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Kolumbien auf der Suche nach Macondo „Kolumbien?“ fragten unsere Bekannten, als wir von den neuen Reiseplänen erzählten. „Aber da seid Ihr doch schon gewesen!“ Ja, richtig, vor zwei Jahren hatten wir neben der Hauptstadt Bogotá die Kaffeezone des Landes und die Ausgrabungen bei San Agustin kennengelernt. Diesmal wollten wir den karibischen Norden Kolumbiens besuchen und Orte wie Valledupar, Barranquilla und Aracataca ansehen. Sie finden kaum Erwähnung im Reisekatalog, stellen aber Stationen im Leben des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márques dar. Und da wir sein Buch „100 Jahre Einsamkeit“ gelesen hatten, wollten wir vor allen Dingen das legendäre Städtchen Macondo kennenlernen. Glücklicherweise konnten wir einen Direktflug von Frankfurt/Main nach Bogotá buchen, so dass wir keinen Zwischenaufenthalt in Madrid hatten. Nach etwas mehr als 11 Stunden erreichten wir unser Ziel. Es war inzwischen früher Abend und in Bogotá wurde es gerade dunkel. Reiseleiterin Anita erwartete uns. Wir verabredeten uns zur Stadtrundfahrt am nächsten Morgen. Bogotá und Guatavita Am Morgen zeigte der erste Blick aus dem Fenster nasse Straßen. Der Cerro Monserrate, den wir eigentlich mit der Seilbahn besuchen sollten, hüllte sich in dichte Wolken. Anita schlug vor, den Besuch der Lagune Guatavita vorzuverlegen und vorher noch den Künstlermarkt im Stadtteil Usaquén zu besuchen, der jeden Sonntag stattfindet und immer unzählige Wochenendbesucher anzieht, sowohl Einheimische als auch Touristen. Wir waren sehr früh dran, die Stände wurden erst aufgebaut, aber das Angebot überraschte uns doch. Es gab Kunsthandwerk in jeder Form, Schmuck, Spielzeug, Süßigkeiten, verschiedene Teesorten, Zimmerpflanzen. Man sah die von Indianern angefertigten Molas, zum Teil zu Handtaschen oder Kissen verarbeitet. Man bestaunte zierliches Puppengeschirr und winzige Weihnachtskrippen, die selbst in einer Eierschale Platz fanden. Es regnete leicht, als wir Bogotá in Richtung Guatavita verließen. Anita nutzte die Zeit, uns mit der Geschichte der Lagune und der Sage des „El Dorado“ bekannt zu machen. „Die Lagune,“ begann sie, „war für die Ureinwohner des Landes, die Muisca-Indianer, eine heilige Stätte. Jeder neu gewählte Häuptling, der sogenannte Zipa, ruderte vor Amtsantritt mit seinen Getreuen auf einem

Kolumbien - Miller Reisen · Kolumbien auf der Suche nach Macondo „Kolumbien?“ fragten unsere Bekannten, als wir von den neuen Reiseplänen erzählten. „Aber da seid Ihr doch

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  • Kolumbienauf der Suche nach Macondo

    „Kolumbien?“ fragten unsere Bekannten, als wir von den neuen Reiseplänen erzählten. „Aber da seid Ihr doch schon gewesen!“ Ja, richtig, vor zwei Jahren hatten wir neben der Hauptstadt Bogotá die Kaffeezone des Landes und die Ausgrabungen bei San Agustin kennengelernt. Diesmal wollten wir den karibischen Norden Kolumbiens besuchen und Orte wie Valledupar, Barranquilla und Aracataca ansehen. Sie finden kaum Erwähnung im Reisekatalog, stellen aber Stationen im Leben des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márques dar. Und da wir sein Buch „100 Jahre Einsamkeit“ gelesen hatten, wollten wir vor allen Dingen das legendäre Städtchen Macondo kennenlernen. Glücklicherweise konnten wir einen Direktflug von Frankfurt/Main nach Bogotá buchen, so dass wir keinen Zwischenaufenthalt in Madrid hatten. Nach etwas mehr als 11 Stunden erreichten wir unser Ziel. Es war inzwischen früher Abend und in Bogotá wurde es gerade dunkel. Reiseleiterin Anita erwartete uns. Wir verabredeten uns zur Stadtrundfahrt am nächsten Morgen.

    Bogotá und GuatavitaAm Morgen zeigte der erste Blick aus dem Fenster nasse Straßen. Der Cerro Monserrate, den wir eigentlich mit der Seilbahn besuchen sollten, hüllte sich in dichte Wolken. Anita schlug vor, den Besuch der Lagune Guatavita vorzuverlegen und vorher noch den Künstlermarkt im Stadtteil Usaquén zu besuchen, der jeden Sonntag stattfindet und immer unzählige Wochenendbesucher anzieht, sowohl Einheimische als auch Touristen. Wir waren sehr früh dran, die Stände wurden erst aufgebaut, aber das Angebot überraschte uns doch. Es gab Kunsthandwerk in jeder Form, Schmuck, Spielzeug, Süßigkeiten, verschiedene Teesorten, Zimmerpflanzen. Man sah die von Indianern angefertigten Molas, zum Teil zu Handtaschen oder Kissen verarbeitet. Man bestaunte zierliches Puppengeschirr und winzige Weihnachtskrippen, die selbst in einer Eierschale Platz fanden.

    Es regnete leicht, als wir Bogotá in Richtung Guatavita verließen. Anita nutzte die Zeit, uns mit der Geschichte der Lagune und der Sage des „El Dorado“ bekannt zu machen. „Die Lagune,“ begann sie, „war für die Ureinwohner des Landes, die Muisca-Indianer, eine heilige Stätte. Jeder neu gewählte Häuptling, der sogenannte Zipa, ruderte vor Amtsantritt mit seinen Getreuen auf einem

  • Floß hinaus auf den See und reinigte sich in dem klaren Wasser von dem Goldstaub, den man auf seine Haut aufgetragen hatte. So brachte er den Göttern ein Opfer, während seine Begleiter goldene Gegenstände im See versenkten. Wahrscheinlich entstand daraus die Legende von „el Dorado“, dem goldenen Menschen. Man vermutete in der Lagune einen unermesslichen Goldschatz. Schon im 16.Jahrhundert versuchten die Konquistadores diesen Schatz zu heben und ließen Sklaven in monatelanger Arbeit das Wasser des Sees ausschöpfen. Man fand zwar einiges Gold, war aber eher enttäuscht. Ein reicher Kaufmann versuchte um 1560, das Seeufer sozusagen aufzuschneiden, um das Wasser abzulassen. Acht Jahre lang beschäftigte er Tausende von Indianern, aber die Wände des Grabens stürzten ein und blockierten den Abflusskanal. Man sieht den V-förmigen Einschnitt am Ufer noch heute. Es gab im Laufe der Zeit noch mehrere Versuche, den See trockenzulegen, aber der vermutete Schatz wurde bis heute nicht gefunden.“

    Die Lagune Guatavita, ein beinahe kreisrunder Bergsee von ca 350 m Durchmesser, entstand durch einen Meteoriteneinschlag. Berge und dichte Wälder umrahmen das Gewässer. Man kann verstehen, dass hier für die einstigen Ureinwohner, dem Volk der Muisca-Indianer, ein heiliger Ort war, der „Nabel des Universums.“ Heute führt ein befestigter Wanderweg rund um den See, immer wieder unterbrochen von sogenannten Miradores, wo man einen besonders sehenswerten Ausblick auf die Lagune geniesst. Leider lag Guatavita heute im Schatten. Graue Wolken am Horizont verhinderten das leuchtende Blau des Wassers,

    das wir von Bildern kannten.

    Wir waren etwas atemlos, die für uns ungewohnten 3.000 Meter Höhe machten uns doch zu schaffen. „Hurra, der Gipfel!“ pustete ich nach der letzten kurzen Steigung. „Na, die sind aber auch überall,“ hörte man eine Stimme aus der Gruppe von Jugendlichen vor uns. So kamen wir mit sieben jungen Deutschen, fünf Damen und zwei Herren, ins Gespräch, die in Bogotá ein soziales Jahr absolvierten. Sie waren schon seit sieben Monaten in Kolumbien, waren begeistert von Land und Leuten und bedauerten, dass schon mehr als die Hälfte ihres Aufenthaltes verstrichen war.

    Nach dieser Anstrengung hatten wir uns das Mittagessen im Ort „Guatavita la Nueva“ redlich verdient. Anita schlug Ajiaco vor, die typische Kartoffel- oder Hühnersuppe Kolumbiens. Wir machten große Augen, als aufgetragen wurde: neben der erwarteten und ziemlich großen Schüssel Suppe erhielt jeder noch: ein Schälchen Reis, einen Hähnchenschenkel, ein Stück Avocado, ein Stück Mais, Kapern und saure Sahne. Die Mischung schmeckte hervorragend, und wir waren mehr als satt. Zum Glück schloss sich noch ein kurzer Rundgang durch das malerische Städtchen an. Dann war es aber allerhöchste Zeit, nach Bogotá zurückzufahren.

    Wir schafften den Einlass ins Goldmuseum gerade noch rechtzeitig. Zwar blieb uns zur Besichtigung nur eine gute Stunde, ehe um 17 Uhr die Lichter ausgingen, aber wir hatten dafür diese wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt fast ganz für uns. In den hell erleuchteten Vitrinen sind etwa 35.000 Artefakte aus der vorspanischen Zeit ausgestellt. Man sieht Figuren und Gegenstände aus Gold, Silber und Platin, darunter auch die Objekte, die in der Lagune Guatavita gefunden wurden. Wir bewunderten aufs neue die unwahrscheinliche Geschicklichkeit der Ureinwohner Kolumbiens, die diese filigranen Dinge herstellen konnten.

  • Die Sammlung ist sortiert nach ihrer kulturellen Herkunft. Das kleine Floß aus Gold, das Balsa Muisca, steht in einer eigenen Vitrine. Es ist sozusagen das wichtigste Stück der Sammlung und belegt mit seinen winzigen goldenen Figuren den Mythos des El Dorado.

    ZipaquiráDas Städtchen Zipaquirá liegt nur etwa 1 Autostunde von Bogotá entfernt. Seine Hauptattraktion ist natürlich die berühmte Salzkathedrale, zu der Anita folgendes erzählte: „Schon die Muisca-Indianer bauten lange vor Ankunft der Spanier das Salz in den Bergen rund um Zipaquirá ab. Es war für sie ein wertvolles Handelsgut, mit dem sie einigen Wohlstand erwarben. Die Geschichte der Salzkathedrale begann allerdings mit Alexander von Humboldt. Er empfahl seinerzeit, zum Abbau des wertvollen Salzes Stollen in die Berge zu treiben. In den leergeräumten Gängen entstand in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die sogenannte „alte Kathedrale“, die allerdings vor einigen Jahren wegen Einsturzgefahr geschlossen werden musste. Man baute an ihrer Stelle unsere heutige Catedral de Sal, die eines der größten religiösen Bauwerke der Welt ist. Sie bedeckt eine Fläche von ca 8.500 Quadratmeter, ist 120 Meter lang, 16 Meter hoch und dreischiffig. Der tiefste Punkt liegt 80 Meter unter der Erde.“

    Schon bei unserem Besuch in Kolumbien vor zwei Jahren hatten wir die Salzkathedrale gesehen. Damals allerdings fand in den Räumen eine Feier der Polizei statt. Die Gänge waren voller Menschen, technische Geräte und Beleuchtung verstopften das riesige Kirchenschiff. Trotzdem waren wir beeindruckt.

    Der diesjährige Besuch zeigte uns eine völlig veränderte Kirche. Schon am Eingang überraschten uns bunte Lichterbögen an der Decke, die die Rundung des Stollens nachzeichneten. An den 14 Stationen des Kreuzweges begegneten wir nur wenigen Menschen. Die geheimnisvollen blauen und silbernen Lichter hinter den Kreuzen und seitlichen Tunnelsystemen verbreiteten eine unwirkliche und feierliche Stimmung. Bänke luden zum Verweilen ein. Die Salzkristalle an den Wänden glitzerten weiß oder bunt. Man blickte vom Kreuzweg hinunter in die Kathedrale. Ein riesiges Kreuz aus Salz beherrschte den Raum. „Schaut mal,“ fragte Anita, „steht es auf dem Boden oder schwebt es?“ Wir konnten uns nicht entscheiden. Erst als wir am Altar vorbeigingen sahen wir, dass es aus einem gigantischen Salzblock herausgearbeitet war.

    Der Weg führte in einer sanften Steigung wieder nach oben, wo zahlreiche Händler ihre Stände aufgebaut hatten. Devotionalien und Schmuck, insbesondere Smaragde, konnte man kaufen, die lt. Anita sogar von guter Qualität waren. Eine zumindest für uns neue Höhle mit der Darstellung der einstigen Ureinwohner, der Muisca, fiel uns auf. Dem Anschein nach handelt es sich um einen Häuptling mit seinem Gefolge. Zu ihren Füßen schimmern „Smaragde“. Uns erinnerte die Gruppe an die Lagune Guatavita und die Sage von El Dorado.

  • Eine weitere Attraktion hinter all den Verkaufsständen und Cafés ist der Salzspiegel, espejo de sal. Einst war es eine Sole, heute spiegelt sich in dem Wasser die glitzernde Decke des Stollens, eine verblüffende Wirkung. Auf der anderen Seite des Raumes ist das „Kino“. Natürlich sahen wir auch heute den netten 3-D-Film, der eine Reise durch die verschiedenen Etappen des Salzabbaues zeigte.

    Meist vergisst man beim Besuch der Salzkathedrale die „andere Kirche“ Zipaquirás, die im klassischen Kolonialstil erbaute Kathedrale de San Antonio de Padua aus dem Jahre 1880. Man findet sie an der idyllischen Plaza de los Comuneros. Der Platz ist umgeben von historischen Gebäuden in unterschiedlichen Stilrichtungen mit auffallend malerischen Balkonen. Der Palacio Municipal steht hier, und die Casa de Gobierno. Und es gab ein kleines Café, in dem man uns Kuchen in typisch kolumbianischen Portionen servierte. Wir hatten anschließend den Eindruck, für mindestens 24 Stunden satt zu sein.

    Auf dem Weg zurück nach Bogotá machten wir noch einen Abstecher zum „Liceo Nacional de Varones“, einer ehemaligen Schule, die Gabriel García Márques besucht hatte. Heute befindet sich in dem Gebäude ein Kulturzentrum mit Fotos und Erinnerungsstücken des Nobelpreisträgers. Die interessierten Besucher aus Europa konnten die Ausstellung leider nicht sehen. Man hatte die Kartons mit den wertvollen Unterlagen noch nicht ausgepackt.

    Neu für uns war im historischen Zentrum Bogotás das Museo Botero, das seit 2000 existiert und von der Banco de Republica gesponsert wird. Die eigenwilligen Werke des bekanntesten zeitgenössischen bildenden Künstlers Kolumbiens sind unverwechselbar. Er stellt mit Vorliebe gut genährte Menschen dar, sowohl in Bildern als auch als Skulpturen. Sogar die Mona Lisa kam nicht ungeschoren davon. Ihr erstaunliches neues Portrait hängt im Museum neben den Werken anderer internationaler Künstler wie z.B. Picasso, Miró, Degas und Monet, die die Ausstellung ergänzen.

    Zum Abschluss unseres Rundganges führte uns Anita noch durch das „Callejón del Embudo“, die wahrscheinlich älteste Straße in Bogotá. Die groben Pflastersteine und hohen Bürgersteige sprechen dafür. In dem engen Gässchen findet man die zur Zeit angesagtesten Kneipen der Jugend Bogotás. Und wir bemerkten, dass schon reichlich Alkohol konsumiert wurde. Das war auch der Grund, weshalb wir den Abend nicht im „El Gato Gris“ verbrachten. Das Lokal lag einfach zu nahe am Callejón. Wir suchten uns ein kleines gemütliches Restaurant nahe am Hotel und aßen bei Kaminfeuer und kolumbianischer Musik.

    ValleduparHeute klingelte der Wecker schon um 5 Uhr. Kofferpacken war angesagt, denn für uns war ein Flug nach Valledupar gebucht, um 8 Uhr in der Frühe! Anita holte uns pünktlich am Hotel ab und half beim Einchecken. Dann verabschiedeten wir uns von ihr und ihrem Sohn Gil, der uns zwei Tage lang getreulich von Ort zu Ort gefahren hat.

    In Valledupar begrüßte uns Reiseleiter Eduardo. Mit ihm sollten wir die nächsten 10 Tage verbringen. Nach dem kühlen und gelegentlich regnerischen Wetter in Bogotá war die Hitze in Valledupar der reinste Temperaturschock. Wir waren froh, dass Eduardo uns zunächst ins Hotel am Rande der Stadt brachte und uns erst gegen 15 Uhr zu einem Stadtrundgang treffen wollte.

  • Das Hotel Sonesta ist ein großes, modernes und zweckmäßiges Gebäude. Hier wohnen vornehmlich Tagungsteilnehmer und Geschäftsreisende. Natürlich fielen zwei Rundreise-Touristen aus Europa sofort auf. Besonders die junge Dame, die während des Mittagessens an unserem Tisch saß, hatte unzählige Fragen.

    Eduardo führte uns zunächst in die idyllische Umgebung der Stadt. Wir unternahmen einen Spaziergang am Fluss Guatapurí. „Kaltes Wasser“ heißt der Name auf Deutsch. Unzählige kleine Kneipen gab es am Ufer, Tische standen unter schattigen Bäumen, man spielte Cumbiamusik. Familien badeten in dem kühlen Wasser, die jungen Burschen übten Kopfsprünge, manche wuschen auch mal schnell das Fahrrad im Fluss. Wir schielten ob der Hitze neidisch auf die Badeszene.

    Valledupar ist die Hauptstadt des Departamentos de Cesar am Rio Guatapurí und die Stadt des Vallenatos, der jährlich Ende März mit großen Musikveranstaltungen und Straßenumzügen gefeiert wird. Das riesige Wandbild „Mural Leyenda Vallenato“ in der Stadt und die Statue einer Tänzerin gegenüber unserem Hotel geben Zeugnis davon.

    Es wurde unerträglich heiß, als wir mit Eduardo durch die engen Straßen der Altstadt gingen. Man sah noch reetgedeckte alte Häuser mit Wänden aus Lehm, die vor vielen Jahren gebaut wurden und die auch in den kleinen Dörfern noch zu finden sind. Wir bewunderten malerische Balkone und kleine Geschäfte. Aber welcher Tourist kann sich schon die Namen aller Kirchen merken, die man während einer Rundreise besichtigt? Wir sahen die moderne Kathedrale und die alten Kirchen und fotografierten eifrig. Aber wer heißt wie?

    An der Plaza Alfonso López mit dem interessanten Revolutionsdenkmal „La revolución en marcha“ ruhten wir schließlich auf einer Bank unter dem großen Mangobaum aus, sahen den Passanten zu und hörten Eduardos Vortrag über die Geschichte der Entstehung Kolumbiens und die verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Strömungen im Land. Ein Polizist kam vorbei, begrüßte uns mit Handschlag, fragte, woher wir denn kommen und wünschte uns viel Spaß für die weitere Reise.

    Die Hitze des Tages war wohl der Grund, weshalb wir am Abend noch das riesige Einkaufszentrum gegenüber dem Hotel besuchten und uns mit einer Menge Selterswasser versorgten. Damit waren wir bestens gerüstet für die Fahrt nach Riohacha am nächsten Tag.

    RiohachaRiohacha, unser nächstes Ziel, ist die Hauptstadt der Provinz Guajira. Es ist ein trockenes Land, durch das wir fahren. Trotz Fischerei, Kohle- und Erdgasvorkommen ist die Bevölkerung in diesem Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Venezuela sehr arm und muss jede Möglichkeit nutzen, den Lebensunterhalt zu bestreiten.Immer wieder sahen wir am Straßenrand Verkaufsstände mit 20 oder 30 Kanistern voller Benzin. „Se vende Gasolina“ las man auf dem Pappschild an der Straße.

  • Jugendliche, mit einem Schlauch in der Hand, winkten Autos zum Betanken heran. In Wikipedia lasen wir später: “Durch die Nachbarschaft zu Venezuela hat sich eine zwar illegale, jedoch weitgehend geduldete Schattenwirtschaft entwickelt.“ Unser Reiseleiter drückte es so aus: „Die Menschen der Guajira leben zum großen Teil vom Schmuggel. Benzin z.B. ist in Venezuela äußerst billig, bei uns in Kolumbien aber sehr teuer. Große Tankwagen fahren täglich über die Grenze und verkaufen den Treibstoff an die kleinen Straßenhändler, die zu günstigem Preis weiterverkaufen. Tankstellen können da nicht mithalten und müssen schließen.“ Wir haben so manche verfallene Tankstelle am Straßenrand gesehen.

    Die Ureinwohner der Provinz Guajira waren die Arhuacos und die Wayúu. Diese Indianerstämme wohnen in eigenen kleinen Siedlungen, genannt Rancherias, und haben ihre ursprüngliche Lebensweise bis heute bewahrt. Sie betreiben Landwirtschaft, verkaufen aber auch Kunstgewerbliches wie z.B. farbenfrohe gestrickte Taschen, Gürtel, Schals , Mützen und Freundschaftsbänder. An der Uferpromenade in Riohacha sahen wir Dutzende indianischer Händler, die ihre Waren präsentierten.

    Am Nachmittag hatten wir Gelegenheit, eine Rancheria der Wayúu zu besuchen. Vanessa, die Tochter der Kazikin des Dorfes, empfing uns. Von ihr erfuhren wir viel über die Bräuche des Stammes. „Bei uns Wayúu gibt es das Matriarchat,“ erzählte sie uns. „Meine Mutter ist die Kazikin, also nicht die Frau des Häuptlings, sondern das Oberhaupt des Dorfes. Mädchen stehen im Rang höher als Jungen, denn sie sorgen für das Fortbestehen unserer Gemeinschaft und erben auch den Besitz der Familie.“

    Wir erfuhren viel über den Zusammenhalt der Familien in den Dörfern, über Hochzeits- und Bestattungsriten. Vanessa selbst war gerade aus Berlin zurückgekehrt, wo sie auf der Internationalen Tourismusbörse Botschafterin der Wayúu gewesen ist.

    Natürlich lernten wir auch die Tänze der Wayúu kennen, vorgeführt von einigen Kindern in der traditionellen Tracht, und natürlich wurden auch wir Touristen mit einbezogen, sehr zur Belustigung der Kids. Die Frauen der Rancheria überraschten uns mit einem schmackhaften Ziegengulasch und mit Chicha. Nun ja, Chicha ist für uns Europäer etwas gewöhnungsbedürftig, aber probieren sollte man sie doch.

    Nach der Hitze des Tages war der abendliche Spaziergang mit Eduardo am Malecon sehr erholsam. Wir sahen Familien am Strand, begutachteten das Warenangebot der Wayúuhändler, warfen einen Blick auf die frischgefangenen Fische, bekamen Appetit und aßen Fisch in einem Restaurant am Strand.

    Tayrona NationalparkDie Plaza mit der gotischen Kathedrale Nuestra Señora de los Remedios lag direkt hinter unserem Hotel und zählt zum kolumbianischen Nationalerbe. Wir besichtigten sie am frühen Morgen vor unserer Fahrt zum Nationalpark Tayrona. Auf der Plaza erwachte zu dieser Zeit erst das Leben.

  • Händler bauten ihre Stände auf, ein fleißiger Schuhputzer hatte schon einen Kunden gefunden, Menschen standen wartend vor einem Amt. Wir schlenderten weiter zu dem Kolossalgemälde„Mural Francisco el Hombre“, das dem legendären Akkordeonspieler und Sohn Riohachas gewidmet ist. Die Farben sind ein wenig verblasst und könnten eine Auffrischung vertragen.

    Etwa drei Stunden dauerte anschließend die Fahrt zum Tayrona Nationalpark. Bananenplantagen säumten unseren Weg, es regnete streckenweise. Eduardo hielt an einem der zahreichen Obststände am Straßenrand. Bananen, Papayas, Pflaumen, Orangen und mehr gab es hier. Er kaufte eine Frucht, die einer riesigen grünen Bohne glich und etwa einen halben Meter lang war. Die Kerne im Inneren hatten ein süßes weißes Fruchtfleisch. Leider haben wir ihren Namen vergessen.

    Der Tayrona Nationalpark, so hatten wir unterwegs von Eduardo erfahren, ist Teil der Sierra Nevada de Santa Marta und umfasst etwa 12.000 Hektar ursprünglichen Regenwald. Als wir ankamen, standen am Eingang schon unzählige Besucher, meistens jüngere Wanderer mit Rucksack. Wir mussten uns anmelden und ließen das Auto mit dem überzähligen Gepäck auf dem Parkplatz zurück. Die restlichen Taschen und Jacken vertrauten wir einem Muli an, das schwer beladen davonzog. Voll Spannung begannen wir unsere Wanderung zum Strandabschnitt von Arrecifes.

    Die Gegend war malerisch. Der Weg führte durch Regenwald, man sah Bäume mit Bretterwurzeln, Lianen, Palmen und vor allen Dingen viele unbekannte Büsche und Pflanzen. Zwischendrin verstreut lagen riesige Felsen mit merkwürdig glatter Oberfläche, bewachsen mit Moos. Sie erinnerten an überdimensionale Kieselsteine am Strand, die jahrelang von Wasser und Wellen abgeschliffen wurden. Durch die Mittagshitze und hohe Luftfeuchtigkeit gestaltete sich das Laufen und Klettern über die Riesensteine doch ziemlich stressig. Für den Weg hatte ich am Morgen eine leichte Sommerjeans ausgesucht. Ich wurde eines besseren belehrt, denn alle anderen Wanderer trugen Shorts. Ich beneidete sie. Ziemlich ausgepowert erreichte ich schließlich unser Häuschen im Park, Cabaña 6. Es war zweistöckig, hatte insgesamt 5 Betten, außerdem eine geräumige Terrasse mit großer Hängematte, die ich sofort besetzte.

    Pacho, ein halbwildes junges Äffchen, besuchte uns auf der Terrasse. Es sprang ohne Scheu auf den Tisch und untersuchte mit lautem Brummen und Schmatzen leere Bierdosen, die Karlheinz und Eduardo dort abgestellt hatten. Wir tauschten sie schnellstens gegen einige Kekse aus, die Pachito gerne knabberte. Anschließend kuschelte er sich auf meinen Schoß, ließ sich kraulen und machte keine Anstalten, jemals wieder auf seinen Baum zu klettern. Zwei Gärtner, die Pachos Aktivitäten aus einiger Entfernung immer im Auge behalten hatten, wollten ihn schließlich in den Park zurückbringen. Er fletschte unwillig die Zähne und zeigte ein zwar kleines, aber recht kräftiges Gebiss. Erst auf ein energisches Wort des Chefs trollte er sich.

  • Die schönen Strände des Tayrona-Nationalparkes bzw. einen kleinen Teil davon, lernten wir am nächsten Tag kennen. Am Strandabschnitt von Arrecifes war wegen des starken Wellenganges und unberechenbarer Meeresströmungen das Baden verboten. In der Bucht von „La Piscina“, die man nach kurzer Wanderung erreicht, konnte man jedoch unbesorgt schwimmen und unter einem Baum im Schatten relaxen. Wanderer zogen vorbei und fragten Eduardo nach dem Weg zu den Ruinen von „El Pueblito“, dem uralten Indianerdorf. Andere überkletterten die riesigen Felsen zum nächsten Strand.

    Auch der Nachmittag war sehr erholsam. Wir schlenderten durch die Parkanlage rund um die Cabañas, sahen uns das Hängemattenlager und den Campingplatz näher an, schossen Fotos und sahen auch Pacho wieder, der gerade eine Banane verspeiste.

    Die Wanderung am nächsten Morgen zurück zum Haupteingang des Parkes war einfach traumhaft. Wir liefen heute auf dem Mulipfad, den man lediglich bei trockenem Wetter begehen kann. Zu dieser frühen Stunde waren nur wenige Wanderer unterwegs. Man hatte den Eindruck, ganz allein im Regenwald zu sein. Vogelstimmen waren zu hören und auch das Konzert einer Brüllaffenfamilie. Gelegentlich säumten hohe Felsen den Weg. Nach einiger Zeit kamen uns Mulis entgegen. Sie trugen unermüdlich Gepäck, Baumaterial oder Fensterscheiben für das neue Informationszentrum bei Arrecifes nach oben. Viel zu schnell erreichten wir den Haupteingang, wo wir auf dem Sammelplatz der Mulis unsere Koffer und Taschen wiederfanden. Vor dem kleinen Bürogebäude, in dem wir uns vor zwei Tagen angemeldet hatten, stand eine lange Reihe neuer Besucher. Sie wollten das Wochenende im Tayrona-Nationalpark verbringen. Um die Wahrheit zu sagen: Ein wenig neidisch waren wir schon, denn wir wären gerne noch geblieben.

    Santa Marta Santa Marta, die Hauptstadt der Provinz Magdalena, wurde 1525 gegründet, ist eine der ältesten Siedlungen auf dem südamerikanischen Kontinent und hat eine wechselvolle Geschichte. Gold, das die Konquistadores den Indianern geraubt hatten, wurde von hier nach Spanien verschifft. Von hier starteten die Eroberungszüge ins Hinterland. Die Stadt wurde von Piraten, Freibeutern und Indianern angegriffen. Heute ist Santa Marta eine große Hafenstadt mit modernen Hotels und Vergnügungsstätten, vom alten historischen Stadtkern ist jedoch nicht viel geblieben.

    Die wichtigste Sehenswürdigkeit ist natürlich die Quinta de San Pedro Alejandrino. Hier verbrachte der südamerikanische Freiheitskämpfer und Nationalheld Simon Bolívar die letzten Tage seines Lebens, ehe er am 17. Dezember 1830 starb. Ursprünglich zur Produktion von Zucker, Honig und Rum gebaut – eine alte Zuckerrohrmühle erninnert noch heute daran - , wurde die Quinta nach dem Tod des „Libertador“ zu einer riesigen Erinnerungsstätte für Bolívar. Seine

  • Marmorstatue steht am Weg. Die Räume der Lodge, in der er starb, sind originalgetreu erhalten. Noch heute wachsen im Park vor dem Herrenhaus die riesenhaften Samanbäume und Tamarinden, zwischen denen Bolívars Hängematte aufgespannt war. Ein riesiges Mausoleum aus weißem Marmor wurde ihm errichtet, zu dem die Besucher der Quinta pilgern und die Statue Bolívars betrachten. „Colombia al Libertador“ steht über dem Eingang.

    Ein Rundgang durch die Gassen der Altstadt schloss sich an. Wir besichtigten die Kathedrale, die die älteste Kolumbiens sein soll und fanden zur Mittagszeit ein einfaches, aber sehr nettes Lokal an der Uferpromenade.

    Ein Paradies für Taucher und Surfer ist das kleine Städtchen Taganga in der Nähe von Santa Marta. Ehemals ein verschlafenes Fischerdorf, wurde es zu einem Treffpunkt von Rucksacktouristen und Hippies aus aller Welt. Rund um die Bucht findet man am Malecon kleine Buden und Kneipen. Händler bieten ihre Souvenirs an. Wir spazierten mit Eduardo durch die Menge, genossen die Stimmung und warteten auf den Sonnenuntergang. Ein sogenannter Althippie lag in seiner Hängematte unter einem Baum an der Straße und trank in aller Ruhe sein Bier. Sein Rucksack hing an einem Ast über ihm. Musiker spielten auf der Strandpromenade, die Leute tanzten dazu. Es herrschte Partystimmung die ganze Nacht.

    Aracataca und BarranquillaUnsere Rundreise folgte den Spuren des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márquez, und heute sollten wir Aracataca sehen, wo er am 6. März 1927 geboren wurde und als Kind im Hause seiner Großeltern lebte. Bananenplantagen säumten unseren Weg, wir passierten eine Eisenbahnlinie und kamen in ein kleines verschlafenes Dorf. Die farbenfrohen Häuser sahen sehr gepflegt aus, es gab eine kleine Plaza mit blendend weißer Kirche. Auffallend viele Fahrradrikschas fuhren durch die Straßen. Dies also war Aracataca, das legendäre Vorbild für den fiktiven Ort Macondo aus dem Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“, das die Geschichte der Familie Buendia erzählt, die von aller Welt abgeschnitten in einem kleinen Dorf im Dschungel Kolumbiens lebt. Interessierte Touristen wollen natürlich vor allem das „Casa Museo

    de Gabriel García Márquez“ sehen, das im historischen Zentrum Aracatacas liegt. Ursprünglich stand an dieser Stelle das Haus der Großeltern des Schriftstellers, in dem er seine ersten zehn Lebensjahre verbrachte. Allerdings wurde dieses Gebäude vor mehr als 40 Jahren abgerissen. Nach dem Vorbild des alten Hauses entstand das Anwesen neu und ist heute Museum. Zitate aus dem Büchern von Márquez zieren die blendend weißen Wände. Wer „100 Jahre Einsamkeit“ gelesen hat, erkennt das Haus wieder: die Veranda mit den Blumentöpfen, den Speiseraum, die Küche, die Karamell-Tierfiguren. Sogar die kleine Werkstatt, in der im Buch die unzähligen Fische aus Golddrähtchen entstanden, wurde nachempfunden. Das Telegrafenamt, in dem der Großvater des Dichters arbeitet, ist ebenfalls ein Museum mit den alten Apparaten und Schreibmaschinen.

  • Das Bahnhofsgebäude mit der goldfarbenen Aufschrift „Aracataca“ ist groß und gut erhalten. Allerdings hält hier kein Zug mehr. Es fährt lediglich zweimal am Tag ein Güterzug mit Kohle durch den Ort, endlos lang und von zwei Lokomotiven gezogen. 96 Wagen waren es nach Auskunft des Schaffners. Im Buch war dies der Bahnhof von Macondo, von dem aus ein Güterzug mit Tausenden erschossener Plantagenarbeiter ans Meer fuhr, um diese Menschen einfach verschwinden zu lassen.

    Der Bürgermeister von Aracataca plante vor einigen Jahren, den Namen der Stadt zu ändern in „Aracataca-Macondo“. Allerdings scheiterte dies am Widerstand der Bürger. Trotzdem ist der Name des legendären Ortes erhalten. Der Billardclub des Städtchens heißt „Billares de Macondo“.

    Barranquilla, unser nächstes Ziel, ist ebenfalls mit dem Schriftsteller García Márquez verbunden. Er besuchte hier die Schule und arbeitete eine Zeitlang bei der Tageszeitung „El Heraldo“. Er war zudem Mitglied der sogenannten Barranquilla-Gruppe, einem Freundeskreis von Künstlern, die sich regelmäßig in der Bar „La Cueva“ trafen. Das La Cueva ehrt diese speziellen Gäste noch heute. Große Fotografien der Gruppe zieren die Wände. Für uns war ein Abendessen in dem legendären Lokal vorgesehen.

    Ein „Muss“ für jeden, der Barranquilla besucht, ist das Museum der Karibik. Mitten im historischen Zentrum der Stadt entstand ein moderner Komplex, in dem es ingesamt fünf thematische Räume zu Natur, Kultur und Geschichte der kolumbianischen Karibik gibt. Man kann sich Filme zu diversen Themen ansehen, eine Sammlung von Werkzeugen der verschiedenen Epochen wurde ausgestellt, in besonderen Boxen kann man die Sprachen der Indianerstämme des Landes hören. Besonders nett ist der letzte Raum. Musik empfing uns schon an der Tür, feurige Tänzer und grazile Tänzerinnen bewegten sich zu heißen Rhythmen. Aber es waren leider nur Hologramme, die kolumbianische Volkstänze zeigten.

    Neu eröffnet wurde die Macondo-Mediathek. Der Raum ist dem Redaktionsbüro nachempfunden, in dem Gabriel García Márquez seinerzeit arbeitete. Im Viertelstundentakt zeigt man hier einen Film mit modern und witzig dargestellten Szenen aus den Romanen des Schriftstellers.

    Wir wohnten im Hotel Prado im Stadtteil Bellavista, einem prächtigen Bau aus den 30-er Jahren, in dem seinerzeit die High Society residierte. Seinen Charme hat das Haus bis heute bewahrt. Man blickt von der Terasse in einen tropischen Garten, findet dort den Swimmingpool unter Palmen und sieht flinke Kellner Drinks servieren. Selbst der nostalgische Aufzug, den ein Hotelboy bedienen musste, ist etwas besonderes. Wegen seiner Architektur wurde das Hotel zum „Nationalen Monument“ erklärt und ist staatlich. Man sucht einen Käufer.

    Eduardo ist in Barranquilla zu Hause und wohnte bei seiner Familie. Wir wollten seine Frau Yvonne gerne kennenlernen und waren zu viert zum Abendessen im „La Cueva“ verabredet. Leider war das Lokal ausgerechnet an diesem Abend geschlossen. Wir fanden ein anderes Restaurant und verbrachten einen netten und unterhaltsamen Abend. Das „Innenleben“ des La Cueva sahen wir in einem Bildband, den Eduardo am nächsten Tag mitbrachte.

  • Cartagena de IndiasCartagena de Indias ist die Hauptstadt des Departamentos Bolívar und das Ziel unzähliger Kreuzfahrtschiffe aus aller Welt. Zur Zeit der Eroberung Südamerikas durch die Spanier waren es die Schiffe von Piraten und Freibeutern, die Cartagena ansteuerten, lagerte doch hier das geraubte Gold der Ureinwohner, das nach Europa verschifft werden sollte. Den zahlreiche Überfällen sowohl der Piraten als auch der einheimischen Bevölkerung verdankt Cartagena seine mächtige Stadtmauer und die Festungsanlagen. Selbst Klöster wurden zu wehrhaften Burgen. Die Stadt galt als uneinnehmbar.

    Schon von weitem sahen wir die Mauern des ehemaligen Augustinerklosters Convento de La Popa, das auf der Ruine eines zerstörten indianischen Tempels errichtet wurde und heute ein Museum ist. Eine enge kurvenreiche Straße führt nach oben. Vor dem Tor standen statt der ehemaligen Piraten die Händler mit Souvenirs, um den Touristen das Geld aus der Tasche zu locken. Wir besichtigten das Museum, die Klosterkirche „Nuestro Señora de la Candelaria de la Popa“ und genossen die Aussicht auf die Stadt.

    Ebenso wehrhaft wie La Popa ist das Castello San Felipe. Von den Wachttürmen blickt man weit ins Land und übers Meer. Einige der alten Kanonen drohen ins Tal. Ein labyrinthartiges Tunnelsystem und unterirdische Pulverkammern machten das Kastell uneinnehmbar. Die engen Tunnel zu begehen ist natürlich eine Herausforderung für neugierige Touristen. Wir tasteten uns vorsichtig an den Wänden entlang. „Wenn Ihr auf Grundwasser stoßt solltet Ihr umkehren,“ scherzte ein entgegenkommender Wanderer. Nach einiger Zeit wurden Weg und Stufen wirklich so nass, dass wir lieber den Rückweg antraten.

    Zum Rundgang durch die Altstadt verabredeten wir uns mit Eduardo der Hitze wegen für den späteren Nachmittag. Unser Reiseleiter wollte in der Zwischenzeit seinen Vater besuchen, der in Cartagena wohnt. Wir bezogen unser Zimmer im Hotel Monterrey, das am Paseo de Los Mártires liegt. Die Kaimauer Muelle de los Pegasos mit den beiden schwarzen Rössern und der bekannte Uhrturm Torre del Reloj lagen direkt vor unserer Tür.

    Am Paseo oder Camellón de los Mártires stehen die Marmorbüsten der wichtigsten Freiheitskämpfer, die während der Unabhängigkeitskriege ums Leben kamen. Eduardo las uns gewissenhaft die eingravierten Namen und Daten vor. Durch den Torbogen mit dem Uhrturm gelangten wir zum Portal de los Dulces, schielten begehrlich nach den Köstlichkeiten aus Schokolade, Kokos, Zucker und kandierten Früchten aller Art. Weiter ging es zur Plaza de los Coches, wo früher Sklaven verkauft wurden. Heute fahren von hier aus die Pferdekutschen Touristen aus aller Welt durch die engen Gassen.Auf dem Platz steht die Statue des Stadtgründers Pedro de Heredia. Man sieht gepflegte Kolonialhäuser mit wunderschönen Balkonen voller Blumen, besichtigt die Kathedrale und geht durch die Calle de las Damas, wo nach einer Legende die Jungfrau von Candelaria erschienen ist. Es gibt unendlich viele schöne Plätze, Parks und Gebäude in Cartagena. Unsere Stadtführung dauerte bis nach Anbruch der Dunkelheit.

  • Der nächste Tag war für uns frei. Wir nutzten ihn, um uns nochmals die malerische Altstadt anzusehen, gelangten zur Plaza de Santo Domingo mit der gleichnamigen Kirche. Glücklicherweise war sie heute geöffnet. Vor den beiden Restaurants am Platz wurden gerade die Tische eingedeckt. Wir besuchten Boteros Gertrude und lächelten über die modernen Metallskulpturen rund um den Platz, die „ganz normale Menschen“ darstellen, einen Straßenmusikanten, Schachspieler, eine Näherin usw. Das Goldmuseum Cartagenas war leider geschlossen. „Kommen Sie morgen um 10Uhr wieder,“ meinte der Aufsichtsbeamte. Wir fanden einen Souvenirladen, in dem es Ansichtskarten und Briefmarken gab, schrieben unsere Grüße gleich an Ort und Stelle und warfen die Post in den vorgesehenen blauen Kasten.

    Die heiße Mittagszeit verbrachten wir auf der Dachterrasse des Hotels unter einem Sonnenschirm am Pool. Und natürlich mussten wir am Nachmittag die traditionelle Kutschfahrt durch die Altstadt nachholen, die wir bei unserem ersten Besuch verpasst hatten.Wir saßen danach lange in einem kleinen Park, hörten der Musik aus einem Restaurant zu und schlenderten anschließend zurück ins Hotel. Wir mussten eine kleine Reisetasche für die Übernachtung in Mompox packen. Die Koffer sollten bis zu unserer Rückkehr am übernächsten Tag im Kofferraum stehen bleiben.

    MompoxMompox liegt, ca 6 Stunden Autofahrt von Cartagena entfernt, auf einer Insel am Unterlauf des Río Madgalena. Dank der guten Schiffbarkeit des Magdalena zur Zeit der Kolonisation, und weil es nicht wie Cartagena den Angriffen der Piraten ausgesetzt war, entwickelte sich Mompox zu einem wichtigen Handelszentrum. Dann aber änderte der Magdalenastrom seinen Lauf, versandete und wurde für große Schiffe unpassierbar. Die Stadt verlor an Bedeutung. Sie blieb sozusagen im Mittelalter stecken. Damals war das für die Bewohner eine Katastrophe, heute ist es der Grund für das Interesse der Touristen an Mompox.

    Das Auto ließen wir in einem bewachten Hof im kleinen Ort Magangúe stehen. Rund um die sehr abenteuerliche Anlegestelle der Personenfähre herrschte Hochbetrieb. Kofferträger und Ticketkäufer wuselten durcheinander, die Passagiere eroberten sich einen Sitzplatz, die kleine Fähre war bis auf den letzten Platz belegt. Man reichte uns Schwimmwesten, aber in der Enge wäre es unmöglich gewesen, sie anzuziehen. Das Boot machte gute Fahrt. Wer an der Seite saß, erhielt gelegentlich eine Dusche mit Magdalenawasser. Nach etwa 20 Minuten legte man beim Ort La Bodega an. Von hier aus ging es mit dem Taxi weiter.

    In dem sehr schönen und neuen Hotel, in dem wir heute Nacht wohnten, brachte man uns gleich einen Begrüßungsdrink, den wir gerne annahmen. Ehe wir allerdings ins Zimmer entlassen wurden, hatte der Besitzer des Biomá noch etwas auf dem Herzen. „Wie lange bleibt Ihr?“ fragte er. „Es ist so schade, dass Touristen die lange Fahrt von Cartagena nach hier unternehmen und nur einen Tag

  • bleiben können. Ihr habt viel zu wenig Zeit für die Stadt und für den Besuch des Jardín Botánico mit seinen unzähligen Pflanzen, ganz zu schweigen von einer Bootsfahrt zur Tierbeobachtung. Schade, schade, aber da kann man nichts machen.“

    Eine Viertelstunde später klopfte Eduardo an unsere Tür. Strahlend berichtete er von einer Bootsfahrt auf dem Brazo Mompós, die in einer Viertelstunde beginnen sollte. „Seid Ihr sehr müde,“ fragte er, „oder soll ich uns anmelden? Das Boot fährt nur, wenn mindestens zehn Leute kommen.“ Wir schlüpften wieder in die Schuhe, holten die Kamera und liefen durch das Dorf zum Ufer. Die Fahrt durch die Kanäle und Lagunen rund um Mompox lohnte sich. Wir sahen Leguane und Vögel, Fischer kontrollierten ihre Angeln, die am Ufer im Boden steckten, kleine Buben badeten splitternackt im Fluss. An einem kleinen Dorf machten wir halt. Die Bewohner sind anscheinend an Besucher gewöhnt. Man saß vor dem Haus, Frauen boten frische Arepas direkt vom Herd an, Männer saßen im Schaukelstuhl und tranken Bier. Mehrere Leute liefen fein herausgeputzt zur kleinen Kirche. Nur die Schulkinder kamen neugierig heran und begleiteten uns ein Stück. An Hauswänden und Zäunen waren noch die Spuren der letzten großen Überschwemmung zu sehen. „Während der Regenzeit gibt es hier auf der Insel regelmäßig Hochwasser,“ erklärte der Bootsmann. „Im vergangenen Jahr

    war es besonders schlimm.“ Jetzt konnten wir uns auch die hohen Bürgersteige in Mompox erklären. Ohne Anstrengung erklimmt man sie nur über ein oder zwei Stufen, die in regelmäßigen Abständen zu finden sind. Während der Rückfahrt wurde es dunkel. In Mompox gingen die Lichter an. Die Kirche Santa Barbara, die man vom Ufer aus sah, war hell beleuchtet.

    Am nächsten Morgen mussten wir ziemlich früh aus den Federn. Der Rundgang durch das Städtchen stand noch aus, und das Taxi für die Rückfahrt zur Fähre war für 10 Uhr bestellt. Ein Stadtführer, der uns zu den Sehenwürdigkeiten bringen sollte, holte uns am Hotel ab. Er begann seinen Vortrag aber erst an der Plaza mit einem Gedicht. Ein Mitglied der Touristenpolizei begrüßte uns und wünschte einen netten Aufenthalt in der Stadt.

    Santa Cruz de Mompox, so der offizielle Name des Ortes, besteht eigentlich nur aus drei Hauptstraßen und kleinen Seitengässchen, hat aber immerhin 6 Kirchen, denn jeder christliche Orden, Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner usw. erbaute ein Gotteshaus. Unser Stadtführer nannte uns die Namen: San Agustín, Santa Barbara, San Francisco, Santo Domingo, San Juan de Dios und die Kathedrale La Concepción. Sie alle wurden für die bevorstehende Karwoche renoviert und herausgeputzt. Wir sahen die alten Herrenhäuser mit schmiedeeisernen Gittern, im speziellen Stil der arquitectura momposina erbaut. Es ergab sich die Möglichkeit zu einem spontanen Besuch einer der prächtigen Villen. Die Besitzerin versicherte uns, dass das Haus wirklich bewohnt wurde. Aber es hätte ebenso gut ein Museum sein können mit den erlesenen Stilmöbeln. Unbedingt ansehen sollte man sich auch den städtischen Friedhof. Weiß und makellos leuchten die marmornen Mausoleen und imposanten Grabstätten rechts und links des rosa gepflasterten Weges, der durch den Torbogen hindurch direkt zur Kapelle führt. Auch hier wurde mit großem Fleiß alles für die Karwoche vorbereitet.

  • Im Zentrum der Stadt besichtigten wir das Colegio Pinillos, das vor etwa zweihundert Jahren gegründet wurde und die älteste Universität der Küstenregion war. Sein berühmtester Schüler war der kolumbianische Schriftsteller Candelario Obeso (1849). Jugendliche in Schuluniformen laufen heute durch den Patio und um den weißen Pavillon. Das historische Gebäude macht einen sehr gepflegten Eindruck.

    Wofür ist Mompox sonst noch bekannt? Die muebles momposino sind begehrt in Kolumbien, insbesondere die Schaukelstühle. Es gibt außerdem immer noch die traditionelle Gold- und Silberschmiedekunst. Wir besichtigten eine Künstlerwerkstatt, in der aus hauchdünnen Drähten filigrane Schmuckstücke entstanden. Sie erinnerten an die unzähligen Fische aus Goldfäden, die Gabriel García Marquéz in seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ entstehen ließ. Lag hier der Ursprung der Idee?

    In der Umgebung von Mompox findet man immer wieder Artefakte der ursprünglichen indianischen Bevölkerung. Eduardo führte uns in eine Werkstatt, in der man solche Stücke reinigt. Anscheinend werden sie auch gelegentlich illegal verkauft. Warum sonst hätte uns die Touristenpolizei heute morgen zusammen mit einem Stadtplan die Postkarte überreicht mit der Aufschrift: „Por favor no viaje con

    nuestro patrimonio. Robar patrimonio se paga con cárcel.“ Recht so, solche Funde gehören ins Museum.

    Am Hotel wartete bereits das Taxi. Eduardo hatte es ein wenig eilig, denn der Weg zurück nach Cartagena war lang und seine Frau hatte heute Geburtstag. Wir mussten am Fährhafen jedoch etwas warten, es fehlten noch neun Passagiere für die Überfahrt. Das Problem löste sich aber schneller als erwartet. In Magangúe fanden wir das Auto unversehrt vor, und dann hatte Eduardo freie Bahn. Halt machten wir um die Mittagszeit an

    einer Tankstelle, in deren Nachbarschaft sich Händler mit indianischem Kunstgewerbe niedergelassen hatten, ähnlich wie in Riohacha. Während wir noch um eine Tasche handelten, ging draußen ein sintflutartiger Regen nieder. Hatte der Hotelier in Mompox nicht gesagt, dass der Frosch im Garten mit seinem Quaken Regen ankündigt? Eduardo erklärte uns, dass dieser erste Niederschlag „Lavar techos“ genannt wird, weil er die Dächer und Pflanzen vom Staub der Trockenzeit reinigt.

    In Cartagena herrschte allerdings wieder eitel Sonnenschein. Eduardo musste sich ziemlich schnell von uns verabschieden, nachdem wir im Monterrey wieder eingecheckt hatten. Sein Auto stand im absoluten Halteverbot. Es blieb kaum Zeit, ihm Glückwünsche an seine Frau Yvonne aufzutragen. Am Abend unternahmen wir noch einen kurzen Rundgang durch die Altstadt. Der Uhrturm verabschiedete sich mit einem Wechselspiel aus bunter Beleuchtung.

  • Unsere Rundreise durch die karibische Zone Kolumbiens war beendet. Wir haben einen faszinierenden Teil des Landes kennen gelernt, waren in gepflegten Städten und kleinen staubigen Dörfern. Im Gegensatz zu Cartagena de Indias sind in Städten wir Valledupar, Riohacha, Aracataca oder Barranquilla die Kolumbianer noch unter sich. Man sah, wie die Leute außerhalb der touristischen Gebiete leben, wie die Familien das Wochenende am Ufer des Flusses verbringen und hörten die karibische Musik aus den kleinen Kneipen. Wir bemerkten aber auch mehr von der Armut, die in einigen Landesteilen herrscht. Besonders im Gedächtnis geblieben ist uns dazu das Departamento Guajira, wo manche Familien ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von geschmuggeltem Benzin verdienen. Kolumbien ist ein faszinierendes Land voller Gegensätze. Wir haben viel gesehen und gelernt in diesen zwei Wochen.

    Royal Decameron BarúPünktlich um 10.30 Uhr holte uns ein Taxi am Hotel ab, wie es telefonisch am Vorabend angekündigt war. Der Hotelbus wartete am Flughafen auf uns. Es gab also noch einmal eine kleine Stadtrundfahrt durch Cartagena, vorbei an der Stadtmauer und dem Hafen. Wir erfuhren, dass hier am folgenden Wochenende ein Treffen aller amerikanischen Präsidenten stattfinden würde. Auch Obama wurde erwartet. Seine Sicherheitsleute, so erzählte der Taxifahrer, hielten sich schon seit zwei Wochen in der Stadt auf. Sie waren aber sicher nicht der Grund für den Verkehrsstau rund um Cartagena.

    Es dauerte ein wenig länger als vorgesehen, ehe wir bei den Bussen zum Decameron Barú ankamen. Bevor wir aber einsteigen konnten, mussten wir noch den Voucher für den Transfer im Flughafengebäude bestätigen lassen. Es gab ein leicht nervendes Hin und Her in der heißen Mittagssonne, aber dann war unser Gepäck verstaut und wir hatten einen Sitzplatz im Bus. Etwa eine knappe Stunde dauerte die Fahrt bis zur Fähre.

    Die Isla Barú ist vom Festland getrennt durch den Canal del Dique, einem Verbindungskanal vom Río Magdalena zum Meer. Sowohl die Busse zum Hotel als auch Privatfahrzeuge sind auf die kleine Fähre angewiesen. Die Überfahrt ist nur kurz. Auf der Insel Barú gibt es lediglich drei kleine

    Dörfer: Santa Ana, Ararca und Barú. Die Landschaft war karg und staubig. Man merkte, dass die Natur auf die bevorstehende Regenzeit wartete.

    Im Hotel Royal Decameron Barú haben wir ein kleines Paradies gefunden. Es liegt oberhalb eines weißen Sandstrandes, umgeben von einem Park voller tropischer Pflanzen. Bougainvilleen in zahlreichen Farben standen in voller Blüte. Außerhalb des Gartens ist der

  • ursprüngliche urwaldähnliche Bewuchs erhalten. Zum Strand hinunter führt eine Treppe. Man fand immer einen passenden Liegestuhl im Schatten an einem der Pools. Besonders am Nachmittag bevölkerten kleine grüne Papageien die Bäume. Dann musste man gelegentlich vor den Futterresten flüchten, die die Vögel herunterwarfen.

    Als ideal empfanden wir die offene Bauweise der Rezeption und des Buffetrestaurants. Die riesigen Deckenventilatoren sorgten für angenehme Kühlung, so dass auf lästige und nervende Klima-Anlagen verzichtet werden konnte. Abends saß man im Freien an der Bar oder besuchte auch mal die Abendveranstaltungen der Animation. Man kam mit anderen Gästen ins Gespräch, die natürlich viele Fragen über Deutschland und Europa stellten. Die Zeit verging uns viel zu schnell. Obwohl sich an einem der letzten Tage die beginnende Regenzeit mit hoher Luftfeuchtigkeit ankündigte, wären wir gerne noch geblieben. Es stimmt schon: „El riesgo es que te quieras quedar.“

    März 2012Edith Rompf

    Bilder KH. und E. Rompf