58
Kindertraumatologische Schlichtungsfälle Kindertraumatologische Schlichtungsfälle - a s Fehlern lernen aus Fehlern lernen O.-A. Festge Norddeutsche Schlichtungsstelle Hannover Hannover Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Unfallseminar, Hannover Unfallseminar, Hannover 20.11.2010 ©

Kindertraumatologische SchlichtungsfälleKindertraumatologische ... · TkdläFkt (Transkondyläre Frakturen (Cdl diliCondylus radialis, Cdl l iYCondylus ulnaris Y-Fkt )Fraktur) ¾

Embed Size (px)

Citation preview

Kindertraumatologische SchlichtungsfälleKindertraumatologische Schlichtungsfälle-

a s Fehlern lernenaus Fehlern lernen

O.-A. Festge

Norddeutsche SchlichtungsstelleHannoverHannover

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Unfallseminar, HannoverUnfallseminar, Hannover

20.11.2010

©

Ärztliche Schlichtungsstellen und GutachterkommissionenGutachterkommissionen

Norddeutschland ( 9 )Norddeutschland ( 9 )

W tf l Li.

Westfalen-Lippe

S hNordrhein

HessenHessen Sachsen

SaarlandRheinland-Pfalz

BayernBaden-Württemberg

Saarland

©

Aufgabe des Schlichtungsverfahrens

A ß i iAußergerichtliche Klärung

von Streitigkeiten, denen Schadenersatzansprüche von Patienten wegen vermeintlich oder tatsächlich

fehlerhafter ärztlicher Behandlungg

zu Grunde liegen ©

Schlichtungsstellen – Verfahren

vergleichbar mit Zivilgerichtsverfahren* - aber freiwillig

nach Aktenlage

keine Zeugenbefragungg g g

meistens keine Patienten-Untersuchung

kostenfrei für Patientenkostenfrei für Patienten

nachfolgendes Gerichtsverfahren möglich (Verjährungs-Aufschub)

keine Schadenssummen Schadensbenennung dem Grunde nach“keine Schadenssummen, Schadensbenennung „dem Grunde nach“

i.d.R. doppelte Begutachtung (ext. Gutachter, Fachbearbeiter SST)

Z b it A t d J i t ( i B h id)enge Zusammenarbeit von Arzt und Jurist (gemeinsamer Bescheid)

* ausgerichtet an der deutschen zivilrechtlichen und zivilprozessualen Gesetzgebung

und der hierzu vorliegenden Rechtsprechung (NEU)

©

• ll Ä t i b• soll Ärzteimage verbessern,

• soll Gerichtsverfahren vermeiden helfen und soll Vertrauen stärken

• deshalb werden auch Kosten weitgehend von Ärzten über ihre Kammern• deshalb werden auch Kosten weitgehend von Ärzten über ihre Kammern

getragen – und von den Versicherungen (GA)

• Patient: keine Kosten außer evtl RA• Patient: keine Kosten außer evtl. RA

• Versicherung: 300 € Bearbeitung und Gutachten

• Arzt/Träger: keine direkten Kosten aber indirekt über VersicherungArzt/Träger: keine direkten Kosten aber indirekt über Versicherung

• Ärztekammern: alle übrigen Kosten des Verfahrens (SST – Mitarbeiter)©

iIm Kindesalter stellen traumatologische Probleme (Frakturen)

die größte Gruppe der von den Schlichtungs-stellen zu klärenden Fälle darstellen zu klärenden Fälle dar

!Hannover: in 10 Jahren 242 beanstandete

!Frakturbehandlungen bei Kindern = 24/a

Appendizitis: 10/app

©

In Deutschland und den USA im KindesalterIn Deutschland und den USA im Kindesalter

bei gerichtlichen Auseinandersetzungen

jeweils Frakturen deutlich vor Appendizitis©

iIm Kindesalter werden Frakturbehandlungenbei Kindern am häufigsten als

fehlerhaftvon den Schlichtungsstellen anerkanntvon den Schlichtungsstellen anerkannt

!in 60 % !in 60 %alle Fälle: ca. 30 %

Norddeutsche SchlichtungsstelleNorddeutsche Schlichtungsstelle

Hannover - 10 Jahres Analyse

©

Behandlung kindlicher Frakturen/LuxBehandlung kindlicher Frakturen/Lux.

b it Fä h d F h bi tbreite Fächerung der Fachgebiete

UnfallchirurgieOrthopädieAllgemeinchirurgieKinderchirurgieAllgemeinmedizinAllgemeinmedizin Kindermedizin

In allen Fachgebieten werden (fast) alle Fehler gemachtwerden (fast) alle Fehler gemacht

©

Verfahren und Fehler nach FachgebietenVerfahren und Fehler nach Fachgebieten

kindliche Frakturen

Fachgebiet Verfahren n Fehler %

Unfallchirurgie 124 60

Chirurgie 50 74Chirurgie 50 74

Kinderchirurgie 16 63

andere 23 50

Schlichtungsstelle Hannover alle Fälle : 30%zum Vergleich:

©

Schlichtungsverfahren bei Frakturen im Kindesalter

Lokali- im

Schlichtungsverfahren bei Frakturen im Kindesalter

Lokali-sation n Fehler (%) epidemiologischen

Vergleich

Ellenbogen 49 73 ++Unterarm 47 57 -Humerus

suprakondylär 32 63 ++suprakondylär

Femur 30 47 +Hand 21 67 -Finger 21 67

Unterschenkel 20 60 =Humerusschaft 12 50 =Humerusschaft 12 50

Schädel 10 50 =sonst. 21 48 -

Summe 242 60

©

Ellenbogenfrakturen mit GelenkbeteiligungEllenbogenfrakturen mit Gelenkbeteiligung

Fraktur n Fehler n

perkondylär 11 8p y

epikondylär, ulnar 2 2

M t i 17 15Monteggia 17 15

Radiushals 7 4

Olekranon 4 3

Luxation 8 4

Summe 49 36 (73 %) !

©

Schlichtungsverfahren bei Frakturen im Kindesalter

Lokali- im

Schlichtungsverfahren bei Frakturen im Kindesalter

Lokali-sation n Fehler (%) epidemiologischen

Vergleich

Ellenbogen 49 73 ++Unterarm 47 57 -Humerus

suprakondylär 32 63 ++suprakondylär

Femur 30 47 +Hand 21 67 -Finger 21 67

Unterschenkel 20 60 =Humerusschaft 12 50 =Humerusschaft 12 50

Schädel 10 50 =sonst. 21 48 -

Summe 242 60

©

Suprakondyläre HumerusfrakturSuprakondyläre Humerusfraktur

Vorwurf/Fehler Vorwurf, n Fehler, n

Frakturbehandl. 25 16

Nervenschaden 10 -

I f kti 1Infektion 1 -

Volkmann K. 3 3

Hautschaden 1 1

Summe 40* 20

* teilweise mehrere Vorwürfe bei insgesamt 32 Verfahren

©

Fehlerhafte Frakturbehandlung (SHF)

• Fehlerhafte Einschätzung der Dislokation, keine Reposition 3

O h i i h l bl S ll 10• Osteosynthese in nicht tolerabler Stellung 10

• Instabile Osteosynthese, Redislokation 3

K t t d i ht ht iti k t 3• Kompartmentsyndrom, nicht rechtzeitig erkannt 3©

Begutachtung möglicher BehandlungsfehlerBegutachtung möglicher Behandlungsfehlerkindlicher FrakturenP blProbleme:

abhängig vom Fachgebiet des GutachtersKlassifikation ohne einheitliche Terminologietypische Fehler teilweise wenig bekannttypische Fehler teilweise wenig bekanntSpätfolgen (funktionell) unterschätztzu seltene Anerkennung eines Übernahme-zu seltene Anerkennung eines Übernahmeoder Organisationsverschuldensfehlende/unklare Standards !

Cave! Standards sind nicht feststehendStandards sind nicht überall dieselben

©

Nicht jeder Unfallchirurg, Chirurg, O h äd d Ki d hi i iOrthopäde oder Kinderchirurg ist ein

Kindertraumatologe©

Begutachtung möglicher BehandlungsfehlerBegutachtung möglicher Behandlungsfehlerkindlicher FrakturenP blProbleme:

abhängig vom Fachgebiet des GutachtersKlassifikation ohne einheitliche Terminologietypische Fehler teilweise wenig bekannttypische Fehler teilweise wenig bekanntSpätfolgen (funktionell) unterschätztzu seltene Anerkennung eines Übernahme-zu seltene Anerkennung eines Übernahmeoder Organisationsverschuldensfehlende/unklare Standards !

Cave! Standards sind nicht feststehendStandards sind nicht überall dieselben

©

!!

Lehrbuch aus dem Jahr 2004

©

Suprakondyläre Humerusfrakturv. Laer, L.; 1998 Graz, Konsensuskonferenz

Typ I = alle undislozierte Frakturen

, ; ,

yp

i i iTyp II = inkomplette Dislokation in einer Ebene ohne RF

Typ III = inkomplette Dislokation mit RF

Typ IV = komplette Dislokation in allen 3 Ebenenin allen 3 Ebenen

©

Begutachtung möglicher BehandlungsfehlerBegutachtung möglicher Behandlungsfehlerkindlicher Frakturen

Probleme:abhängig vom Fachgebiet des GutachtersKlassifikation ohne einheitliche TerminologieSpätfolgen (funktionell) unterschätzttypische Fehler teilweise wenig bekannt

lt A k i Üb hzu seltene Anerkennung eines Übernahme-oder Organisationsverschuldensfehlende/unklare Standards !fehlende/unklare Standards !

©

Auf Grund von Fehlbehandlungen anerkannte leichte und mittlere Dauerschäden:anerkannte leichte und mittlere Dauerschäden:

31%

schwere Dauerschäden: !13 % !Norddeutsche SchlichtungsstelleNorddeutsche Schlichtungsstelle

Hannover

©

Folge von Begutachtungsproblemen

Schlichtungsstelle widerspricht dem Gutachter

( i 13 % )( in 13 % )

©

Schwerpunkte bei der BewertungSchwerpunkte bei der Bewertung der Behandlung kindlicher Frakturen

1. Hat eine genaue klinische Untersuchung (Kleinkind) f d ?stattgefunden?

Wurde Anamnese beachtet ?Wurde Anamnese beachtet ?Stand Inspektion im Vordergrund ? palpatorische Diagnostik (ist nicht obligat)?p p g ( g )Wurde evtl. im Intervall kontrolliert ?

N h i h U t h Z it ?Nahm sich Untersucher Zeit ?

©

Schwerpunkte bei der Bewertung der Behandlung kindlicher Frakturender Behandlung kindlicher Frakturen

2 Erforderliche Rx-Untersuchung unterlassen?2. Erforderliche Rx-Untersuchung unterlassen?adäquates Trauma war Rx – Aufnahme

erforderlich ?erforderlich ?

evtl. sekundär (nach temporärer Ruhigstellung) ?

evtl. Rx zusätzlicher Ebenen ? (Malleolus med.)( )

Wurde obligates Rx bei Verdacht auf bestimmte

Läsionen (Monteggia) veranlasst ? ( gg )

aber: Rx nicht erforderlich, wenn Dg. und Th. klar

(Klavikulafraktur - Kleinkind)

und: Rx der Gegenseite = obsolet

©

VE

großes Hämatom

kein prim. Rx©

Dura©

Doppelseitige Collum mandibulae – Fraktur

Typischer Unfallmechanismus: Sturz auf das Kinn PlatzwundeTypischer Unfallmechanismus: Sturz auf das Kinn Platzwunde

Kein Rx durch Erstbehandler Behandlungsfehler

(Korrektur des Gutachtens durch Schlichtungsstelle)

©

©

Warum Rx ?

©

Warum Rx ?

©

S h k b i d BSchwerpunkte bei der Bewertungder Behandlung kindlicher Frakturen

3. Rx – Aufnahme falsch beurteilt?3. Rx Aufnahme falsch beurteilt?

Erfolgte Beurteilung mit ausreichenden Kenntnissen der

Knochenkerne ? (Übernahmeverschulden ?)

War Nachschlagmaterial vorhanden ? (ÜN-Verschulden ?)War Nachschlagmaterial vorhanden ? (ÜN Verschulden ?)

Rx der richtigen Region (Monteggia, Fahrradspeiche) ?

korrekte 2. Ebene ?

©

Kernsysteme im Ellbogenbereich

©

6 J. - Sturz vom Reck - Rx in 2 Ebenen (??) - keine Fraktur

©

4 Wochen später - Dg.: „starke Prellung, keine Fraktur“ ???

©

Normalbefund

als Fraktur gedeutet 6 Wochen OA-Gips-Retention !©

Schwerpunkte bei der BewertungSchwerpunkte bei der Bewertung der Behandlung kindlicher Frakturen

4 Kadi Läsion übersehen ?4. Kadi-Läsion übersehen ?

Condylus radialis humeri – Rx-Kontrolle ?

Monteggia – Läsion ? Rx Ellenbogen ?

SHF R t ti f hl ( t l S ) ?SHF – Rotationsfehler (ventraler Sporn) ?

Biegungsbruch proximale Tibia – Th. ?

Malleolus medialis – Rx, evtl. 3. Ebene ?

©

Kadi-Läsion übersehen

Behandlungsfehler©

Schwerpunkte bei der Bewertung p gder Behandlung kindlicher Frakturen

5. Falsche Beurteilung der Stabilität ?

T k d lä F kt (C d l di li C d l l i Y F kt )Transkondyläre Frakturen (Condylus radialis, Condylus ulnaris Y-Fraktur)Vorkommen in allen AltersgruppenStets fugenkreuzende Gelenkfraktur!Ursache in der Regel Sturz auf ausgestreckte HandZweithäufigste Ellbogenfraktur im Wachstumsalter

Formen:1. Undislozierte „hängende“ Fraktur2 Undislozierte vollständige“ Fraktur2. Undislozierte „vollständige Fraktur3. Dislozierte Fraktur

> 2 mm im zentralen Frakturbereich

©

Condylus radialis Fraktur

Beispiel Typ 2

©

Schwerpunkte bei der Bewertungp gder Behandlung kindlicher Frakturen

6 L i OP I dik ti ?6. Lag eine OP-Indikation vor?

Bei falscher Indikation

Verantwortung für nachfolgende KomplikationenVerantwortung für nachfolgende Komplikationen

Unabhängig vom Fachgebiet, gilt auch für die Anästhesie

Notfall, der eine Nicht-Nüchtern-Narkose erlaubte?

©

Schwerpunkte bei der Bewertung der Behandlung kindlicher Frakturen

7. Unzureichende Osteosynthese -Technik?

• Stabilität?

R i i F hl ll ?• Retention in Fehlstellung ?

• Unbegründete Hoffnung auf Remodellierung?

(Alter, Lokalisation)

• Typischer Redislokationsgefahr missachtet?• Typischer Redislokationsgefahr missachtet?

©

Suprakondyläre Humerusfraktur

Beispiel Fehlermöglichkeiten: Retention in RotationsfehlstellungBeispiel Fehlermöglichkeiten: Retention in Rotationsfehlstellung

©

Suprakondyläre Humerusfraktur

Beispiel Fehlermöglichkeiten: Retention in RotationsfehlstellungBeispiel Fehlermöglichkeiten: Retention in Rotationsfehlstellung

©

Schwerpunkte bei der BewertungSchwerpunkte bei der Bewertung der Behandlung kindlicher Frakturen

8. Erfolgte die Beurteilung funktioneller Folgeni bli b F hl t ll k kt ?einer verbliebenen Fehlstellung korrekt ?©

Zu berücksichtigen:g

Kaum funktionelle Behinderungen beim Kind

E t P bl b i F i it d S t kti itätErste Probleme bei Freizeit- und Sportaktivitäten

Probleme bei der Berufswahl

Schwere Sekundärschäden mit erheblichen Kosten

InvaliditätInvalidität

Früharthrose©

U h fü di ß Q tUrsachen für die große Quote von Behandlungsfehlern bei kindlichen Frakturen

Fehlende Kenntnisse

der Besonderheiten

kindlicher Knochenbrüche©

Fehlerfreie Fahrt !

und Dankeund Danke

für die Aufmerksamkeit !©

©

Anteil der Fugen am Längenwachstum

Obere Extremität Untere Extremität

©

Oft schwer zu beurteilen:Oft schwer zu beurteilen:Frakturen im Bereich des Ellbogens(77 % anerkannte Fehler !!!)(77 % anerkannte Fehler !!!)

di t l H- distaler Humerus:

extraartikulär: supra- und epikondyläre F#

intraartikulär: transkondyläre Frakturen

i l U t- proximaler Unterarm:Frakturen des proximalen Radiusendesproximale Ulna- und Olekranonfrakturen

- Luxationen und Kombinationsverletzungen- Luxationen und Kombinationsverletzungen(Monteggia-Läsion)

©

©

©

©

©

©

©

©