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44 Barichara ist ein kleiner Ort im Kolonialstil im Departamento von Santander und gilt als schönstes Dorf von Kolumbien. Im Jahr 1978 wurde Barichara zum Nationalen Denkmal erklärt. REISE

Kolumbien: Hochschaubahn zwischen Atlantik und Pazifik

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Der Wirtschaftsaufschwung in Kolumbien macht sich auch touristisch immer mehr bemerkbar. Das bietet ein landschaftliches Auf und Ab zwischen Atlantik- und Pazifikküste.

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Barichara ist ein kleiner Ort im Kolonialstil im Departamento von Santander und gilt als schönstes Dorf von Kolumbien. Im Jahr 1978 wurde Barichara zum Nationalen Denkmal erklärt.

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Das erst im Herbst 2012 eröff nete mo-derne Terminal aus Glas und Stahl von Bogotás Flughafen Eldorado

steht symbolisch für die sich zunehmend beschleunigende Wirtschaft Kolumbiens. Am Rande der gleichnamigen mehrspuri-gen Avenida Richtung Zentrum sind klei-ne versprengte Lager des Luft fracht-Areals großzügig ausgelegten Einrichtungen gewi-chen. Ein Blick darauf verdeutlicht die strin-gent betriebene Umsetzung der vor einem Vierteljahrhundert eingeleiteten „Apertura Económica“ (wirtschaft liche Öff nung). Nach Brasilien und Mexiko hat der Andenstaat den dritten Platz auf dem Subkontinent er-

obert. Weiteres Wachstum verspricht sich die Wirtschaft , nachdem im Frühjahr 2012 ein Freihandelsabkommen (TLC) mit den USA unterzeichnet wurde. Ein halbes Jahr später kam es zu einer ebensolchen Über-einkunft mit der EU. Eine veritable Erfolgs-geschichte mit einer Einschränkung: An der überwiegenden Mehrheit der Kolumbianer geht der wirtschaft liche Aufschwung vorbei. „Dem Land geht es recht gut, aber nicht den Menschen“, brachte es ein langjähriger Beobachter auf den Punkt.

Wirtschaft liche Prosperität sieht sich in Kolumbien seit Jahrzehnten mit einer per-manenten politischen Instabilität konfron-

tiert. Verantwortlich dafür ist die größte und älteste Guerillabewegung „Revolu-tionäre Streitkräft e Kolumbiens“ (FARC), die zusammen mit den Rebellen vom „Na-tionalen Befreiungsheer“ (ELN) das Land verunsichern.

Friedensgespräche mit FARC-RebellenEine Koalition des Partido Social de

la U (Partei der nationalen Einheit) mit dem Cambio Radical (Radikaler Wechsel) bringt Anfang 2012 Juan Manuel Santos in den Präsidentenpalast Casa Nariňo.

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

Der Wirtschaft saufschwung in Kolumbien macht sich auch touristisch immer mehr bemerkbar. Das bietet ein landschaft liches Auf und Ab zwischen Atlantik- und Pazifi kküste.

Von Michael JohnschwagerJu

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Unter seiner Führung unternimmt die Regierung 2012 einen Vorstoß, mit den FARC-Aufständischen ein Friedensab-kommen auszuhandeln. Nach mit äußers-ter Diskretion geführten Vorgesprächen in Havanna wurde der Dialog unter Ein-schaltung internationaler Vermittler im Oktober in Oslo fortgesetzt. In der kolum-bianischen Öffentlichkeit verfolgt man die Bemühungen um eine Befriedung jedoch mit viel Skepsis. Obwohl zuletzt spürbar geschwächt, präsentierten sich die FARC-Verhandlungsführer selbstsicher und we-nig nachgiebig. Sie zeigen kein Unrechts-bewusstsein für begangene Entführungen, Drogen- und Waffenhandel. Ihren Kampf rechtfertigen sie mit Hinweis auf die Mise-re breiter Bevölkerungsschichten.

Auf politischer Ebene gelang es erst 1957, die als „Violencia“ in die Geschichte einge-gangene jahrzehntelange Gewaltherrschaft zwischen Konservativen und Liberalen mit der Frente Nacional zu beenden. In der bis in die 1980er Jahre bestehenden „Nati-onalen Front“ teilten Partido Conservador und Partido Liberal die Macht im Staate anteilig unter sich auf.

Hauptstadt Bogotá auf 2.600 Meter Bogotá kommt bei der Erwähnung la-teinamerikanischer Hauptstädte in aller Regel zu kurz. Dabei bietet die acht Milli-onen Einwohner zählende Metropole eine Menge an kultureller Vielfalt. Auf dem Programm sollte ein Besuch des Goldmu-seums stehen. In der Zeit des Befreiungs-krieges gegen die spanischen Eroberer vor 200 Jahren verweilte Simón Bolívar in der als Santa Fé de Bogotá 1538 gegründeten Stadt. Das nach dem Befreier benann-te Domizil „Quinta de Bolívar“ befindet sich am Fuße von Gondel- und Seilbahn, die auf den Berg Monserrate führen. We-nig bekannt ist die Anzahl respektabler Universitäten. Darunter die von Jesuiten geführte Pontificia Universidad Javeriana, sowie die Universidad de los Andes und das Colegio Mayor del Rosario. In Kolum-biens Hauptstadt findet traditionell die größte Industriemesse des Subkontinents (Feria de Bogotá) statt.

Dem Besucher vermittelt Kolumbien das einzigartige Erlebnis, sämtliche Klimazo-nen des amerikanischen Subkontinents zu erleben. Von der Hauptstadt Bogotá, in 2.600 Metern Seehöhe auf einem „Sabana“ genannten Hochplateau gelegen, überwin-det man in einem Tagestrip locker 2.000

Meter Höhenunterschied auf dem Wege nach Girardot am Rio Magdalena. Er ver-läuft parallel zu den Anden gen Norden und mündet in den Atlantik. Einst galt der Magdalenen-Strom als Lebensader mit ei-ner betriebsamen Binnenschifffahrt. Auf seiner Fahrt in westlicher Richtung lernt der Besucher Landschaften von einzigar-tiger Schönheit kennen. Vorbei geht es an malerisch gelegenen Fincas, wo die quali-tativ hochwertige Sorte Arabica geerntet wird. Häufig bieten breit gefächerte Ba-nanenblätter den Kaffeesträuchern Schutz vor übermäßiger Sonneneinstrahlung. Der hohe Qualitätsanspruch der Kaffee-pflanzer auf der so genannten Kaffeeachse Manizales – Pereira − Armenia manifes-tiert sich in einem aufwändigen Prozess, den der Kaffee nach der Ernte vor Ort durchläuft. Ein bedeutender Arbeitgeber des Landes ist die Vereinigung der Kaffee-pflanzer (Federación Nacional de Cafete-ros). Den Liebhabern kolumbianischen Kaffees ist jedoch die Figur Juan Valdéz vertrauter. Gern verabreden sich die Men-schen in Kolumbiens Metropolen in einer der zahlreichen Juan Valdéz Coffee Shops. Dort lässt ein gutgelauntes Team seinen natürlichen Charme spielen, wenn der Gast seine Kaffeespezialität bestellt. Stolz trägt das juvenile Personal sein Juan-Valdéz-T-Shirt mit der Aufschrift: „Ich arbeite im Geschäft der Kaffeepflanzer Kolumbiens.“ Im Vergleich zu manchen global agierenden Mitbewerbern wirkt der von ihnen vermittelte „human touch“ nicht aufgesetzt. Über Jahrzehnte behaup-tete „Café de Colombia“ nach Brasilien unangefochtenen seine Weltmarktstellung

als zweitgrößter Exporteur. Inzwischen ist es den Vietnamesen gelungen, die kolum-bianischen Kultivatoren zu überholen und deren Position einzunehmen. Dies belegt die von der International Coffee Organiza-tion (ICO) für den Zeitraum Oktober 2010 – März 2011 veröffentlichte Statistik (in Tausend): Brasilien 18.291, Vietnam 8.575, Kolumbien 4.987. Im Kalenderjahr impor-tierte Österreich 902.854 kg (in 60-Kilo-Säcken) kolumbianischen Premiumkaffee.

Kaffee und Bier als ExportschlagerWenig bekannt ist Kolumbiens Rolle

beim Bierbrauen. Bereits 1889 gründete Leo. S. Kopp in Bogotá die Kopp’s Deut-sche Brauerei Bayern. Daraus entstand ein bedeutender Brauereikomplex unter dem Namen BAVARIA. Die hohen Qualitäts-

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Bogotá, der größte städtische Ballungsraum Kolumbiens

Juan Valdéz Café in Bogotá

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standards bescherten der Brauerei steigen-de Umsätze und so stieg BAVARIA bis zur Übernahme durch Miller zur zweitgrößten Brauerei Südamerikas auf. Dazu beigetra-gen hatte der Export. In der Glanzzeit fand das Bier seinen Weg in die Nachbarländer bis zu Abnehmern in Chile.

An die acht Stunden für den Autofahrer, aber nur 30 Flugminuten von Bogotá ent-fernt, liegt Kolumbiens heimliche Haupt-stadt Medellín. Das milde Klima hat der Stadt das Prädikat „dauerhafter Frühling“ verliehen. Während sich endlose Schlan-gen von Autos und Kleinbussen durch die Straßen Bogotás quälen, nutzen die Paisas seit Ende 1995 ihre Metro, errichtet von

einem deutsch-spanischen Konsortium unter maßgeblicher Beteiligung von SIE-MENS.

Cartagena: Magnet für US-TouristenTouristisch (noch) weitgehend unbe-

kannt, wartet Kolumbien mit einer ein-zigartigen Vielfalt an Regionen auf, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Mit Zugang sowohl zu Atlantik als auch Pazi-fik findet der Tourist an beiden Ozeanen urwüchsige Küstenlandstriche. Ausge-nommen davon ist Cartagena, die Heroi-sche genannt. Heerscharen überwiegend US-amerikanischer Touristen genießen das koloniale Erbe der spanischen Erobe-rer (Conquistadores) am Atlantik, nur eine Flugstunde von Bogotá entfernt. Aber auch europäische Reiseveranstalter bieten inzwischen das Juwel an der Karibikküste an. Der über das ganze Jahr nicht versie-gende Strom Entspannung suchender Tou-risten sorgt für konstante Einnahmen, von denen viele „Cartageneros“ profitieren. Sie haben deshalb ein wachsames Auge auf die öffentliche Sicherheit. In dieser Stadt bewegen sich Einheimische wie auch Be-sucher sicher, egal ob auf der weitläufigen Festungsanlage, die das Zentrum der Alt-stadt einst gegen Piraten verteidigte, oder auf dem imposanten Fort San Felipe de Barajas. Dazwischen liegt das Denkmal der legendären Kazikin „India Catalina“. Etwas ruhiger geht es in Santa Marta zu. Die Hafenstadt verfügt über eine Bahn-

verbindung, hauptsächlich genutzt für den Transport von Bananen. Das war den Kolumbianern sogar ein Lied wert: „Santa Marta hat eine Bahn.“ In Sichtweite erhe-ben sich die Berge der Sierra Nevada. Be-suchern sei ein Abstecher in den dortigen Nationalpark ausdrücklich empfohlen.

Wer hingegen einmal absolut abschalten möchte, findet an der pazifischen Küste unberührte Natur. Erst kürzlich wurde mit Bahia Solano ein verträumter Flecken Erde für den Tourismus erschlossen. Die Fischer bessern gern ihr Einkommen auf, indem sie Touristen mit ins Boot nehmen. Mit etwas Glück tummeln sich vor ihnen Buckelwale in unmittelbarer Distanz.

Steppe und Dschungel im OstenEin gänzlich anderes Panorama er-

schließt sich in den Regionen jenseits der östlichen Kordillere. Es ist nur ein Katzen-sprung von Bogotá nach Villavicencio, dem Tor zu den Llanos Orientales. Eine steppenartige Landschaft, in der Rinder-herden grasen. Noch am Abend erlauben die Temperaturen den Aufenthalt vor der Finca im Freien. Romantiker lassen den Tropenzauber auf sich wirken und lau-schen den für diesen Teil Kolumbiens cha-rakteristischen Harfenklängen. Wer weiter gen Osten vordringt, den erwartet in Leti-cia an der Grenze zu Brasilien Dschungel pur. Hier ist allerdings gesunder Tiefschlaf ein Muss, denn die natürlichen Urwaldbe-wohner geben auch nachts keine Ruhe. ■

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San Felipe de Barajas im Küstenort Cartagena