrektes Pferdetraining

13

Abbildung 7: korrekte Hankenbeugung in einer Piaffe

5. Vorwärts-Abwärts

5.1 Definition

Vorwärts-Abwärts bedeutet, dass sich ein sogenannter Spannungsbogen bildet.

Der Hals ist tief und gerundet, die Nase des Pferdes zeigt nach vorne und unten. Dabei

tritt das Pferd mit den Hinterbeinen unter den gemeinsamen Schwerpunkt von Pferd

und Reiter. Der Schweif ist locker, der Rücken aufgewölbt und schwingt mit der

Bewegung mit, wie in Abbildung x sehr gut ersichtlich ist.

Das Vorwärts-Abwärts beinhaltet die ersten drei Punkte der Ausbildungsskala und ist

damit unerlässlich für die weitere Ausbildung eines Reitpferdes.

Auch Pferde, die bereits weiter in der Skala der Ausbildung sind, sollen in dieser

Haltung aufgewärmt werden, damit die entsprechenden Muskeln, die später in der

Versammlung nötig sind, genügend aufgewärmt und gedehnt sind. Es bereitet also das

Pferd optimal auf versammelnde Übungen vor und bringt junge Pferde ins

Gleichgewicht.

Außerdem entlastet der Reiter mit dem Vorwärts-Abwärts den langen Rückenmuskel

auf dem dieser sitzt, welcher ein Bewegungsmuskel ist (siehe Seite 7) und nicht zum

Tragen des Reitergewichts dient. Hierzu ein Schema in Abbildung 8, das die

Dehnungshaltung bzw. das Vorwärts-Abwärts verdeutlicht.

Page 14: Korrektes Pferdetraining

14

Abbildung 8: Dehnungshaltung Vorwärts-Abwärts

5.2 Welche Muskeln werden dabei benötigt und wie arbeiten sie zusammen?

Die zentralen Muskeln für das Vorwärts-Abwärts sind die Oberhalsmuskeln,

insbesondere das Nackenband, der lange Rückenmuskel, die kurzen Rückenmuskeln

und die gesamte Hinterhandmuskulatur.

Wenn ein Pferd seinen Hals entspannt fallen lässt, dehnt sich das Nackenband und die

Nackenplatte (siehe Abbildung 2) wird angespannt. Dadurch, dass das Nackenband in

den Rücken übergeht und die Nackenplatte mit dem langen Rückenmuskel verbunden

ist, wird dieser Rückenmuskel also gedehnt. Sobald die Hinterhandmuskulatur arbeitet,

das Pferd also unter den Schwerpunkt tritt und damit die Hinterhandmuskulatur dehnt,

wird der lange Rückenmuskel auch von hinten gedehnt und beginnt, mit der Bewegung

zu schwingen. Diese Haltung ist für junge und untrainierte Pferde sehr anstrengend,

sodass diese Haltung nicht zu lange eingenommen werden darf. Dadurch, dass sich der

lange Rückenmuskel hebt und arbeitet, machen sich die kurzen Rückenmuskeln

bemerkbar und beginnen, ebenfalls zu arbeiten. So wird der lange Rückenmuskel in

seine ursprüngliche Verwendung als Bewegungsmuskel gesetzt und der Reiter sitzt

sozusagen auf den kurzen Rückenmuskeln, die für das Tragen von Gewicht bestimmt

sind. Wie und wo welche Muskeln und das Nackenband liegen sollten, erkennt man

sehr gut in Abbildung x. Hier ist die Stirn-Nasen-Linie deutlich vor der Senkrechten,

also nach vorne gestreckt. Der Hals ist locker, Oberarm und Röhrbein des diagonalen

Beinpaares sind parallel zu einander, der Rücken hebt sich.

Page 15: Korrektes Pferdetraining

15

Abbildung 9: Darstellung Vowärts-Abwärts mit aufgemalten Muskeln, den Rippen & dem

Nackenband

6. Umstrittene Ausbildungsmethoden & ihre Folgen

Im Laufe der Zeit haben sich viele/mehrere Wege der Pferdeausbildung entwickelt. So

ergibt sich also das Westernreiten auf einer etwas veränderten Skala der Ausbildung als

das übliche Englischreiten, das aus der Kavallerie stammende. In den letzten

Jahrzehnten haben sich dennoch negative Ausbildungsmethoden entwickelt, da es im

Turniersport darum geht, immer schneller bessere Pferde auf Turnieren vorzustellen.

Somit sind oft die Muskeln der Pferde nicht genügend entwickelt und es entsteht eine

Pseudo-Versammlung ohne den schwingenden Rücken, wie er gewünscht ist. In diesem

Kapitel stelle ich nun die bekanntesten Ausbildungsmethoden vor, deren Weg

umstritten ist und nur wenig mit korrektem Pferdetraining aufgrund der Biomechanik zu

tun hat.

6.1 Hyperflexion/LDR/Rollkur

Eine der heute populärsten Methoden, ein Pferd „schnell“ und „einfach“ auszubilden.

Hierbei wird das Pferd mit Gewalt am Gebiss so heruntergezogen, dass das

Nackenband völlig überdehnt wird und damit der Grundsatz nicht mehr vorhanden ist.

Page 16: Korrektes Pferdetraining

16

Gedehnt soll das Nackenband sein – jedoch nicht überdehnt. Meist wird die Anlehnung

falsch verstanden und die Pferde ergeben sich ihrem Schicksal.

Gut erkennbar an so trainierten Pferden ist, dass keine korrekte Versammlung sichtbar

ist. Das bedeutet, dass die Hinterhand nicht aktiv genug arbeitet und den Rücken zum

Schwingen bringen kann. Das Pferd fällt dabei auf die Vorhand mit seinem Gewicht.

Oberarm und Röhrbein der diagonalen Beinpaare im Trab sind nicht mehr gleich, da

die Hinterbeine nicht gleich weit vortreten wie die Vorderbeine.

Auch der Blick des Pferdes ist meist nicht mehr ruhig und gelassen, sondern sehr

angespannt.

Abbildung x zeigt ein in Rollkur gerittenes Pferd, die Stirn-Nasenlinie deutlich hinter

der gedachten Senkrechten Linie, damit also die Halsmuskeln und das Nackenband

völlig überspannt, die Hinterbeine sind nicht im selben Takt wie die Vorderbeine.

Außerdem verrät die Schweifhaltung einen festen Rücken und die Unmut des Pferdes.

Abbildung 10: Rollkur

6.2 Zu frühes Aufrichten der Pferde

Heutzutage sieht man bereits viele junge Pferde in einer Kopf-Hals-Haltung, die der

Versammlung ähnelt. Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, braucht ein Pferd jedoch

viel Zeit bis es sich korrekt versammeln kann. So werden 3-jährig angerittene Pferde

Page 17: Korrektes Pferdetraining

17

bereits in eine Pseudo-Versammlung gebracht und die Hinterhand kann nicht mehr

richtig mitarbeiten, wodurch der Rücken nicht mehr schwingen kann. Durch mangelnde

Oberhalsmuskulatur fallen diese zu früh aufgerichteten Pferde oft knapp hinter die

Senkrechte mit der Stirn-Nasen-Linie, sodass auch hier wieder das Nackenband

überdehnt wird.

Gut zu erkennen ist dies in Abbildung x: Die Vorderbeine kommen extrem weit nach

vorne und oben, die Hinterbeine jedoch erwidern diesen Raumgriff nicht (rote Linien).

Die Vorderbeinaktion, wie sie der Hinterbeinaktion entsprechen sollte, ist grün

dargestellt. Somit kommt es zu keiner Hankenbeugung, die in der Versammlung, wie

sie in dieser Dressurprüfung auf internationalem Niveau verlangt wird. Ebenfalls grün

dargestellt ist die Stirn-Nasen-Linie, wie sie mindestens aussehen sollte, besser sogar

noch vor dieser Linie. Dieses Pferd jedoch ist deutlich hinter dieser senkrechten Linie

(rot).

Abbildung 11: zu früh "versammeltes" Pferd

6.3 Keine ausreichende Ausbildung von Pferd und Reiter

Junge Pferde sollten von erfahrenen Reitern ausgebildet werden, da diese oft ein

besseres Gefühl dafür haben wann sich das Pferd entspannt und wissen, wie welche

Fehler zu beheben sind. Außerdem haben erfahrene Reiter oft einen guten Sitz im

Page 18: Korrektes Pferdetraining

18

Gleichgewicht, sodass sie für das Pferd nicht störend wirken. Ein Anfänger würde das

Pferd zunächst in seinem Gangwerk beeinträchtigen, wodurch sich das Pferd verspannt.

Verspannungen führen meistens zu keinem angenehmen Gefühl auf dem Pferd,

wodurch ein Teufelskreis aus Verspannungen entsteht, denn sobald sich der Reiter

verspannt, verspannt sich auch das Pferd und umgekehrt.

Reitanfänger müssen zunächst lernen, korrekt im Gleichgewicht zu sitzen, damit sie

vernünftig auf das Pferd einwirken können und es überhaupt erst zum Dressurreiten

kommt.

Wenn also Pferd und Reiter keine bis wenig ausreichende Ausbildung haben, kommt es

oft zu Folgeschäden wie Lahmheiten bis hin zur Unrittigkeit des Pferdes. Manche

Reiter bekommen Rückenschmerzen, jedoch leidet meistens die Gesundheit des Pferdes

darunter. Das gilt nicht nur für wenig Ausbildung, sondern auch für die anderen

umstrittenen Trainingsmethoden die zu Lasten des Pferdes fallen.

7. Fazit

Allein aufgrund der Biomechanik ist es kaum möglich, die Grundausbildung (die ersten

drei Punkte der Ausbildungsskala) anders zu gestalten als es seit mehreren hundert

Jahren gelehrt wird. Früher mussten Pferde im Krieg fein geritten sein, damit sie auf die

Page 19: Korrektes Pferdetraining

19

kleinsten Hilfen des Reiters reagieren können um ohne Verletzungen den Krieg

überstehen.

Zudem trägt jeder Reiter und Pferdebesitzer die Verantwortung, sein Pferd gesund zu

halten und gesundheitsfördernd zu reiten – dies ist nur mit einem korrektem Vorwärts-

Abwärts möglich und absolut unumgänglich. Das Vorwärts-Abwärts ist ein zentraler

Punkt in jeder Sparte des Reitsports, denn darauf baut die gesamte weitere Ausbildung

auf.

Auch die Pferde gewinnen nicht nur Muskeln, sondern entwickeln auch den Stolz, sich

zu präsentieren durch das Vorwärts-Abwärts.

Die folgende Abbildung zeigt ein stolzes, passagierendes Pferd aufgrund korrekter

Versammlung bereits um 1700, ausgebildet in der klassischen Reitkunst.

Abbildung 12: Passage16 bei einem nach klassisch gerittenen Grundätzen gerittenen Pferd

„Das Pferd muss selber Freude an der Reitbahn haben, sonst wird

dem Reiter nichts mit Anmut gelingen.“17

8. Literaturverzeichnis

- Dr. Gerd Heuschmann: Finger in der Wunde, WuWei-Verlag, ISBN

9783930953202, 4. Auflage, Herausgegeben 2011 in Schondorf

16 Passage ist ein stolzer Trab, bei dem das Pferd einen Moment länger mit den Beinen in der Luft bleibt und erfordert viel Versammlung. 17 Zitat nach Antoine de la Baume Pluvinel, 1555-1620

Page 20: Korrektes Pferdetraining

20

- Gillian Higgins: Anatomie verstehen – besser reiten, Kosmos-Verlag,

ISBN 9783440121856, Herausgegeben 2012 in Stuttgart

- H.Dv.12 - Die Deutsche Reiterklassik hat einen Namen, WuWei-Verlag, ISBN

9783930953424, Druck 2008 in Memmingen, Copyright 1983 by Verlag E.S. Mittler &

Sohn GmbH, Herford

- www.pferdewissen.ch (zuletzt überprüft 5. März 2012)

- http://www.dressur-studien.de/content/view/147/1/ (zuletzt überprüft 5. März 2012)

- http://www.ina-cygon.de/allsites/philhaup.html (zuletzt überprüft 5. März 2012)

- http://ps-sattel.de/sattel/ (zuletzt überprüft 5. März 2012)

9. Selbstständigkeitserklärung

Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und keine anderen als

die angegebenen Quellen und HIlfsmittel verwendet habe. Alle Textstellen, die ich dem

Wortlaut oder dem Sinne nach den Quellen entnommen habe, sind entsprechend

gekennzeichnet.

Page 21: Korrektes Pferdetraining

21

Mettmann, den 6.3.2012 Melanie Dittel

10. Anhang

Abbildung 1: Das Achsenskelett

http://www.vet-chiropraktik-fuer-pferde.de/fachliches/wassinddiefolgeneinerblockade

(zuletzt überprüft 5. März 2012)

Abbildung 2: Nackenstrang/band, Nackenplatte und Rückenband

Page 22: Korrektes Pferdetraining

22

- http://www.hufschmied-hufbeschlag.de/Rueckenerkrankungen-Dateien/image009.gif/

(zuletzt überprüft 5. März 2012)

Abbildung 13: Der lose Rücken

© Jennifer Schulze, das Bild zeigt mein eigenes Pony & mich

Abbildung 14: Der verspannte Rücken

© Jennifer Schulze, Das Bild zeigt ebenfalls mein eigenes Pony & mich

Abbildung 15: Darstellung der aktiven Bauchmuskeln

http://www.joelle.de/topic/51547-anatomie-des-pferdes/ (zuletzt überprüft 5.3.2012)

Abbildung 16: Skala der Ausbildung

http://www.der-reitlehrer-wb.de/skala.html (zuletzt überprüft 5. März 2012

Abbildung 17: korrekte Hankenbeugung in einer Piaffe

http://www.reitverein-allensbach.de/pages/fotos--link.php (zuletzt überprüft 5.3. 2012)

Abbildung 18: Dehnungshaltung Vorwärts-Abwärts

http://pferdewissen.ch/biomechanik1.php (zuletzt überprüft 5.3.2012)

Abbildung 19: Darstellung Vowärts-Abwärts mit aufgemalten Muskeln, den Rippen &

dem Nackenband

http://www.tier-naturheil-therapie.de/thema/2009_Dehnungshaltung-Akupunktur-

gesunderhaltung-pferd.html (zuletzt überprüft 5. März 2012)

Abbildung 20: Rollkur

http://krysiakdressage.webs.com/anky.jpg (letzt überprüft 5. März 2012)

Abbildung 21: zu früh "versammeltes" Pferd

http://www.stall-suerte.de.tl/FOHLEN-von-MOORLANDs-TOTILAS.htm (zuletzt

überpüft 5. März 2012)

Abbildung 22: Passage bei einem nach klassisch gerittenen Grundätzen gerittenen Pferd

http://nicholnl.wcp.muohio.edu/DingosBreakfastClub/BioMech/BioMechSeatHistory.h

tml (zuletzt überprüft 5. März 2012)