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Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Neue
Perspektiven bibliothekarischer Zusammenarbeit
unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher und
systemtheoretischer Ansätze
Master’s Thesis
Bibliotheks- und Informationswissenschaft
der
Fachhochschule Köln
Institut für Informationswissenschaft
vorgelegt von:
Guido Kippelt
Reitweg 3
50679 Köln
Matr.Nr: 11064844
Vorgelegt am 28.08.2009 bei
1.Gutachter: Prof. Dr. Hermann Rösch
2.Gutachter: Prof. Dr. Inka Tappenbeck
Hiermit versichere ich, die Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als
die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben.
Köln, den _______________________
i
Abstract
Seit Ende des 20. Jahrhunderts sind Kooperationen in Bibliotheken zum alltäglichen Mittel der
komplexen Arbeitsbewältigung geworden. Durch die Veränderung der bibliothekarischen Umwelt,
beispielsweise die Digitalisierung der Medien und das sich daraus wandelnde Nutzerverhalten, werden
die Bibliotheken neuen Herausforderungen unterworfen. Diesen muss sich aufgrund der Fülle und
Masse an zu bewältigenden Aufgaben kooperativ gestellt werden. Die Veränderungen veranlassen
gleichzeitig neue Perspektiven der Konzeption von Kooperationen einzubeziehen. Hier bieten sich die
Kooperationsforschung der Betriebswirtschaftslehre sowie die Systemtheorie Luhmannscher Prägung
an. Ebenfalls sollten Kooperationsmodelle aus dem Ausland beobachtet werden, um neue Impulse für
die Bildung von Kooperationen zu erlangen. Das Zusammenfassen dieser drei Ansätze führt zur
Erlangung neuer Erkenntnisse im Bereich der sich verändernde Umwelt der Bibliotheken und die
daraus zu schließende Reaktion in Form der Bildung geeigneter Kooperationen.
Schlagworte:
Kooperation, Bibliothek, Systemtheorie,
Kooperationsforschung, Betriebswirtschaftslehre
ii
Inhaltsverzeichnis
Abstract i
Inhaltsverzeichnis ii
Abbildungsverzeichnis iv
Abkürzungsverzeichnis v
1. Einleitung 1
2. Kooperationsforschung in der Betriebswirtschaftslehre 3
2.1 Antriebskräfte und Motive für Kooperationen 3
2.1.1 exogene Faktoren 3
2.1.2 endogene Faktoren 5
2.1.3 Motive 6
2.1.3.1 Zeitvorteile 6
2.1.3.2 Kostenvorteile 6
2.1.3.3 Erlösvorteile 7
2.1.3.4 Entwicklungsorientierte Motive 7
2.2 Typologie 8
2.2.1 Kooperationen zwischen Markt und Hierarchie 10
2.2.2 Transaktionsformen (Institutionalisierung) 11
2.2.2.1 Konsortien 12
2.2.2.2 Joint Ventures 13
2.2.3 Anzahl der Partner und Koordinationsstrukturen 13
2.2.4 Stellung der Partner in der Wertschöpfungskette 17
2.2.4.1 Horizontale Kooperationen 17
2.2.4.2 Vertikale Kooperationen 18
2.2.4.3 Laterale Kooperationen 18
2.2.5 Zeitfaktor 19
2.3 Grenzen und Probleme von Kooperationen 20
2.3.1 Strategische Abhängigkeit 20
2.3.2 Zwischenbetriebliche Interdependenz 20
2.3.3 Divergente Zielsysteme der Kooperationspartner 21
iii
3. Systemtheoretische Ansätze 22
3.1 Die Ausgangslage der Systemtheorie 22
3.2 Der Sinn 23
3.3 Das vernetzte Denken 23
3.4 Komplexität und Kontingenz 24
3.5 Theorie der autopoietischen, selbstreferentiellen sozialen Systeme 25
3.6 Steuerungsmodelle für komplexe soziale Systeme 26
4. Kooperationsformen im deutschen Bibliothekswesen 33
4.1 Typologie 35
4.1.1 Interne Kooperation 35
4.1.1.1 Sammlung/Bestandsaufbau 36
4.1.1.2 Erschließung 39
4.1.1.3 Informationsvermittlung 40
4.1.1.4 Vermittlung von Informationskompetenz 42
4.1.1.5 Bewahrung 44
4.1.2 Externe Kooperation 45
4.2 Grenzen und Probleme von Kooperationen 53
5. Neue Formen/Projekte von Kooperationen im internationalen
Bibliothekswesen 58
5.1 Drammen – Eine Wissensstadt in Norwegen 58
5.2 Shanghai Library und Shanghai COC: Kooperation zwischen
Bibliothek und Wirtschaft 60
6. Übertragbarkeit und Nutzen der Kooperationsforschung der BWL
für das deutsche Bibliothekswesen 63
7. Nutzen von systemtheoretischen Ansätzen für die
Kooperation von Bibliotheken 69
8. Möglichkeiten der Übernahme ausländischer Kooperationsmodelle
und Aufbau neuer Szenarien 75
9. Schluss 78
10. Literaturverzeichnis 81
iv
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Transaktionstypenband 12
Abbildung 2: Bilaterale Bindungen 14
Abbildung 3: Trilaterale Bindungen 14
Abbildung 4: Einfache Netzwerke 15
Abbildung 5: Komplexe Netzwerke 16
Abbildung 6: Übereinstimmung von Aufgaben- und Sozialstruktur 27
Abbildung 7: Nicht-Übereinstimmung von Aufgaben- und Sozialstruktur 28
Abbildung 8: Konstellation „Eine Person – eine Aufgabe“ 29
Abbildung 9: Konstellation „jede Person – jede Aufgabe“ 30
Abbildung 10: Konstellation „jede Person – überlappende Aufgaben“ 30
Abbildung 11: Startseite der Deutschen Internetbibliothek 41
Abbildung 12: Startseite der Plattform www.informationskompetenz.de 44
Abbildung 13: Homepage des Heisenberg-Gymnasium Dortmund 47
Abbildung 14: Homepage der Gesamtschule Gartenstadt Dortmund 48
Abbildung 15: Unabhängige Schulungsangebote
der Universitätsbibliothek der TU München 50
Abbildung 16: Teil des Moduls "Projektmanagement und
wissenschaftliches Arbeiten" im 3. Semester
des Studiengangs Landnutzung 51
Abbildung 17: Veranstaltung „Vorlesung Informationskompetenz“
der Universitätsbibliothek an der TU München 52
Abbildung 18: Rubrik “Beispielfragen und –antworten“
in der Deutschen Internetbibliothek 55
Abbildung 19: Auszug aus einem Digitalisat eines Buches
des Digitalisierungsprojekts der Bayerischen Staatsbibliothek
und Google Inc. 56
Abbildung 20: Auszug aus einem Digitalisat eines Buches
des Digitalisierungsprojekts der Bayerischen Staatsbibliothek
und Google Inc 57
v
Abkürzungsverzeichnis
ALA American Library Association
BIB Berufsverband Information Bibliothek e.V.
BSB Bayerische Staatsbibliothek
BSZ Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg
BVB Bibliotheksverbund Bayern
BWL Betriebswirtschaftslehre
DBV Deutscher Bibliotheksverband e.V.
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
DINI Deutsche Initiative für Netzwerkinformation
GAU Größter anzunehmender Unfall
GBV Gemeinsame Bibliotheksverbund
GKD Gemeinsame Körperschaftsdatei
HBZ Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen
HeBIS Hessisches BibliotheksInformationsSystem
IPE Info-Point Europa
ISTIS Institute of Scientific and Technological Information of Shanghai
KOBV Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg
KVK Karlsruher Virtuellen Katalog
MAB Maschinelles Austauschformat für Bibliotheken
PND Personennamendatei
PISA Programme for International Student Assessment (Programm zur
internationalen Schülerbewertung)
RABE Recherche und Auskunft in bibliothekarischen Einrichtungen
RAK Regeln für die Alphabetische Katalogisierung
RSWK Regeln für die Schlagwortkatalogisierung
SteFi Studieren mit elektronischen Fachinformationen
STM Science, Technology and Medicine
SWB Südwestdeutsche Bibliotheksverbund
SWD Schlagwortnormdatei
TU Technische Universität
ULB Universitäts- und Landesbibliothek
VD16 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienen Drucke des 16.
Jahrhunderts
VD17 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienen Drucke des 17.
Jahrhunderts
1
1. Einleitung
Kooperationen, Allianzen und Netzwerke haben seit den Reformen Friedrich
Althoffs Anfang des 20. Jahrhunderts und der Erkenntnis, dass ein universaler Be-
stand in einer Bibliothek nicht mehr möglich ist, im deutschen Bibliothekswesen eine
rasante Entwicklung durchgemacht. Aber nicht nur der Nachteil einer „unvollständi-
gen Sammlung“, sondern auch der Wandel der Anforderungen von Nutzern, das Er-
schließen neuer Nutzergruppen und die damit verbundene Umstrukturierung diverser
Arbeitsabläufe und Angebote sowie der Eintritt in das digitale Zeitalter können als
Ursachen für verstärkte Zusammenarbeit aufgezählt werden.
Es stellt sich die Frage, inwieweit Kooperationen erforderlich sind, um die neu ent-
standenen Bedürfnisse und Anforderungen der bestehenden, aber auch erstmalig auf-
tretenden Nutzergruppen aus den Entwicklungen der bibliothekarischen Umwelt zu
befriedigen.
In den Zeiten der wirtschaftlichen Krise ergibt sich ebenfalls das Motiv des Selbst-
schutzes und Eigennutzes für Bibliotheken. Durch wirksame Kooperationen und der
daraus folgenden Durchdringung der bibliotheksnahen und – noch wichtiger – der
bibliotheksfernen Nutzergruppen, können Bibliotheken sich unabdingbar für das Ge-
sellschaftssystem machen und die eigene Existenzberechtigung festigen.
Um diese Ziele zu erreichen und wirksame Konzepte für Kooperationen entwickeln
zu können, müssen auch Erkenntnisse von Disziplinen außerhalb der Bibliothekswis-
senschaft hinzugezogen werden. Hierdurch entstehen neue Perspektiven auf Konsti-
tuierung und Formung von Kooperationen. Dies wird in dieser Arbeit auf drei Analy-
seebenen geschehen.
Als theoretischer Hintergrund wurden die Kooperationsforschung der Betriebswirt-
schaftslehre und die Systemtheorie ausgewählt. Eine dritte Ebene wird innovative
Beispiele von Kooperationen im Bibliothekswesen in Norwegen und China in die
Analyse einschließen.
Der erste Abschnitt ist der Kooperationsforschung der Betriebswirtschaftslehre ge-
widmet. Hier sollen Theorien und Annahmen herausgestellt werden, die für die Ko-
operationsbildung von Bibliotheken von Nutzen sein könnten. Im entsprechenden
Analyseabschnitt besteht die Aufgabe darin, mögliche Übereinstimmungen der Theo-
rien und Annahmen der Kooperationsforschung der Betriebswirtschaftslehre bei der
Bildung von Kooperationen im deutschen Bibliothekswesen zu erkennen und ent-
sprechende Nichtberücksichtigungen zu benennen.
2
Als zweite Theorieebene wird die Systemtheorie soziologischer Prägung genutzt.
Hier wird auf den funktional-strukturellen Ansatz von Niklas Luhmann zurückgegrif-
fen. Im entsprechenden Analyseteil soll die Möglichkeit des Einsatzes der System-
theorie für die Vorbereitung der Kooperationsbildung erörtert werden.
Um den tatsächlichen Stand der Kooperationsbildung im deutschen Bibliothekswe-
sen zu dokumentieren, wird in Abschnitt 4 ein Überblick über vorhandene Koopera-
tionen auf den einzelnen bibliothekarischen Arbeitsebenen gegeben.
Ein letzter Analyseabschnitt wird in Zusammenhang mit den Beispielen innovativer
Kooperation aus Bibliothekswesen in Norwegen und China versuchen, diese neuen
Konzepte auszuwerten und mögliche Übernahmeprognosen aufzustellen.
Ziel der Arbeit ist es, durch interdisziplinäre Ansätze neue Perspektiven für die Ko-
operationsbildung im Bibliothekswesen zu erschließen und Empfehlungen hinsicht-
lich des Einsatzes der bearbeiteten Theorien abzugeben. Zielgruppe dieser Untersu-
chung soll das wissenschaftliche, wie auch das öffentliche Bibliothekswesen sein. In
der Arbeit wird in dieser Richtung keine Differenzierung vollzogen.
3
2. Kooperationsforschung in der Betriebswirtschaftslehre
Kooperationen, Allianzen und Netzwerke erleben seit Jahren eine stetig ansteigende
Bedeutung in der Unternehmenspraxis. Unternehmensbeziehungen mit kooperativem
Charakter haben sich von singulär auftretenden Erscheinungen zu einer im betriebs-
wirtschaftlichen Bereich weit verbreiteten Organisationsform entwickelt. Ihre Bedeu-
tung ist gerade mit der immer weiter fortschreitenden Globalisierung erkannt worden
und ihre Verbreitung hat parallel dazu in hohem Maße zugenommen. Daraus ergibt
sich eine stärkere Beobachtung und Analyse dieses Bereichs in der betriebswirt-
schaftlichen Forschung. Im Folgenden sollen einige grundsätzliche Annahmen der
betriebswirtschaftlichen Kooperationsforschung dargestellt werden, die möglicher-
weise auf die Kooperationsbildung im Bibliothekswesen übertragbar sind. Es soll
untersucht werden, ob sich für das Bibliothekswesen daraus positive Impulse erge-
ben.
2.1 Antriebskräfte für Kooperationen
Der wachsende Anteil kooperativer Verbindungen im Unternehmensbereich hängt ab
von Entwicklungen und Determinanten, die sowohl endogener als auch exogener
Natur sein können. Diese sollen im Folgenden näher betrachten werden.
2.1.1 Exogene Faktoren
Die Betrachtung der Determinanten exogener Natur wird als Outside-Inside-
Perspektive bezeichnet. Exogene Faktoren, auch als Umfelddeterminanten bezeich-
net, bestimmen die allgemeine Entwicklung kooperativer Zusammenschlüsse. Neben
allgemeinen Faktoren existieren spezielle Determinanten, die im Einzelnen spezi-
fisch relevant für das jeweilige Unternehmen sind.1 Auf der allgemeinen Ebene kön-
nen drei Faktoren aufgeführt werden:
• steigender Branchenwettbewerb
• Bedrohung durch neue Konkurrenten oder Ersatzprodukte bzw. Ersatzdienst-
leistungen
• steigende Verhandlungsstärke der Lieferanten
1 Vgl. Zentes, Joachim/ Schramm-Klein, Hanna: Exogene und endogene Einflussfaktoren der Koope-ration. In: Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Grundlagen – Ansätze – Perspektiven – Zentes, Joachim/ Swoboda, Bernhard/ Morschett, Dirk (Hrsg.). Wiesbaden 2005, S.287ff
4
Der Wettbewerb in den einzelnen Branchen steigt. Diese „Rivalität“ stellt eine der
größten und wesentlichen Triebkräfte zur Bildung von kooperativen Zusammen-
schlüssen dar. Sie führt zur Bildung von Kooperationen, in denen auf Unternehmer-
seite alle Ausprägungen vom kleinen Unternehmer bis zum Global Player vertreten
sind. Ein gutes Beispiel ist die Automobilindustrie, die auf den zunehmenden Wett-
bewerb mit einer tiefgreifenden Neuausrichtung der Wertschöpfungskette reagiert
hat. Immer häufiger werden Zulieferer beispielsweise bei Forschung & Entwicklung
oder auch im Bereich der Logistik miteinbezogen. Der Automobilhersteller selbst
sieht sich meist als fokalen Unternehmer, der einzig den Wertschöpfungsprozess
lenkt.2 Seine Aufgabe besteht nun als übergeordnete Instanz in Koordination und
Steuerung der Produktion, an der er selbst nur noch in geringem Umfang beteiligt ist.
Ein weiterer exogener Einflussfaktor ist der Anstieg der Herausforderung durch neue
Konkurrenten und Ersatzprodukte beziehungsweise Ersatzdienstleistungen. Hier wird
vor allem der Einfluss des Internets stark betont. Die dort entstandenen „elektroni-
schen Markplätze“ sind zu starken Plattformen angewachsen, die ein hohes Potential
hinsichtlich ihrer Marktstärke entwickelt haben – hier wird zwischen neutralen, nach-
fragerbezogenen und anbieterbezogenen Marktplätzen unterschieden. Neutrale
Marktplätze bieten eine neutrale Plattform für Transaktionen. Sie werden von Betrei-
bern geführt, die unabhängig von den auf der Plattform agierenden Unternehmen
arbeiten.
Nachfragerbezogene Marktplätze halten sich in erster Linie an die Interessen der
möglichen, potenziellen Käufer. Hier soll eine Zusammenfassung der Nachfrage er-
reicht werden, um eine Nachfragemacht entstehen zu lassen. Die anbieterbezogenen
Marktplätze richten sich auf die Angebotsseite aus. Hier werden mehrere Angebote,
oft auch mit gleichem oder konkurrierendem Charakter, gebündelt und auf einer
Plattform dem Nachfrager dargeboten. Meist werden diese Märkte von Konsortien
der Anbieter geregelt und kontrolliert. Als Beispiel kann das, von der Chemieindust-
rie initiierte, Portal Elemica3 genannt werden, welches den Verkauf von Produkten
der Chemieindustrie unterstützen soll.
Die beiden letzteren Modelle werden oft in kooperativer Arbeit geführt. Gefahr für
diese Modelle sind die neutralen Märkte, auf deren Entstehung oftmals mit der Bil-
2 Vgl. ebd. 3 Vgl. www.elemica.com (Stand: 26.08.2009)
5
dung der beiden anderen Modelle reagiert wird, um einen Konkurrenten in der Wert-
schöpfung unter Kontrolle zu halten und abzuwehren.4
Die steigende Verhandlungsstärke der Lieferanten ist ein weiterer exogener Faktor
der Kooperationsbildung. Die Bildung von Einkaufsgemeinschaften ist nicht nur auf
die Intensivierung des Wettbewerbs zurückzuführen, sondern im Zusammenhang mit
steigender Lieferantenkonzentration zu sehen. Dies bedeutet, dass einzelne Lieferan-
ten in bestimmten Branchen marktbeherrschend sind und dementsprechend die
Preisbildung bestimmen. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten werden Konsor-
tien gegründet, damit die Preise der marktbeherrschenden Anbieter noch zu wettbe-
werbsfähigen Preisen an den Endkunden weitergegeben werden können.
2.1.2 Endogene Faktoren
Neben den exogenen wirken auf jedes Unternehmen spezifische endogene, innerbe-
triebliche Faktoren, die durch die Inside-Outside-Perspektive beschrieben werden.
Hiermit sind die materiellen und immateriellen Ressourcen des einzelnen Unterneh-
mens gemeint. Diese entscheiden zum Großteil über die mögliche Form und das
Ausmaß der Kooperation.5 Hier sind folgende zwei Faktoren zu nennen:
• Zusammenfassung komplementärer Ressourcen
• Zusammenfassung gleicher Ressourcen
Die Zusammenfassung wird meist mit dem Begriff Franchising verbunden. Meist
wird es genutzt, um die Absatzgebiete der eigenen Produkte voranzutreiben. Das
Franchise-System besteht aus einem Geber und mehreren Nehmern. Der Franchise-
Geber besitzt beispielsweise spezifische Produkte, Konzepte oder Marken. Weiterhin
kann er den Franchise-Nehmern Unterstützung in Bereichen wie Controlling oder
Personalentwicklung bieten. Der Vorteil des Franchise-Systems ist die Kenntnis der
lokalen Realitäten, wie Absatz- und Beschaffungsmarkt. Hier kann der Franchise-
Nehmer seine Vorteile ausspielen und der Franchise-Geber das Risiko dadurch mi-
nimieren, dass er nicht in einer für ihn fremden Umgebung agieren muss, um seine
Produkte oder Dienstleistungen zu vertreiben.6
4 Vgl. ebd. 5 Vgl. ebd., S.294ff 6 Vgl. ebd.
6
Ein Beispiel für das Bündeln gleicher Ressourcen stellen Einkaufsgemeinschaften
dar. Das Ziel einer solchen ist, die einzelnen Beschaffungskontingente zusammenzu-
führen, um eine kritische Masse aufzubauen und somit einen Vorteil des Kollektivs
im Wettbewerb gegenüber Konkurrenten zu erlangen.
Die Verbindung beider Perspektiven, die der endogenen und der exogenen Faktoren,
zur Bildung von kooperativen Zusammenschlüssen von Unternehmen, führen zu
interdependenten Verhältnissen, die bei erfolgreichen Kooperationen beobachtet
werden konnten.
2.1.3 Motive der Kooperationsbildung
2.1.3.1 Zeitvorteile
Durch Zeitersparnis entstehen Vorteile im bestehenden Wettbewerb. Die Basis jeden
Erfolges eines Unternehmens wird durch schnelles Eingreifen und Bewegen mit den
eigenen Produkten oder Dienstleistungen in den Markt gesetzt.7 Somit ist es wichtig,
in hoher Beschleunigung Produkte und die Verbreitung sowie die Umstellung auf
möglichst effiziente Weise auf den relevanten Märkten gewährleisten zu können, um
einen Wettbewerbsvorteile gegenüber potentiellen Mitbewerbern zu erlangen. In
einer Kooperation kann dies arbeitsteilig ablaufen, somit ist eine höhere Flexibilität
und Zeitersparnis durch die verteilte, kooperative Produktion gewährleistet. Ein ein-
zelnes Unternehmen muss alle Produktionsschritte allein bewältigen und ist unflexib-
ler bei der Umstellung bestimmter Schritte in der Produktionskette.
2.1.3.2 Kostenvorteile
Durch Kooperationen können Unternehmen operative Kostenvorteile in ihrer Leis-
tungserstellung optimieren. Einsparungen, wie der gemeinsame Erwerb strategisch
relevanter Ressourcen oder auch das Outsourcing8 bestimmter Vorgänge im Produk-
tionsprozess, die nicht Bestandteile des Kernportfolios des Unternehmens sind, gehö-
ren dazu.9
7 Vgl. Wrona, Thomas/ Schell, Heiko: Globalisierungsbetroffenheit von Unternehmen und die Poten-ziale der Kooperation. In: Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Grundlagen – Ansätze – Per-spektiven - Zentes, Joachim/ Swoboda, Bernhard/ Morschett, Dirk (Hrsg.), Wiesbaden 2005, S.336 8 „Maßnahme, Aufgaben oder Bereiche des Unternehmens, z.B. Forschung und Entwicklung, EDV-Beratung, in eigene Gesellschaften auszulagern, um Kosten zu sparen und mehr Flexibilität in das eigenen Unternehmen zu bekommen.“ Aus: Duden Wirtschaft von A bis Z. Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag, Mannheim 2004. 9 Vgl. Riemer, Kai: Sozialkapital und Kooperation, Tübingen 2005, S.9
7
2.1.3.2 Erlösvorteile
Erlösvorteile ergeben sich mit der Ausweitung der geschäftlichen Aktivitäten durch
Kooperation mit mehreren Partnern. Man zählt hier die Zusammenarbeit mit bran-
chenfremden Unternehmen und die dadurch entstehende Erschließung neuer strate-
gisch relevanter Märkte. Aber auch die Kooperation mit direkten Wettbewerbern ist
nicht ausgeschlossen. Ein weiterer Punkt ist der Zugang zu strategisch relevanten
Ressourcen durch Kooperation und auch der gleichzeitige Schutz der eigenen Res-
sourcen ist zu erwähnen, da nun eine mögliche Bündelung eine Stärkung mit sich
bringt.10 Durch die Fusion lassen sich verschiedene Fähigkeiten zusammen führen.
Sie ermöglicht kürzere Innovationszyklen und somit wieder Wettbewerbsvorteile.11
Die angesprochene Bündelung ermöglicht zudem das Anbieten neuer Produktformen
sowie den Zugang zu neuen Kundengruppen. Dieser Zugang entsteht vorwiegend bei
Kooperationen mit Anbietern von Komplementärprodukten und den aus dem Prozess
der Zusammenarbeit entstehenden Synergieeffekten.12
2.1.3.3 Entwicklungsorientierte Ziele
Hier werden Entwicklungen neuer (Dienstleistungs-)Produkte, Technologien und
Ressourcen angesprochen. Durch die Verteilung der Entwicklung auf mehrere Par-
teien wird eine Minimierung der Entwicklungsrisiken und -kosten herbeigeführt, was
als eine zentrale Motivation zur Kooperation angesehen wird.13
Die Teilnahme an externen Kooperationen spielt eine immer größer werdende Rolle
im Hinblick auf die Akquisition innovativen Wissens und den Erwerb und die Teil-
habe an Technologien und Ressourcen. Gerade die Wissensakquisition stellt eine
immer größer werdende Bedeutung für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen dar.
Die mögliche Aneignung solchen Wissens fungiert oftmals als Antrieb für eine Ko-
operationsbeziehung.
Als ein weiteres Ergebnis von Kooperationsbeziehungen entstehen häufig organisati-
onale Lernprozesse. Hier wären Verbesserungen im Bereich eines möglichen
Benchmarkings potenziell denkbar. Für diesen Austausch von Wissen ist auf die Er-
richtung benötigter Informations- und Kommunikationskanäle und die dafür erfor-
10 Vgl. ebd., S.10 11 Vgl. Wrona/Schell 2005, S.336 12 Vgl. Riemer 2005, S.10 13 Vgl. Wrona/Schell 2005, S.337
8
derlichen Instrumente zu achten, um einen Lernprozess innerhalb der Organisationen
der einzelnen Partner anbahnen zu können.14
2.2 Typologie
Eine einheitliche Typologisierung oder Klassifizierung von Kooperationsformen ist
bislang nicht gelungen. Es werden diverse Termini genutzt, wie „Joint Venture“,
„Strategic Partnership“, „Netzwerk“ oder „Bündnis“, die alle ähnliche Phänomene
beschreiben, jedoch in Teilen, aufgrund bestimmter Kriterien, voneinander abzu-
grenzen sind.15 Diese Kriterien, sowie die Zusammenhänge und Unterschiede der
Phänomene „Kooperation“, „Allianz“ und „Netzwerk“, werden in den nachfolgenden
Gliederungspunkten unter Einbeziehung kurzer Definitionen erläutert.
Kooperation beschreibt eine Zusammenarbeit mit dem Merkmal der Harmonisierung
oder der gemeinsamen Bewältigung von Aufgaben durch rechtlich und wirtschaftlich
selbständige Wirtschaftseinheiten. Es entsteht ein Nutzengewinn der beteiligten Par-
teien, der als Win-Win Situation gekennzeichnet ist. Diese Zusammenarbeit kann
temporär oder auf Dauer bestehen und von Teilen oder den gesamten Wirtschaftsein-
heiten getragen werden.16
Der Begriff der Allianzen ist synonym zum Begriff der Kooperationen zu verstehen.
Sie beschreiben darüber hinaus eine Zusammenarbeit, die mitunter langfristige Ver-
einbarungen zwischen zwei oder mehreren Partnern vorsieht. Es wird eine gemein-
same Nutzung von Ressourcen, Wissen und Fähigkeiten beschlossen, um die Positi-
on im Wettbewerb jedes einzelnen Partners zu stärken und zu verbessern.17
Der Unterbegriff der „Strategischen Allianzen“ beschreibt spezifische Formen von
Allianzen bzw. Kooperationen. Hier geht es darum, Verbindungen zwischen selb-
ständigen Wirtschaftseinheiten auf geschäftsspezifischen Betätigungsfeldern einzu-
gehen, um eigene Stärken zu verbessern und vorhandene Schwächen durch Potenzia-
le der Partner zu kompensieren. Hinzu kommt das Kriterium, dass eine langfristige
14 Vgl. ebd. 15 Vgl. Morschett, Dirk: Formen von Kooperationen, Allianzen und Netzwerken. In: Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Grundlagen – Ansätze – Perspektiven – Zentes, Joachim/ Swoboda, Bern-hard/ Morschett, Dirk(Hrsg.), Wiesbaden 2005, S.379 16 Vgl. Eggers, Thorsten/ Engelbrecht, Arne: Kooperation – Gründen und Typologisierung. In: Erfolg-reich kooperieren – Best-Practice Beispiele ausgezeichneter Zusammenarbeit – Wiendahl, Hans-Peter/ Dreher, Carsten/ Engelbrecht, Arne, Heidelberg 2005, S.3 17 Vgl. Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Entwicklung der Forschung und Kurzabriss – Zentes, Joachim/ Swoboda, Bernhard/ Morschett, Dirk. In: Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Grundlagen – Ansätze – Perspektiven – Zentes, Joachim/ Swoboda, Bernhard/ Morschett, Dirk(Hrsg.), Wiesbaden 2005, S.5
9
Zusammenarbeit auf Operationsfeldern angestrebt wird, die nicht unter die Koopera-
tion fallen, in denen aber Aufgaben über einen längeren Zeitraum mit subjektiv hoher
Bedeutung bearbeitet werden sollen. Somit charakterisieren die Faktoren „Zeit“ und
„ Subjektivität“ das „Strategische“ an einer Allianz.18 Hinzu kommt, dass die Partner
aus unterschiedlichen Branchen stammen können und sich unter dem gemeinsamen
Ziel, größere Vorteile im jeweiligen Wettbewerb zu erlangen und nach Erfolgspoten-
tialen zu streben, zusammenschließen.19
Es wird noch eine weitere, wichtige Unterteilung des Allianzbegriffes getroffen. Es
wird unterschieden zwischen „X-Allianz“ oder „Closing-Gap-Allianz“ und „Y-
Allianz“, die auch unter dem Begriff „Critical-Mass-Allianz“ zusammengefasst wer-
den.20 Die Merkmale der erst genannten Allianzform sind, wie der Name erkennen
lässt, das Schließen von Lücken bzw. ein Ausdruck bestehender Stärken und Schwä-
chen der einzelnen Partner und die komplementäre Bündelung von Fähigkeiten in der
Kooperation. Der zweite Typ zeichnet sich dadurch aus, dass gleiche Fähigkeiten
oder Aktivitäten aufgrund von nicht ausreichenden Ressourcen, mit denen allein die
kritische Masse nicht erreicht werden kann, verbunden werden.21
Als Charakteristika von Kooperation und Allianzen können somit die Unabhängig-
keit der beteiligten Parteien in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, die Verhal-
tenskoordinierung sowie das Motiv der Motivation einer günstigeren und leichteren
Zielerreichung beim gemeinsamen Vorgehen gegenüber dem individuellen Weg
festgestellt werden.22 Der bestimmende Wesenszug der Kooperation ist aber das E-
lement der Freiwilligkeit der teilnehmenden Partner. Ohne die Bereitschaft des Ver-
zichts auf gewisse Freiheitsgrade und Teile ihrer Autonomie aufgrund der Erwar-
tung, die bestehende Stellung zu verbessern, würden Kooperationen nicht gelingen.23
Eine weitere Form der Zusammenarbeit, neben Allianzen, ist das Netzwerk. Hier
arbeiten drei oder mehr Partner in einem Unternehmensnetzwerk zusammen. Die
Unterscheidung zu Allianzen ist zum einen in der größeren Zahl der beteiligten Un-
ternehmen und des höheren Grads der Komplexität der auszutauschenden Beziehun-
18 Vgl. ebd., S.6 19 Vgl. Wrona/Schell 2005, S.334 20 Vgl. Zentes/ Schramm-Klein 2005, S.294-295 21 Vgl. von der Oelsnitz, Dietrich: Entwicklung und Verknüpfung von Kernkompetenzen. In: Koope-rationen, Allianzen und Netzwerke – Grundlagen – Ansätze – Perspektiven – Zentes, Joachim/ Swoboda, Bernhard/ Morschett, Dirk(Hrsg.), Wiesbaden 2005, S.194-195 22 Vgl. Morschett 2005, S.379 23 Vgl. ebd., S.380
10
gen zu sehen.24 Es zeichnet sich zudem durch Beziehungen mit relativ stabilem Cha-
rakter zwischen rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich meist voneinander ab-
hängigen Partner aus.25
2.2.1 Kooperationen zwischen Markt und Hierarchie
Kooperationen werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur als intermediäre Ko-
ordinationsform zwischen Markt und Hierarchie bezeichnet.26 Zum Verständnis soll-
ten die Begriffe Markt und Hierarchie kurz erläutert werden. Markt ist eine Form der
Organisation von ökonomischen Handlungen, in der seine Teilnehmer genau defi-
nierte Leistungen austauschen. Die Koordination dieses Austausches wird vom Preis
bestimmt. Den Teilnehmern ist es möglich, den Markt nach eigener Entscheidung zu
betreten und zu verlassen. Es besteht Teilnahmefreiheit. Sie verhalten sich im Rah-
men von begrenzter Rationalität und Opportunismus und weitestgehend autonom.27
Hierarchie bestimmt die Koordinierung ökonomischer Handlungen durch Verhal-
tensanweisungen, die durch übergeordnete Institutionen oder eine einheitliche Lei-
tung vollzogen wird.28
In zwischenbetrieblichen Kooperationen kommen Teile aus beiden Bereichen zu-
sammen. Aus diesem Grund wird der Organisationsform der Kooperation ein hybri-
der Charakter zugesprochen.29 Kooperationen ermöglichen es die Vorteile marktli-
cher und hierarchischer Koordination zu nutzen und zu verbinden, wobei gleichzeitig
die Nachteile überwunden werden. Beispielsweise werden Methoden und Aktivitäten
für den Kommunikationsfluss, also die Verbreitung interkooperativer Informationen,
in gegenseitiger Abstimmung zentral erörtert und vollzogen. Diese Vorteile der Hie-
rarchie werden um Vorteile des Marktes ergänzt. Das Verhältnis der einzelnen Part-
ner untereinander ist mehr von den Bedingungen des Wettbewerbs, als von Bürokra-
tie, wie sie in hierarchischen Konstellationen in negativer Form vorkommt, be-
stimmt.30
24 Vgl. Eggers/ Engelbrecht 2005, S.3 25 Vgl. Sydow, Jörg: Strategische Netzwerke - Evolution und Organisation, Heidelberg 1992, S.63 26 Vgl. Eggers/ Engelbrecht 2005. S.4 und Morschett 2005, S.380 27 Vgl. Sydow 1992, S.98 28 Vgl. ebd. 29 Vgl. Morschett 2005, S.380 30 Vgl. Eggers/ Engelbrecht 2005, S.5
11
2.2.2 Transaktionsformen (Institutionalisierung)
Die Formen der Zusammenarbeit in unternehmerischen Kooperationen zeigen sich in
einer großen Variationsbreite. Diese werden unterschieden in Formen mit formellem
und informellem Charakter. Zwischen folgenden drei Formen wird unterschieden:
• nicht-vertragliche Bindungen
• vertragliche Bindungen
• kapitalmäßige Bindungen
Die Konzentration der Bindungen steigert sich von den nicht-vertraglichen zu den
Bindungen, in denen eine Beteilung von Kapital vorliegt.31 Die am häufigsten ge-
nutzte Transaktionsform in der Unternehmenslandschaft bei Kooperationen ist die
vertraglich gebundene und hier speziell die Form des „Joint Ventures“. Vertragsfreie
Kooperationen sind eher selten anzufinden.32
Der Grad der Intensität der Unternehmensbindung ist aussagekräftig für die Koope-
rationsbinnenstruktur und -form. Es ist festzustellen, dass die Stärke der juristischen
Verbindung die Größe der Intensität der Bindung bestimmt. Auch vergrößern sich
der Einsatz der eigenen Ressourcen sowie der Zugriff auf die Ressourcen des Part-
ners mit ansteigendem juristischem Verbindungsgrad.33
Wie schon zu Anfang erwähnt, besteht eine große Vielfalt an Formen der Institutio-
nalisierung von Kooperationen. Das Alternativenspektrum lässt sich als Kontinuum
zwischen den polaren Transaktionsformen Markt und Hierarchie charakterisieren
und wird in der Kooperationsforschung oft in einem Transaktionstypenband darge-
stellt.34 Eine Systematisierung, der verschiedenen Formen und deren Positionierung
im angesprochenen Kontinuum ist der Wissenschaft bisher noch nicht gelungen.
31 Vgl. Morschett 2005, S.384 32 Vgl. ebenda 33 Vgl. Eggers/ Engelbrecht 2005, S.7 34 Vgl. ebenda, S.4
12
Abbildung 1: Transaktionstypenband 35
Es ist anhand der Abbildung erkennbar, dass die einzelnen Formen nicht eindeutig
einzuordnen und zahlreiche Überschneidungen festzustellen sind. Aus diesen Grün-
den lässt) sich keine vollständige Systematisierung vornehmen. Neben der Systema-
tisierung des Grades der Kooperation sind auch die Unterschiede in der Ausgestal-
tung mit sichtbaren Unterschieden belegt. Im Folgenden werden zwei Beispielfor-
men kurz porträtiert, die auch im Bibliothekswesen Anwendung finden können.
2.2.2.1 Konsortien
Die Zusammenarbeit in Konsortien beruht auf der Verpflichtung bestimmte, genau
abgegrenzte Projekte gemeinsam umzusetzen. Hierfür ist es nicht nötig ein Unter-
nehmen mit eigener Rechtsform zu gründen. Der Anreiz zur Gründung von Konsor-
tien besteht in Vorteilen bei der partnerschaftlichen Ressourcennutzung und der Ri-
sikominimierung bei Projekten, die möglicherweise die Kapazitäten eines einzelnen
Partners übersteigen. Trotzdem bleiben die beteiligten Unternehmen rechtlich und
wirtschaftlich selbständig. Beispiele können in der Bauwirtschaft bei der Durchfüh-
rung von Großprojekten oder gemeinsame Bemühungen hinsichtlich von Standardi-
35 Vgl. Morschett 2005, S.386
13
sierungen im Technologiebereich in der Informations- und Kommunikationswirt-
schaft festgestellt werden.36
2.2.2.2 Joint Ventures
Joint Ventures stellen die Kooperationsformen mit den höchsten Bindungsintensitä-
ten dar. Ein Joint Venture ist zu charakterisieren als eine Kooperation, die auf Kapi-
talbeteiligung beruht sowie auf der Festlegung der Verteilung der Geschäftsführung
und des Risikos auf die einzelnen Partner langfristig in Form von Verträgen. Durch
die Verknüpfung der Ressourcen der Kooperationspartner, finanzieller, personeller,
materieller oder auch immaterieller Art, bildet sich eine in ihrer Rechtsform selb-
ständige, durch die Partner gemeinsam getragene Unternehmung. Ihre Führung hängt
mit dem Verhältnis der Beteiligung der einzelnen Partner zusammen. Somit können
majoritäre, paritätische oder auch minoritäre Verhältnisse für die Beteiligungsformen
der Partner vorliegen.37
2.2.3 Anzahl der Partner und Koordinationsstrukturen
Um Kooperationen näher zu typologisieren, ist es wichtig, die Anzahl der Kooperati-
onspartner zu beachten und das daraus entstehende jeweilige Beziehungsgeflecht zu
beobachten. Unterscheidungen werden in vier Punkten gemacht:38
• bilaterale Bindungen
• trilaterale Bindungen
• einfache Netzwerke
• komplexe Netzwerke
Bilaterale Bindungen entstehen dadurch, dass zwei Partnern ihr unternehmerisches
Handeln direkt koordinieren und die Möglichkeit der unmittelbaren Reaktion auf den
jeweiligen Partner möglich ist. Bilaterale Bindungen sind aufgrund ihrer Struktur die
übersichtlichste Form. Beispiele sind formlose Absprachen oder auch Abkommen
über den Austausch von Technologien.
36 Vgl. ebd. 37 Vgl. ebd. S.388 38 Vgl. ebd., S.389
14
Abbildung 2: Bilaterale Bindungen39
Wenn nun Kooperationen multilateral aufgebaut sind, fällt die analytische Betrach-
tung komplexer aus. Durch die Anzahl aller direkten und indirekten Beziehungen
entstehen weit mehr Handlungsmöglichkeiten als durch die unmittelbaren Beziehun-
gen. Das Vorhandensein indirekter Beziehungen ist die Voraussetzung für die Bil-
dung eines Netzwerks. Veränderungen von Charakter und Qualität der Beziehungen
zwischen den Kooperationspartnern sind somit bei Beteiligung einer dritten Partei
klar zu erkennen.
Es entstehen aus einer einzelnen Verbindung zwischen zwei Partnern drei Verbin-
dungen zwischen drei Partnern – eine trilaterale Bindung.40
Abbildung 3: Trilaterale Bindungen41
Ab dieser Anzahl von Bindungen ergibt sich die Frage möglicher Relevanz und Ge-
wichtung der einzelnen Bindungen der Partner untereinander. In trilateralen Bindun-
gen können mögliche Asymmetrien beispielsweise in Hinblick auf Informations- und
Machtbeziehungen entstehen oder sogar angestrebt werden.42
39 Vgl. ebd., S.390 40 Vgl. Kutschker, Michael: Strategische Kooperationen als Mittel zur Internationalisierung. In: Schuster, Leo (Hrsg.): Die Unternehmung im internationalen Wettbewerb. Berlin, 1994, S.130 41 Vgl. Morschett 2005, S.390 42 Vgl. Kutschker 1994, S.127
A B
A B
C
15
Netzwerke basieren auf zwei Komponenten. Die eine Komponente steht für die Kno-
ten, die die Akteure repräsentieren und die andere für die Kanten, die die Beziehun-
gen darstellen. Diese Beziehungen können latenter oder manifester Art sein und kön-
nen zur Darstellung der Eigenschaften des jeweiligen Netzwerks herangezogen wer-
den, beispielsweise Dichte, Flexibilität oder Variabilität.43 Durch diese Beziehungen
kann zudem zwischen den Formen der einfachen und der komplexen Netzwerke un-
terschieden werden.
Einfache Netzwerke sind meist in einer sternenförmigen Konstellation angeordnet.
Es wird nur ein kleiner Anteil der möglichen Beziehungen zwischen den Kooperati-
onspartnern genutzt. Häufig, aber nicht notwendigerweise, wirkt in dieser Form ein
zentraler Akteur, der mehrere Beziehungen gleicher Natur unterhält und das Verhal-
ten der beteiligten Kooperationspartner aufeinander abstimmt. Die Koordination der
Beziehungen kann aber ebenso wechselseitig erfolgen. Als Beispiel für ein einfaches
Netzwerk kann das Franchise-System angeführt werden.44
Abbildung 4: Einfache Netzwerke45
Die Unterscheidung komplexer zu einfachen Netzwerken besteht darin, dass sich bei
komplexen Netzwerken eine breite Palette von Beziehungen erkennen lassen. Des
Weiteren werden die möglichen Beziehungen geknüpft und die Bildung von Unter-
43 Vgl. ebd., S.128 44 Vgl. ebd. 45 Vgl. Morschett 2005, S.390
A
E
D
F
B
C
16
netzwerken, in Form von bi- oder trilateralen Bindungen ermöglicht. Zudem ist das
Herkunftsspektrum der Akteure variabler als bei anderen, schon erwähnten For-
men.46
Abbildung 5: Komplexe Netzwerke47
Wenn man die Ergebnisse aus diversen empirischen Untersuchungen betrachtet, wird
klar, dass die Modelle der komplexen Netzwerke eher in der Theorie zu verorten
sind. Den Untersuchungen zufolge werden vielmehr Kooperationsformen mit einer
überschaubaren Anzahl von Kooperationspartnern genutzt. Bilaterale Bindungen
überwiegen eindeutig gegenüber komplexeren Formen.48
Konträr dazu existieren jedoch Haltungen, die besagen, dass Netzwerke in der Un-
ternehmenswelt als völlig normal erachtet werden und die Zusammenarbeit mit ande-
ren Partnern in Form interaktiver Prozesse einem gängigen Modell entsprächen. Inte-
ressant ist vor allem der von den Wissenschaftlern erörterte Aspekt der Grenzenlo-
sigkeit dieser Netzwerke. Es bestehe zwar, beispielsweise aus analytischen Gründen,
die Möglichkeit Grenzen zu ziehen, aber aufgrund der unterschiedlichen Perspekti-
ven der einzelnen Beobachter würde dies auch zu unterschiedlichen Interpretationen
führen.49
Schwer wird es, in diesen Netzwerken zuzuordnen, welche Partner mit welchen Res-
sourcen dem Netzwerk zuarbeiten.50 Weiterhin ist es problematisch, die eigentlichen
46 Vgl. ebd., S.128ff 47 Vgl. Morschett 2005, S.390 48 Vgl. ebd., S.391 49 Vgl. ebd. 50 Vgl. Sydow 1992, S.97
A
D
F
E
B
C
17
Grenzen eines Unternehmens noch auszumachen, vor allem im Hinblick auf die ein-
fließenden Ressourcen, da in den einzelnen Unternehmen immer mehr externe Part-
ner bei der Entwicklung und Ausführung der Kernkompetenzen beteiligt sind. Somit
werden auch originäre Aufgaben und Prozesse berührt, die in der Vergangenheit aus-
schließlich im eigenen Unternehmen bearbeitet wurden und abgelaufen sind.51
2.2.4 Stellung der Partner in der Wertschöpfungskette
Waren oder auch Dienstleistungen durchlaufen bis in ihre endgültige Form, die dem
Kunden angeboten wird, bei arbeitsteiliger Vorgehensweise einen Wertschöpfungs-
prozess. Die einzelnen Kooperationspartner sind bestimmten Stufen innerhalb dieses
Prozesses zuzuordnen, in denen sie jeweils bestimmte Teile der Wertschöpfung ü-
bernehmen. Hierbei ist nun eine Zuordnung der einzelnen Partner hinsichtlich der
Wirtschaftsstufen in den möglichen Dimensionen der horizontalen, vertikalen und
lateralen Kooperationsrichtung wählbar. Diese Charakteristika sind die in der Litera-
tur zur Unterscheidung und Definierung von Kooperationen am meisten genutzten.52
2.2.4.1 Horizontale Kooperationen
Sind Kooperationspartner in der gleichen Branche und auf der gleichen Wirtschafts-
stufe beziehungsweise Wertschöpfungsebene aktiv, spricht man von horizontalen
Kooperationen. Hier besteht die Möglichkeit, Kooperationen zwischen direkten
Konkurrenten zu vereinbaren, um die eigene Machtposition auf dem Markt gegen-
über Kunden und Lieferanten zu erhöhen, aber auch gegenüber mächtigeren Wett-
bewerbern zu bestehen. Weitere Möglichkeiten bestehen im gemeinsamen Durchfüh-
ren und der Koordination bestimmter Vorhaben.53
Es werden Aktivitäten der Wertschöpfung auf der gleichen Stufe miteinander ver-
bunden, damit die vorhandenen Stärken und spezifische Fähigkeiten des Einzelnen
forciert und verbessert sowie Schwächen kompensiert werden. Somit spricht man
von Zusammenarbeit auf spezifischen Geschäftsfeldern, die Aktivitäten ähnlicher Art
angleichen sollen, aber keine komplementärer Natur.54
51 Vgl. Morschett 2005, S.392 52 Vgl. ebd. 53 Vgl. Kilich, Stephan: Formen der Unternehmenskooperation. In: Netzwerkmanagement – Mit Ko-operation zum Unternehmenserfolg – Becker, Thomas/ Dammer, Ingo/ Howaldt, Jürgen/ Kilich, Stephan/ Loose, Achim (Hrsg.), Heidelberg 2007, S.18 54 Vgl. Morschett 2005, S.392
18
Bei Kooperationspartnern, vor allem im Dienstleistungssektor, muss beachtet wer-
den, dass eine latente Gefahr besteht, den Schutz der eigenen Kernkompetenzen nicht
gewährleisten zu können und somit nur die jeweiligen Partner aus der Zusammenar-
beit gewinnen und ein Ungleichgewicht entsteht. Wenn die Wahrscheinlichkeit die-
ser Gefahr vorhersehbar ist, werden Kooperationen möglicherweise nicht verein-
bart.55
2.2.4.2 Vertikale Kooperationen
Als vertikale Kooperationen werden Unternehmenszusammenschlüsse bezeichnet, an
denen die einzelnen beteiligten Partner sich in aufeinander folgenden Wertschöp-
fungsstufen befinden. In dieser Form fokussieren sich die Partner auf Koordinaten in
der Wertschöpfungskette, in denen sie mit ihren speziellen Kernkompetenzen die
besten Ergebnisse für das Gesamtprodukt erzielen können. Weitere Aktivitäten, die
den eigenen Kernkompetenzen fern oder komplementär sind, werden ausgelagert und
an Partner vergeben, deren spezifische Fähigkeiten passend sind.56
Im Dienstleistungssektor sind vertikale Kooperationen nicht so häufig anzutreffen,
wie im industriellen Sektor. Die meisten Dienstleistungsunternehmen setzen ihre
Leistungen ohne Absatzmittler ab, da diese die Qualitätsstandards nicht im gleichen
Maße erhalten können.57
2.2.4.3 Laterale Kooperationen
Laterale oder auch diagonale Kooperationen werden zwischen Unternehmen gebil-
det, die differierenden Branchen angehören.58 Zudem können sich beteiligte Unter-
nehmen auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette befinden oder nur zur
Teilung von Kosten kooperieren, indem sie erworbene Ressourcen für die Produktion
ihrer Erzeugnisse für unterschiedliche Märkte nutzen.59
Laterale Kooperationen können für den Kunden von hohem Nutzen sein, da durch
Kooperationen Möglichkeiten entstehen, komplette Systemlösungen anzubieten.
Weiterhin ist es möglich den Kunden zu binden, indem die kooperierenden Unter-
55 Vgl. Bruhn, Manfred: Kooperation im Dienstleistungssektor. In: Kooperationen, Allianzen und Netzwerke – Grundlagen – Ansätze – Perspektiven – Zentes, Joachim/ Swoboda, Bernhard/ Morschett, Dirk(Hrsg.), Wiesbaden 2005, S.1290 56 Vgl. Morschett 2005, S.393 57 Vgl. Bruhn 2005, S.1291 58 Vgl. Kilich 2007, S.19 59 Vgl. ebd.
19
nehmen Programme einrichten, die die Kundenbindung an alle im Kooperationssys-
tem beteiligten Partner stützt, wie es beispielsweise „Payback“ tut.60
2.2.5 Zeitfaktor
Auch die Dimension der Zeit ist ein wichtiges Kriterium bei der Typologisierung von
Kooperationen. Abhängig ist die Dauer der Kooperation von der Zieldefinition oder
auch von jenem Zeitraum, in dem der angestrebte Wettbewerbsvorteil erreicht wer-
den kann. Es kann zwischen drei verschiedenen Zeitdimensionen differenziert wer-
den: befristete, unbefristete und auf Dauer ausgerichtete. Befristete Kooperationen
sind meist auf zeitlich begrenzte Projekte ausgerichtet, nach deren Beendigung auch
die Kooperation beendet wird.61
Ein Großteil der Kooperationen, wie sie idealtypisch in der Literatur definiert wer-
den, beruht auf einem Bestehen in langfristigen Zeiträumen. Dies betrifft oft die Sta-
bilität und Ausrichtung über größere Zeiträume. Ebenso wird aber die Flexibilität
innerhalb der Kooperationen angesprochen, die als ein Vorteil gegenüber Organisati-
onsformen mit hierarchischem Charakter angeführt wird. Diese stellt sich am wir-
kungsvollsten in der ersten Phase der Existenz einer Kooperation dar, könnte aber
durch die gewohnten Erfahrungen aus hierarchischen Organisationen überlagert wer-
den. Somit können auch kurze Phasen der Zusammenarbeit einen positiven Effekt
auf Partner innerhalb einer Kooperation erzielen.62
Weiterhin besteht die Meinung, dass zeitlich begrenzte Kooperationen risikobehaftet
sein können, weil der einzelne Partner nur noch nach kurzfristigem Erfolg strebt und
schnell wieder abzuspringen droht.63 Gegen ein kurzfristiges Engagement spricht
auch, dass das Management koordinationserleichternde Effekte, die bei einer lang-
fristigen Zusammenarbeit entstehen, nicht nutzen kann.64 Bei Kooperationen, die
unabhängig vom Zeitraum und auch langfristig geplant sind, wäre es hingegen fatal
für Unternehmen, sich opportunistisch gegenüber Kooperationspartner zu verhalten,
da der Schaden des Partnerunternehmens Auswirkungen auf die eigene Zukunft ha-
ben kann.65
60 Vgl. Bruhn 2005, S.1292 61 Vgl. Morschett 2005, S.395 62 Vgl. ebd. 63 Vgl. Kilich 2007, S.20 64 Vgl. Sydow 1992, S.286 65 Vgl. Kilich 2007, S.20
20
2.3 Grenzen und Probleme von Kooperationen
Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erzeugt Kooperationen mit einem teil-
weise hohen Grad an Risiko und Fragilität, die in einer Lage der Abhängigkeit von-
einander zu einem hohen Konfliktpotential und Interdependenzen führen kann.
Die folgenden Punkte sollen Problemfelder und Herausforderungen bei der Bildung
und Durchführung unternehmerischer Kooperationen darstellen.
2.3.1 Strategische Abhängigkeit
Einerseits sind Kooperationen in vielerlei Hinsicht gewinnbringend für die einzelnen
Partner. Man betrachte beispielsweise die Konzentration auf die eigenen Kernkom-
petenzen oder auch den freien Zugang zu externen Ressourcen. Gleichzeitig können
diese Umstände aber ebenso zu einer Abhängigkeit von den an der Kooperation teil-
nehmenden Partnern führen. Wenn externe Partner in den Arbeitsablauf und der Pro-
duktion bestimmter Produkte oder Dienstleistungen integriert werden, sind die be-
troffenen Unternehmen abhängig von deren Leistungsfähigkeit, ihrer Bereitschaft zur
Kooperation und ihrer Zuverlässigkeit. Durch diese Szenarien der Abhängigkeit er-
höht sich das Risiko einer gewählten kooperativen Unternehmung im Hinblick auf
die Möglichkeit des Scheiterns.66 Aus diesen Gründen ist es von Vorteil, Vereinba-
rungen über Steuerung, Planung und das Abstimmen von Arbeitsprozessen zu be-
schließen, die einerseits das Verhalten unterstützen und regeln, welches der Koopera-
tion förderlich ist, und andererseits mögliches kooperationshemmendes Verhalten
abwägen und steuern können.67
2.3.2 Zwischenbetriebliche Interdependenz
Eine weitere zu diskutierende Problematik ist die Interdependenz zwischen den be-
teiligten Unternehmen einer Kooperation. Durch die Vernetzung der Tätigkeiten in-
nerhalb der Kooperation wird eine wechselseitige Integration gefördert. Somit hat
jede Handlung des einen Partners Auswirkung auf die Handlungen des anderen und
umgekehrt. Daher haben das eigene Handeln und dessen Ergebnis großen Einfluss
auf Handlungen der anderen Partner im Produktionsprozess innerhalb der Kooperati-
on. Um dieser Problematik Herr zu werden, bedarf es eines guten Managements der
Kooperation. Die Schwierigkeit besteht darin, die einzelnen Partner und ihre
Fähigkeiten, Ressourcen usw. zu einem ganzheitlichen System, welches von 66 Vgl. Riemer 2005, S.18 67 Vgl. Kilich 2007, S.22
21
keiten, Ressourcen usw. zu einem ganzheitlichen System, welches von gegenseitigen
Abhängigkeiten geprägt ist, zu formen. Das Resultat ist ein äußerst komplexes, auf
wechselseitiger Abstimmung und hohem kooperativem Verhalten basierendes Gebil-
de. 68
2.3.3 Divergente Zielsysteme der Kooperationspartner
Weiteres Konfliktpotenzial bergen unterschiedliche Zielsetzungen innerhalb der Ko-
operationen bei den einzelnen beteiligten Partnern. Dadurch, dass nicht alle mögli-
chen Eventualitäten durch (vertragliche) Vereinbarungen innerhalb einer Kooperati-
on abgedeckt werden können, besteht das Risiko, dass beteiligte Unternehmen nach
Erreichung ihres, für sich selbst gesetzten Ziels innerhalb der Kooperation, diese
vorzeitig verlassen, obwohl weitere Aktivitäten geplant sind.69 Zudem können Kon-
flikte entstehen, wenn Ziele des einen Partners die des anderen behindern oder beein-
trächtigen. Hierbei wird in der Literatur zwischen drei verschiedenen Szenarien un-
terschieden. Erstens können die beteiligten Unternehmen differierende Ansichten
und Vorstellungen über die gemeinsame Kooperation besitzen. Dann besteht die
Möglichkeit, dass die Partner neben den ausgehandelten auch eigene Ziele verfolgen
und diese außerhalb der Kooperation anstreben. Als dritte Option können verdeckte
Ziele einzelner Partner angeführt werden. Hier handelt es sich um Ziele, die gegebe-
nenfalls zu Lasten der anderen Partner gehen.
Zusammenfassend muss betont werden, dass die Problematik der Verfolgung von
Individualzielen gegenüber den eigentlichen Kooperationszielen einen grundsätzli-
chen Konflikt darstellt. Bei Bildung von Kooperationen muss immer wieder beachtet
werden, dass diese Zusammenschlüsse von Unternehmen rein kommerzielle Interes-
sen zur Grundlage haben. Auch diese Problematik ist vom Management der Koope-
ration zu lösen, da individuelle, wenn nicht sogar für andere schädliche Ziele der
Gesamtunternehmung der Kooperation schaden, wenn nicht sogar zu ihrem Scheitern
führen können.70
68 Vgl. Riemer 2005, S.19 69 Vgl. Kilich 2007, S.22 70 Vgl. Riemer 2005, S.19
22
3. Systemtheoretische Ansätze
Im vorherigen Abschnitt wurde erläutert, dass die Wahrnehmung der Umwelt, sowie
die Verortung der jeweiligen Akteure in dieser Umwelt wesentliche Bestandteile und
Vorraussetzungen zur Bildung von Kooperationen aus betriebswirtschaftlicher Per-
spektive sind.
Um das Verhältnis zwischen Umwelt und Bibliothek als sozialem System zu erläu-
tern, wird im Folgenden die Systemtheorie als ein weiteres Werkzeug zur Analyse
möglicher und nötiger Kooperationen im Bibliothekswesen herangezogen.
Dieser Abschnitt soll, aufgrund der Komplexität der Systemtheorie, nur einige grund-
sätzliche, für diese Arbeit relevante und wichtige Annahmen der Theorie beinhalten.
Als Basis ist der funktional-strukturelle Ansatz Niklas Luhmanns gewählt worden.
Für die Beschreibung der Steuerung komplexer sozialer Systeme wurden Helmut
Willkes Ausführungen herangezogen.
3.1 Die Ausgangslage der Systemtheorie
Die Basis jeder systemtheoretischen Betrachtung ist das wechselseitige Verhältnis
zwischen Umwelt und System:
Als Ausgangspunkt jeder systemtheoretischen Analyse hat, […], die Differenz von System und
Umwelt zu dienen. Systeme sind nicht nur gelegentlich und adaptiv, sie sind strukturell an ihrer
Umwelt orientiert und können ohne Umwelt nicht bestehen. Sie konstituieren und sie erhalten
sich durch Erzeugung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt, und sie benutzen ihre Grenzen
zur Regulierung dieser Differenz.71
Das System entwickelt sich durch eine Abgrenzung zur Umwelt. Die Umwelt formt
sich relativ zum System: „Die Umwelt erhält ihre Einheit erst durch das System und
nur relativ zum System.“72
Es darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass das System, aufgrund seiner Gren-
zen ohne Kontakt zur Umwelt besteht. Das System steht über viele Wege in Bezie-
hung zur Umwelt. Der Begriff der Grenze erklärt sich folgendermaßen:
Der Sinn von Grenzen liegt in der Begrenzung von Sinn. Nicht alles, was in der Welt passiert,
nicht alle Ereignisse, Informationen und Zustände können von sozialen Systemen berücksich-
tigt werden. Gegenüber einer komplexen Umwelt müssen Sozialsysteme ihre Aufmerksamkeit,
ihre Zeit und Energie auf das systemspezifisch Sinnvolle begrenzen.73
71 Luhmann, Niklas: Soziale Systeme – Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984. S.35 72 Vgl. ebd., S.36 73 Willke, Helmut: Systemtheorie I, Grundlagen, Stuttgart 1996, S.46
23
3.2 Der Sinn
Fundamentaler Punkt in der systemtheoretischen Auffassung, auf den die sozialen
Systeme und ihre symbolischen Grenzen aufgebaut sind, ist der Sinn.
Der Sinn eines sozialen Systems gründet sich auf der gesamten Soziologie der betref-
fenden Organisation, also auf Normen und Werten, Kultur und allen anderen Struktu-
ren die durch die Organisation und ihre Mitglieder geprägt werden. Die Steuerung des
Handelns der sozialen Systeme wird durch die Einteilung in sinnvolle und sinnlose
Operationen gelenkt. Es wird ein internes Handlungsschema erstellt. Durch dieses
wird eine Abgrenzung zur Umwelt konstituiert. Es wird festgelegt, was von außen ins
System gelangen soll, und die eigenen Entscheidungsstrukturen und mögliche Sub-
systeme werden definiert. Soziale Systeme und ihre Akteure sind somit einerseits
sinnkonstituierend und sinnkonstituiert.74
Der Sinn bildet zudem das Weltbild der jeweiligen Organisation und deren Akteure.
Auf Grundlage dieser Betrachtungsweise entsteht in einer Organisation ein Modell
oder Abbild der Außenwelt, differenziert zur Umwelt. Dies bedeutet, dass die Um-
welt nicht in ihrer gesamten Komplexität abgebildet, sondern auf systemrelevante und
an den Sinn bisheriger Kommunikation angepasste Bestandteile reduziert wird. Die
Identität eines sozialen Systems gründet und wandelt sich mit der Reflexion und Dis-
kussion dieses Weltbildes, der Differenz zwischen Innen und Außen.75
3.3 Das vernetzte Denken
Ein weiteres Merkmal der Systemtheorie ist das vernetzte Denken. Dieser Begriff
beschreibt das zusammenhängende und in wechselseitigen Beziehungen geführte
Denken. Ein System wird unterschieden in einzelne Teil- und Subsysteme. Diese Dif-
ferenzierung beschreibt Luhmann als eine „[…] Wiederholung der Differenz von Sys-
tem und Umwelt innerhalb von Systemen. Das Gesamtsystem benutzt dabei sich
selbst als Umwelt für eigene Teilsystembildungen[…]“76. Somit kann man von einer
Bildung verschiedener Schichten in Systemen sprechen.
Weiterhin ist es Luhmann in seiner Analyse wichtig, das System in einzelne Elemente
zerlegen zu können, die das System zur Herstellung von Beziehungen nutzt.77 Das
74 Vgl. ebd., S.41ff 75 Vgl. ebd., S.252 76 ebd., S.37 77 Vgl. ebd., S.41
24
System bildet sich aus diesen Elementen, jedoch werden die Elemente erst durch das
System als für das System relevante Einheiten geformt.78
Soziale Systeme bilden sich aus kontinuierlichen Kommunikationsprozessen, die für
Luhmann abstrakte Systemelemente darstellen.79 Neben den Kommunikationsprozes-
sen werden auch die Handlungen der Kommunizierenden als Systemelemente einge-
schlossen. Die Kommunizierenden, oder besser gesagt die kommunizierenden und
handelnden Personen im sozialen System, werden als eigene personale Systeme gese-
hen. Begründet wird dies damit, dass die Person nicht nur auf ihr Handeln und ihre
Kommunikation in der Rolle, die sie im bestimmten sozialen System einnimmt, redu-
ziert wird, sondern ihr gesamtes Handeln und ihre Persönlichkeit berücksichtigt wer-
den muss. Das Verhältnis zwischen Mensch und System wird als eine sich wechsel-
seitige Bedingtheit beschrieben.80
3.4 Komplexität und Kontingenz
Eine Grundproblematik der System-Umwelt-Beziehung ist die Komplexität der Um-
welt. Komplexität findet sich aber auch innerhalb des sozialen Systems.
Durch funktionale Differenzierung in modernen Gesellschaften bestehen diese aus
einer zunehmenden Zahl an sozialen Systemen. Die wachsende Anzahl dieser sozia-
len Systeme bewirkt eine Steigerung der Austauschbeziehungen, die die gegenseitige
Abhängigkeit und die Intensität der Vernetzung erhöhen. Die gesteigerte Komplexität
der Umwelt wird innerhalb der sozialen Systeme durch Subsysteme und Rollen be-
wältigt. Diese Komponenten verarbeiten die Umwelteffekte, einerseits zur Linderung
gefährlicher Einflüsse und andererseits zur Erkennung von positiven Handlungsmög-
lichkeiten für das System.81 Die getroffenen Entscheidungen haben aufgrund der
Komplexität der Umwelt und des Systems oftmals Folgen, die von der entscheiden-
den Instanz nicht überblickt werden können. Dabei muss beachtet werden, dass durch
jede Entscheidung oder Nicht-Entscheidung eine Modifikation des Systemzustands
herbeigeführt wird, da das System einen dynamischen Charakter besitzt. Demnach ist
die Frage der Entscheidungsfindung aufgrund schneller Veränderungen von Zeitdruck
geprägt, aber auch von tieferer Analyse aufgrund des Grades der Vernetzung. Somit
kann von einer komplexen Entscheidungsfindung gesprochen werden.
78 Vgl. ebd., S.42ff 79 Vgl. ebd. S.191ff 80 Vgl. Willke 1996, S.190ff 81 Vgl. ebd., S.86ff
25
Die Komplexität bildet ein Problemfeld für handelnde soziale Systeme und bedingt
sich wechselseitig mit der Kontingenz der sozialen Systeme und deren Akteure.
Luhmann beschreibt diese Situation wie folgt:
Systemdifferenzierung erzeugt kontingente Beziehungen zwischen Teilsystemen. Kontingenz
bedeutet bei dieser Ableitung aber nur: >Abbhängigkeit von…<. Diese Fassung des Kontin-
genzbegriffs können wir erweitern durch Rückgriff auf den allgemeinen modaltheoretischen
Begriff der Kontingenz, der das >Auch-anders-möglich-Sein< des Seienden bezeichnet und
durch die Negation von Unmöglichkeit und Notwendigkeit definiert werden kann.82
Mit dem Begriff beschreibt er eine Situation in der auf der einen Seite die Freiheit des
Handelns durch die sozialen Systeme und ihrer Akteure aufzeigt wird, gleichzeitig
aber die Ungewissheit und Unberechenbarkeit des Handelns aller anderen Systeme
feststellt wird. Die Folge ist ein hoher Schwierigkeitsgrad der Einschätzung des Ver-
haltens aller anderen Akteure.83 Die Kontingenz der anderen sozialen Systeme und
deren Akteure führt daraus folgend zu einer Erweiterung der Komplexität der Umwelt
eines sozialen Systems.
Aus Komplexität und Kontingenz folgt für jeden Akteur eine große Anzahl von
Handlungsmöglichkeiten. Dies führt aufgrund der schwer einzuschätzenden Wahl der
möglichen richtigen oder falschen Alternative zu Konflikten beim Treffen von Ent-
scheidungen. Willke beschreibt dies als eine aus dem natürlichen Zustand des sozia-
len Systems entstehende Situation.84
3.5 Theorie der autopoietischen, selbstreferentiellen sozialen
Systeme
Die Theorie der sozialen Systeme wird von Luhmann auch als eine Theorie autopoie-
tischer, selbstreferentieller Sozialsysteme verstanden. Dies bedeutet, dass soziale Sys-
teme in der Lage sind, sich selbst zu erneuern und zu reproduzieren. In dieser Auto-
poiesis wird auf Basis der eigenen Operationslogik entschieden, welche Elemente
dem System zugehörig sind und welche nicht. Soziale Systeme sind somit einerseits
von der der eigenen, inneren Operationslogik und auf der anderen Seite von der be-
stehenden Umwelt abhängig.85
82 Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung, Opladen 1975, S.171 83 Vgl. Luhmann 1984, S.171ff 84 Vgl. Willke 1996, S.33 85 Vgl. Luhmann 1984, S.63
26
Die Selbstreferenz eines sozialen Systems bedeutet, dass Kommunikationsprozesse
sich nur scheinbar direkt auf die Umwelt beziehen, tatsächlich aber auf sich selbst
bzw. auf die nach der eigenen Operationslogik wahrgenommene Umwelt bezogen
sind, da das System nur in der eigenen Syntax und Semantik fähig ist zu kommunizie-
ren. Die durch Kommunikation geschaffenen Normen und Werte können demnach
nur durch die Filterung der oben genannten Operationslogik eines Systems verändert
werden. Also werden Handlungsoptionen nur in dem Maße angenommen, indem sie
auch in die eigene Operationslogik des sozialen Systems integriert werden können.
Dieses Konzept autopoietischer, selbstreferentieller Systeme beinhaltet aber nicht
eine absolute Geschlossenheit auf der operativen Ebene und einen damit verbundenen
statischen Zustand der Systeme.86 Es besteht die Möglichkeit unter bestimmten Vor-
aussetzungen Entwicklungsanstöße, intern wie extern, bedingt durch die Differenz
zwischen System und Umwelt, zu verarbeiten. Systemexterne Ursachen können bei-
spielsweise veränderte Wertvorstellungen in der Umwelt sein. Systeminterne Ursa-
chen können Veränderungen von Elementen des Systems sein, die dann aufgrund der
Wechselwirkung der Elemente, Auswirkungen auf andere Elemente zur Folge haben.
3.6 Steuerungsmodelle für komplexe soziale Systeme
Ein wichtiger Aspekt ist die Steuerung eines komplexen sozialen Systems, beispiels-
weise einer Kooperation zwischen zwei oder mehreren Partnern.
Hierbei sollte immer betrachtet werden, wie sie aufgebaut sind und welchen Umfang
die zu bewältigenden Aufgaben haben. Zudem muss der Aufbau der Steuerungs- und
der Aufgabenstruktur eruiert werden.
Das hierarchische Steuerungsprinzip kann genutzt werden, „wenn die zu bearbeiten-
den Probleme die Form einfacher (binärer) logischer Konditionalsequenzen aufwei-
sen und sich deshalb arbeitsteilig in einzelne Schritte aufteilen und in den Teillösun-
gen auch wieder zu einer Gesamtlösung des Problems zusammensetzen lassen.“87 Ist
dies der Fall, ist eine Übereinstimmung der Aufgaben- und der Steuerungsstruktur
möglich.88 Die Vorteile der hierarchischen Steuerungsform sind „[…] Effektivität und
Effizienz kooperativer Aufgabenbewältigung“89.
86 Vgl. ebd., S.602ff 87 Willke, Helmut: Systemtheorie III – Steuerungstheorie, Stuttgart 1998, S.68 88 Vgl. Abbildung 6 89 Willke 1998, S.64
27
Abbildung 6: Übereinstimmung von Aufgaben- und Sozialstruktur90
In der obigen Konstellation wäre ein hierarchisches Steuerungsprinzip möglich. Ge-
rade aber wenn zwischen Teilaufgaben und deren Lösungen auf verschiedenen Ebe-
nen laterale Beziehungen vorherrschen, Koordinationen auf unterschiedlichen Ebenen
existieren und Autonomien in bestimmten Bereichen der Entscheidung anzutreffen
sind, ist es unmöglich hierarchische Steuerung für die Lenkung einer Kooperation zu
nutzen.91 Die Wahrscheinlichkeit solcher Umstände ist in größeren Netzwerken mit
diversen Komplexaufgaben potentiell hoch. Ein solches ist in der Abbildung 7 zu
sehen.
90 Vgl. ebd., S.68 91 Vgl. ebd., S.70
Aufgabenstruktur (Teilaufgaben) Sozialstruktur
(Subsysteme, Personen, usw.)
28
Abbildung 7: Nicht-Übereinstimmung von Aufgaben- und Sozialstruktur92
Unter solchen Umständen müssen Alternativsysteme zur Hierarchie gewählt werden.
Bei möglichen Alternativen stehen Aufgaben in ihren Unterschieden sowie die Auf-
gabenverteilungen im Mittelpunkt.
Der Grundgedanke ist, dass es sich um Kollektivaufgaben handelt, die die durch eine
Kooperation gelöst werden. Es wird die Frage aufgeworfen, wie die Aufgaben auf die
einzelnen Subsysteme oder Personen verteilt werden und in welcher Weise sie ihren
Anteil erfüllen. Hierfür bieten sich drei Basiskonstellationen an:
• eine Person/ Subsystem – eine Aufgabe
• jede Person/ Subsystem – jede Aufgabe
• jede Person/ Subsystem – überlappende Aufgaben93
Bei der ersten Konstellation übernimmt jeder Teil in der Sozialstruktur eine abspalt-
bare Teilaufgabe, für die die Person oder das Subsystem qualifiziert und spezialisiert
ist. Die Teilaufgaben werden über die Hierarchie zur Gesamtlösung zusammenge-
führt. Kein einzelner Teil der Sozialstruktur kann die Gesamtaufgabe allein bewälti-
gen und auch nicht deren Teile und Details erfassen. Bei dieser Konstellation sind
92 Vgl. Willke 1998, S.71 93 Vgl. ebd., S.79-81
Sozialstruktur (Subsysteme, Personen, usw.)
Aufgabenstruktur (Teilaufgaben)
29
somit die Zusammenarbeit zahlreicher Spezialisten, sowie die Koordination der er-
brachten Lösungen zur Erledigung der Gesamtaufgabe von Bedeutung. 94
Abbildung 8: Konstellation „Eine Person – eine Aufgabe“95
Die zweite mögliche Konstellation – jede Person – jede Aufgabe – stellt die Fähigkeit
der Kompetenz jedes Gliedes in der Sozialstruktur fest. Dies bedeutet, dass Aufgaben
von mehreren Personen oder Subsystemen gemeinsam bearbeitet werden, bei denen
jeder jedes Segment der Aufgabe verrichten kann.96 Willke stellt heraus, das sich die-
se Form der Organisation im Gegensatz zur hierarchischen Form, in der hohe Ver-
bindlichkeiten dominant sind, als sehr viel flexibler darstellt. Vor allem wird den ein-
zelnen Gliedern der Sozialstruktur mehr Eigeninitiative und Autonomie zugestan-
den.97 Kritisch muss man sehen, dass gänzlich ohne Hierarchien in den Subsystemen
kooperativ und Ergebnis orientiert gearbeitet werden muss, was keine erwartungsge-
mäßen Fähigkeiten sind und deshalb zu Konflikten führen kann.
94 Vgl. ebd., S.79-80 95 Vgl. ebd., S.79 96 Vgl. Abbildung 8. Siehe: Willke 1998, S.80 97 Vgl. ebd., S.80
30
Abbildung 9: Konstellation „jede Person – jede Aufgabe“98
Die dritte Konstellation stellt sich in der Form einer Matrix-Organisation dar. Die
Qualifikationen der Systemglieder sind weder auf eine einzige Aufgabe beschränkt,
noch besitzen sie alle erforderlichen Qualifikationen um jede Aufgabe zu bewältigen.
Es wird von überlappenden Qualifikationen gesprochen, die befähigen, mehrere Teil-
aufgaben zu lösen. Der Vorteil ist in diesem Fall der variable und Einsatz der einzel-
nen Subsysteme und ihrer Einsatzgebiete. Es kann auf aufkommende Situationen fle-
xibel reagiert werden und Qualifikationen für bestimmte Aufgaben können zusam-
mengefasst werden.99
Abbildung 10: Konstellation „jede Person – überlappende Aufgaben“100 98 Siehe: Willke 1998, S.81 99 Vgl. ebenda, S.81 100 Siehe: Willke 1998, S.82
31
Die drei vorgestellten Modelle sind als Basismodelle zu verstehen. Es existieren di-
verse weitere Facetten von kooperativen Organisationsformen. Vor allem unter dem
verschärften Wettbewerbsdruck werden die Basismodelle in neuen Entwicklungen
kombiniert und erweitert.
Das hierarchische Organisationsmodell wird durch das Aufkommen immer komple-
xer werdender Umweltbedingungen den Problemen bei der Lösung von Aufgaben
immer weniger gerecht. Der Aufwand und die Kosten für einen fehlerfreien Betrieb
der Kommunikation in der hierarchischen Ordnung steigen in einem solchen Maße,
dass es für Unternehmen günstiger ist neue Organisationsmodelle und -formen zu
nutzen, als in komplexen Systemen weiterhin an alten hierarchischen Formen festzu-
halten.101
Die wachsende Komplexität lässt sich in sechs Dimensionen festmachen. Die sachli-
che Dimension bezieht sich auf die Komplexität der genutzten und hergestellten Pro-
dukte. Einzelne Personen oder Systeme können allein solche Gegenstände nicht mehr
herstellen. Die Problematik zeigt sich dahingehend, dass
insbesondere weitverzweigte Hierarchien versuchen, die sachliche Komplexität ihrer Operatio-
nen durch immer monströsere Regelwerke aufzufangen, indem sie die Quantität ihrer Regeln
buchstäblich ins uferlose treiben – und sie müssen es nach der Logik der Hierarchie auch, weil
alles, was präzise beschrieben und vorgeschrieben werden kann, auch präzise und vorgeschrie-
ben wird, um die unlösbare Aufgabe der Kontrolle wenigstens scheinbar zu lösen.102
Die soziale Dimension macht aus, dass für die Lösung von Aufgaben immer mehr
soziale Systeme oder Menschen mit speziellen benötigten Kompetenzen zusammen-
arbeiten und die aufkommende Kommunikation und Interaktion ansteigt.
Die zeitliche Dimension definiert die eigene Zeitlichkeit jedes sozialen Systems.
Somit werden komplexe Aufgabenstellungen mit der Beteiligung einer großen An-
zahl von sozialen Systemen nur in flexiblen Organisationsformen zu lösen sein, da
hierarchische Formen der Dynamik der Zeit und der Koordination der Zeitfenster
einzelner sozialer Systeme nicht gerecht werden kann.103
Die räumliche Dimension ist anhand von globalisierten Produktionsprozessen am
besten zu erklären. Bei diesen muss eine Koordination von der globalisierten bis zur
regionalen Ebene erbracht werden.104
101 Vgl. ebd., S.81 102 ebd., S.82 103 Vgl. ebd., S.83 104 Vgl. ebd., S.84
32
In der operativen Dimension spielt die schon weiter oben besprochene Kontingenz
eine Rolle. Die gesteigerte Komplexität lässt Akteure in ihren Handlungsstrategien
immer unberechenbarer werden. Das Auffangen von Unsicherheit und Risiken auf-
grund dieser Handlungsstrategien nimmt immer mehr Ressourcen in Anspruch.105
Die sechste und letzte Dimension ist die kognitive Dimension. Hier wird der Anstieg
des erforderlichen Wissens für Entscheidungen, Handlungen usw. sowie die Abhän-
gigkeit vom Wissen anderer angesprochen. Vor allem unabhängiges Wissen nimmt
eine wichtige Bedeutung ein. Dies bedeutet, dass kein Einfluss auf die Aneignung in
Umfang und Tiefe des Wissens besteht:
Bereits gedruckte Bücher machen sich von ihren Autorinnen und Lesern unabhängig, weil kein
Autor kontrollieren kann, was seine Leser „verstehen“ werden, und jeder Leser etwas anderes
liest. Bücher kumulieren das in ihnen festgehaltene Wissen in labyrinthische Bibliotheken. Sie
machen dieses Wissen von den zeitlich/räumlich/sozialen Beschränkungen direkter mündlicher
Kommunikation unabhängig und steigern so die Möglichkeiten überraschender Verwendungen
des Wissens.106
Nach Betrachtung dieser sechs Dimensionen, ist es unausweichlich bei komplexen
Aufgabenlösungen aufgrund der sich immer weiter entwickelnden komplexen Um-
welt, neue Organisationsformen zu entwickeln und aufgrund des oftmals stark stati-
schen Charakters der hierarchischen Formen immer mehr Abstand von diesen zu
nehmen.
105 Vgl. ebd., S.84-85 106ebd., S.85
33
4. Kooperationsformen im deutschen Bibliothekswesen
Kooperative Arbeit im deutschen Bibliothekswesen erlebte seit Beginn des 20. Jahr-
hunderts einen enormen Anstieg. Anlass für diese Entwicklung war der enorme An-
stieg der Buchproduktion im 19. Jahrhundert. Die Bibliotheken traf dies völlig un-
vorbereitet.107 Man versuchte anfangs weiterhin die Bibliotheken, oder deren Be-
stand, zu komplettieren, also einen universalen Ansatz anzustreben. Doch man er-
kannte bald, dass eine universale, systematisch aufgestellte Sammlung nicht mehr
zeitgemäß war und den Bedürfnissen der Wissenschaft nicht gerecht werden konn-
te.108 Es begann eine Phase der Ausbreitung in den Segmenten Instituts- und Univer-
sitätsbibliotheken. Dieser Zustand ist bis heute als zweischichtiges Bibliothekssystem
in Deutschland vorherrschend.109 Es gab nur geringfügige Formen der Zusammenar-
beit zwischen diesen einzelnen Bibliotheken.
Ab dem Jahr 1882 setzte jedoch Friedrich Althoff neue Impulse für kooperative Ar-
beit im deutschen Bibliothekswesen. Er brachte zahlreiche und zukunftsträchtige
Initiativen auf den Weg, die noch heute im Bibliothekswesen als Ergebnisse seines
Schaffens anzutreffen sind. Vor allem die Aufnahme des humboldtschen Organis-
mus-Gedankens und dessen Übertragung auf die preußischen Bibliotheken prägten
sein Handeln. Dieser Gedanke favorisierte eine koordinierte Zusammenarbeit statt
isoliert arbeitender Segmente innerhalb des Bibliothekswesens.110 Gründe und Vor-
aussetzungen für weitere Impulse waren neue Kommunikationsmöglichkeiten, wie
das Phänomen Telegrafie aber auch die Transportmöglichkeiten durch die Eisen-
bahn, die einen größeren Umfang des Kontakts und des Austausches ermöglichten.
Zudem entstand ein höherer Leistungsdruck durch die staatliche Verwaltung, die
mehr Leistung bei gleichzeitiger Kostensenkung und größerer Ausschöpfung der
Kapazitäten forderte. Dies erfolgte zu einer Zeit, in der das Bibliothekswesen ohne-
hin vielfältigen Herausforderungen und Entwicklungen in Gesellschaft, Wissenschaft
und Wirtschaft zu begegnen hatte. Althoff verstand es, auf verschiedenen Ebenen des
Bibliothekswesens kooperative Arbeitsweisen einzuführen. Wir werden dies bei der
Darstellung der einzelnen Kooperationsebenen nachvollziehen.
Nach den wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge des Ersten Weltkriegs und den
immensen Bestandsverlusten nach dem Zweiten Weltkrieg sah sich das Bibliotheks-
107 Vgl. Jochum, Uwe: Kleine Bibliotheksgeschichte, Stuttgart 2007, S.134. 108 Vgl. ebd., S.136 109 Vgl. ebd., S.138 110 Vgl. Schmitz, Wolfgang: Deutsche Bibliotheksgeschichte, Bern 1984, S.123
34
wesen geradezu genötigt, weitere Wege der Kooperation gehen zu müssen, um sei-
nem Auftrag der Literatur- und Informationsversorgung nachzukommen.
Die Grundlage für die weitere Entwicklung der Bibliothekskooperation nach dem
Zweiten Weltkrieg legte 1964 der Wissenschaftsrat mit der „Empfehlung zum Aus-
bau der wissenschaftlichen Bibliotheken“.111 Er beschäftigte sich mit der grundsätz-
lichen Strukturierung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens einerseits, und gab
andererseits Empfehlungen für einzelne Bibliotheken sowie Etatmodelle für Hoch-
schulbibliotheken.
Die tatsächlich wegweisende und für das gesamte Bibliothekswesen geltende Innova-
tion war der Bibliotheksplan 1973. Dieser Plan kann als Meilenstein in der Geschich-
te des deutschen Bibliothekswesens bezeichnet werden. Nicht umsonst wird dieser
Plan häufig als „Magna Charta“ des deutschen Bibliothekswesens bezeichnet.112 Im
durch die Deutsche Bibliothekskonferenz erstellten Plan wurde erkannt, dass nur
durch „[…]ein alle Bibliothekseinheiten und -typen umfassendes Netz mit Durchläs-
sigkeit zum Dokumentationswesen […] die volle Funktionsfähigkeit der Bibliothe-
ken“113 gesichert werden kann. Man stellte fest, dass „die ständig steigenden Anfor-
derungen auf allen Gebieten der allgemeinen Bildung, der beruflichen Aus- und
Fortbildung, der Forschung und Lehre […] eine ununterbrochene Weiterbildung
zwingend notwendig“114 macht. Diese Anforderungen
können nur erfüllt werden, wenn Literatur aller Art, die auch in Zukunft Grundlage des Ler-
nens sein wird, und Informationsmittel für jedermann an jedem Ort erreichbar sind. Grenzen,
die hierbei von der Zweckbestimmung einer einzelnen Bibliothek gesetzt werden, sind durch
die Kooperation aller bibliothekarischen Einrichtungen unter Einschluß technischer Mittel zu
überwinden.115
Man kam also zur Einsicht, dass nur ein Netz aller Bibliotheken, der wissenschaftli-
chen wie der öffentlichen, die Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Bevöl-
kerung in der Zukunft leisten konnte. Die traditionelle Trennung zwischen öffentli-
chen und wissenschaftlichen Bereich wurde somit gelockert.
111 Vgl. Seefeldt, Jürgen/ Syré, Ludger: Portale zu Vergangenheit und Zukunft – Bibliotheken in Deutschland, Hildesheim 2003, S.79 112 Vgl. Plassmann, Engelbert/ Seefeldt, Jürgen: Das Bibliothekswesen der Bundesrepublik Deutsch-land – Ein Handbuch, Wiesbaden 1999, S.206 113 Deutsche Bibliothekskonferenz: Bibliotheksplan 1973 – Entwurf eines umfassenden Bibliotheks-netzes für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1973, S.10 114 ebd., S.9 115 ebd., S.10
35
Das Netz gründete sich auf vier Stufen, die den abgestuften Bedarf in der Bevölke-
rung repräsentieren sollten:
1. Unmittelbare Deckung des wiederkehrenden Bedarfs (Grundversorgung)
2. höherer Bedarf auf allen Gebieten (gehobener Bedarf)
3. vollständige Bereitstellung wissenschaftlich relevanter deutschsprachiger
Monographien und kritische Auswahl ausländischer Literatur (speziali-
sierter Bedarf)
4. Bereitstellung von umfassenden Literaturbeständen aller Wissenschafts-
gebiete inklusiv hochspezieller Forschungsliteratur für die allgemeine ü-
berregionale Literatur- und Informationsversorgung, sowie dokumentari-
sches Material des In- und Auslands (hochspezialisierter Bedarf)116
1993 wurde dieses System den Gegebenheiten nach der deutschen Einheit angepasst
und als Bibliotheksplan ’93 neu definiert.117. Das Spartendenken in öffentlichen und
wissenschaftlichen Bereich sollte nun der Vergangenheit angehören.118
Kritisch betrachtet wurden die Wirkung nach Außen in die Gesellschaft sowie der
geringe Druck auf die Politik. Letzteres lag vor allem an der Nichtbeteiligung politi-
scher Entscheidungsträger an den Bibliotheksplänen ’73 und ’93. Zudem sei „[…]
der Plan jedoch zu eng konzipiert und vermischt in unklarer Weise Beschreibung
eines IST-Zustands, bibliothekspolitische Forderung und fachliche SOLL-Aussagen;
der übergreifende Aspekt der Integration in den Informationssektor fehlt.“119
4.1 Typologie
4.1.1 Interne Kooperation
Interne Kooperation wird hier als Zusammenarbeit innerhalb des Bibliothekswesens
und zwischen seinen Akteuren gesehen. In den folgenden Punkten ist es das Ziel, die
innerbibliothekarische Kooperation in ihren Facetten anhand von Beispielen darzu-
stellen. Diese Auswahl kann keinesfalls als vollständig im Sinne aller kooperativen
Aktivitäten, sondern muss als exemplarisch betrachtet werden. Es ist eine Auswahl
116 Vgl. Plassmann/ Seefeldt 1999, S.208 117 Vgl. Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland – Eine Einführung – Plassmann, Engelbert/ Rösch, Hermann/ Seefeldt, Jürgen/ Umlauf, Konrad, Wiesbaden 2006, S.107 118 Vgl. Plassmann/ Seefeldt 1999, S.207 119 Plassmann/ Rösch/ Seefeldt/ Umlauf 2006, S.108
36
aus der Vielfalt der Kooperationsformen, um die Bandbreite bibliothekarischer Zu-
sammenarbeit in Deutschland zu dokumentieren.
4.1.1.1 Sammlung/Bestandsaufbau
Als Vorläufer kooperativen Bestandsaufbaus kann die Maßnahme Friedrich Althoffs
von 1891 verstanden werden. In diesem Jahr wurde durch einen Erlass auf Betreiben
von Althoff verfügt, dass es Absprachen und Koordinierung bei Zeitschriftenabon-
nements und dem Erwerb teurer Werke zwischen Instituts- und Universitätsbiblio-
theken geben sollte. Diese Koordinierung sollte durch Gesamtkataloge der universi-
tären Bestände gefördert werden.120 Doch diese Initiative zeigte aufgrund fehlender
Zwangsmaßnahmen und dem fehlenden Willen der Beteiligten keinen großen Er-
folg.121
Eine weitere bibliothekarische Erfindung Althoffs, der deutsche Leihverkehr, wurde
zu einer Erfolgsgeschichte. Karl Dziatzko, Direktor der Universitätsbibliothek Göt-
tingen, empfahl Friedrich Althoff Sammelschwerpunkte festzulegen und gab den
Vorschlag, immer zwei räumlich nahe beieinander liegende Bibliotheken durch
Leihverkehr miteinander zu verbinden. Dies geschah dann beispielsweise bei den
Universitätsbibliotheken Göttingen und Marburg oder Bonn und Münster. 1910 kam
es zu Reformmaßnahmen des preußischen Leihverkehrs und es wurden alle Universi-
tätsbibliotheken eingegliedert, die auf diese Weise untereinander und miteinander
agierten. Weiterhin wurde die lange Diskussion um die Sammelschwerpunkte durch
die Einführung beendet. Man legte die Sammelschwerpunkte nach den vorhandenen
Beständen und der geographischen Lage fest, beispielsweise Münster als Schwer-
punkt für niederländische oder Kiel für nordische Literatur.122
Dieser Sondersammelgebietsplan wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die
DFG123 wieder aufgegriffen.124 Der neue Sondersammelgebietsplan sollte gewähr-
leisten, dass ausländische, wissenschaftlich relevante Literatur wenigstens mit einem
Exemplar in Deutschland verfügbar sei. Insgesamt sind über 40 wissenschaftliche
120 Vgl. Schmitz 1984, S.137 121 Vgl. ebd. 122 Vgl. ebd., S.169-170 123 In Fortsetzung der Tradition der vor dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1949 wiederaufgebaut worden. Ihr Auftrag ist die Wissenschaft in all ihren Bereichen zu fördern. Sie wird von Bund und Ländern finan-ziert. Bibliotheken spielen in dem Maße eine Rolle, da sie wichtige Infrastruktureinrichtungen für die Forschung darstellen. Deshalb werden wissenschaftliche Bibliotheken von der DFG gefördert. Vgl. www.dfg.de (Stand: 26.08.209) 124 Vgl. Seefeldt/ Syré 2003, S.82
37
Bibliotheken, von Staats- über Universitäts- und Spezialbibliotheken, in ein koopera-
tives System mit 120 Sammelschwerpunkten eingebunden. Diese definierten
Schwerpunkte können fachlicher wie regionaler Natur sein.125 Die großen Fachgebie-
te sind auf die drei zentralen Fachbibliotheken verteilt.126 Die weiteren Sammelge-
biete sind durch diverse Universitäts- und Spezialbibliotheken abgedeckt.
Seit 1998 wird durch die DFG das Programm der Virtuellen Fachbibliotheken finan-
ziert. Diese werden von den Bibliotheken geführt, die auch den passenden Sammel-
schwerpunkt tragen. Aufgabe ist es, den Zugang zu relevanten Internetquellen, sowie
anderen Dokumenten in digitaler Form und fachlichen Online-Katalogen bereitzu-
stellen. Der Aufbau der einzelnen Fachportale ist nach einer mittlerweile mehr als
achtjährigen Förderphase abgeschlossen. Einige Portale befinden sich noch in der
Projekt- oder Antragsphase.127 Jedoch sind durch das Ausbleiben der Fördermittel
unvermittelt Probleme der weiteren Finanzierung und Wartung sowie des Regelbe-
triebs und der innovativen Entwicklung und Einbettung neuer Technologien aufge-
kommen.128 Weiterhin wird auch Kritik hinsichtlich der Heterogenität der einzelnen
Virtuellen Fachbibliotheken geäußert. Durch deutliche Unterschiede im Erschei-
nungsbild und den einzelnen eingebetteten Modulen wird dem Nutzer kein leichter
Einstieg in verschiedene Virtuelle Fachbibliotheken gemacht.129 Gründe für diese
Unterschiede liegen vor allem im Nichtvorhandensein eines Masterplans mit Regeln
zum Aufbau der einzelnen Portale, was am Anfang der Förderung durch die DFG
nicht bedacht wurde.130
Um den Problemen der strukturellen Differenzen der Virtuellen Fachbibliotheken
Einhalt zu gebieten, wurden mehrere Instrumente zur Lösung entwickelt. Als Bei-
spiel kann Academic Link Share genannt werden. Dabei handelt es sich um ein
Werkzeug, welches zur Erschließung von Internetquellen im Verbund und als Wis-
125 Die Sammelschwerpunkte sind im Internet auf der Seite des Informationsdienstes WEBIS zu fin-den. Vgl. http://webis.sub.uni-hamburg.de/ (Stand: 26.08.2009) 126 Die ZB Med in Köln für das Fach Medizin, die TIB in Hannover für den Bereich Naturwissen-schaften sowie die ZBW in Kiel für die Wirtschaftswissenschaften 127 Vgl. Buck, Tobias: Gemeinsam oder einsam. Technische Innovation durch Kooperation beim Be-trieb Virtueller Fachbibliotheken. In: Kooperation versus Eigenprofil? 31. Arbeits- und Fortbildungs-tagung der ASpB e.V. Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband – Flitner, Ursula/ Warmbrunn, Jadwiga/ Warmbrunn, Jürgen (Hrsg.), Karlsruhe 2008, S.69 128 Vgl. ebd. 129 Vgl. ebd., S.75 130 Vgl. Pianos, Tamara: ViFaSys – Angebot und Nutzung der Fachportale im vascoda-Kontext. In: Kooperation versus Eigenprofil? 31. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB e.V. Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband – Flitner, Ursula/ Warmbrunn, Jadwiga/ Warmbrunn, Jürgen (Hrsg.), Karlsruhe 2008, S.301
38
sens- und Erfahrungsaustausch und für die Nachnutzung anderer Module der Virtuel-
len Fachbibliotheken eingesetzt wird.131
Um einen übersichtlichen und interdisziplinären Zugang für Wissenschaftler und
Studierende zu gewährleisten, sollen alle Virtuellen Fachbibliotheken über das ge-
meinsame Portal vascoda132 gebündelt werden. Auch hier gab und gibt es Schwie-
rigkeiten, weshalb für den weiteren Ausbau, beispielsweise von Personalisierungs-
diensten, eine weitere Förderung durch die DFG bewilligt wurde.133
Als Beispiel für die Kooperation im öffentlichen Bibliothekswesen im Bereich
Sammlung und Bestandsaufbau soll nun die Lektoratskooperation vorgestellt wer-
den. Die Lektoratskooperation existiert seit 1976. Ihre Aufgabe ist die Sichtung des
Medienmarkts mit seinen Neuerscheinungen. Es soll eine Auswahl derjenigen Me-
dien erfolgen, die für den Bereich der öffentlichen Bibliotheken relevant sind. Das
Ziel der Kooperation ist es, Mehrfacharbeit bei der Auswahl zu vermeiden. Sie „ver-
bindet die Vorteile einer dezentralen, praxisnahen Marktsichtung mit der Effizienz
eines zentral organisierten Besprechungssystems.“134
Beteiligte an der Lektoratskooperation sind der Deutsche Bibliotheksverband e.V.
(DBV)135 mit circa 70 Lektoren aus 60 Bibliotheken, der Berufsverband Information
Bibliothek e.V. (BIB).136 mit ungefähr 260 Rezensenten und die
ekz.bibliotheksservice GmbH137 als zentrale Koordinationsstelle mit einem mehrköp-
figen Lektorat.138 Die Rezensionen werden von der ekz als „Informationsdienste“
vertrieben und können von Bibliotheken abonniert werden. Sie sind in unterschiedli-
chen Abstufungen, abgestimmt auf die Größe der Bibliotheken, erhältlich.139 Diese
sind von vielfachem Nutzen für die öffentlichen Bibliotheken. Sie erhalten durch die
Informationsdienste Empfehlungen und Auskünfte für den Aufbau des eigenen Be-
standes und können zudem noch Fremdleistungen, wie Titelaufnahmen und Schlag-
131 Vgl. Meyer, Thorsten: Academic Link Share – Kooperative Erschließung von elektronischen Res-sourcen. In: Kooperation versus Eigenprofil? 31. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB e.V. Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband – Flitner, Ursula/ Warmbrunn, Jadwiga/ Warmbrunn, Jürgen (Hrsg.), Karlsruhe 2008, S.250-251 132 Vgl. www.vascoda.de (Stand: 26.08.2009) 133 Vgl. http://vascoda.wordpress.com/2008/12/19/vascoda-2010/ (Stand: 26.08.2009) 134 Vgl. Seefeldt/ Syré 2003, S.85 135 Vgl. www.bibliotheksverband.de (Stand: 26.08.2009) 136 Vgl. http://www.bib-info.de/index.html 137 Vgl. www.ekz.de (Stand: 26.08.2009) 138 Vgl. Plassmann/ Rösch/ Seefeldt/ Umlauf 2006, S.125 139 Vgl. Seefeldt/ Syré 2003, S.86
39
wörter der Deutschen Bibliothek und Notationen der gebräuchlichen Aufstellungs-
systematiken von Öffentlichen Bibliotheken, nutzen.140
Oftmals werden Aktualität und Schnelligkeit der Informationsdienste kritisch gese-
hen. Dies liegt vor allem an der Organisation der komplexen Zusammenarbeit, die
trotz moderner Kommunikationsmöglichkeiten immer noch einen erheblichen Auf-
wand bedeutet141
4.1.1.2 Erschließung
Die wichtigste Voraussetzung für eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Er-
schließung, bei Formal- wie Sacherschließung, ist die Erstellung der Kataloge der
Bibliotheken mit untereinander abgestimmten Regeln. Mit den Regeln für die Alpha-
betische Katalogisierung (RAK) und den Regeln für die Schlagwortkatalogisierung
(RSWK) liegen Regelwerke vor, die von wissenschaftlichen wie von den öffentli-
chen Bibliotheken genutzt werden. Die Regelwerke werden unterstützt durch diverse
Normdateien, wie die Gemeinsame Körperschaftsdatei (GKD), die Personennamen-
datei (PND) und die Schlagwortnormdatei (SWD). Die Regelwerke sowie die aufge-
bauten Normdateien gelten als Vorraussetzung für erfolgreiche Zusammenarbeit in-
nerhalb des Bibliothekswesens.
Durch das von der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main erstellte Maschinelle
Austauschformat für Bibliotheken (MAB) wurde die Basis für die Nutzung der Kata-
logdaten der einzelnen Bibliotheken untereinander gestellt. Dieses Austauschformat
ist die Grundlage für die Nutzung von Fremddaten anderer Bibliotheken bei der Ka-
talogisierung von Neuerwerbungen. Um diese mögliche Nutzung für alle Bibliothe-
ken zu realisieren, wurden in den 1970er Jahren regionale Verbundsysteme aufge-
baut. Es existieren sechs große Bibliotheksverbünde
• der Gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV) für die Regionen Bremen, Ham-
burg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schles-
wig-Holstein und Thüringen
• der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV) für die
Regionen Berlin und Brandenburg
• der HBZ-Verbund für die Regionen Nordrhein-Westfalen und Rheinland
Pfalz (unter Ausschluss der Region Rheinhessen mit Mainz und Worms)
140 Vgl. Plassmann/ Rösch/ Seefeldt/ Umlauf 2006, S.125 141 Vgl. Seefeldt/ Syré 2003, S.86
40
• das hessische Bibliotheks-Informationssystem (HeBIS) für die Region Hes-
sen (mit Kooperationspartner Rheinhessen in Rheinland-Pfalz)
• der Südwestdeutsche Bibliotheksverbund (SWB) für die Region Baden-
Württemberg, Saarland und Sachsen
• der Bibliotheksverbund Bayern (BVB) für die Region Bayern
Im Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) werden alle regionalen Kataloge, bei denen
die Schwierigkeit der unterschiedlich genutzten Bibliothekssoftware (drei Verbünde
nutzen OCLC PICA, die anderen drei ALEPH) besteht, zu einem virtuellen Gesamt-
katalog zusammengefügt.
Mittlerweile existieren direkte Kooperationen zwischen Bibliotheksverbünden, wie
die strategische Allianz zwischen BVB und KOBV zeigt.142 Hier werden bestimmte
Projekte und der Aufbau einer gemeinsamen Verbunddatenbank durchgeführt.143
4.1.1.3 Informationsvermittlung
Im Bereich der kooperativen Informationsvermittlung haben sich mehrere Unter-
nehmungen und Projekte als praktikabel erwiesen.
RABE144 kann man als eine der ersten institutionalisierten Einrichtungen auf diesem
Gebiet ansehen. RABE bezeichnet eine Mailingliste, bei der (Auskunfts-) Bibliothe-
kare Anfragen stellen können, die durch ihre eigenen Informationsmöglichkeiten
(Bestand, Internetrecherche etc.) nicht erfüllt werden konnten. Die Anfragen werden
von anderen Beteiligten der Mailingliste beantwortet. Die Liste wurde 1998 von di-
versen Bibliotheken145 ins Leben gerufen. 1999 waren schon 600 Nutzer einge-
schrieben und tauschten monatlich circa 150 Emails aus.146 Der Vorteil von RABE
ist die uneingeschränkte Erreichbarkeit. Es bietet eine zeitlich und räumlich höhere
Flexibilität (wenn man vom virtuellen Raum absieht). RABE kann als indirekte In-
formationsvermittlung für den Nutzer betrachtet werden, da hier die Mailingliste als
Zwischenmedium fungiert.
142 Vgl. http://www.kobv.de/strategische_allianz_bvb_kobv.html (Stand: 26.08.2009) 143 Vgl. ebd. 144 Recherche und Auskunft in bibliothekarischen Einrichtungen 145 Stadtbibliotheken Köln, Wuppertal und Altena, der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, das Hochschulbibliothekszentrums Köln, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin/Amerika-Gedenk-Bibliothek sowie die Universitätsbibliotheken Dortmund und Oldenburg 146 Vgl. Daniel, Frank: RABE - die Diskussionsliste mit Antworten für alle Auskunftsfragen In: Bücher, Bytes und Bibliotheken. 4. InetBib-Tagung, 3. - 6. März. - Dortmund, 1999. S. 112-117 und Daniel, Frank/ Ulrich, Paul S.: Frag' nach bei RABE! - eine Mailingliste für Auskunftsbibliothe-kare. In: BuB (Buch und Bibliothek), 1999 Heft 5, S.322-324
41
Eine weitere kooperativ-bibliothekarische Einrichtung kann als Auskunftsverbund
mit direkter Informationsvermittlung für den Nutzer verstanden werden: Die Deut-
sche Internetbibliothek147.
Abbildung 11: Startseite der Deutschen Internetbibliothek
Anfang 2003 wurde das Projekt durch die Partner DBV, die Bertelsmann Stiftung
und die SISIS Informationssysteme GmbH ins Netz gestellt. Es beinhaltet einen
kommentierenden und nach bibliothekarischen Grundsätzen kooperativ erschlosse-
nen Link-Katalog sowie einen integrierten bundesweiten E-Mail-Auskunftsdienst.
Hier können sich Nutzer Fragen direkt beantworten lassen, indem sie in einem Web-
formular Themengebiet und Verwendungszweck sowie ihre E-Mail-Adresse eintra-
gen. Diese Frage wir dann zur zuständigen Bibliothekengruppe weitergeleitet.148
Mittlerweile ist es so, dass eine gewisse Freiheit bei der Zahl der Fragen und der an-
gefragten Themengebiete für die Bibliotheken vorhanden ist.149
Für den Link-Katalog wurde der Kooperationsverbund in Kompetenzzentren unter-
teilt. Jedes Kompetenzzentrum übernimmt eines der 20 Themenfelder und ist für
diesen Bereich im Link-Katalog zuständig. Die einzelnen Kompetenzzentren beste-
147 http://www.internetbibliothek.de/dib1/ (Stand: 26.08.2009) Vgl. Abbildung 11 148 Vgl. Plassmann/ Rösch/ Seefeldt/ Umlauf 2006, S.113 149 Vgl. http://www.internetbibliothek.de/dib1/ (Stand : 26.08.2009)
42
hen aus drei bis vier Bibliotheken.150 Mittlerweile nehmen 62 öffentliche, wie auch
einige wissenschaftliche Bibliotheken an dieser Kooperation teil, die in einer Teil-
nehmerliste einsehbar sind.151 Im Jahr 2006 waren noch 90 Bibliotheken an dieser
Kooperation beteiligt.152 Seit dem Ende der Förderung 2008 durch die Bertelsmann
Stiftung und den DBV wird der Regelbetrieb durch das BSZ153 organisiert.
4.1.1.4 Vermittlung von Informationskompetenz
Im Zusammenhang mit den alarmierenden Ergebnissen der PISA- und der SteFi-
Studie – die Studien stellten bei Schülern sinkende Bildungsstandards und bei Stu-
denten mangelhaften Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien fest – wurde eine
Verbesserung der allgemeinen Informationskompetenz gefordert.154 Um diese Ver-
besserung zu bewerkstelligen „…muss die Bibliothek in Kooperation mit anderen
Einrichtungen der Hochschule Rechnung tragen.“155 Der Wissenschaftsrat sieht die
Kooperation somit als zwingend notwendig an und ist
der Auffassung, dass der von den Nutzern erwartete offene Zugang zu digitalen Informationen
und die effektive Informationsumgebung als Werkzeug für die eigene Forschungsarbeit ent-
scheidend davon abhängig ist, in welchem Maße die wissenschaftliche Informationsversorgung
durch nationale und internationale Arbeitsteilung und Kooperation geleistet werden wird und
sich in hohem Maß an einer technischen Standardisierung und internationalen Harmonisierung
orientiert.156
Dieser Aufforderung zur Zusammenarbeit bei der Vermittlung von Informations-
kompetenz ist seither in verschiedenen Projekten Folge geleistet worden.
Im Jahre 2002 hat sich in Nordrhein-Westfalen die Arbeitsgemeinschaft Informati-
onskompetenz NRW gegründet, um sich des Themas anzunehmen. Der Fokus der
bibliothekarischen Arbeit an den wissenschaftlichen Bibliotheken sollte sich nun auf
die Vermittlung von Informationskompetenz richten. Dies sollte durch hohe Effi-
150 Vgl. Voigt, Kristine: Ein Jahr Deutsche Internetbibliothek – Erfahrungen aus der Leipziger Stadt-bibliothek. In: Ruppelt, Georg/ Beger, Gabriele (Hrsg.): Information macht Bildung – Zweiter Ge-meinsamer Kongress der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. (BDB) und der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis e.V. (DGI) Leipzig, 23. bis 26. März 2004, Wiesbaden 2004, S.345 151 Vgl. http://www.internetbibliothek.de/dib1/ (Stand: 26.08.2009) 152 Vgl. Nitzschner, Holger/ Flemming, Arnd: Der Ausbau der Deutsche Internetbibliothek zu einem Netzwerk öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken. In: Bibliotheksdienst 40, 2006, H.5, S.598 153 Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg 154 Vgl. Plassmann/ Rösch/ Seefeldt/ Umlauf 2006, S.205 155 Vgl. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur digitalen Informationsversorgung durch Hochschulbibliotheken., Greifswald 2001, S.36 156 ebd., S.49
43
zienz in der Ressourcenauslastung erbracht und gefördert werden.157 Als Ziel wurde
nicht ausgegeben, ein einzelnes Konzept für alle beteiligten Bibliotheken zu entwi-
ckeln, sondern Anregungen zu schaffen, damit jede Bibliothek zu ihrem eigenen, für
sich geeigneten Modell findet. Es wurden vier Ziele vereinbart:
• Unterstützung von Bibliotheken durch konkrete Empfehlungen und prakti-
sche Vorarbeiten
• Effizienzsteigerung durch Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch und
Benchmarking
• Professionalisierung (Didaktik/Methodik, Marketing, Strategie)
• überregionale Zusammenarbeit
So wurden Instrumente entwickelt, die auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen
praktisch umgesetzt werden.158 Die überregionale Entwicklung ist vor allem auf die,
zur AG Informationskompetenz parallel entstandene Plattform zurückzuführen.159
Anfangs wurde die Plattform von der Universitätsbibliothek Bonn geführt, jedoch
wurde beispielsweise der Umfang der Datenbank immer unüberschaubarer sodass
deren Pflege nicht mehr allein durch die ULB Bonn weitergeführt werden konnte.
Mittlerweile arbeiten mehrere Partner kooperativ, um die Plattform zu pflegen, zu
warten und aktuell zu halten.160 Unter diesen Partnern sind weitere Arbeitsgemein-
schaften zur Verbesserung der Informationskompetenz aus anderen Bundesländern,
die Universitätsbibliothek München, die die technische Seite übernimmt, die Univer-
sitätsbibliothek Kaiserslautern, die das Glossar betreut sowie die DINI-AG 'E-
Kompetenzen'161.
157 Vgl. http://www.informationskompetenz.de/regionen/nordrhein-westfalen/ (Stand: 26.08.2009) 158 Vgl. ebd. 159 Vgl. http://www.informationskompetenz.de/ (Stand : 26.08.2009) 160 Vgl. http://www.informationskompetenz.de/chronik-der-plattform/ (Stand : 26.08.2009) 161 Deutsche Initiative für Netzwerkinformation e.V. Vgl. www.dini.de (Stand: 26.08.2009)
44
Abbildung 12: Startseite der Plattform www.informationskompetenz.de162
Zur Fortbildung und zum Meinungsaustausch werden zudem in regelmäßigen Ab-
ständen Workshops in den einzelnen Regional-Arbeitsgemeinschaften angeboten,
deren Ergebnisse publiziert werden sowie auf der Plattform für die Allgemeinheit
zugänglich sind.163
4.1.1.5 Bewahrung
Bis in das 20. Jahrhundert war in Deutschland aufgrund der Nichtexistenz einer Na-
tionalbibliothek keine Dokumentation der erschienen Schriften seit Anfang des
Buchdrucks vorhanden. Die Erstellung einer retrospektiven Nationalbibliographie
wurde zu keiner Zeit als ernsthaftes Projekt ins Auge gefasst.164
Als Kompensation werden Projekte angesehen, die Bestände aus bestimmten Jahr-
hunderten verzeichnen. Als Beispiel für kooperative Arbeit können das Verzeichnis
der im deutschen Sprachbereich erschienen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD16) und
162 Vgl. www.informationskompetenz.de (Stand: 26.08.2009) 163 Vgl. Vermittlung von Informationskompetenz - 2. Workshop der nordrhein-westfälischen Biblio-theken - Organisiert von der AG Informationskompetenz der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsbib-liotheken NRW und dem Hochschulbibliothekszentrum NRW – Nilges, Annemarie/ Schirra, Doris/ Stadler, Uwe/ Thiel, Anneke. In: Bibliotheksdienst 38,2004, H.3 164 Vgl. Seefeldt/ Syré 2003, S.90
45
das Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienen Drucke des 17. Jahrhun-
derts (VD17) genannt werden.
VD 16 war ein Gemeinschaftsprojekt der Bayrischen Staatsbibliothek, der Herzog
August Bibliothek Wolfenbüttel sowie ab 1990 der Universitäts- und Forschungsbib-
liothek Erfurt/Gotha. Im Zeitraum von 1969 bis 1999 entstand durch die Förderung
der DFG ein Nachweisinstrument, welches ein erstes Segment zu einer Nationalbib-
liographie darstellt. Das VD 16 ist als Datenbank und als Buchausgabe vorhanden.
Die Datenbank wird laufend durch Besitznachweise und Titelmeldungen noch nicht
vorhandener Werke angereichert.165
VD 17 ist das zweite Projekt, welches ein weiteres retrospektives Segment der Nati-
onalbibliographie darstellt. Diese Gemeinschaftsunternehmung wird unter der Füh-
rung der Bayrischen Staatsbibliothek von neun wissenschaftlichen Universalbiblio-
theken getragen. Auch dieses Projekt wird finanziell von der DFG unterstützt. Es
werden alle Werke berücksichtigt, die zwischen 1600 und 1699 in deutscher Sprache
verfasst oder, unabhängig von der Sprache, auf (ehemals) deutschsprachigem Gebiet
gedruckt und verlegt wurden.166
4.1.2 Externe Kooperation
In diesem Abschnitt werden Kooperationen von Bibliotheken mit externen, nichtbib-
liothekarischen Partnern vorgestellt. Das Spektrum der Partner reicht von der öffent-
lichen Institution bis zum privatwirtschaftlichen Weltkonzern.
Zweck dieser Kooperationen ist die Erfüllung und Verbesserung ihrer Aufgaben,
beispielsweise der Informationsvermittung, aber auch Präsenz in der Öffentlichkeit
zu zeigen sowie Image und Attraktivität zu verbessern. Die Formen der externen
Kooperationen reichen von kleinen Projekten bis zu Unternehmungen, die global
wahrgenommen werden. Im Folgenden soll diese Bandbreite anhand einiger Beispie-
le dargestellt werden.
Exemplarisch für die niedrigste Kooperationsstufe kann die Stadtbücherei Gerlingen
genannt werden. Hier wird jeden Samstag in den Räumen der Bücherei für zwei
Stunden den Bürgern durch Mitarbeiter des Bürgerbüros deren komplette Dienstleis-
tungspalette angeboten.167 So können Besucher der Stadtbücherei beim Besuch der
165 Vgl. www.vd16.de (Stand: 26.08.2009) 166 Vgl. www.vd17.de (Stand: 26.08.2009) 167 Vgl. http://www.gerlingen.de/servlet/PB/menu/1110487/index.html (Stand: 26.08.2009)
46
Stadtbibliothek parallel in einem Gebäude Dienstleistungen wahrnehmen, die für sie
sonst Mehrfachwege bedeuten würden.
Um den Bibliotheksnutzern klassische Musik näher zu bringen, ist die Duisburger
Stadtbibliothek eine Kooperation mit der Duisburger Philharmonie eingegangen.168
Man wünscht sich von beiden Seiten eine höhere Aufmerksamkeit durch die jeweili-
gen Besucher auf die andere Einrichtung. Es wird erwartet, dass gerade der Anteil an
jungen Besuchern der Philharmonie steigen wird. Unterstützt werden soll dies einer-
seits durch ausliegende Werbemittel in der Bibliothek und andererseits durch regel-
mäßige musikalische Auftritte und Darbietungen von Mitgliedern der Philharmonie.
Vor allem sollen Kinder für klassische Musik begeistert werden, was mit entspre-
chend ausgerichteten Programmen169 gefördert werden soll.
Um die Lese- und Informationskompetenz von Dortmunder Schülern zu steigern und
dies auch für einen längerfristigen Zeitraum zu praktizieren haben die Stadt- und
Landesbibliothek Dortmund mit dem Schulverwaltungsamt einen Rahmenvertrag für
alle Dortmunder Schulen geschlossen. Ziel ist
insbesondere vor dem Hintergrund der Ergebnisse der PISA-Studie, die Entwicklung und För-
derung der Lese- und Informationskompetenz von Schülerinnen und Schülern an Allgemein-
bildenden Schulen. Die Öffentlichen Bibliotheken sollen dabei zu unverzichtbaren und verläss-
lichen Bildungspartner für die Schulen werden. Bibliotheken und Schulen sollen wechselseitig
den Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen aufbauen, intensivieren,
verstetigen und ausbauen.170
Dies ist der erste Rahmenvertrag in einer solchen Form in NRW.171 Die Kooperation
beinhaltet eine Betreuung der Schüler von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II.
In der Primarstufe soll die Leseförderung im Vordergrund stehen. In diesem Bereich
und bei der Sekundarstufe I bestehen weitere Kooperationen mit den einzelnen ange-
schlossenen Stadtteilbibliotheken in Dortmund. Die Sekundarstufe II wird von einem
speziellen Team der Zentralbibliothek betreut. Hier soll bei Schulungen das Erlernen
und die Verbesserung von Recherchefähigkeiten im Hinblick auf die Erstellung einer
Facharbeit gefördert werden. Zwischen der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund
168 Vgl. http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/duisburg/kultur/2009/5/26/news-120944511/detail.html (Stand: 26.08.2009) 169 Vgl. http://www.klasse-klassik.de/klasseklassikcms/admin/pages/fckeditor_file?file=/kiko.pdf (Stand: 26.08.2009) 170 Vgl. Rahmenkooperationsvereinbarung zwischen dem Fachbereich Schule der Stadt Dortmund und der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund. Vgl. http://www.bibliothek.schulministerium.nrw.de/Bildungspartner_NRW/kommunen/do_rahmenvereinbarung.pdf (Stand: 26.08.2009) 171 Vgl. http://www.bibliothek.dortmund.de/template0-31.html (Stand: 26.08.2009)
47
und einzelnen Gymnasien existieren weitere Kooperationsverträge, die eine langfris-
tige Zusammenarbeit sichern sollen.172 Von Seiten der Schulen werden beispielswei-
se Angebote der Bibliothek, wie der Online-Katalog, auf der schuleigenen Homepa-
ge verlinkt.
Abbildung 13: Homepage des Heisenberg-Gymnasium Dortmund173
172 Vgl. ebd. 173 Vgl. http://www.heig-do.de/index.php?session=3e794d3e416df8ed79e78ff2aea8d9c9&menu_id=109 (Stand : 26.08.2009)
48
Abbildung 14: Homepage der Gesamtschule Gartenstadt Dortmund174
Weitere Kooperationen unterhält die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund mit dem
Studienseminar Dortmund, den Wirtschaftsschulen für Hotellerie und Gastronomie
und der International School of Management. Diesen Partnern werden ebenfalls Kur-
se und Schulungen für ihre Schüler beziehungsweise Studenten hinsichtlich Recher-
che von gedruckten und elektronischen Mitteln angeboten.175
Eine besondere Form der Kooperation stellt der Info-Point Europa (IPE) in der
Stadtbibliothek Freiburg dar. Seit Januar 1999 bietet die Stadtbibliothek in Koopera-
tion mit der Europäischen Union ihn an.176 Man erhält dort zuverlässige Information
über die Europäische Union, ihre Einrichtungen und über die Lebens- und Arbeits-
bedingungen in den Mitgliedsstaaten. Beispielsweise können Informationen über das
Studium oder Praktika im europäischen Ausland eingeholt werden. Auch die Aufklä-
rung über die Finanzierung durch die Europäische Union wird insbesondere für Kin-
der und Jugendliche geleistet, um ihnen den Vorteil und die Möglichkeit eines Aus-
landsaufenthalts näher zu bringen.
Weiterhin gibt es Kooperationen mit Beratungsstellen, die sich mit grenzüberschrei-
tenden Fragen beschäftigen. Aufgrund der geografischen Lage Freiburgs ist dies na-
174 Vgl. http://www.gegart.de/cli/fv/front_content.php?idcat=490&idart=2134 (Stand : 26.08.2009) 175 Vgl. http://www.bibliothek.dortmund.de/template0-31.html (Stand:26.08.2009) 176 Vgl. http://www.freiburg.de/servlet/PB/menu/1209656_l1/index.html (Stand: 26.08.2009)
49
heliegend. Es wird zu Informationsnachmittagen in die Stadtbibliothek eingeladen,
bei denen französische, schweizerische und deutsche Fachleute anwesend sind, die
Fragen rund um Sozialversicherung, Arbeit, Rente, Familienleistungen und Steuern
in den drei Ländern beantworten können.177 Neben der Beratung werden noch weite-
re diverse Veranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen organisiert. Die Finanzie-
rung wird durch die Europäische Union mit einem jährlichen Zuschuss zwischen
20.000 und 24.000€ und der Stadt Freiburg als Trägerin der Stadtbibliothek mit circa
60.000€ getragen.178
Im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken ist bei der Vermittlung von Informa-
tionskompetenz seit der SteFi-Studie die Kooperation zwischen Universitätsbiblio-
thek und der Hochschule beziehungsweise den einzelnen Fakultäten immer verbreite-
ter. Als ein Beispiel werden hier die Angebote und Modelle der Technischen Univer-
sität München vorgestellt. Durch die Kooperationen mit den einzelnen Fakultäten
besteht die Möglichkeit den Studenten qualifizierende Maßnahmen hinsichtlich ihrer
Informationskompetenz zu bieten, aber auch gleichzeitig eine Schärfung des Profils
der Bibliothek in der Universität zu erlangen.
177 Vgl. ebd. 178 Vgl. ebd.
50
Abbildung 15: Unabhängige Schulungsangebote der Universitätsbibliothek der TU
München179
Die Angebote der Universitätsbibliothek können in drei Typen unterteilt werden. Der
erste Typ beinhaltet unabhängige Lehrveranstaltungen. Sie werden regelmäßig ange-
boten, haben aber inhaltlich keinen konkreten Fachbezug und stehen außerhalb der
Studiengänge.180 Die zweite Form ist eingebunden in eine Lehrveranstaltung. Die
Inhalte der Informationskompetenz fokussieren sich auf einen bestimmten Fachkon-
text und werden gemeinsam mit den Lehrenden kooperativ in einzelne Kurse integ-
riert, wie die untere Abbildung veranschaulicht.
179 Vgl. http://www.biblio.tu-muenchen.de/shared/schulung/schulung.html#linde (Stand : 26.08.2009) 180 Vgl. Abbildung 15
51
Abbildung 16: Teil des Moduls "Projektmanagement und wissenschaftliches Arbei-
ten" im 3. Semester des Studiengangs Landnutzung181
Der dritte Typ ist die eigenständige Lehrveranstaltung „Informationskompetenz“.
Diese ist eine Vorgabe des Curriculums. In den Studienfakultäten Informatik, Ag-
rarwissenschaften und Gartenbau werden für die erfolgreiche Teilnahme 3 ECTS-
Punkte vergeben. Im Bachelorstudiengang Landnutzung ist dieses Fach als allge-
meinbildendes in den Studienplan integriert worden. Leider ist es erst für Studenten
des 2.Semesters verpflichtend.182 Es wäre gewinnbringender, wenn die Verpflichtung
ab dem 1. Semester bestünde.
181 Vgl. http://www.biblio.tu-muenchen.de/fachinfo/agrarwissenschaften/agrarwissenschaften.html (Stand: 26.08.2009) 182 Vgl. Schlindwein, Birgid B./ Geisberg, Gertrund: Informationskompetenz – Lehrveranstaltung der Bibliothek an der TZ München. In: Kooperation versus Eigenprofil? 31. Arbeits- und Fortbildungsta-gung der ASpB e.V. Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband – Flitner, Ursula/ Warmbrunn, Jad-wiga/ Warmbrunn, Jürgen (Hrsg.), Karlsruhe 2008, S.317
52
Abbildung 17: Veranstaltung „Vorlesung Informationskompetenz“ der Universitäts-
bibliothek an der TU München183
Diese Veranstaltung wird an allen drei Standorten der TU München angeboten. Es
werden neben der Vorlesung auch praktische Übungen abgehalten. Die Veranstal-
tung läuft das komplette Semester und beinhaltet zwei Semesterwochenstunden. Es
werden fünf Themenblöcke festgelegt, bei denen in dreien schriftliche Hausaufgaben
verlangt werden, die einer Benotung unterliegen.184 Neben den Veranstaltungen exis-
tiert auf der Lernplattform der TU München eine komplette Materialiensammlung zu
den Themen, die in den Veranstaltungen behandelt werden. Zur Steigerung der Att-
raktivität werden zudem noch Literaturlisten, ergänzende Texte und Links zur jewei-
ligen Thematik dort angeboten.185
Das letzte hier vorgestellte Kooperationsprojekt zwischen einer Bibliothek und ei-
nem externen Partner ist das Digitalisierungsprojekt der Bayerischen Staatsbibliothek
mit dem Unternehmen Google Inc. Am 7. März 2007 wurde ein Vertrag zwischen
beiden Parteien geschlossen, der besagt, dass Google Inc. den gesamten urheber-
rechtsfreien Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek – circa eine Million Bücher
und Zeitschriftenbände – einscannen wird. Die erstellten Digitalisate werden der All-
gemeinheit zur weltweiten Nutzung über die Seiten der Bayerischen Staatsbibliothek
183 Vgl. http://www.ub.tum.de/shared/schulung/schulung.html (Stand: 26.08.2009) 184 Vgl. Geisberg, Gertrud: Die Vorlesung „Informationskompetenz“ der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München – Ein Bericht aus der Praxis. In: Bibliotheksdienst 41, 2007,H.12, S.1322 185 Vgl. Schlindwein/ Geisberg 2008, S.320
53
sowie die Google-Buchsuche und die allgemeine Web-Suche von Google zur Verfü-
gung gestellt.186 Der Unterschied zur gängigen Digitalisierungspraxis an der Bayeri-
schen Staatsbibliothek liegt darin, dass Google damit ein Massendigitalisierungspro-
jekt durchführt, also Digitalisierung nach industriellen Maßstäben. Ein solches Pro-
jekt ist nach Meinung von Klaus Ceynowa, Stellvertreter des Generaldirektors der
Bayerischen Staatsbibliothek, nur in einem kooperativen Rahmen eines Public-
Private-Partnership zu realisieren.187 Vor allem der finanzielle Aspekt ist diesbezüg-
lich zu berücksichtigen, da die Bibliotheken, die am Digitalisierungsprojekt von
Google teilnehmen, keine Kosten tragen müssen. Dafür erhält Google eine “Google
Digital Copy“ für die die schon erwähnten Suchfunktionen. Die Bayerische Staats-
bibliothek erhält eine “Library Digital Copy“, eine physisch dauerhaft bestehende
digitale Kopie, die sie vertraglich geregelt frei nutzen kann.188
Somit soll ein Gewinn auf beiden Seiten entstehen: Die Bibliotheken erhalten kosten-
los Digitalisate großer Teile ihrer Bestände und Google kann Qualität und Relevanz
der Ergebnisse seiner Suchmaschine verbessern. Problematisch wird es bei der
Transparenz der Kooperation. Bei allen vorherigen vorgestellten Beispielen existiert
ein einsehbarer Vertrag mit angegebenen Daten und Fakten oder auch zu erreichen-
den Zielen. Google besteht auf größter Diskretion und hat die „beteiligten Bibliothe-
ken zum Schweigen verdonnert“189. Die Bücher werden in streng abgeschirmten Ge-
bäuden eingescannt, zu denen nicht einmal das Bibliothekspersonal Zutritt hat und
dessen Fenster eigens abgeklebt werden.190
4.2 Grenzen und Probleme von Kooperationen
Kooperationen sollen keinen Selbstzweck für Bibliotheken darstellen. Kooperationen
sollen Attraktivität und Image der Bibliotheken erhalten und weiter verbessern. Ihre
Lobby soll gestärkt werden und am Ende der Benutzung der Bibliothek zu Gute
kommen.191 Es ist also festzustellen, dass Kooperationen nicht ausschließlich der
Ressourceneinsparung, Arbeitsteilung oder weiterer ökonomischer Ziele dienen soll-
ten. 186 Vgl. Ceynowa, Klaus: Der “BSB-Google-Deal“ – Eine Million Bücher der Bayerischen Staatsbib-liothek online. In: BibliotheksMagazin – Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und Mün-chen, Ausgabe 1 2008, S.3 187 Vgl. ebd., S.4 188 Vgl. ebd., S.5 189 Herwig, Malte: Die entleibte Bibliothek. In: DER SPIEGEL 12/2007, Seite 186 190 Vgl. Seidler, Christoph: Was Google falsch macht. In: http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,416922,00.html (Stand: 26.08.2009) 191 Vgl. Plassmann/ Seefeldt 1999, S.230
54
Ein Problem, das auch in den angeführten Beispielen auftaucht, ist die auslaufende
Förderung. Es werden kooperative Projekte ins Leben gerufen, die mit und durch die
Beendigung der finanziellen Förderung einer, wenn nicht der wesentlichen Stütze
beraubt werden. Beispielhaft hierfür sind die virtuellen Fachbibliotheken und die
Förderung durch die DFG und die Deutsche Internetbibliothek mit der Förderung
durch die Bertelsmann-Stiftung.
Ein weiterer Punkt ist die Außendarstellung. Die Ergebnisse der beispielhaften Ko-
operationen in Abschnitt 4.1 sind alle schlussendlich für den Gebrauch durch den
Endnutzer bestimmt. Wenn diese Projekte, und ihre in weiten Teilen hervorragenden
Ergebnisse, überhaupt nicht öffentlichkeitswirksam vermarktet werden, ist dies ein
nicht zu vernachlässigender Mangel. Als Beispiel kann hier die Virtuelle Fachbiblio-
thek Politikwissenschaft genannt werden, deren Betreiber erst sechs Jahre nach ihrer
Eröffnung (im April 2002) im Internet begannen, Werbung für diese zu machen:
„[…]Bislang haben wir auf aktive Werbung für unser Portal verzichtet, da wir zu-
nächst das Produkt optimieren wollten. Da die Arbeiten an ViFaPol inzwischen
weitgehend abgeschlossen sind, ist es an der Zeit, den Dienst bekannt zu machen.
Dabei setzen wir auf Ihre aktive Unterstützung.“192
Beim Beispiel der Deutschen Internetbibliothek ist die Lage ähnlich. Hier wurde
schon 2004 von Haike Meinhardt auf fehlendes Marketing hingewiesen.193 Dieser
Problematik nahm man sich an und es erschienen zahlreiche Veröffentlichungen auf
regionaler und überregionaler Ebene, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.
Auch die Kooperation mit dem Internetportal wissen.de sollte zur Erhöhung des Be-
kanntheitsgrads beitragen.194 Diese Werbung ist als positiv zu bewerten, doch macht
man sich nun durch sein eigenes Produkt Probleme. Auf den Seiten der Deutschen
Internetbibliothek wird in der Rubrik “Beispielfragen und -antworten“ bei rund der
Hälfte der Antworten eine Verlinkung auf den Konkurrenten wikipedia.de ange-
zeigt.195 Die Qualität der Deutschen Internetbibliothek besteht darin, dass Quellen
nach bibliothekarischen Kriterien ausgewählt werden, die dem Nutzer ein sicheres
Gefühl in der Nutzung dieses Instruments geben sollen. Wenn nun aber auf einen
Konkurrenten verwiesen wird, der nach neuesten Statistiken erster Anlaufpunkt für
192 Vgl. http://blog.vifapol.de/?p=47 (Stand : 26.08.2009) 193 Vgl. Meinhardt, Haike: Ungenutzte Potentiale – Konzept und Angebot der Deutschen Internetbibliothek. In: Buch und Bibliothek, Heft 1 2004, S.36-39 194 Vgl. Nitzschner/ Flemming 2006, S.599 195 Vgl. Abbildung 18
55
Jugendliche ist,196 aber keine Sicherheit für den Wahrheitsgehalt der Inhalte gewäh-
ren kann, ist das kontraproduktiv. Gerade im Bereich des Internets ist es schwierig,
Produkte zu stabilisieren und Nutzer zu binden. Hier wird ein langer Atem benötigt
und jeder Fehler kann zu einem Rückschlag im Aufbau des eigenen Images führen.
Abbildung 18: Rubrik “Beispielfragen und -antworten“ in der Deutschen Internet-
bibliothek197
Das Modell zur Vermittlung von Informationskompetenz an der TU München zeigt
die Bereitschaft eine Kooperation trotz Anlauf- oder Zulaufschwierigkeiten weiterzu-
führen. Hier wurden in mehreren Publikationen die Schwierigkeiten, aber auch die
Erfolge dargestellt. Man spricht von zwiespältigen Erfahrungen im Hinblick auf die
angebotenen Veranstaltungstypen. Zudem wird auf unterschiedliche Vorteile hin-
sichtlich der Eigenprofilerwerbung in der Studentenschaft und der Professorenschaft
durch die Kooperation mit den Fakultäten hingewiesen.198
Als letztes Problem soll auf die Wahl des oder der Kooperationspartner hingewiesen
werden. Die Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Partnern wirft die Frage auf,
ob durch diese die Erkennbarkeit des eigenen Images und der eigenen Interessen
sowie deren Eindeutigkeit noch gegeben sind. Es besteht die Möglichkeit der Auf-
196 Vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,640160,00.html (Stand : 26.08.2009) 197 Vgl. http://www.internetbibliothek.de/dib1/ (Stand: 26.08.2009) 198 Vgl. Schlindwein/ Geisberg 2008, S.325
56
weichung und Veränderung des eigenen Profils.199 Der „GAU“ innerhalb einer sol-
chen Kooperation wäre das Aufgehen der eigenen Einrichtung in dieser und die al-
leinige Kenntnisnahme der Öffentlichkeit für den Kooperationspartner. Letzteres
geschieht bei der Kooperation zwischen der Bayerischen Staatsbibliothek und
Google Inc. nicht, aber das Bild der Bayerischen Staatsbibliothek hat sich verändert
durch die Ergebnisse der Digitalisierung, die Google ihr liefert. Klaus Ceynowa,
Stellvertretender Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, hat in mehreren
Beiträgen dieses Projekt immer wieder unterstützt. Vor allem hat er herausgestellt,
dass dieses Projekt dem Image der Forschungsbibliothek BSB zu Gute kommt, dass
es die Bestandserhaltung sowie die Langzeitarchivierung sichert.200 Nun erscheinen
Ergebnisse, wie die beiden unteren Abbildungen, die für das Image der Bayerischen
Staatsbibliothek keine positive Wirkung haben. Obwohl man damit geworben hat,
dass Google Fortschritte macht, was die Qualität der Scans angeht: „Wir sind jedes
Mal erstaunt über den innovationstechnischen Input, den Google reinsteckt. Die wer-
den Tag für Tag immer besser.“ 201
Abbildung 19: Auszug aus einem Digitalisat eines Buches des Digitalisierungspro-
jekts der Bayerischen Staatsbibliothek und Google Inc.202
199 Vgl. Klauser, Hella: Aufbau erfolgreicher Netzwerke: Internationale Erfahrungen. In: Hohoff, Ulrich/ Knudsen, Per (Hrsg.):97. Deutscher Bibliothekarstag in Mannheim 2008 – Wissen bewegen – Bibliotheken in der Informationsgesellschaft, Frankfurt am Main 2009, S.144 200 Vgl. Ceynowa, Klaus: Massendigitalisierung für die Wissenschaft. In: Hohoff, Ulrich/ Knudsen, Per (Hrsg.):97. Deutscher Bibliothekarstag in Mannheim 2008 – Wissen bewegen – Bibliotheken in der Informationsgesellschaft, Frankfurt am Main 2009, S.55-67 201 Vgl. Herwig 2007, S.186 202 Vgl. http://www.bsb-muenchen-digi-
57
Abbildung 20: Auszug aus einem Digitalisat eines Buches des Digitalisierungspro-
jekts der Bayerischen Staatsbibliothek und Google Inc.203
Nun steht man vor einem Dilemma, da einerseits diese Digitalisate teilweise un-
brauchbar sind, man aber andererseits aufgrund des Kooperationsvertrages diese
mindere Qualität weiterhin hinnehmen muss. Dies führt zu einem Imageverlust, der
erst in der Fachwelt zu hören ist204, aber nach einer Zeit in der breiten Öffentlichkeit
zu bemerken sein wird.
tal.de/web1001/bsb10015295/images/index.html?l=de&digID=bsb10015295&pimage=00004&v=100&nav=0 (Stand : 26.08.2009) 203 Vgl. http://www.bsb-muenchen-digital.de/web1001/bsb10015295/images/index.html?l=de&digID=bsb10015295&pimage=00005&v=100&nav=0 (Stand : 26.08.2009) 204 Vgl. http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg40124.html (Stand: 26.08.2009)
58
5. Neue Formen/Projekte von Kooperationen im internationalen
Bibliothekswesen
Im folgenden Abschnitt werden neue Kooperationsprojekte aus der internationalen
Bibliothekslandschaft vorgestellt. Sie sollen einerseits über neue Wege informieren,
aber auch Anregungen zur möglichen Übernahme in das deutsche Bibliothekswesen
geben. Diese Diskussion wird in Abschnitt 8 geführt werden.
5.1 Drammen – Eine Wissensstadt in Norwegen205
Drammen ist eine Stadt im Norden Norwegens, circa vierzig Kilometer von der
Hauptstadt Oslo entfernt. In den 1980er Jahren vollzogen die norwegischen Fjord-
städte, die vormals durch die Schiffsbau- und Papierindustrie geprägt waren, einen
Strukturwandel. Drammen galt als eine der unangenehmsten und dunkelsten Städte.
Durch eine durchdachte Förderung der Stadtentwicklung, die als Grundlage Wissen
und Kultur festgelegt hat, wandelte sich das Bild der Stadt zum Positiven. Es ent-
stand beispielsweise ein Wissensgebäude, Papirbredden genannt, welches diverse
Einrichtungen wie Hochschulen, ein Karrierezentrum und Unternehmen unter einem
Dach zusammenfasst. Eine zentrale Aufgabe für die weitere Entwicklung der Hoch-
schulen, aber auch der anderen Wissens- und Kultureinrichtungen, wird der gemein-
samen Bibliothek, der Sambibliotek zugeschrieben. Sie wird gemeinschaftlich von
Staat, Kommune und regionalen Kräften gefördert.206 Der Standort der Bibliothek im
Wissenspark wurde im Jahr 2004 durch ein Kooperationsabkommen zwischen der
Hochschule in Buskerud207 sowie dem Rat der Region Drammen und Buskerud fest-
gelegt. Somit wurde die öffentliche Bibliothek (Folkebiblioteket) in den Wissenspark
eingefügt und mit der Hochschulbibliothek zur Sambibliotek fusioniert.
Der Plan, öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken in einer Kommune mehr zu
verzahnen und zu fusionieren, hat seinen Ursprung in einem Reformpapier, welches
den Titel Bibliotekreform 2014 trägt. Dieses wurde, anders als in Deutschland, von
der vorhandenen norwegischen Bibliotheks-, Archiv-, und Museumsbehörde abm-
utvikling208 erstellt. In diesem Papier wird die Realisierung einer „seamless library“,
also einer Bibliothek ohne Übergänge gefordert, in der Menschen in all ihren Le-
205 Vgl. Egeland, Lars: Kunnskapsbyen Drammen – Drammen: die Stadt des Wissens. In: Ratzek, Wolfgang/ Simon, Elisabeth: Wirtschaftsförderung und Standortentwicklung durch Informations-dienstleistungen. Das unterschätzte Potential von Bibliotheken, Berlin 2008, S.148-156 206 Vgl. ebd. 207 Drammen ist die größte Stadt in der Provinz Buskerud 208 Vgl. http://www.abm-utvikling.no/ (Stand : 26.08.2009)
59
bensphasen die für sie wichtige Informationen erhalten können – dieses Idealbild ist
die Sambibliotek.
Dass dieses Projekt der gemeinsamen Bibliothek realisiert wurde, hat noch einen
weiteren profaneren Grund. In Norwegen existiert ein Bibliotheksgesetz, welches
jeder Kommune vorschreibt eine Bibliothek zu betreiben. Zudem besagt das Gesetz,
das auch jede Ausbildungseinrichtung, die höhere Ausbildungen anbietet, wie bei-
spielsweise die Hochschulen im Wissenspark Drammen, ebenfalls eine Bibliothek
betreiben muss. Somit wurden einerseits die Pläne der Behörde umgesetzt und dem
Gesetz Folge geleistet.
Welche Vor- und Nachteile können mit dem Betreiben einer Sambibliotek entstehen?
Egeland führt aus, das sich durch die Zusammenlegung die Ressourcen der neuen
Bibliothek erhöht haben. Der Vorteil hier ist einfach zu definieren, da unterschiedli-
che Bestände an Medien, unterschiedliches Personal mit verschiedensten Qualifikati-
onen vom Diplom-Bibliothekar bis zum Fachreferenten vorhanden sind. Aber auch
andere Berufsgruppen, wie IT-Spezialisten, oder – begründet durch die Nähe zu den
Hochschulen – Wissenschaftler und Lehrkräfte, können in die gemeinsame Biblio-
thek integriert werden. Gesellschaftlich gesehen kann eine ganzheitliche Bibliothek
entstehen, in der Menschen aller Altersklassen als Nutzer auftreten. Hinzu kommt,
dass über den wissenschaftlichen Anteil der Bibliothek ein breiterer Kontakt und
Verbindung mit und in die Gesellschaft entstehen kann.
Problematisch bei einer solchen Fusion ist zum einen die Zusammenführung der
technischen Seite, also der Bibliothekssysteme sowie netzbasierter Dienstleistungen
der einzelnen Bibliotheken. Zum anderen muss auch das Personal, das heißt die Or-
ganisation dessen, zusammengelegt werden und ein eigenes Bewusstsein der ge-
meinsamen Bibliothek zu schaffen versucht werden. Was dies für eine immense
Aufgabe ist, zeigt die Masterarbeit einer Studentin des Bibliotheksstudiengangs in
Oslo. Hier wurde die Einstellung der Mitarbeiter beider Bibliotheken zur Zusammen-
legung kurz vor der Fusion ermittelt.209 Das Ergebnis zeigt, das sich beide Personal-
teile sehr auf die Werte ihrer jeweiligen Bibliotheksherkunft, öffentlich oder wissen-
schaftlich, stützten. Leider wurden bisher keine weiteren Untersuchungen unter-
nommen, ob sich dieses Selbstverständnis nun gewandelt hat.
Eine weitere studentische Arbeit im Bezug auf die Sambibliotek befasste sich mit der
Wahrnehmung der Bevölkerung der unterschiedlichen Bibliothekstypen und den
209 Vgl. Nilsen, Clara Agathe Hagtvedt: Mellom forankring og forandring – master thesis, Oslo 2007.
60
Erwartungen im Hinblick auf die Sambibliotek. Mit der alten Bibliothek wurden Ei-
genschaften wie solide und unmodern in Verbindung gebracht. Bei der neuen Sam-
bibliotek wurden positive Erwartungen geäußert, vor allem im Bezug auf das neue
Konzept gegenüber dem Alten der Folkebibliotek. Es sollte aber weiterhin das erhal-
ten bleiben, wofür die öffentliche Bibliothek (Folkebibliotek) steht, gleichzeitig aber
eine Anpassung und Aktualisierung erreicht werden.
Bei Nicht-Nutzern war das Bild der Bibliotheken geprägt durch negative Eigenschaf-
ten wie anonym und träge. Bei ihnen bestand jedoch die Bereitschaft ihr Bild zu än-
dern und eine Akzeptanz für eine mögliche Wandlung aufzubringen.210
5.2 Shanghai Library und Shanghai COC: Kooperation zwischen
Bibliothek und Wirtschaft 211
Die Shanghai Library ist seit 1952 die öffentliche Bibliothek der Stadt Shanghai.212
Sie ist neben der Nationalbibliothek in Peking die zweitgrößte Bibliothek in China.
Die Bibliothek unterhält unter anderem ein Kongresszentrum mit einer Kapazität von
3000 Plätzen sowie ein Hotel um Tagungsteilnehmern einen Aufenthalt direkt am
Tagungsort zu bieten.213 Seit 2003 unterhält die Bibliothek eine strategische Partner-
schaft mit der Shanghai COC, einer der größten chinesischen Firmen mit dem
Schwerpunkt der Gasversorgung von Städten und Kohle-basierten Chemikalien.214
Die Autoren Yimin und Zhong beschreiben die bibliothekarische Ausgangssituation
wie folgt:
The emerging and rapid growth of the Internet resources have provoked a great challenge to
public libraries with traditional reading and lending functions. The application of electronic
databases and virtual information resources, enable users to access desired information beyond
resources of libraries.215
210 Vgl. Evjen, Sunniva: Bilder av biblioteket: en kvalitativ undersokelse av Drammensbibliotekets brukere og ikke-brukere, Oslo 2007. 211 http://www.library.sh.cn/english/ (Stand: 26.08.2009) 212 Vgl. Yimin, Ge/ Zhong, Chen Shun: From Municipal Shanghai Library: How an Enterprise can get the most for ist competitive Intelligence and Project Development. In: Ratzek, Wolfgang/ Simon, Elisabeth: Wirtschaftsförderung und Standortentwicklung durch Informationsdienstleistungen. Das unterschätzte Potential von Bibliotheken, Berlin 2008, S.60 213 Vgl. Ratzek, Wolfgang/ Schreiber, Carola: Bibliotheksdienstleistungen als Beitrag zur regionalen Standortentwicklung und Wirtschaftsförderung. In: Ratzek, Wolfgang/ Simon, Elisabeth: Wirtschafts-förderung und Standortentwicklung durch Informationsdienstleistungen. Das unterschätzte Potential von Bibliotheken, Berlin 2008, S.32 214 Vgl. Yimin/ Zhong 2006, S.59 215 ebd., S.58
61
Dies würde jedoch nicht bedeuten, dass Bibliotheken ihre traditionellen Funktionen
und ihre Bedeutung verlieren würden, da sie weitere Rollen ausfüllen wie z.B „being
cultural represantatives of growing cities, and educational bases for young people,
etc.“ 216 Auf die neuen Herausforderungen müssen Bibliotheken aus Sicht der Auto-
ren in dieser Weise reagieren:
If libraries play their new functions by excavating, applying and creating knowledge services
to different social strata to meet their new requirements in this new era which is characterized
by Internet, personalization and globalization, they many become increasingly important and
will be welcomed by the people.217
Diese neuen Funktionen sind Inhalt der Zusammenarbeit mit der Shanghai COC. Sie
setzen sich aus vier Sparten zusammen:218
• Document Supply
• Market Intelligence & Research
• Technical Intelligence
• Strategic Intelligence
Diese Dienstleistungen innerhalb dieser vier Sparten werden in der Shanghai Library
vom Institute of Scientific and Technological Information of Shanghai (ISTIS) ange-
boten. Dieses 1958 gegründete Institut fusionierte 1995 mit der Shanghai Library. 219
In den einzelnen, oben aufgeführten Bereichen werden sowohl Grundlageninformati-
onen, als auch spezielle Informationen über Mitkonkurrenten der Shanghai COC
erbracht. Zudem übernimmt die Shanghai Library die Marktforschung für Produkte.
So wird beispielsweise eruiert, ob bestimmte Patente existieren oder die Produkte
eine Chance auf dem Markt haben. Informationen über die strategische Ausrichtung,
beispielsweise bei Preisänderungen von Rohstoffen, werden ebenfalls erbracht. Diese
durch die einzelnen Arbeitsbereiche erbrachten Informationen sind die Grundlage für
Entscheidungen bei der praktischen Durchführung laufender Projekte der Shanghai
COC.220
Die Partnerschaft ist vertraglich festgesetzt und wird jährlich erneuert. Hierin sind
auch die Kosten, die für die Dienstleistungen der Shanghai Library in den vier Ar-
216 Vgl. ebd., S.59 217 ebd. 218 Vgl. ebd., S.63 219 Vgl. http://www.chinaconsult.com/eintro.html#top (Stand: 26.08.2009) 220 Vgl. Yimin/ Zhong 2006, S.64-72
62
beitsbereichen für Shanghai COC anfallen, geregelt. Vertreter beider Seiten treffen
sich unregelmäßig um die Inhalte der Zusammenarbeit zu diskutieren. Hier fallen
Themen an wie z.B. die derzeitige Definition der Arbeiten und die daraus resultie-
renden Aufgaben, die Festlegung der Höhe eines Kapitalfonds zur Finanzierung der
von der Shanghai COC in Auftrag gegebenen Aufgaben und Expertisen. Außerdem
erfolgt am Ende des Jahres eine Revision der erbrachten Leistungen, erfüllter Ziele
und Evaluierung und Neudefinition von vertraglich festgelegten Zielen und Aufga-
ben.221
Es können mehrere Vorteile aus der Kooperation für den Partner Shanghai COC
festgestellt werden. Durch die Zusammenarbeit mit der Shanghai Library im Rahmen
des Arbeitsfeldes „Document Supply“ ist es den Mitarbeitern von Shanghai COC
möglich, auf hoch spezialisierte und in unterschiedlichen Stufen vorhandene Infor-
mationen zuzugreifen. Es wurde eine grundlegende, digitale Informationsinfrastruk-
tur geschaffen. COC muss keine eigene Marktforschung mehr betreiben, sondern
kann auf die professionellen Fähigkeiten der Informationsspezialisten der Bibliothek
zurückgreifen. Weiterhin assistiert die Shanghai Library der COC durch Informati-
onsbeschaffung bei der Neuakquirierung von Kunden für zukünftige Märkte. Auch
die Beobachtung der potenziellen Konkurrenten wird durch die Bibliothek sicherge-
stellt.222
Durch die Kooperation hat sich herausgestellt, dass die kreativen Informationsdienst-
leitungen der Bibliothek in der Wirtschaft angenommen und begrüßt werden. Die
Bibliothek hat sich den Ruf eines wichtigen Lieferanten für Information und Experti-
sen erarbeitet. Basierend auf den verschiedenen Modellen der Informationsdienstleis-
tungen können genaue Anforderungen der unterschiedlichen Kundengruppen erkannt
und befriedigt werden.
221 Vgl. ebd., S.63-64 222 Vgl. ebd., S.72-73
63
6. Übertragbarkeit und Nutzen der Kooperationsforschung der
BWL für das deutsche Bibliothekswesen
In Abschnitt 4 wurde festgestellt, dass Kooperationen im Bibliothekswesen eine lan-
ge Tradition haben. Vor allem Kooperationsprojekte innerhalb des deutschen Biblio-
thekswesens waren und sind sehr zahlreich und erfolgreich. Kooperationen mit ex-
ternen Partnern außerhalb des Bibliothekswesens gewinnen ebenfalls an Häufigkei-
ten.
Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die Erkenntnisse der Kooperationsforschung
der Betriebswirtschaftslehre Bibliotheken bei Bildung und Aufbau von Kooperation
nützlich und deren Annahmen übertragbar sein können.
Dagegen könnte das Argument sprechen, dass es sich bei Bibliotheken um Bestand-
teile öffentlicher Verwaltung handelt, die ihr Handeln genau den dafür bestimmten
Gesetzen und Regeln unterwerfen müssen. Zudem könnte man gegen den Nutzen
von Bestandteilen aus der BWL argumentieren, indem man den traditionellen
Schwerpunkt des privatwirtschaftlichen, am Markt handelnden Betriebs mit dem Ziel
der Gewinnmaximierung anführt.
Was für eine Nutzung spricht, ist die Tatsache, dass Bibliotheken gesetzlich vorge-
schrieben wird, sparsam mit ihren Mitteln umgeht. Gleichzeitig werden diese Mittel
immer weiter gekürzt. Somit muss mit knappen Gütern gearbeitet werden. Dieser
Tatsache sollte man sich nicht verschließen und Theorien und Empfehlungen nutzen,
die in der Betriebswirtschaftslehre für solche Umstände entwickelt und herausgege-
ben werden.
Es besteht somit Einigkeit darüber, die Annahmen der Kooperationsforschung der
BWL aus besagten Gründen zu erschließen und in Teilen bei offensichtlichem Nut-
zen entsprechend zu übernehmen sind. Es wird auch festgestellt werden, dass in vie-
len Fällen dies schon bewusst oder unbewusst der Fall ist. Im Folgenden werden die
Annahmen aus Abschnitt 2 auf möglichen Nutzen für den Gebrauch in Bibliotheken
untersucht.
Am Anfang der Planung einer Kooperation steht die Situationsanalyse, die mögli-
cherweise die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit feststellt. Hier werden Faktoren
der Umwelt, auch exogen genannt, und Faktoren innerhalb des Betriebes, als endo-
gen bezeichnet, untersucht.
64
Wenn man die Untersuchungen der Umwelt in der BWL anschaut, so stellt man fest,
dass Faktoren wie die Bedrohung durch neue Konkurrenten oder Ersatzprodukte
bzw. Ersatzdienstleistungen oder auch die steigende Verhandlungsstärke der Liefe-
ranten eine ebenso hohe Bedeutung im Umfeld von Bibliotheken haben. Einige Fak-
toren werden stärker als andere wahrgenommen. So wurde die Bedrohung durch an-
dere Konkurrenten, vor allem bibliotheksfernen, und deren Ersatzprodukte in vielen
Fällen unterschätzt. Die Existenz ist mittlerweile erkannt, wie von Dirk Lewan-
dowski beschrieben:
Bibliotheken [sind; Anm. des Autors] nur noch bedingt die erste Adresse für die Recherche
nach wissenschaftlicher Literatur. In den letzten Jahren haben sie zunehmend Konkurrenz ei-
nerseits durch die Angebote der Wissenschaftsverlage, andererseits durch die Web-
Suchmaschinen bekommen. Stärken der Suchmaschinen sind vor allem die Einfachheit der
Bedienung und die Recherche über den kompletten Datenbestand mittels einer einzigen Such-
maske.223
In seiner Schlussfolgerung hebt er den Gedanken der Kooperation bei der Bewälti-
gung der, auf die Bibliotheken zukommenden Aufgaben, hervor:
Die Aufgabe der wissenschaftlichen Bibliotheken wird es zukünftig sein, das wissenschaftliche
Web (inklusive dem Academic Invisible Web) zu erschließen. Diese Aufgabe ist aufgrund der
Masse und Komplexität nicht von einer einzelnen Bibliothek zu leisten, sondern bedarf einer
kollaborativen Anstrengung224
Dass sich die Bibliotheken diesem Druck durch die Konkurrenz der Suchmaschinen
bewusst sind, zeigt das Beispiel InfoPoint225. Hier wurde ein Auskunftsdienst, der
kooperativ organisiert wird, direkt gegen die konkurrierenden Suchmaschinen plat-
ziert. In Veröffentlichungen und Berichten,226 innerhalb wie außerhalb des Biblio-
thekswesens, positionierte man sich gegenüber dieser Konkurrenz: „Wir wollen
Google etwas entgegen setzen“, äußerte sich 2004 die Koordinatorin des Infopoint
Rita Albrecht.227
Dass Expertisen über Konkurrenz von Bibliotheken weltweit angefertigt werden,
zeigt ein Beispiel aus den USA. Auf einer Konferenz der American Library Associa-
tion (ALA) erkannte man bei einem Vortrag über die Wahrnehmung der Public Lib-
223 http://www.buzinkay.net/blog-de/2006/08/bibliotheken-und-wissenschaftssuchmaschinen/ (Stand: 26.08.2009) 224 ebd. 225 Vgl. http://www.ub.uni-frankfurt.de/questionpoint/question.html (Stand: 26.08.2009) 226 Vgl. Albrecht, Rita: Digitale Auskunft im Verbund – Ein Jahr InfoPoint Rhein-Main. In: Biblio-theksdienst 39, 2005, H.10 227 Vgl. http://www.handelsblatt.com/technologie/it-internet/bibliotheken-wollen-google-konkurrenz-machen;820218 (Stand : 26.08.2009)
65
rary Los Angeles in der Öffentlichkeit neben der Suchmaschine Google auch die
Kaffeeanbieterkette Starbucks, den größten Buchhändler Barnes & Nobles sowie
Museen als direkte Konkurrenten.228 Man geht hier also viel weiter und schließt auch
bibliotheksferne Unternehmen wie Starbucks in das Konkurrenzportfolio ein.
Ein repräsentatives Beispiel für die immer größer werdende Verhandlungsstärke von
Seiten der Lieferanten im Bereich des Bibliothekswesens, hier des wissenschaftli-
chen, ist die so genannte Zeitschriftenkrise. Ab Mitte der 1990er Jahre stiegen die
Preise für wissenschaftliche Zeitschriften vor allem im Bereich Naturwissenschaft,
Technik und Medizin (eng. Science, Technology, Medicine, kurz STM) exorbitant
an. Die Etats der Bibliotheken blieben gleich, somit mussten Abonnements abbestellt
werden, was wiederum zu einer Erhöhung der Preise durch die Verlage führte, da es
nun weniger zahlende Abonnenten gab. Es mussten neue Wege gefunden werden, die
im Bibliothekswesen z.B. in Form von kooperativem Erwerb als Konsortium disku-
tiert wurden – und immer noch werden, da sich keine positive Entwicklung der Prei-
se feststellen lässt.
Bei endogenen Faktoren ist man schon seit geraumer Zeit im Bibliothekswesen zur
Erkenntnis gelangt, dass:
„Die Zukunft der Bibliotheken liegt in Kooperationen. […] Keine Bibliothek verfügt über ge-
nügend Ressourcen, um alle Aufgaben selbst lösen zu können. Die Kunden verlangen heute
immer höhere Professionalität, Recherchen sind beispielsweise oft nur durch Spezialisten aus-
zuführen. Auch sind neue Dienstleistungen oft nur gemeinsam mit anderen Einrichtungen ein-
zuführen.“229
Bei der Herausstellung möglicher Motive für die Bildung von Kooperationen werden
ähnliche Anreize und Beweggründe festgestellt. Im Vordergrund stehen die Punkte
Kostenvorteile und Erlösvorteile. Der Nutzen und die Relevanz entwicklungspoliti-
scher Ziele sollen in Bibliotheken noch mehr in den Vordergrund gerückt werden.
Die Kostenvorteile ergeben sich für Bibliotheken aus zwei Perspektiven. Aufgrund
der, in den meisten Fällen, öffentlichen Trägerschaft sind Bibliotheken dazu ver-
pflichtet sich Haushaltsgrundsätzen zu unterwerfen. Hier müssen Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit beachtet werden. Es muss versucht werden, das erforderliche Er-
gebnis mit geringstmöglichen Mitteln aus öffentlichen Geldern zu erzielen. Durch
228 Vgl. http://blog.goethe.de/librarian/index.php?/archives/179-Konferenz-der-American-Library-Association,-Teil-6-und-Schluss.html (Stand : 26.08.2009) 229 Daniel Frank/ Neißer, Horst: Beispiel Stadtbibliothek Köln: Neue Dienstleistungen und Unterneh-menskonzepte in Öffentlichen Bibliotheken. In: Zukunft der Bibliothek – Bibliothek der Zukunft, Berlin 2001, S.70
66
die oben schon erwähnten immer größer werdenden Ansprüche der Kunden, aber
auch durch die steigende Komplexität der Umwelt von Bibliotheken kann die Bewäl-
tigung dieser Aufgaben nicht mehr innerhalb der beschränkten und stagnierenden
Etatrahmen, die viele Bibliotheken an ihre Grenzen führen, realisiert werden.
Erlösvorteile werden durch Kooperationen mit branchenfernen Unternehmen erzielt.
Für Bibliotheken ist wichtig, dass durch diese Zusammenarbeit die Erschließung
neuer Märkte möglich ist. Positives Beispiel hierfür ist die Integration von Bibliothe-
ken in Einkaufszentren. Hier können die Anna-Seghers-Bibliothek im Linden-Center
in Berlin-Lichtenberg,230 die Helene-Nathan-Bibliothek in den Neukölln-Arcaden in
Berlin-Neukölln231 oder die Städtischen Bibliotheken Braunschweig, die mit den
Schloss-Arkaden das Gebäude des rekonstruierten Schloss teilen, genannt werden.232
Durch die Nähe oder sogar die Integration in solchen Einkaufspassagen werden bib-
liotheksferne Gruppen angesprochen, die als neue Nutzer gewonnen werden können.
Einen anderen Weg geht die Bücherei Neustadt, die mit dem städtischen Freibad
zusammenarbeitet und ihre Produkte dort anbietet.233 Ebenfalls können einige Bei-
spiele aus Abschnitt 4.1.2, wie die Kooperationen der Stadtbücherei Gerlingen oder
aber die Zusammenarbeit der Stadtbibliothek Duisburg mit der städtischen Philhar-
monie in diesem Kontext genannt werden.
Die Verfolgung von entwicklungsorientierten Zielen ist im deutschen Bibliothekswe-
sen in einigen initiierten Kooperationen zu erkennen. Hier sind es vor allem die Syn-
ergieeffekte, die aufgrund begrenzter Budgets eine große Motivation sind. Das finan-
zielle Risiko wird mit der Beteiligung mehrer Partner minimiert und gleichzeitig
werden neue innovative Dienstleistungen entwickelt. Diese Ziele werden meist mit
anderen bibliothekarischen Einrichtungen verfolgt. Wünschenswert wäre es, wenn
Kooperationen mit externen Partnern forciert werden, da hier Wissen akquiriert wer-
den kann, auf das sonst keine Möglichkeit des Zugriffs besteht. Durch den Erwerb
solchen Wissens können beispielsweise mögliche neue Nutzergruppen erschlossen
werden, um im Wettbewerb mit nicht bibliothekarischen Konkurrenten zu bestehen.
Wie in der Privatwirtschaft sollte auch im Bibliothekswesen auf diese Ziele fokus-
siert werden, da in diesem Bereich noch völlig ungenutzte Potentiale vorhanden sind.
230 Vgl. http://www.morgenpost.de/berlin/article1090758/Linden_Center_mit_integrierter_Bibliothek.html (Stand: 26.08.2009) 231 Vgl. http://www.stadtbibliothek-neukoelln.de/helene.htm (Stand: 26.08.2009) 232 Vgl. http://www.braunschweig.de/kultur_tourismus/bibliotheken_archive/stadtbibliothek/ (Stand: 26.08.2009) und http://www.schlossarkaden.de/de/seite/home.php (Stand: 26.08.2009) 233 Vgl. http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11577637/61299/ (Stand : 26.08.2009)
67
Die typologische Situation von Kooperationen stellt sich nach ihrer Darstellung in
Abschnitt 4 als sehr differenziert dar. Im Vergleich sind überwiegend Unterschiede
festzustellen. Die kooperativen Unternehmungen verfolgen unterschiedliche Ziele,
sind einerseits räumlich stark verteilt und andererseits auf lokaler Ebene konzentriert.
Ebenfalls unterscheiden sich die Größe der Partnerunternehmen sowie die Anzahl
der beteiligten Partner. Zudem sind auch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen
den Kooperationspartnern unterschiedlicher Art.
Herauszustellen ist das Verhältnis zwischen Markt und Hierarchie. Kooperationen
stellen der Theorie nach eine intermediäre Koordinationsform zwischen beiden Tei-
len dar. Der Markt, auf dem Bibliotheken agieren, ist nicht so stark geprägt durch das
Verhältnis zwischen Preis und Leistung. Natürlich existiert ein bestimmter Preis für
die bibliothekarischen Dienstleistungen beispielsweise in Form eines Jahresbeitrags.
Man kann diesen Markt jedoch nicht mit wirklichen betriebswirtschaftlichen Merk-
malen beschreiben. Aus diesem Grund könnte es von Vorteil sein, Kooperationen mit
Partnern außerhalb des Bibliothekswesens zu bilden, um den stark hierarchischen
Charakter der Organisation in Bibliotheken durch neue Impulse aus seinem unbe-
weglichen, möglicherweise statischen Zustand zu befreien.
Von den erwähnten Transaktionsformen sind im Bibliothekswesen vor allem Kon-
sortien weit verbreitet. Durch sie ist der gemeinschaftliche Erwerb von kostspieligen
digitalen Produkten oder auch Medien möglich, wodurch das Titelangebot erheblich
erweitert werden kann.234 Ihren Ursprung hatten Konsortien in England und den
USA, in denen Zusammenschlüsse die Zielsetzung der „kooperative Lizenzierung
von elektronischen Medien“ hatten und haben.235
Joint-Ventures, die andere angesprochene Transaktionsform in Abschnitt 2.2.2, ist
bisher im Bibliothekswesen nicht in Erscheinung getreten. Hier bieten sich aber
Chancen für Bibliotheken, beispielsweise beim Betreiben der immer mehr verbreite-
ten Cafes innerhalb von Bibliotheksgebäuden ein Joint-Venture zu gründen und die-
ses mit einem eigenem Marketingkonzept ausstatten. Hierzu wäre eine nicht unver-
hältnismäßig große Kapitalmenge nötig, die von den beteiligten Bibliotheken aufge-
bracht werden müsste. Je größer die Gruppe an Partner wäre, desto höher würde die
Kapitalmenge ausfallen. In Zeiten schrumpfender Etats scheint dies aber in absehba-
rer Zeit keine Möglichkeit für Bibliotheken zu sein. 234 Vgl. Keller, Alice: Konsortien in Bibliotheken: eine praktische Einführung, Zürich 2002, S.33 235 Vgl. ebd., S.7
68
Kooperationen im deutschen Bibliothekswesen sind auf allen Ebenen vertreten. Die
Häufigkeit ist auf der horizontalen Ebene, die den Kooperationspartner in der glei-
chen Branche und auf der gleichen Wertschöpfungsstufe sieht, am größten. Sie sind
auf allen bibliothekarischen Arbeitsebenen vorhanden. Hier ist auf die Beispiele in
Abschnitt 4.1.1 zu verweisen. Vertikale Kooperationen, die als Merkmal die Zu-
sammenarbeit von Partnern auf aufeinander folgenden Wertschöpfungsstufen besit-
zen, wurden in den Fallbeispielen nicht genannt. Hier kann die Beteiligung von örtli-
chem Buchhandel und Bibliothek an einer gemeinsamen Kooperation erwähnt wer-
den. Ein Beispiel hierfür ist das Literatur-Team Augsburg e.V. Es definiert sich als
[…] ein Zusammenschluss von Buchhandlungen der Stadtbücherei Augsburg und den Katholi-
schen Öffentlichen Büchereien in Augsburg. Unser gemeinsames Engagement gilt unserer "Li-
teraturstadt" Augsburg. Durch vielfältige Aktionen und Veranstaltungen möchten wir das Inte-
resse an Literatur und am Lesen bei Jung und Alt in Augsburg wecken. Ein wichtiges Ziel ist
für uns eine neue, zeitgemäße Stadtbücherei, die zum Lesen einlädt und der Literatur in Augs-
burg ein Zuhause geben soll.236
Die dritte Ebene, die der lateralen Kooperation, wird in den Fallbeispielen in Ab-
schnitt 4.1.2 thematisiert.
Ein bedeutender Punkt ist die Analyse möglicher Probleme und Grenzen von Koope-
rationen. Zur Vermeidung der aufgeführten drei Problembereiche Strategische Ab-
hängigkeit, Zwischenbetriebliche Interdependenz und Divergente Zielsysteme der
Kooperationspartner ergibt sich nur der Lösungsweg der, im besten Falle vertragli-
chen Festsetzungen genauer Regeln und Grenzen bei der Definition der Kooperation.
Dies schließt aber wiederum ein Ansteigen der hierarchischen Struktur ein und führt
zur Lähmung jeder Kooperation. Es muss somit versucht werden die sensible Mitte
zwischen dem Risiko möglicher Probleme und der Verregelung der Kooperation zu
finden. Grundlage sind Vertrauen zu sich selbst, Vertrauen zum Partner und Vertrau-
en in die Kooperation. Dass es trotz vertraglicher Bindungen und dem vorhandenen
Vertrauen noch weitere Probleme bei Kooperationen mit bibliothekarischer Beteili-
gung gibt, wird in Abschnitt 4.2 näher erläutert.
Als Fazit kann gezogen werden, das es Übereinstimmungen bei der Kooperationsbil-
dung in Theorie und Praxis zwischen der, von der BWL behandelten unternehmeri-
schen Privatwirtschaft und dem hauptsächlich durch öffentliche Träger finanzierten
Bibliothekswesen gibt. Einige angesprochene Punkte können nur im übertragenen
Sinne für Bibliotheken genutzt werden, motivieren aber in diese Richtungen zu re- 236 http://www.literatur-team.de/ (Stand: 26.08.2008)
69
flektieren. Hier könnte exemplarisch die Bedeutung des Marktes und das Verständnis
von Wettbewerb angegeben werden. Man erkennt in der Analyse, dass die Überein-
stimmungen meist nur in einzelnen Punkten bei den Beispielkooperationen vorhan-
den sind. Ob dies beabsichtigt oder unbeabsichtigt geschieht, ist nicht immer ermit-
telbar. Jedoch scheint es der richtige Weg zu sein, sich bei der Erschließung der The-
orien und Annahmen der Kooperationsforschung der Betriebswirtschaftslehre einzel-
ne Punkte, die spezifisch für die eigene Bibliothek positiv und vorteilhaft geeignet
sein können, auszuwählen. Wichtig ist es zu erkennen, dass diese Wissenschaft ein
profitables Werkzeug in der praktischen Umsetzung von Kooperationen sein kein.
7. Nutzen von systemtheoretischen Ansätzen für die Kooperation
von Bibliotheken
Bibliotheken sind soziale Systeme in einer komplexen Umwelt. Die Umwelt, in der
Bibliotheken als soziale Systeme existieren und interagieren, ist die Gesellschaft.
Diese setzt sich zusammen aus weiteren sozialen Systemen, die aufgrund der Kom-
plexität auf verschiedenen Ebenen, wie Politik, Wirtschaft usw., miteinander koope-
rieren um zu bestehen. Somit kann davon ausgegangen, dass einzelne Personen nicht
direkt mit dem Ganzen der Gesellschaft verbunden sind, sondern über soziale Syste-
me, denen sie angehören.237 Bibliotheken können daher als Produkte der inneren Dif-
ferenzierung der Gesellschaft aufgefasst werden.
In Abschnitt 3.2 wurde erläutert, dass sozialen Systeme auf Basis von Sinn organisiert
sind. Auf dieser Basis entwickelt sich das Weltbild des sozialen Systems, welches den
Rahmen für die wechselseitige Abgrenzung zur Umwelt bildet. Bibliotheken als sozi-
ale Systeme grenzen sich somit wechselseitig von ihrer Umwelt ab. Durch Verände-
rung in der Gesellschaft, also durch einen Wandel in der Umwelt der Bibliothek,
müssen Grenzen neu definiert werden. Einhergehend mit dieser Neudefinition muss
auch der Sinn der Bibliothek, der Zweck ihres Handelns geprüft werden. Ein Beispiel
ist der Paradigmenwechsel im Bibliothekswesen von der Bestandsorientiertheit zum
Informationszugang, also vom ausschließlichen Bewahren hin zu Vermitteln von In-
formation. Für die einzelne Bibliothek ist es wichtig, nicht nur innerhalb des Kollek-
tivs des Bibliothekswesens den Weg der Reflexion zu gehen, sondern es muss in der
einzelnen Bibliothek die Sinnfrage gestellt werden, um das eigene Profil in der sie
237 Vgl. Wang, Weiguo: Bibliotheken als soziale Systeme ihrer Umwelt, Köln 1989, S.20
70
umgebenden Umwelt zu finden.238 Gerade im Wettbewerb in der Vermittlung von
Informationen gegenüber anderen Anbietern, die beispielsweise ausschließlich das
Internet für ihre Angebote nutzen, müssen Positionen festgelegt werden, die die Bib-
liothek erfolgreich auf diesem Markt positionieren.
Auch wenn gerade die Einzelposition einer Bibliothek herausgestellt wurde, muss
trotzdem der systemtheoretische Aspekt des vernetzten Denkens beachtet werden.
Soziale Systeme „hängen also von Elementen außerhalb ihrer selbst ab, um bestehen
und funktionieren zu können, weil sie aus sich selbst heraus nicht alles erhalten, was
sie zur Erfüllung ihrer Funktionsvoraussetzungen brauchen.“ 239 Als Beispiel kann das
Fernleihsystem genannt werden. Um die Funktion der Versorgung mit Informations-
mitteln zu gewährleisten, müssen Bibliotheken in Kooperation zusammenarbeiten.
Wenn sich eine einzelne Bibliothek nun entgegen der kooperativen Linie verhält,
kann dies zu negativen Auswirkungen auf das ganze System führen. Dies wiederum
hat Einfluss rückwirkend auf das Verhalten der einzelnen Bibliothek, da sie durch ein
mögliches Nichtfunktionieren des Leihverkehrs in ihrer Strategie- und Sinngebung
gestört wird.240
Es kann festgestellt werden, dass kooperatives und vernetztes Verhalten aufgrund der
Vernetzungen der sozialen Systeme eine wichtige Rolle spielt:
Generell kann man sagen, dass Bibliotheken als ausdifferenzierte soziale Systeme trotz ihrer
Ausgegliedertheit funktionale Interdependenz zu anderen gesellschaftlichen Systemen bewah-
ren Sie hängen also von Elementen außerhalb ihrer selbst ab, um bestehen zu können, weil sie
aus sich selbst heraus nicht alles erhalten, was sie zur Erfüllung ihrer Funktionsvoraussetzun-
gen brauchen.241
Somit stehen Bibliotheken im ständigen Austausch mit anderen sozialen Systemen
ihrer Umwelt, ein Zustand, der aus ihrer Aufgabe des Anbietens von Dienstleistungen
für diese anderen sozialen Systeme resultiert. Dies wiederum lässt neue zusammen-
hängende Systeme mit einzelnen Systemen als Elemente entstehen. Deren Verhältnis
untereinander muss nicht auf direktem Wege sein, wie Wang folgendermaßen be-
schreibt:
238 Vgl. Simon, Theresia: Die Positionierung einer Universitäts- und Hochschulbibliothek in der Wissensgesellschaft – Eine bibliothekspolitische und strategische Betrachtung, Frank-furt am Main 2006, S.13 239 Wang 1989, S.26 240 Vgl. Simon 2006, S.18 241 Wang 1989, S.26
71
Es lässt sich aber unterstellen, dass Systemelemente nicht notwendigerweise in direkter Bezie-
hung zueinander stehen, sondern meist mittelbar über eine lange Entfernung und viele Ver-
knüpfungspunkte oder über kognitive Beziehungen miteinander verbunden sind.242
Um die Bedeutung der Systemtheorie für die Kooperationsbildung im Bibliothekswe-
sen zu verstehen, müssen auch die Felder Komplexität und Kontingenz in der Sys-
temtheorie näher betrachtet werden.
Wie in Abschnitt 3.4 erläutert, wächst die Komplexität der Umwelt, also die Verände-
rungen innerhalb dieser und die Anzahl an sozialen Systemen an. Gleichzeitig exis-
tiert eine eigene, innerhalb des sozialen Systems vorhandene Binnenkomplexität. Auf
diese wachsende Komplexität muss sich auch eine Bibliothek einstellen. Sie muss
sich aufgrund der Dynamik der Veränderung der Umwelt schnell auf neue Umwelt-
bedingungen einstellen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob sie dies allein bewerkstel-
ligen kann und zudem muss beachtet werden, dass die Möglichkeit besteht, durch die
Binnenkomplexität des eigenen Systems ausgebremst zu werden. Somit stellen sich
als Bibliothek drei Fragen:
• Werden die Veränderungen in der Umwelt, die die Bibliothek betreffen, re-
gistriert? Geschieht dies rechtzeitig?
• Ist eine Reaktion mit dem Hintergrund der eigenen Binnenkomplexität mög-
lich, oder werden die Veränderungen der Umwelt als Gefahr angesehen und
abgewehrt?
• Gibt es soziale Systeme mit denen die Bibliothek in Verbindung steht und die
diese Veränderungen der Umwelt und ihrer sozialen Systeme in einem größe-
ren Maße analysieren können oder die mit den sich verändernden Systemen
vertrauter sind?
Die letzte Frage führt uns zum Begriff der Kontingenz. Kontingenz bedeutet die Frei-
heit des Handelns der einzelnen Systeme, aber auch die Unberechenbarkeit des Han-
delns der einzelnen Systeme. Die Kontingenz trägt zur Komplexität der Umwelt bei.
Sie erschwert in zunehmendem Maße das Treffen von Entscheidungen und erzeugt
Konflikte. Um diese Konflikte zu reduzieren und zu meiden ist es von Vorteil Part-
nersysteme zu finden, die bestimmte Veränderungen der Umwelt registrieren und
identifizieren. Somit würden Handlungsalternativen gemeinsam in einem Netzwerk
gesucht und gefunden werden. Gleichzeitig könnten Konflikte für die beteiligten Sei-
242 ebd., S.65
72
ten möglicherweise minimiert und gemeinsam positive Optionen der Reaktion auf
Umweltentwicklungen erschlossen werden.
Folgendermaßen könnte ein Beispiel aussehen: Eine öffentliche Bibliothek will eine
ihrer gesellschaftlich relevanten Funktionen wahrnehmen. Beispielsweise kann sie
mit Ausländervertretungen in ihrer Stadt kooperieren, um Kindern mit Migrationshin-
tergrund Schulungen in Medien- und Informationskompetenz zu bieten. Die Anforde-
rungen in der Umwelt haben sich in diesem Bereich erhöht.243 Durch die Vertretun-
gen werden Kontakte zu den Kindern über deren Eltern hergestellt, da kein direkter
Kontakt zwischen ihnen und der Bibliothek oder deren Subsystemen besteht. Die
Zielgruppe wird erreicht und das Erlernen von Medien- und Informationskompetenz
in Angriff genommen.
Dieses Beispiel zeigt natürlich in verkürzter Form einen Idealfall auf. Wichtig in sol-
chen neu gebildeten Systemen, ist nicht das Was, die Menge aller Eigenschaften der
einzelnen Komponenten, sondern das Wie, die Art und Weise der Interaktion. Es
spielen nur einige, selektive strategische Momente eine Rolle für das Funktionieren
der Kooperation. Hier zählt die Qualität des Zusammenspiels zur Erreichung der
Zieldefinition.
Den Umstand, dass eine Bibliothek allein in der Umwelt nicht mehr bestehen kann
beschreibt Wang wie folgt:
[…], daß die Einzelbibliothek als ein relativ geschlossenes adaptives System, das Störungen in-
folge von Umweltbedingungen durch interne (primäre) Regulationen ausgleichen kann, auf
sich allein gestellt ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen ist. Sekundäre Regulationen, die zu
neuen Systembildungen zwingen, sind die notwendige Folge.244
Als problematisch könnte sich erweisen, wenn der gewählte Partner aufgrund der
Kontingenz nicht das gewünschte, für die Kooperation passende Handlungsmuster
zeigt und aufgrund seines Verhaltens eine positive und produktive Zusammenarbeit
sowie die Zieldefinition der Kooperation verfehlt wird.
Die Gefahr der Entstehungen von Konflikten durch die Komplexität der Umwelt und
der Kontingenz kann als latent bezeichnet werden. Um dieses Gefahrenpotential bei
der Entscheidungsfindung zu minimieren, müssen Teile aus der Umwelt selektiert
werden. Der Konflikt entsteht dann, wenn sich die Vorstellungen über die Relevanz
243 Vgl. Kissau, Kathrin: Internetnutzung von Migranten – ein Weg zur Integration?. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, H.39, 2008, S.23-28 244 Wang 1989, S.56
73
einzelner Optionen unterscheiden.245 Das würde beim genannten Beispiel mit den
Zielvorstellungen, also dem Erreichen von Medien- und Informationskompetenz bei
Kindern mit Migrationshintergrund, oder der definierten Form zur Erreichung dieser
Zielvorstellung mit dem Partner, was der praktischen Umsetzung der Kooperation
entspräche, übereinstimmen.
Bevor es überhaupt zu Kooperationen kommt, muss die Bibliothek als soziales Sys-
tem die Veränderungen der Umwelt wahrnehmen und die entsprechenden Hand-
lungsoptionen in ihre Operationslogik übernehmen. Solange dies nicht geschieht,
werden keine Reize und Reaktionen aus und auf die komplexe Umwelt verarbeitet.
Das würde bei unserem Beispiel bedeuten, dass die Bibliothek die Notwendigkeit der
Medien- und Informationskompetenz aufgrund der Veränderungen in der Umwelt
erkennt. Mit der Basis dieser Erkenntnis wird die Operationslogik überdacht und es
werden neue Handlungsoptionen erstellt, wie z.B das Angebot an Schulungen. Wei-
terhin wird die Frage aufgeworfen, welche sozialen Systeme und die darin agierenden
Personen, von der Bibliothek mit ihren Dienstleistungen bedient werden sollen. Hier
würden zum Beispiel veröffentlichte Studien Auskunft geben, die sich mit der Prob-
lematik des Aneignens von Medien- und Informationskompetenz beschäftigen. Wenn
nun festgestellt wird, dass Kinder mit Migrationshintergrund Probleme in diesem
Bereich besitzen, und die Bibliothek dies durch die Studien zur Kenntnis nimmt und
als Reiz aufnimmt, wird die Operationslogik neu gebildet und die Handlungsoptionen
darauf abgestimmt. Es besteht aber immer die Gefahr, dass diese neuen Handlungsop-
tionen nicht greifen. Deswegen ist bei einer proaktiven und antizipatorischen Ände-
rung der Handlungsoptionen immer darauf zu achten, wie die Reaktion der Umwelt
ausfällt. Diese Änderungen sollten in mehreren Schritten vollzogen werden um die
Akzeptanz der betroffen sozialen Systeme zu erlangen.246
Dieses Autopoeiese-Konzept, also grob gesagt die ständige Hinterfragung des sozia-
len Systems und seiner Operationslogik, ist essentiell, um sich zu erneuern und die
bibliothekseigene Syntax und Semantik der wahrgenommenen Umwelt anzupassen.
Wenn dem so ist, also die Erkenntnis hat zur Änderung der Operationslogik und so-
mit zur Neugestaltung der Handlungsoptionen geführt, besteht immer noch die Ge-
fahr der Nichtakzeptanz der Zielsysteme. Um diese zu mindern und zu vermeiden 245 Simon 2006, S.21 246 Rösch, Hermann: Academic Libraries und Cyberinfrastructure in den USA: Das System wissen-schaftlicher Kommunikation zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Wiesbaden2008
74
müssen soziale Systeme angesprochen werden, die in direktem Kommunikationsaus-
tausch mit den Zielsystemen, in unserem Beispiel die Kinder mit Migrationshin-
tergrund, stehen. In unserem Beispiel sind dies die Ausländervertretungen innerhalb
der Stadt in der unsere öffentliche Bibliothek wirkt. Mit dem gewählten Beispiel wird
eine Kooperation mit einem „externen“ sozialen System erläutert. Auch bei Koopera-
tionen mit ähnlichen Systemen, in unserem Fall Bibliotheken, durchläuft das eigene
System die gleichen beschriebenen Prozesse.
Ein wichtiger, abschließender Aspekt ist die Organisation der Steuerung einer mögli-
chen Kooperation von sozialen Systemen. Hier wird vor allem die Frage aufgewor-
fen, ob es sinnvoll ist hierarchische Organisationsformen oder Alternativmodelle zu
nutzen. Gerade hierarchische Modelle setzen genaue Aufgabendefinition für alle
Teilaufgaben einer Zusammenarbeit mehrerer Partner fest. Es müssen bei einer mög-
lichen Kooperation die Dimensionen, die die steigende Komplexität der Umwelt be-
schreiben, beachtet werden. Hier muss gefragt werden, ob die hierarchische Struktur
eines Organisationsmodells überhaupt flexibel reagieren kann und nicht in einen stati-
schen Zustand verfällt und diesen noch weiter ausdehnen wird. Im Zusammenhang
mit Komplexität und Kontingenz wird es schwer werden mit einem solchen hierarchi-
schen Steuerungsmodell eine Kooperation erfolgreich zu lenken. Andererseits kann
davon ausgegangen werden, dass bei Alternativmodellen die Möglichkeit des Schei-
terns aufgrund fehlender Hierarchien besteht, wenn die Partner es nicht verstehen,
kooperativ und produktiv ohne hierarchische Steuerung miteinander zu arbeiten.
Die angesprochenen Dimensionen in Abschnitt 3.6 lassen eine Schlussfolgerung in
jedem Fall zu. Die Entwicklung der Umwelt wird immer komplexer, die Anforderun-
gen immer spezialisierter. Diese Spezialisierung kann nur noch von einzelnen sozia-
len Systemen übernommen werden. Ein System allein kann nicht mehr alle Speziali-
sierung und Facetten dieser Komplexität in sich vereinigen und produktiv arbeiten.
Dies gilt insbesondere für Bibliotheken, da sie eine große Anzahl von Verbindungen
in die Umwelt und zu diversen anderen sozialen Systemen unterhalten. Hier ist es
unumgänglich andere soziale Systeme als Kooperationspartner zu gewinnen, beson-
ders auf den speziellen Feldern, die von der Bibliothek nicht abgedeckt werden kön-
nen.
Wenn wir nun die einzeln angesprochenen Bestandteile der Systemtheorie und die
entsprechenden Einordnungen bezüglich des sozialen Systems betrachten, ergibt sich
ein differenziertes Bild des Verhältnisses Umwelt und Bibliothek. Gerade für das
75
Eingehen von Kooperationen ergeben sich hilfreiche Ergebnisse durch die Analyse
mit Hilfe der Systemtheorie.
Durch das Hinterfragen der eigenen Operationslogik und den daraus resultierenden
Handlungsoptionen bekommt man einen Überblick, inwieweit das eigene System
noch mit den Ansprüchen der Umwelt korrespondiert. Zudem kann eruiert werden,
wann die Notwendigkeit von Kooperationen mit sozialen Systemen besteht, die nicht
in direkter Verbindung mit dem eigenen System stehen. Somit ist es möglich, die
Vielschichtigkeit des wechselseitigen Verhältnisses zwischen System und Umwelt in
ihrer Komplexität aus verschieden Perspektiven zu beleuchten. Dadurch sind Er-
kenntnisse möglich, die aus einer einfachen Betrachtung der eigenen Position nur
schwer realisierbar wären.
8. Möglichkeiten der Übernahme ausländischer Kooperationsmo-
delle und Aufbau neuer Szenarien
Bei Betrachtung der beiden angeführten Beispiele fällt auf, dass die Bibliotheken
versuchen, sich an die sie betreffenden, sich ändernden Umweltbedingungen anzu-
passen. Dies geschieht in beiden Fällen in einem erstaunlichen Umfang.
Wenn man das erste Beispiel näher analysiert, fällt auf, wie wichtig Rahmenbedin-
gungen und der Wille zur Veränderung sind. Durch die norwegische Bibliotheksge-
setzgebung und die dafür zuständige Behörde werden Grundlagen für mögliche Neu-
erungen und Innovationen gelegt, die so in Deutschland aufgrund des Föderalismus,
aber auch aufgrund der in den meisten Bundesländern nicht existierenden Biblio-
theksgesetze, in diesem Rahmen nicht möglich sind.
Die Fusionen von Bibliotheken und die damit verbundene engere Zusammenarbeit
sind auch in Deutschland in einigen Fällen durchgeführt worden.247 Die Fusionen
werden aber meist entweder im wissenschaftlichen oder im öffentlichen Biblio-
thekswesen vollzogen. In den meisten Fällen hängt dies mit prognostizierten Budget-
entlastungen der betroffenen Träger zusammen. Jedoch gibt es auch Fälle, wie die
angestrebte Zusammenlegung der Stadtbibliotheken Sindelfingen und Böblingen, bei
denen die einmaligen Fusionierungskosten den Verantwortlichen zu hoch sind und
sie das Projekt nicht durchführen, trotz großer Vorteile für den Nutzer.248 Fälle von
Zusammenschlüssen wissenschaftlicher mit öffentlichen Bibliotheken sind sehr sel-
247Vgl. Weibel, Julia: Zusammenschlüsse und Fusionen im Bibliotheksbereich, Köln 2006 248Vgl. http://www.szbz.de/no_cache/nachrichten-neuigkeiten/artikel-detail/news/Ern%C3%BCchterung%20im%20Fusions-Rausch.html (Stand: 26.08.2009)
76
ten. Die Zusammenlegung der wissenschaftlichen Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund mit den Städtischen Volksbüchereien Dortmunds 1988, die beide vorher
ihren Sitz im gleichen Gebäude hatten, jedoch durch eigene Eingänge und Treppen-
häuser konsequent getrennt waren, 249 ist wohl einer von wenigen Ausnahmefällen in
Deutschland. Seit 1999 hat diese fusionierte Bibliothek ihren Sitz in einem modernen
Bibliotheksgebäude, in der keine Trennung der beiden Bibliotheksbereiche, öffent-
lich und wissenschaftlich, mehr sichtbar ist. Dies hat große Vorteile für den Kunden,
den es entspricht dem norwegischen Bild einer Bibliothek für alle Nutzerschichten
ohne Übergänge und Barrieren. Problematisch erscheint das Selbstverständnis der
Bibliotheksbediensteten. Wie in der Schilderung der Fusion in Drammen zu erken-
nen war, hatten die Bibliothekare der beiden Bereiche Vorbehalte gegenüber dem
Vorhaben der Zusammenlegung. In Deutschland würden solche Pläne wohl auf ähn-
liche Reaktionen stoßen. Die Vision einer Bibliothek für alle, also Einschließung
aller Altersklassen und Nutzergruppen ist eine weiter zu verfolgende Vision, da hier
die Verankerung der Bibliothek innerhalb der Gesellschaft und die Förderung des
gesellschaftlichen Miteinanders in erheblichem Maße unterstützt und begünstigt
wird. Die Sambibliotek in Drammen stellt für diese Vision das Idealbild dar. Es be-
steht die Möglichkeit sich dieser Vision schrittweise zu nähern, indem Kooperatio-
nen aufgebaut werden, die die Räumlichkeiten eines gemeinsamen Gebäudes nicht
ersetzen können, aber einen Gemeinschaftssinn der Nutzer fördern können. Beispiel
dafür wäre ein gemeinsamer Bibliotheksausweis von wissenschaftlichen und öffent-
lichen Bibliotheken in einer Stadt, so dass vermehrt verschiedene Gruppen statusu-
nabhängig aufeinander treffen.
Hervorzuheben sind zudem die Synergieeffekte, die gerade in Zeiten der Budget-
knappheit und der finanziellen Probleme der Kommunen aus einer Kooperation ge-
zogen werden können. Als Beispiel kann hier der zusammengeführte, größere Be-
stand sowie ein auf allen Stufen spezialisiertes Personal genannt werden. Dies er-
zeugt Zeit- und Verbundeffekte. Diese Verbundeffekte werden aus der Nutzung von
Gemeinsamkeiten gezogen.
Das Beispiel der Shanghai Library zeigt eine andere Richtung auf. Hier entsteht ein
Bewusstsein der Bibliothek als Informationsdienstleister. Man erkennt die eigenen
249 Vgl. Unverfehrth, Gabriele: Häuser für Bücher und Menschen – Architektur und Geschichte der Dortmunder Bibliotheksgebäude. In: Lesen verbindet. 100 Jahre Stadt- und Landesbibliothek Dort-mund. Heimat Dortmund. Stadtgeschichte in Bildern und Berichten. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V. in Verbindung mit dem Stadtarchiv Dortmund. Jg. 2007, H. 1, S.17
77
Stärken der vorhandenen Ressourcen und versucht diese als Dienstleistungen anzu-
bieten. Es muss ein Gegengewicht zur Konkurrenz anderer, durch die digitale Ent-
wicklung entstandener Anbieter geschaffen werden. Das Internet verführt ehemalige
Nutzer dazu, die Bibliothek zu meiden. Diesem Trend muss entgegengewirkt wer-
den, indem sich die Bibliothek auf ihre Funktionen besinnt, Informationen zu finden,
sie zu prüfen und zu erschließen und in neu kreierten Dienstleistungen anzubieten:
Nur so ist es möglich ihren Einfluss und ihre Existenzberechtigung zu wahren:
Recession of some conventional library functions has resulted in great loss of ist attractions to
most of the researches, technicians and experts who now use Internet more at office or at home
rather than in libraries. Libraries innovate ist knowledge services by cooperating with business
society, scientific & technical organizations, and goverment agencies. These are effective ways
to expand its influences in the new century. [...] Hence, both the library and the customer
benefit from such kind of cooperation.250
Vor allem der letzte Satz stellt die Bedeutung von Kooperationen mit externen Part-
nern klar heraus. Bibliotheken müssen Konkurrenz erkennen und sich bewusst wer-
den, was der eigene Vorteil gegenüber dieser ist.
Der nächste Schritt wäre die Wahl entsprechender Kooperationspartner. Diese hängt
immer von den eigenen Ressourcen ab. Als Beispiel können besondere fachspezifi-
sche Bestände, konventionelle wie digitale, oder spezialisiertes Personal benannt
werden. Dieses Personal würde die aufwendigen Recherchen und Aufbereitungen
von Information auf die vom Kooperationspartner benannten Problemfelder abstim-
men und entsprechende Lösungsvorschläge anbieten. Hier müssen Bibliotheken pro-
aktiv vorgehen und ihre Leistungen bewerben. Sobald die Partner die Qualität von
Dienstleistungen erkennen, werden sie diese weiter in Anspruch nehmen.
Wenn wir die Ergebnisse bilanzieren, ergibt sich ein vorbildhaftes, beinahe prototy-
pisches Bild der beiden gewählten Beispiele für den Nutzen von Kooperationen. Bei
der Analyse müssen jedoch immer die Rahmenbedingungen, in denen solche Koope-
rationsprojekte entstanden oder entstehen, beachtet werden. Ohne förderliche Rah-
menbedingungen, wie die Bibliotheksgesetzgebung in Norwegen, wäre es beinahe
unmöglich solche Projekte in die Realität umzusetzen. Es stellt sich dann die Frage,
wozu diese Beispiele für Kooperationsbildungen in Deutschland dienen sollen. Die
Antwort ist, dass man die Essenz, die Visionen aus diesen Zusammenarbeiten er-
schließen und nutzen sollte. Es geht hier nicht um die genaue Umsetzung einer Vor-
lage, da dies völlig unmöglich ist, sondern mehr um die Erkenntnis des Sinns, der 250 Yimin/ Zhong 2006, S.74
78
hinter diesen Projekten steckt. Es ist die Erkenntnis, dass sich die Umwelt der Biblio-
theken immer in hohem Tempo verändert. Die Kooperationen sind Reaktionen auf
diese Veränderungen, um weiterhin die Daseinsberechtigung der Bibliothek zu ge-
währleisten. Das entstandene Bild zeigt ein modernes Bibliothekswesen, welches
proaktiv auf seine Umwelt reagiert, um in dieser weiterhin zu bestehen und genutzt
zu werden. Als Ergebnis kann herausgestellt werden, dass Bibliotheken in Deutsch-
land sich von solchen Beispielen bei der Bildung von Kooperationen inspirieren las-
sen sollen, ihre Stärken und Schwächen ausmachen und für sie wichtige Punkte in
die eigenen Planungen einschließen. Vor allem der Gedanke der sich verändernden
Umwelt und der sich verändernden Bedürfnisse des Nutzers, ob Einzelperson oder
Unternehmen, sollte bei der Realisierung von kooperativen Projekten immer präsent
bleiben.
9. Schluss
In dieser Arbeit wurde ein breites Spektrum möglicher Hilfsmittel zur Bildung von
Kooperationen von Bibliotheken erläutert. Von der Kooperationsforschung der Be-
triebswirtschaftslehre über die Systemtheorie bis zu neueren Entwicklungen koopera-
tiver Modelle von Bibliotheken im Ausland wurde eine große Bandbreite an Mög-
lichkeiten angesprochen, die natürlich nicht als vollständig angesehen werden kann.
Die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Alternativen existieren, um sich der Kooperati-
onsbildung von Bibliotheken zu nähern, ist hoch.
Die gewählten Wege machen es jedoch möglich, das System oder die Institution Bib-
liothek aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Der Vorteil dieser Nutzung
unterschiedlicher Ansätze ist es, ein komplexes Bild der Situation der betreffenden
Bibliothek und deren Umwelt zu erhalten.
Wenn dies mit der Realität der vorhandenen Kooperationen im deutschen Biblio-
thekswesen verglichen wird, ergibt sich ein stark differenziertes Bild. Hier wurde ein
großer Teil an positiven Beispielen herausgearbeitet, aber es zeigten sich auch Män-
gel in einigen Kooperationen. Als Beispiel können hier die Deutsche Internetbiblio-
thek oder einige der Virtuellen Fachbibliotheken genannt werden. Es ergibt sich ein
Eindruck der unbeabsichtigten Abgrenzung zur Umwelt. Ein qualitatives Produkt
wird entwickelt, was aber einerseits nicht unter Einbeziehung einer Untersuchung der
Umwelt oder besser gesagt der Zielsysteme und andererseits der Umwelt auch nicht
kommuniziert wird. Es sind proaktiv entwickelte Ergebnisse von Kooperationen, die
79
aber nur in geringem Maße vermittelt werden. Hier wäre eine Betrachtung mit Hilfe
der Systemtheorie zur Erschließung der Situation und Position des eigenen Projekts
von immensem Vorteil.
Die Untersuchungen der möglichen Überschneidungen und Nutzen der behandelten
Theorieansätze für die Kooperationsbildung in Bibliotheken werden wie folgt zu-
sammengefasst.
Die Annahmen der Kooperationsforschung der Betriebswirtschaftslehre entsprechen
in vielerlei Gebieten der Kooperationsbildung im Bibliothekswesen. Ursachen sind
die Einsparung von Ressourcen und die daraus zu erzielenden Synergieeffekte. In
einigen Bereichen, wie beispielsweise den Entwicklungsorientierten Zielen sind noch
nicht genutzte Potentiale vorhanden, die bisher nur in geringem Maße erschlossen
sind. Insgesamt können Merkmale der Kooperationsforschung bei entsprechenden
Kooperationen mit Bibliotheken beobachtet werden, jedoch scheint hier eher unbe-
absichtigt vorgegangen worden zu sein. Man kann also nur teilweise von Kooperati-
onsplanung unter Vorgabe der Theorien der BWL im Bibliothekswesen sprechen.
Hier können noch Verbesserungen erreicht werden.
Der Nutzen der Systemtheorie für die Kooperationsbildung hat sich in der Betrach-
tung folgendermaßen herausgestellt. Die Analyse der Umwelt führt zu einer Sensibi-
lisierung für das direkte und indirekte Umfeld der Bibliothek. Aus dieser Analyse
heraus können mögliche Partner in Form von anderen sozialen Systemen gezielt ge-
ortet werden. Schwierig wird diese Analyse vor allem hinsichtlich Komplexität und
Kontingenz der Umwelt. Trotzdem sollten hier die positiven Aspekte hervorgehoben
werden. Nur so erkennt eine Bibliothek welche sozialen Systeme noch möglicher-
weise in ein Netzwerk eingebunden werden können. Wichtig ist noch einmal zu be-
tonen, dass aufgrund der Dynamik der Umwelt eine solche Analyse große Priorität
hat, um dem Sinn der eigenen Institution gerecht zu werden.
Es sollten beide Theorieansätze, die Kooperationsforschung der Betriebswirtschafts-
lehre und die Systemtheorie bei der Bildung von Kooperationen herangezogen wer-
den. Es besteht die Möglichkeit nur Teile beider Theorieansätze zu nutzen, da einige
Komponenten auf die eigene Bibliothek nicht zutreffen können. Beispielsweise trifft
auf alle Bibliotheken zu, dass diese aufgrund ihrer öffentlichen Trägerschaft kein
nach Gewinn strebendes Unternehmen darstellen und somit spezielle, darauf abzie-
lende Annahmen nicht genutzt werden können.
80
Zudem sollte auch immer ein Blick über die Grenzen geworfen werden. Ausländi-
sche Modelle sollten nicht in ihrer Gesamtheit übernommen werden, da in den jewei-
ligen Ländern andere Rahmenbedingungen, wie beispielsweise Bibliotheksgesetze,
gelten. Dennoch sind sie als Inspiration für mögliche und geplante Kooperationen als
gewinnbringend anzusehen.
Als Ergebnis wird festgehalten, das eine interdisziplinäre Mischung aus den beiden
behandelten Theorieansätzen und den Beobachtungen aus dem Ausland vorteilhafte
Lösungsansätze für die Bildung von Kooperationen bieten können.
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