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Kasachstan Daten • Fakten • Hintergründe Herausgegeben von der Botschaft der Republik Kasachstan in der Bundesrepublik Deutschland Berlin 2011

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Kasachstan

Daten • Fakten • Hintergründe

Herausgegeben von der Botschaft der Republik Kasachstan

in der Bundesrepublik Deutschland

Berlin 2011

Kasachstan.2010 20.11.2010 12:00 Uhr Seite 1

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Im Jahr 2010 hatte Kasachstan den Vorsitz in der OSZE inne, und auf seine Initiati-ve hin fand am 1. und 2. Dezember das Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter derOSZE-Mitgliedsstaaten in Astana statt. Im Jahr 2011 wird Kasachstan den 20. Jah-restag seiner Unabhängigkeit feiern. Und das Land übernimmt in diesem Jahr denVorsitz in der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit und in der OrganisationIslamische Konferenz. Der vorliegende Band will einen Überblick über das moderneKasachstan geben. Das Buch widmet sich Fragen des politischen, wirtschaftlichen,kulturellen und gesellschaftlichen Lebens, macht bekannt mit der administrativ-ter-ritorialen Gliederung der Republik, mit Bevölkerung, Staatsaufbau und Geschichte.Besondere Aufmerksamkeit wird der Rolle Kasachstans in der Weltgemeinschaft ge-schenkt. Das umfangreiche Faktenmaterial erlaubt, die Entwicklungsdynamik, dieKasachstan heute prägt, nachzuvollziehen. Das Buch wendet sich an Spezialistenund Ökonomen, an Politologen und wissenschaftliche Mitarbeiter sowie an alle, diean der Entwicklung des modernen Kasachstans interessiert sind.

© 2011 Botschaft der Republik Kasachstan in der Bundesrepublik Deutschland8. aktualisierte und überarbeitete Auflage

Lektorat: Britta WollenweberÜbersetzung: Valentina Dwinskaja, Stanislaw DeschurowAlle Rechte vorbehalten

Umschlag und Layout: Peter Franke, Wostok VerlagFotos: Botschaft der Republik Kasachstan, Peter Franke, Britta Wollenweber,Satz: Wostok Verlag - Berlin

Druck und Einband: Druckhaus Köthen - KöthenPrinted in Germany 2010

Botschaft der Republik Kasachstan, Nordendstraße 14-17, 13156 Berlin

Kasachstan.2010 24.11.2010 13:10 Uhr Seite 2

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Inhalt

Allgemeine Angaben.........................................................................................................................5Territorium.................................................................................................................5Landschaft...................................................................................................................5Klima......................................................................................................................6Wasserressourcen.........................................................................................................7Bodenbeschaffenheit.........................................................................................................8Flora.........................................................................................................................8Fauna.............................................................................................................................9Ressourcen....................................................................................................................10

Geschichte.................................................................................................................................11Meilensteine der Geschichte..................................................................................................................11Kasachstan im Bestand des Russischen Reiches.........................................................................12Kasachstan nach der Oktoberrevolution.........................................................................................13Die Neulandgewinnung............................................................................................................................14Die Tragödie des Atomtestgeländes Semipalatinsk......................................................................15Wichtige Daten des unabhängigen Kasachstans....................................................................................16Verzicht auf Atomwaffen........................................................................................................................18Das Kosmodrom Baikonur.......................................................................................................................18Die Wirtschaft Kasachstans in der Zeit der UdSSR......................................................................19Kasachstan in den Jahren der Perestroika........................................................................................20Der Übergang zur Souveränität............................................................................................................21Die Alma-Ata-Deklaration über die Bildung der GUS................................................................22Beitritt Kasachstans zu den Vereinten Nationen...........................................................................22Weltkurultai der Kasachen......................................................................................................................23Die erste Verfassung........................................................................................................................24Der Weg zur neuen Verfassung......................................................................................................................24Astana wird Hauptstadt............................................................................................................................26Die Präsidentschaftswahl 1999............................................................................................................27Die Präsidentschaftswahl 2005............................................................................................................27Das Weltraumprogramm..........................................................................................................................28Veränderungen und Ergänzungen an der Verfassung..........................................................................29Die Parlamentswahlen 2007............................................................................................................................31Die Wahlen in die Maslichate 2007..............................................................................................................31Senatswahlen..............................................................................................................................31Doktrin der nationalen Einheit..........................................................................................................32

Bevölkerung...............................................................................................................................33Demografischer Wandel.....................................................................................................34

Staatsaufbau und Parteien.......................................................................................................39Die Verfassung..............................................................................................................................................39Die staatlichen Symbole...........................................................................................................................40Der Präsident.................................................................................................................................................41Das Parlament...................................................................................................................................42Die Regierung und ihre Ministerien...................................................................................................43Die örtliche Selbstverwaltung................................................................................................................48Die Justiz...........................................................................................................................................49Die Vollversammlung des Volkes Kasachstans...............................................................................51Parteien und Wahlen.................................................................................................................................52Die Militärdoktrin.............................................................................................................................56

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Die Gebiete und ihr Potenzial..............................................................................................................59Kasachstan und die Weltgemeinschaft..............................................................................................77

Die Beziehungen zu Russland..........................................................................................................................77Die Beziehungen zur China............................................................................................................................80Die Beziehungen zu den zentralasiatischen Nachbarn........................................................................81Die Beziehungen zur Europäischen Union................................................................................................82Die Beziehungen zu Deutschland..................................................................................................................85Die Beziehungen zu den USA.........................................................................................................................89Kasachstan in internationalen Organisationen........................................................................................91Kasachstan und die Vereinten Nationen........................................................................................92Kasachstan und die OSZE.................................................................................................................................93Kasachstan und die SWMDA............................................................................................................................94Die Euroasiatische Wirtschaftsgemeinschaft............................................................................................95Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit........................................................................96Kasachstan und die NATO...................................................................................................................97Kasachstan und die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit.................................................98Die Beziehungen zur islamischen Welt................................................................................................100

Wirtschaft...................................................................................................................................................101Die Ausgangslage....................................................................................................................................101Die Wirtschaftspolitik....................................................................................................................................101Die Wirtschaftsdynamik..........................................................................................................................104Die Investitionspolitik..............................................................................................................................106Kasachstan als Investor im Ausland............................................................................................108Wirtschaftszweige........................................................................................................108

Gesellschaft und sozialer Sektor..............................................................................................................131Arbeitsmarkt und Beschäftigung........................................................................................131Sozialpolitik.........................................................................................................................134Frauen und Gesellschaft............................................................................................................136Jugend............................................................................................................................139Gesundheitswesen............................................................................................................141Umweltschutz...............................................................................................................143Sport.............................................................................................................................147Gewerkschaften...............................................................................................................150Nichtregierungsorganisationen................................................................................152Religion............................................................................................................154Massenmedien... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158

Bildung und Wissenschaft......................................................................................................161Ursprünge des Bildungswesens und die ersten kasachischen Wissenschaftler....161Bildungswesen im unabhängigen Kasachstan..........................................................165Vorschulerziehung und Vorschulbildung....................................................................168Mittelschulbildung..............................................................................................170Hochschulbildung........................................................................................................173Wissenschaft........................................................................................................176

Kulturelles Leben................................................................................................................179Entwicklungstendenzen.........................................................................................179Literatur..................................................................................................................184Architektur....................................................................................................................189Bildende Kunst...................................................................................................................197Museen........................................................................................................................199Theater............................................................................................................................202Musikleben.................................................................................................................203Filmkunst...........................................................................................................................................205

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Allgemeine Angaben

TerritoriumKasachstan liegt in Zentralasien – einer rie-sigen Region. Die Republik befindet sich aufder Grenze zweier Kontinente, des europäi-schen und des asiatischen. Das geografischeZentrum des europäisch-asiatischen Sub-kontinents liegt in Kasachstan – am Schnitt-punkt des 78. Längen- und des 50. Breiten-grades. Kasachstan hat keinen Zugang zuden Weltmeeren, indes hat die Republik 1894Kilometer Küste des Kaspischen Meeres. Kasachstan erstreckt sich über 2 724 900Quadratkilometer. Damit ist die Republiknach Russland, Kanada, China, den USA, Bra-silien, Australien, Indien und Argentinien dasneuntgrößte Land der Erde. Kasachstan hat gemeinsame Grenzen mitRussland (6 467 Kilometer), Usbekistan (etwa2 300 Kilometer), China (mehr als 1 700 Ki-lometer), Kyrgysstan (etwa 980 Kilometer)und Turkmenistan (etwa 380 Kilometer). DieLandgrenzlänge beträgt 12 000 Kilometer. Das Territorium der Republik erstreckt sichauf 3 000 Kilometern über zwei Zeitzonenvom Unterlauf der Wolga im Westen bis zumFuße des Altaigebirges im Osten und auf2 000 Kilometern von der WestsibirischenTiefebene im Norden bis zur Wüste Kysyl-kum und dem Tienschangebirge im Süden.Der nördlichste Punkt des Landes – 55°26’ –liegt in etwa auf demselben Breitengrad wieLondon, Berlin und Minsk, der südlichstePunkt – 40°56’ – in etwa auf demselben Brei-tengrad wie Madrid, Istanbul und Baku.

LandschaftDie Landschaft ist überaus abwechslungs-reich. Kasachstan weist Hochgebirge mitGletschern, wie das bis zu 7000 Meter hoheGebirgsmassiv Chan-Tengri, hügelige Mit-telgebirge und plateauartige Erhebungen so-wie weite Ebenen und Tiefebenen, Wüstenund Seen auf. Das Chan-Tengri-Massiv liegt

im Südosten des Landes an der Grenze zuChina und Kyrgysstan. Auch das Altaigebir-ge an der östlichen Grenze weist hohe Gip-fel auf. Die Niederung Karakija auf der Halb-insel Mangyschlak im Südwesten liegt 132Meter unter dem Meeresspiegel.

Steppen (halbdürre grasbewachsene Ebenen),Wüsten und Hügellandschaften bestimmendas Land. Wüsten und Halbwüsten erstreckensich auf mehr als zwei Dritteln des Territori-ums. Die größten Wüstengebiete sind dieunfruchtbare Sandwüste Kysylkum („RoterSand“), die auch große Teile des benachbar-ten Usbekistans einnimmt, und die WüsteBetpakdala („Weiter Raum“).

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Das Ustjurt-Plateau im Gebiet Mangystau zählt zu den beeindruckendsten Landschaftendes Landes

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Den Nordwesten des Landes nehmen derSüdrand des Gebirgszuges Obschtschy Syrtund das Gebirgsplateau des Vorural ein. Süd-lich davon erstreckt sich die VorkaspischeTiefebene. Im Südwesten liegt die HalbinselMangystau, östlich davon das Wüstenpla-teau Ustjurt, im Nordosten der Vorkaspischen

Tiefebene das Mugadschargebirge, nordöst-lich davon das Turgai-Plateau, das im Südenin die große Tiefebene Turan übergeht, dievon der Wüste Kysylkum eingenommen wird.Nördlich des Aralsees erstrecken sich dieSandsteinmassive Ulken und Kischi Borsyksowie die Wüste Karakum. Den Norden be-stimmt die Nordkasachstanische Ebene. In der Landesmitte liegt die Saryarka, die großeSteppe, wie sie auch bezeichnet wird. Im Sü-den geht es in die Wüste Betpakdala über,südlich davon nimmt das SandsteinmassivMoiynkum ein großes Territorium ein. Östlichder Betpakdala liegt das ausgedehnte Gebiet

Shetyssu, das Siebenstromland, mit der Bal-chaschsko-Alakölsker Niederung. Im Ostenund Südosten der Republik liegen der Süd-und der Rudnyaltai sowie die GebirgsrückenKolby, Saura und Targabatai, der ShetyssuiskiAlatau, zudem der Nördliche und WestlicheTienschan: Ketpen, das Schu-Iliisker Gebirge,

der Sailiisker Alatau, ein Teil des Kungei Ala-tau, der Kirgisische Gebirgsrücken, der Talas-ker Alatau, der Ogen und das Karatau.

KlimaDie große Entfernung von den Weltmeerenund die Besonderheiten des Landschaftsre-liefs sorgen für ein strenges Kontinentalkli-ma. Im Norden ist der Winter kalt und lang,in Zentralkasachstan mäßig kalt, im Südenmäßig mild und kurz, im äußersten Südenmild. Die Durchschnittstemperaturen im Ja-nuar betragen minus achtzehn Grad Celsiusim Norden und minus drei Grad Celsius im

Allgemeine Angaben

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In Kasachstan gibt es 48 262 Seen mit einer Gesamtfläche von mehr als 45 000 Quadratkilometern

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südlichsten Flachland. Strömen im Wintervon Norden und Nordwesten kalte, konti-nentale, arktische Luftmassen ins Land, dannsinken die Temperaturen in den nördlichenund zentralen Gebieten bis minus 45 GradCelsius, im Süden manchmal bis minus 35Grad Celsius. Im Flachland ist der Sommerlang und trocken, im Norden warm, im zen-tralen Landesteil sehr warm und im Südenheiß. In den Gebirgen ist der Sommer kurzund mild, der Winter verhältnismäßig warm.Die Durchschnittstemperatur im Juli reichtvon plus neunzehn Grad Celsius im Nordenbis zu plus 29 Grad Celsius im Süden. Fastüberall regnet es wenig. In der Waldsteppeund in der Saryarka werden im Jahresdurch-schnitt 350 bis 400 Millimeter Niederschlä-ge gemessen, in der Steppe 250 Millimeter,in den Halbwüsten und Wüsten lediglich 150bis 200 Millimeter. Weniger als hundert Mil-limeter Niederschlag im Jahresdurchschnittgehen im Gebiet des Balchaschsees, im Süd-westen der Kysylkum, im Raum des Aralseesund im Süden Ustjurts nieder. In den Vorge-birgsregionen und in den Gebirgen Südost-kasachstans fallen jährlich 400 bis 1 600 Mil-limeter Niederschläge. Im Norden und in derLandesmitte fällt der meiste Regen im Som-mer, im Süden hingegen im Vorfrühling. Star-ker Wind ist für fast alle Landesteile typisch.Im Norden kommt er im Winter vorwiegendaus Südwest, im Süden aus Nordost, im Som-mer wehen überall Nordwinde. Die Vegeta-tionszeit dauert im Norden 140 bis 200 Ta-ge und im Süden 230 bis 290 Tage.

Wasserressourcen Kasachstan weist ein verzweigtes Flussnetzauf. Die Landschafts- und Klimaunterschie-de bedingen die ungleichmäßige Verteilungder Gewässer. Die wichtigsten Flüsse sind derIrtysch, der Schajyk (Ural), der Schu und derSyr-Darja. Der längste Fluss Kasachstans istder Irtysch (kasachisch: Ertis). Er ist 4 248 Ki-lometer lang, davon führt er 1 700 Kilome-ter über Kasachstan. Während es in Zentral-kasachstan und den Wüsten im Süden nur

wenige Wasserläufe gibt, sind es im Nordenund in den Hochgebirgsregionen sehr viele.85 022 Wasserläufe bilden das Flussnetz.Neunzig Prozent davon sind mindestens zehnKilometer lang. Der Großteil der Wasserläu-fe gehört zu den in sich geschlossenenBecken des Kaspischen Meeres und des Aral-sees sowie der Seen Balchasch, Tenis, Schal-kar und Karassor. Viele Flüsse überquerenStaatsgrenzen. Neben dem Irtysch entsprin-gen der Essil und der Tobol dem Ob-Becken(Karsker Meer). Der Syr-Darja kommt aus Us-bekistan und fließt weiter ins nordöstlicheBecken des Aralsees. Mehr als zwanzig Flüs-se, darunter der Ili, die in den Balchaschseemünden, entspringen auf chinesischem Bo-den. Der Schajyk (Ural) im nordwestlichenKasachstan kommt aus Russland und mün-det ins Kaspische Meer. Es dominieren Flach-landflüsse, die durch Schnee und Frühjahrs-regen gespeist werden. Viele der Flüsse trock-nen im Sommer aus. Im Süden und Ostenwerden die zahlreichen Gebirgsflüsse durchGletscher- und Schneeschmelze gefüllt. Siebringen im Frühjahr Hochwasser. Die was-serreichen Gebirgsflüsse sind außerdem alsEnergieerzeugungsressourcen ein wichtigerWirtschaftsfaktor. So dienen Irtysch, Syr-Darja und Ili der Erzeugung von Elektro-energie. Unter natürlichen Bedingungen er-reichen die Wasservorräte eine Kapazität voninsgesamt mehr als hundert Kubikkilome-tern im Jahr (Gesamtumfang der Ober-flächengewässer, einschließlich der mit die-sen verbundenen unterirdischen Gewässern).Davon entfallen aber nur 56,5 Kubikkilome-ter auf kasachstanisches Territorium. In Südkasachstan speisen die Flüsse die zahl-reichen Bewässerungskanäle. Am Irtyschzweigt der Irtysch-Karagandy-Kanal ab, vondem aus ein neuer Kanal bis zum Ursprungdes Essil angelegt wurde. Beide Kanäle sindunersetzlich für die Wasserversorgung derIndustrie in Zentralkasachstan und in Asta-na. Zur Regulierung und Nutzung des Was-sers für die Bewässerung und die Wasserver-sorgung wurden am Syr-Darja der Staudamm

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Kysylordinsk, das Schardarinsker Staubeckenund das Kasalinsker Wasserkraftwerk, am Ir-tysch die Staubecken Buchtarminskoje, Ust-Kamenogorskoje und Schulbinskoje, am Ilidas Staubecken Kaptschagaiskoje, am Essildie Staubecken Wjatscheslawskoje und Ser-gejewskoje, am Tobol die Staubecken Kaka-tomarskoje, Werchnetobolskoje und Aman-geldinskoje errichtet. In Kasachstan gibt es 48 262 Seen mit einerGesamtfläche von mehr als 45 000 Quadrat-kilometern, davon haben 94 Prozent eineWasseroberfläche von weniger als einemQuadratkilometer, vorwiegend sind es Über-schwemmungs- und Deltaseen. Nur 21 Seensind mehr als hundert Quadratkilometer groß,darunter der Balchasch und der Süßwasser-see Saissan sowie die Salzwasserseen Alaköl,Tenis, Siletytenis, Sassykköl, Kusmurun, Mar-kaköl, Ulken Karaköl, Schagalaly, Teke undSchalkar. Zu Kasachstan gehören der nördli-che und nordöstliche Teil des KaspischenMeeres sowie der nördliche Aralsee. Aus vielen Seen werden verschiedene Mine-ralien gewonnen, in über dreißig Seen gibt esHeilschlamm. Die Vorräte an Süßwasser undschwach salzhaltigem unterirdischem Grund-wasser belaufen sich auf 7 500 bis 8 000 Ku-bikkilometer. In Kasachstan gibt es zahlreiche Mineral-quellen, die in sechs balneologische Mine-ralwassergruppen unterteilt sind. Sie werdenzu Kur- und Heilbehandlungen genutzt.

BodenbeschaffenheitKasachstan verfügt über riesige Boden-flächen. Ausgewiesen sind 214 MillionenHektar landwirtschaftliche Nutzflächen, da-von fünf Millionen Hektar Wiesen und 190Millionen Hektar Weidefläche. Ackerflächenmachen mit rund 18,3 Millionen Hektar et-wa zehn Prozent aus, bewässerte Acker-flächen erstrecken sich auf 2,3 MillionenHektar. Die Unterschiede der Beschaffenheit der Bo-dendecke innerhalb einer Breiten- oder ei-ner Längenzone sind erheblich. Im Norden

erstreckt sich in den Waldsteppen und Step-pen (bis zum 52. Breitengrad) ein Schwarz-erdestreifen (9,8 Prozent des Territoriums).Südlich davon – zwischen dem 48. und dem52. Breitengrad – herrscht in den Trocken-steppen und Halbwüsten Kastanienbodenvor (34,4 Prozent). Beide Bodenzonen wer-den intensiv landwirtschaftlich genutzt. Süd-lich des 48. Breitengrades wechselt brauneund graubraune Wüstenerde mit sandigerWüsten- oder Salzerde (43,6 Prozent). In denBergen des westlichen und nördlichen Tien-schan, des Saur, des Targabatai und des West-altais sowie in den Vorgebirgstälern kom-men verschiedene Gebirgsböden vor (12,3Prozent des Territoriums).

Flora Die Pflanzenwelt ist überaus reich und man-nigfaltig. Sie unterteilt sich in die Flora derWaldsteppe (0,4 Prozent), der Trockensteppe(33,9 Prozent), der Halbwüste (23,1 Prozent),der Wüste (23,7 Prozent) und der Gebirge(9,1 Prozent). In der Waldsteppe überwiegenHalm-, Steppen- und Wiesengräser. Wie klei-ne Inseln erheben sich Birken- und Espen-wäldchen. Vornehmlich auf den Sandbödenam Irtysch und am Tobol gibt es Kiefernhai-ne. In der Steppenzone wachsen in erster Li-nie Schafschwindel, Steppengras und Sträu-cher, in den Flussniederungen finden sichHanf- und Queckenwiesen, auf den Granit-massiven der Saryarka Kiefernwäldchen, inder Halbsteppe wachsen Halmpflanzen undBeifuß. In den Wüsten (Sand-, Lehm- undSteinwüsten) finden sich dürrefestes Busch-werk, Salzkraut, Beifuß und Gräser. In denSandwüsten sind große Flächen von weißemund schwarzem Saksaul bedeckt. In dengroßen Flusstälern finden sich Tugai-Wälder,Ulmen, Pappeln, Buschwerk. Um die Seenund an vielen Flüssen wächst Schilf. Für dieVorgebirgsebenen und die Vorgebirge sindEphemeriden typisch. Die Vorgebirge der Ge-birgsrücken sind mit Steppenpflanzen be-deckt. In höheren Lagen sind Sträucher so-wie Espen- und Birkenwälder zu finden, im

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Sailiisker Alatau zudem wilde Apfel- undAprikosenbäume sowie Weißdorn. In denmittleren Gebirgshöhen finden sich typischeNadelwälder - im Altai sind es sibirische Lär-chen, Tannen, Kiefern, Edeltannen und Ze-dern, im Shetyssuisker Alatau ist die Tien-schantanne und stellenweise die sibirischeWeißtanne verbreitet. Weiter südlich im Tien-schan wächst nur noch die Tanne. Über denWaldstreifen erstrecken sich Subalpen- und

Alpenwiesen. Hoch auf dem Gebirgskammdes Tienschan ist auch noch turkestanischerWacholder anzutreffen. Wälder nehmen rundzehn Millionen Hektar ein.

FaunaDie Tierwelt Kasachstans ist vielfältig. Selte-ne Tierarten stehen unter dem Schutz desStaates. In die Rote Liste Kasachstans sindmehr als siebzig Pflanzenarten und rundneunzig Tierarten, davon 43 Vogelarten und31 Säugetierarten eingetragen. In Kasachstan gibt es sechzehn staatliche Na-turschutzgebiete. In den Jahren der Unab-

hängigkeit wurden zwei neue Naturschutz-gebiete eingerichtet, nämlich das West-Al-tai-Naturschutzgebiet in Ostkasachstan imJahre 1992 und das Alakölsker Naturschutz-gebiet bei Almaty im Jahre 1998. Ausgewie-sen wurden vier Nationalparks: Ili-Alatau undAltyn-Emel im Gebiet Almaty sowie Kok-schetau im Gebiet Akmola wurden im Jahre1996 eingerichtet. Karkaralin im Gebiet Ka-ragandy existiert seit 1998.

In Kasachstan sind 47083 Tierarten verzeich-net, darunter Hasen, Kropfgazellen, sibirischeGebirgsziegen, Rehe, langstachelige Igel, Eich-hörnchen, Saigaantilopen und Füchse. Vonden seltenen und vom Aussterben bedrohtenArten haben sich erhalten: Arkary (Stierböcke),Kulan (Wildesel), Tienschanbraunbären, Ust-jurter Muffelwild, Schneeleoparden und tur-kestanische Luchse. In den Schutzgebieten und Nationalparks le-ben viele Vogelarten. Auf besonders ge-schützten Territorien nisten über 150 000Vögel, darunter Enten, Birkhühner, Flamingos,Lämmergeier, Fasane, Rebhühner, Pelikane

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Die Tierwelt Kasachstans ist vielfältig. Seltene Tierarten stehen unter dem Schutz des Staates. Die Saiga, eine seltene Antilopenart, lebt in den Steppen Kasachstans

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und Auerhähne. Im Korgalshinsker Natur-schutzgebiet im Gebiet Akmola sind Koloni-en des rosa Flamingos und des Pelikans an-zutreffen. Im Nationalpark Altyn-Emel gibtes Adler, Königsadler, Falken und Lämmer-geier. Trappen und Habichte bewohnen dieSteppe. Adler und Falken nisten im Gebirge.Eine Besonderheit der kasachstanischen Fau-na war schon immer der berühmte Schnee-leopard oder Irbis, der heute noch im Tien-schan vorkommt. Zahlreiche Schneeleopar-den sind in den Naturschutzgebieten Aksu-Dshabaglin und Almaty anzutreffen. Beinahe die Hälfte der in Kasachstan behei-mateten Tiere gehört zu den Nagetieren. Essind neben unterschiedlichsten Arten vonMäusen auch größere Arten wie beispiels-weise der Flussbiber oder das Stachelschwein.Die beiden letzteren sind in der Roten ListeKasachstans verzeichnet. Die Saiga, eine seltene Antilopenart, lebt inden Steppen Kasachstans, wo auch Rehe,Wölfe, Füchse und Dachse vorkommen. Vie-le Tiere leben in den Wüsten, darunter Ga-zellen und Nagetiere sowie Reptilien wieEidechsen und Schlangen. Wildschweine,Schakale und Hirsche leben in der Nähe vonFlüssen und Seen. Die Berge sind Heimat dereinheimischen Bergziegen und Wildschafe,von Luchsen, Wölfen, Wildschweinen undBraunbären.

RessourcenMineralische Ressourcen. In Kasachstan gibtes reiche Vorkommen organischer und anor-ganischer Mineralien sowie von Brennstoff-ressourcen. Hinsichtlich der Kohlenwasser-stoffvorräte, der Phosphorite, des Urans, derBunt- und Schwarzmetalle zählt Kasachstanzu den ersten Ländern weltweit. Was dieBrennstoffenergieressourcen betrifft, so ver-fügt Kasachstan über Stein- und Braunkoh-le, Erdöl und Erdgas sowie andere Brennma-terialien. Die reichsten Kohlevorräte sind inden Vorkommen Ekibastus, Karagandy, Mai-kuben, Kenderlik, Taskomirska und Alaköl kon-zentriert. Im Westteil des Landes sind be-

achtliche Erdöl- und Erdgasvorräte konzen-triert, sodass Kasachstan zu den zehn größ-ten erdölfördernden Ländern der Welt zählt.Im Mangystau- und im Embinsker Becken fin-den sich die größten Kohlenwasserstoffvorräte.In den letzten Jahren wurden neue Vorkom-men in Westkasachstan erkundet und er-schlossen, darunter Karatschaganak, Tengisund Ostkaschagan. In Nordkasachstan finden sich die wichtigstenEisenerzvorkommen. Zu nennen sind das So-kolow-Sarbaisker, das Kascharer und dasKorshinkolsker Lager. Schwarzmetalle kom-men im Altai vor. Reich ist das Land an Po-lymetallerzen. Vorkommen finden sich imRudnyaltai und in der Saryarka. In Kasachstantrifft man beinahe überall auf Buntmetall-vorkommen. In West- und Südkasachstanfinden sich große Vorkommen nichterzhal-tiger Bodenschätze. Hier werden Phospho-rite, Salze und Baumaterialien (Zementton,Kalkstein, Muschelkalk) abgebaut. Für dieQualität seiner Phosphorite ist vor allem Süd-kasachstan weltweit bekannt.Die Republik verfügt über die weltweit größ-ten Vorräte an Zink, Wolfram und Baryt, überdie zweitgrößten Vorkommen an Silber, Bleiund Chromaten, über die drittgrößten anKupfer und Fluoriten, über die viertgrößtenan Molybdän und über die sechstgrößten anGold. Unter den GUS-Staaten nimmt Ka-sachstan den ersten Platz bei Chromaten ein,den zweiten bei Erdöl, Silber, Kupfer, Mangan,Zink, Nickel und Phosphoriten sowie den drit-ten bei Erdgas, Kohle, Gold und Zinn.Klimatische Ressourcen. Die Größe des Ter-ritoriums und die Besonderheit seiner geo-grafischen Lage bedingen die klimatischenRessourcen. Die vielen Sonnentage und dieDauer der Vegetationsperiode erlauben es,im Süden der Republik wärmeliebende Pflan-zen wie Reis, Mais, Baumwolle und Tabakanzubauen. Kasachstan kann Sonnenener-gie zur Wärmeerzeugung nutzen. Die Wind-energie wird für die Erzeugung von mecha-nischer und Elektroenergie genutzt.

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Geschichte

Meilensteine der GeschichteAllgemein wird angenommen, dass das ka-sachische Staatswesen mit dem Entstehendes Kasachischen Khanats im Jahre 1456 sei-nen Anfang genommen hat. Seine Heraus-bildung war eng verbunden mit der Ge-schichte der Goldenen Horde. Im 14. und 15.Jahrhundert gehörte der größte Teil des heu-tigen kasachstanischen Territoriums zur Gol-denen Horde, der Süden und das Sieben-stromland waren Teil Mongolistans, ein al-ter mittelasiatischer Staat. Ab der zweitenHälfte des 14. Jahrhunderts setzte der Zer-fall der Goldenen Horde ein. Auf dem Terri-torium Kasachstans entstanden selbständigeKhanate. Unter ihnen ragte ein von Histori-kern als Staat nomadisierender Usbeken be-zeichnetes Gebilde heraus. Dieses Khanat er-reichte seine Blüte unter Khan Abulchair(1429 bis 1468). Seine Bewohner waren Us-bek-Kasachen.In der Mitte der 50er Jahre des 15. Jahr-hunderts wanderten die Stämme der Argy-ner, Kerejewer, Kiptschaken und Schalairenunter den Sultanen Dschanibek und Kerejnach Mongolistan ab. Sultan Kerej wurdedann 1456 auf dem Territorium des heuti-gen Südkasachstans zum Khan, dem Ober-haupt aller Kasachen, gewählt. Mit der Ent-stehung des Kasachischen Khanats steht dasWort „Kasache“ für die Bezeichnung desVolkes. Mit dem freiwilligen Anschluss ver-schiedener kasachischer Sippen dehnte sichdas Khanat allmählich aus.Unter den politischen Führern der folgen-den Jahre ragen Khan Kassym (1511 bis 1518),Khan Chak-Nazar (1538 bis 1580), Khan Tau-ke (1582 bis 1598) und Khan Essim (1598 bis1628) heraus. Unter Khan Essim wurde dieVereinigung der kasachischen Sippen zu ei-nem einheitlichen Staatsgebilde abge-schlossen. In seine Zeit fällt die Gliederungdes kasachischen Volkes in die drei kasachi-

schen Horden – die Ältere Shus (Uly), dieMittlere Shus (Orta) und die Jüngere Shus(Kischi).Das Kasachische Khanat war kein Zentral-staat mit einem einheitlichen politischen undVerwaltungssystem. Es bestand aus Feudal-

besitzen – Ulusen – unter der Führung vonSultanen. An der Spitze des Staates standder Khan, der in seiner Person die höchstenstaatlichen, militärischen und administrati-ven Vollmachten vereinigte.Eine Blütezeit erlebte das Kasachische Kha-nat unter Khan Tauke (1687 bis 1717). Nach

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Mitte des 15. Jahrhunderts entstand auf demTerritorium des heutigen Südkasachstans dasKasachische Khanat

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seinem Tod spitzten sich die Feudalfehdenzu. Das Khanat war innerlich zerstritten undhörte auf, als einheitlicher Staat zu existie-ren. In den 20er Jahren des 18. Jahrhundertshatte jede Shus ihren eigenen Khan. Der Zer-fall wurde durch aggressive Angriffe be-

schleunigt. Im Herbst 1723 fielen vom Ostenher die Dschungaren auf kasachisches Ge-biet ein. Trotz innerer Zwistigkeiten schlos-sen sich die kasachischen Stämme zusam-men und leisteten den Eroberern Widerstand.1726 fand eine Zusammenkunft der nam-haften Führer aller drei kasachischen Shuse –der Bijen (Würdenträger) – statt. Der Khan derJüngeren Shus – Abulchair – wurde zumobersten Befehlshaber der vereinigten kasa-chischen Truppen gewählt. Unter seiner Füh-rung konnte das kasachische Heer dieDschungaren schlagen. Bald darauf traten jedoch erneut Wider-sprüche zwischen den Führern der Shuse auf.Unter Khan Abilmambet spaltete sich das

Kasachische Khanat weiter. Die Jüngere undMittlere Shus schlossen sich dann Mitte des18. Jahrhunderts Russland an. Die Ältere Shusblieb zunächst unter der Herrschaft derDschungaren, fiel Ende des 18. Jahrhundertsunter die Herrschaft der mittelasiatischen

Khane (Chiwa, Buchara und Kokand) undschloss sich in den 60er Jahren des 19. Jahr-hunderts ebenfalls dem Russischen Reich an.

Kasachstan im Bestand des Russischen ReichesIn den 20er und 40er Jahren des 19. Jahr-hunderts wurden die Khane der kasachischenShuse entmachtet, und an die Stelle dieserurkasachischen Staatsform trat die Oberho-heit der russischen Verwaltung. 1850 wur-de Kasachstan in vier Gouvernements mitZentren in den Städten Uralsk, Turgai, Ak-mola und Semipalatinsk aufgeteilt. Nach derAufhebung der Leibeigenschaft im Zaren-reich begann Anfang der 60er Jahre des 19.

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Die Ruinen der uralten Stadt Otrar, die im Zentrum einer großen Oase lag und im Mittelalter eine derbedeutendsten Städte in der zentralasiatischen Region war

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Jahrhunderts die intensive Umsiedlung vonRussen nach Kasachstan. Bis Ende des 19.Jahrhunderts siedelten rund 1,5 Millionenrussische Bauern nach Kasachstan über. Dieshatte gewaltige demografische Wandlungenzur Folge. 1914 waren 58,5 Prozent der Be-völkerung Kasachen und 29,6 Prozent Rus-sen. Aus einer monoethnischen Gesellschaftwar eine multiethnische geworden.Um die Wende zum 20. Jahrhundert lebtenin Kasachstan etwa 3 300 000 Kasachen. DieÄltere Shus zählte etwa 700 000 Einwohnerund besetzte das Territorium vom Ober- biszum Mittellauf des Syr-Darja und bis zumSiebenstromland. Die Mittlere Shus mit ihren1,2 bis 1,3 Millionen Einwohnern besiedelteZentral- und Nordostkasachstan sowie denMittellauf des Syr-Darja. Die Jüngere Shussiedelte am Unterlauf des Syr-Darja, an derKüste des Aralsees, im nördlichen Teil desKaspischen Flachlandes und am Unterlaufdes Ural.Anfang des 20. Jahrhunderts setzte die in-dustrielle Entwicklung Kasachstans ein. Zuwichtigen Produktionszweigen wurden derBergbau, die Goldgewinnung und der Stein-kohleabbau. Um die Jahrhundertwende wur-den die ersten Eisenbahnstrecken gebaut.Russland und Kasachstan schmolzen zu ei-nem einheitlichen administrativen und wirt-schaftlichen Gebiet zusammen.

Kasachstan nach der Oktoberrevolution1917 existierte in Kasachstan bereits einenationale Kulturelite. Die Angehörigen die-ser Kreise, die eine glänzende Bildung be-saßen, arbeiteten an den Ideen einer unab-hängigen Entwicklung Kasachstans. Die seitAnfang des 20. Jahrhunderts um den Wis-senschaftler und Historiker Alichan Bukei-chanow versammelte kasachische Öffent-lichkeit forderte 1917, die kasachische Staat-lichkeit im Rahmen der territorialen Auto-nomie „Alasch-Orda“ wiederherzustellen. ImJuli 1917 wurde die Partei „Alasch“ gegrün-det, die sich an die Spitze des nationalen Be-

freiungskampfes stellte. Ziele der Partei wa-ren die wirtschaftliche und die politische Un-abhängigkeit.Die kasachische Kulturelite hatte bereits 1917verstanden, dass sich ihre nationalen Inter-essen von den nationalen Interessen und Hal-tungen der Liberalen Russlands unterschie-den. Die Führer der kasachischen Elite wa-ren bestrebt, die Unabhängigkeit der Kasa-chen auf legalem Wege und allein durch denpolitischen Kampf zu erreichen. Die Ansichten der „Alasch“-Mitglieder zu denFragen der Demokratisierung des Staatsauf-baus waren konsequent. In ihrem Programmsetzten sie sich für die damals fortschritt-lichste Form der Staatsführung – die präsi-diale –, für demokratische Wahlen sowie fürRede-, Presse- und Versammlungsfreiheit ein.Nachdem sich die Sowjetmacht auch in Ka-sachstan behauptet hatte, war „Alasch“ ge-zwungen, die Sowjetmacht als Zentralmachtaller autonomen Völker Russlands anzuer-kennen. Die Partei forderte von der Sowjet-regierung trotzdem die Unabhängigkeit desautonomen „Alasch-Orda“, das heißt, alleGebiete des kasachischen Volkes sollten inden Grenzen einer Autonomie vereint wer-den.Eine wichtige Rolle bei der Festigung der Be-ziehungen zwischen den kasachischen Ge-bieten, die unter der Schirmherrschaft desKasachischen Revolutionären Komitees stan-den, und den anderen administrativ-territo-rialen Gliederungen sowie bei deren künfti-ger Vereinigung im Bestand der KasachischenRepublik spielte die erweiterte Sitzung desKomitees vom 27. Oktober 1919. Auf dieserwurde der Beschluss über die Einberufungdes Allkasachischen Sowjetkongresses ge-fasst. Dieser tagte vom 3. bis 11. Januar 1920in Aktöbe. In seinem Beschluss wird auf dieNotwendigkeit verwiesen, alle kasachischenGebiete in der Kasachischen Autonomen So-wjetischen Sozialistischen Republik zu ver-einen, die Teil der RSFSR sein wird. AufGrundlage dieses Beschlusses unterschrie-ben am 26. August 1920 Wladimir Lenin, der

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Vorsitzende des Allrussischen Rates der Volks-kommissare der RSFSR, und Michail Kalinin,der Vorsitzende des Allrussischen ZentralenExekutivkomitees, das Dekret „Über die Bil-dung der Kirgisischen (Kasachischen) Auto-nomen Sowjetischen Sozialistischen Repu-blik“. Die ASSR, die aus dem nördlichen undzentralen Teil des heutigen Kasachstans be-stand, erstreckte sich über 1 871000 Qua-dratkilometer und zählte 5 046 000 Einwoh-ner, davon waren rund 46 Prozent ethnischeKasachen. Die ASSR war Teil der RSFSR, undihre erste Hauptstadt war Orenburg.Die Ausrufung der Kirgisischen (Kasachi-schen) ASSR war ein wichtiges Ereignis fürdie Sicherung der territorialen Integrität derkasachischen Staatlichkeit. Gleichzeitiggehörten von Kasachen besiedelte Gebietezur ASSR Turkestan – hier stellten die Kasa-chen 19,3 Prozent der Bevölkerung. GroßeGruppen von Kasachen lebten in der Cho-resmischen und der Bucharischen Sowjeti-schen Volksrepublik (1,5 respektive 3,5 Pro-zent der Bevölkerung). Nach Auflösung der ASSR Turkestan wurdender Kirgisischen (Kasachischen) ASSR Ende1924 das heutige südliche Kasachstan unddas heutige Karakalpakstan angegliedert.Im April 1925 wurde die Autonomie der Ka-sachischen ASSR beschlossen, und Orenburgund die angrenzenden Gebiete wurden di-rekt der RSFSR angeschlossen. Die Haupt-stadt der Autonomie wurde von Orenburgnach Akmetschet (Kysylorda) und 1929 vondort nach Alma-Ata (Almaty) verlegt.Die kasachischen Gebiete waren also damalsfast alle in einer Republik vereinigt. Gleich-zeitig war diese Periode für Kasachstan tra-gisch. Die Hungersnöte 1921/1922 und 1931bis 1933 sowie die Massenrepressionen1937/1938 führten zum Rückgang der Be-völkerung um etwa drei Millionen Menschen.400 000 Menschen, mehrheitlich ethnischeKasachen, waren gezwungen, Kasachstan zuverlassen. Sie emigrierten in den Iran undden Irak, nach Afghanistan, in die Türkei, dieMongolei und nach China.

Mit der Annahme der Verfassung der UdSSRam 5. Dezember 1936 durch den VIII. So-wjetkongress wurde die Kasachische ASSRzu einer Unionsrepublik erklärt, gleichzei-tig wurde Karakalpakstan als autonome Re-publik Teil des benachbarten Usbekistans.Ende 1936 war Kasachstan in acht Gebietegegliedert. Im Januar 1938 entstanden diedrei Gebiete Kysylorda, Pawlodar und Gur-jewsk, im Oktober 1939 die Gebiete Semi-palatinsk, Shambyl und Akmola. Im März1944 wurden aus dem Gebiet Nordkasach-stan das Gebiet Kokschetau und aus demGebiet Alma-Ata das Gebiet Taldykorganausgegliedert. Damit bestand die Kasachi-sche SSR aus sechzehn Gebieten.

Die NeulandgewinnungDie Neulandgewinnung gehört zu den be-eindruckendsten Seiten in der Chronik Ka-sachstans. In vorher unbesiedelten Gebietenentstanden Hunderte Sowchosen, Industrie-betriebe und wissenschaftliche Zentren. Ge-schaffen wurde die neue Getreidebasis derSowjetunion. In Kasachstan veränderten sichgrundlegend die Wirtschaft, die Kultur, ja,die gesamte Entwicklung riesiger Gebiete.Die Missernte in den traditionellen sowjeti-schen Getreideanbaugebieten von 1953 be-drohte die Lebensmittelversorgung derUdSSR. Anstatt die Herangehensweise an dieBewirtschaftung zu überprüfen, griff manzur extensiven Methode der Neulandgewin-nung in Kasachstan sowie in einigen Gebie-ten Sibiriens. Die Anbaufläche in Kasachstansollte auf 25 Millionen Hektar vergrößertwerden. Die Neulandgewinnung hatte am-bivalente Folgen. Einerseits war sie ein wich-tiger Faktor für die Steigerung der Ernteer-träge bei Getreide und anderen Agrarkultu-ren. Zudem entwickelte sich die Infrastruk-tur. Sowchosen wurden gegründet, die überleistungsstarke Landwirtschaftstechnik ver-fügten. Durch die Erweiterung und intensi-ve Nutzung des Ackerbodens verzeichneteman höhere Bruttoernteerträge, und diestaatlichen Getreideaufkäufe stiegen. 1956

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lieferte Kasachstan die erste Milliarde Pud(ein Pud gleich sechzehn Kilogramm) Ge-treide. 1976 wurden auf 25,5 Millionen Hek-tar Boden 29,8 Millionen Tonnen Getreideeingebracht, 1960 waren es nur 4,7 MillionenTonnen gewesen. Die Kasachische SSR wur-de zu einer Kornkammer der Sowjetunion.Andererseits fielen der Neulandgewinnungdie überaus reichen Weiden der Grassteppezum Opfer, die die Grundlage der Viehzuchtbildeten. In der traditionell von der Vieh-wirtschaft dominierten Landwirtschaft er-

folgte damit eine deutliche Verschiebung hinzur Ackerwirtschaft.Die Neulandgewinnung erforderte enormemenschliche Ressourcen. Facharbeiter ausRussland, Belarus und der Ukraine wurdenins Land geholt. Allein 1954 bis 1956 kamenüber 640 000 Menschen nach Kasachstan.

Die Tragödie des Atomtestgeländes SemipalatinskDie Sowjetunion investierte enorme Mittelin Hochtechnologie, Wissenschaft, Technik

und Industrie. Mit den Arbeiten an der Ent-wicklung der Atomwaffe begann die Suchenach einem Territorium für ein atomares Ver-suchsgelände. Man entdeckte es in der Ir-tysch-Steppe, 140 Kilometer westlich vonSemipalatinsk. Die wichtigsten Arbeiten aufdem Versuchsgelände leistete das Projektie-rungsinstitut GSPI-11 der Ersten Hauptver-waltung für technische Aufgaben des Insti-tuts für Chemikalische Physik. Am 21. April1947 begannen die Ingenieurtruppen der so-wjetischen Streitkräfte mit den Bauarbeiten.

An den Arbeiten, die 180 Millionen Rubelkosteten, waren 15 000 Bauarbeiter der So-wjetarmee beteiligt.Das erste sowjetische Atomtestgelände stell-te eine komplizierte Struktur aus wissen-schaftlichen Forschungseinrichtungen, vie-len Gebäuden und Bauten an verschiedenen,auch unterirdischen Orten dar. In der Mittedes Versuchsgeländes erhob sich ein 37 Me-ter hoher Stahlturm (auf ihm wurde die er-ste Kernladung – RDS-1 – gezündet), dane-ben lag die Werkstatt, in der unmittelbar vor

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Bis 1989 wurden auf dem Versuchsgelände Semipalatinsk etwa 470 Atomtests durchgeführt. Die Folgen für die Umwelt waren verheerend, wie der in einem Explosionskrater entstandene See belegt

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dem Test die Sprengladung montiert wurde.In unterschiedlicher Entfernung vom Stahl-turm standen Messtürme, Häuser und Wirt-schaftsbauten, zahlreiche Objekte der Mi-litär- und Ziviltechnik, wurden Versuchstie-re gehalten. An all diesen Objekten wurdedie Wirkung der Atomexplosion überprüft.Die Vorbereitungen waren im Juli 1949 ab-geschlossen. Die erste Kernexplosion erfolg-te am 29. August 1949. Am 18. Januar 1951wurde eine Atombombe gezündet. Am 12.August 1951 wurde eine thermonukleare La-dung getestet und am 29. November 1955die Wasserstoffbombe. Bis 1989 wurden aufdem Versuchsgelände Semipalatinsk etwa470 Atomtests durchgeführt. Die Folgen für

die Umwelt waren verheerend. Da es keineUmweltdaten für diesen Zeitraum gibt, lässtsich das tatsächliche Ausmaß der Schädenschwer einschätzen. Die vorhandenen Datenbeweisen jedoch die weit über das Gebiethinausgehende radioaktive Verseuchung. Dieradionuklide Belastung von Milch und Fleischaus den umliegenden Landwirtschaftsbe-trieben überstieg die zulässigen Werte umein Mehrfaches. Das Fehlen eines Überwa-chungssystems der Umwelt und des Trink-wassers führte zu zusätzlichen Strahlenbe-lastungen der Bevölkerung. In den 80er Jahren drang die Wahrheit überSemipalatinsk an die Öffentlichkeit. Die Be-völkerung widersetzte sich dem Versuchs-

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16. Dezember 1991: Annahme des Verfas-sungsgesetzes „Über die staatliche Unabhän-gigkeit der Republik Kasachstan“

21. Dezember 1991: Erklärung von Alma-Atader Staatsoberhäupter von elf ehemaligenSowjetrepubliken zur Gründung der GUS

2. März 1992: Kasachstan wird als Mitglied indie Vereinten Nationen aufgenommen

21. Dezember 1992: Die Bestimmung „Über diewichtigsten Richtungen der Konzeption derMilitärdoktrin und des Aufbaus der Streit-kräfte der Republik Kasachstan“ wird ange-nommen

29. September 1992: Eröffnung des erstenWeltkurultai der Kasachen in Almaty

28. Januar 1993: Annahme der ersten Verfas-sung der Republik Kasachstan

26. März 1993: Durchführung der ersten Kon-ferenz der Staatsoberhäupter der mittelasia-tischen Republiken und Kasachstans unter Teil-nahme Russlands zu den massiven Problemendes Aralsees

9. April 1993: Annahme des Gesetzes „Über dieVerteidigung und die Streitkräfte der RepublikKasachstan“

10. Oktober 1993: Selbstauflösung des Obers-ten Sowjets der Republik Kasachstan der 12.Legislaturperiode

7. März 1994: Wahlen in den Obersten Sowjetder 13. Legislaturperiode

29. April 1995: Landesweites Referendum überdie Verlängerung der Vollmachten des Präsi-denten der Republik Kasachstan bis zum Jah-re 2000

30. August 1995: Annahme der neuen Verfas-sung der Republik Kasachstan durch Volks-abstimmung

5. und 9. Dezember 1995: Wahlen zum Zwei-kammernparlament

24. Januar 1996: Erlass des Präsidenten „Überdie Staatssymbole der Republik Kasachstan“

Mai 1997: Durchführung administrativ-terri-torialer Reformen

10. Dezember 1997: Offizieller Umzug derHauptstadt von Almaty nach Akmola

6. Mai 1998: Erlass des Präsidenten der Repu-blik Kasachstan „Über die Umbenennung derStadt Akmola – Hauptstadt der Republik Ka-sachstan – in Astana – Hauptstadt der Repu-blik Kasachstan“

10. Januar 1999: Präsidentschaftswahl10. Oktober 1999: Parlamentswahlen22. bis 25. September 2001: Besuch von Papst

Johannes Paul II. in Kasachstan26. März 2002: Kasachstan wird der Status ei-

nes Landes mit Marktwirtschaft zuerkannt19. Juli 2002: Das Gesetz „Über die politischen

Parteien” tritt in Kraft20. September 2003: Wahl in die Maslichate

(Organe der Repräsentativmacht)

Wichtige Daten des unabhängigen Kasachstans

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gelände. Die erste gesellschaftliche Bewegung,die die Schließung forderte, war die Anti-atombewegung „Nevada – Semipalatinsk“, anderen Spitze der Dichter und Politiker OlschasSulejmenow stand. Auf staatlicher Ebenesprach erstmals im Jahre 1989 der Deputier-te des Obersten Sowjets der UdSSR Nursul-tan Nasarbajew von der Schließung des Test-geländes. Im Oktober 1990 wurde das Atom-testgelände zunächst stillgelegt.Schließlich wurde eine Sondersitzung desParlaments zur „Schließung des Atomtest-geländes Semipalatinsk“ einberufen. Ka-sachstan war einem enormen Druck seitensMoskaus ausgesetzt. Doch unterstützt vonder kasachstanischen Öffentlichkeit schloss

Präsident Nasarbajew das Testgelände perErlass am 29. August 1991. Im Jahr 2000wurden die letzten Testschächte unbrauch-bar gemacht.Die ökologischen Folgen der Atomtests sindnoch lange nicht überwunden. RadioaktiveRückstände wurden in den Flüssen Tschaganund Aschtschisu, im Balapansee und anderenGewässern entdeckt. Auf rund 4 500 Qua-dratkilometern sind der Boden und die Ober-flächen- und unterirdischen Gewässer ver-seucht. Über zehn Millionen Curie radioakti-ver Stoffe sind an unterirdischen Explosions-orten unweit des Irtysch konzentriert. Das Ri-siko besteht, dass Radionuklide über unterir-dische Wasserläufe in den Irtysch gelangen.

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19. September 2004: Wahl des Mashilis (Un-terhaus des Parlaments)

3. November 2004: Einberufung des neuen Par-laments der Republik Kasachstan

5. Juli 2005: Annahme der Astana-Deklarati-on der Staatschefs der Mitgliedsstaaten derShanghai-Organisation für Zusammenarbeit

29. September 2005: Dritter Weltkurultai derKasachen

4. Dezember 2005: Präsidentschaftswahl1. März 2006: Botschaft des Präsidenten an

das Volk „Die Strategie des Aufstieges Ka-sachstans zu einem der fünfzig wettbe-werbsfähigsten Staaten der Welt”

20. März 2006: Erlass des Präsidenten „Überdie staatliche Kommission zur Ausarbeitungund Konkretisierung des Programmes demo-kratischer Reformen”

17. Juni 2006: II. Gipfel der Organisation fürZusammenarbeit und vertrauensbildendeMaßnahmen in Asien

18. Juni 2006: Start des Satelliten „KasSat-1”19. Februar 2007: Die staatliche Kommission

für die Ausarbeitung und Konkretisierung desProgramms demokratischer Reformen schließtihre Arbeit ab

27. Februar 2007: Jahresbotschaft des Präsi-denten an das Volk Kasachstans „Das neueKasachstan in der neuen Welt”

21. Mai 2007: Das Gesetz „Über Veränderungenan der und Ergänzungen zur Verfassung derRepublik Kasachstan” wird unterzeichnet

18. August 2007: Wahlen in das Mashilis unddie Maslichate

6. Februar 2008: Jahresbotschaft des Präsiden-ten „Wachstum des Wohlstandes der BürgerKasachstans ist das Hauptziel der Politik desStaates”

6. Juli 2008: Zehnjähriges Jubiläum AstanasAugust 2008: Bestätigung des Programms „Der

Weg nach Europa” 2009 bis 20114. Oktober 2008: Wahlen in den Senat (Ober-

haus des Parlaments)März 2009: Vertrag über die atomwaffenfreie

Zone in Zentralasien tritt in Kraft6. März 2009: Jahresbotschaft des Präsiden-

ten „Durch die Krise zu Erneuerung und Ent-wicklung”

1. bis 2. Juli 2009: Das 3. Treffen der Führerder Welt- und traditionellen Religionen tagtin Astana

Januar 2010: Kasachstan hat den Vorsitz in derOrganisation für Sicherheit und Zusammen-arbeit in Europa inne

29. Januar 2010: Jahresbotschaft des Präsi-denten an das Volk Kasachstans „Ein neuesJahrzehnt – neues Wirtschaftswachstum –neue Möglichkeiten für Kasachstan”

1. bis 2. Dezember 2010: Gipfeltreffen derStaats- und Regierungschefs der OSZE-Staa-ten in Astana

2011: Kasachstan übernimmt den Vorsitz in derOrganisation Islamische Konferenz

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Verzicht auf Atomwaffen Nach dem Zerfall der UdSSR gingen riesigeMengen an Massenvernichtungswaffen inden Besitz Kasachstans über, darunter 1 216Sprengköpfe für ballistische Interkontinen-talraketen und für Bomben der schwerenstrategischen Bomber. Kasachstan erbte dasviertgrößte Atomwaffenarsenal der Welt, zu-dem die gesamte Produktionsindustrie so-wie die wissenschaftliche Forschungsbasisfür die Produktion von Atomwaffen. Kasachstan verzichtete auf seine Atomwaf-fen und den Status einer Atommacht. Im Mai1992 unterzeichnete es das Lissabonner Pro-tokoll, mit dem es sich verpflichtete, sichdem Vertrag über die Nichtweiterverbrei-tung von Atomwaffen als atomwaffenfreierStaat anzuschließen. Im Oktober 1993 wur-de Kasachstan Mitglied der IAEA. Im De-zember 1993 ratifizierte das Parlament denVertrag über die Nichtweiterverbreitung vonAtomwaffen. Am 21. April 1995 war der Ab-zug der Atomsprengköpfe aus Kasachstan ab-geschlossen. Bis 1996 folgten die Raketenselbst. Das Land wurde 1996 Mitglied desVertrages über das Verbot von Atomtests. Im August 1996 wurde Kasachstan vollbe-rechtigtes Mitglied der Abrüstungskonferenzin Genf. Nach dem Verzicht auf Atomwaffenwurden die territoriale Integrität und die Ach-tung der Souveränität Kasachstans von denAtommächten USA, Russland, Großbritanni-en, Frankreich und China garantiert. Am 8. September 2006 wurde in Semipala-tinsk das Abkommen über die atomwaffen-freie Zone in Zentralasien von den Präsiden-ten Kasachstans, Kyrgysstans, Tadschikistans,Turkmenistans und Usbekistans unterzeich-net. Der Vertrag trat im März 2009 in Kraft. Erverpflichtet die Teilnehmer, auf ihrem Terri-torium Produktion, Erwerb und Stationierungvon Atomwaffen und deren Komponenten zuverbieten. Der Vertrag erlaubt die Entwick-lung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken. Kasachstan tritt für eine weltweite Atom-waffenabrüstung ein. Es ruft die Weltge-meinschaft auf, die Annahme des Vertrages

über das Atomtestverbot zu beschleunigen.Kasachstan, einer der größten Uranprodu-zenten der Welt, setzt sich zudem für die Re-duzierung der Risiken bei der Verbreitung vonspaltbarem Material ein. Es unterstützt dieInitiative des russischen und des amerikani-schen Präsidenten, Dmitri Medwedjew undBarack Obama, mit Blick auf die Atomwaf-fenabrüstung und die Stärkung des Nicht-weiterverbreitungsregimes von Atomwaffen.Beachtung fand die Initiative von PräsidentNasarbajew, einen neuen Vertrag über die all-gemeine Nichtweiterverbreitung von Atom-waffen und deren Vernichtung auszuarbei-ten. Auf besonderen Widerhall stieß die vonden Vereinten Nationen unterstützte Initia-tive, den 29. August zum Tag des Verzichtsauf Massenvernichtungswaffen zu erklären.Auf dem Antiatomwaffengipfel am 12. und13. April 2010 in Washington trat PräsidentNasarbajew erneut mit einer Initiative auf:Alle Staaten, die de facto Atomwaffen besit-zen, sollen in einen „Nuklearen Klub” aufge-nommen werden. Dieser Klub und jedes seinerMitglieder sollen sich verpflichten, aus-schließlich in Übereinstimmung mit dem Si-cherheitsrat der Vereinten Nationen zu han-deln. Dies würde bedeuten, dass die Länderauf ihre Atomwaffensouveränität verzichtenwürden. Auch forderte Nasarbajew, die Kon-trolle der Weiterverbreitung von spaltbaremMaterial weiter zu verstärken.

Das Kosmodrom BaikonurAnfang der 50er Jahre setzte das „kosmi-sche“ Wettrennen zwischen der UdSSR undden USA ein. Die Führungsposition im Welt-raum war vor allem eine politische Frage.Am 12. Februar 1955 fasste der Ministerratder UdSSR den Beschluss über den Bau desKosmodroms Baikonur. Im April 1955 wur-den die Bauarbeiten aufgenommen. Am 4. Oktober 1957 startete vom KosmodromBaikonur die erste Trägerrakete, die den Sa-telliten „Sputnik“ in die Erdumlaufbahn brach-te. Der 83,6 Kilogramm schwere Sputnik warkugelförmig und maß 58 Zentimeter im

Geschichte

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Durchmesser. Er verfügte über zwei Rund-funksender, die ständig Signale ausstrahlten.Der Sputnik umkreiste die Erde bis zum 4. Ja-nuar 1958 1 440 Mal.

Der erste Weltraumflug eines Menschen fand1961 statt. Vom Kosmodrom Baikonur starte-te am 12. April die Trägerrakete „Wostok“, diedas gleichnamige sowjetische Raumschiff indie Erdumlaufbahn brachte – am Steuer desRaumschiffes saß der sowjetische KosmonautJuri Gagarin. Der Flug rund um die Erde dau-erte eine Stunde 48 Minuten. Gagarin lande-te mit dem Fallschirm im Gebiet Saratow un-weit seiner Raumschiffkapsel.

Der erste Start der ballistischen Interkonti-nentalrakete R-7 fand 1957 statt. Diese Ra-kete und ihre Modifizierungen wurden fastfünfzig Jahre lang für den Start von Satel-liten und Raumstationen sowie bemannterRaumschiffe benutzt. Die Erfolge fandenweltweites Echo. Die UdSSR besaß nicht nurdie Atomwaffe, sondern auch eine Inter-kontinentalrakete, mit der jeder Punkt derWelt erreicht werden konnte.

Die Wirtschaft Kasachstans in der Zeit der UdSSRDie Wirtschaft Kasachstans war Teil des ein-heitlichen volkswirtschaftlichen Komplexesder Sowjetunion. Hunderte Industrieunter-nehmen nahmen ihren Betrieb auf, der Um-fang der Industrieproduktion verdoppeltesich. Kasachstan nahm bei der Industrieent-wicklung nach Russland und der Ukraine dendritten Platz ein. Es entstanden die großenIndustriegebiete Mangystau, Karatau-Sham-byl und Pawlodar-Ekibastus. Im gesamten Umfang der Industrieprodukti-on wuchs das Gewicht der modernen Bran-chen. Der Produktionsumfang in der Che-mieindustrie nahm um 140 Prozent zu. DerMaschinenbau wurde modernisiert. Eine stür-mische Entwicklung erlebte die Energiewirt-schaft. Der Zuwachs bei der Bruttolandwirt-schaftsproduktion betrug in der zweiten Hälf-te der 60er Jahre 28 Prozent. Die Arbeitspro-duktivität wurde gesteigert.Kasachstan war führend in der Bunt- undSchwarzmetallurgie. Im großen und ganzenentwickelte sich die rohstofforientierte Aus-richtung der Wirtschaft. Mehrere Faktoren– die Neulandgewinnung, Baikonur, die mi-litärischen Übungsplätze, der Bau wichtigerAutobahnen – beförderten die UmwandlungKasachstans aus einer Agrarrepublik in einAgrar- und Industrieland.Das Scheitern der Planwirtschaft zeigte sichMitte der 80er Jahre. Das Bruttoinlandspro-dukt sank. In der Wirtschaft setzte sich dieSubventionierung unrentabler Betriebe aufKosten von rentablen durch. Die Arbeit wur-

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Fast fünfzig Jahre lang startete die Interkontinentalrakete R-7 in Baikonur

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de nicht nach Menge und Qualität der er-zeugten Produkte, sondern aufgrund der fürdie Produktion eingesetzten Mittel bewertet. In der Landwirtschaft war die Situation nochdeprimierender. Die Ausgaben für die Pro-duktion verdreifachten sich von 1971 bis

1985, die Erträge legten aber nur unwe-sentlich zu. Die Hälfte der Sowchosen undKolchosen arbeitete unrentabel.

Kasachstan in den Jahren der PerestroikaHoffnung auf Verbesserung der Lebensqua-lität und der Wirtschaft erwachte Mitte der80er Jahre. Michail Gorbatschow wurde am11. März 1985 Generalsekretär des ZK derKPdSU. Mit seinem Namen ist der radikalsteReformversuch in der Geschichte der UdSSRverbunden. Michail Gorbatschow und Alexander Jakow-lew, die „Schöpfer der Perestroika“, hielten„die endgültige Lösung der nationalen Fragein der Form, die uns von der Vergangenheitüberliefert wurde“, für das wichtigste Mo-

ment. Moskau wählte Kasachstan als „Test-feld“ für die Verwirklichung seiner Pläne.Das 5. Plenum des ZK der KP der Kasachi-schen SSR fand am 16. Dezember 1986 statt.Auf der Tagesordnung stand nur eine Frage:die Absetzung des Ersten Sekretärs des ZK

der KP der Kasachischen SSR DinmuchamedKunajew. Ihm folgte Gennadi Kolbin, bisherErster Sekretär des Uljanowsker Gebietsko-mitees der KPdSU. Niemand in Moskau ahn-te, welche Auswirkungen die Platzierung desunbekannten Kolbins haben sollte. Nicht ein-mal das ZK der kasachischen KP wurde überdie Personalentscheidung in Kenntnis ge-setzt. Eine kleine Gruppe Arbeiter und Stu-dierender protestierte am 17. Dezember inAlma-Ata gegen diesen Beschluss. Die De-monstration war friedlich. Sie hatte einenpolitischen Charakter, rief aber nicht zumSturz der Staatsordnung auf und verbreite-te auch keine nationalistischen Losungen.Am zweiten Tag versammelten sich bereitsTausende Menschen, zumeist Studierende.Auf Weisung Moskaus wurde die Operation

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Am 21. Dezember 1991 unterzeichneten die Oberhäupter von elf Republiken der ehemaligen UdSSR – Aserbaidschan, Armenien, Belarus, Kasachstan, Kyrgysstan, Moldova, Russland, Tadschikistan,Turkmenistan, die Ukraine und Usbekistan – in Alma-Ata die „Deklaration von Alma-Ata“

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„Schneesturm – 86“ durchgeführt: die De-monstration wurde auseinandergetrieben.Es gelang jedoch nicht, den ersten offenengesellschaftlichen Konflikt in der Geschich-te der Perestroika vor der Weltöffentlichkeitzu verbergen. Westliche Massenmedien ver-öffentlichten Berichte und Analysen der De-zemberereignisse in Alma-Ata, in denen dasVorgehen der Behörden verurteilt wurde. Diesowjetische Führung spielte daraufhin die„nationale Karte“. Die Dezemberproteste, dieangeblich von „korrupten Klans“ organisiertund vom „ideologisch unbewussten Teil derJugend“ unterstützt worden waren, wurdenals nationalistisch gebrandmarkt.Die Ereignisse vom Dezember 1986 warenjedoch weit vom Nationalismus entfernt. Diekasachischen Jugendlichen stellten die Mehr-heit auf dem Platz, doch nahmen nicht we-nige Ukrainer, Russen, Deutsche, Uiguren undVertreter anderer Nationalitäten daran teil.Laut Augenzeugen ging es nur um eine Fra-ge: Warum wurde zum Ersten Sekretär einMann gewählt, dem die Probleme der Re-publik unbekannt waren. Bis Anfang der 90er Jahre spitzte sich die po-litische und wirtschaftliche Krise in der UdSSRweiter zu. Die Widersprüche zwischen der Be-völkerung und der Macht wuchsen, politischeLeidenschaften entbrannten. Die Inflation warunkontrollierbar, die Läden waren leer, das Le-bensniveau der Bevölkerung sank. EthnischeKonflikte entzündeten sich.

Der Übergang zur SouveränitätVor dem Hintergrund des allgemeinen poli-tischen Zerfalls wählte im Juni 1989 das Ple-num des ZK der Kommunistischen Partei derKasachischen SSR Nursultan Nasarbajew zumErsten Sekretär. Der Oberste Sowjet bestätigtedie Einführung des Amtes des Präsidenten.Am 24. April 1990 wurde Nursultan Nasar-bajew zum ersten Präsidenten der Kasachi-schen SSR gewählt. Am 1. Dezember 1991fand die erste Direktwahl des Präsidentender Republik Kasachstan statt. Nasarbajewwurde mit Stimmenmehrheit gewählt.

Anfang der 90er Jahre war formal die Ver-fassung der Kasachischen SSR von 1978 gül-tig. Zwar hatten mehrere Artikel dieser Ver-fassung einen demokratischen Charakter, zu-gleich war sie der Konzentration der staat-lichen und Verwaltungsbefugnisse in denHänden der KP-Organe angepasst. Nach 1990wurden mehrere Änderungen und Ergän-zungen an der Verfassung beschlossen. Am25. Oktober 1990 wurde die „Deklarationüber die staatliche Souveränität der Kasa-chischen SSR“ angenommen, die 1991 imVerfassungsgesetz „Über die staatliche Un-abhängigkeit der Republik Kasachstan“ ver-ankert wurde. Kasachstan besaß bis dahinpraktisch keine staatliche Souveränität undkonnte nicht als reales Subjekt des Völker-rechts auftreten. Die historische Bedeutungder Deklaration besteht vor allem darin, dasssie die staatliche Souveränität der Republikmit realem Inhalt füllte, das Prinzip der ter-ritorialen Integrität betonte und das Systemder Gewaltenteilung zum Grundprinzip desrechtsstaatlichen Aufbaus erklärte. Die De-klaration definierte Kasachstan als Subjektdes Völkerrechts. Drei grundlegende Normenerweiterten die souveränen Rechte der Re-publik. Erstens die Oberhoheit der Verfas-sung und der Gesetze auf dem TerritoriumKasachstans und das Recht der Republik, aufihrem Territorium die Wirkung von Geset-zen der UdSSR aufzuheben, die die souve-ränen Rechte und die Verfassung des Lan-des verletzen. Zweitens der Grundsatz, dassdie Naturreichtümer auf kasachstanischemTerritorium ausschließlich Eigentum Ka-sachstans sind. Zudem wurde das Recht derRepublik auf ihren Anteil am Unionsvermö-gen, darunter am Diamanten- und Devisen-fonds sowie den Goldreserven der UdSSR,verankert. Drittens das Recht, als selbstän-diges Subjekt der internationalen Beziehun-gen aufzutreten und die Außenpolitik im ei-genen nationalen Interesse zu bestimmen.Am 16. Dezember 1991 folgte das Verfas-sungsgesetz „Über die staatliche Unabhän-gigkeit der Republik Kasachstan“. Das Ver-

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fassungsgesetz erklärte Kasachstan zu einemunabhängigen, demokratischen und Rechts-staat. Es umriss deutlich die weitere Aus-richtung der wirtschaftlichen, rechtlichen,sozialen, kulturellen und politischen Ent-wicklung der Republik. Das Verfassungsge-setz festigte den Kurs des Staates auf dieSchaffung eines selbständigen, sich auf viel-fältige Eigentumsformen stützenden Wirt-schaftssystems mit einer eigenen Finanz-und Kredit- sowie Steuer- und Zollpolitik. Die einheitliche kasachstanische Staatsbür-gerschaft wurde festgesetzt. Buchstäblichwenige Tage nach der Verkündung der Un-abhängigkeit wurde am 20. Dezember 1991das Gesetz „Über die Staatsbürgerschaft“ an-genommen.Um die Unabhängigkeit und die territorialeIntegrität des Landes zu verteidigen, sah dasVerfassungsgesetz die Bildung der Streit-kräfte, der Republikanischen Garde, der Trup-pen des Inneren und der Grenztruppen vor.Außerdem bestätigte das Verfassungsgesetzdas Recht der Nation auf Selbstbestimmungund erkannte als einzige Quelle der Staats-macht in der Republik „das einheitliche VolkKasachstans“ an. Verankert in diesem Gesetzwurden die grundlegenden Rechte und Frei-heiten des Menschen und Bürgers sowie dieMechanismen des Schutzes der Rechte undFreiheiten des Individuums.

Die Alma-Ata-Deklaration über die Bildung der GUSDie Unfähigkeit Moskaus, reale wirtschaftli-che Veränderungen durchzusetzen, die so-ziale Krise und die Zuspitzung der nationa-len Probleme veranlassten die Unionsrepubli-ken, sich weiter vom Zentrum zu distanzieren. Vom kasachstanischen und vom russischenPräsidenten kam eine Initiative zur Erneue-rung des Unionsvertrages. Nursultan Nasar-bajew und Boris Jelzin unterzeichneten am17. August 1991 die gemeinsamen Er-klärungen „Über die Garantien der Stabilitätder Union der souveränen Staaten“ und„Über den einheitlichen Wirtschaftsraum“.

Damit war die Grundlage zur Vorbereitungund Unterzeichnung eines neuen Unions-vertrages geschaffen. Am 20. August solltedas Dokument unterzeichnet werden.Am 19. August 1991 versuchte jedoch einStaatliches Notstandskomitee die Macht aufdem ganzen Territorium der UdSSR zu über-nehmen. Die kasachstanische Führung ver-urteilte den Putsch und lehnte die Forde-rung ab, den Ausnahmezustand in der Re-publik zu verhängen. Der verfassungswidri-ge Putsch misslang.Die Führer Russlands, der Ukraine und Bela-rus beschlossen dann im Dezember 1991 inBeloweschskaja Puschtscha die Auflösungder UdSSR und verkündeten die Bildung derGemeinschaft Unabhängiger Staaten. Die-ser Beschluss kam nicht unerwartet. Am 13.Dezember fand der Aschchabad-Gipfel derPräsidenten der zentralasiatischen Republi-ken statt. Im Laufe dieses Treffens wurde derBeschluss gefasst, ,,der GUS als Gründungs-mitglieder beizutreten“.Das nächste Gipfeltreffen fand am 21. De-zember 1991 in Alma-Ata statt. An diesemTag unterzeichneten die Oberhäupter vonelf Republiken der ehemaligen Sowjetunion– Aserbaidschan, Armenien, Belarus, Ka-sachstan, Kyrgysstan, Moldova, Russland, Ta-dschikistan, Turkmenistan, Ukraine und Us-bekistan – die „Deklaration von Alma-Ata“,die die Prinzipien der Gründung der Ge-meinschaft Unabhängiger Staaten und dieBereitschaft der ehemaligen Unionsrepubli-ken zur Zusammenarbeit bestätigte sowieGarantien der Erfüllung der internationalenVerpflichtungen der ehemaligen UdSSR ver-kündete. Diese Erklärung wurde zum Aus-gangspunkt sowohl für den Aufbau des po-litischen Systems eines jeden Mitgliedsstaa-tes der GUS als auch für die Herausbildungder politischen Beziehungen zwischen ihnen.

Beitritt Kasachstans zu den Vereinten NationenAm 2. März 1992 wurde auf der 46. Tagungder Vollversammlung der Vereinten Natio-

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nen einstimmig die Resolution über die Auf-nahme der Republik Kasachstan als Mitgliedin diese Organisation angenommen. Von Bedeutung war die erste Ansprache vonPräsident Nasarbajew auf der 47. Tagung derVollversammlung, in der er die Prinzipien derTeilnahme des unabhängigen Kasachstans ander Tätigkeit dieser internationalen Organi-sation erläuterte und seine Haltung zur Rol-le der Vereinten Nationen in der modernenWelt darlegte. In diplomatischen Kreisen undvom VN-Generalsekretär wird betont, dass dieInitiative des kasachstanischen Präsidenten,eine Konferenz für Zusammenarbeit und ver-trauensbildende Maßnahmen in Asien einzu-berufen, den Zielen und Grundsätzen der VN-Charta entspreche. Besonders unterstrichenwird ihre Ausrichtung auf die Entwicklungund Festigung der präventiven Diplomatie alswichtigstes Instrument für die Wahrung vonFrieden und Sicherheit. In den Jahren seinerMitgliedschaft hat Kasachstan seinen Platz inden ersten Reihen eingenommen. Das Landist in unterschiedlichen Kommissionen ver-treten, darunter in der für Abrüstung undinternationale Sicherheit und der für einenachhaltige Entwicklung. Es arbeitet mit un-terschiedlichen VN-Organisationen, darun-ter der UNESCO und dem VN-Kinderhilfs-werk, zusammen. Kasachstan ist zudem Mit-glied im VN-Entwicklungsprogramm, in derErnährungs- und Landwirtschaftsorganisa-tion, im Internationalen Fonds für landwirt-schaftliche Entwicklung, in der Wirtschaftli-chen und Sozialen Kommission für Asien undden Pazifikraum sowie im InternationalenDrogenkontrollprogramm und anderen.

Weltkurultai der KasachenDer erste Weltkurultai der Kasachen fandvom 28. September bis zum 4. Oktober 1992in Almaty statt. Er wurde im Geiste der Tra-ditionen der Kasachen abgehalten. 1 200 De-legierte aus 33 Ländern, in denen Kasachenleben, nahmen an diesem Ereignis teil. DerKurultai war der Versuch, gleich am Anfangdes Weges Einvernehmen in grundlegenden

Fragen der Herausbildung und Entwicklungder neuen Beziehungen zwischen Gesell-schaft und Staat zu erzielen. Gegründet wur-de die Internationale Assoziation der Kasa-chen, ein Gremium, das die Beziehungen zwi-

schen den kasachischen Gemeinden in ver-schiedenen Teilen der Welt pflegen soll. Derzweite Weltkurultai fand vom 17. bis 19. Sep-tember 2002 in Turkestan statt und versam-melte 500 Delegierte aus 36 Ländern. Hatteder erste Kurultai einen eher nostalgischenCharakter, so war der zweite pragmatischund sachlich. Beschlossen wurde das staat-liche Programm „Unterstützung der kasa-chischen Diaspora”, in dem unter anderemder Aufbau nationaler und kultureller Zen-tren im Ausland vorgesehen ist. Diskutiert

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Zum dritten Weltkurultai vom 28. bis 30. September 2005 kamen mehr als 500 Delegierteaus 39 Ländern nach Astana

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wurde über die Repatriierung der Auslands-kasachen und deren Eingliederung in derHeimat. Auch die Ausbildung junger Aus-landskasachen an einheimischen Hochschu-len wurde erörtert. Beschlossen wurde, dieGeschichte der Kasachen in ihren jeweiligenLändern wissenschaftlich zu erforschen. An-genommen wurde die Deklaration „Über dienationale Wiedergeburt Kasachstans“. Derdritte Weltkurultai wurde vom 28. bis 30.September 2005 durchgeführt. Mehr als 300Delegierte aus 38 Ländern sowie mehr als200 Delegierte aus ganz Kasachstan kamenin Astana zusammen. Die Delegierten wähl-ten Präsident Nasarbajew zum Vorsitzendendes Präsidiums der Internationalen Assozia-tion der Kasachen. Die Assoziation hat einverzweigtes Netz von Niederlassungen in denLändern aufgebaut, in denen große Diaspo-ras existieren. Sie sichert die Durchführungkleiner Kurultais, solche fanden unter ande-rem in Duschanbe, London, Köln und UlanBator statt. Nationale und Kulturzentren exi-stieren mittlerweile in 32 Ländern.

Die erste Verfassung Nach der Verkündigung der Souveränität warKasachstan mit überaus komplizierten Auf-gaben konfrontiert, nämlich der Festigungseiner Unabhängigkeit, der Gewährleistungder politischen Stabilität und der Bestim-mung des Charakters der neuen Staatlich-keit. Das Land musste die tiefe soziale undwirtschaftliche Krise überwinden. Im Ergeb-nis des Zerfalls der ehemaligen UdSSR ver-schärften sich fast überall die ethnischenProbleme, was auch die Situation im multi-nationalen Kasachstan beeinflusste. Zudemgab es keine historisch verankerten demo-kratischen Traditionen. So wurden die Aus-arbeitung und die landesweite Erörterungder Entwürfe der ersten Verfassung zur in-nenpolitischen Schlüsselrichtung. Der Oberste Sowjet, der die Verfassung erar-beitete, schuf die Basis für das kasachstani-sche Staatswesen. Die Artikel, die den Statusder russischen Sprache, die Staatsbürger-

schaft und die Form des Staatswesens be-trafen, wurden besonders heftig diskutiert.Die erste Verfassung wurde am 28. Januar1993 auf der 9. Tagung des Obersten Sowjetsder 12. Legislaturperiode angenommen. Sieschuf die Grundlage für den Aufbau der na-tionalen und staatlichen Unabhängigkeit,wies aber zugleich Mängel auf. Einerseits trugsie zu den weiteren marktwirtschaftlichenund demokratischen Wandlungen bei, ande-rerseits traten Widersprüche zwischen demKurs der exekutiven Macht, die geführt wur-de vom Präsidenten, und der legislativenMacht in Gestalt des Obersten Sowjets auf.Die Vollmachten zwischen den legislativenund exekutiven Zweigen der Macht warennicht vollständig geregelt. Im Dezember 1993trat der Oberste Sowjet zurück.

Der Weg zur neuen VerfassungAm 7. März 1994 fanden Neuwahlen statt.73,84 Prozent der Wahlberechtigten gabenihre Stimme ab. Um die 135 Direktmandatebewarben sich 692 Kandidaten.Im Parlament bildeten sich die Fraktionendes „Bundes der Volkseinheit Kasachstans“,der Partei „Volkskongress Kasachstans“, derSozialistischen Partei und der Föderation derGewerkschaften sowie vierzehn Abgeordne-tengruppen. Schnell entstand auch eine par-lamentarische Opposition, an deren Spitzedie Abgeordnetengruppe „Fortschritt“ stand.Erstmals in der Geschichte Kasachstans er-hielten politische Parteien und Bewegungenrealen Zugang zu den Machthebeln undkonnten Einfluss auf die staatliche Politikausüben. Der neue Oberste Sowjet war pro-fessioneller und begann mit der Erörterungvieler vordringlicher Gesetze. Aber die end-losen Auseinandersetzungen über viele Ver-fassungsänderungen, die Langsamkeit derArbeit des Obersten Sowjets bei der Annah-me dringend benötigter Gesetze führten ineine Sackgasse. Am 6. März 1995 verkündete dann zudemdas Verfassungsgericht seine Entscheidung,dass die Wahlen im März 1994 und damit die

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Befugnisse der Abgeordneten des OberstenSowjets der 13. Legislaturperiode illegitimwaren. Geklagt hatte ein Bewerber um einAbgeordnetenmandat. In der Urteilsbegrün-dung hieß es, dass „das von der Zentralen

Wahlkommission praktizierte Verfahren derStimmenauszählung nicht nur zu einer mas-senhaften Verletzung des Verfassungsprin-zips ,Ein Wähler – eine Stimme’ geführt hat-te, sondern auch die Wahlergebnisse ent-stellen und das im Wahlgesetzbuch festge-setzte Wahlsystem verändern konnte“. Der Oberste Sowjet war also illegitim, unddie im Widerspruch zur Verfassung stehen-den Befugnisse des Parlaments bedeutetenentsprechend die Verfassungswidrigkeit derVollmachten der Regierung. Die Regierungerklärte ihren Rücktritt. Die legislativen Be-fugnisse wurden in die Hand des Präsidentengelegt. Am 25. April 1995 bestätigte die Ver-sammlung der Völker Kasachstans eine Re-

solution über die Notwendigkeit der Durch-führung eines Referendums über die Ver-längerung der Vollmachten des Präsidentenbis zum Jahre 2000. Das Referendum wurdeam 29. April 1995 durchgeführt. Nach offi-

ziellen Angaben nahmen 91,3 Prozent derWahlberechtigten daran teil, von denen sich95,4 Prozent für die Verlängerung der Voll-machten des Präsidenten aussprachen.Präsident Nasarbajew übernahm nun dievolle Verantwortung für die weitere Ent-wicklung Kasachstans. Da es kein gesetzge-bendes Organ gab, gab das Staatsoberhaupt511 Erlasse heraus, von denen 132 Geset-zeskraft hatten. Am 30. August 1995 wurde die neue Ver-fassung per Referendum angenommen. DerAnnahme ging eine breite Diskussion in derBevölkerung wie unter ausländischen Fach-leuten voraus. Eingebracht wurden fast30 000 Vorschläge und Anmerkungen. An 55

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Der Verfassungsrat fasst Beschlüsse zu allen Fragen, die die Einhaltung der Verfassung betreffen. Erprüft die Übereinstimmung der Gesetze mit der Verfassung

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Artikeln wurden mehr als 1100 Änderungenund Ergänzungen vorgenommen. In Artikel 1, Absatz 1 der neuen Verfassungdefiniert sich Kasachstan als demokratischer,weltlicher, Rechts- und Sozialstaat. Zu denhöchsten Werten des Staates werden derMensch, sein Leben, seine Rechte und Frei-heiten erklärt. Der Verfassung nach ist Ka-sachstan eine Präsidialrepublik. Der Präsi-dent bestimmt die grundlegenden Richtun-gen der Innen- und Außenpolitik, er ist Ga-rant der Verfassung sowie der Rechte undFreiheiten der Bürger. Als grundlegendes Prinzip der Verfassung er-weist sich das der Souveränität des Volkes,dies beinhaltet, dass das Volk selbst Teil derStaatsmacht ist und die Staatsmacht vomVolk ausgeht. Das Volk übt diese unmittel-bar über Referenden und Wahlen oder durchihre Delegation an die Staatsorgane aus. Dank der neuen Verfassung wurden in Ka-sachstan die Grundlagen der neuen Staat-lichkeit festgelegt und eine einheitlicheStaatsmacht geschaffen. Entsprechend derVerfassung wurde die präsidiale Regie-rungsform eingeführt und ein Zweikam-mernparlament aus Berufsabgeordneten ge-schaffen. Am 5. Dezember 1995 wurden dieAbgeordneten des Senats gewählt, am 9. De-zember die Abgeordneten des Mashilis.

Astana wird HauptstadtAstana wurde am 10. Dezember 1997 zurHauptstadt der Republik Kasachstan. Die in-ternationale Präsentation der neuen Metro-pole fand am 10. Juni 1998 statt. Das zehn-jährige Jubiläum der Hauptstadtverlegungwurde am 6. Juli 2008 festlich gefeiert.Astana wurde in einer für das Land schwie-rigen Zeit gebaut und entwickelt. Es schienunnötig zu sein, in einem solchen MomentGelder für den Bau der neuen Hauptstadtauszugeben. Aber der Präsident war über-zeugt, dass Astana zum Motor für die Wirt-schaft Kasachstans werde. Und tatsächlich.Astana stimulierte die Entwicklung aller Ge-bietszentren und ganz Kasachstans.

Astana nimmt heute eine führende Positionmit Blick auf die soziale und wirtschaftlicheEntwicklung, den Wohnungsbau, die Heran-ziehung von Investitionen und die Entwick-lung der Infrastruktur ein. Der Aufbau des neuen Regierungs-, Verwal-tungs- und Wohnviertels am linken Ufer desIschim rund um den Wasser-Boulevard hatmit dem Smaragdviertel – einem Verwal-tungskomplex bestehend aus drei Bürotür-men (bis zu 210 Metern hoch), in denen rund15 000 Menschen arbeiten können –, mit derNew University of Astana, mit dem 2010 am„Tag der Stadt” eröffneten Handels- und Un-terhaltungskomplex „Khan Shatyr”, mit demDiorama-Pavillon „Kasachstan – Meilenstei-ne der Jahrtausende” und mit dem noch imBau befindlichen Multifunktionskomplex„Abu-Dhabi-Plaza” in gewisser Weise seinenAbschluss gefunden. Der Grundstein für dasvon Investoren aus den Vereinigten Arabi-schen Emiraten gebaute „Abu-Dhabi-Plaza”wurde in Anwesenheit von Präsident Nasar-bajew am 28. August 2009 gelegt. NebenHotels, Geschäftszentren und Büros werdenin dem bis zu 380 Meter hohen Gebäude-komplex auch Wohnungen untergebracht.Begonnen wurde in diesem Jahr mit dem Baudes „Bagytai-Komplexes”, einer Stadt in derStadt mit einer Schule, einem Krankenhaus,einem Handelszentrum, einem Unterhal-tungszentrum, Kinos, Büroräumen und vie-len weiteren Dienstleistungsangeboten. Eine der am besten entwickelten Sonder-wirtschaftszonen Kasachstans – insgesamtgibt es sechs – ist „Astana – die neue Stadt”.Die Sonderwirtschaftszone wurde bereits2002 geschaffen. Errichtet wurde ein Indus-triepark, in dem unter anderem der Auto-konzern „Nissan” und die Reifenfabrik „No-kian” ihre Werke aufbauen. Wichtig für dieEntwicklung sind die Clusterprojekte, die demAusbau des Nichtrohstoffsektors dienen. Mitdem wissenschaftsintensiven Cluster sollAstana in ein nationales Produktions-, Tech-nologie-, Bildungs- und Wissenschaftszen-trum verwandelt werden. Auch der medizi-

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nische Cluster wird ausgebaut. Neben me-dizinischen Zentren und einer medizinischenAkademie wird er ein Blutzentrum, einenneuen Ambulanz- und Poliklinikkomplex so-wie ein Krankenhaus umfassen. Von Bedeu-tung ist im Vorfeld der 7. Asiatischen Win-terspiele, die 2011 in Almaty und Astana ver-anstaltet werden, der Cluster „Tourismus undSport”. Bereits fertiggestellt ist das über-dachte Sportstadion mit 30 000 Plätzen. InPlanung befindet sich die RepublikanischeRadrennbahn.Um die Stadt herum sind bereits 50 000 Hek-tar Wald gepflanzt, und das „Baumpro-gramm” wird fortgesetzt. Astana wächst rasant. 1996 hatte die Stadt278 600 Einwohner. Zum 1. August 2010zählte sie bereits 708 794 Einwohner. Undnicht zuletzt: Astana ist eine junge Stadt.Junge Menschen im Alter von vierzehn bis23 Jahren stellen ein Viertel der Bevölkerung.

Die Präsidentschaftswahl 1999Die Präsidentschaftswahl fand am 10. Janu-ar 1999 statt. Um das höchste Amt im Staa-te bewarben sich vier Kandidaten: Serikbol-sin Abildin, Vorsitzender der Kommunisti-schen Partei Kasachstans, Engels Gabbassow,Abgeordneter des Senats (Oberhaus) des Par-laments, Gani Kassymow, Leiter des Zollko-mitees, und der Amtsinhaber Nursultan Na-sarbajew.An der Wahl beteiligten sich 87,05 Prozentder Wahlberechtigten. Nach Angaben derZentralen Wahlkommission erhielt Nursul-tan Nasarbajew 79,78 Prozent der Stimmen.Für Abildin sprachen sich 11,7 Prozent, fürKassymow 4,61 Prozent und für Gabbassow0,76 Prozent aus.

Die Präsidentschaftswahl 2005Als Sieger aus der Präsidentschaftswahl am4. Dezember 2005 ging das amtierende

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Kasachstans Hauptstadt Astana wächst rasant.Zählte die Stadt 1996 278 600 Einwohner, warenes zum 1. August 2010 708 794 Einwohner

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Staatsoberhaupt hervor. 6147 517 Wähler,das sind 91,15 Prozent, votierten für Nur-sultan Nasarbajew. Auf Platz zwei kam derFührer der vereinigten Opposition Schar-machan Tujakbai, für den mehr als 445 000(6,61 Prozent) stimmten. Der Vorsitzende derPartei „Ak Shol” Alichan Baimenow erhielt107 730 Stimmen (1,61 Prozent). JerassylAbylkassymow gewann 25 252 Stimmen(0,34 Prozent), und für Mels Jeleussisow ent-schieden sich 18 834 Wähler (0,28 Prozent).Die Wahlbeteiligung lag bei 77 Prozent. Die Präsidentschaftswahl fand unter einemneuen Gesetz- und Rechtsrahmen statt,denn zuvor waren nach Empfehlungen in-ternationaler Organisationen Korrekturenan der Wahlgesetzgebung vorgenommenworden. Herausgegeben wurde der Erlass„Über die Durchführung ungefälschterWahlen”, der die freie Willensäußerung derWähler sichern sollte. Diesen bewerteten dieOSZE und andere internationale Organisa-tionen positiv.

Das WeltraumprogrammDie nationalen Interessen Kasachstans, die in-novative Wirtschaftsentwicklung und dasStreben nach technologischer Unabhängig-keit und Sicherheit bedingen die Notwendig-keit, die Position Kasachstans bei der friedli-chen Nutzung und Erforschung des Weltraumszu festigen. Dem dient das von der nationa-len Weltraumagentur KasKosmos vorgelegteWeltraumprogramm bis 2020. Der Aufbau des nationalen Kommunikations-und Rundfunksystems „KasSat” ist eine nachwie vor aktuelle Aufgabe. Kasachstan wurdeam 18. Juni 2006 zur Weltraumnation, als dererste im russischen Chrunitschew-Produkti-onszentrum entwickelte kasachstanische Sa-tellit „KasSat-1” vom Kosmodrom Baikonuraus startete. Doch gab es ab dem 8. Juni 2008Störungen, und am 2. Dezember 2008 erklärteAstana den Verlust des ersten Satelliten. DerSatellit „KasSat-2” soll im Dezember 2010 aufseine Umlaufbahn geschossen werden. An„KasSat-3” wird bereits gearbeitet.

Vorgesehen ist im Rahmen des Programmesder Aufbau einer hochtechnologischen Bo-deninfrastruktur, einschließlich eines neuenBodenleitzentrums. Ein Montage- und Prüf-komplex soll in Astana entstehen, einschließ-lich eines Konstruktionsbüros und einer High-Tech-Produktionsstätte. Der wichtigste Part-ner Kasachstans in diesem Projekt ist EADSAstrium, eine hundertprozentige Tochter desEuropäischen Luft- und RaumfahrtkonzernsEADS.Unter Teilnahme französischer Investoren sollim Rahmen des Weltraumprogrammes auchdas Satellitensystem für die kosmische Fern-sondierung der Erde geschaffen werden. Hier-von verspricht sich das Land positive Auswir-kungen nicht nur für die Wirtschaft, sondernvor allem auch für die Arbeit der Notdienste,den Umweltschutz, für die Verteidigung undnationale Sicherheit, die Geodäsie und dieKartografie. Groß angelegte Projekte werden im Rahmender Zusammenarbeit zwischen Kasachstanund Russland realisiert, darunter der Rake-tenkomplex Baiterek. Dieser für die „Anga-ra”-Trägerrakete bestimmte Startplatz wirdauf dem Gelände des Kosmodroms Baikonurgebaut. Die Finanzierung der Startrampe über-nimmt Kasachstan, für die Realisierung desProjekts zeichnet das kasachstanisch-russi-sche Gemeinschaftsunternehmen „Baiterek”verantwortlich. Baiterek erfüllt die strengstenUmweltauflagen. Der „Angara”-Antrieb RD-191 wird von einer Mischung aus Kerosin undSauerstoff angetrieben – eine der umwelt-freundlichsten Raketenantriebstechnologien.Ein Förderprogramm für wissenschaftliche Be-gleituntersuchungen wurde auf den Weg ge-bracht. Vorgesehen ist die Entwicklung vonwissenschaftlich-technischen Ausrüstungenfür den Aufbau einer eigenen Weltraum-technik.KasKosmos obliegt zudem die systematischeArbeit an der Entwicklung der Fachausbil-dung, der Weiterbildung und Umschulungvon ingenieur-technischen und wissen-schaftlichen Fachkräften im Weltraumbereich.

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Die Ausbildung erfolgt an kasachstanischenund ausländischen Universitäten.

Veränderungen und Ergänzungen an derVerfassungAm 21. Mai 2007 trat das Gesetz „Über die Ver-änderungen an der und Ergänzungen zur Ver-fassung der Republik Kasachstan” in Kraft. Prä-

sident Nasarbajew unterzeichnete die Geset-ze über die Veränderungen und Ergänzungender Verfassungsgesetze „Über den Präsiden-ten”, „Über das Parlament und den Status sei-ner Abgeordneten” sowie „Über die Wahlen”.Mit der Veränderung von Punkt 1 Artikel 5wurde die Fusion von gesellschaftlichen undstaatlichen Institutionen erlaubt. Dies gabdem Präsidenten das Recht, sich als Vorsit-zender an die Spitze der Nationaldemokra-tischen Partei „Nur Otan” zu stellen. Gestri-chen wurde Punkt 2 Artikel 43, der dem Prä-sidenten verboten hatte, während seinerAmtszeit Mitglied einer Partei zu sein.

Wesentliche Änderungen wurden an den Ab-schnitten vorgenommen, die die Rechte desMenschen und des Bürgers betreffen. DieseVeränderungen berücksichtigen, dass das Le-ben und die Freiheit die höchsten Werte undRechte des Menschen sind. Verändert wurdePunkt 2 Artikel 15. Die Todesstrafe wird nurnoch für Terrorakte, die den Tod von Men-

schen zur Folge haben, sowie für besondersschwere in Kriegszeiten verübte Straftatenverhängt. Punkt 2 Artikel 16 wurde dahingehend ver-ändert, dass eine Verhaftung nur nach ei-nem Gerichtsbeschluss vorgenommen wer-den darf. Zuvor hatte auch der Staatsanwaltdas Recht, eine Verhaftung anzuordnen. Punkt 1 Artikel 40 kürzte die zuvor sieben-jährige Amtszeit des Präsidenten auf fünfJahre. Diese Änderung greift mit Ablauf derjetzigen Amtszeit von Präsident Nasarbajewim Jahre 2012. Damit wird künftig die Machtdes Präsidenten gegenüber dem Mashilis und

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Am 8. September 2006 wurde in Semipalatinsk das Abkommen über die atomwaffenfreie Zone in Zen-tralasien unterzeichnet. Der Vertrag trat im März 2009 in Kraft

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den Maslichaten ausgeglichen, die ebenfallsfür fünf Jahre gewählt werden.Als Anerkennung der Verdienste des erstenPräsidenten der Republik Kasachstan und auf-grund der Notwendigkeit, die von ihm in An-griff genommenen Reformen fortzusetzen,ist die Änderung von Punkt 5 Artikel 42 zudeuten. Nursultan Nasarbajew hat danach dieMöglichkeit, sich auch nach den gesetzlichfestgelegten zwei Amtszeiten erneut zur Wahlzu stellen.

Mit einer Reihe von Änderungen und Er-gänzungen wurden die Befugnisse des Ma-shilis, des Senats und der Maslichate erwei-tert und die Rolle der Parteien im politischenProzess gestärkt.Ein Teil der Befugnisse des Präsidenten gingan das Mashilis. Dieses wählt nun den größ-ten Teil der Regierung. Der Präsident beruftweiterhin den Außen-, den Verteidigungs-,den Innen- und den Justizminister.Unterhaus und Oberhaus des Parlaments ha-ben das Recht, je zwei Mitglieder des Ver-fassungsrates zu wählen sowie je zwei Mit-

glieder der Zentralen Wahlkommission fürdrei Jahre und je drei Mitglieder des Rech-nungshofes zu ernennen sowie deren Arbeitzu kontrollieren. Die Rolle und der Status desSenats wurden zusätzlich erhöht: das Ober-haus hat nun dieselben Befugnisse wie dasUnterhaus im Falle, dass letzteres aufgelöstwurde oder nicht arbeitsfähig ist.Die Befugnisse des Präsidenten mit Blick aufdas Parlament, die Regierung, das ObersteGericht, die Zentrale Wahlkommission, die

Nationalbank und die Leiter der örtlichenExekutivorgane (Akime) wurden präzisiert.So setzt der Präsident künftig den Wahlter-min für die Wahlen in beide Kammern desParlaments fest. Damit die nationalkulturel-len und andere bedeutsame Interessen derGesellschaft im Senat vertreten sind, wurdedieser auf 47 Mitglieder vergrößert, von de-nen das Staatsoberhaupt nun fünfzehn Se-natoren, statt wie zuvor sieben, benennt. Der Präsident hat das Recht, Gesetze ins Par-lament einzubringen und das Mashilis auf-zulösen.

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Die vorfristigen Parlamentswahlen am 18. August 2007 wurden erstmals nach dem Verhältniswahlrecht durchgeführt

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Den Premierminister ernennt das Staats-oberhaupt erst nach dessen Bestätigung imMashilis. Für die Berufung des Vorsitzendender Nationalbank durch den Präsidenten istdie Zustimmung des Senats erforderlich.Die Befugnisse der Maslichate wurden aus-geweitet. Der Präsident kann die Akime derGebiete, der Stadt Almaty und der Haupt-stadt nur mit Zustimmung der örtlichen Mas-lichate berufen. Die Maslichate werden alsBasis der örtlichen Selbstverwaltung aner-kannt. Diese Reform wird die Entwicklungder Bürgergesellschaft beschleunigen.Eine weitere Änderung, die ebenfalls der Ent-wicklung der Bürgergesellschaft förderlichsein wird, betraf das Parlament. Die Zahl derAbgeordneten des Mashilis wurde von 77 auf107 erhöht. 98 Deputierte werden nun nachParteilisten gewählt. Neun Abgeordnete wer-den von der Vollversammlung des Volkes Ka-sachstans gewählt. Diese Reform soll einer-seits die Rolle der Parteien im politischenProzess erhöhen und andererseits eine brei-tere Vertretung der Interessen der Völker-schaften Kasachstans gewährleisten.

Die Parlamentswahlen 2007Mit der Bitte um Auflösung des Mashilis wand-ten sich die Abgeordneten nach Inkrafttretender Verfassungsreformen an den Präsidenten.Laut Gesetz sollten die Wahlen erst im Jahre2009 stattfinden. Die Abgeordneten begrün-deten ihre Bitte damit, dass die die Arbeit desParlaments betreffenden Reformen so schnellwie möglich ihre Wirkung entfalten sollten.Am 20. Juli löste der Präsident die Untere Kam-mer des Parlaments auf. Die Wahlen wurdenauf den 18. August 2007 und die Wahl der Ab-geordneten durch die Vollversammlung desVolkes Kasachstans auf den 20. August 2007festgesetzt.Die Parlamentswahlen fanden erstmals nachdem Verhältniswahlrecht statt. Die Parteienmussten eine Sieben-Prozent-Hürde über-winden, um Abgeordnete in die Legislativezu entsenden. Sieben Parteien warben umdie Stimmen der Bürger.

„Nur Otan” konnte 88,4 Prozent der Stim-men auf sich vereinen und gewann damitdie 98 über Parteilisten vergebenen Sitze imMashilis.Nach Angaben der Zentralen Wahlkommis-sion gaben 5 726 544 Wähler oder 64,56 Pro-zent ihre Stimme ab. Eine niedrige Wahlbe-teiligung gab es nur in Almaty und Astana. Die Vollversammlung des Volkes Kasachstanswählte am 20. August neun parteilose Ab-geordnete ins Mashilis.

Die Wahlen in die Maslichate 2007Die gleichzeitige Durchführung der Wahlenins Mashilis und in die Maslichate führte da-zu, dass die Öffentlichkeit und die Medienan den Wahlen in die örtlichen Vertretungs-organe wenig Interesse zeigten. „Nur Otan”war die einzige politische Kraft, die Kandi-daten in allen Wahlkreisen aufstellte. Ande-re Parteien hatten nicht die Kraft, zwei Wahl-kämpfe parallel zu führen. „Nur Otan” gewann 92 Prozent der Sitze inden Maslichaten. Die Partei schickt 484 De-putierte in die Maslichate der Gebiete sowieder Städte Astana und Almaty. „Auyl” be-setzt fünf Sitze, gesellschaftliche Vereini-gungen stellen sieben Abgeordnete undSelbstnominierte besetzen 54 Sitze. In dieStadtmaslichate schickt „Nur Otan” 511 De-putierte, „Auyl” drei, die KommunistischeVolkspartei und die Partei der Patrioten je-weils einen Abgeordneten, die gesellschaft-lichen Bewegungen neun Abgeordnete. 99Abgeordnete zogen als Selbstnominierte indie Stadtmaslichate ein. Neben den 1 823Abgeordneten der Machtpartei sitzen in denKreismaslichaten 24 Vertreter von „Auyl”,zwei der ONSDP, einer von „Ak Shol”, achtvon der Kommunistischen Volkspartei unddreizehn von gesellschaftlichen Bewegun-gen. 288 Abgeordnete zogen als Selbstno-minierte in die Kreismaslichate ein.

SenatswahlenAm 4. Oktober 2008 wurden sechzehn Ab-geordnete des Senats neu gewählt – je ei-

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ner aus den vierzehn Gebieten sowie denStädten republikanischer Bedeutung Asta-na und Almaty. An den Wahlen nahmen ins-gesamt 3 231 Vertreter der Maslichate derGebiete, Städte und Kreise (97,6 Prozent) teil.Es bewarben sich 37 Kandidaten um die sech-zehn Sitze. Alle neuen Abgeordneten gehörender Partei „Nur Otan” an.

Doktrin der nationalen EinheitAm 19. April 2010 nahm der Rat der Voll-versammlung des Volkes Kasachstans die vonPräsident Nasarbajew im Oktober 2009 vor-

gestellte Doktrin der nationalen Einheit an.Die Doktrin war zunächst auf geteilte Reak-tionen in der Gesellschaft gestoßen. Erörtertwurden mehr als 500 von zivilgesellschaft-lichen, politischen und Nichtregierungsor-ganisationen sowie von Bürgern eingebrachteVorschläge. Kontroverse Punkte waren Fragender ethnisch-nationalen Politik und der Ent-wicklung der Staatssprache. Die Doktrin ist

kein normatives oder Rechtsdokument. Siesoll als Grundlage für ein einheitliches Sys-tem der rechtlichen, sozioökonomischen, po-litischen und verwaltungstechnischen Maß-nahmen dienen und die Einheit des Volkesfestigen sowie die Demokratisierung und denDialog zwischen den Kulturen und Zivilisa-tionen vorantreiben. Aktiviert werden solldas menschliche Potenzial des Landes. DieDoktrin ist in drei Teile gegliedert: „Ein Land– ein Schicksal”, dieser Teil zielt auf das Be-wusstsein der Bürger, dass ihr gemeinsamesSchicksal mit der unabhängigen Republik

Kasachstan verknüpft ist. „Verschiedene Her-kunft – gleiche Möglichkeiten”, dieser Teilunterstreicht das Hauptprinzip des Staates,der allen Bürgern die gleichen Möglichkeitenbietet. „Entwicklung des nationalen Geistes",in diesem Teil geht es um die Stärkung desPatriotismus und die Entwicklung der na-tionalen Traditionen, auf die sich Wettbe-werb und Modernisierung stützen müssen.

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Die am 19. April 2010 vom Rat der Vollversammlung des Volkes Kasachstans beschlossene Doktrin dernationalen Einheit soll den Dialog zwischen den Kulturen und Zivilisationen vorantreiben

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Bevölkerung

Über die Jahrhunderte hinweg siedelten inKasachstan Angehörige von mehr als 120Völkern. Dies hatte mannigfaltige Ursachen:historische, politische und soziale. Heute le-ben in der Republik Angehörige von mehrals fünfzig ethnischen Gruppen mit mehr als

1000 Angehörigen. Zu den Gruppen mit mehrals 100 000 Angehörigen zählen die Deut-schen, die Koreaner, die Uiguren, die Bela-russen, die Ukrainer, die Tataren und die Us-beken. Polen, Tschetschenen, Türken, Grie-chen und Baschkiren sind mit jeweils mehr als50 000 Angehörigen vertreten. Zahlenmäßiggroße Gruppen stellen auch die Dunganen,die Tadschiken, die Kurden, die Armenier unddie Juden. Die Russen stellen rund 3,8 Mil-lionen Einwohner.Vor Jahrhunderten ließen sich in den Step-pen Kasachstans Freie nieder – russische Bau-

ern auf der Suche nach Land und Kosaken,die die Grenzen des Russischen Reiches zuschützen hatten. Im 19. Jahrhundert kamenauf der Suche nach Sicherheit aus China vie-le Uiguren und Dunganen. Zahlreiche russi-sche, ukrainische, belarussische, polnischeund bulgarische Umsiedler trieb es samt Fa-milien, Vieh und Hausrat im Zuge der Stoly-pinschen Reformen in die Steppe und dieVorgebirge Kasachstans.

In den 30er und 40er Jahren des 20. Jahr-hunderts wurden Koreaner aus dem FernenOsten, Deutsche aus den Wolgagebieten,Tschetschenen, Inguschen und die Meschetenaus dem Kaukasus sowie andere Völker nachKasachstan deportiert, sah Stalin doch in ih-nen ein Sicherheitsrisiko für die Sowjetuni-on. Insgesamt wurden mehr als 1,5 Millio-nen Angehörige von zwölf Nationalitätennach Kasachstan umgesiedelt. Da sie größtenteils völlig mittellos und aufsich gestellt in der weiten Steppe landeten,war die Sterblichkeit immens hoch. So ka-

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Nach Angaben des Amtes für Statistik betrug die Einwohnerzahl Kasachstans am 1. Januar 201016 036 075 Menschen, zum 1. August 2010 waren es bereits 16 170 398 Einwohner

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men nach Angaben der GPU, so hieß der so-wjetische Staatssicherheitsdienst bis 1934,allein in den Jahren 1932 und 1933 in denkasachstanischen Orten der Zwangsansied-lung 55 441 Menschen ums Leben. Terror,Deportationen, Hunger – das Schicksal derZwangsumsiedler war tragisch. Doch obwohl sie als „Volksfeinde“ verfemtwurden, fanden sie Hilfe bei den Einheimi-schen. Die Kasachen und die bereits früherdeportierten Deutschen, Koreaner und Ukrai-ner halfen ihnen in ihrem Überlebenskampf.In den Kasachstanern fanden die neuen Sied-ler Verwandte und Freunde. Kasachstan wur-de für sie zur neuen Heimat. Viele Umsied-ler verbanden ihre Zukunft mit Kasachstan. Nach dem zweiten Weltkrieg strebten Zehn-tausende aus allen Regionen der UdSSR nachKasachstan zu den „Großbaustellen des Kom-munismus“ – dem Metallurgiekombinat Ka-ragandy, den Kohlebergwerken, dem Blei-und Zinkkombinat in Tekeli sowie zur Neu-landgewinnung in Zentral- und Nordka-sachstan. Arbeitskräfte für diese Vorhabenwurden in der gesamten Sowjetunion re-krutiert, jedoch in erster Linie in Russland,der Ukraine und Belarus. Bis zum Zerfall derUdSSR wurden von fast allen HochschulenAbsolventen mit entsprechender Spezial-ausbildung nach Kasachstan verpflichtet.Keine andere Sowjetrepublik nahm einenderartigen Strom von Migranten auf.

Demografischer WandelIn Kasachstan beobachtete man nach 1991zunächst einen massiven Rückgang der Be-völkerung. In den Jahren 1992 bis 2002 sankdie Bevölkerungszahl um zehn Prozent aufunter fünfzehn Millionen Menschen. Grün-de waren die Emigration vornehmlich derrussischen und deutschen Bevölkerung so-wie die sinkenden Geburtenzahlen. Seit 2003wächst die Bevölkerung. Im Jahre 2005 wur-den erstmals wieder über fünfzehn Millio-nen Einwohner gezählt, nämlich 15 074 767Einwohner. Faktoren für das Wachstum sindnach Meinung von Fachleuten die wirt-

schaftliche Stabilität, das steigende Lebens-niveau und damit einhergehend der wach-sende Glaube an die Zukunft. Nach den Ergebnissen der Volkszählung imJahre 2009 hatte das Land 16 004 800 Ein-wohner. Im Vergleich zur Volkszählung 1999war die Einwohnerzahl damit um 6,8 Pro-zent gestiegen. Eines der unerwarteten Er-gebnisse der Volkszählung war der beacht-liche Rückgang des Anteils der Stadtbevöl-kerung von 56,3 auf 54 Prozent und die ent-sprechende Zunahme der Landbevölkerungvon 43,6 auf 46 Prozent. Nach Angaben des Amtes für Statistik be-trug die Einwohnerzahl Kasachstans zum 1.Januar 2010 16 036 075 Menschen, zum 1.August 2010 waren es bereits 16170398 Ein-wohner. Damit verstetigt sich der seit 2003zu beobachtende Trend des Bevölkerungs-wachstums weiterhin. Zum 1. Januar 2010lebten 8 607 469 Menschen in Städten und7 428 606 in ländlichen Gebieten. Der höchs-te Zuwachs der Bevölkerung war im GebietSüdkasachstan zu verzeichnen, ein Plus von32 202 Einwohnern. Es folgen die StädteAstana und Almaty, die einen Zuwachs von24 776 respektive 17 539 Bewohnern mel-deten. Auch das Gebiet Almaty gehört zuden bevölkerungsmäßig wachsenden Gebie-ten, hier legte die Einwohnerzahl um mehrals 17000 Menschen zu. Ein leichter Bevöl-kerungsrückgang wird in den Gebieten Nord-kasachstan (minus 1 731 Einwohner), Aktö-be (minus 732 Einwohner) und Kostanai (mi-nus 694 Einwohner) beobachtet.In den Gebieten des Landes differiert dasVerhältnis von Stadt- und Landbevölkerunggravierend. Die urbanisierteste Region Ka-sachstans ist das Gebiet Karagandy. Hier hatdie Stadtbevölkerung einen Anteil von knappüber 77 Prozent. Von den 1 352 037 Bewoh-nern leben 1 060 334 in den Städten und291 703 auf dem Land. Es folgen die Gebie-te Pawlodar mit 67 Prozent Stadtbevölke-rung (500294 Städter bei insgesamt 750 853Bewohnern) und Aktöbe mit rund 54,5 Pro-zent (391 329 Städter bei einer Gesamtbe-

Bevölkerung

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völkerung von 717 880 Einwohnern). DieLandbevölkerung dominiert mit 76 Prozentim Gebiet Almaty (von den 1 692 951 Ein-wohnern leben 1 288 334 auf dem Land) undmit 64 Prozent im Gebiet Nordkasachstan(hier leben 413110 der 643 302 Einwohner

auf dem Land). Das Gebiet Südkasachstanhat einen Anteil der Landbevölkerung vonrund 63 Prozent, das Gebiet Kysylorda von60,8 Prozent und das Gebiet Shambyl von60,5 Prozent.Nach den Daten der Volkszählung 2009 wa-ren 7 722 800 Bewohner Kasachstans männ-lichen Geschlechts, 8 282 000 waren weib-lich. Die männliche Bevölkerung ist im Ver-gleich zur Volkszählung 1999 um 507100Männer gestiegen. Die weibliche Bevölke-rung ist in diesem Zeitraum um 515 800Frauen angewachsen. Damit haben Fraueneinen Anteil von 51,7 Prozent an der Bevöl-kerung und Männer von 48,3 Prozent. Ka-men 1999 noch 929 Männer auf 1000 Frau-en, so waren es 2009 932 Männer.

Die durchschnittliche Lebenserwartung imLande lag im Jahre 2009 bei 68,6 Jahren, einPlus um 0,7 Jahre im Vergleich zum Vorjahr.In der Stadt werden die Menschen durch-schnittlich 68,3 Jahre alt, auf dem Lande 68,9Jahre. Die durchschnittliche Lebenserwar-

tung der Männer liegt heute bei 63,2 Jah-ren (in der Stadt 62,8 Jahre, auf dem Land64,7 Jahre), die der Frauen bei 73,5 Jahren(in der Stadt 73,6 Jahre, auf dem Land 73,5Jahre). Eine unterdurchschnittliche Lebens-erwartung gibt es beispielsweise in den Ge-bieten Akmola (66,9 Jahre) und Karagandy(66,2 Jahre), während die durchschnittlicheLebenserwartung in Almaty mit 72,2 Jahrenund vor allem in Astana mit 75,7 Jahren weitüber dem Durchschnitt liegt.Die Altersstruktur der Bevölkerung sieht wiefolgt aus. Die Altersgruppe der Kinder undJugendlichen bis fünfzehn Jahre hat einenAnteil von rund 26 Prozent an der Gesamt-bevölkerung. Die erwerbsfähige Bevölkerungstellt mit etwa 64 Prozent die Mehrheit der

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Die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis fünfzehn Jahre hat einen Anteil von rund 26 Prozent an der Gesamtbevölkerung

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Bevölkerung. Der Anteil der Senioren liegtbei zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.Die kasachstanische Bevölkerung ist mitdurchschnittlich 32 Jahren sehr jung.Im Jahre 2009 wurde ein natürlicher Zu-wachs der Bevölkerung um 215134 Men-schen verzeichnet. Registriert wurden 358765Geburten und 143 631 Todesfälle. Dies ist ei-ne insgesamt sehr positive Entwicklung.In Kasachstan leben Angehörige von mehr

als 120 Nationalitäten. Die größten ethni-schen Gruppen sind Kasachen, Russen, Ukrai-ner, Usbeken, Uiguren, Koreaner, Tataren undDeutsche. Zusammen stellen sie rund 95 Pro-zent der Gesamtbevölkerung. Nach Anga-ben des Amtes für Statistik hatten die Ka-sachen mit mehr als zehn Millionen An-gehörigen zum 1. Januar 2010 einen Anteilan der Gesamtbevölkerung von rund 63 Pro-zent und die Russen mit rund 3,8 MillionenMenschen von etwa 23,7 Prozent. Die Usbe-ken stellen 2,8 Prozent der Bevölkerung, dieUkrainer 2,1 Prozent, die Uiguren 1,4 Pro-zent, die Tataren 1,3 Prozent und die Deut-schen und die Koreaner jeweils 1,1 Prozent.

Die übrigen 4,5 Prozent verteilen sich aufalle anderen Nationalitäten. Betrachtet man die Siedlungsstruktur dereinzelnen Nationalitäten so ergibt sich fürdie zahlenmäßig größten Ethnien folgendesBild. Die meisten Kasachen leben in den Ge-bieten Südkasachstan, Almaty, Ostkasach-stan und Shambyl. Zwischen 525 000 und590 000 Kasachen leben zudem in den Ge-bieten Aktöbe, Karagandy, Kysylorda und der

Stadt Almaty. Die russische Bevölkerung istvor allem in den Gebieten Ostkasachstan undKaragandy sowie der Stadt Almaty konzen-triert. Zwischen 300 000 und 375 000 Rus-sen leben zudem in den Gebieten Almaty,Nordkasachstan und Kostanai. Ukrainer le-ben vornehmlich in den Gebieten Kostanai,Karagandy, Pawlodar und Akmola. Die Tata-ren sind im Gebiet Karagandy, der Stadt Al-maty sowie den Gebieten Ostkasachstan undSüdkasachstan konzentriert. Deutsche fin-den sich vor allem in den Gebieten Kara-gandy, Kostanai, Akmola, Nordkasachstanund Pawlodar. Koreaner sind zumeist in derStadt Almaty und in den Gebieten Almaty,

Bevölkerung

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Heute leben in der Republik Angehörige von mehr als 120 Nationalitäten

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Karagandy und Shambyl wohnhaft. Die Ui-guren leben vor allem in der Stadt und imGebiet Almaty. Usbeken siedeln vor allem imGebiet Südkasachstan und im Gebiet Sham-byl.In den 90er Jahren emigrierten Angehörigevieler Nationalitäten aus Kasachstan. Diemeisten wanderten nach Russland und inandere GUS-Staaten sowie nach Deutsch-land aus. 2,1 Millionen Menschen verließendas Land. Vornehmlich emigrierte die slawi-sche und die deutschstämmige Bevölkerung.Rund 63 Prozent der Emigranten waren imerwerbsfähigen Alter. 45 Prozent von ihnenhatten eine Fach- oder Hochschulbildung.Die Migrationsprozesse der letzten Jahre wei-sen positive Tendenzen auf. Die Emigrationging zurück, die Zuwandererzahlen stiegen.

Im Jahre 2006 immigrierten 66 371 Men-schen und emigrierten 33 690 Menschen.2007 wurden 53 397 Immigranten und42 435 Emigranten gezählt, im Jahre 2008waren es 46 404 Immigranten und 45 287Emigranten und im Jahre 2009 41 485 Im-migranten und 33 983 Emigranten. Allerdings ist anzumerken, dass es auch hierregionale Unterschiede gibt. Gebiete mit ei-

nem positiven Migrationssaldo sind bei-spielsweise die Gebiete Mangystau, Südka-sachstan und Almaty. Zu den Gebieten miteinem negativen Migrationssaldo zählen un-ter anderem Nordkasachstan, Kostanai, Ka-ragandy und Akmola.Nach Meinung von Fachleuten könnte Ka-sachstan in nächster Zeit zum attraktivstenLand für Migranten im erwerbsfähigen Al-ter aus der gesamten zentralasiatischen Re-gion werden. Gründe hierfür liegen in derdynamischen Wirtschaftsentwicklung undim Arbeitskräftemangel. Die Arbeitsmigran-ten lockt zudem das unkomplizierte Anmel-deverfahren. Im Juni 2006 verabschiedetedas Parlament das Gesetz „Über die Legali-sierung illegaler Arbeitsmigranten”. Diesesollten sich bei den zuständigen Stellen des

Innenministeriums als Arbeitsmigranten an-melden und erhielten dann einen Migrati-onsausweis. Das Gesetz sah Straffreiheit fürArbeitgeber und Arbeitsmigranten vor. Biszum 31. Dezember 2006 konnten alle Bür-ger aus GUS-Staaten, die illegal in Kasach-stan arbeiteten, ihre Tätigkeit legalisieren.Unter das Gesetz fielen zudem nur die Mi-granten, die sechzig Tage vor Inkrafttreten,

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Seit 2003 wächst die Bevölkerung Kasachstans. Im Jahre 2009 wurden erstmals wieder mehr als sechzehn Millionen Einwohner gezählt

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also bis zum 31. Mai, nach Kasachstan ein-gereist waren. Jeder legalisierte Migrant er-hielt eine Aufenthaltsgenehmigung für dreiJahre. Mit diesem Vorgehen wollte die Re-gierung den illegalen Arbeitsmarkt zerstören,auf dem sich nach Schätzung unabhängigerExperten rund 300 000 Beschäftigte tum-melten. Die internationale Erfahrung zeigt,dass es gelingen kann, rund dreißig Prozentder illegalen Arbeitskräfte zu legalisieren.

Arbeitskräfte aus dem fernen Ausland dür-fen nach wie vor nur nach einer vom Mini-sterium für Arbeit und Soziales festgelegtenQuote ein Beschäftigungsverhältnis im Lan-de aufnehmen. Die Hauptrichtung der staatlichen Migrati-onspolitik zielt auf die Repatriierung ethni-scher Kasachen. Nach Angaben des Komi-tees für Migration des Ministeriums für Ar-beit und Soziales zogen von 1991 bis zum 1.Juli 2007 insgesamt 154 963 kasachische Fa-milien (insgesamt 608 090 Personen) nachKasachstan. 61,5 Prozent von ihnen kamenaus Usbekistan, 13,8 Prozent aus der Mon-golei, 8,5 Prozent aus Turkmenistan und 7,7Prozent aus China. Von den Übersiedlern wa-

ren 327 791 Personen im erwerbsfähigen Al-ter, 91 561 (15,1 Prozent) im Vorschulalter,159 666 im Schulalter (26,3 Prozent) und29 072 im Rentenalter (4,8 Prozent). Die Zu-wanderungsquote für Kasachen lag per Prä-sidialerlass für das Jahr 2008 bei 15 000 Fa-milien, 2009 wurde die Quote auf 20 000 Fa-milien erhöht. Diese Quote wurde auch fürdas Jahr 2010 festgelegt. Die Migration wirdüber das Programm „Nurli Kosch” („Der Hel-

le Umzug”) gesteuert, für das bis zum Jahre2011 fast 198 Milliarden Tenge aus demstaatlichen Haushalt zur Verfügung gestelltwerden. Das Programm soll eine rationaleAnsiedlung der Repatriierten sicherstellen,sowohl mit Blick auf die demografischen undwirtschaftlichen Bedürfnisse der Regionenals auch hinsichtlich des beruflichen Poten-zials der Rückkehrer. Das Programm unter-stützt die Oralmanen, so die Bezeichnungder Kasachen, die aus dem Ausland zurück-kehren, finanziell. Es zielt auf eine be-schleunigte Eingliederung und die Minimie-rung der sozialen Risiken, hilft zudem beider Suche nach einem Arbeitsplatz undWohnraum.

Bevölkerung

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Fachleute sagen für Kasachstan bis 2050 ein Anwachsen der Bevölkerung auf 23,4 bis 26,6 MillionenMenschen voraus

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Staatsaufbau undParteien

Die VerfassungIn der Verfassung sind die grundlegendenPrinzipien des staatlichen Aufbaus nieder-gelegt. Die kasachstanische Verfassung be-steht aus einer Präambel und neun Kapitelnmit 98 Artikeln. In der Verfassung definiertsich Kasachstan als demokratischer, weltli-cher Rechts- und Sozialstaat. Zu den höch-sten Werten des Staates werden der Mensch,sein Leben und die Wahrung seiner Rechteund Freiheiten erklärt. Kasachstan ist ein ein-heitlicher Staat mit präsidialer Regierungs-form. Laut Verfassung ist das Volk die einzi-ge Quelle der staatlichen Macht, und es übtsie unmittelbar durch freie Wahlen, mit de-nen es seine Macht an die Staatsorgane de-legiert, und landesweite Referenden aus. Ver-wirklicht wird die Staatsgewalt auf derGrundlage der Verfassung und der Gesetzein Übereinstimmung mit dem Prinzip der Ge-waltenteilung in legislative, exekutive undjudikative Macht. In der Verfassung sindideologische und politische Vielfalt veran-kert, die die Gründung politischer Parteienunterschiedlicher Ausrichtungen sowie ge-sellschaftlicher Bewegungen und Organisa-tionen erlauben. Grundlegend ist die Be-stimmung über die Anerkennung staatlichenund privaten Eigentums sowie den vollstän-digen und gleichberechtigten Schutz allerEigentumsformen. Die Erde und das Erdin-nere, die Gewässer, Flora und Fauna sowieandere Naturressourcen befinden sich instaatlichem Eigentum. Die Staatssprache istKasachisch, Russisch ist Amtssprache. DerStaat sorgt für angemessene Bedingungenfür das Erlernen und zur Förderung der Spra-chen der Völker Kasachstans. Das Verfas-sungskapitel „Der Mensch und Bürger“ ent-hält Festlegungen über den Erhalt, die Auf-gabe und die Unterbrechung der Staatsbür-

gerschaft, über persönliche, wirtschaftliche,politische, soziale und kulturelle Rechte undFreiheiten der Bürger sowie über ihre Pflich-ten. Besondere Aufmerksamkeit wird in derVerfassung den materiellen, politischen undjuristischen Garantien der Rechte und Frei-heiten der Bürger sowie der Sicherung deszwischennationalen Einvernehmens ge-schenkt. Die Kapitel drei, vier, fünf, sechs und siebensind dem Präsidenten, dem Parlament, derRegierung, dem Verfassungsrat und den Ge-richten gewidmet. Ein gesonderter Artikelbeschäftigt sich mit dem Institut der Staats-anwaltschaft, die die oberste Aufsicht überdie genaue und einheitliche Anwendung derGesetze, der Präsidialerlasse und anderer nor-mativ-rechtlicher Akte ausübt sowie die In-teressen des Staates vor Gericht vertritt. Er-mittlung und Voruntersuchung von Strafta-ten werden danach durch besondere Rechts-schutzbehörden durchgeführt. Diese sind ei-genständig und nicht Teil der Gerichte undder Staatsanwaltschaft. Kapitel acht ist der lokalen staatlichen Ver-waltung und der Selbstverwaltung gewid-met. Zur örtlichen Staatsstruktur gehörendie Maslichate – die örtlichen Vertretungs-organe – und die Akimate – die örtlichenExekutivorgane. Die Verfassung hat die höchste Rechtsge-walt. Dies bedeutet, dass alle Gesetze, Prä-sidialerlasse, Anordnungen der Regierungsowie andere normativ-rechtliche Akte derstaatlichen Organe auf den Normen der Ver-fassung basieren müssen und ihnen nichtwidersprechen dürfen. Die Verfassung giltauf dem gesamten Territorium der Republik.Das heißt, dass die Bürger das Recht haben,ihre Rechte und Freiheiten vor Gericht undin anderen Behörden mit Verweis auf ent-sprechende Verfassungsbestimmungen ein-zufordern, dass die staatlichen Behörden beider Lösung von Streitfragen die Verfas-sungsnormen wahren müssen und dass dieinternationalen Verträge des Landes der Ver-fassung nicht widersprechen dürfen.

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Die staatlichen SymboleDie offiziellen Embleme Kasachstans, Sym-bole seiner Souveränität, sind die Staats-flagge, das Staatswappen und die Staats-hymne. Der Schöpfer der Staatsflagge ist derMaler Schaken Nijasbekow. Die Staatsflag-ge ist rechteckig und von türkisblauer Farbe.Abgebildet sind darin eine Sonne mit Strah-len und darunter ein Adler mit ausgebreite-ten Flügeln. An der Stange findet sich einvertikaler Streifen mit nationalen Orna-menten. Sonne, Adler und Ornament sind ingoldener Farbe gehalten. Das Türkisblau sym-bolisiert den Himmel. Nach der Heraldik ent-sprechen die Farbe Blau und ihre Schattie-rungen menschlichen Eigenschaften wie Ehr-lichkeit, Treue und Hoffnung. Die goldene,in ihren Strahlen badende Sonne verkörpertRuhe und Reichtum. Der Adler versinnbild-licht Großzügigkeit und die gütige Seele desSteppenvolkes, das bereit ist, mit allen Völ-kern Freundschaft zu schließen, die den stol-

zen und unabhängigen Geist des multina-tionalen Kasachstans achten. Die Schöpfer des Staatswappens sind Shan-darbek Malibekow und Schota Walichanow.Das Staatswappen stellt in seiner Mitte einSchanyrak, den oberen gewölbten Teil einerJurte, auf türkisblauem Grund dar. Für dieKasachen ist das Schanyrak das Zeichen desmütterlichen Hauses, im Wappen steht es fürdas gemeinsame Haus aller in Kasachstan le-benden Völker. Vom Schanyrak laufen inForm von Sonnenstrahlen Uiken (Stützen) inalle Richtungen auseinander. Umrahmt istdie Abbildung von Darstellungen mystischerPferde – Einhörner, die in vielen Kulturen alsheilige Tiere gelten. Die geflügelten Pferdestehen für die noch nicht erschlossenen Ta-lente und die lebensspendende Kraft des jun-gen Staates. Sie scheinen den Schanyrak inden Himmel zu tragen, symbolisieren denGlauben der Kasachstaner an ihre Zukunft.Im Januar 1996 entstand die kasachstani-sche Nationalhymne. 2006 wurde eine neue

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Am Himmel die goldene Sonne,In der Steppe das goldene Korn.Eine einzige Sage von Tapferkeit - das ist mein Land.In uralten ZeitenBegann dein Ruhm,Stolz und stark ist mein kasachisches Volk.

Oh mein Volk! Oh mein Land!Ich bin deine Blume, aus dir erwachsen.Ich bin das Lied auf Deinen Lippen,Du meine Heimat! - mein Kasachstan!

Unendliche Weiten,und der Weg in die Zukunft gebahnt.Unabhängigkeit,Und ein geeintes Volk.Wie einem ewigen FreundBegegnen wir der neuen Zeit,Unser glückliches Land, unser Volk.

Oh mein Volk! Oh mein Land!Ich bin deine Blume, aus dir erwachsen.Ich bin das Lied auf Deinen Lippen,Du meine Heimat! - mein Kasachstan!

Flagge, Wappen und Hymne der Republik Kasachstan

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Nationalhymne bestätigt, der die Melodiedes populären Liedes „Menin Kasakstanym”(„Mein Kasachstan”) zugrunde liegt. Kom-poniert hat sie Schamschi Kaldajakow, derText stammt aus der Feder von ShumekenNashimedenow und Präsident Nasarbajew.In der neuen Hymne liegt der Akzent auf derUnabhängigkeit des Landes. Die von Präsi-dent Nasarbajew korrigierte Variante bringtdie Idee zum Ausdruck, dass der Reichtum

der heimischen Erde und das Volk den Wegdes Landes in eine bessere Zukunft bahnen.

Der PräsidentDer Präsident der Republik Kasachstan istdas in allgemeiner, freier, geheimer und glei-cher Abstimmung gewählte Staatsoberhauptund die höchste Amtsperson des Staates. Diepräsidiale Form der Regierung wurde anrechtsstaatliche Institute angelehnt, die heu-te in über 63 Ländern der Welt existieren.Das Amt des Präsidenten ist mit weitgehen-den Befugnissen und Vollmachten ausge-

stattet. Der Präsident ernennt nach Konsul-tationen mit den Fraktionen im Parlamentden Kandidaten für das Amt des Premiermi-nisters, der im Parlament bestätigt werdenmuss. Er bestimmt auf Vorschlag des Pre-mierministers die Struktur der Regierung. Erberuft persönlich den Außen-, Innen-, Ver-teidigungs- und Justizminister. Er ist an derBildung des Oberhauses (Senat) des Parla-ments aktiv beteiligt und ernennt fünfzehn

der 47 Senatoren. Der Präsident unterzeich-net Gesetze und Erlasse mit Gesetzeskraftund hat das Recht, über die Durchführungeines landesweiten Referendums zu ent-scheiden. Er kann Wahlen zu beiden Kam-mern des Parlaments ansetzen. Er hat dasRecht auf Gesetzesinitiative. Er ernennt denVorsitzenden der Nationalbank, den Gene-ralstaatsanwalt, den Vorsitzenden des Na-tionalen Sicherheitsausschusses mit Zustim-mung des Senats, und entlässt sie. Er ernenntden Vorsitzenden und zwei Mitglieder derZentralen Wahlkommission und des Rech-

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Ak-Orda, der Sitz des Präsidenten

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nungshofes. Er beruft die Akime der Gebie-te sowie Astanas und Almatys mit Zustim-mung der örtlichen Maslichate. Er bestätigtdas Staatsprogramm. Er ist der Oberste Be-fehlshaber der Streitkräfte und ernennt undentlässt das Oberkommando der Streitkräf-te. In außerordentlichen Situationen kanner den Ausnahmezustand über das ganzeLand verhängen. Der Präsident entscheidetzudem über Begnadigungen. Das Staats-oberhaupt hat das Recht, nach Beratungenmit den Vorsitzenden beider Kammern desParlaments, das Parlament oder das Mashi-lis allein aufzulösen. Mit den Verfassungs-änderungen vom 21. Mai 2007 wurde dieAmtszeit des Präsidenten von sieben auf fünfJahre verkürzt. Diese Bestimmung greift imJahre 2012 nach Ablauf der derzeitigenAmtszeit des Präsidenten. Präsident Nasar-bajew hat als erster Präsident der RepublikKasachstan das Recht, sich über die gesetz-lich festgelegten zwei Amtszeiten hinauszum Präsidenten wählen zu lassen. Der Prä-sident kann Mitglied einer Partei und auchderen Vorsitzender sein.

Das ParlamentLaut Verfassung vom 30. August 1995 ist dasParlament das oberste Vertretungsorgan undhat gesetzgebende Funktionen. Auf der Grund-lage der 1995er Verfassung wurde das Parla-ment drei Mal gewählt, nämlich in den Jah-ren 1995, 1999 und 2004. Die letzten Wahlenin das Unterhaus des Parlaments fanden am18. August 2007 nach den Verfassungsände-rungen vom 21. Mai 2007 statt. Das Parlament ist ein Zweikammernparlamentmit Oberhaus – dem Senat – und Unterhaus –dem Mashilis. Die Mitglieder des Senats werden von denAbgeordneten des ganzen Landes gewählt.Aus jedem der vierzehn Gebiete, aus derStadt Almaty und aus der Hauptstadt Asta-na werden für sechs Jahre je zwei Personenauf einer gemeinsamen Abgeordnetensit-zung aller Vertretungsorgane der Gebiete,Almatys und Astanas gewählt. Fünfzehn Ab-

geordnete werden für eine Legislaturperiodevom Präsidenten berufen. Das Mashilis besteht aus 107 Abgeordneten.98 Abgeordnete werden nach Parteilisten,neun Abgeordnete von der Versammlung desVolkes Kasachstans gewählt. Jede der Kammern des Parlaments hat ihreeigenen Befugnisse, zudem üben sie eine Rei-he von Vollmachten gemeinsam aus.Auf gemeinsamen Sitzungen nehmen beideHäuser des Parlaments auf Vorschlag des Prä-sidenten Änderungen und Ergänzungen ander Verfassung vor, bestätigen Verfassungs-gesetze und den republikanischen Haushaltsowie die Rechenschaftsberichte der Regie-rung und den Bericht des Rechnungshofesüber die Erfüllung des Staatshaushaltes. AufInitiative des Präsidenten kann das Parla-ment mit einer Zweidrittelmehrheit der Ab-geordneten beider Kammern die gesetzge-benden Vollmachten für einen Zeitraum vonnicht länger als einem Jahr an den Präsi-denten delegieren. Unter anderem beschließtdas Parlament über die Frage von Krieg undFrieden sowie auf Initiative des Präsidentenüber den Einsatz der Streitkräfte zur Erfül-lung internationaler Verpflichtungen zurWahrung von Frieden und Sicherheit. Der Haushalt wird in beiden Kammern an-genommen. Von beiden Kammern werdenSteuern und Gebühren festgelegt sowie Fra-gen der administrativ-territorialen Gliede-rung entschieden.Gemäß Artikel 55 der Verfassung gehören inden ausschließlichen Befugnisbereich des Se-nats die Wahl und Entlassung der Richter unddes Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes,der vom Präsidenten vorgeschlagen wird, dieZustimmung zur Ernennung des General-staatsanwaltes sowie der Vorsitzenden desNationalen Sicherheitsausschusses und derNationalbank, die Aufhebung der Immunitätdes Generalstaatsanwaltes und des Vorsit-zenden des Obersten Gerichtshofes. Das Ober-haus übt im Falle der Auflösung des Unter-hauses dessen Befugnisse aus. Es beruft zweiMitglieder in den Verfassungsrat und die Zen-

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trale Wahlkommission sowie drei Mitgliederin den Rechnungshof.In den ausschließlichen Befugnisbereich desMashilis gehören unter anderem die Erörte-rung und die Behandlung von Gesetzesinitia-tiven. Es muss der Ernennung des vom Prä-sidenten vorgeschlagenen Premierministersmit einfacher Mehrheit zustimmen. Es setztden Termin für reguläre Präsidentschafts-

wahlen fest. Das Unterhaus beruft je zweiMitglieder in den Verfassungsrat und dieZentrale Wahlkommission sowie drei in denRechnungshof. Es erhebt im Falle von Hoch-verrat Anklage gegen den Präsidenten.Das Mashilis kann der Regierung sein Miss-trauen aussprechen. Es kann Berichte der Re-gierung oder einzelner Minister einfordernund beim Präsidenten um Entlassung der Re-gierung oder einzelner Minister nachsuchen.Die Zweikammernstruktur des Parlaments istderart, dass Tätigkeit und Zusammenarbeitmit nur minimalen Reibungspunkten ver-laufen: die Kammern sind einander nicht un-terstellt und werden unabhängig voneinan-

der gebildet; jede der Kammern funktioniertnach einer eigenen Arbeitsordnung und hatihren Tätigkeitsbereich, doch müssen sie inkonkreten Bereichen zusammenwirken.Nach den Verfassungsänderungen im Mai2007 wurde eine Gesellschaftliche Kammerbeim Parlament gegründet. In dieser Kam-mer sind Vertreter von Nichtregierungsor-ganisationen und Parteien vertreten. Die

Kammer soll den Dialog mit den Bürgern för-dern, sie arbeitet an der Verbesserung vonGesetzentwürfen, insbesondere mit Blick aufdie Demokratisierung, die Entwicklung derZivilgesellschaft und die soziale Ausrichtungder Reformen. Sie hat das Recht, ihre Ver-treter in die Sitzungen der Ausschüsse desMashilis zu entsenden. Sie organisiert Run-de Tische, Seminare und Konferenzen. DieKammer wird aus dem Haushalt des Parla-ments finanziert.

Die Regierung und ihre MinisterienDie Regierung ist das höchste Organ derExekutivmacht. Sie steht an der Spitze al-

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Einmal im Jahr richtet der Präsident vor beiden Kammern des Parlaments seine Botschaft an das VolkKasachstans

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ler Exekutivorgane. Die Regierung ist demPräsidenten gegenüber verantwortlich undrechenschaftspflichtig gegenüber dem Ma-shilis und dem Senat. Die Regierung wirdauf Vorschlag des Premierministers gebil-det. Die Regierung erarbeitet die grundle-genden Richtungen in der Sozial-, Wirt-schafts- und Verteidigungspolitik, der na-tionalen Sicherheit und der Gewährleistungder öffentlichen Ordnung. Die Regierungbringt den Staatshaushalt ins Parlament einund legt den Bericht über dessen Erfüllungvor. Die Regierung ist verantwortlich für dieVerwaltung des staatlichen Eigentums. Sieerarbeitet die Kernpunkte der Außenpolitik. Die Regierung wirkt im Rahmen der Amtszeitdes Präsidenten und reicht nach der Wahl ei-nes neuen Präsidenten ihren Rücktritt ein.Der Premierminister organisiert und leitetdie Tätigkeit der Regierung und zeichnet fürihre Arbeit verantwortlich. Er berichtet demPräsidenten über die grundlegenden Rich-tungen ihrer Tätigkeit. Er unterzeichnet Re-gierungsanordnungen. Die Regierungsmit-glieder treffen im Rahmen ihrer Befugnisseeigenständig Beschlüsse. Sie tragen gegen-über dem Premierminister Verantwortungfür die Arbeit der ihnen unterstellten Behör-den. Beide Kammern des Parlaments habendas Recht, Berichte der Regierungsmitglie-der über ihre Tätigkeit anzufordern. Im Fal-le der Nichterfüllung von Gesetzen durch einRegierungsmitglied haben die Abgeordne-ten das Recht, sich mit der Bitte um Entlas-sung an den Präsidenten zu wenden.Die Regierung nimmt im Rahmen ihrer Be-fugnisse Beschlüsse an, die Gesetzeskraft ha-ben. Eine neu gebildete Regierung arbeitetein Tätigkeitsprogramm aus und legt demParlament einen Bericht über dessen Erfül-lung vor. Weist das Parlament das Programmzurück, hat die Regierung zwei Monate Zeit,ihr Programm zu überarbeiten. Weist das

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Der Premierminister (Blick auf seinen Amtssitz)organisiert und leitet die Tätigkeit der Regierung

und zeichnet für ihre Arbeit verantwortlich

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Parlament das Programm dann mit Zwei-drittelmehrheit erneut zurück, kommt dieseinem Misstrauensvotum gleich. Die Regierung hat das Recht auf Gesetzes-initiative. Die Regierung arbeitet einen Ent-wurf aus, den sie zur Erörterung in das Par-lament einbringt. Gesetzentwürfe werdenvon den Ministerien und staatlichen Komi-tees erarbeitet, deren Vorsitzenden für dieQualität der Entwürfe verantwortlich sind.Die Regierung befasst sich zudem mit derAußenpolitik. Sie fasst Beschlüsse über dieUmsetzung internationaler Verträge und Ab-kommen und ergreift Maßnahmen zur Aus-weitung der Außenbeziehungen. Die Arbeit der Regierung wird von der Kanz-lei des Premierministers koordiniert und kon-trolliert. Ihre wichtigsten Aufgaben sind dieinformations-technisch-analytische und or-ganisatorisch-rechtliche Sicherstellung derArbeit der Regierung. Befasst ist sie mit demSchutz von Staatsgeheimnissen. Auch ob-liegt der Kanzlei die Koordination der Tätig-keit der staatlichen Organe im Prozess derVorbereitung und Erfüllung von Verordnun-gen des Premierministers und der Regierungsowie die Kontrolle der rechtzeitigen Erfül-lung der Erlasse und Verordnungen des Prä-sidenten sowie der Verordnungen des Pre-mierministers und der Regierung.Es gibt achtzehn Ministerien.Das Außenministerium führt die außenpo-litische Tätigkeit durch und steht an der Spit-ze des einheitlichen Systems des diplomati-schen Dienstes. Schwerpunktaufgaben desMinisteriums sind die Ausarbeitung der Kon-zeption und der grundlegenden Richtungender Außenpolitik unter Einbeziehung derVorschläge des Präsidenten und der Regie-rung, die Umsetzung des außenpolitischenKurses, die Mitwirkung an der Umsetzungder Außenwirtschaftspolitik. Auch obliegt esdem Außenministerium, die BemühungenKasachstans für die Wahrung des Friedensin der Welt sowie der globalen und regiona-len Sicherheit mit diplomatischen Mittelnzu realisieren. Zudem arbeitet das Außen-

ministerium für den Präsidenten Vorschlägeder außenpolitischen und außenwirtschaft-lichen Strategie aus und setzt internationa-le Initiativen des Präsidenten um.Dem Verteidigungsministerium obliegt dieFührung der Streitkräfte. Das Ministerium ent-scheidet Fragen, die mit der Verteidigung desLandes verbunden sind, erarbeitet ein Kon-zept des Aufbaus und der Entwicklung derStreitkräfte sowie anderer Truppen und Mi-litärformationen, legt ein staatliches Pro-gramm der Entwicklung der Rüstungs- undMilitärtechnik vor, sichert die materiell-tech-nische Ausstattung der Streitkräfte und or-ganisiert in Verteidigungsfragen die Wech-selwirkung mit anderen Staatsorganen. Dashöchste Führungsorgan der Streitkräfte istder Generalstab, unter anderem ist er verant-wortlich für die operative, Gefechts- und Mo-bilisierungsfähigkeit der Streitkräfte sowieanderer Truppen und Militärformationen.Dem Innenministerium obliegt die Führungder Organe der inneren Angelegenheiten.Schwerpunktaufgaben sind der Schutz deröffentlichen Ordnung, die Gewährleistungder öffentlichen Sicherheit und die Verbre-chensbekämpfung. Das Ministerium ist zu-ständig für die Sicherheit im Straßenverkehr.Zudem zeichnet es für die Kontrolle auslän-discher Bürger und Staatenloser, die sich aufdem Territorium Kasachstans aufhalten, ver-antwortlich. Das Finanzministerium leitet die Haushalts-und Finanzpolitik. Schwerpunktaufgabensind die Erarbeitung und Umsetzung derstaatlichen Politik bei der Erfüllung des Haus-haltes, die Zoll- und Steuererhebung und dieinterne Finanzkontrolle. Darüber hinaus re-guliert das Ministerium die Produktion undden Verkauf von Tabakwaren und Alkoholsowie bestimmter Erdölprodukte. Zudemgehören unter anderem zu den Befugnissendes Ministeriums Fragen von Insolvenzen,die Verwaltung des staatlichen Eigentums,die Finanzrechenschaftslegung und die Rech-nungsprüfung. Im Ministerium arbeiten dasSchatzamtkomitee, das Zollkontrollkomitee,

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das Steuerkomitee, das Komitee für Finanz-kontrolle staatlicher Ankäufe, das Komiteefür die Arbeit mit zahlungsunfähigen Schuld-nern und das Komitee für staatliches Eigen-tum und Privatisierung.Zu den Aufgaben des Justizministeriumszählen die gesetzlichen Grundlagen derstaatlichen Tätigkeit, die Förderung des Prin-zips der Gesetzlichkeit in der Arbeit derstaatlichen Organe und Institutionen sowiedie Gewährleistung des Rechtsschutzes undder rechtlichen Interessen der Bürger undOrganisationen. Das Ministerium hat terri-toriale Gliederungen in allen Gebieten so-

wie in den Städten Astana und Almaty. ImRahmen des Ministeriums arbeiten das Ko-mitee für Registrierungsdienste, das Komi-tee für den Schutz des geistigen Eigentums,das Komitee für das Strafvollzugssystem so-wie das Komitee für die Organisation vonRechtshilfe und juristischer Dienste. Auf demBoden der gesetzlichen Ordnung entwickeltdas Justizministerium die nationale Gesetz-gebung, organisiert die Arbeit an Gesetz-entwürfen und erstellt juristische Experti-sen normativer Rechtsakte.Hauptaufgaben des Ministeriums für Trans-port und Kommunikation ist die Herausbil-

dung der staatlichen Politik im Transport-und Kommunikationswesen sowie die Schaf-fung eines effektiven und technologisch mo-dernen Transport- und Kommunikations-komplexes. Im Ministerium arbeiten das Ko-mitee zur Entwicklung der Transportinfra-struktur, das Komitee für Verkehrswege, dasKomitee für nationale Luftfahrt und das Ko-mitee für Transportkontrolle.Schwerpunktaufgabe des Ministeriums fürWirtschaftsentwicklung und Handel ist dieHerausbildung der wichtigsten Richtungender staatlichen Sozial- und Wirtschaftspo-litik. Dem Ministerium obliegt es, ein ein-

heitliches und effektives System der staat-lichen Planung zu formieren, das auf die Er-reichung der strategischen Ziele, die Reali-sierung der prioritären Aufgaben der so-zioökonomischen Entwicklung sowie die Ent-wicklung des Handels orientiert ist. Das Mi-nisterium erarbeitet regionale und sonstigeEntwicklungsprogramme und kontrolliert de-ren Erfüllung. Im Ministerium arbeitet dasKomitee für Handel.Dem Ministerium für Industrie und neueTechnologien obliegt die staatliche Politikim Bereich der Industrie sowie der industri-ell-innovativen und wissenschaftlich-tech-

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Das Außenministerium arbeitet die Konzeption und die grundlegenden Richtungen der Außenpolitik aus

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nischen Entwicklung des Landes. Insbeson-dere zeichnet es für die Entwicklungspolitikeinzelner Wirtschaftsbranchen verantwort-lich. Aus den Komitees beim Ministerium las-sen sich die vielfältigen Aufgaben ablesen:Komitee für Investitionen, Komitee für In-dustrie, Komitee für technische Regulierungund Metrologie, Komitee für die staatlicheEnergiekontrolle, Komitee für Atomenergiesowie Komitee für Geologie und Förderungvon Bodenschätzen. Das Ministerium für Erdöl und Erdgas er-arbeitet die staatliche Politik in den Berei-chen Erdöl- und Erdgasindustrie, Erdölche-mieindustrie und Transport von Kohlenwas-serstoffen. Ihm obliegt die Entwicklung desÖl- und Gasbrennstoff- sowie des Energie-komplexes. Zudem ist es mit Fragen der in-ternationalen Zusammenarbeit im BereichErschließung und Ausbeutung kohlenwas-serstoffhaltiger Ressourcen befasst. Dem Mi-nisterium angegliedert ist das Komitee fürdie staatliche Kontrolle des Erdöl- und Erd-gaskomplexes.Das Gesundheitsministerium ist zuständigfür den Gesundheitsschutz der Bevölkerungsowie die medizinische und pharmazeuti-sche Ausbildung. Dem Ministerium obliegenunter anderem die Sicherstellung der staat-lich garantierten, kostenlosen medizinischenVersorgung der Bevölkerung, die Organisationvon therapeutischen und prophylaktischenMaßnahmen sowie die Versorgung der Be-völkerung mit wirksamen und qualitativ gu-ten Medikamenten. Im Ministerium arbei-ten das Komitee für sanitär-epidemologi-sche Aufsicht, das Komitee für Pharmazeu-tik und das Komitee zur Kontrolle der Qua-lität der medizinischen Dienstleistungen.Das Landwirtschaftsministerium realisiertdie staatliche Politik in der Land-, Forst-,Fisch- und Jagdwirtschaft. Außerdem oblie-gen ihm ausgewiesene Naturschutzgebiete,die Verwaltung der Wasserressourcen sowieder Pflanzen- und Tierwelt. Das Ministeriumkoordiniert die Arbeit im Bereich des Land-wirtschaftsmaschinenbaus, der Veterinär-

medizin, der Viehzucht, der Bewässerung so-wie der verarbeitenden Industrie von Agrar-produkten. Im Ministerium bestehen das Ko-mitee für Wasserressourcen und das Komiteefür Wald-, Fisch- und Jagdwirtschaft.Die Schwerpunktaufgabe des Ministeriumsfür Arbeit und sozialen Schutz der Bevöl-kerung ist die Erarbeitung der staatlichenPolitik in den Bereichen Arbeit, Arbeitsschutzund -sicherheit, Sozialpartnerschaft, Sozial-schutz der Bevölkerung, Rentensicherheit,Sozialversicherung und Regulierung der Mi-grationsprozesse. Das Ministerium verfügtüber Gliederungen in allen Gebieten des Lan-des sowie in den Städten Astana und Alma-ty. In seinem Bestand arbeitet das Komiteefür Migration.Das Ministerium für Bildung und Wissen-schaft hat Führungs- und Koordinations-funktionen im Forschungs- und Bildungs-bereich. Hauptaufgabe ist die Erarbeitungeiner einheitlichen Politik in den BereichenBildung, Wissenschaft und Forschung. Zu-dem fallen unter anderem die Jugendpolitiksowie die Sicherung des Schutzes der Rech-te und Interessen der Kinder in die Verant-wortung des Ministeriums. Im Ministeriumarbeiten das Komitee für Aufsicht und At-testierung in Bildung und Wissenschaft so-wie das Komitee für Weltraumforschung. Dem Ministerium für Kultur obliegt die Her-ausbildung der staatlichen Politik in den Be-reichen Kultur, Schutz und Nutzung der Ob-jekte des kulturellen Erbes sowie Sprachent-wicklung. Zudem analysiert das Ministeriumdie Tätigkeit der religiösen Gemeinschaftensowie der Missionare und kleinen Religions-gemeinschaften, die nicht als juristische Per-son registriert sind. Im Ministerium arbeitendas Komitee für Kultur, das Komitee für An-gelegenheiten der Religion sowie das Komi-tee für Sprachen.Dem Ministerium für Tourismus und Sportobliegt die Herausbildung der staatlichen Po-litik in den Bereichen Tourismus, Glücksspielsowie Körperkultur und Sport. Der Tourismuswurde im Rahmen der beschleunigten Mo-

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dernisierung als Schwerpunktbranche be-stimmt. Aufgabe des Ministeriums ist, günsti-ge Bedingungen für Investitionen in die Tou-rismusindustrie zu schaffen. Im Bereich Sportist das Ministerium mit der finanziellen, ma-teriell-technischen, wissenschaftlich-didakti-schen, personellen, medizinischen und nor-mativ-rechtlichen Sicherstellung der Ent-wicklung von Körperkultur und Sport befasst.Im Ministerium arbeiten das Komitee für Tou-rismus und das Komitee für Körperkultur undSport.Dem Ministerium für Kommunikation undInformation obliegt die staatliche Regulie-rung im Bereich Kommunikation, Informa-tion, Archivierung und Dokumentation. Esübt die Kontrolle über die Bereitstellung vonDienstleistungen im Kommunikationsbereichaus und ist verantwortlich für die „elektro-nische Regierung” sowie den Ausbau derstaatlichen elektronischen Informationsres-sourcen. Es koordiniert die Tätigkeit der Exe-kutivorgane in allen Fragen der Massenme-dien. Zum Ministerium gehören das Komi-tee für Information und Archivierung unddas Komitee für Kommunikation und Infor-mation. Dem Ministerium für Umweltschutz obliegtdie Erarbeitung und Umsetzung der staatli-chen Umweltschutzpolitik sowie die Steue-rung der Naturnutzung. Hauptaufgaben desMinisteriums sind die Verbesserung der Qua-lität des Umweltschutzes. Im Ministeriumarbeiten das Komitee für die Kontrolle desNaturschutzes. In den Gebieten sowie denStädten Astana und Almaty sind Behördenfür den Umweltschutz verantwortlich. Das Ministerium für Katastrophensituatio-nen arbeitet die staatliche Politik im Bereichder Überwindung von Natur- oder techni-schen Katastrophensituationen aus. Ihm ob-liegen unter anderem die Industriesicherheitsowie der Sicherheits- und Arbeitsschutz derBeschäftigten in Betrieben mit gefährlichenProduktionsbedingungen. Das Ministeriumhat territoriale Gliederungen in allen Gebie-ten sowie den Städten Astana und Almaty.

Im Rahmen des Ministeriums arbeiten dasKomitee für die Kontrolle und Aufsicht vonKatastrophensituationen und das Komiteefür staatliche Materialreserven.

Die örtliche SelbstverwaltungDie Herausbildung der örtlichen Selbstver-waltung begann im Februar 1991, als dasGesetz der Kasachischen SSR „Über die ört-liche Selbstverwaltung und die örtlichenVolksdeputiertensowjets“ angenommen wur-de. Dieses Gesetz brachte jedoch im Prinzipkeine Neuerungen, da es das damalige „so-wjetische Modell“ der örtlichen Selbstver-waltung mehr oder weniger kopiert hatte. Zwei im Januar 1992 vom Obersten Sowjetbestätigte Rechtsakte stärkten das Institutdes Leiters der örtlichen Verwaltung, der demPräsidenten beziehungsweise dem Leiter derGebietsverwaltung rechenschaftspflichtigwar, und grenzten die Funktionen zwischenden Repräsentativ- und Exekutivorganen vorOrt voneinander ab. Erstmals wurden die Or-gane der örtlichen Exekutive von denen derörtlichen Selbstverwaltung getrennt. Da je-doch die gesetzgeberische Basis, die die Ar-beit des örtlichen Selbstverwaltungssystemsreglementieren sollte, nicht geschaffen wur-de, erfuhr dieses Institut zunächst keine wei-tere Entwicklung. 1993 wurde das Gesetz„Über die örtlichen Vertretungs- und Exe-kutivorgane der Republik Kasachstan“ an-genommen, das die Befugnisse der örtlichenSelbstverwaltung stark einschränkte. Die Or-gane der zur staatlichen Machtvertikalegehörenden örtlichen Verwaltung und dieörtlichen Selbstverwaltungsorgane wurdenfaktisch gleichgesetzt. Damit existierte dieörtliche Selbstverwaltung auch nicht mehrnominal.Die Regierung schlug dann im Jahre 2000gleich zwei Gesetzentwürfe vor: „Über dieörtliche staatliche Verwaltung“ und „Überdie exekutive Selbstverwaltung“. Laut demEntwurf gehörten zum System der örtlichenMacht die Akimate – die Exekutivorgane –und die Maslichate – die Vertretungsorga-

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ne. Dieser Gesetzentwurf wurde im Januar2001 angenommen. Die Unvollkommenheitder gesetzgeberischen Akte führte jedochdazu, dass das örtliche Selbstverwaltungs-system, obwohl es 1995 in die Verfassungaufgenommen worden war, keine gesetzli-che Verankerung erfuhr. Da die örtlichenSelbstverwaltungsorgane unentwickelt blie-ben, sollten die vom Staat durchgeführtenReformen in einzelnen sozialen und kom-munalen Bereichen sowie den unteren ört-

lichen Behörden zur Lösung des Problemsbeitragen.Mit den Verfassungsänderungen vom 21. Mai2007 wurden die Organe der örtlichen Selbst-verwaltung anerkannt. Den Maslichaten obliegt etwa die Bestätigungvon Wirtschafts- und Sozialprogrammen derjeweiligen territorialen Einheit, des örtlichenHaushalts und des Berichts über seine Erfül-lung. Die Abgeordneten der Maslichate wer-

den in freien und gleichen Wahlen von derBevölkerung für fünf Jahre gewählt. Der Prä-sident hat das Recht, ein Maslichat aufzulö-sen, wie sich auch ein Maslichat selbst auf-lösen kann. Die Akimate sichern die Umset-zung der allgemeinen Regierungspolitik inÜbereinstimmung mit den Interessen und Be-dürfnissen der jeweiligen administrativ-ter-ritorialen Gliederung. Sie zeichnen verant-wortlich für die Erarbeitung von regionalenoder örtlichen Entwicklungsplänen sowie für

die Aufstellung des Haushaltes und seine Um-setzung. Sie verwalten das öffentliche Eigen-tum. Die Akime der Gebiete, Kreise und Städ-te werden vom Präsidenten mit Zustimmungder zuständigen Maslichate berufen.

Die JustizKasachstan hatte im Jahre 1993 mit seinerVerfassung den Aufbau eines Rechtsstaatesverkündet. Dies diktierte die Notwendigkeit,

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Die örtlichen Legislativen, die Maslichate, werden von der Bevölkerung für fünf Jahre gewählt. DieLeiter der Exekutive der Gebiete, Kreise und Städte, die Akime, werden vom Präsidenten mit Zustimmung des jeweiligen Maslichats berufen. Blick auf den Sitz von Akimat und Maslichat Astanas

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grundlegende Rechtsreformen durchzuführen.Der Erlass des Präsidenten „Über das staat-liche Programm der Rechtsreformen in derRepublik Kasachstan“ vom 12. Februar 1994war ein historisches Dokument, das die Prio-ritäten in der Reform des Gerichts- undRechtssystems bestimmte. Gerechte und un-abhängige Gerichte, hoch qualifizierte undunvoreingenommene Richter – darauf grün-det ein objektives Gerichtswesen.Der Erlass regelte die Struktur der Gerichtsor-gane der Republik, die Befugnisse der Richterund Personalfragen im Gerichtswesen. Diewichtigsten Organe, die die gesetzlichen undrechtlichen Fragen regeln, sind das ObersteGericht, der Verfassungsrat, die General-staatsanwaltschaft und das Justizministeri-um.Das höchste Gericht in Kasachstan ist dasOberste Gericht, dessen Mitglieder vom Se-nat auf Vorschlag des Präsidenten, der aufden Empfehlungen des Höchsten Gerichts-rates des Landes basiert, gewählt werden.In die Zuständigkeit des Obersten Gerichtsfällt die Berufungs-, Aufsichts- und Kon-trolltätigkeit der ihm unterstellten Gerich-te. Das Oberste Gericht legt Fragen der Ge-richtspraxis und der Anwendung der Ge-setzgebungsakte aus. Der Verfassungsrat fasst Beschlüsse zu allenFragen, die die Einhaltung der Verfassungbetreffen. Gegen die Beschlüsse des Verfas-sungsrates kann der Präsident ein Veto ein-legen, und wird dieses nicht mit Zweidrit-telmehrheit der Mitglieder überwunden, giltder Beschluss des Verfassungsrates als un-wirksam.Der Verfassungsrat prüft die Richtigkeit derDurchführung von Präsidentschaftswahlenund die Übereinstimmung der Gesetze mitder Verfassung. Der Verfassungsrat bestehtaus sieben Mitgliedern, von denen zwei undder Vorsitzende vom Präsidenten ernanntwerden. Vier Ratsmitglieder werden von denKammern des Parlaments berufen: zwei Mit-glieder vom Senat und zwei vom Mashilis.Alle ehemaligen Präsidenten des Landes ha-

ben das Recht auf lebenslange Mitgliedschaftim Verfassungsrat. Die Amtszeit der Verfas-sungsrichter beträgt sechs Jahre. Alle dreiJahre wird die Hälfte der Mitglieder des Ver-fassungsrates neu berufen.Die Stimme des Vorsitzenden des Verfas-sungsrates ist bei Stimmengleichheit aus-schlaggebend. Der Verfassungsrat kann Ent-scheidungen treffen, wenn zwei Drittel sei-ner Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüs-se des Verfassungsrates treten am Tag ihrerAnnahme in Kraft, sie sind verbindlich aufdem gesamten Territorium Kasachstans.Die Generalstaatsanwaltschaft ist das staat-liche Organ, das die Aufsicht über die Ein-haltung der Gesetze ausübt. Sie ist dem Prä-sidenten rechenschaftspflichtig. Sie hat diehöchste Aufsicht über die genaue und ein-heitliche Anwendung der Gesetze und derErlasse des Präsidenten sowie sonstiger nor-mativer und rechtlicher Akte, über die Ge-setzlichkeit der operativen Arbeit, der Er-mittlung und Beweisaufnahme sowie überdie administrative und exekutive Tätigkeit.Die Generalstaatsanwaltschaft leitet Maß-nahmen zur Feststellung und Beseitigungjeglicher Gesetzesverletzungen ein, sie wi-derruft Gesetze und sonstige Rechtsakte, dieder Verfassung und den Gesetzen der Repu-blik zuwiderlaufen. Sie vertritt die Interes-sen des Staates bei Gericht. Der Staatsan-waltschaft obliegt die strafrechtliche Ver-folgung. Sie ist ein einheitliches zentrali-siertes System von Organen und Behörden, indem die Staatsanwälte der unteren Ebeneden Staatsanwälten der jeweils übergeord-neten Ebene und dem Generalstaatsanwaltunterstellt sind. Die Staatsanwaltschaft übtihre Tätigkeit unabhängig von anderenStaatsorganen und Staatsbeamten, politi-schen Parteien und gesellschaftlichen Ver-einigungen aus. Die Einmischung in die Tätig-keit der Organe der Staatsanwaltschaft istuntersagt. Akte der staatsanwaltschaftlichenAufsicht, die auf der Basis und in der ge-setzlich vorgeschriebenen Weise angenom-men wurden, sind verbindlich.

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Die Vollversammlung des Volkes KasachstansDie Vollversammlung des Volkes Kasachstans(so bezeichnet seit Ende 2007) ist eines der

wichtigsten Instrumente zur Umsetzung ei-ner auf den Prinzipien der Gleichberechti-gung und der freien Entwicklung der Bürgergründenden Politik. Die Vollversammlungwurde als Versammlung der Völker Kasach-stans als Beratungsorgan beim Präsidenten

am 1. März 1995 durch einen Erlass des Prä-sidenten gegründet. Der Vorsitzende ist derPräsident. Die Beschlüsse der Versammlunghatten empfehlenden Charakter. Die Tätigkeitder Versammlung zielte darauf, das zwi-schennationale Einvernehmen und die Sta-bilität in der Gesellschaft zu bewahren, Vor-schläge für die Entwicklung freundschaftli-cher Beziehungen zwischen den Angehöri-gen der in Kasachstan lebenden Nationalitä-ten zu unterbreiten und die politische Kulturder Bürger herauszubilden. Die Versammlungarbeitete zudem daran, dass die verschiede-nen Interessen der einzelnen Nationalitätenin der staatlichen Politik Berücksichtigungfinden. Auch suchte sie nach Kompromissenfür die Lösung der in der Gesellschaft ent-stehenden sozialen Widersprüche. All dieseAufgaben hat die Vollversammlung auchheute noch, doch wurde sie in ihrer Bedeu-tung aufgewertet. Mit den Änderungen undErgänzungen an der Verfassung vom 21. Mai2007 bekam die Versammlung Verfassungs-rang und erhielt das Recht, neun Abgeord-nete des Unterhauses des Parlaments zuwählen. Am 20. August 2007 nahm die Ver-sammlung dieses Recht erstmals wahr. Durchdie Arbeit ihrer Abgeordneten werden dieInteressen der 120 Nationalitäten in der Le-gislative vertreten sein.Die Vollversammlung wird vom Präsidentenaus Vertretern der nationalkulturellen Zen-tren und der Ältestenräte sowie anderen Per-sonengruppen gebildet. Kriterien für einMandat in der Vollversammlung sind das An-sehen der Persönlichkeit in der Bevölkerung,ihre gesellschaftliche Tätigkeit und ihre prak-tischen Erfahrungen.In allen Gebieten des Landes funktionierenso genannte Kleine Versammlungen desVolkes Kasachstans. Diese treten als Bera-tungsorgane bei den Akimen auf. Sie wer-den aus den Vertretern der nationalkultu-rellen Zentren, der Ältestenräte, der Ge-bietsverwaltungen und der Maslichate desjeweiligen Gebietes gebildet. Den KleinenVersammlungen stehen die Akime vor.

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Der Palast des Friedens und der Eintracht, Sitzder Versammlung des Volkes Kasachstans

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Die Vollversammlung des Volkes Kasachstanswird vom Präsidenten auf seine Initiativeoder auf Bitte von mindestens einem Drit-tel der Mitglieder einberufen. Für die Arbeit zwischen den Sitzungen wirdder Rat der Vollversammlung gebildet, dersich aus Vertretern der nationalkulturellenZentren, der Ältestenräte, der Vorsitzendender Kleinen Versammlungen und anderenMitgliedern der Versammlung zusammen-setzt. Dieser Rat, den der stellvertretendeVorsitzende der Vollversammlung leitet, be-stimmt die Arbeit des Exekutivsekretariatsder Versammlung. Die Arbeit der Vollver-sammlung des Volkes Kasachstans wird ausdem Haushalt der Republik und der Gebietesowie durch Spenden finanziert.Die Vollversammlung stützt sich heute aufdie Tätigkeit der über 300 nationalkulturel-len Vereinigungen auf Republiks-, Gebiets-,Kreis- und Stadtebene. Im Jahre 1995 gabes in Kasachstan nur rund 120 nationalkul-turelle Zentren. Dies zeugt davon, dass derProzess der kulturellen Wiedergeburt der Eth-nien im Lande voranschreitet und die Ver-sammlung den allumfassenden Dialog zwi-schen den Nationalitäten sichert.

Parteien und WahlenDie ersten Jahre der demokratischen Refor-men beseitigten das Machtmonopol derKommunistischen Partei, damals wurden dieGrundlagen für politischen Pluralismus undein Mehrparteiensystem gelegt. Die Verfassung garantiert die Rechte von Par-teien, Bewegungen und Vereinigungen mitAusnahme solcher, deren Tätigkeit auf die „ge-waltsame Veränderung der Verfassungsord-nung, die Verletzung der territorialen Inte-grität der Republik, die Untergrabung derStaatssicherheit, das Schüren von gesell-schaftlichem, nationalem, religiösem, stan-desmäßigem und klanmäßigem oder Rassen-hass gerichtet ist“. Der Staat darf sich in dieAngelegenheiten der Parteien nicht einmi-schen. Das im Juli 2002 angenommene Ge-setz „Über die Parteien“ war bedeutsam für

den Aufbau des Parteiensystems. Es wurde imFebruar 2009 modifiziert. Danach muss einePartei für ihre Registrierung wenigstens 40000Mitglieder (zuvor 50 000), davon mindestens600 in jedem Gebiet (zuvor 700), haben. Be-teiligt sich eine Partei zweimal hintereinan-der nicht an den Parlamentswahlen, wird sieaufgelöst. Verboten ist die Bildung von Par-teien auf der Basis beruflicher, ethnischer, re-ligiöser und Rassenzugehörigkeit. Die Tätig-keit von Parteien anderer Staaten ist nicht er-laubt.Mit den Änderungen an der Verfassung vom21. Mai 2007 wurde die Rolle der Parteienim politischen Prozess erhöht. Im November2008 wurde ein Gesetz zur weiteren Libera-lisierung der Tätigkeit der Parteien bestätigt.Zudem wurde gesetzlich festgelegt, dass diePartei, die bei den Wahlen die zweitmeistenStimmen erhält, ihre Abgeordneten ins Par-lament entsenden kann, auch wenn sie dieSieben-Prozent-Hürde nicht überwindenkonnte. Damit soll verhindert werden, dasses in Kasachstan noch einmal ein Einpartei-enparlament wie nach der Augustwahl 2007gibt. Heute sind zehn Parteien verschiedener po-litischer Ausrichtung aktiv, davon sind neunregistriert.Die Nationaldemokratische Partei „NurOtan” („Licht des Vaterlandes”) entstandaus der Fusion von vier Parteien. Der Anstoßzur Gründung der Partei „Otan” („Vaterland”)kam 1998 aus der gesellschaftlichen Orga-nisation, die die PräsidentschaftskandidaturNursultan Nasarbajews unterstützte. DieserInitiative schlossen sich die Partei der Ein-heit der Völker Kasachstans, die Demokrati-sche Partei, die Liberale Bewegung, die Be-wegung „Für Kasachstan – 2030” und diePartei der Gerechtigkeit an. Am 12. Februar1999 wurde „Otan“ im Justizministerium re-gistriert und am 10. Januar 2003 entspre-chend der Neufassung des Gesetzes „Überdie Parteien“ neu registriert. Im Juli 2006 fusionierte „Otan” auf ihremaußerordentlichen IX. Parteitag mit der Par-

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tei „Asar“, deren Vorsitzende Dariga Nasarba-jewa war. Damit wurde „Otan“ endgültig zureinflussreichsten Partei des Landes. Am 22.Dezember 2006 schlossen sich „Otan” dieAgrarpartei und die Bürgerpartei an. Die Par-tei benannte sich in NationaldemokratischePartei „Nur Otan” um. Vorsitzender der Par-tei ist Präsident Nursultan Nasarbajew. DiePartei hat rund 700 000 Mitglieder. Bei der

Parlamentswahl am 18. August 2007 konnte„Nur Otan” 88,41 Prozent der Stimmen aufsich vereinigen und besetzte alle 98 der überParteilisten vergebenen Sitze im Parlament.Bei den zeitgleich durchgeführten Masli-chatswahlen gewann sie 92 Prozent der Sit-ze. „Nur Otan” stellt 2818 Abgeordnete in denMaslichaten aller Ebenen. Mitglieder der Par-tei sind überwiegend Angestellte des öf-fentlichen Dienstes, Studierende, Wissen-schaftler und Künstler sowie kleine und mitt-lere Unternehmer. Zu den wichtigsten Zie-len erklärte die Partei die Unterstützung derwirtschaftlichen und politischen Reformenund die weitere Demokratisierung der Ge-sellschaft, die Steigerung des Lebensstan-dards der Bürger, soziale Gerechtigkeit undStabilität, die Bewahrung der ethnischen und

konfessionellen Eintracht sowie die Förde-rung von Patriotismus und Verantwortungder Bürger für die allseitige und harmoni-sche Entwicklung des Landes. Im November2008 nahm die Partei den gesamtnationa-len Plan für die Bekämpfung der Korrupti-on an, der folgende Schwerpunkte setzte:Verbesserung der Antikorruptionsgesetze,Optimierung der staatlichen Verwaltung, Un-

terbindung der Korruption im Finanz- undWirtschaftssektor, Transparenz der staatli-chen Kontrollbehörden und Herausbildungeines Bewusstseins der Nichttoleranz vonKorruption in der Gesellschaft. Für die Er-füllung des Plans zur Korruptionsbekämp-fung ist das Kontrollkomitee der Partei ver-antwortlich. Die Partei hat den republikani-schen Rat und regionale gesellschaftlicheRäte für die Bekämpfung der Korruption ge-bildet. Im Auftrag des Präsidenten kontrol-liert „Nur Otan” die Zuteilung von Sozial-wohnungen sowie die Umsetzung regionalerund staatlicher Programme, darunter der„Straßenkarte”. Es gibt 2 650 Parteikontrol-leure, die das Recht haben, Anträge und An-fragen an die Staatsorgane zu richten, dieQualität der geleisteten Arbeit zu prüfen so-

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Wahlkampf für die Partei „Nur Otan“

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wie Anträge und Beschwerden der Bürger zubegutachten. Geschaffen wurde die Kommis-sion für Beobachtung und Kontrolle der staat-lichen Einkäufe. Gegenwärtig arbeitet „NurOtan” ein neues Antikorruptionsprogrammbis 2020 aus. Die Gesamtnationale SozialdemokratischePartei „Asat” („Freiheit”) entstand am 24.Oktober 2009 aus der Fusion der Partei „Asat”mit der Gesamtnationalen Sozialdemokrati-schen Partei (ONSDP). An der Spitze stehen

zwei Vorsitzende – Scharmachan Tujakbaiund Bulat Abilow – und zwei Ko-Vorsitzen-de – P. Swoik und A. Kossanow. Bei den Par-lamentswahlen im August 2007 verfehltendie bereits damals verbündeten Parteien mit4,54 Prozent die Einzugshürde ins Parlament.Allerdings entsandte man zwei Abgeordne-te in die örtlichen Maslichate. Die Partei stelltsich die Aufgabe, einen demokratischen undsozialen Rechtsstaat aufzubauen, eine inno-vative Wirtschaft zu schaffen, eine neue so-

ziale Politik umzusetzen und die Anstren-gungen der Bürger beim Aufbau eines wohl-habenden und demokratischen Kasachstanszu konsolidieren. Die Partei hat 400 000 Mit-glieder, sie hat Gliederungen in allen Gebie-ten sowie in den Städten Astana und Alma-ty. Die Partei ist Mitglied der SozialistischenInternationalen. Die Demokratische Partei Kasachstans „AkShol” („Heller Weg“) existiert seit März 2002und wurde am 3. April 2002 registriert. Ent-

sprechend dem neuen Parteiengesetz wurdesie am 12. Dezember 2002 neu registriert. DerParteivorsitzende ist Alichan Baimenow. DiePartei hat 175 862 Mitglieder. Die wichtig-sten Aufgaben sieht „Ak Shol“ in den Refor-men des politischen Systems, der Verwirkli-chung der in der Verfassung verankertenRechte und Freiheiten der Bürger, der Schaf-fung transparenter Mechanismen bei der Bil-dung der Staatsorgane, der Dezentralisierungder Macht, der unbeschränkten Tätigkeit un-

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Die Sozialdemokratische Partei „Auyl” („Dorf”) wurde im Januar 2000 auf einem Gründungskongressaus der Taufe gehoben und hat heute 61 043 Mitglieder

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abhängiger Massenmedien, im effektivenFunktionieren des Staatsdienstes, in einemMehr an Verantwortung und an Selbstän-digkeit der Regierung sowie in der Wählbar-keit der Akime in den Gebieten. Was die Wirt-schaftsreformen betrifft, so will die ParteiWirtschaftswachstum durch mehr Wettbe-werb und langfristige Wirtschaftsstabilitäterreichen. Im gesellschaftlichen Bereich strebtman soziale Sicherheit für Arbeiter, Rentner,Invalide und Kinder, den Zugang zu Wohn-raum für alle sowie den verstärkten Kampfgegen die Kriminalität an. Eingeführt wer-den sollen Geschworenengerichte und dasInstitut des Ombudsmannes. Zudem sollendie Richter aller Ebenen gewählt und die Stel-lung der Anwälte in Gerichtsverfahren ge-stärkt werden.Bei den Wahlen ins Mashilis im Jahre 2004erzielte die Partei 12,04 Prozent der Stim-men und entsandte einen Abgeordneten indie Legislative. Bei den Wahlen am 18. Au-gust 2007 verfehlte sie mit 3,09 Prozent derStimmen die Sieben-Prozent-Hürde. Bei denMaslichatswahlen gewann sie ein Mandat.Die Wahlniederlage spaltete die Partei. Am18. September 2007 fand in Almaty das Ple-num des Zentralkomitees der Partei „Adilet”statt, die sich vor den Wahlen „Ak Shol” an-geschlossen hatte. Erörtert wurden die Er-gebnisse der Mashilis- und der Maslichats-wahlen. Das Plenum beschloss einstimmigdie Einberufung des VI. außerordentlichenParteitages, der dann den Austritt von „Adi-let” aus „Ak Shol” beschloss. Die demokratische Partei „Adilet” wurde am14. Juni 2004 registriert. Der Vorsitzende istMaksut Narikbajew. Die Partei hat 70 000Mitglieder. Sie ist nach dem territorialenPrinzip aufgebaut und hat Gliederungen inallen Gebieten, in Astana und Almaty. Beider Parlamentswahl 2004 erzielte sie 0,76Prozent der Stimmen. Die Ansetzung vonvorgezogenen Wahlen zur Legislative stelltedie Partei vor das Problem, ihre Mitgliederund materielle Ressourcen zu mobilisieren.Am 8. Juli 2007 fusionierte „Adilet” mit „Ak

Shol”, trennte sich nach dem schlechten Ab-schneiden bei den Wahlen aber wieder vondieser. Zu den Zielen der Partei zählen: Auf-bau eines demokratischen und sozialenRechtsstaates, Schaffung eines effektivenund fortschrittlichen Wirtschaftssystems undHerausbildung der Zivilgesellschaft. Die Kommunistische Partei Kasachstans istRechtsnachfolgerin der Kasachischen KP. Siewurde 1991 gegründet und am 27. August1998 registriert. Am 20. März 2003 wurdesie entsprechend dem neuen Parteiengesetzneu registriert. Sie hat 54 246 Mitglieder, ihrVorsitzender ist Serikbolsin Abdildin. Die Partei unterhält Gliederungen in allenGebieten. Mitglieder sind überwiegendKriegsveteranen, Arbeiter und Rentner. Alsihre Hauptziele gelten: Schaffung von Be-dingungen für die Errichtung einer auf Frei-heit, sozialer Gerechtigkeit und den Prinzi-pien des wissenschaftlichen Sozialismus auf-bauenden Gesellschaft sowie der Aufbau ei-ner kommunistischen Gesellschaftsordnung. Bei den Parlamentswahlen 2004 kam die Par-tei, die im Wahlbündnis „Volksoppositions-bündnis der Kommunisten und der Demo-kratischen Wahl Kasachstans” antrat, auf 3,44Prozent der Stimmen und verfehlten damitden Einzug ins Parlament. Die Wahlen imAugust 2007 boykottierte die Partei.Die Sozialdemokratische Partei „Auyl” („Dorf”)wurde im Januar 2000 auf einem Grün-dungskongress aus der Taufe gehoben, am 1.März 2002 als Partei registriert und am 2. April2003 neu registriert. Ihr Vorsitzender ist GaniKalijew. Die Partei hat 61043 Mitglieder undist in allen Gebieten vertreten. Ihre Ziele sindder Ausbau der staatlichen Regulierung unddie Förderung des Agrarsektors, der Schutz derInteressen der Landbevölkerung, die Umset-zung politischer Reformen zur weiteren De-mokratisierung der Gesellschaft, die Realisie-rung von Formen marktwirtschaftlicher Be-ziehungen in allen Wirtschaftszweigen unddie Steigerung des Lebensstandards aller Bür-ger. Die Partei ging bei den Parlamentswah-len 2004 ins Rennen, konnte aber kein Abge-

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ordnetenmandat gewinnen. Bei den Parla-mentswahlen im August 2007 erhielt sie 1,51Prozent der Stimmen und verfehlte damit er-neut den Einzug in die Legislative. Erfolgreichwar die Partei bei den Maslichatswahlen, indie sie 31 Abgeordnete entsendete. Die Partei der Patrioten Kasachstans wur-de am 4. August 2000 registriert und am 21.März 2003 neu registriert. Vorsitzender istGani Kassymow. Die Partei hat 51188 Mit-glieder. Als wichtigste Ziele sieht sie die na-tionale Wiedergeburt Kasachstans, den Auf-bau eines demokratischen Rechtsstaates mitMarktwirtschaft, die Einbindung des aktivenTeils der Gesellschaft in die staatliche Lei-tung und die öffentlichen Aufgaben sowiedie stabile Entwicklung des Landes, die Si-cherung einer hohen Lebensqualität und dieVerbesserung der Gesundheitsfürsorge. Bei den Wahlen 2004 kam sie mit 0,55 Pro-zent der Stimmen nicht ins Parlament. Auchbei den Mashiliswahlen am 18. August 2007scheiterte sie mit 0,78 Prozent an der Ein-zugshürde. An den Maslichatswahlen nahmsie teil und schickt einen Abgeordneten inein Vertretungsorgan. Ende August 2007wurde der Parteivorsitzende Gani Kassymowvom Präsidenten zum Senator berufen.„Ruchanijat” („Vernunft”) wurde am 6. Ok-tober 2003 als Partei registriert. Sie hat72 000 Mitglieder. Die Vorsitzende ist Altyn-schasch Schaganowa. Büros der Partei gibt esin den Gebietszentren sowie in Astana undAlmaty. Der Partei gehören vornehmlich Mit-arbeiter des Bildungswesens, des Gesund-heitswesens, wissenschaftlicher und kultu-reller Einrichtungen sowie Unternehmer undStudierende an. Ihre wichtigsten Ziele sindder Einsatz für den Wirtschaftsaufschwung,die Lösung der sozialen Probleme sowie derAufbau einer moralisch und geistig reichenGesellschaft. Bei den Wahlen 2004 erhielt sie 0,44 Pro-zent der Stimmen. Bei den Wahlen 2007 vo-tierten 0,37 Prozent der Wähler für sie. Die Kommunistische Volkspartei Kasach-stans wurde am 21. Juni 2001 registriert. Zu

diesem Zeitpunkt hatte sie 56 292 Mitglie-der, Parteivorsitzender ist Wladislaw Kossar-jew. Mitglieder sind vorwiegend Arbeiter,Studierende, Intellektuelle, Rentner und Un-ternehmer. Ihre politische Ausrichtung grün-det auf der marxistisch-leninistischen Ideo-logie vor dem Hintergrund der neuen Be-dingungen der gesellschaftlichen Entwick-lung. Bei den Parlamentswahlen 2004 votierten1,98 Prozent der Wähler für die Partei, diedamit nicht ins Parlament einzog. Bei denParlamentswahlen 2007 erreichte die Kom-munistische Volkspartei 1,29 Prozent derStimmen. In die Maslichate entsendet sieneun Abgeordnete. Die Volkspartei „Alga” ist Nachfolgerin derPartei „Demokratische Wahl Kasachstans”,die im Januar 2005 verboten wurde. „Alga”wurde am 23. Juni 2005 gegründet, die Re-gistrierung der 63 000 Mitglieder zählendenPartei wurde aber aufgrund von Unregel-mäßigkeiten in der Mitgliederliste verwei-gert. Im November 2006 reichte man denRegistrierungsantrag erneut ein, doch wur-de über die Registrierung bisher noch nichtentschieden. Die Partei hat Gliederungen imganzen Land, ist aber eher im virtuellen Raumpräsent, denn in der realen Politik. Am 7. Ju-li 2009 wurde W. Koslow zum Vorsitzendender Partei gewählt.

Die MilitärdoktrinPräsident Nasarbajew stellte in seiner Bot-schaft an das Volk Kasachstans vom 1. März2006 die Aufgabe, das Staatswesen, die na-tionale Souveränität und die territoriale In-tegrität auf Basis einer neuen Militärdoktrinzu festigen.Die erste Militärdoktrin war am 11. Februar1993 bestätigt worden. Am 10. Februar 2000wurde die zweite Militärdoktrin angenom-men. Das Ziel, ein festes Fundament für diemilitärische Sicherheit des Staates zu schaf-fen, wurde erfüllt. Jedoch veränderten sichin den vergangenen Jahren die Welt, die Re-gion und Kasachstan. Die militärpolitische

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Lage im geopolitischen Umfeld Kasachstansist nach wie vor kompliziert und schwer vor-hersagbar. Die neue Militärdoktrin, die per Präsidialer-lass am 21. März 2007 bestätigt wurde, siehtdie Schaffung einer Berufsarmee vor, dieKräfte und Mittel schnell mobilisieren kann.Die neue Militärdoktrin Kasachstans verall-gemeinert die Entwicklungstendenzen in denStreitkräften der führenden Staaten der Welt

und die Erfahrungen des eigenen militäri-schen Aufbaus. Die Doktrin basiert auf derStrategie der nationalen Sicherheit sowieden Direktiven des Präsidenten, der ObersterBefehlshaber der Streitkräfte ist. Ihre recht-lichen Grundlagen bilden Verfassung, Ge-setze, Erlasse des Staatsoberhaupts sowie in-ternationale Verträge zur militärischen Si-cherheit.Ausgehend vom friedlichen Kurs des Landeshat die Doktrin wie die vorherigen einen reindefensiven Charakter. Sie regelt die militäri-schen Aspekte der innerstaatlichen und in-ternationalen Beziehungen Kasachstans im

Bereich der globalen, regionalen und natio-nalen Sicherheit. In den letzten Jahren hat sich die militäri-sche Geografie Kasachstans grundlegend ver-ändert. Die Landtruppen wurden in dieselbständigen Regionalkommandos „Osten”,„Süden”, „Westen” und „Astana” umstruktu-riert. Um Manövrierfähigkeit und Beweg-lichkeit der Truppen zu steigern, wurden neueWaffengattungen gebildet – die Raketen-

truppen, die Artillerie und die Kraftfahr-zeugtruppen. Die militärische Infrastrukturwird weiter ausgebaut, um die Kampfbe-reitschaft der Luftwaffe und der Luftab-wehrtruppen im Westen des Landes zu ge-währleisten. Die Seestreitkräfte wurden erstvor kurzem gebildet. Vor dem Hintergrunddes internationalen Terrorismus, der Unsi-cherheit der Grenzen und der Erdöl- und Erd-gasförderung im Kaspischen Meer wurde die-ser Aspekt der Verteidigung überprüft. DieUnantastbarkeit der Grenzen am KaspischenMeer gewährleistet die Seegrenzdivision, diemit Patrouillenbooten und neuerdings auch

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Die neue Militärdoktrin Kasachstans verallgemeinert die Entwicklungstendenzen in den Streitkräftender führenden Staaten der Welt und die Erfahrungen des eigenen militärischen Aufbaus

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mit Küstenschutzschiffen, die dem Regio-nalkommando „Westen” unterstellt sind, aus-gerüstet sind. Das Konzept zur Entwicklungder Seestreitkräfte wurde im Jahre 2004 aus-gearbeitet. Seit 2005 sind die Seestreitkräf-te eine vollwertige Militärstruktur. Zum Be-stand der Kriegsmarine gehören Seeinfan-terie, Küstenartillerie und Kriegsflottillen.Die Personalstärke der kasachstanischenStreitkräfte beträgt rund 74 000 Mann.Das Netz der Militärlehranstalten wurde aus-gebaut. In den ersten Jahren der Unabhän-gigkeit gab es lediglich die allgemeine Trup-penschule und die Schule der Grenztruppenin Almaty. Heute werden die Offiziere dar-über hinaus in Aktau, Aktöbe, Kokschetauund Petropawl ausgebildet. In Schtschu-tschinsk ist die führende Militärhochschuleangesiedelt – die Nationale Universität fürVerteidigung. Die Ausbildung der Offizierefür Führungsaufgaben erfolgt in den Streit-kräften und in der staatlichen Verwaltung.Zudem ist in Schtschutschinsk das Kadet-tenkorps ansässig, in dem Offiziersanwärtergeschult werden.Die strategische Führung der Streitkräfte un-tersteht dem Komitee der Stabschefs. Ihmobliegt es, die Tätigkeit der Staatsorgane imInteresse der militärischen Sicherheit zu ko-ordinieren. Die Finanzierung der Streitkräf-te in Höhe von mindestens einem Prozentdes Bruttoinlandsproduktes sichert nicht nurden laufenden Unterhalt, sondern auch denAusbau der Armee. Gewährleistet ist auchder soziale Schutz der Armeeangehörigenund ihrer Familien.Die Militärdoktrin enthält den Grundsatz, zi-vile und militärische Maßnahmen zur mi-litärischen Sicherheit des Staates miteinan-der zu verbinden. Im Vordergrund der ka-sachstanischen Politik stehen politisch-di-plomatische, rechtliche, wirtschaftliche, hu-manitäre, informationspolitische und pro-pagandistische Maßnahmen. Doch bleibt diemilitärische Komponente nach wie vor einwichtiges Instrument, um die nationale Si-cherheit zu gewährleisten.

In der Militärdoktrin wird die Frage der mi-litärischen Zusammenarbeit eingehend be-handelt. Kasachstan festigt die Zusammen-arbeit mit den Teilnehmerstaaten der Orga-nisation des Vertrages über kollektive Si-cherheit. Gleichzeitig arbeitet das Land inmilitärstrategischer Hinsicht eng mit derShanghai Organisation für Zusammenarbeitzusammen. Weitere wichtige Aspekte sinddie Kooperation mit der NATO und die Teil-nahme Kasachstans an Friedenseinsätzen.Zu letzterem Zweck wurden die Kasachsta-nische Brigade (KasBrig) und das Kasachsta-nische Bataillon (KasBat) gebildet. Beteili-gung und Funktion beider Gliederungen inFriedenseinsätzen wurden wie folgt definiert:Trennung der Konfliktseiten, Blockade vonKonfliktgebieten, Minenbeseitigung, Beglei-tung von Militäroperationen und Unter-stützung der Zivilbevölkerung.KasBrig stellt heute die Elite der Streitkräf-te dar. Die Brigade ist nach NATO-Standardsausgerüstet, die Ingenieur- und Pionier-truppen sowie die Sanitätstruppen der Bri-gade wurden verstärkt. Geschaffen wurdeein Stab in der Brigade, der sich unmittel-bar mit Friedenseinsätzen und der Zusam-menarbeit mit anderen Staaten befasst. KasBat besteht vollständig aus Zeitsoldaten,die Ausrüstung entspricht modernsten An-forderungen. Es zählt zum Bestand der Blau-helme der Vereinten Nationen. Im Irak hatder Ingenieur- und Pioniertruppenteil mehrals vier Millionen Sprengkörper geräumt. 240irakische Spezialisten wurden von KasBatausgebildet, und zusammen mit polnischenFachleuten wurde der Zivilbevölkerung me-dizinische Hilfe erwiesen.Kasachstan ist an der kontinuierlichen Ent-wicklung Afghanistans interessiert, von des-sen Territorium die Bedrohungen des inter-nationalen Terrorismus, des Drogenhandelsund des religiösen Extremismus ausgehen.Von der Normalisierung in Afghanistan hängtdie Sicherheit Zentralasiens ab. Kasachstanleistet Afghanistan vor allem zivile Hilfe. Um-gesetzt wird der Maßnahmenplan bis 2011.

Staatsaufbau und Parteien

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Die Gebiete undihr Potenzial

Die territoriale Einheit eines Staates sowiedie politische, wirtschaftliche und gesell-schaftliche Stabilität werden durch ein funk-tionierendes System der Wechselbeziehun-gen zwischen allen Regionen gewährleistet.Die Frage der regionalen Verwaltung ist alsoeine der wichtigsten Aufgaben der Politik. Die von der Sowjetunion geerbte territori-al-administrative Gliederung war in ersterLinie den Bedürfnissen einer einheitlichenVolkswirtschaft geschuldet. Nach Erlangung

der Unabhängigkeit mussten die Rechts-grundlagen des territorial-administrativenSystems neu festgelegt werden. Grundle-gendes Dokument war das Gesetz „Über denterritorial-administrativen Aufbau der Re-publik Kasachstan“ vom 8. Dezember 1993.Einfluss auf die Herausbildung des neuenterritorial-administrativen Modells hatte dieVerfassung von 1995. Entsprechend der Verfassung sind die örtli-chen Exekutivorgane – die Akimate – Teil deseinheitlichen Systems der Exekutive. Die ört-lichen Exekutivorgane sichern die Durch-

führung der gesamtstaatlichen Politik ent-sprechend der Interessen und Entwicklungs-bedürfnisse der jeweiligen Region. An ihrerSpitze steht der Akim, der der Vertreter desPräsidenten und der Regierung im Gebiet ist.Die Organe der Vertretungsmacht sind dieMaslichate. Sie kontrollieren die örtliche Exe-kutive und bringen den Willen der Bevölke-rung zum Ausdruck.1997 wurde eine territorial-administrativeReform durchgeführt. Heute ist Kasachstanadministrativ in vierzehn Gebiete und zweiStädte republikanischer Bedeutung gegliedert. Die Stadt Baikonur hat einen Sonderstatusund steht entsprechend dem Vertrag vom 25.März 1994 unter der gemeinsamen Verwal-tung Kasachstans und Russlands.

Gebiet AkmolaDas Gebiet Akmola erstreckt sich über146 200 Quadratkilometer und zählt 738 010Einwohner, davon leben 333 464 Menschenin Städten und 404 546 Menschen auf demLand. Das Verwaltungszentrum ist die 1824gegründete Stadt Kokschetau. Astana, dieHauptstadt Kasachstans, liegt im Gebiet, istdiesem aber administrativ nicht unterstellt. Das Gebiet weist ein abwechslungsreichesLandschaftsrelief auf: Steppen, Hügelland-schaften, Ebenen, bewaldete Bergzüge. DiePflanzenwelt ist mit Steppenkräutern und in

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Das Gebiet Akmola ist eine wichtige Agrarregion. Die Landwirtschaftsfläche beträgt 13,23 Millionen Hektar

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den Bergen mit Kiefern- und Birkenwäldernvertreten. Es gibt 55 Arten Säugetiere, 180Vogelarten und dreißig Fischarten. DemSchutz der Tier- und Pflanzenwelt dienendie staatlichen Nationalen Naturparks „Kok-schetau” und „Burabai” sowie das staatlicheVogelschutzgebiet „Korgalshyn”. In den Tier-schutzgebieten „Altbasar”, „Jerejmentau”,„Bulandy” und „Wostotschny” ist man umden Erhalt seltener und vom Aussterben be-drohter Tierarten bemüht. Das Gebiet ist einSeengebiet: große Süßwasserseen sind derKorgalshyn, der Koschaköl, der Itemgen undder Maibalyk. Wichtige Salzwasserseen sindder Tenis, der Burabai und der Zerendy. Vie-le Flüsse durchziehen das Gebiet, darunterder Ischim und der Tschaglinka. Das Gebiet Akmola ist eine wichtige Agrar-region. Die Landwirtschaftsfläche beträgt13,23 Millionen Hektar, davon sind knappfünf Millionen Hektar Ackerland. Die Saat-flächen machen 4,3 Millionen Hektar aus,davon wird auf 3,87 Millionen Hektar Wei-zen angebaut. Von hier kommen durch-schnittlich vier Millionen Tonnen Weizen proJahr. Die Viehwirtschaft hat einen Anteil voneinem Drittel an der gesamten Agrarpro-duktion. Es gibt ein gut entwickeltes Netzlandwirtschaftlicher Verarbeitungsbetriebe,darunter Molkereien, Fleischkombinate undMühlen. Das Gebiet ist reich an Ressourcen, darun-ter Gold, Silber, Uran, Molybdän, Industrie-diamanten, Kaolin und Muskovit (Hellglim-mer) sowie Eisenerz, Steinkohle, Dolomit, Mi-neralwässer und Heilschlamm. Das Industriepotenzial des Gebiets ist be-deutsam. Neben der Lebensmittelindustriesind vor allem die Bergbauindustrie, der Ma-schinenbau und die Buntmetallurgie ent-wickelt. Auf- und ausgebaut werden die Mo-lybdänproduktion, die chemische Industrieund die Baustoffindustrie. Führende Unter-nehmen sind unter anderem „KamAZ-En-gineering”, „Tynys”, das Stepnogorsker La-gerwerk, „Baiterek-A” , das StepnogorskerBergbau- und Chemiekombinat, „Kasachal-

tyn” und „Wasilkowy GOK” (Gold) sowie dasEisenerzkombinat „Orken-Atansor”. Der Tourismus hat gute Perspektiven. Die Er-holungs- und Kurgebiete liegen geografischgünstig unweit dicht besiedelter Industrie-regionen. Zu den hervorragenden Kurgebie-ten zählen „Burabai” sowie die Seen Katar-köl und Maibalyk. Die Berge und Schluch-ten, die Wasserfälle und Sandstrände lockenjährlich Zehntausende Erholungssuchendeins Gebiet. Viele archäologische und histo-rische Denkmäler wollen erkundet werden.

Gebiet AktöbeDas Gebiet Aktöbe ist 300 600 Quadratkilo-meter groß. Es zählt 718 870 Bewohner, da-von leben 391 329 in Städten und 327 541auf dem Land. Das Verwaltungszentrum desGebiets ist die Stadt Aktöbe.Den größten Teil des Gebiets nimmt eine vonFlüssen durchzogene Ebene ein, im mittle-ren Teil dehnen sich die Mugadscharbergeaus. Der höchste Berg ist mit 657 Metern derGroße Baktybai. Den westlichen Teil des Ge-biets nimmt das Poduralski-Plateau ein, dasim Südwesten ins Vorkaspische Tiefland über-geht; im Südosten gibt es Sandmassive – dieAral-Karakum und der Große und der KleineDachse. Im Nordosten beginnt das schluch-tenreiche Turgai-Plateau. Die größten Flüsse sind die Emba und dieNebenflüsse des Ural – Or und Ilek – sowie Ir-gis, Uil, Turgai und Sagis. Viele Flüsse sindwasserarm und trocknen im Sommer aus. Esgibt mehr als 150 Seen, die in der Regel kleinbis mittelgroß und salzig sind. Für die Was-serversorgung des Gebiets werden unterir-dische Süßwasservorkommen genutzt. Der nordwestliche Teil des Gebiets ist mit Fe-dergras und Wermut bedeckt, in den Auengibt es Wiesenvegetation, Pappel-, Espen-und Birkenhaine sowie Strauchwerk. Das Ge-biet weist große Nagetierpopulationen auf(Steppenlemminge, Ziesel und Springmäu-se). Zu den Raubtieren zählen Wölfe undSteppenfüchse. Hier leben Saiga und persi-sche Gazellen.

Die Gebiete und ihr Potenzial

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Petropawl

KostanaiKokschetau

Astana

Karagandy

Pawlodar

Öskemen

Taldykorgan

GebietShambyl

Gebiet Almaty

Gebiet Ostkasachstan

GebietPawlodarGebiet

Akmola

Gebiet Karagandy

Gebiet Nordkasachstan

GebietKostanai

Gebiet Aktöbe

Gebiet Kysylorda

Gebiet Südkasachstan

Gebiet Atyrau

GebietWestkasachstan

GebietMangystau Almaty

Taras

Schymkent

Kysylorda

Aktöbe

Aktau

Oral

Atyrau

Petropawl

Kostanai Kokschetau

Astana

Karagandy

Pawlodar

Öskemen

Semey

Arkalyk

Zheskazghan

Taldykorgan

Almaty

Taras

Schymkent

Kysylorda

Aktöbe

Aktau

Oral

Atyrau

Verwaltungs- und GebietsaufbauFläche: 2 724 900 Quadratkilometer; das flächenmäßig größte Gebietist Karagandy mit 428 000 Quadratkilometern.Einwohnerzahl (Stand: 1. August 2010): 16 170 398 MenschenSiedlungsdichte: 5,9 Einwohner je Quadratkilometer Unter den Gebieten weist Südkasachstan mit 20,7 Einwohnern je Quadratkilometer die höchste Bevölkerungsdichte auf.Verwaltungseinheiten (Stand: 1. Januar 2010): 14 Gebiete und 2 Städ-te republikanischer Bedeutung – Astana und Almaty Insgesamt gibt es 86 Städte, 175 Kreise, 35 Siedlungen städtischenTyps und 7 031 Aule

Russische Föderation

Kyrgysstan

Usbekistan

Turkmenistan

Iran

VR China

Kasachstan

Tadschikistan

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Gefördert beziehungsweise abgebaut wer-den Chromerze, Nickel- und Kobaltminera-lien, Phosphor, Erdöl und Gas, Eisenkies,Buntmetalle, Kaliumsalze, Kohle und Alumi-niumerze.Der größte Betrieb im Gebiet ist das „Berg-bau- und Aufbereitungskombinat Don”. DieRohstoffbasis des Kombinats sind die mehrals 300 Millionen Tonnen erkundeten undetwa 800 Millionen Tonnen prognostizier-ten Vorräte an Chromerz. Zur Verarbeitungvon Erzen niedriger Klasse wurde eine aufinnovativen Technologien beruhende Pro-duktion in Betrieb genommen. Führend inder Verarbeitungsindustrie ist das „Eisenle-gierungswerk Aktöbe”, das zu „TNK Kas-Chrom” gehört. Mehr als ein Viertel aller inKasachstan produzierten Eisenlegierungen –rund 400 000 Tonnen – kommen von hier.Die Chemieindustrie produziert Chromsalze,Chromoxide und Chromanhydrid. Die Ölin-dustrie entwickelt sich. „AktöbeMunaiGas"fördert in den Vorkommen Shanashol undKenkijak. Einen bedeutenden Anteil an derIndustrie hat die Baustoffindustrie, die Bau-materialien für das ganze Land liefert. Aus-gebaut werden der Maschinenbau sowie dieNahrungsmittel- und die Textilindustrie. Sta-bil entwickelt sich der Agrarindustriekomplex.Im Gebiet Aktöbe liegt das 348 000 Hektargroße Schutzgebiet Turgai. Es steht auf derListe der international bedeutsamen Was-ser- und Sumpfgebiete. Die Seen und anlie-genden Sumpfgebiete haben eine Fläche von40 000 Hektar. Die Bedeutung des Schutz-gebiets erklärt sich durch seine Lage auf ei-ner der wichtigsten Zugvogelrouten.Im Schutzgebiet leben 29 Arten von Säuge-tieren, elf Fischarten und 170 Vogelarten,von denen dreißig in die Rote Liste Kasach-stans eingetragen sind. Die riesigen Schilf-rohrfelder bieten Wildschweinen Schutz, inden Seen tummeln sich Bisamratten. Aberbesonders zahlreich sind Wasservögel. ImHerbst und Frühjahr sind die Seen mit einemdichten Schleier von Vogelschwärmen be-deckt. Hier nisten Graugänse, fast alle En-

tenarten, Blesshühner, Reiher, Kormoraneund Strandläufer. Von den in die Rote Listeeingetragenen Arten nisten hier Singschwan,weißer Löffler, Sichelreiher, krauser Pelikan,schwarzer Rjabok, Jungfernkranich, Step-penadler, gemeiner Seeadler, Fischadler undRuderente. Anzutreffen sind auch Zwerg-schwäne, Flamingos, Rothalsgänse, Trappen,Falken und seltene Mönchskraniche. Die Ge-wässer sind für die Fischerei von großer Be-deutung. Der gewerbliche Fischfang ist inder Nestbau- und Brutperiode vom 15. Aprilbis 1. September strikt verboten.

Gebiet AlmatyDas Gebiet Almaty erstreckt sich auf 223 900Quadratkilometern. Es zählt 1 692 951 Be-wohner, davon sind 404 617 Städter und1 288 334 Landbewohner. Das Gebiet wirdauch Shetyssu („Siebenstromland”) genannt.Die sieben Flüsse münden in den Balchasch.Die Grenze zum Gebiet Ostkasachstan be-steht faktisch aus einer Seenkette: der Süß-und Salzwassersee Balchasch, die Salzwas-serseen Alaköl und Schalanaschköl sowie dieSüßwasserseen Sassykköl und Ujaly. Der nörd-liche Teil des Gebiets fällt zum Balchasch ab.Die Ebene wird vom Sand der Wüsten Tau-kum und Moiynkum bedeckt. Im Ili-Deltadehnt sich die Ebene Bakanas mit ihren al-ten ausgetrockneten Flussbetten aus. Im Süd-osten bilden die riesigen Gebirgsrücken desnördlichen und zentralen Tienschan einenatürliche Grenze zu China und Kyrgysstan. Die Natur des Siebenstromlandes ist eine be-sondere. Im Laufe eines Tages kann manpraktisch alle geografischen Zonen durch-queren – von der Wüste bis in die Zone desewigen Eises. Im Vorgebirge und an den Berg-hängen wachsen vielfältige Pflanzen, Kräu-ter und Bäume, dort leben Hunderte Tierar-ten, darunter der Schneeleopard. In der unteren Gebirgszone (unter 600 Me-ter) erfreuen grüne Laubwälder den Reisen-den, in den Auen gibt es Obstgärten (vor al-lem Äpfel), Espenwälder und Hagedornge-büsch. Die Fauna ist vielfältig. Hier trifft man

Die Gebiete und ihr Potenzial

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auf Hasen, Eichhörnchen, Hamster, Dachseund Braunbären. Im Hochgebirge leben Ge-birgsziegen, Pamirschafe und graue Step-peneichhörnchen. In den Wäldern gibt esviele Vögel: Seidenschwänze, Eulen, Berg-dohlen, Rebhühner und Fasane. Den Bal-chasch besucht man am besten Mitte Mai.dann ist die Steppe mit einem „roten Mohn-blumenteppich” bedeckt. Das Gebiet ist reich an Gold, Silber, Nichtei-senmetallen und Seltenen Erden, Porzellan-stein, Ton, Baustein, Ziegelsteinrohstoff,Sand- und Kiesmaterialien, Kalkstein, Ver-blendstein, Marmor, Granit und Kohle.Die Landwirtschaft gründet auf bewässer-tem Ackerbau und großen Weideflächen.Produziert wird Tabak, gekeltert wird Wein,gezogen wird Gemüse. Zuckerraffinerien,Konditoreifabriken und die Textilindustriebeliefern den inländischen Markt. Das Ge-biet erzeugt 59 Prozent des Zuckers, 76 Pro-zent des Weins, 51 Prozent der Gemüsekon-serven, 96 Prozent des Tabaks des Landes. Esist der einzige Produzent von Elektroakkus,Malz und Stärke in der Republik.Erfolgreich arbeiten der Maschinenbaube-trieb und das Werk für Schwermaschinen-bau Almaty, die Werkbänke herstellen. In denWerken AZTM und „Montageengineering”werden Ausrüstungen für die Gas- und Ölin-dustrie sowie den Bergbau- und Energiesek-tor hergestellt. Im Werk „Alkor” werden Er-satzteile für Gas- und Ölausrüstungen pro-duziert. Wichtige Unternehmen sind „Ka-sachstantraktor” und „Agrotech”, die Moto-ren und Ersatzteile für Autos und Landwirt-schaftsmaschinen sowie Ausrüstungen fürweitere Industriezweige produzieren. Daseinzige Unternehmen zur Produktion vonEntsalzungsanlagen in der GUS ist das „Elek-tromechanische Werk Almaty”. Erfolgreichentwickeln sich die Möbel-, die Druck- unddie Pharmaindustrie. Für Touristen interessante Orte sind dieTscharyn-Schlucht, Eschenhaine aus der Re-liktzeit, die Fichtenwälder in Tschinturgen,mannigfaltige Kurgane (Hügelgräber), dar-

unter in Issyk. Nicht weniger interessant sindTamgaly mit seinen 1 500 Petroglyphen, der„Singende Barchan”, die Mondlandschaftendes Alatau, die Nekropole Bes-Schatyr unddie Moschee von Sharkent. Als Perlen gel-ten die Bergflüsse im Sailiiski und Dshun-garski Alatau, der Balchasch und der Alakölsowie die klaren Bergseen Großalmaty undKolsai. Der Öko- und der kulturethnologi-sche Tourismus haben Zukunft. Über das Ter-ritorium des Gebiets verlief der so genann-te Steppenweg der Skythen, der einen ein-zigartigen Komplex von Denkmälern der Ge-schichte, der Archäologie, der Architektur,des Städtebaus und der monumentalen Kunstdarstellt und die gegenseitige Durchdrin-gung von Nomaden- und Ackerbaukulturenwiderspiegelt. Im 6. und 7. Jahrhundert wares ein belebter Handelsweg, der von Chinaüber Shetyssu und Südkasachstan RichtungWesten führte. Stürmisch entwickeln sich Tourismusartenwie Trekking, Wandern, Heliskiing, Raftingund Bergsteigen. Aber angeboten werdenauch Sanatorien- und Kuraufenthalte sowieFerien in Jurten und Zelten. Und die Bade-urlauber erholen sich an den vulkanischenKiesstränden des Alaköl, an den Sanduferndes Balchasch oder des Stausees Kaptscha-gai.

Gebiet AtyrauDas Gebiet Atyrau (früher Gebiet Gurjew) ist118 600 Quadratkilometer groß und zählt513 363 Einwohner. 251 891 Menschen le-ben in Städten und 261 472 Menschen aufdem Land. Verwaltungszentrum ist die StadtAtyrau. Sie wurde 1640 von russischen Kauf-leuten, den Gebrüdern Gurjew, gegründet.Atyrau ist das größte Zentrum der Erdgas-und Erdölindustrie Kasachstans. Geografisch liegt das Gebiet im Vorkaspi-schen Tiefland am Kaspischen Meer, zwischendem Mündungsgebiet der Wolga im Nord-westen und dem Ustjurt-Plateau im Süden.Der größte Teil des Gebiets ist eine Ebene,die im Norden durch die Inderskyberge be-

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grenzt wird. Das Kaspische Meer ist hier we-niger als fünfzig Meter tief. Die Uferlinie istwenig ausgeprägt, es gibt kleine Sandneh-rungen und Inseln in Ufernähe. Im Nordenzieht sich entlang der Küste ein schmalesSumpfgebiet mit Schilfrohrdickicht. In denMündungsgebieten des Ural und der Embafinden sich Tugai-Wälder.

Im Gebiet berühren sich unterschiedlicheNaturzonen: die Wolga und der Ural mit üp-piger Marschvegetation, das undurchdring-liche Röhricht der Zuflüsse zum KaspischenMeer. Daneben erstrecken sich weite Wüsten,in denen große Barchanmassive (Sicheldü-nen) mit riesigen Weideflächen wechseln. Reich ist die Tierwelt. Man zählt 39 ArtenSäugetiere. Neben den verbreiteten Nage-tieren gibt es viele Raubtiere, darunter Wolf,Steppenfuchs, Wildkatze und Mauswiesel,sowie Huftiere wie die persische Gazelle unddie Saiga. Es gibt Ottern, Rattenschlangen,Nattern, Eidechsen und Lurche. Wir zählen53 Arten von Meeresfischen und 42 Fluss-fischarten, zudem Wander- und Halbwan-derfischarten. Kaspische Fische sind Stör,

Scherg, Lachs und Weißlachs. In den Flüssengibt es Wels, Karpfen, Hecht und Zander. Ausdem Fernen Osten sind der weiße Karpfenund der weiße Amur „eingewandert.Der kaspische Seehund lebt seit Urzeiten imKaspischen Meer und hat sich den örtlichenBedingungen hervorragend angepasst. ImFrühling wandern die Seehunde nach Süden

und bleiben den Sommer in tieferen und käl-teren Gewässern des Kaspischen Meeres. Oftbilden sie im Winter große Kolonien beste-hend aus Zehntausenden Tieren.Besonders reich ist das Gebiet an Vögeln –230 Arten gibt es, darunter seltene und vomAussterben bedrohte. Die Grundlage für die Wirtschaft des Gebietsbildet die Förderung von Erdöl und Erdgas.Insgesamt wurden 87 Vorkommen erkundet,darunter 66 Erdölvorkommen und 21 Gas-lagerstätten. Investoren in der Erdölförde-rung sind „TengisChevroil” und „Agip KCO”.Letztere fördert auf dem Kaspischen Schelf.Das Gebiet Atyrau pflegt Wirtschaftsbezie-hungen mit mehr als fünfzig Ländern, es gibt55 Betriebe mit ausländischem Kapital. Ne-

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Die Grundlage für die Wirtschaft des Gebiets Atyrau bildet die Förderung von Erdöl und Erdgas

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ben „TengisChevroil” sind die größten Un-ternehmen „KasachOilEmba” und die Erdöl-raffinerie Atyrau. Ansässig sind weitere mitder Erdölförderung verbundene Betriebe. Esgibt Ausbildungs- und Forschungsinstitutefür die Ölindustrie. Nach Prognosen wird dieErdölförderung im Jahre 2030 ein Volumenvon bis zu 75 Tonnen pro Jahr erreichen. ZurGewährleistung einer solchen Fördermengemüssen rund 130 Milliarden Dollar investiertwerden. Die Vorräte werden auf fünfzehnMilliarden Tonnen Erdöl und 4,3 TrillionenKubikmeter Gas geschätzt.Das Gebiet verfügt über einzigartige Vor-kommen von verschiedenen Mineralien undBaustoffen, darunter Bor, Magnesium, Kali-salze, Kalzium- und Bromverbindungen so-wie Ton und Kalkstein. Neben der Erdölför-derung und der Erdölchemieindustrie hat dieFischwirtschaft wichtige Bedeutung für dasGebiet. Der schwarze Kaviar von „Atyrau-Balyk” wird in viele Länder exportiert. Ent-wickelt ist der Melonenanbau.

Gebiet KaragandyDas Gebiet Karagandy erstreckt sich auf428 000 Quadratkilometern. Hier leben1 352 037 Menschen, davon 1060 334 in denStädten und 291 703 auf dem Land. Das Ver-waltungszentrum ist die Stadt Karagandy.Das Gebiet umfasst den höchsten Teil derSaryarka. Im Osten liegt das Alatau, im Nord-osten das Karkaralinsker Gebirge, im Westendie Ulytau-Berge. Die Südgrenze ist durchdie Lehmwüste Betpakdala und die sandigeTuranebene markiert, die hier Voraraler Ka-rakum heißt. Im Südosten bildet der Bal-chasch eine natürliche Grenze. Man zählt imGebiet Karagandy etwa 200 Flüsse. Zu dengroßen gehören Sarysu und Nura. Das Gebiet ist reich an Gold, Molybdän, Zink,Blei, Mangan und Wolfram. Hinzu kommendie riesigen Vorräte der Kohlenbecken vonKaragandy, auch Eisen- und Polymetallerzewerden abgebaut. Es gibt zudem Vorkom-men von Asbest, optischem Quarz, Marmor,Granit, Edel- und Halbedelsteinen, Kupfer,

Erdöl und Gas. Das Kohlenbecken Karagan-dy ist der Hauptlieferant von Koks für diegroßen Metallurgiebetriebe Kasachstans. DieFläche des Beckens beträgt 3 600 Quadrat-kilometer. Im Kohlerevier sind acht Berg-werke in Betrieb, die von „Arcelor Mittal Te-mirtau” betrieben werden. Abgebaut wirdKohle zudem in Schubarkol. Erkundet sinddie Vorkommen Shalyn und Kijakty. Neben Kohle besitzt die Region bedeutendeunterirdische Wasserressourcen hoher Qua-lität. Es gibt feuerfesten Ton, Baustein, Gips,Sand und Kalkstein. Die größten Kupfererzlager liegen bei Shes-kasghan. Nach Schätzungen belaufen sichdie Vorräte auf zwei Milliarden Tonnen. „Ka-sachmys” betreibt neunzehn Tagebaue undBergwerke sowie zwei Metallurgie- und Ver-arbeitungskombinate. In den 30er und 40er Jahren des 20. Jahr-hunderts war Karagandy ein Verbannungsort.Hierher wurden ganze Völker zugesiedelt:die Wolgadeutschen, die Koreaner aus demFernen Osten, die Tschetschenen aus demKaukasus und die Westukrainer. Das be-kannteste Internierungslager der Stalinzeitwar KarLag, das heute besucht werden kann.Das Gebiet ist ein Naturphänomen. Es gibtSteppen, Wüsten und Bergseen. NiedrigesStrauchwerk wächst in der Nachbarschaftvon Kiefernwäldern und Birkenhainen. Hierleben erstaunliche Vertreter der Fauna: wil-de Ziegenböcke, persische Gazellen, Stein-adler und Tatarfalken. Über das Gebiet ver-laufen zwei Wanderungswege der Steppen-antilopen und der Saiga. Jeden Frühling kom-men an die Küsten der Seen die Vogelzügeaus Indien, Afrika, dem Mittelmeerraum undMittelasien. Legenden gibt es über die hierlebenden Raubtiere, vor allem den Wolf. Karagandy rühmt sich auch eines der male-rischsten Seen Kasachstans: der Balchaschist über 22 Meter tief und 22 000 Quadrat-kilometer groß. Im Westteil ist das Wassersüß, im Ostteil salzig. Weiße Schwäne sindSymbol des Balchasch. Es gibt viele Pelika-ne. Der Balchasch ist auch Heimat von Kor-

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moranen, Krickenten, Fasanen, Steinadlern,Silberreihern und Bisamratten. Im Osten Karagandys liegt Karkaralinsk, einePerle der Saryarka. Die Schönheit der Kar-karalinsker Berge und Wälder sowie der wun-derbaren Flora der Täler bleibt für immer imGedächtnis.

Gebiet KostanaiDas Gebiet Kostanai ist 196 000 Quadratkilo-meter groß und zählt 886 284 Einwohner. InStädten leben 436 727 Menschen, auf demLand 449 557 Einwohner. Das Verwaltungs-zentrum ist die Stadt Kostanai.Das Territorium zeichnet sich durch sein ver-hältnismäßig flaches Relief aus. Den Nordteilnimmt der südöstliche Rand der Westsibiri-schen Tiefebene ein, südlich davon liegt dasTurgai-Plateau. Im Westen dehnt sich wel-lenartig die Ebene des Zaural-Plateaus, undim Südwesten dringen die Ausläufer derSaryarka in das Gebiet vor. Das Gebiet Kostanai verfügt über reiche Bo-denschätze: Eisenerze, Bauxit, Braunkohle, As-best, feuerfester und Ziegelton, Zement-kalkstein, Quarzsand und Baustein. Die Vorrä-te an Magnetit- und Brauneisenerzen belau-fen sich auf 15,7 Milliarden Tonnen. Es sindetwa 400 unterschiedliche Vorkommen er-kundet, darunter 68 unterirdische Gewässer;zudem neunzehn Bauxitvorkommen, siebenGoldlager und je ein Silber- und Nickelvor-kommen. Im Gebiet zählt man etwa 300 kleine Flüsse.Die größten sind der Tobol mit seinen Ne-benflüssen und der Turgai. Am Tobol liegendie Stauseen Obertobolsk, Karatamar undAmangeldin. Im Gebiet gibt es über 5000 Seen. Die Landwirtschaft ist auf Getreideanbau undViehwirtschaft ausgerichtet. Die Fläche desKulturlandes beläuft sich auf über achtzehnMillionen Hektar. 5,6 Millionen Hektar davonsind Ackerland und 12,7 Millionen HektarWeiden. Kostanai liefert rund 22 Prozent deskasachstanischen Getreides. Die Industrie hat einen Anteil von 39 Prozentam Bruttoregionalprodukt. Die größten Be-

triebe sind das „Sokolowsk-Sarbaisker Auf-bereitungskombinat”, das auf Basis der Vor-kommen Sarbaisk und Sokolowsk gegründetwurde. Später kamen die Katscharsker unddie Kurshunkuler Gruben sowie das BergwerkSokolowsk hinzu. 2006 wurde das KombinatTeil der Holding „Eurasian Natural ResourcesCorporation” (ENRC). Einer der wichtigstenPartner von ENRC ist das Metallurgiekombi-nat Magnitogorsk. Weitere Großbetriebe sind„Kostanaiasbest” und „Aluminium Kasach-stan”. Entwickelt sind die Verarbeitungs- unddie Leichtindustrie.Das Gebiet ist reich an kulturhistorischen undNaturobjekten. Auf seinem Territorium liegtdas 87000 Hektar große staatliche Natur-schutzgebiet „Naursum”, dessen Territoriumaus drei „Revieren” besteht. Da ist einmal dasRevier „Naursum”, das Süß- und Salzwasser-seen sowie die einzigartige Naursumer Kie-fernheide, den Steppenfluss Akkansai und un-terschiedliche Steppentypen einschließt. ImRevier „Sypsyn” gibt es kleine Laubwälder,Wiesen, Federgrassteppen sowie kleine ver-sumpfte Seen im Hochwasserbett des Naur-sumkarasu. Das Revier „Tersek” erfreut mit ei-ner wunderbaren Kiefernheide und Feder-grassteppen in den Auen des Dana-Bike. DieKiefernwälder sind Reliktwälder, die in bei-nahe unveränderter Weise seit Urzeiten be-stehen. Die Fauna des Naturschutzgebiets istmannigfaltig und bis heute nicht umfassenderforscht. In den Steppen nisten Feldlerche,Weißflügellerche, Schwarzlerche und Zwerg-trappe. In den Waldgebieten fühlen sich Birk-hahn, Specht, Pirol und Ringeltaube wohl.Verbreitet sind Raubvögel, darunter Steinad-ler, Falke, gemeiner Seeadler und Milan. Von den Tierarten sind Elche, Rehe, Wild-schweine und Murmeltiere zu nennen. Zu denRaubtieren zählen Wölfe, Füchse, Steppen-füchse, Luchse, Steppeniltisse, Hermeline undWiesel; in der Nähe der Seen gibt es zahlrei-che Dachse. Verzeichnet sind mehr als zehnunterschiedliche Fischarten, besonders ver-breitet sind Karausche, Schleie, Barsch, Hechtund Plötze.

Die Gebiete und ihr Potenzial

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Das Gebiet eignet sich hervorragend für Jagdund Fischfang, für Wanderungen und erhol-same Aufenthalte in der Natur.

Gebiet KysylordaDas Gebiet Kysylorda ist 226 000 Quadrat-kilometer groß, hier leben 689749 Menschen,davon 270 435 in den Städten und 419 314auf dem Land. Das Verwaltungszentrum istKysylorda. Im Gebiet liegt die Stadt Baikonur,die einen Sonderstatus hat.

Das Gebiet liegt östlich vom Aralsee am Un-terlauf des Syr-Darja und ist von der Turan-ebene geprägt. Am linken Ufer des Syr-Dar-ja erstreckt sich die Wüste Kysylkum. Dasrechte Ufer weist ein vielfältiges Relief auf:der Höhenzug Jegiskara, die Sandwüste Arys-kum und weite Talkessel mit Salzböden. DerNorden ist von den Sandwüsten Kleine Dach-se und Voraraler Karakum geprägt. Der nord-östliche Teil des Aralsees befindet sich aufdem Territorium des Gebiets. Es gibt vieleSalzseen, die zum Sommer hin austrocknen. Die riesigen mit Sand bedeckten Flächen desGebiets sind beinahe vegetationslos. Der ein-zige Baum, der dem trockenen Klima gut

standhält, ist der Saksaul. In der Wüste le-ben Raubtiere, darunter Steppenfuchs undWolf. Saigaherden fühlen sich hier wohl,auch Nagetiere und Vögel. Im Delta des Syr-Darja hat sich die Bisamratte akklimatisiert.In den Flüssen und Seen gibt es mehr als 25Fischarten, darunter Karpfen, weißer Karpfenund weißer Amur. Das Gebiet ist reich an Erdöl, Erdgas, Gold,Uran, Polymetallen, Kochsalz, Quarzsand, Kalkund Baustein.

Kysylorda ist eine Industrieregion. Hier be-findet sich das Erdöl- und GasvorkommenKumkol, aus dem Erdöl gefördert wird. An-sässig sind Unternehmen wie „HurricaneKumkol Munai”, „KasGerMunai”, „Ai-Dan-Munai” und „Talap”. Erkundet sind große Ei-senerzvorräte. Für den Maschinenbau unddie Metallbearbeitung stehen „Kysylordaris-masch” und „Kysylordaagroremmasch”, dieErsatzteile und Ausrüstungen für die Land-wirtschaft produzieren. „ShMZ” fertigt Aus-rüstungen für geologische Forschungen undErdbohrungen. Die Baustoffindustrie ent-wickelt sich, hier ist das „ShanakorganerSteinbruchkombinat” zu nennen. Es gibt ein

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Die riesigen mit Sand bedeckten Flächen des Gebiets Kysylorda sind beinahe vegetationslos. Einer der wenigen Bäume, die dem trockenen Klima gut standhalten, ist der Saksaul

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Zellulose- und Wellpappekombinat, das aufReisstroh- und Schilfrohrbasis arbeitet. Inder Leder- und Schuhindustrie ist die Schuh-fabrik „Aman-Jer” führend. Die Nahrungs-mittelindustrie arbeitet erfolgreich. Im Gebietwird Reis angebaut und verarbeitet. Das Gebiet Kysylorda blickt auf eine weit insAltertum reichende Geschichte zurück. Al-lerdings wurden die alten Städte Shent, Sy-ganak, Asanas, Ozkent, Barschynkent undShankent von den Mongolen im 13. Jahr-hundert zerstört. Unter der Sowjetmacht warKysylorda in den Jahren 1925 bis 1929Hauptstadt der Kasachischen ASSR.Touristisch ist das Gebiet von großem Inter-esse. Unter den Sehenswürdigkeiten gibt eseinzigartige Naturlandschaften, darunter dasstaatliche Naturschutzgebiet „Barsakelmes”,den Aralsee, den Kambaschsee, das Karatau-Vorgebirge, die Katyn-Kamal-Schlucht. Undes gibt den Weltraumbahnhof Baikonur.„Barsakelmes” (der Name bedeutet „Gehstdu hin, kommst du nicht zurück”) ist das ein-zige Naturschutzgebiet im ökologischen Ka-tastrophengebiet des Aralsees. „Barsakelmes”ist ein „natürliches Labor” für die Erforschungder Versteppungs- und Verwüstungsprozes-se sowie für die Veränderung der Strukturder Ökosysteme. Das Naturschutzgebiet istin zwei Teile gegliedert – „Barsakelmes” und„Kaskakulan”. Hier leben seltene, in die RoteListe Kasachstans eingetragene Tiere wie derKulan, die persische Gazelle und die Saiga.

Gebiet MangystauDas Gebiet Mangystau ist 165 600 Quadrat-kilometer groß, hier leben 446265 Menschen,davon 235 766 in den Städten und 210 499auf dem Land. Das Verwaltungszentrum istdie Stadt Aktau (bis 1992 Schewtschenko). Im Westen bildet das Kaspische Meer einenatürliche Grenze. Der nördliche von Salz-böden geprägte Teil liegt im VorkaspischenTiefland, der Süden wird vom Mangystau-gebirge sowie dem Mangyschlak- und demUstjurt-Plateau eingenommen. Der größteTeil des Gebiets ist Wüste: die Oberfläche ist

teilweise mit Salzböden, Takyren und Sandbedeckt, es gibt wenig Vegetation. Mangystau ist eine Industrieregion. Hier wer-den 25 Prozent des kasachstanischen Erdölsgefördert. Hier verläuft die Pipeline Aktau-Shetybai–Usen. Die Hafenstadt Aktau wird„Kasachstans Tor zur See” genannt.Es gibt reiche Erdöl- und Erdgaslagerstätten.Die meisten Vorkommen sind im Kreis No-wy Usen und auf der Halbinsel Busatschikonzentriert. Insgesamt sind 59 Vorkommenerkundet. Die nachgewiesenen Erdölvorrätebelaufen sich auf mehr als drei MilliardenTonnen. Riesige Ölvorkommen werden aufdem Schelf des Kaspischen Meeres vermu-tet. Anfang der 1950er Jahre wurden reicheLagerstätten von Uran und Seltenen Erdenentdeckt. Es gibt Muschelkalkstein. Bekanntsind fünf Braunkohlevorkommen. Die Halb-insel Mangyschlak ist eine der wenigen Re-gionen der Welt, wo große Strontiumvor-kommen entdeckt wurden. Die größten sindAurtasch, Ungosin und Utschkujuk. In denBergen der Halbinsel wurden Phosphorit-und Eisenerzvorkommen erkundet. Entdecktwurde zudem ein Manganvorkommen, des-sen nachgewiesene Vorräte rund 2,7 Millio-nen Tonnen betragen. Es gibt Kupfer, Koch-salz, Mineralsalze und Kreide. Die Grundlage der Wirtschaft bildet der Erd-öl- und Erdgassektor, der einen Anteil vonüber neunzig Prozent an der Industriepro-duktion des Gebiets hat. Kohlenwasserstof-fe fördern „KasMunaiGas”, „MangystauMu-naiGas”, „KaspolMunai” und „TolkynNefte-Gas”. Zu den führenden Betrieben zählt das Atom-energiekombinat Mangyschlak. Die Verar-beitungsindustrie ist entwickelt. Zu nennensind die Nahrungsmittel- und die Textilin-dustrie, die Produktion von Gummi- undKunststofferzeugnissen, der Maschinenbau,die chemische Industrie und die Produktionnichtmetallischer Mineralprodukte.Das Gebiet ist ein archäologisches Museumunter freiem Himmel. Erhalten sind Felsma-lereien, zu bewundern sind die alten Mo-

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scheen Beket-Ata, Schakpak-Ata, Schopan-Ata und Masat-Ata, zu denen Pilger aus Ka-sachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Russland,dem Kaukasus, dem Iran und der Türkei strö-men. Nicht weit vom Berg Ungasy befindensich die beiden ältesten Höhlenmoscheen. Eine Route der Großen Seidenstraße verläuftvom Süden nach Norden über das Gebietund weiter nach Nordwesten zum Ustjurt-Plateau und über das Schetpinsker Tor zumKaspischen Meer. Unweit von Akmyschsaidehnen sich die malerischen Schluchten Sa-mal und Sassanbai aus. Nahe liegen die Rui-nen der alten Stadt Kysyl-Kala. Das Karagi-je („Schwarzes Tal”) markiert den niedrigstenPunkt in Kasachstan, es liegt 132 Meter un-ter dem Meeresspiegel. Zu den Sehenswür-digkeiten der Halbinsel zählen die QuellenTamschaly („Lebendige Tropfen”), das Schet-pinsker Tor, der heilige Berg Scherkala, dieMangystauberge, die Schlucht des Karashal,das Kulandaggebirge und der Saursee. Das staatliche Naturschutzgebiet „Ustjurt”ist Heimat von 263 Pflanzenarten und man-nigfaltigen Tierarten. Zu den seltenen Vö-geln gehören Flamingos, Tatarfalken, Wan-derfalken, Geier und Uhus. Unter den hierlebenden Säugetieren sind das UstjurterMufflon, die persische Gazelle, der Wüsten-luchs, die Steppenkatze, der Steppeniltis, dieBarchankatze und der Gepard zu nennen.

Gebiet Nordkasachstan. Das Gebiet Nordka-sachstan ist 123 200 Quadratkilometer großund zählt 643 302 Einwohner. 230192 Men-schen leben in den Städten und 413110 Men-schen auf dem Land. Verwaltungszentrum istPetropawl. Die Vorfahren der heute noch hierlebenden Deutschen kamen bereits Ende des19. Jahrhunderts in die Region. 1908 wurdeunweit vom damaligen Petropawlowsk die ers-te deutsche Siedlung Peterfeld gegründet. Das Gebiet nimmt den südlichen Rand desWestsibirischen Tieflandes ein, große Teilesind durch sanfte Hügellandschaft geprägt.Durch das Gebiet fließt der Ischim mit sei-nem Nebenfluss Imanburluk. Es gibt mehr

als 1000 Seen, in der Mehrzahl Süßwasser-seen. Die größten sind der Schaglytenis, derNord- und Südkak, der Akusch, der Tarankölund der Stanowoje. Nordkasachstan liegt inder Waldsteppen- und Steppenzone. In derWaldsteppe wachsen Birken und Espen, esgibt viele Sümpfe. Wälder nehmen acht Pro-zent des Territoriums ein. Nordkasachstan ist ein Agrargebiet. Es zähltzu den drei größten GetreideproduzentenKasachstans. Von hier kommen bis zu dreißigProzent des kasachstanischen Getreides. DieGesamtfläche des Kulturlandes beträgt 8,4Millionen Hektar, davon sind 3,5 MillionenHektar Ackerfläche. Das Gebiet verfügt über ein beachtliches In-dustriepotenzial, vor allem die Elektroener-gie und die Verarbeitungsindustrie sind zunennen. Stark ist der Maschinenbau, ent-wickelt sind die landwirtschaftlichen Verar-beitungsbetriebe. Es gibt eine gute Roh-stoffbasis und qualifizierte Arbeitskräfte fürdie beschleunigte Industrieentwicklung.Die Grundlage der Maschinenbauprodukti-on bilden frühere Rüstungsbetriebe. Amgrößten ist das „Petropawlowsker Werk desSchwermaschinenbaus” (PZTM), das auf Aus-rüstungen für die Erdölförderung sowie aufReparatur und Bedienung der Eisenbahnenspezialisiert ist. Große Unternehmen sind„Munaimasch”, das „Nördliche Maschinen-bauwerk”, das „Werk für Landwirtschafts-technik” und das „Kirow-Werk”. Ausgebautwird die Produktion von Güterwaggons fürden Transport von Metallpellets. Die interessantesten archäologischen Ob-jekte befinden sich an den Flüssen Ischim,Tschaglinka und Imanburluk. Ausgrabungenin Botai belegen, dass der Urmensch hier be-reits vor 5 500 Jahren Wildpferde zähmte.Auf dem Territorium des Gebiets liegt einTeil des Nationalparks „Kokschetau”.

Gebiet OstkasachstanDas Gebiet Ostkasachstan ist 283 300 Qua-dratkilometer groß. Von den 1 418 784 Ein-wohnern leben 771 952 in Städten und

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646 832 auf dem Land. Das Verwaltungs-zentrum ist die Stadt Öskemen (bis 1993 Ust-Kamenogorsk). Mit Blick auf seine Natur ist Ostkasachstaneine Perle unter den kasachstanischen Ge-bieten. Hier liegen Steppen-, Wüsten- undGebirgstaigalandschaften in enger Nach-barschaft. Waldgebiete nehmen etwa dreißigProzent des Territoriums ein. Von hier kom-men wertvolle Heilpflanzen für die Pharma-

industrie: Sanddorn, Goldwurzel, Maralwur-zel und Süßklee. Reich und mannigfaltig ist die Fauna. Be-heimatet sind über 400 Vogelarten – Sing-schwäne, schwarze Störche, Silbermöwen,Säger, Pfeifenten, Gänse, Kraniche und Kor-morane, etwa sechzig Arten von Säugetie-ren, darunter Bären, Eichhörnchen, Füchse,Hasen, Elche, Marale, Rehe, Schneeleopar-den, Pamirschafe, sibirische Gebirgsböcke,Wildschweine, sowie viele Arten von Nage-tieren. Ostkasachstan ist reich an Gewässern; hierfließen über 800 Flüsse, deren Gesamtlängemehr als 10 000 Kilometer beträgt. DieHauptwasserader ist der Irtysch mit seinenwasserreichen Nebenflüssen Ulba, Uba, Ka-

rakaba, Kaldschir, Kurtschum, Narym undBuchtarma. Flüsse und Seen sind reich an Fi-schen: Aland, Karpfen, Hecht, Forelle, Zan-der, Flussbarsch, Äsche, Karausche und Stör. Am Irtysch gibt es drei Wasserkraftwerke –Buchtarminsk, Schulbinsk und Ust-Kameno-gorsk mitsamt ihren gleichnamigen Stau-seen. Die mannigfaltigen Naturbedingungen tra-gen zur schnellen Entwicklung des Touris-

mus bei. Geschaffen wurden einige Natur-schutzgebiete: Tarbagai, Markaköl, West-Al-taisch, Alaköl, Kuludschun. Zudem gibt es ei-nige Schutzgebiete, deren Namen für sichsprechen: Sinegorsker Tannenhain, Flam-mende Adyry, Karatalsker Sand und Rach-man-Quellen. Ostkasachstan ist eine industriell gut ent-wickelte Region. Schwerpunktbranche ist dieBuntmetallurgie, doch sind auch der Ma-schinenbau und die Metallverarbeitung, dasEnergiewesen, die Holzverarbeitungs-, Leicht-und Nahrungsmittelindustrie entwickelt.Die Buntmetallurgie hat einen Anteil vonmehr als fünfzig Prozent an der Industrie-produktion des Gebiets. Ostkasachstan zähltzu den Hauptproduzenten von Blei, Zink,

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Die Abai-Gedenkanlage im Gebiet Ostkasachstan etwa 180 Kilometer südlich von Semej

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Kupferkonzentrat, raffiniertem Gold und Sil-ber. Es ist der einzige Produzent von Titan,Magnesium, Tantal und Brennstoff für Atom-kraftwerke. Die größten Betriebe sind „Kas-Zink”, das „Ust-Kamenogorsker Titan- undMagnesiumkombinat”, das „Ulbinsker Me-tallurgiewerk” und „WostokKasKupfer”, ei-ne Tochtergesellschaft von „Kasachmys”.Das Gebiet hat bedeutende Vorräte an Mi-neralien und Rohstoffen, den Hauptreich-tum bilden Polymetallerze, die Zink, Blei,Kupfer, Seltene Erden und Edelmetalle ent-halten. Auch gibt es bedeutende Vorräte vonSteinkohle, Gold, Schiefer und Zeolith sowievon Rohstoffen für die Produktion von Ze-ment und Glasschlacken.Der Maschinenbaukomplex weist große Be-triebe wie „Asien-Auto”, „Wostokmasch”,„Ust-Kamenogorsker Armaturenwerk”, „Ust-Kamenogorsker Kondensatwerk”, „Semipa-latinsker Maschwerk”, „Irtyschzwetmetre-mont”, „Maschwerk” und „Kaselektromasch”auf. Aus Ostkasachstan kommen Autos derMarke „Lada” und „Skoda”, Bergbau- undSchacht- sowie Aufbereitungsausrüstungen,Erdöl- und Erdgasarmaturen, Elektromoto-ren für Haushaltsgeräte, Pumpen, Konden-satoren und andere elektrotechnische Er-zeugnisse sowie Kabel. In der Holzverarbeitung sind Großbetriebewie „Shanasemejschpalwerk” (Eisenbahn-schwellenproduktion) und „UK Möbelkom-binat” vertreten. Den größten Anteil habenaber KMU-Betriebe, die Schnittmaterialien,Rohstücke, zylindrische Holzstämme für denHausbau, Tür- und Fensterblocks sowie Mö-bel herstellen. In der Leichtindustrie arbeiten das „Leder-und Pelzkombinat”, „Kasruno”, „NIMEKS-Tex-til”, die „PKF Rauan”, „Semspezsnab”, dasWalk- und Filzkombinat. Diese Betriebe pro-duzieren Erzeugnisse aus Pelz, Leder, Stoff,Trikotage, zudem Schuhe, Bettwäsche undWolle, Walkschuhe, Filz und Filzerzeugnisse.Es gibt große Bauindustriebetriebe, darun-ter die „Buchtarminsker Zementgesellschaft”,„Silikat” und das „Zementwerk Semej”.

Die Nahrungsmittelindustrie ist gut aufge-stellt: „Adil”, „Mai”, das OstkasachstanerMehl- und Mischfuttermittelkombinat, „Ta-mila plus”, das FleischkonservenkombinatSemipalatinsk, „Schwäbische Würstchen”,„Emil” und „Konditor+”. Milchprodukte,Fleisch- und Wursterzeugnisse, Butter undPflanzenöl, Spirituosen und Bier sowie Kon-ditoreiprodukte verlassen die Betriebe.In der Landwirtschaft sind Vieh- und Geflü-gelzucht sowie Kartoffel- und Gemüsean-bau führend. Es gibt Unternehmen und Ge-nossenschaften zur Produktion und Verar-beitung von Milch, Getreidekulturen undSonnenblumen.

Gebiet PawlodarDas Gebiet Pawlodar ist 124 800 Quadratki-lometer groß und zählt 750 859 Einwohner.500 300 Menschen leben in Städten und250 559 auf dem Land. Das Verwaltungs-zentrum ist die Stadt Pawlodar. Den größten Teil des Gebiets nimmt dieSaryarka („Goldene Steppe”) ein. 140 Flüssedurchziehen das Gebiet. Der Irtysch-Kara-gandy-Kanal ist ein 502 Kilometer langes in-genieurtechnisches Meisterwerk. Unterstütztvon 22 Pumpstationen überwindet das Was-ser 500 Meter Höhenunterschied. Ohne denKanal wäre die Entwicklung der Kohlenför-derung und der Energetik in Ekibastus sowieder Metallurgie in Karagandy unmöglich ge-wesen. Es gibt 1 200 Seen, davon hundertSüßwasserseen. Elf unterirdische Wasser-vorkommen sind erkundet. Das Gebiet nimmt einen führenden Platz imMineral- und Rohstoffkomplex Kasachstansein. Neben Kohle sind es vor allem verschie-dene Metalle, einschließlich Gold, sowie Bau-stoffe und andere Ressourcen. Im Gebiet istein Drittel aller Kohlelager Kasachstans kon-zentriert. Die größten Vorkommen sind Eki-bastus und Maikuben. Insgesamt werden dieVorräte auf drei Milliarden Tonnen geschätzt.Die Kohle liegt stellenweise an der Erdober-fläche und wird im Tagebau gewonnen. ZurErschließung ist das Kupfervorkommen

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„Boschtschekul” vorbereitet. Die Erze ent-halten nicht nur Kupfer, sondern auch Mo-lybdän, Silber und andere wertvolle Metal-le in hoher Konzentration. Die Kupfervorrä-te werden auf 3,5 Millionen Tonnen bezif-fert. Zudem gibt es Malachit und Türkis. Das Gebiet ist eine wichtige Industrieregion.Es liefert siebzig Prozent der kasachstanischenKohle und 75 Prozent der Eisenlegierungen.Die chemische Industrie, der Maschinenbauund die Metallverarbeitung werden ausge-baut. Den territorial-industriellen KomplexPawlodar-Ekibastus bilden die Städte Pawlo-dar, Ekibastus und Aksu. Angesiedelt sind dasEisen- und Metallhüttenwesen, der Maschi-nenbau, die Aluminiumproduktion, die erdöl-chemische und die chemische Industrie. Wich-tige Unternehmen sind „Aluminium Kasach-stan”, „Eisenlegierungswerk Aksu”, „Maschi-nenbauwerk Pawlodar”, „Recke Access Komir”,„Euroasiatische Energetische Korporation”,„Erdölchemiewerk Pawlodar” sowie das „Well-pappe- und Ruberoidwerk”. Es gibt großeStrom- und Wärmekraftwerke. Die Fläche des Ackerlandes beträgt 11,2 Mil-lionen Hektar. Weizen wird auf der Hälfteder Ackerflächen angebaut. Fünfzehn bissiebzehn Prozent sind anderen Getreidekul-turen zugewiesen. Angebaut werden zudemKartoffeln, Gemüse und Melonen. Das Gebiet Pawlodar birgt eine der wunder-barsten Gegenden Kasachstans – Bajanaul.Inmitten weiter Steppen erhebt sich ein klei-nes Gebirge mit Nadelwald und drei maleri-schen Seen. Zur Bewahrung der einzigarti-gen Natur wurde der 50 000 Hektar großestaatliche Nationale Naturpark „Bajanaul”gegründet. In der nordwestlichen Umgebungvon Pawlodar wurden Versteinerungen vonGiraffen, Einhörnern und hyäneartigen Tie-ren gefunden, die vor sieben Millionen Jah-ren gelebt haben.

Gebiet ShambylDas Gebiet Shambyl erstreckt sich von derriesigen Wüste Betpakdala bis zum Tienschanund von der Schuisker Niederung bis zum

Karataugebirge. Im 144 300 Quadratkilome-ter großen Gebiet leben 1043 843 Menschen.Von diesen leben 437 409 Menschen in denStädten und 606 434 Menschen auf demLand. Das Verwaltungszentrum ist die StadtTaras (bis 1997 Dschambul). Taras gilt als ei-ne der ältesten Städte Kasachstans. Im Jah-re 2002 feierte die Stadt ihr 2000-jährigesBestehen. Es finden sich Architekturdenk-mäler wie die Mausoleen „Aischa-Bibi” und„Babadscha-Chatun” aus dem 10. und 11.Jahrhundert sowie „Karachan” und „Daut-bek” aus dem 10. bis 13. Jahrhundert.Die Natur des Gebiets ist einzigartig. Wo aufder Erde fände man eine ähnliche Gegend,in der im Radius von zehn bis fünfzehn Ki-lometern ausgetrocknete Wüsten und fas-zinierende Bergketten mit rauschenden Flüs-sen und Bächen anzutreffen wären. Aber ge-rade das erlebt man in Shusandala, demsüdöstlichen Teil der Betpakdala. Das Gebiet Shambyl ist eine Industrie- undAgrarregion. Es ist bekannt für seine Roh-stoffe. 71 Prozent aller kasachstanischenPhosphoritvorkommen lagern hier, zudem68 Prozent des Flussspat, acht Prozent desGoldes, drei Prozent des Kupfers und 0,7 Pro-zent des Uran. Das Gebiet ist reich an Bunt-metallen, Baryt, Kohle, Edel- und technischenSteinen sowie an Baumaterialien. Abgebautwerden Blei- und Zinkerze.Im Gebiet gibt es mehrere Erdgaslagerstätten.Seit das Gasvorkommen Amangeldy in Be-trieb genommen wurde, werden 900 000 Ku-bikmeter Gas pro Tag gefördert. Der Abbau der Salzvorkommen ist industri-ell interessant. Die Vorräte von Futter- undtechnischem Salz betragen zehn MillionenTonnen. Gutes Speisesalz, das nicht mit Jodaufbereitet werden muss, wird durch Wasch-prozesse gewonnen.Im Gebiet sind zwei Vorkommen von Heil-mineralwasser erkundet: in Merke und Usyn-bulak-Arasan; über ein Dutzend unterirdi-sche Wässer, die in ihrer chemischen Zu-sammensetzung Mineralwasser ähneln, wur-den entdeckt.

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Mehrere innovative Projekte werden im Ge-biet realisiert. So wird „Chimprom-2030” zurProduktion von Eisenlegierungen und Stahl-schmelzproduktion umprofiliert. Die Pro-jektkosten betragen 127,8 Millionen Dollar.Zu den Arbeiten wurden führende einhei-mische und ausländische Wissenschafts- undProjektierungsorganisationen herangezogen.Das „Hüttenwerk Taras" findet sich auf derListe der industriellen Durchbruchs- und In-vestitionsprojekte. Der Betrieb produziert fürden Export. Erfolgreich funktionieren das„Zementwerk Chantau”, „MynaralTas Com-pany", „Süd-Zement” und der Betrieb „Er-satzteile AG”.Flora und Fauna des Gebiets Shambyl sindreich und vielfältig. Die Pflanzenwelt zähltmehr als 3 000 Arten. Hier leben mehr alsvierzig Säugetierarten. Der Fischzucht undFischwirtschaft stehen 74 Wasserbecken miteiner Fläche von 28 000 Hektar zur Verfü-gung. Die größten Stauseen sind Tasotkelund Ters-Aschbulak. Industriell genutzt wer-den etwa weißer Karpfen, weißer Amur, Spie-gelkarpfen, Karpfen und Zander.Das staatliche Landschaftsschutzgebiet „Ber-rikar” erstreckt sich auf 17 500 Hektar. Dortentdeckt man über fünfzig Arten besonderswertvoller Bäume, Büsche und Pflanzen, diein die Rote Liste Kasachstans eingetragensind. Im Schutzgebiet leben neben vielen an-deren Tierarten Pamirschafe, indische Sta-chelschweine und Grauschnäpper. Das staat-liche Pflanzenschutzgebiet „Karakunus” liegtin den westlichen Ausläufern des SailiiskerAlatau. Hier gibt es große Bestände von Ap-felbäumen, Kirschbäumen, Ferganapflaumenund Weintrauben, zwischen den Obstbäu-men wechseln Ahornbäume, weiße Akazien,Maulbeer- und Walnussbäume ab. Das 1 000 Hektar große staatliche Tier-schutzgebiet „Andassai” liegt am rechtenUfer des Flusses Schu. Es ist bedeckt von Fe-dergras, Schwingel, Saksaul und kaspischenWeiden. Hier leben Pamirschafe, Kulane, per-sische Gazellen, Rehe, Wildschweine, Hasen,Fasane und Rebhühner.

Das Gebiet verfügt über immense Möglich-keiten zur Entwicklung des Tourismus. Hierverlief ein Teil der Großen Seidenstraße. Heu-te liegen an diesem Abschnitt die Siedlun-gen Sairam, Taras, Akscholak, Akyrtöbe, Ku-lan, Merke, Schu, Aspara und Korda. Sie al-le weisen interessante Denkmäler der Ge-schichte und Kultur auf. Das Gebiet Sham-byl ist ins staatliche Programm „Wiedergeburtder historischen Zentren der Seidenstraße,Erhalt und Entwicklung des kulturellen Er-bes der turksprachigen Staaten, Aufbau dertouristischen Infrastruktur” eingebunden.Am Ufer des Flusses Talas liegen Sanatorien,in denen die Kurgäste mit Schlammbädernbehandelt werden. In der Bergschlucht Mer-ke werden Radonbäder angewandt.

Gebiet SüdkasachstanDas Gebiet Südkasachstan erstreckt sich auf117 300 Quadratkilometern, es ist Heimatvon 2 429137 Menschen, von denen 911 801in Städten und 1 517 336 auf dem Land le-ben. Das Gebietszentrum ist Schymkent. Der größte Teil des Gebiets ist eine Ebene,die von den Sandwüsten Kysylkum undMoiynkum sowie der Schardara-Steppe ge-prägt ist. Im Norden dringt die Wüste Bet-pakdala vor, im Süden erstreckt sich die Hun-gersteppe. Im zentralen Teil erhebt sich derGebirgsrücken Karatau. Die größten Flüssesind der Syr-Darja und der Schu. Die fruchtbaren Böden, die vielen Sonnen-tage, die riesigen Weideflächen bieten großeMöglichkeiten für den Ausbau der Land-wirtschaft, vor allem des bewässerten Acker-baus und der Schafzucht. Hohe Ernteerträ-ge weisen Baumwolle und Reis auf, auch dieObstgärten und Weinberge bringen reicheErnte. Die Viehwirtschaft liefert Fleisch, Milchund Eier, sie hat einen Anteil von 47,3 Pro-zent an der Landwirtschaft.Es gibt im Gebiet Vorkommen von Polyme-tallerzen: Antschisai, Bajshansai und Mir-galimsai sind hier zu nennen. Von industri-ellem Interesse sind die reichen Eisenerzvor-kommen im Karatau. Kalkstein, Gips, Quarz-

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sand, feuerfester, Keramikton und Bentonitsind Basis der Baustoffindustrie. In Schym-kent arbeitet eine große Zementfabrik. MitBlick auf die Uranvorräte liegt das Gebietauf Platz eins in Kasachstan, mit Blick aufdie Phosphorite und Eisenerze auf Platz drei.Ein Aufbereitungskombinat beim Bleivor-kommen „Alajgyr” ist im Entstehen. Das Pro-jekt wurde von der „Südpolymetall” initiiert.Erfolgreich arbeitet „Kaspolymetall”. Ein Hüt-tenwerk für die Produktion von Ferrosilizi-um wird in Kentau errichtet. Im Gebiet gibt es mannigfaltige Naturres-sourcen zur Entwicklung des Kurtourismus.Dazu gehören die Mineralwasserquellen desSanatoriums Saryagasch. Im Vorgebirge desKaratau und im malerischen Tiefland desFlusses Schaga finden sich Mineral- undThermalwasserquellen. Die Quellen bei Te-mirkanowka und bei Mankent sind zu nen-nen. Menschen mit Herz- und Gefäßerkran-kungen können unweit von Belyje Wody,Tjulkubas und Turar Ryskulow in heilsamemKlima gesunden. In den westlichen Ausläu-fern des Tienschan erstreckt sich das Natur-schutzgebiet „Aksu-Dschabagly”. Hier trifftman auf viele seltene Vertreter von Flora undFauna. Viele davon sind in die Rote Liste Ka-sachstans eingetragen. Hier gedeiht eine derschönsten Blumen des Landes – die Greig-Tulpe ist das Symbol Südkasachstans.

Gebiet WestkasachstanDas Gebiet Westkasachstan erstreckt sich auf151 339 Quadratkilometern. Die Bevölke-rungszahl beträgt 624 280 Personen, davonleben 282 911 Menschen in Städten und341 369 Menschen auf dem Land. Das Ver-waltungszentrum ist die Stadt Oral (früherUralsk), eine der ältesten Städte des Landes.Aksai gilt als Stadt der Erdöl- und Erdgasar-beiter. Das Relief des Gebiets ist geprägt vom Flach-land, das von Nordosten nach Südwestenleicht abfällt und in fünf Zonen gegliedertist, darunter das Obschtschy Syrt, das Em-ba-Plateau und das Vorkaspische Tiefland.

In letzterem haben wir die großen Sand-massive Narynkum, Kokusenkum, Akkum undKaragandykum. Durch das Gebiet Westkasachstan fließt derShaiyk (Ural), der die wichtigste Wasseraderdes Gebiets ist. Große Seen sind: Schalkar,Aralsor, Boköl, Schaltyrköl und Suluköl. Ei-ne Besonderheit ist der Schalkar, dessen Was-ser in seiner Zusammensetzung Meerwasserähnelt. Berge geben dem See einen herrli-chen Rahmen. Im Sassaigebirge wachsen 238Pflanzenarten. Das Gebiet ist reich an Bodenschätzen, vorallem an Erdöl und Erdgas. Das VorkommenKaratschaganak gilt als eines der reichstendes Landes. Die Vorräte belaufen sich auf1,35 Trillionen Kubikmeter Gas und 1,2 Mil-liarden Tonnen Öl und Gaskondensat. Aus-gebeutet wird das Vorkommen vom Konsor-tium „Karatschaganak Petroleum OperatingB. V.”, an dem „British Petroleum” und „Eni”mit 32,5 Prozent, „Chevron Texaco” mitzwanzig Prozent und „Lukoil” mit fünfzehnProzent beteiligt sind. Die Gasgewinnung sollbis zum Jahre 2012 auf 25 Milliarden Ku-bikmeter pro Jahr gesteigert werden. Ver-handelt wird über den Anschluss von „Kas-MunaiGas” an das Projekt.Wichtige Industriebetriebe sind die „West-kasachstanische Maschinenbaugesellschaft”und das Werk „Metallist”, das einst Fah-nenträger der Verteidigungsindustrie derUdSSR war. Heute werden hier High-Tech-Ausrüstungen für die Förderung und denTransport von Erdöl und Erdgas entwickeltund produziert sowie Ausrüstungen für denMaschinenbau. „Zenit Oral" wurde 1941 aufBasis des aus dem belagerten Leningrad eva-kuierten Zenitwerkes gegründet. Hauptrich-tungen sind der Schiff- und Maschinenbau.Zur Industrieproduktion tragen das „Gerä-tebauwerk Omega”, „UralskAgroRemMasch”,„KasArmaProm”, die „SPP Metallerzeugnis-se” und das Produktionswerk „Kondensat”bei. Westkasachstan ist eine der erstaunlichstenGegenden der Republik. Die Region hat ein

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großes Potenzial für die Entwicklung desTourismus. Die Sassai- und Santasberge so-wie viele weitere Naturlandschaften lockendie Besucher. Und es gibt die Stadt Oral. Vorrund 300 Jahren wurde von Kosaken dasStädtchen Jaiksk gegründet, angesiedelt wur-den Übersiedler von Wolga und Don. Inter-essante historische Bauten und Architektur-denkmäler aus dem 18. Jahrhundert legen

Zeugnis von der langen Stadtgeschichte ab.Es gibt drei Naturschutzgebiete: „Budarinsk”,„Kirsanowsk” und „Schaltyrkursk”.

AlmatyAlmaty ist die größte Stadt Kasachstans, siehat den Status einer Stadt republikanischerBedeutung. Almaty zählt 1 404 329 Einwoh-ner. Die Hauptstadt Kasachstans von 1929bis 1997 liegt tief im Südosten der Republikim Sailiiski Alatau, der Teil des Tienschan ist.Im Süden liegt auf einer Höhe von 1 500 bis1 700 Metern der Sportkomplex Medeo, et-was höher erwartet einen das SkiressortTschimbulak. Der höchste Berg im Stadtge-biet ist der Kok-Töbe (1070 Meter). Im Nor-den führen die Straßen in Steppe und Halb-wüste. Im Sailiiski Alatau entspringen zahl-reiche Flüsse und Bäche, darunter Bolscha-ja und Malaja Almatinka. Für die Wasser-

versorgung ist das Kaptschagai Staubeckenvon Bedeutung. Almaty liegt eingebettet inApfelbaumgärten, Obst-, Melonen- und Ta-bakplantagen sowie Weinberge. In höherenLagen gibt es Aprikosenhaine und Weißdorn-anpflanzungen, es folgen Nadelwälder undAlpenwiesen und schließlich schneebedeck-te Berggipfel. In der Umgebung der Stadtwurde das Naturschutzgebiet „Almaty” aus-

gewiesen, in dem viele in die Rote Liste Ka-sachstans eingetragene Tiere leben, darun-ter der Schneeleopard.Mit der Verlegung der Hauptstadt nach Asta-na wird Almaty als Finanz-, Kultur-, Wis-senschafts-, Produktions- und Tourismus-standort weiterentwickelt. Die Akademie derWissenschaften ist hier ansässig, vielfältigeWissenschaftsinstitute decken fast alle mo-dernen Wissenschaftsbereiche ab. Die Stadtsoll zu einem überregionalen Finanzzentrumaufgebaut werden. Rund drei Viertel der ka-sachstanischen Banken haben ihren Sitz inder Stadt. Angesiedelt sind Unternehmens-vertretungen und Betriebe der Lebensmit-tel- und Textilindustrie sowie der Bau-stoffindustrie. Ein Drittel der Steuereinnah-men Kasachstans werden in Almaty erwirt-schaftet. Für die Entwicklung des Tourismusund angesichts der Asienspiele 2011 wurde

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Die einstige Hauptstadt Almaty zählt 1 404 329 Einwohner und ist die größte Stadt des Landes

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das Kur- und Sportgebiet Medeo-Tschimbu-lak saniert und modernisiert. Umgesetzt wirddas Programm der Verkehrsentwicklung, dasdie Schaffung einer intelligenten innerstäd-tischen Verkehrsführung, den Bau neuerStraßen und einer Metro sowie den Ausbaudes öffentlichen Nahverkehrs umfasst. Die ökologische Situation, die Migration undder Mangel an Baugrund waren mit Grün-de für die Hauptstadtverlegung. 2010 wur-de zum Jahr der Verbesserung der ökologi-schen Situation erklärt. Aus dem Stadt-haushalt wurden beachtliche Mittel für denUmweltschutz, für ökologisches Bauen undfür Energiesparmaßnahmen bereitgestellt.Zugleich darf man sagen, dass Almaty dieStadt der Bäume, Blumen und Springbrun-nen ist. Allein im Jahre 2010 wurden 24 000neue Bäume gepflanzt. Almaty ist die Kul-turhauptstadt des Landes. Hier finden sichnach wie vor die wichtigsten Theater, dieOper, herausragende Museen wie auch eineVielzahl bedeutender Galerien, die nationa-le und internationale Kunst vorstellen.

AstanaAstana wurde am 10. Dezember 1997 per Er-lass des Präsidenten zur Hauptstadt des Lan-des erklärt. Bis 1961 hieß Astana Akmolinsk,1961 bis 1992 Zelinograd und 1993 bis 1998Akmola. Vor der internationalen Präsentati-on der neuen Hauptstadt am 10. Juni 1998wurde die Stadt in Astana („Hauptstadt”) um-benannt. Astana zählt gegenwärtig 708 694Einwohner. Das Klima ist kontinental. Der Sommer ist heißund trocken, der Winter kalt und lang. ImSommer klettert das Thermometer auf vier-zig Grad Celsius, im Winter fällt es auf minusfünfzig Grad Celsius. Astana ist nach der mon-golischen Hauptstadt Ulan Bator die kältesteHauptstadt der Welt. Zur Verbesserung desStadtklimas und als Schutz vor den heißenWinden im Sommer und den eisigen Windenim Winter wird ein Waldgürtel angelegt.Dass die Stadt in ferner Vergangenheit einewichtige Bedeutung für die Steppenbewoh-

ner hatte, wird durch eine Reihe archäologi-scher Funde belegt. So wurden in den Gren-zen des heutigen Stadtgebiets Artefakte ausder Bronze- und der Eisenzeit sowie dem Mit-telalter gefunden. 2001 und 2005 wurdenGrabstätten aus der Bronze- und frühen Ei-senzeit erforscht. 2007 wurde unweit des Pa-lastes der Unabhängigkeit ein Herrschergrabentdeckt. Eines der wichtigsten Objekte istdie prähistorische Siedlung Bosok, die ab dem7. Jahrhundert und bis in die Zeit des Kasa-chischen Khanats existierte. Die Festung aufdem Gebiet der heutigen Stadt wurde im Jah-re 1830 als Vorposten des Zarenreiches ge-gründet. Im 19. Jahrhundert war Akmolinskein wichtiges regionales Zentrum.In Astana gab es in den letzten Jahren einerege Bautätigkeit, es wurde faktisch eine neueStadt errichtet. Innerhalb des Verwaltungs-zentrums liegt der Sitz des Präsidenten, sinddas Parlament und die Regierung sowie vie-le Ministerien angesiedelt. Im Geschäftszen-trum finden sich Büros, Einkaufszentren undHotels. Im sozial-kulturellen Stadtzentrumkonzentrieren sich Theater, Museen, Erho-lungsgebiete sowie Sport- und Veranstal-tungssäle. Das größte Investitionsprojekt istgegenwärtig der Bau des multifunktionalenund bis zu 382 Meter hohen Gebäudekom-plexes „Abu Dhabi Plaza”, dessen Grundsteinim August 2009 gelegt wurde. Bereits im Jah-re 1999 erhielt Astana von der UNESCO denStatus einer „Weltstadt”.Im Rahmen der freien Wirtschaftszone „Asta-na – die neue Stadt” wurde ein Industrieparkgeschaffen. Astana gilt als Lokomotive für dieEntwicklung des Nichtrohstoffsektors derWirtschaft. Aufgebaut wurden Betriebe derVerarbeitungs-, Baustoff- und Lebensmittel-industrie. Eine wichtige Funktion für die be-schleunigte Entwicklung haben unterschied-liche Cluster, darunter der medizinische undder für Tourismus und Sport. Angesiedelt wer-den Unternehmen, die die Entwicklung derStadt hin zu einem wissenschaftsintensivenund Hochtechnologiezentrum befördern sol-len.

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Kasachstan und dieWeltgemeinschaft

Nach Erlangung der Unabhängigkeit fandsich Kasachstan im Epizentrum der sich aufdem euroasiatischen Kontinent entfalten-den Prozesse wider. Der Beginn der 90er Jah-re des 20. Jahrhunderts war geprägt von ei-ner schnellen Entwicklung der politischen,gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Pro-zesse. Dies zeigte sich grundlegend in derveränderten Formierung der Kräfte und derNeuverteilung des geopolitischen Einflusses.Das bipolare System der internationalen Be-ziehungen, das bis Anfang der 90er Jahreexistiert hatte, wurde abgelöst. An seine Stel-le trat allmählich eine qualitativ neue Be-ziehungsstruktur, die alle Länder der Weltvor die Aufgabe stellte, neue außenpoliti-sche Konzeptionen zu erarbeiten.Für Kasachstan hatte vor diesem Hintergrundder Erhalt der Stabilität und der Sicherheitdes Landes absolute Priorität. Wichtige Bei-träge für die regionale und globale Sicher-heit waren nicht nur der freiwillige Verzichtauf das gewaltige Atomwaffenpotenzial, dasdie Republik von der UdSSR geerbt hatte,sondern auch die Initiativen zur Bewahrungder Stabilität in einem riesigen Raum an derGrenze zwischen Europa und Asien. In den Jahren seiner Unabhängigkeit hat Ka-sachstan alle territorialen Streitfragen mitden angrenzenden Ländern gelöst. Mit allenNachbarn, also Russland, Kyrgysstan, Turk-menistan, Usbekistan und China, wurden Ver-träge über die Festlegung der Staatsgrenzeunterzeichnet.In der Ausarbeitung der außenpolitischenStrategie Kasachstans wurden Faktoren wiedie geostrategische Lage des Landes an derScheide Europas und Asiens sowie die Prio-rität der sozialen, wirtschaftlichen und po-litischen Entwicklung berücksichtigt. Vor die-sem Hintergrund wurde sich die kasachsta-nische Führung der Notwendigkeit der

Durchsetzung einer multivektoralen Außen-politik bewusst, die sich als die wichtigsteOrientierung in den internationalen Bezie-hungen erweist. Eine multivektorale Aus-richtung ermöglicht, gegenseitig vorteilhaf-te Beziehungen zu allen Staaten der Welt zuunterhalten. Doch zugleich schließt sie be-stimmte Prioritäten in der Zusammenarbeitmit einzelnen Staaten nicht aus. Diese Prioritäten hat Präsident Nasarbajewin seinen Jahresbotschaften konkretisiert. Zuihnen gehören die Ausweitung der strategi-schen Partnerschaft mit Russland auf derGrundlage weitgehender Integrationspro-zesse; die Festigung der gegenseitig vorteil-haften Zusammenarbeit mit China; die Festi-gung des hohen Niveaus der vertrauensvol-len Zusammenarbeit mit den USA; die Ent-wicklung der Zusammenarbeit mit der EU;die Zusammenarbeit mit den zentralasiati-schen Nachbarn; der Ausbau der Beziehun-gen zu den Staaten der moslemischen Weltund die aktive Teilnahme an internationa-len Organisationen. Doch bleibt die aktiveZusammenarbeit mit Japan, Indien und an-deren Ländern Asiens sowie des Nahen Ostensund Lateinamerikas ebenfalls im Blickfeldder Außenpolitik. Schlüsselaspekt für Kasachstan ist die Ge-währleistung der regionalen und internatio-nalen Sicherheit. Hier leistet das Land nichtnur auf bilateraler, sondern auch auf multi-lateraler Ebene, darunter im Rahmen derShanghai-Organisation für Zusammenarbeit,der Organisation des Vertrages für kollektiveSicherheit, der GUS, der OSZE sowie der Or-ganisation der Konferenz über Zusammenar-beit und vertrauensbildende Maßnahmen inAsien einen wichtigen Beitrag.

Die Beziehungen zu Russland Priorität in der Außenpolitik hat für Ka-sachstan Russland, mit dem es mit 6 467 Ki-lometern die weltweit längste Grenze zwi-schen zwei Staaten hat. In Russland lebenmehr als eine Million Kasachen und in Ka-sachstan rund 3,8 Millionen Russen.

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Nicht weniger wichtig ist der Faktor des Han-dels. Russland hat einen Anteil von achtzehnProzent am Außenhandel Kasachstans. ImJahre 2009 belief er sich auf 12,4 MilliardenDollar, davon hatte der Export einen Anteilvon 3,5 Milliarden Dollar und der Import von8,9 Milliarden Dollar. Im ersten Halbjahr 2010belief sich der Außenhandel auf 8,5 Milliar-

den Dollar. Kasachstan exportierte Waren imWert von 3,01 Milliarden Dollar und impor-tierte Güter im Wert von 5,47 MilliardenDollar. Russland ist ein bedeutender Investorin die kasachstanische Wirtschaft.Kasachstan und Russland haben die Eura-sische Entwicklungsbank gegründet, dieKredite für gemeinsame Projekte in der Eu-rasischen Wirtschaftsgemeinschaft ausgibt.Zwischen beiden Ländern hat sich eine um-fassende Zusammenarbeit in allen Bereichender Wirtschaft entwickelt, darunter im Öl-und Gassektor, der Energiewirtschaft unddem Handel. In Kasachstan arbeiten rund4 000 kleine und mittlere Unternehmen mitrussischer Beteiligung.

Russland hat eine Schlüsselstellung beim Ex-port kasachstanischer Energieträger. DreiViertel der Gesamtausfuhr kasachstanischenErdöls werden über russisches Territoriumexportiert. Die beiden Länder sind Hauptan-teilseigner des Kaspischen Pipelinekonsorti-ums. Eine wichtige Pipeline ist auch „Aty-rau-Samara”, über die kasachstanisches Öl

in das russische Pipelinenetz und über diesesweiter nach Odessa, Primorsk und Noworos-siisk beziehungsweise nach Europa geleitetwird. Kasachstan liegt nach Russland undNorwegen auf Platz 3 der Erdöl in die EU lie-fernden Länder, die nicht OPEC-Mitglied sind.Über Kasachstan wird turkmenisches und us-bekisches Erdgas nach Russland, in die Ukrai-ne und weiter nach Europa gepumpt. Im De-zember 2007 unterzeichneten Kasachstan,Russland und Turkmenistan das Abkommenüber den Bau der Prikaspiski Pipeline. Kasachstan und Russland haben im zweisei-tigen Format die Frage der Nutzung des Kas-pischen Schelfs gelöst. Mit Blick auf die Aus-beutung des Erdinneren ist der Verlauf der

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Die Grenze zwischen Kasachstan und Russland ist die weltweit längste Grenze zwischen zwei Staaten

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modifizierten Mittellinie, die den Meeres-grund zwischen Russland und Kasachstanabgrenzt, fixiert. Entschieden ist die Frageder gemeinsamen Fördertätigkeit in den Vor-kommen Kurmangasy, Zentralnaja undChwalinskoje.Es entwickelt sich die Zusammenarbeit beider friedlichen Nutzung der Atomenergie.Unter Kontrolle der IAEA entstand ein ge-meinsames Internationales Zentrum fürDienstleistungen im Bereich des nuklearenWärmeenergiekreislaufes, darunter der Uran-anreicherung, in Russland, dem sich im Jah-re 2010 auch die Ukraine angeschlossen hat. Erfolgreich kooperiert man in der Raum-fahrtindustrie. Kasachstan und Russland ha-ben weitgehende Schritte in der Frage dergemeinsamen Nutzung des Kosmodrom Bai-konur gemacht. 2006 startete der erste ka-sachstanische Satellit „KasSat-1“, im De-zember 2010 soll „KasSat-2” auf die Um-laufbahn gebracht werden. Gearbeitet wirdam Aufbau des Raketen- und Weltraum-komplexes Baiterek. Im Mai 2008 wurde dasRegierungsabkommen über die gemeinsameArbeit am Globalen System der Satelliten-navigation (GLONASS) unterzeichnet. All diessind wichtige Stimuli für die Entwicklungneuer wissenschaftsintensiver Produktionenin Kasachstan.Die beiden Länder arbeiten eng zusammenbei der Entwicklung der Infrastruktur des in-ternationalen Transitkorridors „Westeuropa-Westchina”. Dabei geht es vor allem um dasStraßenbauprojekt von Sankt-Petersburgüber Kasan, Orenburg, Aktöbe, Almaty undChorgos nach China. Im Rahmen des Euro-asiatischen Transitkorridors wird der nördli-che Korridor der Transasiatischen Eisen-bahnmagistrale geschaffen. Perspektiven hatder Meerestransport. Bereits eröffnet sinddie Schiffsverbindungen Aktau-Astrachanund Aktau-Machatschkala.Eine besonders bedeutsame Richtung in denbeidseitigen Beziehungen ist die Erreichungeiner möglichst hohen Integration. Im Rah-men der Euroasiatischen Wirtschaftsge-

meinschaft bewegen sich Kasachstan undRussland auf die Schaffung eines gemein-samen Wirtschafts-, Zoll-, Informations- undBildungsraumes zu. 2010 wurde gemeinsammit Belarus die Zollunion geschaffen.Grundlage der militärischen Zusammenar-beit sind der Vertrag über die militärischeZusammenarbeit und das Abkommen überdie militärisch-technische Zusammenarbeitvom 28. März 1994. Am 11. September 2009wurde in Orenburg das Zwischenregie-rungsabkommen über die Umsetzung desTätigkeitsprogrammes der militärisch-tech-nischen Zusammenarbeit und des Program-mes der Rüstungslieferungen bis 2012 un-terzeichnet.Die Antidrogenbehörden beider Länder ar-beiten eng im Kampf gegen den Drogen-schmuggel aus Afghanistan und bei derSchaffung eines Antidrogengürtels um Af-ghanistan zusammen.Die Zusammenarbeit zwischen den Grenzre-gionen entwickelt sich dynamisch. Das VI.Forum der zwischenregionalen Zusammen-arbeit fand am 11. September 2009 unterTeilnahme der Präsidenten beider Länder inOrenburg statt. Zum VII. Forum traf man sichvom 6. bis 7. September 2010 in Öskemen.Es stand unter dem Motto „Zusammenarbeitim Bereich der beschleunigten Entwicklungund der Hochtechnologien”. Unterzeichnetwurden drei Abkommen.Es entwickeln sich die traditionsreichenmenschlichen und kulturellen Beziehungen.Im Oktober 2007 wurde das Regierungspro-gramm über Zusammenarbeit 2008 bis 2011unterzeichnet, das Projekte in den BereichenBildung, Kultur, Massenmedien, Tourismus,Gesundheit, Jugend und Sport vorsieht. Vom hohen Stand der Beziehungen zeugt,dass der erste Auslandsbesuch des russischenPräsidenten Dmitri Medwedjew im Mai 2008nach Kasachstan führte. Allein im Jahre 2010trafen sich die Präsidenten sieben Mal. Dasletzte Treffen fand im September 2010 inSemipalatinsk statt. 27 Abkommen wurdenunterzeichnet.

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Die Beziehungen zu ChinaDie Entwicklung gutnachbarschaftlicher undfreundschaftlicher Beziehungen zu China isteine der Prioritäten der Außenpolitik Ka-sachstans. Wichtige Etappen waren die Si-cherheitsgarantie der Atommacht China fürKasachstan (1995), die Lösung der Grenz-fragen (1999), das Protokoll über die De-markationslinie der Staatsgrenze (2002) unddas Abkommen über das Grenzregime (2006).Bedeutsam sind der Vertrag über gute Nach-barschaft, Freundschaft und Zusammenar-beit, die Strategie der Zusammenarbeit im21. Jahrhundert, die Konzeption der wirt-schaftlichen Zusammenarbeit und das Pro-gramm der Zusammenarbeit im Nichtroh-stoffsektor. Auch in den Jahren 2009 und2010 entwickelten sich die Beziehungen dy-namisch, wie man an den zahlreichen Be-suchsterminen auf hoher und höchster Ebe-ne ablesen kann. Eng kooperieren beide Län-der in der Shanghai-Organisation und denVereinten Nationen. China unterstützt dieOrganisation der Konferenz für Zusammen-arbeit und vertrauensbildende Maßnahmenin Asien sowie die Treffen der Führer derWelt- und traditionellen Religionen, die In-itiativen Kasachstans sind.Unter den asiatischen und osteuropäischenStaaten hält China mit Blick auf das Han-delsvolumen nach Russland stabil den zwei-ten Platz im kasachstanischen Außenhandel.Der Anteil liegt bei fünfzehn Prozent. Im Jah-re 2008 belief sich der Außenhandel nachkasachstanischen Angaben auf 12,4 Milliar-den Dollar. 2009 waren es 9,5 MilliardenDollar, davon entfielen 5,9 Milliarden Dollarauf den Export und 3,6 Milliarden Dollar aufden Import. Von Januar bis August 2010 wur-de bereits ein Volumen von 8,64 MilliardenDollar verzeichnet. Kasachstan exportierteWaren im Wert von 6,43 Milliarden Dollarund importierte Waren im Wert von 2,21Milliarden Dollar. Der hohe Exportanteil gehtvornehmlich auf die Lieferung von Mineral-produkten (61,8 Prozent) sowie Metallen undMetallprodukten (30,3 Prozent) zurück.

Eine wachsende Dynamik der Zusammenar-beit ist im Energiesektor zu beobachten. DasChinesische Nationale Erdöl- und Erdgasun-ternehmen (CNPC) nimmt in der kasachsta-nischen Förderindustrie den dritten Platz nach„KasMunaiGas” und „Chevron” ein. Im De-zember 2005 wurde der Bau des ersten Teil-abschnitts der Ölpipeline „Kasachstan-China“von Atasu nach Alaschankou mit einer Längevon 988 Kilometern und einer Kapazität vonzehn Millionen Tonnen abgeschlossen. Die Ka-pazität der Pipeline soll durch den Bau eineszweiten Stranges verdoppelt werden. Im Ok-tober 2005 hatte CNPC für 4,18 MilliardenDollar Aktien von „Petro-Kazakhastan Inc.“übernommen, in deren Besitz sich das Kum-kolsker Erdölvorkommen und die Erdölraffi-nerie in Schymkent befinden. Für 2011 ist dieFertigstellung eines weiteren 700 Kilometerlangen Teilabschnitts der Erdölpipeline „Ka-sachstan-China“ geplant, nämlich von Ken-kijak bis Kumkol. Am 24. September 2009wurde der erste Teilabschnitt dieser Pipelinefertiggestellt. Auch der Bau der Gaspipeline„Kasachstan-China“ wird vorangetrieben. Bis2012 soll die Kapazität bei dreißig MilliardenKubikmeter im Jahr liegen.Dynamisch entwickelt sich die Zusammen-arbeit im Transportsektor. Der Umfang desGüterumschlages per Schiene steigt. Gebautwird eine zweite Eisenbahnverbindung vonShetygen nach Qorgas, die Ende 2011 ihrenBetrieb aufnimmt. Für den Gütertransit perStraße arbeiten beide Länder an der Schaf-fung des Korridors „Westeuropa-Westchina”zusammen. Derzeit wird an drei Straßenab-schnitten in Kasachstan gebaut.Mit der Unterzeichnung des Programmes derZusammenarbeit im Nichtrohstoffsektor imJahre 2008 ist klar, daß sich China viel stär-ker als bisher in die Entwicklung dieses Teilsder kasachstanischen Wirtschaft engagierenwird. Hier sind momentan zwanzig Projektevorgesehen. Am 16. April 2010 hat der ka-sachstanisch-chinesische „CITIC-Kasyna In-vestitionsfonds”, der mit 200 Millionen Dollarausgestattet wurde, seine Arbeit aufgenom-

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men. Der Fonds soll die Entwicklung der Fi-nanzinfrastruktur fördern und Projekte imNichtrohstoffsektor mitfinanzieren. Eine en-ge Zusammenarbeit gibt es in den BereichenStrom, Atomenergie, Kommunikation undalternative Energien. Ende 2008 wurde das Internationale Zen-trum der Zusammenarbeit der Grenzregio-nen in Chorgos auf chinesischer Seite be-reits eröffnet, die Bauarbeiten in Kasachstandauern noch an. Im Dezember 2009 wurdendie Freihandelszonen „Bachty” und „Ala-schankou” geschaffen. Die Zusammenarbeitder Grenzregionen wird gefördert. Kasach-stan ist ein wichtiger Handelspartner des Au-tonomen Uigurischen Gebiets Xinjiang. NachAngaben des Gebiets belief sich der Außen-handel 2009 auf 6,9 Milliarden Dollar, da-von hatte der kasachstanische Export einenAnteil von 5,25 Milliarden Dollar.Aber auch die Zusammenarbeit im kulturel-len und humanitären Bereich wird ausge-weitet. Gegenseitige Tage der Kultur wur-den veranstaltet, es gibt Gastspielreisenkünstlerischer Ensembles, und die Länderpräsentieren sich in diversen Ausstellungen.Wissenschaftler beider Länder arbeiten beider Auswertung von chinesischen Archiv-materialien zusammen. Abkommen wurdenim Bildungsbereich geschlossen, darunterüber die gegenseitige Anerkennung derHochschulabschlüsse. Mehr als 3 000 Ka-sachstaner studieren im Rahmen des „Bola-schak”-Programmes in China. Eröffnet wur-de das Konfuzius-Institut an der EurasischenUniversität in Astana. Kasachstan nahm ander Expo Shanghai-2010 teil. Der Pavillon„Astana – das Herz Zentralasiens” wurde inAnwesenheit von Premierminister KarimMassimow eröffnet. Es war der größte, dendas Land je auf einer Messe gestaltet hat.Der 5. Juni war der Nationale Tag Kasachstans.

Die Beziehungen zu den zentralasiatischen NachbarnDer Initiative Kasachstans für die Vertiefungder regionalen politischen und wirtschaftli-

chen Beziehungen und die Institutionalisie-rung der Integrationsprozesse in Zentralasi-en liegt die neue Etappe der internationa-len Politik zugrunde, die die Festigung dergeopolitischen Position unseres Landes be-inhaltet. Und objektiv nehmen die zentralasiatischenNachbarn eine Schlüsselposition in der au-ßenpolitischen Strategie ein, auch wenn sieim Bereich der Außenwirtschaft keine sogroße Rolle spielen wie etwa Russland, Chi-na oder die EU. Dies ist bedingt durch diegeografische Nähe und die gegenseitigenAbhängigkeiten mit Blick auf Transport undKommunikation sowie Wasser- und Ener-gieressourcen.Die Staaten Zentralasiens positionieren sichimmer mehr als Subjekte der globalen Weltund sind bestrebt, ihre Außenkontakte zu di-versifizieren. Sie weisen Besonderheiten undUnterschiede im politischen System, in derpolitischen Kultur und im sozioökonomi-schen Modell auf. Die inneren Probleme unddie langfristige sozioökonomische Entwick-lung zwingen die Regierungen dazu, nacheffizienten Lösungswegen zu suchen. Indemsie in diverse internationale Beziehungeneintreten, schaffen sie zugleich die Bedin-gungen für die Veränderung der geopoliti-schen Konfiguration Zentralasiens, in der dieregionale Integration den Platz der ambiva-lenten Bevorzugungen verschiedener geo-politischer Zentren der Welt einnehmen kann.Die Realisierung einer Union der Zentral-asiatischen Staaten hängt von der kontinu-ierlichen Bewegung aller Staaten in Rich-tung auf eine Annäherung der nationalenpolitischen und wirtschaftlichen Systeme,der Anpassung der Wirtschaften und Märk-te sowie auf das globale Niveau von Wirt-schaft und Handel ab. Die zentralasiatischeRegion bewahrt derzeit eine relative geopo-litische Stabilität auch dank der koordinier-ten Aktionen zur Gewährleistung der glo-balen Sicherheit im Rahmen der Organisa-tion des Vertrages über kollektive Sicherheitund der Shanghai-Organisation für Zusam-

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menarbeit, staatenübergreifenden Abkom-men und Übereinkünften sowie der ausge-wogenen Außenpolitik mit Blick auf mi-litärpolitische und wirtschaftliche Großmäch-te. Innerhalb der Region bestehen zugleichinnere und Branchenprobleme fort. In derderzeitigen Etappe der regionalen Zusam-menarbeit sind die gemeinsame Koordinie-

rung der Finanz-, Investitions- und handels-ökonomischen Beziehungen sowie der Mi-grationsströme und die gemeinsame Nut-zung der Energie-, Wasser-, Transport- undKommunikationsbereiche aktuell. Trotz dergroßen Möglichkeiten der Integration derzentralasiatischen Republiken wird diesesPotenzial bislang nicht realisiert. Erschwertwurde die Situation im Jahre 2010 durch denSturz des kirgisischen Präsidenten Kurman-bek Bakijew und die Pogrome im Süden desLandes. Als OSZE-Vorsitzender hat Kasach-stan dem kirgisischen Nachbarn höchst-mögliche Unterstützung geleistet und auchfinanzielle und materielle Hilfe, darunterSaatgut, erwiesen.

Die Beziehungen zur EuropäischenUnionDie politischen, wirtschaftlichen und Han-delsbeziehungen zwischen Kasachstan undder Europäischen Union gründen auf dem am23. Januar 1995 in Brüssel unterzeichnetenAbkommen über Partnerschaft und Zusam-menarbeit, das am 1. Juli 1999 in Kraft ge-

treten ist. Aufgrund der Erweiterung der EUwurde im April 2004 in Brüssel das Protokollzu diesem Abkommen unterzeichnet, das dieGültigkeit des Vertrages den Bedingungender erweiterten EU anpasste. Die EU ist ein wichtiger politischer und Wirt-schaftspartner Kasachstans. Astana schenktder Aktivierung des politischen Dialoges mitBrüssel besondere Aufmerksamkeit. Es be-grüßt das Inkrafttreten des Lissabonner Ver-trages, der gerichtet ist auf eine Festigungder Einheit, Zusammenarbeit und Sicherheitnicht nur in Europa, sondern auf dem ge-samten euroasiatischen Kontinent. Die Po-sitionen Kasachstans und der EU stimmen inSchlüsselfragen der internationalen und re-

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Im Rahmen seines Besuches in Brüssel am 26. Oktober 2010 traf Präsident Nasarbajew auch mit EU-Kommissionspräsident Barroso zusammen

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gionalen Politik überein. Astana und Brüsselführen einen engen Dialog im Rahmen in-ternationaler Organisationen und gesamt-europäischer Institutionen. Aktiv entwickeltsich auch die regionale Komponente der Zu-sammenarbeit mit der EU. Ministertreffenim Format EU-Zentralasien sowie reguläreTreffen der Fachministerien finden statt. Ka-sachstan und die EU stimmen überein, dassdie regionale Integration eine Gewähr fürdie Stabilität auf dem euroasiatischen Kon-tinent und der Welt sein wird, wenn trans-nationale Probleme wie die Gewährleistungder Sicherheit, die Grenzverwaltung, dieWahrung des Umweltschutzes und die Ver-waltung der Wasserressourcen gelöst sind. Kasachstan ist interessiert an einer vertieftenZusammenarbeit mit der EU im Bereich desSchutzes der Menschenrechte. Im November2010 fand in Astana bereits die dritte Run-de des Menschenrechtsdialoges zwischen Ka-sachstan und der EU statt.Die Ausweitung und Diversifizierung derWirtschaftspartnerschaft mit der EU ist einwichtiger Faktor für die sozioökonomischeEntwicklung Kasachstans. Das Partnerschafts-abkommen stimuliert den Beitritt des Lan-des zur Welthandelsorganisation (WTO), dadie meisten der in ihm enthaltenen Han-delsbestimmungen auf entsprechenden WTO-Bestimmungen gründen.Im Bereich der Wirtschaft ist Kasachstan derwichtigste Handels- und Investitionspartnerder EU in Zentralasien. Ihrerseits besetzt dieEU den ersten Platz in der Liste der Han-delspartner Kasachstans. Das Handelsvolu-men zwischen Kasachstan und der EU beliefsich nach Angaben des kasachstanischenZollkomitees im Jahre 2009 auf insgesamt28,8 Milliarden Dollar, im ersten Halbjahr2010 waren es bereits 18,6 Milliarden Dollar.Die Länder der EU haben einen Anteil vonmehr als vierzig Prozent am gesamtenAußenhandel Kasachstans. In den Jahren 1993 bis 2007 investierten EU-Länder in die kasachstanische Wirtschaft 51,2Milliarden Dollar. Damit haben Investitionen

aus EU-Staaten einen Anteil von 36 Prozentan allen ausländischen Investitionen in dienationale Wirtschaft. Nach Angaben der Na-tionalbank Kasachstans betrugen die EU-In-vestitionen im 1. Quartal 2010 3,2 Milliar-den Dollar, ein beachtlicher Zuwachs im Ver-gleich zum Vorjahreszeitraum (1,8 Milliar-den Dollar). Neue Perspektiven für die Part-nerschaft im Investitionsbereich bietet dieUnterzeichnung des Rahmenabkommenszwischen Kasachstan und der EuropäischenInvestitionsbank im April 2010. Dieses Ab-kommen ist ein wichtiges Signal für eu-ropäische Investoren. Im Rahmen des Be-suchs von Präsident Nasarbajew in Brüsselam 26. Oktober 2010 wurde eine dreiseitigeAbsichtserklärung zwischen „Samruk-Kasy-na”, der Entwicklungsbank Kasachstans undder Europäischen Investitionsbank mit demZiel einer weiteren Vertiefung der Zusam-menarbeit unterzeichnet.Die von der EU im März 2006 angenomme-ne neue Energiestrategie stellt die Aktualitätdes Ausbaus des strategischen Energiedialo-ges zwischen der EU und Kasachstan unterBeweis. Kasachstan liegt nach Russland undNorwegen auf Platz 3 der Erdöl in die EU lie-fernden Länder, die nicht Mitglied der OPECsind. Österreich bezieht 25 Prozent seinesÖls aus Kasachstan und Rumänien dreißigProzent. Deutschland liegt auf dem viertenPlatz. Die Schweiz auf Platz zwei. Die Zusammenarbeit im Energiebereich um-fasst die Lieferung von Kohlenwasserstoff-ressourcen nach Mittel- und Westeuropa beigleichzeitiger Einbindung europäischer In-vestitionen in den Ausbau der Pipelinein-frastruktur Kasachstans. In den Dialog sindFragen eingeschlossen, die die Erarbeitungund Umsetzung alternativer Varianten derEnergielieferungen auf den Weltmarkt, denTransit und auch den Schutz von Investitio-nen betreffen. Kasachstan schenkt der Umsetzung einesvereinfachten Visaregimes mit der EU großeAufmerksamkeit. Mit einigen Ländern derEU wurden in den vergangenen Jahren be-

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reits entsprechende bilaterale Abkommenunterzeichnet. Mit dem Ziel der weiterenEntwicklung des politischen und ökonomi-schen Dialoges ruft Astana Brüssel auf, diepositiven Erfahrungen in den bilateralen Be-ziehungen auf die gesamte EU auszuweitenund ein vereinfachtes Visaregime einzu-führen.Zur Aktivierung der Zusammenarbeit und zurIntensivierung des Dialoges auf mehreren

Handlungsebenen mit Kasachstan und denanderen Staaten der zentralasiatischen Re-gion schuf die EU im Juli 2005 das Amt desSondervertreters für die Staaten Zentralasi-ens. Als eines der Instrumente der zwi-schenregionalen Zusammenarbeit mit der EUerweist sich der Dialog „EU-Troika – LänderZentralasiens“. Die Treffen im Rahmen die-ses Formats auf Außenministerebene am 28.März 2007 in Astana und am 30. Juni 2007in Berlin waren der Ausarbeitung der Zen-tralasienstrategie der EU gewidmet. Als In-

itiator dieser neuen Strategie trat Deutsch-land hervor, das die EU-Präsidentschaft imersten Halbjahr 2007 innehatte. Die Strate-gie wurde unter aktiver Teilnahme der zen-tralasiatischen Länder erarbeitet und auf derSitzung des Europäischen Rates am 21. und22. Juni 2007 in Brüssel angenommen. Erst-mals erschienen politische Kriterien in einerEU-Bestimmung, in der offen die europäi-schen Interessen und Ziele festgehalten wer-

den und konkrete Bereiche einer intensivenZusammenarbeit benannt sind. Die Ziele der Strategie sehen eine umfas-sende Zusammenarbeit vor, bei der dieSchwerpunkte auf Dialog und Transparenzliegen. Es geht um die Zusammenarbeit infolgenden Bereichen:– Unterstützung der sozialen und wirt-

schaftlichen Entwicklung, des freien Han-dels und von Investitionen;

– Bekämpfung allgemeiner Bedrohungenund Gefahren;

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Das Außenministertreffen EU-Zentralasien in Astana am 28. März 2007 war der Ausarbeitung derZentralasienstrategie der EU gewidmet

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– Bildung und Berufsausbildung;– Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Men-

schenrechte;– Energiewirtschaft;– Schutz der Umwelt.Die EU-Strategie stellt eine wirklichkeitsna-he Konzeption dar, die die grundlegendenRichtungen der Zusammenarbeit widerspie-gelt und konkrete Instrumente ihrer Umset-zung benennt. Dabei entwickelt sich die Zu-sammenarbeit auf bilateraler wie regionalerEbene. Im Rahmen der Strategie wird der all-jährliche Dialog EU-Zentralasien auf der Ebe-ne der Außenminister geführt. Das vierteTreffen fand am 28. April 2010 in Brüsselstatt. Der Besuch des kasachstanischen Prä-sidenten am 25. und 26. Oktober 2010 beider EU – es war bereits sein dritter Besuch –gab einen neuen Impuls in Schlüsselfragender Zusammenarbeit. Neben der Zentralasienstrategie wird dasstaatliche Programm Kasachstans „Weg nachEuropa” 2009 bis 2011 umgesetzt, das diegrundlegenden Richtungen der Zusammen-arbeit zwischen Kasachstan und der EU be-stimmt: Menschenrechte, Rechtsstaatlich-keit und Demokratisierung, Bildung, Unter-stützung der wirtschaftlichen Entwicklung,von Handel und Investitionen, Verstärkungder Energie- und Transportverbindungen,Umwelt und Verwaltung der Wasserressour-cen, Kampf gegen die neuen Herausforde-rungen und Bedrohungen. Mit der Umset-zung dieses Programmes wird eine stabileBasis für die Entwicklung einer umfassen-den Zusammenarbeit mit den EU-Staatengeschaffen. Unterzeichnet sind die Verträge über die stra-tegische Partnerschaft mit Frankreich, Spa-nien und Italien.

Die Beziehungen zu DeutschlandZwischen Kasachstan und Deutschland gibtes keine Streitfragen, die Haltungen ingrundlegenden internationalen Fragen stim-men überein oder ähneln einander. Seit derAufnahme diplomatischer Beziehungen wird

ein intensiver politischer Dialog auf hoherund höchster Ebene gepflegt, die gegensei-tigen Besuche zeugen von der Dynamik derpolitischen Prozesse. So besuchte PräsidentNasarbajew Deutschland in den Jahren 1992,1997, 2001, 2007 und 2009. Kasachstan emp-fing im Jahre 1995 Bundespräsident RomanHerzog, und im Dezember 2003 kam Bun-deskanzler Gerhard Schröder zum offiziel-len Besuch nach Astana. Der Höhepunkt der kasachstanisch-deut-schen Beziehungen im Jahre 2008 war derStaatsbesuch von Bundespräsident HorstKöhler vom 2. bis 4. September. Der Besuchstand unter dem Motto „Bildungsbrücken imHerzen Asiens”, berührte aber auch vielfäl-tige Fragen der bilateralen Zusammenarbeitund der internationalen Politik sowie denOSZE-Vorsitz Kasachstans im Jahre 2010. Ein-mal mehr wurde das Interesse deutscher Un-ternehmen an der Diversifizierung der ka-sachstanischen Wirtschaft unter Beweis ge-stellt. Unterzeichnet wurde eine Vereinba-rung über die Gründung der kasachstanisch-deutschen Handelskammer und die Eröff-nung einer Vertretung der HandelskammerKasachstans in Berlin. Herausgegeben wur-de die Gemeinsame Erklärung über die Part-nerschaft für die Zukunft sowie über die Zu-sammenarbeit im Innovations- und Investi-tionsbereich bis 2011. Die Länder kooperie-ren bei der Förderung der Kasachstanisch-Deutschen Universität, die den Status einerInternationalen Universität erhielt. Verein-bart wurden die Eröffnung einer Vertretungdes kasachstanischen „Bolaschak”-Bildungs-programmes sowie die Durchführung desJahres Kasachstans in Deutschland im Jahre2009 und des Jahres Deutschlands in Ka-sachstan im Jahre 2010.Der letzte Besuch von Präsident Nasarbajewin Berlin fand im Februar 2009 anlässlich derfeierlichen Eröffnung des Kasachstan-Jah-res in Deutschland statt. Im Rahmen diesesJahres hat sich die Republik in Deutschlandin rund hundert Veranstaltungen in fast al-len Bundesländern präsentiert. Empfangen

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wurden offizielle Delegationen, veranstaltetwurden Wirtschaftsforen und Wirtschafts-tage wie auch Symposien zu politischen undgesellschaftlichen Themen. Zahlreiche Ver-träge wurden unterzeichnet. Es gab Konzer-te der klassischen Musik wie der traditio-nellen Volksmusik, Theateraufführungen undAusstellungen, darunter zur dekorativ-an-gewandten und zur modernen Kunst. Ein-geladen wurde zu den kasachstanisch-deut-schen Weltraumtagen. Unterzeichnet wur-de das Programm der zukünftigen Zusam-menarbeit zwischen den Außenministern bei-

der Länder. Eröffnet wurde die Vertretungder Handels- und Industriekammer Kasach-stans in Berlin.Am 3. Februar 2010 wurde in Astana von derStaatsministerin im Auswärtigen Amt Cor-nelia Pieper das Deutschland-Jahr in Ka-sachstan eröffnet. In dessen Rahmen wur-den unter anderem die Open-Air-Ausstel-lung „United Buddy Bears”, das DeutscheFilmfest, Konzerte, der deutsch-kasachsta-nische Dialog zur kooperativen Berufsaus-bildung und der deutsch-kasachstanischeInnovationsdialog durchgeführt.

Am 18. Juli 2010 fand der offizielle Besuchvon Bundeskanzlerin Merkel in Kasachstanstatt, in dessen Verlauf neun zwischenstaat-liche und 42 wirtschaftliche Vereinbarungenund Verträge im Umfang von insgesamt 2,2Milliarden Euro unterzeichnet wurden. Ver-einbarungen wurden im Bereich der Ausbil-dung kasachstanischer Manager in Deutsch-land sowie in den Bereichen Landwirtschaft,Umweltschutz, Prävention und Katastro-phenmanagement, Gesundheit und Ansied-lung von Gemeinschaftsunternehmen un-terzeichnet.

Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit unterzeichnete mitseinem kasachstanischen Amtskollegen dasAktionsprogramm über die Zusammenarbeitim Umweltschutz. Beispiel der Zusammen-arbeit ist die am 26. Mai 2010 von der ka-sachstanischen Botschaft in Berlin zusam-men mit dem Naturschutzbund NABU ver-anstaltete Aktion zur Rettung des Aralsees„Aus Wasser wird Wüste – das Leben mit derUmweltkatastrophe”, die im November 2010in Stuttgart, München und Hannover fort-gesetzt wurde.

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Feierlicher Abschluss des Kasachstan-Jahres in Deutschland im Berliner Haus der Kulturen der Welt

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Das von den Gesundheitsministerien beiderLänder unterzeichnete Aktionsprogramm bie-tet ein breites Spektrum der Zusammenar-beit, einschließlich der Weiterbildung ka-sachstanischer Ärzte, des wissenschaftlichen,fachlichen und Erfahrungsaustausches zwi-schen medizinischen Einrichtungen undKrankenhäusern beider Länder sowie die

Durchführung medizinischer Workshops fürÄrzte aus Kasachstan.Beide Staaten sind an der Zusammenarbeitin strategisch wichtigen Bereichen wie demBildungswesen und der Weltraumforschunginteressiert. Die Kasachstanische Abylai-Khan-Universität für Internationale Bezie-hungen und Weltsprachen und die Nationa-le Al-Farabi-Universität unterzeichneten mitder Justus-Liebig-Universität Gießen ein Ab-kommen über eine intensivere Zusammen-arbeit. Gefördert werden sollen der interna-tionale akademische und kulturelle Austauschsowie die Entwicklung gemeinsamer Projek-te. Das Unternehmen „Kasachstan Garysch Sa-pary” und die deutsche OHB System AG un-

terzeichneten eine Vereinbarung über dieZusammenarbeit bei der Erforschung undfriedlichen Nutzung des Kosmos. OHB Sys-tem in Bremen bietet fortschrittliche Tech-nologien für die Produktion von Kleinsatel-liten. Ein wichtiges Thema waren der Ausbau derHandels- und Wirtschaftsbeziehungen und

die Überwindung der Wirtschaftskrise. In Ka-sachstan sind etwa 800 Unternehmen mitBeteiligung deutschen Kapitals registriert.Insgesamt werden 1 500 stabile Partner-schaften verzeichnet. Der Umfang deutscherInvestitionen in die Wirtschaft Kasachstanshat vier Milliarden Dollar überschritten. Ka-sachstan hat in die deutsche Wirtschaft 3,8Milliarden Dollar investiert. Deutschland liegt auf Platz 5 der Handels-partner Kasachstans nach Russland, China,Italien und Frankreich. Im Jahre 2008 betrugder Warenumsatz zwischen Kasachstan undDeutschland 6,1 Milliarden Euro. Mit derWirtschaftskrise sank das Handelsvolumenim Jahr 2009 auf 3,7 Milliarden Euro. VonJanuar bis Juli 2010 erreichte der bilaterale

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Kasachstans Außenminister Kanat Saudabajew trifft seinen deutschen Amtskollegen Guido Westerwelle

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Handel bereits ein Volumen von 2,8 Milliar-den Euro. Kasachstan ist heute der viert-wichtigste Erdöllieferant Deutschlands. Bun-deskanzlerin Merkel erklärte auf dem Wirt-schaftsforum in Astana: „Kasachstan ist daswirtschaftliche Kraftzentrum Zentralasiensund für Deutschland mit Abstand der wich-tigste Wirtschaftspartner in der Region. DerHandel mit Kasachstan steht für neunzig

Prozent des deutschen Handelsvolumens mitder Region und für 75 Prozent der deutschenExporte nach Zentralasien.” Für eine effektive Koordinierung der Wirt-schafts- und Handelsbeziehungen wird derWirtschaftsrat „Kasachstan-Deutschland” ge-bildet. Von deutscher Seite werden der Ost-und Mitteleuropaverein e. V. (OMV), der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft sowiedie Delegation der deutschen Wirtschaft fürZentralasien und der Deutsche Wirtschafts-klub in Kasachstan vertreten sein.Es wurde vereinbart, mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Automatisie-

rung IFF eine Partnerschaft zur Entwicklungder angewandten Forschungen einzugehen.Der Verband Deutscher Maschinen- und An-lagenbau (VDMA) wird hoch qualifizierte Be-rater für Fragen der Entwicklung des Ma-schinenbaus nach Kasachstan entsenden. Deutsche Firmen haben sich in jüngster Zeitin Kasachstan neue Tätigkeitsfelder erschlos-sen. Die Kasachstanischen Eisenbahnen und

Siemens haben ein Memorandum über dieZusammenarbeit unterzeichnet. Siemens und„KazTurboRemont” haben das Abkommenüber die Montage von Hightech-Gasturbi-neneinheiten für die Erdöl- und Gasindustriein Atyrau unterzeichnet. Siemens will zudemmit der Nationalen Medizinischen Holdingbei der Wartung von medizinischen Ausrüs-tungen und bei der Ausbildung von Perso-nal zusammenarbeiten. Die Linde AG hat ei-nen Vertrag über die Installation modernerKläranlagen bei „ArcelorMittal Temirtau” un-terzeichnet. Das sächsische UnternehmenTAKRAF beteiligt sich an der Modernisierung

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Am 18. Juli 2010 fand der offizielle Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Kasachstan statt

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der beiden Schaufelradbagger im Steinkohle-tagebau „Bogatyr”. Ein Gemeinschaftsunter-nehmen zur Produktion von Eisenbahn-schwellen aus Beton wird gegründet. Diedeutsche Roth & Rau AG plant, das erste So-larkraftwerk in Kasachstan zu bauen, die Um-setzung ähnlicher Projekte bietet auch „cen-trotherm”. Die Hamburger LACA will die Pro-duktion von Windenergieanlagen in Ka-sachstan vorantreiben. Die Hammer FunkeKunststoffe GmbH plant Investitionen in denBau eines Betriebes für die Produktion vonFensterprofilen, Rohren und Fittings ausKunststoff in der Sonderwirtschaftszone„Seehafen Aktau”. Die Landmaschinenpro-duzenten CLAAS und Lemken planen denAufbau von Produktionsstätten in Kasach-stan und die Berliner Biotech United GmbHdie Produktion von Biokraftstoffen.Der Multiplikatoreneffekt der Projekte istunbestreitbar: das Gesamtvolumen der In-vestitionen steigt, die Projekte tragen zurDiversifizierung der kasachstanischen Wirt-schaft und ihrer Modernisierung bei, neueArbeitsplätze werden geschaffen.Aktuelle Fragen der Handels- und Wirt-schaftsbeziehungen, das Verzeichnis prio-ritärer Projekte sowie gemeinsame Maß-nahmen wie etwa die „Tage der Wirtschaft”und die Kooperationsbörse werden in Sit-zungen der kasachstanisch-deutschen Ar-beitsgruppe für Zusammenarbeit in Handelund Wirtschaft erörtert. Regelmäßig werdendie Tage der kasachstanischen Wirtschaft indeutschen Städten veranstaltet, seit 1998werden in Almaty Deutsche Wirtschaftsta-ge durchgeführt.Die interparlamentarische Zusammenarbeitwird ausgeweitet. Bundestagspräsident Nor-bert Lammert führte am 11. Oktober 2010in Astana Gespräche mit Präsident Nasar-bajew, dem Oberhausvorsitzenden Kassym-Jomart Tokajew und dem Unterhausvorsit-zenden Oral Muchamedshanow.Zur Vertiefung der Beziehungen trägt dasInstitut der Honorarkonsuln Kasachstans inDeutschland bei.

Einen besonderen Platz nimmt die deutscheDiaspora in Kasachstan ein, die heute noch180 000 Angehörige zählt. Die eine MillionDeutschen, die Kasachstan verlassen habenund in Deutschland leben, bilden eine Brückezwischen beiden Ländern. Mit dem Ziel, dieInteressen der deutschen Diaspora in Kasach-stan zu unterstützen, wurde die kasachsta-nisch-deutsche Zwischenregierungskom-mission für Fragen der ethnischen Deutschenin Kasachstan gebildet.Aktiv werden die Beziehungen im Bereichvon Kultur und Bildung entwickelt. An deut-schen Universitäten studieren mehr als 800kasachstanische Studierende.Im Kulturbereich wurde in Deutschland dasProjekt „Perlen Kasachstans” unter Beteili-gung junger musikalischer Talente aus Ka-sachstan, die in Deutschland studieren, mitgroßem Erfolg realisiert. Die Herausgabe vonBüchern im Rahmen der „Kasachischen Bi-bliothek” wird fortgesetzt, um dem deut-schen Lesepublikum Werke bekannter kasa-chischer Autoren näherzubringen. Veröf-fentlicht wurden unter anderem „Der ster-bende See” von Abdischamil Nurpeissow, „DasMinarett oder das Ende einer Legende” vonAbisch Kekilbajew, „Abai. Zwanzig Gedich-te” in der Nachdichtung von Leonard Kos-suth, „Der Aufstand der Sanftmütigen” vonMuchtar Auesow und „Beichte der Steppe”von Tachawi Achtanow. Im Jahre 2009 sindOlschas Sulejmenows „Eine Minute Schwei-gen am Rande der Welt” und Herold Belgers„Das Haus der Heimatlosen” erschienen. ImJahre 2010 folgte Fariza Ungarsynowas Ge-dichtsammlung „Nah will ich der Sonne sein”.

Die Beziehungen zu den USADie USA waren das erste Land, das die Un-abhängigkeit Kasachstans noch Ende 1991anerkannt und diplomatische Beziehungenaufgenommen hat. Zwischen Kasachstan undden USA wurde eine strategische Partner-schaft geschlossen, die sich auszeichnetdurch ein weites Spektrum der Beziehungenund vertiefte Formen der partnerschaftli-

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chen Zusammenarbeit. Washington be-trachtet Kasachstan als einen hoffnungs-vollen und perspektivreichen Partner, als Mo-tor für Wirtschaftswachstum und Reformenin Zentralasien. Während des Besuches vonPräsident Nasarbajew in den USA vom 26.bis 29. September 2006 wurde die gemein-same Erklärung über die weiteren Perspekti-ven der Beziehungen unterzeichnet, was ei-

ne weitere Vertiefung der strategischen Part-nerschaft mit Blick auf den Dialog im Be-reich Energie, militärische Zusammenarbeit,Handel und Investitionen sowie Demokrati-sierung bedeutete. Die USA unterstützen denBeitritt Kasachstans zur Welthandelsorgani-sation. Kasachstan beteiligt sich als Verbün-deter der USA am Kampf gegen den Terro-rismus und am Wiederaufbau des Irak sowiean der Stabilisierung der Situation in Af-ghanistan. Vom 11. bis 14. April 2010 nahm PräsidentNasarbajew am Gipfel zur Atomsicherheit inden USA teil. Er traf sich mit US-PräsidentBarack Obama, dem US-Minister für Ener-

gie und Leitern großer Konzerne. Unter-zeichnet wurden eine Gemeinsame Erklä-rung der beiden Staatschefs, ein Überein-kommen über die wissenschaftlich-techni-sche Zusammenarbeit sowie ein Memoran-dum zwischen den Kasachstanischen Eisen-bahnen und General Electrics. Die zahlrei-chen Treffen auf Regierungsebene zeugendavon, dass die Partnerschaft lebendig ist.

Auch die Beziehungen zwischen dem ka-sachstanischen Parlament und dem US-Kon-gress verlaufen auf hohem Niveau.Die USA sind ein wichtiger HandelspartnerKasachstans. Der Außenhandel belief sich imJahre 2009 auf 2,05 Milliarden Dollar, davonhatte der Export einen Anteil von 612,6 Mil-lionen Dollar und der Import von 1,39 Mil-liarden Dollar. Die USA haben damit einenAnteil von 2,8 Prozent am gesamten Außen-handel Kasachstans. Im Zeitraum Januar bisJuli 2010 erreichte der Außenhandel 1,18Milliarden Dollar, davon entfielen 565,7 Mil-lionen Dollar auf den Export und 620 Mil-lionen Dollar auf den Import. Das sind 2,4

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Vom 11. bis 14. April 2010 nahm Präsident Nasarbajew am Gipfel zur Atomsicherheit in den USA teil.Er traf sich unter anderem mit US-Präsident Barack Obama und Leitern großer Konzerne

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Prozent des gesamten kasachstanischen Au-ßenhandels. Der Rückgang in den Außen-wirtschaftsbeziehungen ist verbunden mitden Auswirkungen der Weltwirtschaftskriseund der neuen Forderung der öffentlich-rechtlichen Export-Import-Bank der USA,daß in den Handelsbeziehungen mit US-Un-ternehmen staatliche Garantien Kasachstanserforderlich sind. Die USA sind ein ausgesprochen wichtigerInvestor in die kasachstanische Wirtschaft.Die Direktinvestitionen aus den USA belie-fen sich zum März 2010 auf 34 MilliardenDollar. Das sind 17,89 Prozent aller auslän-dischen Kapitaleinlagen in Kasachstan. Seit 2006 wird in Zusammenarbeit mit derUS-Regierung das Programm der wirt-schaftlichen Entwicklung umgesetzt. Auf In-itiative Kasachstans wurde dieses Programmbis 2012 verlängert. Es zielt auf die Diversi-fizierung der kasachstanischen Wirtschaft,die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeitund die Erreichung eines stabil hohen Wachs-tums. Eine wichtige Initiative für die Entwicklungund Stimulierung des Handels war die Um-setzung des Rahmenabkommens über Han-del und Investitionen (TIFA) zwischen denUSA und den fünf zentralasiatischen Repu-bliken. Die letzte Sitzung in diesem Formatfand vom 8. bis 11. Oktober 2009 in der US-Hauptstadt Washington statt.Seit 2008 weiten sich die zwischenregiona-len Beziehungen zwischen beiden Ländernaus, so zwischen dem Gebiet Mangystau unddem US-Bundesstaat Louisana. 2010 wurdein Astana eine Handelsvertretung des US-Bundesstaates North Dakota eröffnet. Breit aufgestellt ist die Zusammenarbeit zwi-schen beiden Ländern im Erdöl- und -gas-sektor. Führende Positionen in Kasachstan ha-ben Konzerne wie „Chevron/Texaco”, „Exxon-Mobil”, „ConocoPhillips” und „Orix/Kerr-Mc-Gee”. US-Konzerne sind in praktisch alleGroßprojekte eingebunden, darunter „Ten-gisChevroil”, „Agip KCO”, das VorkommenKaratschagank und das Kaspische Pipeline-

konsortium. Allein „TengisChevroil” hat ei-nen Anteil von zwanzig Prozent an den ka-sachstanischen Erdölförderungen.Seit März 2002 arbeitet die kasachstanisch-amerikanische Sonderkommission für Ener-giepartnerschaft. Gebildet wurden vier Ar-beitsgruppen, die sich mit der Erdöl- undErdgasindustrie, der Stromenergie, der Atom-energie und dem Umweltschutz befassen.2009 wurde das erste Investitionsforum inden USA durchgeführt, am 8. und 9. No-vember 2010 fand das zweite Investitions-forum statt, das dem Thema der beschleu-nigten industriell-innovativen Entwicklungbis 2014 gewidmet war. Im militärischen Bereich erfolgt die Zusam-menarbeit im Rahmen des Fünfjahresplanes„Über die militärische Zusammenarbeit”. Dererste Plan wurde von 2003 bis 2007 umge-setzt, der derzeitige ist auf 2008 bis 2012ausgelegt. Dieser sieht unter anderem dieSchaffung von Friedenskräften, den Ausbauder Kriegsmarine, die Stärkung der Luftab-wehr, die Zusammenarbeit bei der Personal-ausbildung und beim Personaltraining sowieder Sprachausbildung vor. Die Realisierungder Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen un-terschiedlicher Programme, darunter das Pro-gramm der internationalen militärischenAusbildung und Trainings, der Bekämpfungdes Terrorismus, im Rahmen der Globalen In-itiative für Friedenseinsätze sowie im Pro-gramm „Ausländische Militärfinanzierung”.Eine Zusammenarbeit zwischen beiden Län-dern im Militärbereich erfolgt zudem im Rah-men des Individuellen Partnerschaftsplanesder NATO.

Kasachstan in internationalen Organisationen In der globalisierten Welt wächst wie nie zu-vor die Bedeutung internationaler Organi-sationen in Fragen wie Unterstützung derglobalen und regionalen Stabilität und Si-cherheit, der Armutsbekämpfung, der Hilfs-leistungen für die sich entwickelnden undEntwicklungsländer, des Klimawandels so-

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wie der Entwicklung der Zusammenarbeitzwischen Staaten und Völkern im politischen,wirtschaftlichen, Wissenschafts-, Bildungs-und Kulturbereich. Diese Tendenzen sind ob-jektiv gegeben. Sie spiegeln die Realitätender multipolaren Welt wider. Nur in ge-

meinsamer Anstrengung kann man den neu-en Bedrohungen begegnen und zu Friedenund Fortschritt beitragen.

Kasachstan und die VNUnter den internationalen Organisationenbesetzt die Organisation der Vereinten Na-tionen (VN) den ersten Platz, zu denen Ka-sachstan seit den ersten Tagen seiner Unab-hängigkeit enge Beziehungen gesucht hat.Seit 1992 besteht die Vertretung Kasachstansbei den Vereinten Nationen und haben dieVereinten Nationen eine Vertretung in Ka-sachstan eröffnet. Kasachstan arbeitet in un-terschiedlichen Organisationen, Program-

men, Fonds und Kommissionen mit, darun-ter dem VN-Entwicklungsprogramm, demVN-Bevölkerungsfonds, der UNESCO, demVN-Frauenfonds, UNICEF, der VN-Organisa-tion für industrielle Entwicklung, dem Ho-hen Flüchtlingskommissariat, der Konferenz

für Handel und Entwicklung sowie der In-ternationalen Arbeitsorganisation. Kasach-stan ist Mitglied der Internationalen Atom-energiebehörde und der Internationalen Or-ganisation für zivile Luftfahrt. Es nimmt ander Arbeit der Lebensmittel- und Landwirt-schaftsorganisation und der VN-Organisati-on für Gesundheitsschutz teil. Für Astanawichtig sind zudem die Kommission für Wirt-schaft und Soziales in Asien und im Pazifik-raum und das VN-Sonderprogramm für dieVolkswirtschaften Zentralasiens.Nach Meinung der kasachstanischen Füh-rung setzt eine stabile Entwicklung unter denBedingungen der Globalisierung vor allem

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In seiner Rede vor der 62. Sitzung der VN-Vollversammlung unterstrich Präsident Nasarbajew dieWichtigkeit, die Kasachstan dieser internationalen Struktur beimisst

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eine Stärkung der zentralen Rolle der Ver-einten Nationen in allen Bereichen des in-ternationalen Lebens voraus. Doch erfordertdies auch eine Anpassung ihrer Arbeitsme-chanismen und -methoden an die neuen Be-dingungen. In dieser Hinsicht ist nach Mei-nung Kasachstans bereits viel geleistet wor-den. Im Rahmen der Vereinten Nationen wur-den eine Kommission für Friedenssicherungund der Menschenrechtsrat geschaffen.Durchgeführt wurden Reformen der Verwal-tung der Organisation. Jedoch muss nochmehr getan werden. Vor allem geht es umdie Reform der Tätigkeit der wichtigstenStrukturen der Vereinten Nationen, nämlichder Vollversammlung und des Sicherheitsra-tes. Nach Meinung des offiziellen Astanabremst das Fehlen von Fortschritten in die-sen Fragen ernsthaft die institutionellen Re-formen, was wiederum negative Folgen fürdie Bewahrung der internationalen Stabi-lität und Sicherheit sowie der weltweitenEntwicklung haben könnte. Die äußeren Be-dingungen haben sich in den mehr als sech-zig Jahren der Existenz der Vereinten Natio-nen stark verändert. Statt 51 Mitgliedernzählt die Organisation heute 191 Mitglieder.Beachtlich hat sich ihr Tätigkeitsbereich er-weitert. Diese Umstände erfordern auch ob-jektiv eine geografische Erweiterung undAufstockung der Zahl der Mitglieder des Si-cherheitsrates, der eine zentrale Rolle in Fra-gen der Wahrung des Friedens und der in-ternationalen Sicherheit spielt.

Kasachstan und die OSZEDiese Umstände spiegelt auch die Bewer-bung Kasachstans um den Vorsitz der Orga-nisation für Sicherheit und Zusammenarbeitin Europa (OSZE), der Kasachstan im Jahre1992 beigetreten ist, für das Jahr 2009 wi-der. Fand die Bewerbung für 2009 noch kei-ne Mehrheit, beschloss der Ministerrat derOSZE auf seiner 15. Tagung im November2007 in Madrid, den Vorsitz für das Jahr 2010an Kasachstan zu vergeben. Aus Sicht Ka-sachstans bedarf es einer Reihe von Refor-

men der Organisation und stehen viele Pro-bleme auf der Agenda. Verwiesen sei auf dieAuseinandersetzungen um den „huma-nitären“ Korb, insbesondere mit Blick aufWahlen und Wahlbeobachtung. Die Bedeu-tung der OSZE in Fragen der Sicherheit undder Wirtschaft sinkt beziehungsweise wirdvon der Nato und der EU dubliert, in die je-doch ein Teil der OSZE-Mitgliedsstaaten nichteingebunden ist. Die Hauptziele des OSZE-Vorsitzes hat Präsident Nasarbajew im Jah-re 2006 formuliert. Dazu zählen langfristi-ge Sicherheit und Stabilität in der zentral-asiatischen Region, was die Sicherheit im ge-samten OSZE-Raum festigen wird. Kasach-stan will eine engere Zusammenarbeit mitder Organisation des Vertrages über kollek-tive Sicherheit, der Shanghai-Organisationfür Zusammenarbeit und der Konferenz fürZusammenarbeit und vertrauensbildendeMaßnahmen in Asien initiieren. OSZE-Er-fahrungen sind für die Arbeit dieser vonAstana initiierten Organisation durchaus vonNutzen. Weitere Ziele sind die Entwicklungdes Dialoges der Zivilisationen, was insbe-sondere mit Blick auf ethnische und zwi-schenkonfessionelle Konflikte von hoher Be-deutung ist, die Erhöhung der Effizienz derOSZE durch einen wahrhaft gleichberech-tigten Dialog, der den euroatlantischen undden eurasischen Raum zusammenführt, dieRealisierung sozioökonomischer Programmein Afghanistan sowie die Entwicklung derTransport- und Kommunikationsinfrastruk-turen im zentralasiatischen Raum. Kasachstan führt den OSZE-Vorsitz in einerhistorisch komplizierten Periode dieser Or-ganisation. Das Land selbst hat sich mit dem2008 angenommenen Programm „Weg nachEuropa” 2009 bis 2011 auf diese Aufgabevorbereitet. In diesem sind die Prioritätenwie folgt definiert: weitere Entwicklung de-mokratischer Institute im OSZE-Raum, Ent-wicklung des Transit- und Transportpoten-zials, Festigung des Vertrauens und der re-gionalen Sicherheit, Lösung der ökologischenProbleme, Entwicklung der nichtmilitärischen

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Sicherheitsaspekte in der Arbeit der OSZE,Wiederaufbau Afghanistans sowie nicht zu-letzt Nutzung des OSZE-Potenzials beim Auf-bau eines sicheren und stabilen Zentralasiens. Am 5. Februar 2010 erläuterte der OSZE-Vor-sitzende Kanat Saudabajew die Prioritätendes kasachstanischen Vorsitzes vor dem Si-cherheitsrat der Vereinten Nationen, dazuzählen Afghanistan, die eingefrorenen Kon-flikte, darunter im postsowjetischen Raum,

das Vorantreiben des Dialoges zur europäi-schen Sicherheit im Rahmen des Korfu-Pro-zesses sowie Toleranz und Nichtdiskriminie-rung. Als eines der wichtigsten Ziele be-nannte er die Durchführung eines ordentli-chen OSZE-Gipfels, der am 1. und 2. De-zember 2010 stattfinden wird. Vom 29. bis30 Juni 2010 fand in Astana die Konferenzüber Toleranz und Nichtdiskriminierung statt.Am 17. Juli 2010 fand in Almaty ein infor-melles Treffen der Außenminister der OSZE-Mitglieder statt, im Laufe dessen über die

Situation in Kyrgysstan, die Fortschritte imKorfu-Prozess und den OSZE-Gipfel beratenwurde.

Kasachstan und die SWMDAEine der ersten Initiativen Kasachstans, die es1992 in den Vereinten Nationen eingebrachthat, war die Idee, in Asien einen Mechanis-mus der Zusammenarbeit zu schaffen, um dieregionale Sicherheit und Stabilität zu festi-

gen, im folgenden dann Konferenz über Zu-sammenarbeit und vertrauensbildende Maß-nahmen in Asien (SWMDA) genannt. Gegen-wärtig sind zwanzig Länder Mitglied der Kon-ferenz. Beobachterstatus haben neun Staa-ten und internationale Organisationen, dar-unter die Vereinten Nationen und die OSZE.Man kann festhalten, dass diese Initiative ih-re Lebensfähigkeit bewiesen hat und ange-sichts der Komplexität der internationalen La-ge zu einem wichtigen Faktor in den inter-nationalen Beziehungen wurde.

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Am 17. Juli 2010 fand in Almaty ein informelles Treffen der Außenminister der OSZE-Mitglieder statt

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Am 4. Juni 2002 hatten die Führer der damalssechzehn Teilnehmerländer auf der erstenKonferenz Gelegenheit, Fragen der Sicherheitund Stabilität des Kontinents zu erörtern. Da-mals wurde das Gründungsdokument des Fo-rums „Deklaration von Almaty“ unterzeich-net und die Deklaration über die Eliminierungdes Terrorismus und die Unterstützung desDialoges der Zivilisationen verfasst. Das zweite Treffen fand am 17. Juni 2006 inAstana statt. Die von den nun schon acht-zehn Staatsoberhäuptern angenommenenDokumente, darunter der Katalog über ver-trauensbildende Maßnahmen und die Über-einkunft über die Bildung eines Sekretariatsder Konferenz, schufen reale Voraussetzun-gen für den Ausbau der regionalen Zusam-menarbeit und des Dialoges in Asien. Am 25. August 2008 wurden im Rahmen desAußenministertreffens neue Mitglieder auf-genommen: die Vereinigten Arabischen Emi-rate und Jordanien. Katar hat nun Beob-achterstatus. Erstellt wurden Memorandender gegenseitigen Verständigung zwischendem Sekretariat der Konferenz und der Or-ganisation für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung (OECD) sowie zwi-schen der Konferenz und der Verwaltung derInternationalen Organisation für Migration.Darüber hinaus wurde die Deklaration „Fort-schritte der Konferenz für Zusammenarbeitund vertrauensbildende Maßnahmen in Asi-en in der Umsetzung vertrauensbildenderMaßnahmen“ erarbeitet und das Protokollüber Veränderungen, darunter die Verlegungdes Sekretariats der Konferenz aus Almatyin die kasachstanische Hauptstadt Astana,unterzeichnet. Letztere Entscheidung dientder Verbesserung der Zusammenarbeit desSekretariats mit den diplomatischen Missio-nen und Büros der internationalen Organi-sationen, die in Kasachstan akkreditiert sind. Auf dem Gipfel der Teilnehmerstaaten An-fang Juni 2010 übergab Kasachstan den Vor-sitz der Organisation für den Zeitraum 2010bis 2012 an die Türkei. Erstmals nahmen derIrak und Vietnam als neue Mitglieder am

Gipfel teil. Dieser Gipfel stand unter den Be-ratungsthemen atomare Abrüstung, friedli-che Nutzung der Atomenergie und Vertie-fung vertrauensbildender Maßnahmen inAsien über die kulturelle Zusammenarbeit.

Die Euroasiatische Wirtschaftsgemeinschaft Die Euroasiatische Wirtschaftsgemeinschaft(EwrAsES) wurde am 10. Oktober 2000 inAstana als internationale Wirtschaftsge-meinschaft entsprechend des von den Staats-oberhäuptern der Teilnehmerstaaten unter-zeichneten Abkommens über die Gründungder Euroasiatischen Wirtschaftsgemeinschaftgebildet. Teilnehmer sind Belarus, Kasach-stan, Kyrgysstan, Russland und Tadschikistan.Dies war ein wichtiger Schritt zur Vertiefungeiner realen Integration mit der Perspektive,einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu bil-den. Die grundlegenden Aufgaben der Wirt-schaftsgemeinschaft sind:– Vollendung der Ausgestaltung eines um-

fassenden Freihandelsregimes, Festlegungeinheitlicher Zolltarife und Erarbeitung ei-nes einheitlichen Systems für die Regelungder nichttariflichen Bereiche;

– Erarbeitung einer gemeinsamen Positionder Mitgliedsstaaten mit Blick auf die Be-ziehungen zur Welthandelsorganisationund zu anderen internationalen Wirt-schaftsorganisationen;

– Gewährleistung der Wirtschaftssicherheitan den Außengrenzen der Gemeinschaft,Kampf gegen Schmuggel und ähnliche Ar-ten der Rechtsverletzungen;

– Verwirklichung des vereinbarten struktu-rellen Umbaus der Wirtschaft;

– Ausarbeitung und Umsetzung eines ge-meinsamen Programmes der sozialen undwirtschaftlichen Entwicklung;

– Schaffung eines gemeinsamen Marktes derTransportdienstleistungen und eines ein-heitlichen Transportsystems;

– Schaffung eines einheitlichen Energie-marktes;

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– Harmonisierung der nationalen Bildungs-systeme und Förderung von Wissenschaftund Kultur;

– Gewährleistung des gleichen Zuganges zuBildung und zum Gesundheitswesen für al-le Bürger der Teilnehmerstaaten auf demgesamten Territorium der Gemeinschaft;

– Synchronisation der Fristen zur Erfüllungder innerstaatlichen Verfahren für die Um-setzung des Abkommens;

– Gewährleistung der Zusammenarbeit derRechtssysteme der Teilnehmerstaaten mitdem Ziel, im Rahmen der Gemeinschaft ei-nen gemeinsamen Rechtsraum zu schaffen.

Wichtige Frage sind die Regelung des Zu-gangs zu den Arbeitsmärkten der Mitglieds-staaten, die Schaffung neuer Arbeitsplätzeund die Frage der Wirtschaftsmigration. Ge-rade dieses Problem wurde von Präsident Na-sarbajew nicht nur einmal auf die Tagesord-nung gesetzt.Auch geht es um die Realisierung innovati-ver Projekte. Dies wurde auf der Sitzung desZwischenstaatlichen Rates der Gemeinschaftim Februar 2009 einmal mehr betont. Be-schlossen wurde, ein Zentrum für Hoch-technologien zu schaffen, das die Wettbe-werbsfähigkeit und Modernisierung der Teil-nehmerstaaten fördern und zur Diversifizie-rung ihrer Wirtschaft beitragen wird. In der Euroasiatischen Wirtschaftsgemein-schaft wird die Rechtsbasis für die nächsteIntegrationsetappe vorbereitet. Ein einheit-licher Wirtschaftsraum soll entstehen, in demeinheitliche Bedingungen für die Wirtschafts-tätigkeit und den freien Verkehr von Waren,Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskraftgesichert werden. Dies wiederum wird zu ei-ner einheitlichen Struktur-, Innovations-, In-vestitions-, Außen- und Sozialpolitik führen,was in der Perspektive die Basis für eine ver-tiefte Integration – Schaffung einer ein-heitlichen Währungsunion – werden kann.Kasachstan, Russland und Belarus haben seitdem 1. Juli 2010 eine Zollunion gebildet. Diesist ein echter Durchbruch in der Integrationder Gemeinschaft.

In der Zollunion wird eine einheitliche Zoll-verwaltung auf der Grundlage des Zollge-setzbuches angewandt, das entsprechend denBestimmungen der internationalen Konven-tion über die Vereinfachung und Harmoni-sierung der Zollverfahren ausgearbeitet wur-de. Die Beseitigung der Zoll- und Handels-hürden wird zum Wirtschaftswachstum bei-tragen.

Organisation des Vertrages über kollektive SicherheitDer Vertrag über kollektive Sicherheit, deram 15. Mai 1992 in Taschkent geschlossenwurde, spielte eine wichtige Rolle bei derSchaffung der Streitkräfte der Mitglieds-staaten, die den Aufbau ihrer neuen und un-abhängigen Staatlichkeit sichern sollten. Ertrug dazu bei, negativen Folgen des Zerfallsder UdSSR vorzubeugen sowie den Schutzder territorialen Integrität und der Verfas-sungsordnung der Mitgliedsstaaten zu ge-währleisten. Insbesondere wurden dank derMöglichkeiten des Vertrages Ende der 90erJahre eine Reihe von Versuchen extremisti-scher Gruppierungen neutralisiert, die Si-tuation in der zentralasiatischen Region zudestabilisieren. In Reaktion darauf wurde aufdem Minsker Gipfel im Mai 2000 das Me-morandum über die Steigerung der Effekti-vität des Vertrages und seine Anpassung andie veränderte geopolitische Situation an-genommen. Bestätigt wurde das Verfahrenzum Einsatz der kollektiven Streitkräfte, dieSchaffung eines Sekretariats wurde be-schlossen. 2001 wurde in Jerewan der Be-schluss über die Aufstellung einer SchnellenEingreiftruppe gefasst, deren Aufgaben An-titerroroperationen und die Abwehr äuße-rer Militäraggressionen sind. Wichtig im Jah-re 2002 waren die Beschlüsse über die Über-führung des Vertrages in eine internationa-le Organisation und über die militärisch-technische Zusammenarbeit. Gegenwärtigwird der Aufbau integrierter Militärsystemevorangetrieben. Im Jahre 2003 wurde derVertrag in die Organisation des Vertrages

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über kollektive Sicherheit (ODKB) umge-wandelt. Mitglieder sind Armenien, Belarus,Kasachstan, Kyrgysstan, Russland, Tadschi-kistan und Usbekistan. Auf dem MoskauerGipfel im Februar 2009 wurde beschlossen,kollektive Krisenreaktionsstreitkräfte aufzu-stellen. Basis dieser Militärformation sind ei-ne Division und eine Brigade der russischenLuftlandetruppen und eine Brigade der ka-sachstanischen Luftlandetruppen.

Das Auftreten der Organisation auf einerneuen Stufe der regionalen Beziehungen unddie Erweiterung ihrer Tätigkeitsbereiche zeugtzugleich von der Erstarkung ihrer Mitgliederin der internationalen Arena unter den Be-dingungen der sich verändernden geopoli-tischen Lage. Das bestehende Potenzial derODKB und die Erfahrungen, die insbesonde-re im militärpolitischen und im Sicherheits-bereich gesammelt wurden, sowie die Of-fenheit und das Streben nach Herstellungvon Kontakten zu vergleichbaren interna-tionalen Strukturen erlauben es, die Orga-nisation als eines der Elemente einer multi-polaren Welt zu betrachten. Stabile Kontak-te gibt es zu den Vereinten Nationen, zumAntiterrorausschuss des VN-Sicherheitsra-tes, zu den VN-Büros für Drogen- und Ver-brechensbekämpfung sowie zur OSZE.

Für die zentralasiatischen Länder, die an derFestigung der Sicherheit und der Entwick-lung der Integrationsprozesse hohes Inter-esse haben, erweist sich gerade die ODKB alsein die Integrationsprozesse stimulierenderFaktor. Das im Rahmen des Vertrages erwei-terte Verständnis von „kollektiver Sicherheit“schafft in Verbindung mit einer Vertiefungder internationalen Zusammenarbeit vor al-lem im Rahmen der Euroasiatischen Wirt-

schaftsgemeinschaft und der Shanghai-Or-ganisation, die Grundlage für den Aufbaueines kollektiven und effektiven Systems, dasauf beliebige krisenhafte Änderungen derSituation in der Region reagieren kann.In dieser Hinsicht stellt die aktive TeilnahmeKasachstans an der Arbeit verschiedenerStrukturen der Organisation einen wichti-gen Faktor für die Gewährleistung und Um-setzung der nationalen Interessen und derErhöhung des Ansehens des Landes in derinternationalen Arena dar.

Kasachstan und die NATOAm 27. Mai 1994 wurde das Rahmenab-kommen „Partnerschaft für den Frieden” zwi-schen Kasachstans und der NATO unter-zeichnet. 1996 folgten die Abkommen überSicherheit und über den Status der Streit-

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Kasachstan ist Mitglied der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

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kräfte. 1998 nahm die Diplomatische Missi-on Kasachstans ihre Tätigkeit bei der NATOauf. Umgesetzt wurde das auf zwei Jahre an-gelegte Individuelle Partnerschaftsprogramm,in dessen Rahmen Militärangehörige unter-schiedlicher Ränge als Beobachter an Trup-penübungen teilnahmen und in Ausbil-dungsprogramme zur Friedenssicherung derNATO eingebunden wurden. Kasachstan be-teiligte sich an Übungen im Krisenmanage-ment. Die NATO hat die Vorbereitung und

Ausbildung des Zentralasiatischen Bataillonssowie des kasachstanischen Friedensbatail-lons Kasbat unterstützt. Auch leistete sie Un-terstützung bei der Reform der Streitkräfte.Seit Mai 2003 haben die Streitkräfte an vierNATO-Programmen teilgenommen: „Planungmilitärischer und ziviler Aktionen in Katas-trophensituationen”, „Militärische Unter-stützung der Rechtsschutzbehörden”, „Militärund Umwelt” sowie „Medizinische Dienste”.Nach Beratungen am 25. Oktober 2010 inBrüssel hat Kasachstan zugestimmt, einigeSoldaten in den Stab der ISAF-Truppen zuentsenden. Diese werden nicht an Kampf-handlungen beteiligt sein.

Kasachstan und die Shanghai-Organisation für ZusammenarbeitKasachstan tritt ein für die Schaffung vonBedingungen, die Stabilität und Sicherheitnicht nur in der Region, sondern in der mul-tipolaren Welt gewährleisten und den neu-en Gefahren und Bedrohungen auf Basis desinternationalen Rechts begegnen. Eines der Instrumente des Zusammenwirkensund der koordinierten Tätigkeit in dieserRichtung ist die Shanghai-Organisation fürZusammenarbeit (zuvor „Shanghai Fünf”,ShOZ genannt seit dem Beitritt Usbekistansund dem Gipfel 2001), die seit dem Jahre2004 Beobachterstatus bei der Vollver-sammlung der Vereinten Nationen hat und inihrer Tätigkeit einen riesigen Raum von derwestlichen Grenze der Russischen Föderati-on bis ans chinesische Ufer des Stillen Oze-ans erfasst. In diesem Raum lebt etwa einViertel der Weltbevölkerung. Die Teilnehmerstaaten der ShOZ richten ih-re vorrangige Aufmerksamkeit auf Fragender Sicherheit sowie der Festigung des Frie-dens und der Stabilität auf dem euroasiati-schen Kontinent. Erscheinungen wie Terro-rismus, Separatismus und religiöser Extre-mismus stellen eine reale Gefahr für die Be-völkerung der ShOZ-Mitgliedsstaaten dar.Die Gegenwehr gegen das, was wir die drei„Ismen“ nennen, war Schwerpunkt der Tätig-keit der Organisation seit ihrer Gründung. Inder heutigen Etappe stehen zwei strategi-sche Aufgaben im Vordergrund. Dies ist zumeinen die Gewährleistung der regionalen Si-cherheit und zum zweiten der Ausbau derZusammenarbeit in Handel und Wirtschaftsowie im Investitionsbereich. Diese Strategie wurde auf dem ShOZ-GipfelMitte August 2007 in der kirgisischen Haupt-stadt Bischkek bestätigt. Beim Gipfel wurdeerneut darauf verwiesen, dass die ShOZ keinMilitärbündnis und keine geschlossene Alli-anz ist, die sich gegen irgendeinen anderenStaat richtet. Die ShOZ ist eine offene Or-ganisation, die auf eine breite internationa-le Zusammenarbeit orientiert und durchaus

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Am 25. Oktober 2010 traf Präsident Nasarbajew im NATO-Hauptquartier mit NATO-Generalsekretär Rasmussen zusammen

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die Möglichkeit einer Erweiterung in sichträgt.Kasachstan als wichtiger Lieferant von Ener-gieträgern bekundet sein Interesse, im Rah-men der ShOZ eine einheitliche energetischeInfrastruktur aufzubauen. Hierzu würde dieGründung eines Energieklubs der ShOZ bei-tragen, der Ausgangspunkt für den Weg hinzur Annahme einer Asiatischen Energiestra-tegie sein könnte – ein Projekt, das Astana2007 den Mitgliedsstaaten zur Beratung vor-gelegt hat.Die Staatsoberhäupter der ShOZ haben aufdem Bischkek-Gipfel 2007 drei wichtige Do-kumente unterzeichnet: die Charta der ShOZ,das Abkommen über die regionalen Antiter-rorstrukturen und die Gemeinsame Erklä-rung der Staatsoberhäupter der ShOZ.Wichtiges Ergebnis des Gipfels 2008 inDuschanbe 2008 waren das GemeinsameKommuniqué, das vorsieht, eine Experten-gruppe zu bilden, die sich mit der Entwick-lung der ShOZ, darunter in der Frage der Zu-sammenarbeit mit den Beobachterstaaten,widmen wird. Die Duschanbe-Erklärung warder Krise in Südossetien gewidmet und for-derte die Seiten zum friedlichen Dialog auf,um die bestehenden Probleme zu lösen. Auchreagierte die ShOZ mit einer Erklärung aufdie Weltwirtschaftskrise, darin setzt sie sichfür eine gemeinsame Währungs- und Fi-nanzpolitik ein, für die Kontrolle von Kapi-talbewegungen sowie die Gewährleistungder Produktions- und Energiesicherheit.Zum Abschluss des ShOZ-Gipfels im russi-schen Jekaterinburg am 16. Juni 2009 wur-de die Erklärung von Jekaterinburg verab-schiedet, die einmal mehr die Verpflichtungzur Friedenswahrung und Abrüstung beton-te und für eine Intensivierung der interna-tionalen Zusammenarbeit als alternativlosesInstrument bei der Lösung der gegenwärti-gen Probleme warb. Den Vorsitz 2010 hatte Usbekistan inne, dasam 11. Juni 2010 zum Gipfel nach Taschkenteinlud. Diskutiert wurden Schlüsselfragender Region und globale Angelegenheiten.

Man verständigte sich auf die Festigung dergegenseitigen Unterstützung, die Auswei-tung der Zusammenarbeit im Kampf gegenTerrorismus, Separatismus und Extremismussowie andere destabilisierende Faktoren, dieerweiterte Zusammenarbeit bei der Über-windung der negativen Folgen der globalenFinanz- und Wirtschaftskrise sowie den ge-meinsamen Ausbau der Infrastruktur. Be-stätigt wurden gemeinsame Programme inden Bereichen Transport, Kommunikation,Handel und Investitionen. Im Jahre 2011 gehtder Vorsitz an Kasachstan über.Im Rahmen der Shanghai-Organisation wer-den jedes Jahr Militär- und Antiterrorübun-gen durchgeführt, wie auch Übungen der Ka-tastrophenschutzdienste der Mitgliedsstaaten.In den letzten Jahren wurden die interna-tionalen Kontakte der Organisation wesent-lich ausgeweitet und gefestigt. Die Mongo-lei erhielt im Jahre 2004 als erster Staat ei-nen Beobachterstatus bei der ShOZ, anderegroße Staaten – Pakistan, Iran und Indien –folgten im Jahre 2005 auf dem Gipfel inAstana. Belarus und Sri Lanka haben offizi-ell ihren Wunsch geäußert, Beobachter zuwerden – in Jekaterinburg erhielten sie denStatus von Dialogpartnern. Großes Interessean der Tätigkeit der ShOZ haben Nepal, dieGUS und die EU, das Entwicklungsprogrammder Vereinten Nationen und die Organisati-on des Vertrages über kollektive Sicherheit. Im Herbst 2005 wurde vom ShOZ-Sekreta-riat das Memorandum über gegenseitigesEinvernehmen mit den Sekretariaten derASEAN und der GUS geschlossen, im Mai mitdem Integrationskomitee der EuroasiatischenWirtschaftsgemeinschaft. Unterschriftsreifist das Protokoll über die Zusammenarbeitzwischen ShOZ und ODKB. Im Januar 2007 wurde Bulat Nurgalijew, einVertreter Kasachstans, zum Generalsekretärder ShOZ berufen. Am 1. Januar 2010 hatder Kirgise Muratbek Imanalijew dieses Amtübernommen.Das künftige Zusammenwirken der ShOZ mitanderen internationalen Strukturen in Asi-

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en und Europa wird in der modernen, sichdynamisch entwickelnden Welt ein gewich-tiger Faktor für die Herausbildung eines glo-balen Systems der Stabilität und Sicherheitunter der Ägide der Vereinten Nationen sein.

Die Beziehungen zur islamischen WeltSeit Erlangung der Unabhängigkeit ist einerder Schwerpunkte der Außenpolitik Kasach-stans der Ausbau der Beziehungen zu denStaaten der moslemischen Welt. Dies erklärtsich daraus, dass der Islam seit Jahrhunder-ten die Religion der Kasachen und vieler in

Kasachstan lebender Völker ist. Darüber hin-aus ist der Islam eng mit der Entwicklungder kasachischen Kultur verbunden. Aus diesem Grunde befördert Kasachstanden kulturellen Dialog und die Festigung dergegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeitmit den islamischen Staaten. Dabei geht esauch um die Entwicklung einer gemäßigtenorthodoxen Religionsbildung einerseits unddie Verhinderung radikal-religiöser Ideolo-gien, die dem traditionellen Islam fremd sind,andererseits. Heute pflegt Kasachstan wirt-schaftliche und kulturelle Beziehungen zuallen wichtigen islamischen Ländern der Welt,darunter zu den arabischen Staaten, der Tür-kei, dem Iran, Indonesien, Pakistan und Ma-laysia. Kasachstan ist Mitglied der Organisa-

tion Islamische Konferenz, die heute 57 Mit-glieder zählt. Kasachstan übernimmt denVorsitz der Organisation im Jahre 2011. DieRepublik arbeitet mit der Islamischen Ent-wicklungsbank zusammen, deren finanziel-le Unterstützung ein bedeutendes Elementunter den ausländischen Investitionen in diekasachstanische Wirtschaft ist. Die islamischen Staaten selbst, vor allem diearabischen, haben einen hohen Anteil an denInvestitionen in die nationale Wirtschaft. Al-lein für den Bau der kasachstanischen Haupt-stadt Astana belief sich die unentgeltliche

Hilfe Saudi-Arabiens bislang auf fünfzehnMillionen Dollar. Kuwait und Oman inves-tierten jeweils zehn Millionen Dollar.Am 17. Oktober 2008 lud Kasachstan zurKonferenz „Gemeinsame Welt – Fortschrittdurch Vielfalt“ ein, an der sich 65 Länder undinternationale Organisationen beteiligten.Im Mittelpunkt stand der zwischenzivilisa-torische Dialog zwischen der moslemischenWelt und dem Westen, zudem die Situationin Afghanistan und dem Iran. Diskutiert wur-den die Möglichkeiten eines dauerhaftenFriedens und von Stabilität sowie über dieQuellen von Islamophobie, Fremdenfeind-lichkeit und „Westphobie“. Verabschiedetwurde die Astana-Erklärung.

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Zweites Treffen der Staatsoberhäupter der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres im Oktober 2007

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Die AusgangslageKasachstan verfügt über beachtliche kohlen-wasserstoffhaltige Ressourcen sowie minera-lische und Metallvorkommen und galt schonzur Sowjetzeit als reiches Land. Kasachstanbesaß eine hoch entwickelte Industrie, vor al-lem Schwerindustrie. Sie war unter der So-wjetmacht grundlegend modernisiert wor-den, die Arbeitskräfte waren hoch qualifiziert.Trotz dieser positiven Ausgangslage stand diekasachstanische Führung Anfang der 90erJahre vor immensen Schwierigkeiten beimAufbau einer neuen Wirtschaft. In den Jahren der Stagnation und der letztenKrisen des Sowjetreiches ging es mit der Wirt-schaft in Kasachstan ebenso wie in allen an-deren Republiken rapide bergab. DestruktiveÜberregulierung, fehlendes Management, for-cierte Zentralisierung, die Orientierung aufMoskau und andere Faktoren zerstörten dasIndustrie- und Agrarsystem in dem Moment,als Kasachstan seine Unabhängigkeit erlang-te. Die Jahre der Perestroika hatten die Wirt-schaft vollends zurückgeworfen. Die Wirt-schaftsbeziehungen zwischen den früherenUnionsrepubliken waren zerstört. Hinzu kamen andere ernste Probleme, die sichals großes Hindernis für die weitere Entwick-lung erweisen sollten, darunter die katastro-phalen ökologischen Probleme und die un-gleiche Entwicklung der Regionen. Schließ-lich waren einige große Landesteile, die einstfür Moskau nicht von Interesse waren, abge-schnitten von den Transport- und Kommuni-kationswegen und verfügten nur über eineschlecht ausgebaute Infrastruktur. Unter Berücksichtigung all dessen bemühtesich Präsident Nasarbajew zum Zeitpunkt derAuflösung der Sowjetunion, die „Scheidung“zwischen den ehemaligen Sowjetrepublikenso schmerzlos wie möglich zu gestalten. Denneine „neue“ Wirtschaftsordnung aufzubauen,ist eine langfristige Aufgabe, die Zeit, gewal-

tige Kraftanstrengungen und viele Ressour-cen erfordert. Daher schlug Präsident Nasar-bajew seit 1991 immer wieder neue Formender Integration und Zusammenarbeit der post-sowjetischen Staaten vor, die einer tatsäch-lichen Unabhängigkeit Vorschub leisten konn-ten. Eine „Scheidung auf Raten“ war die ein-zige Chance, eine schwere Wirtschaftskrise zuverhindern.Fakt ist, dass der Zerfall der UdSSR plötzlichkam und die wirtschaftliche Lage landauf,landab verheerend war. Trotz aller Bemühun-gen, die Wirtschaftsbeziehungen zwischenden ehemaligen Sowjetrepubliken zu bewah-ren oder wiederzubeleben, mussten die Hoff-nungen auf einen Weg der Integration bei-seite geschoben werden. Man sprach von der„Souveränitätsparade“, als jede Republik nurdarauf aus war, sich von den alten „Bruder-völkern“ zu distanzieren. Die Unabhängigkeitwurde durch die Einführung der nationalenWährungen gefestigt. Da machte Kasachstankeine Ausnahme, als es 1993 die nationaleWährung, den Tenge, in Umlauf brachte.

Die WirtschaftspolitikVoraussetzung für die Erfolge Kasachstanswar der sich rasch entwickelnde Energiesek-tor, ausschlaggebend waren jedoch die durch-dachten Reformen, die guten Ernteerträgeund die hohen Investitionen aus dem Aus-land. In den zurückliegenden fast zwanzigJahren realisierte Kasachstan eine Reihe breitangelegter Reformen, die von der sozialisti-schen Planwirtschaft zur Marktwirtschaftführten. Tief greifende Wandlungen in derWirtschaft vollzogen sich vor dem Hinter-grund innenpolitischer Stabilität und fort-schreitender demokratischer Reformen. Die größten Impulse für den Wirtschaftsauf-schwung gaben die erhöhten Förderleistun-gen im Erdölsektor und der Anstieg der Erd-ölpreise. Das reale Wachstum des Bruttoin-landsproduktes betrug im Jahre 2001 13,5Prozent und im Jahre 2002 9,5 Prozent. 2003und 2004 hielt sich das Wirtschaftswachs-tum stabil bei neun Prozent. Im Jahre 2005

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wurden 9,4 Prozent und im Jahr 2006 10,7Prozent Wachstum verzeichnet. 2007 warenes 8,9 Prozent und 2008 3,3 Prozent. Im Jah-re 2009 wuchs die Wirtschaft um 1,2 Prozent.Die niedrigen Zuwachsraten der letzten bei-den Jahre sind den Auswirkungen der globa-len Finanz- und Wirtschaftskrise geschuldet.Für das Jahr 2010 wird wieder ein Wachstumvon rund sieben Prozent prognostiziert.Die reichen Naturvorkommen waren einegute Grundlage für Reformen, doch war al-len klar, dass diese nicht nur gewaltige Chan-cen, sondern auch große Risiken für ein sichentwickelndes Land bargen. Aus diesem Grun-de setzte die politische Führung zu keinemZeitpunkt nur auf den Abbau und die Verar-beitung der Naturressourcen. Die Privatisierung begann im Jahre 1991. Wa-ren bis 1991 neunzig Prozent der Wirtschaftin staatlichem Eigentum, so überwiegt heu-te der Privatsektor. Mehr als achtzig Prozentder Unternehmen sind in privaten Händen,ausgenommen sind die strategischen Bran-chen.Im Jahre 1997 war die so genannte kleinePrivatisierung abgeschlossen. Sie führte zuhöherer Effektivität und steigender Produk-tion. Die Auszahlung der Löhne und Gehälterstabilisierte sich. Im Jahre 2000 war die zwei-te Privatisierungsetappe abgeschlossen. Instrategisch wichtigen Wirtschaftszweigenblieben die Unternehmen in staatlichem Ei-gentum, so bei Förderung, Transport und Ver-arbeitung von Öl und Gas, im Eisenbahn- undFlugverkehr, in der Energiewirtschaft undbeim Uranabbau. Alle staatlichen Konzernesind offene Aktiengesellschaften und imFonds „Samruk-Kasyna” vereinigt. 1997 legte die politische Führung das Ent-wicklungsprogramm „Kasachstan – 2030“ vor,mit dem eine neue Etappe der Wirtschafts-reformen eingeleitet wurde. Im Rahmen desEntwicklungsprogrammes änderte sich dieTätigkeit der staatlichen Organe, die den neu-en Anforderungen gerecht werden mussten.„Höchste Priorität hat die Schaffung einesSystems, in dem jedes Ministerium und jede

Behörde die Arbeit so gestalten, dass wir je-den Tag, jeden Monat, jedes Jahr Schritt fürSchritt dem gesteckten Ziel näher kommen“,heißt es in der Strategie. Basierend auf „Ka-sachstan – 2030” wurden mittelfristige Stra-tegien und Programme ausgearbeitet.Die Krise des Jahres 1998, die den gesamtenRaum der ehemaligen Sowjetunion ergriff,verlief in Kasachstan weniger schmerzlich alsin Russland und anderen postsowjetischenRepubliken. Kasachstan konnte die Krise auchschneller überwinden als andere. Seit 1999 ist das Wirtschaftswachstum sta-bil hoch. Die Dynamik beweist, dass der wirt-schaftliche Niedergang überwunden und einstabiles Wachstum eingetreten ist. Heute steht Kasachstan vor neuen Aufgaben.Orientierungspunkt ist das von Präsident Na-sarbajew am 1. März 2006 in seiner Botschaftan das Volk gestellte Ziel, Kasachstan zu ei-nem der fünfzig wettbewerbsfähigsten Län-der der Welt zu machen. Ausgearbeitet wur-de eine Industrie- und Innovationsstrategiebis zum Jahre 2015. Die Priorität besteht in der konsequentenModernisierung der Wirtschaft, die Grund-lage für den qualitativen „Durchbruch“ in derWirtschaftsentwicklung ist. Ein „Durchbruch“kann nur unter der Bedingung gelingen, dassdie Volkswirtschaft für die Außenwelt offenist. Sie muss zu einem erfolgreichen und dy-namischen Bestandteil der internationalenWaren-, Dienstleistungs-, Arbeitskraft- undKapitalmärkte sowie des Marktes modernerIdeen und Technologien werden.Eine neue Richtung in der Wirtschaftspolitikist die territoriale Entwicklung, die auf eineausgeglichene wirtschaftliche Entwicklungdes Landes zielt. Die Strategie sieht vor, dieWirtschaftstätigkeit in den entwickelten Ge-bietszentren zu aktivieren und sie zu „Loko-motiven“ der regionalen Wirtschaftsent-wicklung zu machen. Diesbezüglich wurdedie „Territoriale Entwicklungsstrategie bis2015” vorgelegt. Geschaffen wurden regio-nale Entwicklungsinstitute in Form sozialun-ternehmerischer Korporationen (SPK). Diese

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reinvestieren im Interesse der Bevölkerungihre Gewinne in die Lösung sozialer, wirt-schaftlicher oder kultureller Aufgaben in derjeweiligen Region.Eine Aufgabe bleibt, einen hohen sozialenund Lebensstandard für alle Bevölkerungs-schichten zu sichern. Dies unterstrich der Prä-sident in seiner Jahresbotschaft vom 6. Fe-bruar 2008. Das anhaltende Wirtschafts-wachstum erlaubt es, der sozialen Ausrich-tung des Staates deutlich mehr Gewicht zugeben. Wirtschaftlich schwache Bevölke-

rungsgruppen erhalten Kompensationen fürdie mit der Modernisierung der Wirtschaftzusammenhängenden Einbußen. Dies sind et-wa Zuschüsse zu den Renten und Vergünsti-gungen für bestimmte Gruppen von Bürgern.Der Staat gibt Garantien zur Abfederung dersozialen Risiken. Insbesondere junge Famili-en und Familien mit Kindern werden unter-stützt. Schließlich werden konkrete Proble-me, darunter im Gesundheitswesen, beim Zu-gang zu Wohnraum und im Umweltschutz,gelöst.

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zei-tigt auch für die Wirtschaftsentwicklung Ka-sachstans weitreichende Folgen. Die Regie-rung reagierte früh mit Antikrisenprogram-men und Interventionen in das Wirtschafts-geschehen, um die Folgen abzufedern. Ge-schaffen wurde der Fonds des nationalenWohlstands „Samruk-Kasyna”, der die stra-tegischen staatlichen Unternehmen vereintund dem die Investitionstätigkeit des Staa-tes obliegt. Er zeichnet für die Umsetzungvon Antikrisenmaßnahmen sowie für die Aus-

arbeitung und Umsetzung der Entwick-lungsstrategie in Nachkrisenzeiten verant-wortlich. Es geht dabei um die weitere Di-versifizierung der Wirtschaft, die Einführungeiner effektiven Unternehmensführung so-wie die Stabilisierung des Finanz- und desImmobiliensektors. Augenmerk der Regierungliegt aber auch auf dem kleinen und mittle-ren Unternehmertum, zu dessen Unterstüt-zung eine Milliarde Dollar aus dem Natio-nalfonds zur Verfügung gestellt wurde, vor-nehmlich, um bestehende Kredite zu refi-

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1997 legte die politische Führung das Entwicklungsprogramm „Kasachstan - 2030“ auf, mit dem eineneue Etappe der Wirtschaftsreformen eingeleitet wurde

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nanzieren und neue Kredite abzusichern. Fürdie Entwicklung des Agrarindustriekomple-xes wurden eine Milliarde Dollar aus dem Na-tionalfonds und drei Milliarden Dollar ausdem Staatshaushalt bereitgestellt. Damit sollvor allem die Entwicklung der Verarbei-tungsindustrie gefördert werden. Auf den Weg gebracht wurde die Strategieder beschleunigten Modernisierung der Wirt-

schaft, die Präsident Nasarbajew in seinerJahresbotschaft 2009 „Durch die Krise zu Er-neuerung und Entwicklung” vorgestellt hat-te. Der Grundstein für den Übergang zum In-novationsmodell des Wachstums wurde ge-legt. Große Investitionsvorhaben werden der-zeit umgesetzt, und die „Straßenkarte”, dieder Sicherung der Beschäftigung der Bevöl-kerung dient, zeigt positive Ergebnisse. Nichtunwichtig für die Stabilisierung der Wirt-schaft war auch die im Februar 2009 vorge-nommene Abwertung des Tenge. Die natio-nale Währung hatte im Vergleich zum Dollarim Jahre 2008 nur 0,4 Prozent an Wert ver-loren, zugleich aber gegenüber den nationa-

len Währungen vieler Handelspartner Ka-sachstans um zehn Prozent an Wert zuge-legt. Damit sank jedoch die Wettbewerbs-fähigkeit der einheimischen Produkte aufdem Außen- und dem Binnenmarkt. Seit derAbwertung bewegt sich der Tenge stabil zwi-schen 148 und 151 Tenge pro Dollar.Mit der Jahresbotschaft des Präsidenten imJahre 2010 wurde das Strategieprogramm bis

2020 bekräftigt. Schwerpunkte sind die be-schleunigte Industrialisierung, die effektiveNutzung der Ressourcen, die Stimulierungder wissenschaftsintensiven Hochtechnolo-gien, der Ausbau der Infrastruktur und dieFörderung des Humankapitals. Als vordring-lich wird in der Jahresbotschaft die Heran-ziehung ausländischer Direktinvestitionenbetont.

Die WirtschaftsdynamikLag das jährliche Bruttoinlandsprodukt proKopf der Bevölkerung vor achtzehn Jahrenbei etwas mehr als siebzig Dollar, so waren esEnde 2004 bereits 2 700 Dollar und Ende

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Das Bruttoinlandsprodukt hatte 2005 einen Wert von 7 590 Milliarden Tenge (umgerechnet etwa 57,4Milliarden Dollar). 2009 wurden 17 007,6 Milliarden Tenge erreicht (rund 114 Milliarden Dollar)

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2005 3 703 Dollar. Für das Jahr 2006 wur-den 5 291 Dollar verzeichnet und für 2007rund 8 200 Dollar. 2008 lag es bei 8 420Dollar pro Kopf der Bevölkerung. Nach derAbwertung des Tenge auf einen Umrech-nungskurs von 147,50 Tenge für einen Dollarerreichte es 7 257 Dollar im Jahre 2009.Dass die Republik respektable wirtschaftli-che Erfolge vorzuweisen hat, wurde von in-ternationalen Finanzinstituten anerkannt.Kasachstan wurde im Jahre 2002 der Statuseines „Landes mit Marktwirtschaft“ zuer-kannt. Das Bruttoinlandsprodukt hatte 2005 einenWert von 7 590 Milliarden Tenge (umge-rechnet etwa 57,4 Milliarden Dollar). 2006erreichte es 10213 Milliarden Tenge (umge-rechnet 81 Milliarden Dollar), 2007 belief essich auf 12 849 Milliarden Tenge und im Jahr2008 auf 15 679 Milliarden Tenge. Im Jahre2009 wurden 17007,6 Milliarden Tenge er-reicht (umgerechnet rund 114 MilliardenDollar).Als erstes GUS-Land bildete Kasachstan einenNationalen Fonds zur Stabilisierung der so-zialen und wirtschaftlichen Entwicklung so-wie zur Entschärfung negativer äußerer Fak-toren. Zum 1. Januar 2007 waren in diesemFonds 14,74 Milliarden Dollar akkumuliert.Zum 1. Januar 2008 waren es 22,3 MilliardenDollar und zum 1. Januar 2009 32,6 Milliar-den Dollar. Zum 1. Oktober 2010 beliefen sichdie Aktiva des Fonds auf 24,6 Milliarden Dollar.Die Gold- und Devisenreserven, inklusive derMittel des Nationalen Fonds, beliefen sich An-fang 2010 auf 53 Milliarden Dollar.Im Vergleich zu anderen GUS-Staaten hatKasachstan ein sehr liberales Steuersystem.Der einheitliche Einkommenssteuersatz liegtbei zehn Prozent. Die Mehrwertsteuer wur-de 2006 von fünfzehn auf vierzehn Prozentund zum 1. Januar 2009 auf zwölf Prozentgesenkt. Die Gewinnsteuer für Unternehmenwurde zunächst von 26 Prozent auf 21 Pro-zent reduziert. Für 2009 betrug sie zwanzigProzent. 2010 sollten es 17,5 Prozent und2011 fünfzehn Prozent sein. Jedoch wurde

die geplante Absenkung im Oktober 2009ausgesetzt, und bis 2012 gilt der Satz vonzwanzig Prozent. Diese Maßnahme soll zu-sätzliche Einnahmen in den Haushalt spülen,die zur Finanzierung von Investitionsprojek-ten genutzt werden. Im Gegenzug wurde diegeplante Erhöhung der so genannten För-dersteuer für 2010 bis 2012 ausgesetzt. DieSozialsteuer beträgt seit 2009 elf Prozent. Für 2006 bis 2008 war eine Inflation von 5,7bis 7,3 Prozent prognostiziert worden. Al-lerdings lag sie im Jahre 2006 mit 8,6 Pro-zent höher als erwartet. Im Jahre 2008 be-trug sie 9,5 Prozent und im Jahre 2009 7,5Prozent. Im August 2010 lag die Inflation bei5,2 Prozent im Vergleich zum Dezember 2009.Ein Teil der Strategie „Kasachstan – 2030“ istbereits realisiert. In den Jahren der Unab-hängigkeit wurde das System der staatlichenLenkung und des Staatsaufbaus grundlegendverändert. Geschaffen wurden neue Institu-tionen der staatlichen Verwaltung, die Be-ziehungen zwischen Bürgern und Staat wur-den liberalisiert. Doch wie es im Strategie-papier heißt, darf aus der Tatsache, dass demStaat nur eine eingeschränkte Rolle bei derEntwicklung der Marktwirtschaft zukommt,nicht folgen, dass ihm Wille und Kraft ent-zogen werden und er sich in einen passivenBeobachter verwandelt. Im Gegenteil, ermuss stark genug sein, um die Einhaltungder Gesetze zu kontrollieren. Er muss kom-petent und kenntnisreich den Welt- und Bin-nenmarkt einschätzen können, um rechtzei-tig auf Konjunkturveränderungen zu rea-gieren. Er muss die eigene Tätigkeit planen,um Schwächen und Desorganisation zu ver-meiden. Der Staat muss die Interessen derverschiedenen Bevölkerungsgruppen vertre-ten, Entwicklungsprioritäten setzen und mitdem Privatsektor eng zusammenarbeiten,um die Gesellschaft zu konsolidieren. Die Re-formen zur Verbesserung der Tätigkeit derstaatlichen Organe stehen an der Schwelleeiner neuen Etappe der Vertiefung.Der Präsident hatte früh die Schaffung ei-ner „elektronischen Regierung“ in die Dis-

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kussion gebracht, worunter er eine opti-mierte, schlanke Verwaltung versteht, die inihrer Arbeit transparent ist. Diese Aufgabewurde erfüllt. Die weitere Reform des Staats-dienstes richtet sich auf den Kampf gegendie Korruption. Kasachstan ist das erste Landder GUS, in dem ein Antikorruptionsgesetzbeschlossen wurde. Noch vor einigen Jahren hielt so mancherdie in der Strategie „Kasachstan – 2030“ an-gesteuerten Ziele für reine Phantasie. Nie-mand zweifelte an ihrer Notwendigkeit. Aberunwillkürlich tauchten Fragen auf, wie diesalles verwirklicht werden könnte. Doch be-reits heute sind viele der vorgegebenen Zie-le Realität. Die wichtigsten Fragen der wei-teren Entwicklung sind jetzt die Wettbe-werbsfähigkeit Kasachstans in der Weltge-meinschaft, die Wettbewerbsfähigkeit sei-ner Wirtschaft und die Wettbewerbsfähig-keit der Kasachstaner selbst.

Die InvestitionspolitikKasachstan schenkt der Heranziehung vonInvestitionen für die Entwicklung seiner Wirt-schaft große Aufmerksamkeit. Nach Ein-schätzungen internationaler Fachleute sinddie politischen, wirtschaftlichen und finan-ziellen Risiken in Kasachstan bedeutend nied-riger als in anderen GUS-Ländern. Das In-vestitionspotenzial ist groß, die Rechtsbasisund die makroökonomischen Kennziffern fürInvestitionen sind stabil. Die Grundlage fürInvestitionen sind die Gesetze „Über diestaatliche Unterstützung von Direktinvesti-tionen” und „Über Investitionen”. Schätzun-gen zufolge fließen mehr als achtzig Prozentaller ausländischen Investitionen, die in Zen-tralasien getätigt werden, nach Kasachstan.Das Land ist führend in der GUS beim Um-fang der ausländischen Direktinvestitionenpro Kopf der Bevölkerung. Es ist das ersteLand in der GUS, dem ein internationales In-vestitionsrating zugewiesen wurde. In verschiedenen Sektoren der kasachstani-schen Wirtschaft sind die größten interna-tionalen Unternehmen aktiv. Neben den in-

ternationalen Gesellschaften, die in die Erd-öl- und Erdgasindustrie investieren, arbei-ten viele andere Großunternehmen im Lan-de. Geschaffen wurde der Rat ausländischerInvestoren beim Präsidenten, der beratendeund empfehlende Funktion hat. Der Rat setztsich zusammen aus Leitern internationalerWirtschafts- und Finanzorganisationen so-wie ausländischer Unternehmen und Kon-zerne. Er hat fünf Arbeitsgruppen gebildet,die sich mit unterschiedlichen Fragen be-fassen. Im Jahre 2009 wurden 4 585,3 MilliardenTenge ins Grundkapital investiert, im Jahre2008 waren es Investitionen in Höhe von4210,9 Milliarden Tenge. Investitionen fließenvor allem in die Erdöl- und Erdgasindustrie,in das Transport- und Kommunikationswe-sen und in den Immobiliensektor. Jedochsteigt der Anteil der Investitionen in die Ver-arbeitungsindustrie. Von allen Investitionenin das Grundkapital waren 2009 42,7 Pro-zent Eigenmittel der Unternehmen, 23 Pro-zent ausländische Investitionen, 19,9 Pro-zent staatliche Mittel und 14,4 Prozent An-leihen.Mehr als sechzig Länder investieren heute indie Wirtschaft Kasachstans. Insgesamt flos-sen bis Ende 2008 120 Milliarden Dollar aus-ländische Investitionen nach Kasachstan. Al-lein 2008 beliefen sich die ausländischen Di-rektinvestitionen auf 19,8 Milliarden Dollar.Im Jahre 2009 waren es 18,4 Milliarden Dollarund im ersten Quartal 2010 5,2 MilliardenDollar. 2009 waren die größten Investorendie Niederlande (6,14 Milliarden Dollar), dieUSA (1,91 Milliarden Dollar), Frankreich (1,3Milliarden Dollar), die British Virgin Islands(1,17 Milliarden Dollar) und Großbritannien(900 Millionen Dollar). Wichtige Investorenwaren zudem die Kanalinseln (708 MillionenDollar), Italien (653 Millionen Dollar), dieRussische Föderation (574 Millionen Dollar),Japan (570 Millionen Dollar) und Deutsch-land (281 Millionen Dollar).2009 flossen vier Milliarden ausländische Di-rektinvestitionen in den Erdöl- und Erdgas-

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sektor, in die gesamte Förderindustrie 4,54Milliarden Dollar, in die Industrieproduktion1,44 Milliarden Dollar, in den Wohnungsbau,Gewerbe- und Immobiliensektor 10,6 Milli-

arden Dollar, in den Handel 1,2 MilliardenDollar, in Transport und Kommunikation 271Millionen Dollar und in die Bauindustrie242,3 Millionen Dollar.Die aktive Rolle des Staates in der Investiti-onspolitik spiegelt sich in den Entwick-lungsinstitutionen wider, deren Tätigkeit aufdie Umsetzung der Strategie der Industrie-und Innovationsentwicklung bis 2015 ge-richtet ist. Zu diesen Institutionen zählenunter anderem die Bank für Entwicklung undder Innovationsfonds, in deren Kapitalaus-stattung mehr als eine Milliarde Dollar ausstaatlichen Mitteln geflossen sind und die inden vorrangigen Richtungen außerordent-liche Vergünstigungen gewähren.

Vor dem Hintergrund der Weltwirtschafts-krise hatte die kasachstanische Regierung be-schlossen, die Holdings „Kasyna” und „Sam-ruk” im Zuge der Maßnahmen zur Unter-

stützung der einheimischen Wirtschaft inden Staatsfonds „Samruk-Kasyna” mit einemGesamtkapital von vierzig Milliarden Dollarumzuwandeln. Teile der Einnahmen aus demErdölexport fließen seitdem in diesen Staats-fonds. Aus dem Fonds werden festgelegteSummen in den Staatshaushalt transferiert,für 2009 7,03 Milliarden Dollar, für 2010 8,97Milliarden Dollar und für 2011 8,4 Milliar-den Dollar.Schwerpunktbereiche für Investitionspro-jekte sind große Vorhaben im Pipeline-, Ei-senbahn- und Straßenbau, in der Kommu-nalwirtschaft, in der Verarbeitungsindustrie(insbesondere Chemie- und Erdölchemiein-dustrie sowie Maschinenbau), in der Bau-

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Mehr als sechzig Länder investieren heute in die Wirtschaft Kasachstans. Insgesamt flossen bis EndeMärz 2010 rund 145 Milliarden Dollar ausländische Investitionen in die Wirtschaft

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stoffindustrie und im Tourismus. Zur Förde-rung der Investitionstätigkeit wurden meh-rere Sonderwirtschaftszonen geschaffen, ge-fördert werden Cluster, die der wirtschaftli-chen Diversifizierung des Landes dienen.

Kasachstan als Investor im AuslandKasachstan verfügt über ein großes Potenzial,um als Investor im Ausland aufzutreten undunternimmt viele Anstrengungen, um einegegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit mitseinen Nachbarn zu entwickeln. Im Jahre 2006 wurde gemeinsam mit derRussischen Föderation die Eurasische Bankfür Entwicklung gegründet, die mit einemStammkapital von 1,5 Milliarden Dollar aus-gestattet wurde. Sie ist ein Instrument zurLösung konkreter Aufgaben im Rahmen derEuroasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft.Die Bank unterstützt den Ausbau der Han-dels- und Wirtschaftsbeziehungen sowie dieUmsetzung von Investitionsvorhaben undEntwicklungsprogrammen innerhalb der Ge-meinschaft. Kasachstan verfolgt eine Politik der wirt-schaftlichen Integration, darunter auch imRahmen des Einheitlichen Wirtschaftsrau-mes. Seine auswärtige Investitionspolitik wirdsich vor allem in diese Richtung entwickeln.In den Jahren 2004 bis 2009 flossen Brutto-direktinvestitionen in Höhe von 14,15 Mil-liarden Dollar aus Kasachstan ins Ausland.Davon allein im Jahre 2009 5,05 MilliardenDollar. 4,5 Milliarden Dollar wurden in denNiederlanden investiert, 177 Millionen Dollarin den USA und sechzig Millionen Dollar inder Russischen Föderation. Die kasachstani-schen Investitionen fließen vor allem in denHandel, darunter von Erdölprodukten.

WirtschaftszweigeIn wirtschaftlicher Hinsicht ist Kasachstanein zweigeteiltes Territorium mit Merkma-len eines entwickelten und eines sich ent-wickelnden Landes. Für ein entwickeltesLand sprechen die hohe Alphabetisierungs-quote, das hohe Niveau der allgemeinen

Schul- und der Hochschulbildung, die Ar-beit der wissenschaftlichen Forschungsins-titute, darunter im Bereich der Weltraum-forschung. Die Rohstoffausrichtung, der Be-darf an ausländischen Investitionen und amImport moderner Technologien und vonAusrüstungen sowie die rückständige In-frastruktur sind hingegen für ein sich ent-wickelndes Land typisch. Noch unzureichendentwickelt ist die verarbeitende Industrie.Auf die Förderung dieser und anderer In-dustriezweige wird im Rahmen des Indus-trie- und Innovationsprogrammes großerWert gelegt. Die kasachstanische Industrie kann voll-ständig auf eigene Rohstoffe zurückgreifen.Das Land besitzt erhebliche Vorräte an Koh-le, Erdöl und Erdgas. Es liegt auf Platz einsweltweit mit Blick auf die Zink-, Baryt- undWolframvorkommen, auf Platz zwei mit Blickauf Silber, Blei und Chrom, auf Platz dreinach seinen Mangan-, Kupfer- und Fluorit-vorkommen und auf dem vierten Platz mitseinen Molybdänlagerstätten. In Kasachstanlagern 25 Prozent aller Uranvorkommen undacht Prozent aller Eisenerze weltweit.Die Industrieproduktion hatte 2009 nachAngaben des Amtes für Statistik einen An-teil von 30,6 Prozent am Bruttoinlandspro-dukt. Sie hatte einen Umfang von 9121,5Milliarden Tenge. Die Bergbau- und För-derindustrie erwirtschaftete einen Anteilvon rund 5 500 Milliarden Tenge und dieVerarbeitungsindustrie von 3 000 Milliar-den Tenge. Im Zeitraum Januar bis August2010 belief sich das Industrievolumen auf7 467 Milliarden Tenge.

Brennstoffenergiekomplex. Kasachstan isteine wichtige Brennstoff- und Energieregion.Der Brennstoffenergiekomplex umfasst dieBrennstoffindustrie und die Elektroenergie.Bereits in der Vorkriegszeit entstand im Lan-de eine bedeutende Kohle- und Erdölbasis.

Kohleindustrie. Kohle ist derzeit der wich-tigste Wärmespender der Republik. Die Vorrä-

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te liegen bei 140 Milliarden Tonnen. Im Jah-re 2009 belief sich die Förderung auf 100,9Millionen Tonnen Kohle, nach 111 MillionenTonnen im Jahre 2008. Im Zeitraum Januarbis August 2010 wurden siebzig MillionenTonnen Kohle gefördert.Die Kohleindustrie nahm 1931 mit dem Baudes Ural-Kusnezker Kombinats ihren Anfang,

damals wurde durch den Sondererlass dersowjetischen Regierung „Über den Abbauder Kohle- und Koksreserven des Landes“ dasKohlebecken Karagandy zum Hauptlieferan-ten von Kohle für die Metallurgiewerke imSüden und Norden des Urals bestimmt.Das Steinkohlebecken von Karagandy gilt alsdie wichtigste Brennstoffbasis der Republik,es liegt in Zentralkasachstan nahe der StadtKaragandy. Hier werden Koks- und hoch-wertige Steinkohle abgebaut. Die Kohle-schichten sind anderthalb bis fünfzehn Me-ter dick und liegen bis in eine Tiefe von 300

Metern. Die Hauptabnehmer sind zahlreicheIndustriezentren in Kasachstan, im Südural,in den zentralasiatischen Nachbarrepublikenund teilweise in der Wolgaregion. Das zweitwichtigste Kohlebecken ist das vonEkibastus. Es befindet sich im Nordosten un-weit der Stadt Pawlodar. Hier handelt es sichum einmalige Vorkommen hoch qualitativer

Kohle, die in Schichten von hundert Meternund näher an der Oberfläche liegen. Die Koh-le wird ausschließlich im Tagebau gewon-nen. Daher der geringe Selbstkostenpreis, der65 Prozent unter dem von Karagandy liegt.Hier existiert das weltweit größte Kohlevor-kommen „Bogatyr“ mit einer Abbaukapa-zität von fünfzig Millionen Tonnen Kohle proJahr. Der Kohleabbau in den Tagebauen „Se-werny“ und „Wostotschny“ steigt an. Als preiswerte Basis für die Elektroenergie-erzeugung wird die Kohle von Ekibastus inzwanzig Elektrokraftwerken Nordkasachstans

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Das zweitwichtigste Kohlebecken ist das von Ekibastus. Es sind einmalige Vorkommen hoch qualitativer Kohle, die ausschließlich im Tagebau gewonnen wird

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sowie den russischen Nachbarregionen inWestsibirien und im Ural genutzt. Wegen ih-res hohen Aschegehaltes lohnt es allerdingsnicht, die Kohle aus Ekibastus weit zu be-fördern. Deshalb ist man darum bemüht, sievor Ort für die Energiegewinnung einzuset-zen. Hier sind die Kohlekraftwerke GRES-1und die erste Stufe von GRES-2 in Betrieb.Die hier erzeugte Elektroenergie versorgtnicht nur Teile Kasachstans, sondern wirdüber Hochspannungsleitungen auch in denUral und ins Zentrum des europäischen TeilsRusslands geleitet. Braunkohle kommt ausdem Maikuben-Vorkommen und aus demTurgai-Braunkohlebecken.

Weitere Bergbauindustrien. Kasachstan liegtweltweit auf Platz zwei mit Blick auf seineUranvorkommen, die in sechs Rayons desLandes nachgewiesen sind: Schu-Sarysu, Syr-darja, Nordkasachstan, Kaspi, Balchasch undIli. Die staatliche „KasAtomprom” ist der vier-größte Uranförderer der Welt. 2006 wurden5 300 Tonnen Uranerze gefördert, 2007 6 937Tonnen und 2009 mehr als 9 000 Tonnen.Das Volumen soll weiter gesteigert werden.Auch mit Blick auf andere Rohstoffe ist Ka-sachstan führend. So wurden im ZeitraumJanuar bis August 2010 33 Millionen Ton-nen Eisenerze gefördert, davon 26 MillionenTonnen im Gebiet Kostanai, 20,1 MillionenTonnen Kupfererze, darunter 18,6 MillionenTonnen im Gebiet Karagandy, 3,5 MillionenTonnen Aluminiumerze, 2,6 Millionen Ton-nen Manganerze und 3,38 Millionen TonnenChromerze. Darüber hinaus liefert die Berg-bauindustrie Blei, Zink, Phosphat, Salz- undNatriumchlorid sowie andere Rohstoffe inindustriell verwertbarer Menge.

Erdöl- und Erdgasindustrie. Die Republikverfügt heute über 172 Erdölvorkommen, 42Gaskondensatvorkommen und 94 Erdgas-vorkommen mit Reserven von 2,8 MilliardenTonnen Erdöl (laut British Petroleum sogarvon 5,5 Milliarden Tonnen) und 3,3 BillionenKubikmeter Erdgas.

2008 wurden 70,7 Millionen Tonnen Erdölund Gaskondensat gefördert, das war ein Zu-wachs um 4,8 Prozent im Vergleich zum Vor-jahr. Davon waren 58,7 Millionen TonnenErdöl und rund zwölf Millionen Tonnen Gas-kondensat. 60,7 Millionen Tonnen Erdöl undGaskondensat wurden exportiert. Im Jahre2009 belief sich die Fördermenge auf 76,5Millionen Tonnen. Und für 2010 geht das Mi-nisterium für Erdöl und Erdgas von 81 Mil-lionen Tonnen Erdöl und Gaskondensat aus.Gefördert wurden 2008 33 Milliarden Ku-bikmeter Erdgas. Das meiste Erdgas kam ausdem Vorkommen Karatschaganak. Im Jahre2009 wurde die Erdgasförderung auf 35,9Milliarden Kubikmeter gesteigert. Kasachstan ist eine verhältnismäßig jungeErdölregion. Obwohl die beiden ersten Erd-ölfelder Dossor und Makat bereits kurz vordem ersten Weltkrieg entdeckt wurden, wur-de die Erdölförderung erst Anfang der 30erJahre aufgenommen, und bis Mitte der 60erJahre wurde nur in den nicht sehr großenVorkommen im Embinsker Becken und imGebiet Atyrau Erdöl gefördert. Ab 1963 begann die Erschließung der Erd-ölvorkommen in Usen und Shetybai auf derHalbinsel Mangystau. Die Förderung des„schwarzen Goldes“ in der Republik schnell-te rapide in die Höhe, und Mangystau wur-de zur wichtigsten Erdölregion Kasachstans. In den folgenden Jahren wurde Erdöl auchauf der Halbinsel Busatschi aus den Vor-kommen Kalamkas und Karanshanbas ge-fördert. Ende der 80er, Anfang der 90er Jah-re kamen die Erdölvorkommen von Tengis(bei Atyrau), Kumkol (in der Nähe von Bai-konur und im Süden des Turgaisker Tals) unddie Gasvorkommen von Karatschaganak (inder Nähe von Oral) hinzu. Kasachstan besitzt zwei der weltweit größ-ten Erdöllagerstätten – Tengis und Kascha-gan, die beide im Kaspischen Becken liegen.Das Tengis-Vorkommen wurde im Jahre 1979geöffnet, wird aber erst seit 1993 ausge-beutet. Kaschagan wurde erst im Jahre 2000geöffnet. Auch die größten Erdgasvorkom-

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men befinden sich in der Kaspischen Regi-on, vornehmlich ist es das Vorkommen Ka-ratschaganak. Verabschiedet wurde das staat-liche Programm zur Nutzbarmachung derVorkommen im kasachstanischen Teil desKaspischen Meeres.Der starke Erdöl- und Erdgassektor trägt zueinem großen Teil zum Bruttoinlandsproduktund zu den Einnahmen des Staatshaushaltssowie zur Füllung des Nationalen Fonds bei.Rund achtzig Prozent der geförderten Koh-lenwasserstoffe werden exportiert. Natür-lich ist mit diesem Fördersektor auch die Ent-wicklung der Transportwege auf den Welt-markt verbunden.

Pipelinepolitik. Das kasachstanische Pipe-linesystem besteht aus 6 715 Kilometern Erd-ölpipelines und 10138 Kilometern Erdgas-pipelines. Vor der Inbetriebnahme der Erdölpipelinenach China wurde das kasachstanische Erd-öl meistens über Russland durch die Rohr-leitung „Atyrau-Samara“ und die Pipelinedes Kaspischen Pipelinekonsortiums gepumpt.In naher Zukunft sollen 67 Millionen Ton-nen Erdöl durch letztere Pipeline fließen. Sieverbindet die Erdölfelder Westkasachstansmit dem russischen Schwarzmeerhafen No-worossiisk. Im Jahr 2008 wurden 32,8 Ton-nen durch die Pipeline gepumpt. Der Exportüber die Pipeline „Atyrau-Samara” lag 2006bei 15,6 Millionen Tonnen, 2007 bei sech-zehn Millionen und 2008 bei 16,8 MillionenTonnen Erdöl. Die Pipeline soll laut „KasMu-naiGas” und der russischen „Transneft” aufzwanzig Millionen Tonnen Durchlasskapa-zität und weiter auf 25 Millionen Tonnen proJahr aufgestockt werden.Die Pipeline nach China wurde 2006 in Be-trieb genommen. Seit dem 29. Juli 2006 fließtkasachstanisches Erdöl in die Depots dergrößten Erdölraffinerie in Dushanzi im Ui-gurischen Autonomen Gebiet der Volksre-

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Kasachstan besitzt zwei der weltweit größten Erdöllagerstätten – Tengis und Kaschagan, diebeide im Kaspischen Becken liegen

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publik. Ab 2011 sollen zwanzig MillionenTonnen Erdöl jährlich die Pipeline passieren.Im Jahr 2008 wurden rund zehn MillionenTonnen Erdöl befördert.Die 962 Kilometer lange Pipeline läuft größ-tenteils durch Kasachstan und zwar über Ata-su, Agadyr, Aktschatau, Aktogai, Utscharalund Alaschankou, das heißt durch die Ge-biete Karagandy, Ostkasachstan und Alma-ty nach China. Die Kosten in Höhe von 800Millionen Dollar trugen beide Seiten zu glei-chen Teilen, bei einer Investitionsgarantiedes Chinesischen Nationalen Erdölunter-nehmens (CNPC). Im Dezember 2006 wurdezwischen beiden Ländern der Vertrag überden Bau des zweiten Strangs der Pipelineunterzeichnet.Diese Pipeline ermöglicht nicht nur die Di-versifizierung des Erdölexports, sondern auchdie Ausnutzung des durch die geopolitischeLage Kasachstans bedingten Transitpotenzi-als. Der Bau ist nicht nur für Kasachstan vonVorteil, sondern auch eine für Russland po-sitive Transitrichtung. Die Lieferung westsi-birischen Erdöls nach China kann über diePipeline bedeutend erhöht werden. Die Rea-lisierung ermöglicht, die Pipelinesysteme Ka-sachstans, Russlands und Chinas zu verbin-den. Die Arbeiten an der 300 Kilometer lan-gen Strecke vom russischen Omsk nach Ata-su sind abgeschlossen. Atasu wird damit zueinem Knotenpunkt, an dem mehrere Pipe-lines zusammenlaufen.Der Bau der Pipeline nach China war einesder bedeutendsten nationalen Projekte undBeispiel für die erfolgreiche bilaterale Zu-sammenarbeit zwischen beiden Ländern. Die bereits fertiggestellte Pipeline ist abernur ein Teil des großen Pipelineprojektes „Ka-sachstan – China”, das im kasachstanischenHafen Atyrau seinen Anfang nimmt und sichüber Kenkijak und Kumkol nach Atasu zie-hen wird. Die transnationale Rohrleitung ist3 088 Kilometer lang, die Kosten werden aufrund drei Milliarden Dollar veranschlagt. DieDurchlasskapazität kann bis zu fünfzig Mil-lionen Tonnen im Jahr betragen.

Präsident Nasarbajew unterzeichnete am 16.Juni 2006 in Astana mit Aserbaidschan den

Vertrag über den Beitritt zur Baku–Tbilis-si–Ceyhan-Pipeline, die 2005 in Betrieb ge-

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Die bisher erkundeten Erdölreserven belaufensich auf 2,8 Milliarden Tonnen

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nommen worden war. Danach liefert Ka-sachstan zunächst drei Millionen Tonnen Erd-öl pro Jahr, erhöht die Lieferungen dann auf7,5 bis zehn Millionen Tonnen und späterauf bis zu 25 Millionen Tonnen im Jahr.Das Programm „Entwicklung der magistra-len Pipelines 2006 bis 2010” wurde im Jah-re 2005 ausgearbeitet. Für die Erstellung die-ses Programmes wurde der Zustand aller Erd-öl- und Erdgasleitungen analysiert. Den Be-rechnungen nach müssen für die Moderni-sierung des bestehenden Systems rund 110Milliarden Tenge veranschlagt werden. Was die Infrastruktur der Gasleitungen be-trifft, arbeitet Kasachstan ebenfalls an neu-en Exportrichtungen. Über das kasachsta-nisch-russische Gemeinschaftsunternehmen„KasRosGas” exportiert Kasachstan jährlichetwa 6,5 Milliarden Kubikmeter Gas in dieRaffinerie Omsk und nach Europa. Seit Ja-nuar 2004 liefert die Republik Erdgas nachAserbaidschan.In Kasachstan arbeitet die Erdgaspipeline „Zen-tralasien – Zentrum“ (SAZ), die durch Turk-menistan, Usbekistan und Kasachstan ver-läuft und die Gaslieferungen in die Ukraineund nach Russland sichert. Gas wird zudemdurch die Pipelines „Orenburg-Nowopskow”und „Sojus” (Transit von russischem Gas undExport von kasachstanischem Gas), „Bucha-ra-Ural” (Transit von zentralasiatischem Gas)und „Buchara-Taschkent-Bischkek-Almaty”(Import von usbekischem Gas) gepumpt.Die staatliche Gesellschaft für den Erdgas-transport „KasTransGas” plant, die Durchlass-kapazität der Pipeline „Zentralasien – Zen-trum” von 54,9 auf hundert Milliarden Ku-bikmeter pro Jahr zu erhöhen. Für eine Ka-pazitätssteigerung bis achtzig Milliarden Ku-bikmeter im Jahr sind Investitionen in Höhevon zwei Milliarden Dollar, bis 100 Milliar-den Kubikmeter zusätzliche 1,2 MilliardenDollar erforderlich.Insgesamt belief sich der Gastransit über ka-sachstanisches Territorium im Jahr 2009 auf48,88 Milliarden Kubikmeter Gas, davon23,79 Milliarden Kubikmeter russisches Gas,

22,07 Milliarden Kubikmeter turkmenischesGas und 3,09 Milliarden Kubikmeter usbeki-sches Gas.Im Entwicklungsstadium befindet sich derBau einer Erdgasleitung über Kasachstannach Westchina. Mit dieser Pipeline wird dasZiel einer weiteren Diversifizierung der ka-sachstanischen Gasexporte erreicht. Zudemkönnte mehr Transitgas über Kasachstannach China geliefert werden, was dem na-tionalen Haushalt zusätzliche Einnahmenverspricht.Kasachstan hat Interesse an einer Pipelineam Boden des Kaspischen Meeres und be-absichtigt, die Wirtschaftlichkeit des Pro-jektes zu prüfen. Astana ist der Meinung,dass die transkaspische Gaspipeline nebender chinesischen eine Alternative für denErdgasexport sein kann. Sie entspricht denInteressen Kasachstans, die Zusammenarbeitmit der EU zu intensivieren. Die Pipeline sollvon Tengis über Turkmenbaschi, Baku, Tbilissinach Ersurum in der Türkei verlegt werdenund eine Kapazität von zwanzig MilliardenKubikmetern Gas im Jahr haben.Am 20. Dezember 2007 unterzeichneten diePräsidenten Kasachstans, Russlands und Turk-menistans das Abkommen über die Zusam-menarbeit beim Bau der Prikaspisker Erdgas-pipeline. Diese Pipeline steigert das Transit-potenzial Kasachstans um weitere dreißig bisvierzig Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr.

Elektroenergiewesen. Die Elektroenergetikzählt zu den strategischen Wirtschaftszwei-gen Kasachstans. 2008 wurde die Produkti-on auf 80,5 Milliarden Kilowattstunden ge-steigert. Im Jahre 2009 wurden 78,7 Milli-arden Kilowattstunden Strom produziert. Elektroenergie lässt sich aus qualitativschlechten Brennstoffarten gewinnen undohne Verluste mittels Hochspannungslei-tungen über große Entfernungen transpor-tieren. Elektroenergie lässt sich nicht nur inder Industrie und in der Landwirtschaft, son-dern auch im Verkehr und im Alltag nutzen.Deshalb ging man in den ersten Jahren nach

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der Oktoberrevolution von 1917 an die voll-ständige Elektrifizierung des Landes.Die Elektrokraftwerke arbeiten auf Basis ver-schiedener Energiequellen: Kohle, Erdöl, Erd-gas, in den Gebirgsregionen wird vor allemWasserkraft genutzt. Die Wasservorräte Ka-sachstans reichen theoretisch für die Erzeu-gung von 163 Milliarden Kilowattstundenim Jahr.

Das bislang einzige Atomkraftwerk in Ka-sachstan, das seit 1973 in Betrieb ist, befin-det sich in Aktau an der Küste des Kaspi-schen Meeres. Es ist ein Schneller Brutreak-tor, der gleichzeitig Elektroenergie und Pro-zesswärme für eine Meerwasserentsalzungs-anlage erzeugt. Fortgesetzt wird der Bau desAtomreaktors „Tokamak”. Wärmekraftwerke sind am verbreitetsten. Siewerden vorwiegend mit Kohle aus Karagan-dy und Ekibastus betrieben und liefern mehrals achtzig Prozent der gesamten Elektro-

energie. Leistungsstarke Kraftwerke gibt esin jeder Gebietshauptstadt und in den großenIndustriezentren. Die größten stehen in Eki-bastus, Aksu, Shambyl, Karagandy und Al-maty. Wasserkraftwerke liefern rund ein Fünftelder Elektroenergie. Am Irtysch stehen dasBuchtarminsker und das Öskemener Was-serkraftwerk, am Syr-Darja liegt das Tschar-

darinsker und am Ili das KaptschagaiskerWasserkraftwerk. Einige kleinere Wasser-kraftwerke gibt es an den Gebirgsflüssen desRudnyaltai und des Sailiiski Alatau. Abge-schlossen ist der Bau des ersten Abschnittsdes Schulbinsker Wasserkraftwerks in derNähe von Semej, es wird die größte Leistungvon allen Wasserkraftwerken am Irtysch ha-ben.Eine wichtige Aufgabe mit Blick auf dieStromenergie besteht in der Schaffung ei-nes einheitlichen Energiesystems, das sämt-

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Die Elektroenergetik zählt zu den strategischen Wirtschaftszweigen Kasachstans. 2009 wurden 78,7 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert

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liche Kraftwerke in einem gemeinsamenHochspannungsnetz verbindet. Kasachstankann dabei zugleich als Verbindungsgliedzwischen den Energiesystemen des europäi-schen Teils Russlands, Sibiriens und Zentral-asiens dienen. Im Moment funktionieren einige regionaleEnergiesysteme, darunter im Altai, in Zen-tralkasachstan, in Pawlodar und Almaty. Inden 70er Jahren wurde das Nordkasachsta-nische Energiesystem aufgebaut, das dieKraftwerke aller sechs nördlichen Gebiete desLandes verbindet. Dieses Energiesystem istwiederum verbunden mit den Stromkraft-werken Ost- und Mittelkasachstans sowie mitden benachbarten russischen Gebieten. ImSüden ist das Almatinsker Energiesystem überBischkek in Kyrgysstan mit den GebietenShambyl und Südkasachstan sowie der Re-publik Usbekistan verbunden. Das von seinerKapazität her verhältnismäßig schwachewestliche Energiesystem hat eine Verbindungzum Ural, von dort aus über das Wolgage-biet in den europäischen Teil Russlands. Heu-te exportiert Kasachstan aus seinen nördli-chen Gebieten vier Milliarden Kilowattstun-den Strom nach Russland und importiert 1,5Milliarden Kilowattstunden, um den Strom-bedarf im Süden zu decken.Das Potenzial für die Entwicklung der Elek-trizitätswirtschaft ist groß, insbesondere wasdie Windenergie betrifft. Das Land investiertzwei Milliarden Dollar in die Entwicklungvon Windkraftanlagen. Das Geld fließt nichtnur in die technische Entwicklung, sondernauch in die Schaffung der gesetzlichen Ba-sis für die alternative Energiewirtschaft so-wie die Ausbildung von Personal.

Verarbeitende IndustrieDie verarbeitende Industrie ist unter anderemvertreten durch die Metallurgie, den Ma-schinenbau, die Chemische und die Erdöl-chemieindustrie, die Baustoff-, Leicht-, Tex-til- und Lebensmittelindustrie sowie die Pa-pier- und Zellstoffproduktion.

Metallurgie. Kasachstan ist überaus reich anmineralischen Ressourcen. Abgebaut werdenUran, Eisen- und Chromerze, Kupfererze, Zink,Blei, Molybdän, Titan, Manganerze und vie-le andere. Buntmetallurgie. Die Buntmetallurgie hatin Kasachstan einen hohen Entwicklungs-stand. Bereits in den 20er Jahren des 18.Jahrhunderts im Altai bekannt, verbreitetesie sich hundert Jahre später auch in Zen-tralkasachstan. Einen raschen Aufschwungnahm dieser Industriezweig ab 1928, als dieersten großen Betriebe – das LeninogorskiHalbmetallkombinat und das KarsakpaiskerKupferschmelzwerk – gebaut wurden. Seit-dem ging es in Kasachstan mit der Gewin-nung und der Verarbeitung von verschiede-nen Buntmetallen rasch voran.Die hauptsächlichen Segmente der Bunt-metallurgie sind Kupfer, Blei, Zink, Alumini-um und Titan. Die Erze werden in Fabrikenaufbereitet, die oft zu großen Kombinatenzusammengeschlossen sind. Diese Organisa-tionsstruktur hängt mit den Besonderheitender regionalen Rohstoffadern zusammen.Der reine Metallgehalt in den Erzen liegt nurbei einem bis zu sechs Prozent. Deshalb müs-sen die Buntmetalle mehrmals aufbereitetwerden und bilden erst danach Konzentratemit hohem Metallgehalt. In der Regel ent-halten die Erze mehrere nützliche Elemen-te, und jedes wird im jeweiligen Werk nachdem Prinzip der komplexen Rohstoffbear-beitung herausgefiltert. Gewinnung und Schmelze von Kupfer ist inZentral- und Ostkasachstan in den großenKupferschmelzen der Balchaschsker undSheskasghansker Bergmetallurgiekombina-te konzentriert. Sie gewinnen die Rohstoffeaus den Erzen der Bergwerke Kounrad, Sa-jak und Sheskasghan. Die KupferschmelzeIrtysch in der Siedlung Glubokoje und dieKarsakpaisker Kupferschmelze verfügen übergeringere Kapazitäten.Die Blei-, Zink- oder Halbmetallindustrie istvor allem im Osten und Süden der Republikentwickelt. Im Altai (Ostkasachstan) liegen

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das älteste Zentrum dieses Zweiges – Leni-nogorsk – und das jüngste Zentrum – Öske-men. Sie verarbeiten Blei- und Zinkkonzen-trate der dortigen Aufbereitungsfabriken. ImSüden haben wir das Bleiwerk Schymkent,das auf die Vorkommen im Karataugebirgezurückgreift. Zentren der Halbmetallindus-trie sind Tekeli im Dshungarsker Alatau undShairem in Zentralkasachstan.

Neue Zweige der Buntmetallurgie sind dieAluminium- und die Titanverarbeitung. Ih-re Grundlage wurde Mitte der 60er Jahre ge-legt. Die Schmelze dieser überaus ener-gieintensiven Metalle erfolgt in den Städ-ten Pawlodar und Öskemen.

Schwarzmetallurgie. Die Eisenmetallurgieist ein relativ junger Zweig der kasachstani-schen Schwerindustrie. Sie wurde in den Jah-ren des zweiten Weltkrieges aufgebaut undist heute mit Unternehmen des vollständi-gen und unvollständigen Produktionszyklus

vertreten. Produziert werden Gusseisen, Stahl,Walzgut und Eisenlegierungen. Das größte Werk ist das Metallurgiekombi-nat Karagandy in der Stadt Temirtau. Es ver-eint zwei Werke des vollständigen Produk-tionszyklus, in denen aus dem Gebiet Kosta-nai gelieferte Eisenerzkonzentrate verarbei-tet werden, und ein Werk des unvollständi-gen Zyklus, das Metallabfälle weiterverar-

beitet. Das Kombinat liefert Gusseisen, Stahl,Rohre, Schienen und Leichtmetallplatten. Ein anderer wichtiger Zweig der Schwarz-metallurgie ist die Gewinnung und Verar-beitung von Eisenerzen im Kombinat Soko-lowsko-Sarbaisk in der Stadt Rudny sowie inden Bergwerkkombinaten Lissakowsk undKotscharsk im Gebiet Kostanai. Von hier wer-den Millionen Tonnen Eisenerzkonzentratenach Temirtau und ins russische Magnito-gorsk geliefert.Auf gutem Wege ist die hoch qualitativeSchwarzmetallurgie in den Werken in Aktö-

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2008 hatte die Metallurgie einen Umfang von 1 532 Milliarden Tenge. Die Buntmetallurgie hatte daran einen Anteil von 659 Milliarden Tenge

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be und Aksu, die Eisenlegierungen herstel-len. Das erste verarbeitet Chromeisen ausChromtau zu Ferrochrom, das zweite stelltaus Quarzit aus dem Ural Eisensilizium her. Die Erzgewinnung und das Schmelzen vonBunt- und Schwarzmetallen ist das Funda-ment für die Entwicklung des Maschinen-baus. Allerdings ist dieser ungeachtet derMenge an Buntmetallen und der Qualitätdes produzierten Gusseisens und Stahls so-wie der Eisenlegierungen noch zu schwachentwickelt und mit zu wenigen Segmentenvertreten.

Maschinenbau. Die MaschinenbauindustrieKasachstans entstand nach der Revolutionund erlebte vor allem in den Jahren des zwei-ten Weltkrieges auf der Basis der aus den

westlichen und zentralen Regionen des eu-ropäischen Teils Russlands und der Ukraineevakuierten Ausrüstungen eine immense Ent-wicklung. Nach dem Krieg kamen neue Pro-duktionsarten hinzu. Trotzdem entwickelte

sich der Maschinenbau in Kasachstan nachwie vor nur als Komplettierung bereits vor-handener Industriebereiche, die allein dieBedürfnisse des Binnenmarktes befriedigen.Keine einzige Republik in der Sowjetuniondurfte gleichzeitig über sämtliche Segmen-te des Maschinenbaus verfügen. Kasachstanstellte deshalb im Sinne dieser Arbeitstei-lung nur bestimmte Arten von Maschinen-bauerzeugnissen her. In Kasachstan ist der Schwermaschinen-, derLandwirtschaftsmaschinen- und der Werk-zeugmaschinenbau sowie zum Teil der Gerä-tebau und der Bau elektrotechnischer Vor-richtungen besonders entwickelt. Entsprechendden Bedürfnissen der einheimischen Wirt-schaft stellen die Unternehmen Ausrüstun-gen für die Bergbau-, Kohle- und Erdölin-

dustrie, die Metallurgie sowie die Lebens-mittelindustrie her. Produziert werden zu-dem Transport- und Baumaschinen.Bedeutende Zentren der Produktion von In-dustrieausrüstungen sind Almaty, Karagan-

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Besonders entwickelt ist der Schwermaschinen-, der Landwirtschaftsmaschinen- und der Werkzeug-maschinenbau. Produziert werden zudem Transport- und Baumaschinen

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dy, Öskemen, Schymkent und Atyrau. Wich-tig für den Landmaschinenbau sind Pawlo-dar und Astana mit dem Traktorenwerk unddem Werk „Kasachselmasch“. Für den elek-trotechnischen Maschinenbau stehen dieStädte Aktöbe und Taldykorgan mit Werken,die Röntgengeräte und Akkumulatoren her-stellen.Für Kasachstan stellt sich heute vor allemdie Frage nach dem Ausbau einiger neuerZweige des Maschinenbaus, wie beispiels-weise die Produktion von Autos, Mähdre-schern, Rundfunk- und Fernsehgeräten, aberauch Transformatoren und Kondensatoren.Für die weitere Entwicklung des Maschi-nenbaus bedarf es beachtlicher Investitio-nen.

Chemieindustrie.Die Chemieindustrie zählt zu den dyna-mischsten Industriezweigen in der Republikund steht für den wissenschaftlich-techni-schen Fortschritt der kasachstanischen Wirt-schaft. Die Rohstoffvorkommen liefern al-le notwendigen Stoffe: Phosphorite, Schwe-felkies, Baryt, Brom, Koch- und Kalisalze so-wie Natriumsulfat. Verwendung finden Ne-benprodukte der Erdölverarbeitung und derKoksherstellung sowie die Schwefelgase derBuntmetallurgie. Von nicht unerheblicherBedeutung für die Pharmaindustrie sindWild- und Heilpflanzen, zum Beispiel Zit-wer von den Westhängen des Karatauge-birges und Lakritzenwurzeln aus Westka-sachstan.Insgesamt arbeiten mehr als vierzig Che-mieunternehmen im Lande. Zu den großenzählen „KasPhosphat”, „KasAsot”, die Fabrikfür Chromlegierungen Aktöbe und „Nitro-chim”.Gut entwickelt sind die Montanchemiein-dustrie und die basische Chemie, was mitdem Abbau von chemisch wertvollen Roh-stoffen beziehungsweise der Produktion vonMineraldünger sowie anorganischen Phos-phor- und Schwefelsäuren zusammenhängt.Die Zweige der organischen Chemie sind

schwächer ausgeprägt und vertreten durchdie Produktion von synthetischem Kautschuk,Kunstfasern, Polyäthylen und Kunststoffen.Der bedeutendste Betrieb der Montanche-mieindustrie ist das Chemiekombinat Ka-ratau, das Phosphormehl für Phosphordün-ger produziert. In Schymkent und Shambylwurden Werke für Phosphorsalze gebaut. Su-perphosphatwerke gibt es in Shambyl undin Alga, das unweit von Aktöbe liegt. Die Su-perphosphatwerke haben eigene Abteilun-gen für Schwefelsäure, eine unerlässlicheVoraussetzung für die Erzeugung von Su-perphosphaten. Schwefelsäure wird zudemin Öskemen, Leninogorsk, Balchasch undSheskasghan produziert. Vor einiger Zeit wurde die Produktion vonStickstoffdünger aufgenommen. Aus den Ne-benprodukten der Koksherstellung in Temir-tau wird Ammoniumsulfat gewonnen. In klei-nen Mengen fällt im Titanmagnesiumwerkvon Öskemen als Nebenprodukt Kalidüngerab. In Aktöbe existiert das Werk für Chrom-legierungen, in Atyrau das für Polyäthylenund in Aktau das für Kunststoffe.Entwickelt wird die Pharmaindustrie. „Chim-farm” in Schymkent verzeichnet ebenso einWachstum wie „Farmazija” in Karagandy. Mit der wachsenden Erdölförderung ent-wickelt sich auch die Erdölchemie, die in dendrei Ölraffinerien von Atyrau, Pawlodar undSchymkent erfolgt. Zur Rohölversorgung derBetriebe in Pawlodar und Schymkent wur-de die Pipeline Omsk-Pawlodar-Schymkentverlegt. Um den Binnenbedarf noch besserabzudecken, ist ein weiteres erdölverarbei-tendes Werk im Gebiet Mangystau in Pla-nung. Umgesetzt wird das Programm „Entwicklungder Erdölchemieindustrie von 2004 bis 2010“,das bereits gute Ergebnisse brachte. Ver-wirklicht werden Investitionsvorhaben zurSchaffung einer einheimischen Basis vonRohstoffreserven für die Erdölchemiebetrie-be. Gleichzeitig wird die Produktion moder-nisiert, technisch erneuert und erweitert so-wie die Qualität an europäische Standards

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angepasst. Im Gebiet Atyrau wurde der Na-tionale Technopark für die Entwicklung derErdölchemieindustrie geschaffen.

Lebensmittelindustrie. In der Lebensmittel-industrie ist die Fleischverarbeitung führend.Die Betriebe sind relativ gleichmäßig überdie gesamte Republik verteilt, denn Vieh-zucht wird überall betrieben. Es gibt vieleFleischkombinate, die größten in Semej, Pe-tropawl, Oral, Almaty und Kysylorda. Anzweiter Stelle steht die Backwarenprodukti-

on. In fast allen Städten und Dörfern gibt eskleine und große Bäckereien beziehungs-weise Brotfabriken. Ein wichtiger Zweig istdie Herstellung von Molkereiprodukten. Mol-kereien gibt es im ganzen Land, die Haupt-lieferanten sind Betriebe in Nord- und Zen-tralkasachstan, wo die meisten Kühe aufge-zogen werden. In Südkasachstan sind Zucker-fabriken angesiedelt. Andere wichtige Seg-mente der Lebensmittelindustrie sind dieSüßwarenherstellung sowie die Produktionvon Obst- und Gemüsekonserven und imNordteil des Kaspischen Meeres die Fischwirt-

schaft. In der Stadt Atyrau gibt es ein großesFischkonservenkombinat. Hohe Zuwachsra-ten gibt es in der Produktion nichtalkoholi-scher und alkoholischer Getränke, vor allemvon Bier und Likör. Im Süden entwickelt sichzudem die Weinproduktion sehr gut.

Leichtindustrie. Die Leichtindustrie ist we-niger gleichmäßig über das Land verteilt alsdie Lebensmittelindustrie. Von den zahlrei-chen Zweigen ist die Textilproduktion mitBaumwollspinnereien, Wolle-, Tuch-, Walk-

waren-, Trikotage- und Konfektionsproduk-tionen am besten aufgestellt. Weitere Be-reiche der Leichtindustrie sind die Pelzindus-trie, die Holzindustrie sowie die Papier- undZellstoffindustrie. Große Leichtindustriezen-tren sind Almaty, Schymkent, Karagandy,Kostanai, Taras, Petropawl und Oral.

Baustoffindustrie. Die Baustoffindustriebringt Zement, Schiefer, Bauziegel, Kera-mikfliesen, weiches Bedachungsmaterial, Ka-olin und viele andere Baumaterialien auf denMarkt. Zementwerke sind in Schymkent und

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In der Lebensmittelindustrie ist die Fleischverarbeitung führend

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Semej angesiedelt. In der Ziegelproduktionund in der Linoleumherstellung werden neueTechnologien eingesetzt. Geplant ist der Baueiner großen Glasfabrik.

Landwirtschaft. In den Sowjetjahren erleb-te die kasachstanische Landwirtschaft einenungeheuren Aufschwung. Aufgrund der Me-chanisierung und des Baus verzweigter Be-wässerungsnetze wurden aus NomadenLandwirte. Heute produziert die Republik be-deutende Mengen Getreide, Reis, Baumwol-le und Erzeugnisse der Viehwirtschaft. Ka-

sachstan ist heute ein Lebensmittelexpor-teur. In der Landwirtschaft sind 2,3 MillionenMenschen beschäftigt. Diese hohe Zahl istin erster Linie den riesigen landwirtschaft-lichen Nutzflächen zu verdanken, zu denenAckerflächen, Weideflächen und Angerwei-den gehören. Und obwohl 67 Prozent desLandes Wüsten und Halbwüsten, das heißtfür die Landwirtschaft unbrauchbar sind, gibtes ein gewaltiges Agrarpotenzial. Im Jahre2009 waren 214 Millionen Hektar Landwirt-

schaftsfläche ausgewiesen, davon rund 190Millionen Hektar Weidefläche. Auf 17,2 Mil-lionen Hektar wurde Getreide angebaut, da-von auf 14,2 Millionen Hektar Weizen. Auf177 300 Hektar wurden Kartoffeln, auf 1,18Millionen Hektar Ölpflanzen, auf 19000 Hek-tar Zuckerrüben, auf 140 000 Hektar Baum-wolle und auf 112 000 Hektar Gemüse ge-pflanzt. 2010 wurden vor allem die Flächenfür Ölpflanzen und Gemüse erweitert.2003 nahm die Regierung eine der grund-legendsten Reformen in der Geschichte desunabhängigen Staates in Angriff – die Bo-

denreform, mit der zum ersten Mal über-haupt privates Landeigentum zugelassenwurde. Diese Reform markierte eine neueEtappe des politisch-wirtschaftlichen Lebens.Sie war ein starker Antrieb für die Land-wirtschaft, zog Investitionen an. Als wich-tigsten politischen Aspekt kann man die Tat-sache nennen, dass Kasachstan mit der Ein-führung des Privateigentums an Grund undBoden zu einem Land avancierte, in dem sichdie marktwirtschaftlichen Beziehungengrundsätzlich durchgesetzt haben.

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Heute gibt es insgesamt 25 staatliche und knapp 6 000 nichtstaatliche Agrarunternehmen, 175 000Farmwirtschaften sowie rund 2,2 Millionen Nebenwirtschaften

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Die Regierung setzt für die Entwicklung aufdem Lande drei Prioritäten: die Sicherstellungder Lebensmittelversorgung, die Erhöhung derLandwirtschaftsproduktion für den Exportund die Schaffung bester Lebensverhältnisseauf dem Land. Der Staat unterstützt die Land-bevölkerung und stellt jährlich Subventionendafür zur Verfügung. Der Landwirtschaft wur-den bereits zweimal Schulden von sieben undfünf Milliarden Tenge (47,5 respektive 34 Mil-lionen Dollar) erlassen. Eines der größten Probleme der Landwirt-schaft ist die qualitative Verschlechterungder Böden. Von daher kommen Vorhaben zurVerbesserung der Bodenqualität besondereBedeutung zu. Im Jahre 2006 wurde die nationale Holding„KasAgro” geschaffen, in die die staatlichenUnternehmen der vertraglichen Lebensmit-telunternehmen, die „KasAgroFinanz”, dasAgrarkreditunternehmen, der Fonds zur fi-nanziellen Unterstützung der Landwirtschaft,„KasAgroGarant”, „KasAgroMarketing” sowiedas „Mal onimderi”-Unternehmen aufgin-gen. „KasAgro” stellt 2010 Kredite in Höhevon 540 Millionen Dollar für Landwirt-schaftsunternehmen bereit. Kasachstans Landwirtschaft orientiert sichheute auf den Export. Mit Blick darauf habendie Modernisierung und die Entwicklung derAgrar- und Agrardienstleistungsstrukturenwichtige Bedeutung. Dies bedeutet die Mo-dernisierung der technischen Ausrüstung,die Anwendung moderner Technologien inder Verarbeitung von Agrarprodukten, derAusbau des Leasingsystems für Landwirt-schaftstechnik, der Aufbau nichtlandwirt-schaftlicher Tätigkeit in den ländlichen Ge-bieten und die Verbesserung des Agrarkre-ditsystems. Aufgrund internationaler Erfah-rungen bei der Entwicklung der Wettbe-werbsfähigkeit des Agrarsektors müssen fol-gende Bereiche besonders aufmerksam be-trachtet werden: Stimulierung des Versiche-rungssystems für die Landwirtschaft, Si-cherstellung der Teilnahme möglichst vielerAgrarindustrieunternehmen an Landwirt-

schaftsmessen im In- und Ausland sowieSchaffung eines Netzes von Beratungs- undInformationsbüros auf dem Land. Im Rahmen der Agrarentwicklungsstrategiewerden Cluster gebildet, darunter etwa fürden Anbau und die Verarbeitung von Baum-wolle oder für den Obst- und GemüseanbauFür die Ausweitung des Getreideexports sol-len neue Getreideterminals gebaut werden,darunter in Häfen im Iran und am Schwar-zen Meer sowie an der Grenze zu China. DasGetreideterminal im Hafen Aktau wird aus-gebaut.Im Zuge der staatlichen Unterstützung ei-ner innovativen Entwicklung des Agrarin-dustriekomplexes werden die wissenschaft-lich-technische und ingenieurwissenschaft-lich-technische Ausrichtung gefördert. Hierspielt die kürzlich geschaffene „KasAgroIn-novation” eine wichtige Rolle, die wissen-schaftliche Forschungsorganisationen un-terschiedlicher Ausrichtungen vereint. Esgeht hier vor allem um die Entwicklung neu-er Agrartechnologien beziehungsweise umdie Einführung ausländischer Agrartechno-logien und deren Anpassung an die einhei-mischen Bedingungen.Im Jahre 2005 wurde die Assoziation derLandwirtschaftsverbände gegründet. Sie bie-tet Beratung und Rechtsbeistand in Fragenvon Leasing, Krediten und Darlehen.Heute gibt es insgesamt 25 staatliche Agrar-unternehmen, knapp 6 000 nichtstaatlicheLandwirtschaftsunternehmen und 175 000Farmwirtschaften sowie rund 2,2 MillionenNebenwirtschaften. Die Bruttoproduktiondes Agrarsektors belief sich zum 31. Dezem-ber 2009 auf 1 641 Milliarden Tenge, davonhatte die Ackerwirtschaft einen Anteil von938 Milliarden Tenge und die Viehwirtschaftvon 703 Milliarden Tenge. Insgesamt wurdeein Wachstum von 13,9 Prozent im Vergleichzum Vorjahr verzeichnet. Schon immer war Kasachstan eine bedeu-tende Viehzuchtregion. Bis zur Neulandge-winnung Mitte der 50er Jahre war die Vieh-wirtschaft der wichtigste Zweig der Land-

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wirtschaft. Auch heute hat sie ihre Bedeu-tung nicht verloren und verfügt über ein be-achtliches Entwicklungspotenzial. Faktorensind hier große Weideflächen und Heuwiesen,die flexible Produktionsstruktur der kleinenAgrarbetriebe sowie kostengünstige Neben-produkte des großflächigen Anbaus vonNutzpflanzen, darunter Futtergetreide.In den letzten Jahren der Übergangsperiodebegannen die kleinen Landwirtschaftsbe-triebe, die Viehzucht zu dominieren. Sie si-chern heute achtzig Prozent der Gesamt-produktion. In den 90er Jahren war der Rück-gang der Nachfrage, verbunden mit der Pri-vatisierung der Landwirtschaft, Grund dafür,dass die Viehhaltung zurückging. Seit demJahre 2000 verzeichnet die Viehwirtschaftein Wachstum. Heute stehen die Entwicklung der Land-wirtschaftsinfrastruktur, der Bau von spezi-ellen Mastfarmen, die Schaffung eines Net-zes von Schlachthöfen, die Verbesserung derZucht und der Bau moderner Fleischfabri-ken auf der Tagesordnung. Diese sollen imRahmen von Public-Private-Partnership-Pro-jekten und unter Teilnahme ausländischerInvestoren realisiert werden. Die größten Ackerflächen liegen im Nordendes Landes in den Waldsteppen- und Step-pengebieten mit Schwarzerde- und Kastani-enboden, wo es reichlich regnet, sodass aufkünstliche Bewässerung verzichtet werdenkann. Kleinere Ackerbauflächen erstreckensich am Vorgebirge des Altai, des KalbinskerGebirgsrückens und des Tienschangebirges.Im Süden münden die Ackerflächen in dieFlusstäler der Wüsten und Halbwüsten. Es sindbewässerte Flächen von 2,3 Millionen Hektar.Auf den bewässerten Flächen in den Niede-rungen des Syr-Darja, des Ili und im Tal desKaratala gibt es große Reisanbauflächen.Kasachstan ist ein großer Getreideexporteur.2009 wurden 20,8 Millionen Tonnen Getrei-de eingefahren, davon siebzehn MillionenTonnen Weizen. Angebaut wird aber auchGerste, Hafer, Mais und vor allem im Nord-westen des Landes Hirse.

In Kasachstan werden verschiedene Kulturengezüchtet, die Ausgangsstoffe für die Le-bensmittel- und Leichtindustrie sind. Sie neh-men nur etwas mehr als ein Prozent der land-wirtschaftlichen Nutzfläche ein, doch weil siehohe Ernte- und Gewinnerträge bringen, ma-chen sie fast sechs Prozent der gesamtenLandwirtschaftsproduktion aus. Es sind Baum-wolle und Zuckerrüben. Baumwolle wird aufden bewässerten Flächen in den südlichenSteppengebieten und in den Tälern der Flüs-se Keles und Arys angebaut, Zuckerrüben sindin den Tälern der Flüsse Assa, Talas, Schu undKaratala in den Vorgebirgen des Kirgisischen,Sailiisker und Dshungarsker Alatau zu finden.Sonnenblumen werden überall angebaut, siebenötigen keine bewässerten Böden. Am häu-figsten findet man sie im Osten des Landes.Es ist festzuhalten, dass die Investitionen inden Agrarindustriekomplex steigen. Dochnicht nur der Staat investiert in die Land-wirtschaft, sondern auch die Agrarunter-nehmen selbst und ausländische Investoren.

Dienstleistungen. Im Dienstleistungsbereichhaben sich moderne Standards wie die Ori-entierung an der Nachfrage und den Be-dürfnissen der Kunden, ein breites Angebot,hohe Qualität des Service und der Effizienzder Leistungen sowie die Bündelung vonDienstleistungen durchgesetzt. Der Dienst-leistungssektor bietet rund vierzig Prozentder Erwerbstätigen einen Arbeitsplatz.Der Dienstleistungsmarkt wächst stürmisch.Er hat heute einen Anteil von weit mehr alsfünfzig Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Erist vornehmlich privatwirtschaftlich geprägt,nur etwa neun Prozent der Unternehmen sindin staatlichem Besitz. Der Dienstleistungssek-tor umfasst so wichtige Bereiche wie den Han-del, den Immobiliensektor, das Versicherungs-und Finanzwesen sowie das Hotel- und Gast-stättengewerbe.

Handel. Die marktwirtschaftlichen Refor-men vollzogen sich auf dem Verbraucher-markt besonders intensiv. Heute gibt es ein

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mehr als ausreichendes und sehr vielfältigesWarenangebot. Überwog 1991 im Einzel-handel noch der staatliche Sektor mit 65Prozent, findet man heute fast nur noch pri-vate Einrichtungen und Märkte (97,1 Pro-zent). Durch die verbesserte Wirtschaftsla-ge und den Einkommenszuwachs der Bevöl-kerung hat sich im Handel das Verhältnis vonLebensmitteln und Nichtlebensmittelpro-dukten zugunsten der Nichtlebensmittel-produkte verschoben. 1994 war der Anteilder Lebensmittel mit 60,8 Prozent am höchs-

ten, seit dem Jahre 1999 dominieren dieNichtlebensmittelprodukte. So haben an derStruktur des Handels heute Lebensmittel ei-nen Anteil von 34 Prozent und Nichtlebens-mittelprodukte von 66 Prozent. Im Handel sind rund fünfzehn Prozent derwirtschaftlich aktiven Bevölkerung beschäf-tigt, vornehmlich bietet er Frauen und jun-gen Menschen einen Arbeitsplatz. Neben den vielzähligen Kleinunternehmenhaben sich Supermarktketten etabliert. Ein-kaufszentren und Malls laden zum Einkaufen

ein. Die Umgestaltung des Liefersystems, mo-derne Verkaufs- und Werbetechniken undandere Formen lassen die Umsätze des Ein-zelhandels steigen. Der elektronische Han-del ist in Kasachstan bislang noch unzurei-chend entwickelt.

Außenhandel. Der Außenhandel belief sich2008 auf 109 Milliarden Dollar. Der Exporthatte daran einen Anteil von 71,18 Milliar-den Dollar, ein Zuwachs um 49,1 Prozent.Ins ferne Ausland wurden Waren im Wert

von 60,1 Milliarden Dollar und in die GUS-Länder im Wert von 11,08 Milliarden expor-tiert. Der Import belief sich auf 37,9 Milli-arden Dollar, ein Plus von 15,7 Prozent. Ausdem fernen Ausland wurden Waren im Wertvon 20,4 Milliarden Dollar und aus der GUSim Wert von 17,5 Milliarden Dollar impor-tiert. 2009 summierte sich der Außenhandelauf 71,6 Milliarden Dollar, davon hatte derExport einen Anteil von 43,2 Milliarden Dollarund der Import von 28,5 Milliarden Dollar.Waren im Wert von 36,4 Milliarden Dollar

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Die Meeresschifffahrt mit dem Hafen Aktau ist am Kaspischen Meer beheimatet mit Zugängen überrussische Flüsse zum Schwarzen Meer und zur Ostsee

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wurden ins ferne Ausland exportiert und imWert von 16,34 Milliarden Dollar aus demfernen Ausland importiert. Der Außenhan-del belief sich von Januar bis August 2010auf insgesamt 54,97 Milliarden Dollar, da-von hatte der Export einen Anteil von 39,3Milliarden Dollar und der Import von 16,61Milliarden Dollar. Am gesamten Außenhandel der ersten achtMonate 2010 hatte die EU einen Anteil 44,9Prozent und die GUS von 21,6 Prozent. Amgesamten Außenhandel hatte China einenAnteil von 15,7 Prozent, Russland von 15,4Prozent, Italien von 12,6 Prozent, Frankreichvon 6,4 Prozent, Deutschland von 4,6 Pro-zent und die Niederlande von 4,4 Prozent.Exportiert wurde in diesem Zeitraum vor al-lem nach China (16,8 Prozent), Italien (16,1Prozent), Frankreich (8,4 Prozent), Russland(7,8 Prozent), in die Niederlande (5,9 Pro-zent) und nach Deutschland (4,4 Prozent).Die wichtigsten Exportgüter sind Mineral-produkte (42 Prozent) sowie Metalle undMetallprodukte (32 Prozent). Im ZeitraumJanuar bis August 2010 war Russland mit 33Prozent der wichtigste Importpartner, es fol-gen China mit 13,3 Prozent, Deutschland mit7,2 Prozent, sowie Italien und die USA mit4,5 Prozent. Wichtige Importgüter sind Me-talle und Metallprodukte, Maschinen, Aus-rüstungen, chemische Produkte, Landwirt-schaftstechnik und Mineralprodukte.

Finanzsektor. In der Sowjetzeit besaß Ka-sachstan kein eigenes Banksystem, es gabnur Filialen des zentralen Banksystems derUdSSR. Nach dem Zusammenbruch der So-wjetunion ging man unverzüglich an dieSchaffung eines eigenen, marktwirtschaft-lichen Ansprüchen genügenden Bankwesens.Bereits im Januar 1991 war das Gesetz „ÜberBanken und deren Geschäftstätigkeit“ an-genommen worden. Damit wurde die Ban-kenreform eingeleitet. Die republikanischeStaatsbank wurde zur Nationalbank der Re-publik Kasachstan mit Niederlassungen inden Gebieten, die republikanische „Prom-

stroibank” wurde zur „Turanbank“, die „Agro-prombank“ zur „Agroprombank der RepublikKasachstan“, die Außenhandelsbank zur„Alembank“, die republikanische „Sberbank“zur „Sberbank der Republik Kasachstan“. ImJahre 1993 wurden die Banken in Aktienge-sellschaften umgewandelt, und die „Sber-bank“ wurde in „Volksbank der Republik Ka-sachstan“ („Chalyk-Bank”) umbenannt.Im Dezember 1996 wurde das Programm desÜbergangs der Banken zu internationalenStandards beschlossen. Die Banken solltenbis zum Jahr 2000 bestimmte Standards mitBlick auf Grundkapital, Liquidität und Qua-lität der Aktiva, des Managements und derBuchführung nachweisen. Im November 1999 wurde der „Kasachsta-nische Fonds für die Garantie der Einlagennatürlicher Personen” geschaffen. BereitsAnfang des Jahres 2000 hatten sich sech-zehn Banken dem System zur Sicherung derEinlagen angeschlossen. Seit dem 1. Januar2004 ist die Einlagensicherung für alle Ban-ken obligatorisch, das heißt, alle Banken, diemit Kundenguthaben arbeiten, müssen Mit-glied dieses Versicherungssystems sein. Es wurde ein vergünstigtes Steuersystem füreinzelne Wirtschaftszweige geschaffen undein in gewissen Fällen in Kraft tretendes Ga-rantieverfahren zur Refinanzierung von Kre-diten über den Entwicklungsfonds für klei-ne und mittlere Unternehmen sowie überdie Entwicklungsbank eingeführt. Den glei-chen Mechanismus nutzen Länder wie etwaSingapur und Malaysia. 2004 wurde mit dem Ziel eines noch besse-ren Schutzes der Nutzer von Finanzdienst-leistungen, der Entwicklung einer stabilenInfrastruktur des Finanzmarktes sowie derSchaffung eines effektiven und unabhängi-gen Kontrollsystems die Finanzaufsichts-behörde geschaffen. Dieser Behörde wurdenvon der Nationalbank Kasachstans entspre-chende Befugnisse und Vollmachten über-geben.Die Nationalbank leitet die staatliche Geld-und Kreditpolitik, gibt Noten und Münzen

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heraus, ihr obliegt die Währungsregulierungund -kontrolle sowie die Verwaltung derGold- und Devisenreserven und des Natio-nalen Fonds.Von den Auswirkungen der globalen Fi-nanzkrise war der Finanzsektor schwer be-troffen. Die Regierung, die Nationalbank unddie Finanzaufsichtsbehörde erarbeiteten denAktionsplan für die Stabilisierung der Wirt-schaft, in dessen Rahmen 470 Milliarden Ten-ge in den Finanzsektor gepumpt wurden. Von

vier systemrelevanten Banken – „Kaskom-merzbank”, „Chalyk”, ATB und „Allianz” –kaufte der Staat über den Fonds des natio-nalen Wohlstandes „Samruk-Kasyna” Antei-le. Jedoch wird sich der Staat aus den Ban-ken wieder zurückziehen, wenn sich die Si-tuation stabilisiert hat. Zudem wurde zurUnterstützung des Banksystems im Rahmendes Antikrisenprogramms der Regierung der„Fonds für Problemaktiva” gebildet.Heute arbeiten in Kasachstan 37 Banken.Fünfzehn von diesen haben Vertretungen imAusland. Von den 37 Banken arbeiten sech-zehn mit ausländischer Beteiligung, sieben

von diesen sind Tochterunternehmen. In Ka-sachstan bestehen zudem Vertretungen 33ausländischer Banken.

Transport. Für Kasachstan hat die gesamteVerkehrsinfrastruktur eine wichtige strate-gische Bedeutung. Die Größe des Territori-ums, die geringe Bevölkerungsdichte, diegroßen Entfernungen zwischen den Sied-lungspunkten sowie die große Entfernungzu den Weltmärkten bedingen die Notwen-

digkeit, das Transportsystem weiterzuent-wickeln. Gleichzeitig kann Kasachstan auf-grund seiner geografischen Lage zwischenChina und Südostasien und dem Westen seinTransitpotenzial gewinnbringend für denStaatshaushalt und die einheimischen Trans-port- und Logistikunternehmen nutzen. Eskann Brücke zwischen Europa und Asien sein.Mit diesem Ziel wird derzeit die Entwick-lungsstrategie für den Transportsektor bis2015 umgesetzt. Diese sieht die Schaffungder Infrastruktur des Transport- und Kom-munikationskomplexes in Übereinstimmungmit der staatlichen Wirtschaftsstrategie vor.

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Das Frachtvolumen erreichte 2009 2 105 Millionen Tonnen, davon hatte der Transport per Schiene einen Anteil von 261,8 Millionen Tonnen. Insgesamt wurden 11,8 Milliarden Passagiere befördert

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Ziel ist, das kasachstanische Transportsystemvollständig in das internationale Transport-system zu integrieren und den Zugang, dieSicherheit und die Schnelligkeit des Güter-verkehrs zwischen Ost und West zu gewähr-leisten. Das Transportaufkommen steigt kontinuier-lich. Das Frachtvolumen erreichte 2009 2105Millionen Tonnen (Januar bis Juli 2010 wa-ren es 1120 Millionen Tonnen). 261,8 Mil-lionen Tonnen wurden per Schiene beför-dert (in den ersten sieben Monaten 2010 149Millionen Tonnen) und 1,68 Milliarden Ton-nen per Straße (932 Millionen von Januarbis Juli 2010). 192,45 Millionen Tonnen Frachtwurden per Pipeline transportiert (109,5 Mil-lionen Tonnen in den ersten sieben Mona-ten 2010), 0,9 Millionen Tonnen per Fluss-schiff, 3,5 Millionen Tonnen per Seeschiff.Insgesamt wurden 11,8 Milliarden Passagie-re befördert. Das Verkehrswegenetz in Kasachstan ist mitinsgesamt 112700 Kilometern gut ausgebaut.Es gibt 15100 Kilometer Eisenbahnstreckenund mehr als 93 000 Kilometer Straßen. ImRahmen der Entwicklungsstrategie ist der Bauneuer Straßen von örtlicher und internatio-naler Bedeutung geplant.Die Wasserstraßen haben einen Länge vonmehr als 6 000 Kilometern. Die Meeresschiff-fahrt mit dem Hafen Aktau ist am KaspischenMeer beheimatet mit Zugängen über russi-sche Flüsse zum Schwarzen Meer und zur Ost-see. Eingerichtet wurden die Schiffsverbin-dungen Aktau-Machatschkala und Aktau-Astrachan. Schifffahrt gibt es auf dem Irtysch,dem Syr-Darja, dem Ural, dem Kigatsch, demIli und dem Ischim. Befahren werden aberauch die Stauseen Buchtarminskoje, Ust-Ka-menogorskoje, Schulbinskoje und Kaptscha-gaiskoje sowie der Balchasch und der Saissan.Aktau ist derzeit der einzige kasachstanischeHafen am Kaspischen Meer. Umgeschlagenwerden dort Getreide, Kohle, Holz, Eisenerzeund Erdölprodukte.Ausgebaut ist der Luftverkehr. Es gibt 22 großeFlughäfen, davon bieten vierzehn Flughäfen

internationale Flugverbindungen an. Die größ-te nationale Fluggesellschaft ist Air Astana.Neben kasachstanischen sind auch ausländi-sche Fluggesellschaften aktiv, darunter Aero-flot, British Airways, KLM, Lufthansa, TurkishAirlines, Iran Air und viele andere.Beim internationalen Transitverkehr kommtder Eisenbahn eine wichtige Rolle zu. Ka-sachstan verfügt über ein weit verzweigtesNetz von Eisenbahnstrecken, das die Repu-blik mit den Nachbarländern verbindet: achtStrecken mit Russland, eine mit Kyrgysstan,zwei mit Usbekistan und eine mit China. ImRahmen der Strategie bis 2015 werden 1 600Kilometer Eisenbahn neu gebaut und 2 700Kilometer Strecke elektrifiziert.2004 wurde mit China ein Abkommen überden Bau einer neuen Schmalspureisenbahn-linie unterzeichnet, wodurch eine zusätzli-che Verbindung zwischen beiden Ländernund eine weitere Möglichkeit für den Tran-sit chinesischer Frachtgüter über Kasachstannach Russland und Europa entsteht. Die nationale Eisenbahngesellschaft „Ka-sachstan Temir Sholy“ bedient einen großenTeil des transkontinentalen Transits. In derPhase der Umsetzung ist das komplexe Maß-nahmenpaket für die Entwicklung und Re-form der Eisenbahn 2008 bis 2010. Man willdas Gütervolumen beständig aufstocken undein Sicherheitssystem für Frachtgüter schaf-fen. Der Containerservice wird verbessert,geplant ist die Ausstattung der Strecken mitmodernsten Kommunikationsmitteln, wasdie beste Garantie für die Einhaltung der Lie-fertermine bietet. Das Straßennetz, das die Regionen der Repu-blik verbindet, hat ein beträchtliches Transit-potenzial. In der Grundanlage erstreckt es sichin drei Richtungen, nämlich Russland, Europa,Baltikum; China, Japan, Südostasien sowieMittelasien, Südkaukasus, Iran und Türkei.Zur Zeit gilt die größte Aufmerksamkeit sechsinternationalen Straßenverbindungen, überdie die wichtigsten Gütertransporte laufen:– Taschkent-Schymkent-Taras-Bischkek-Al-

maty-Chorgos (Seidenstraße) – diese

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Strecke garantiert die Transitlieferungenzwischen Zentralasien und China;

– Schymkent-Kysylorda-Aktöbe-Oral-Samara– Ex- und Importfrachten Kasachstans undTransitlieferungen aus China und den mit-telasiatischen Staaten nach Russland und inandere GUS-Länder sowie nach Europa;

– Almaty-Karagandy-Astana-Petropawl –Transportverbindung zwischen dem ka-sachstanischen Süden und Russland;

– Omsk-Pawlodar-Semej-Maikapschai – Ex-und Importtransit zwischen China und denrussischen Industrieregionen;

– Astrachan-Atyrau-Aktau-turkmenischeGrenze – internationale Transportstreckezwischen dem Nahen Osten, dem HafenAktau sowie Russland und Europa;

– Astana-Kostanai-Tscheljabinsk – Güter- undPersonenverkehr zwischen Astana und denrussischen Regionen.

Ein strategisch wichtiges Straßenprojekt istder Ausbau der Verbindung „Westeuropa-Westchina”. Der 8 445 Kilometer lange Tran-sitkorridor von Sankt-Petersburg über Ka-san, Orenburg, Aktöbe, Kysylorda, Schym-kent und Almaty nach China verläuft 2 782Kilometer über Kasachstan. Dieser Transit-korridor wird erlauben, Güter innerhalb vonzehn Tagen von der EU-Grenze zum chine-sischen Hafen Lianyungang zu befördern. Bis2020 wird mit einer Verdoppelung des Gü-tertransports gerechnet.

Kommunikationswesen. Der Kommunikati-onssektor ist ein wichtiger und fester Be-standteil der wirtschaftlichen und sozialenInfrastruktur, er ist in Post- und Kurier-dienstleistungen sowie den Telekommuni-kationssektor gegliedert. Post- und Kurier-dienstleistungen hatten 2009 einen Umfangvon 12,3 Milliarden Tenge, der Kommunika-tionssektor von 429,05 Milliarden Tenge. Imersten Halbjahr 2010 waren es 6,4 respekti-ve 226 Milliarden Tenge. An den Einnahmendes Kommunikationswesens haben der Mo-bilfunk einen Anteil von mehr als 55 Pro-zent, das Internet von rund zehn Prozent,

Ferngespräche im Festnetz von etwa zweiProzent, Inlandsgespräche im Festnetz vonachtzehn Prozent und alle übrigen Dienst-leistungen von mehr als dreizehn Prozent. Im Postbereich ist „KasPotschta” führend.Das Unternehmen unterhält vier Filialen re-publikanischer Bedeutung, vierzehn Filialenregionaler Bedeutung und mehr als 3 200Postämter. In der Perspektive soll sich „Kas-Potschta” in einen multifunktionalen Dienst-leistungsanbieter verwandeln und als uni-versaler Logistikoperator dienen. Erfolgreichhaben sich auch ausländische Logistikun-ternehmen wie DHL, UPS, EMS und FedExauf dem kasachstanischen Markt positio-niert.Der Telekommunikationsbereich entwickeltsich rasant. Registriert sind über 3,8 Millio-nen Festnetzanschlüsse, darunter mehr alseine Million auf dem Land, und annähernd80 000 Internetzugänge. Es wurden 242,2Festnetzanschlüsse und 47,5 Internetan-schlüsse pro 1000 Bewohner verzeichnet.Die Zahl der Mobilfunknutzer wächst inatemberaubendem Tempo. 2009 kamen 1060Mobilfunkanschlüsse auf 1000 Bewohner,im Vergleich waren es 2008 812,9 Anschlüs-se pro 1000 Bewohner. Im Lande arbeitenfünf Mobilfunkanbieter, davon drei nachGSM-Standards. Bis 2013 ist vorgesehen, Te-lefonanschlüsse und Internetzugänge lan-desweit auszubauen, darunter über das mo-derne Kommunikationssystem CDMA-450.Die Regierung hat zudem das Konzept „Ent-wicklung eines einheitlichen Informations-raumes des kasachstanischen Internetseg-ments” (Kasnet) ausgearbeitet, das bis 2012etabliert sein soll.

Wohnungs- und Städtebau. Im Woh-nungsbau hat sich die Marktwirtschaft durch-gesetzt. Die staatliche Wohnungspolitik zieltauf die Schaffung von Voraussetzungendafür, dass die Bürger mittels moderner Kre-ditformen Wohnraum kaufen oder bauenkönnen. Der Wohnungsbau sowie die staat-liche Steuerung von Mechanismen zur Fi-

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nanzierung und Realisierung der Vorhabensind zur Zeit deshalb so aktuell, weil die ka-sachstanische Wirtschaft eine Krise durch-lebte, in der der Wohnungsbau fast zum Still-stand kam. 2003 wurden in Kasachstan über zwei Millio-nen Quadratmeter Wohnfläche gebaut, dreißigProzent mehr als 2002. Aber auch mit diesemTempo konnte die Nachfrage der Bevölkerungnicht befriedigt werden. Am 1. Januar 2004erreichte die Gesamtwohnraumfläche der Re-publik 243 Millionen Quadratmeter, davon144,8 Millionen Quadratmeter in den Städtenund 98,2 Millionen Quadratmeter auf demLand. Über 96,8 Prozent davon befanden sichin Privateigentum (235,3 Millionen Quadrat-meter) und 3,2 Prozent in Staatseigentum (7,7Millionen Quadratmeter). Nachdem das Wohnungsbauprogramm derRegierung für die Jahre 2005 bis 2007 ab-geschlossen worden war, in Zuge dessen rundzwölf Millionen Quadratmeter Wohnrauman die Bevölkerung übergeben werden konn-ten, hat die Regierung auf Erlass des Präsi-denten ein Folgeprogramm für den Wohn-raumbau bis 2010 aufgelegt. Insgesamt soll-ten in diesen drei Jahren 26 Millionen Qua-dratmeter Wohnraum neu entstehen. Mitder Umsetzung des Programmes werden derWohnkomfort steigen und das Bild der Städ-te und Dörfer attraktiver werden. Ausge-weitet werden der erste Wohnungsmarkt unddie Investitionen, der Import von Baustof-fen wird gesenkt. Durch die Bautätigkeit wer-den mehr Steuereinnahmen in den Haushaltgespült, zum einen aus den Eigentumssteu-ern und zum anderen aus der Einkommens-steuer der in der Bauindustrie Beschäftig-ten. Auch erwartet man Multiplikatorenef-fekte im Baunebengewerbe, vor allem durchden Mehrbedarf an Baumaterial und an Er-zeugnissen der elektrotechnischen, metall-urgischen, Chemie- und Haushaltswarenin-dustrie. 2008 wurden 6,83 Millionen QuadratmeterWohnraum übergeben, davon 1,2 MillionenQuadratmeter allein in Astana und 1,01 Mil-

lionen Quadratmeter in Almaty. 2009 warenes 6,4 Millionen Quadratmeter und von Ja-nuar bis August 2010 3,7 Millionen Qua-dratmeter. Investiert in den Wohnungsbauwurden im Jahre 2009 310,8 Milliarden Ten-ge. Im Sozialbereich wurden im Zeitraum Janu-ar bis August 2010 Schulen mit 10 846 Plät-zen, Vorschuleinrichtungen mit 2835 Plätzen,Krankenhäuser mit 975 Betten sowie medi-zinisch-poliklinische Einrichtungen mit ei-ner Kapazität für die Behandlung von 2166Personen fertiggestellt.Seit Einführung der Hypothekenkredite fürBauvorhaben, der wichtigsten Finanzie-rungsquelle im Wohnungsbau, bemühte mansich darum, die Bedingungen zu verbessern.So lagen 2003 die Zinssätze für Kredite beizwölf bis fünfzehn Prozent im Jahr, die An-zahlung wurde auf fünfzehn bis zwanzigProzent der Kreditsumme gesenkt. Die Kre-dite hatten eine Laufzeit von durchschnitt-lich zehn bis fünfzehn Jahren. Aber trotz die-ser günstigen Angebote können sich nur we-nige Bürger den Bau oder Kauf einer Woh-nung leisten, weil den meisten das Geld fürdie Anzahlung und die Abzahlung der Kreditefehlt. Deshalb wurde die „KasachstanischeHypothekengesellschaft“ gegründet, die miteinem Grundkapital von 2,5 Milliarden Ten-ge ausgestattet ist. Sie ermöglicht zinsgün-stigere Kredite, da ihr die Refinanzierung derKredit vergebenden Banken obliegt. Für diejenigen, denen die Mittel für die An-zahlung fehlen, die aber ein ständiges Ein-kommen nachweisen können, gibt es dieMöglichkeit, Bausparverträge abzuschließen.Für Angestellte, Beamte und junge Famili-en mit Kindern gibt es zudem vorteilhafteAngebote für den Erwerb von bezahlbaremWohnraum.

Tourismus. Kasachstan liegt im Herzen Eu-rasiens und am Kreuzungspunkt wichtigerVerkehrswege zwischen Ost und West undNord und Süd. Im Lande belebt der Touris-mus heute die Wirtschaft ganzer Regionen.

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Das Tourismuspotenzial ist überaus vielfäl-tig: großartige Naturlandschaften, viele Na-turschutzgebiete und Nationalparks, mehrals hundert Kur- und Heilgebiete und über9 000 archäologische und historische Denk-mäler, nicht zu sprechen, von den sich dy-namisch entwickelnden Städten mit ihreminteressanten kulturellen Angebot. Bereits 1993 wurde Kasachstan Mitglied derWelttourismusorganisation. In Anbetrachtdes raschen und stabilen Wachstums des Tou-

rismus und seiner starken Wirkung auf dieInfrastruktur, andere Wirtschaftsbranchenund den Lebensstandard der Bevölkerung er-klärte die Regierung in ihrem langfristigenEntwicklungsprogramm den Tourismus zueinem prioritären Wirtschaftszweig. 1993 wurde das nationale Programm zurEntwicklung der Tourismusindustrie aufge-legt. 1997 folgte das staatliche Programm„Wiederherstellung der historischen Zentrender Seidenstraße, Erhaltung und Pflege deskulturellen Erbes der turksprachigen Staa-ten und Schaffung einer touristischen In-

frastruktur im Zeitraum 1997 bis 2003”. ImStrategiepapier „Kasachstan – 2030” wurdeebenfalls die besondere Bedeutung des Tou-rismus betont. Umgesetzt wurde das auf dieJahre 2003 bis 2005 angelegte Projekt zurSchaffung einer effektiven und wettbe-werbsfähigen Tourismusbranche und einerentsprechenden Imagekampagne. Erfolgezeigt das Entwicklungsprogramm für die Jah-re 2007 bis 2011, das den Aufbau von Tou-rismusclustern als einen der sieben Schwer-

punkte des Nichtrohstoffsektors der Wirt-schaft ausweist. Der Tourismus ist eineSchwerpunktbranche in der Strategie zur Di-versifizierung der Wirtschaft.Zu wichtigen Projekten, die heute umgesetztwerden, zählen der Bau der touristischenZentren „Shana Ile” am Ufer des StauseesKaptschagai, „Burabai” im Schtschutschins-ker-Borowojer Kurgebiet und das Erho-lungsgebiet „Kenderli” im Gebiet Mangystau.Dem Beispiel der USA folgend wird im Ge-biet Kysylorda das Touristenprogramm „Ka-sachstan – der erste Weltraumbahnhof der

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Kasachstan bietet phantastisch schöne Naturlandschaften, lockt die Besucher aber auch mit seinerGeschichte und reichen Kultur

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Welt” umgesetzt. Die Besucher werden imLaufe der Exkursion auf dem KosmodromBaikonur mit Geschichte und Entwicklungder Raumfahrt bekannt gemacht. Zu denwichtigen Projekten zählt auch der Aufbaueines Netzes von preisgünstigen Hotels derTouristenklasse. Allein im Gebiet Akmola wer-den derzeit zwanzig solcher Hotels mit 900Betten gebaut, auf dem linken Ufer desIschim in Astana entsteht ein Sport- undTourismuskomplex mit 4 000 Betten. Sehr viel Potenzial bietet Kasachstan für denAusbau des Ökotourismus. Bereits etablierthaben sich elf Ökotourismusobjekte die biszum Jahre 2009 von 15 000 Touristen be-sucht wurden. Zielgerichtet wird der Öko-tourismus in den Nationalparks „Altyn Emel”,„Ile Alatau” und der Tscharyn-Schlucht vor-angetrieben. Breiter aufgestellt wird auch der Kultur- undStudientourismus entlang der Großen Sei-denstraße. Über Kasachstan verläuft dernördliche Zweig der Seidenstraße in einerLänge von 1200 Kilometern. Dieser Abschnittweist einzigartige kulturelle, archäologischeund historische Denkmäler auf. Die altenStädte Otrar, Sauran und Turkestan warennicht nur Handelszentren, sondern auch Zen-tren von Kultur, Wissenschaft und Religion.Bereits heute besuchen mehr als 300 000Touristen im Jahr diese alten Städte. Geplantist der Bau von Hotels und Karawansereienentlang dieser Route. Diskutiert wird die Ein-führung eines Touristenvisums für die zen-tralasiatische Region. Eingeladen wird in denTouristenzug „Perlen der Seidenstraße”, dervon Almaty über Turkestan, Taschkent, Sa-markand, Buchara, Chiwa, Mary und Asch-chabat und dann wieder zurück nach Alma-ty fährt.Natürlich bringt Kasachstan alle Vorausset-zungen für den Bergskisport mit – und eskann diesbezüglich mit allen Bergländernder Welt konkurrieren. Hierfür stehen Tschim-bulak und Medeo oberhalb von Almaty unddas Erholungsgebiet Schtschutschinsk-Boro-woje im Gebiet Akmola. Die Asiatischen Win-

terspiele 2011, die in Almaty und Astana aus-getragen werden, werden weitere Impulsefür die Entwicklung des Wintersporttouris-mus geben.Mit Blick auf die internationale Zusammen-arbeit im Tourismus hat Kasachstan 23 Zwi-schenregierungsabkommen unterzeichnet.Insgesamt gibt es heute in Kasachstan mehrals 24 000 Hotelzimmer, die meisten natür-lich in Almaty und Astana. Registriert wa-

ren im Juni 2010 1 247 Reisebüros zur Be-treuung der Besucher aus dem Ausland. Und nicht zuletzt: Am 3. August 2010 hatdas Ministerium für Tourismus und Sport dasnationale Tourismusportal vorgestellt, dasim Internet unter www.visitkazakhstan.kzaufgerufen werden kann und vielfältige In-formationen in kasachischer, russischer, ara-bischer und englischer Sprache bietet.

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Das Land hat hervorragende Voraussetzungenfür die Entwicklung des Tourismus: seine Natur,seine Kultur und seine Geschichte

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Gesellschaft und sozialer Sektor

Arbeitsmarkt und BeschäftigungDie gegenwärtige Etappe der Entwicklungder kasachstanischen Gesellschaft wird be-dingt durch radikale Wandlungen im wirt-schaftlichen Leben. Der Reformkurs wirktesich auf den sozialen Bereich und den Ar-beitsmarkt aus. Im Bereich der Beschäfti-gung vollzog sich nach Erhalt der Unabhän-gigkeit nachgerade eine Revolution, und da-mit verbunden veränderten sich die Ar-beitsbedingungen für Millionen Menschen.Der sinkende Lebensstandard und die wach-sende Arbeitslosigkeit in der ersten Hälfteder 90er Jahre waren Merkmale der Über-gangsperiode.Heute kann man sagen, dass Kasachstan vonder Vollbeschäftigung, die charakteristischfür das sozialistische Wirtschaftssystem war,übergegangen ist zur marktwirtschaftlichenKriterien entsprechenden Wirtschaftstätig-keit. Die Mehrheit der erwerbstätigen Be-völkerung arbeitet heute in privaten Unter-nehmen, Betrieben und Organisationen. Vie-le Kasachstaner sind in Kleinunternehmenbeschäftigt. Der Anteil des KMU-Sektors wirdstetig ausgebaut. Die Herausbildung eines effektiven Be-schäftigungssystems war Herzstück der Ar-beit der Regierung, da die Arbeitslosigkeit ei-nen spürbaren Einfluss auf die Wirtschafts-lage nahm. Das soziale und wirtschaftlicheBeschäftigungsmodell ist heute gerichtet aufdie Schaffung eines entwickelten Arbeits-marktes. Die Anforderungen an die Beschäf-tigungspolitik spiegeln sich im Gesetz „Überdie Beschäftigung der Bevölkerung“ vom 30.Dezember 1998 wider. Das Gesetz umfasstdie Prioritäten der Beschäftigungspolitik. – Gewährleistung gleicher Möglichkeiten für

alle Bürger bei der Wahl der Beschäftigungund des Arbeitsplatzes;

– Schutz des Binnenarbeitsmarktes mittelsder Regulierung des Zuganges ausländi-scher Arbeitskräfte;

– Steigerung der Effizienz bei der Nutzungder Arbeitsressourcen;

– Ausrichtung des Bildungssystems auf dieBedürfnisse des Arbeitsmarktes;

– sozialer Schutz der Arbeitslosen;– Organisation der Arbeitsvermittlung auf

Grundlage der Tätigkeit staatlich beauf-tragter Behörden wie auch privater Ver-mittler im staatlichen Auftrag;

– Vorbeugung und Abbau von Arbeitslosig-keit sowie Vereinheitlichung der Maßnah-men zur Senkung von Arbeitslosigkeit;

– Koordination der Zusammenarbeit derstaatlichen Behörden und der Arbeitgeber;

– Organisation der internationalen Zusam-menarbeit zur Lösung des Beschäfti-gungsproblems;

– Sicherung der Teilnahme von Arbeitneh-mer- und Arbeitgebervertretern bei der Er-arbeitung der staatlichen Beschäftigungs-politik.

Darüber hinaus garantiert der Staat seinenBürgern den Schutz der Arbeitsrechte undvor jeder Form der Diskriminierung.Eine große Unterstützung für die Entstehungdes Arbeitsmarktes war die Privatisierung.Die Umwandlung des früher staatlichen Sek-tors war begleitet vom Entstehen des klei-nen und mittleren Unternehmertums, derGründung von Holdings, Kooperativen undUnternehmen, die alle Bedarf an qualifizier-ten Beschäftigten unterschiedlicher beruf-licher Ausrichtung hatten. Der Arbeitsmarktverlangte nach Ökonomen, Programmierern,Dolmetschern und Juristen. Zugleich gab eseinen hohen Überschuss an Maschinenbau-ern, Bauarbeitern, Projektingenieuren undAngehörigen anderer traditioneller Berufe.Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräftenund Fachleuten in Hochtechnologieberei-chen war evident. Der Arbeitsmarkt weist neben Berufs- undQualifizierungsmerkmalen regionale undbranchenspezifische Aspekte auf. Angebot

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und Nachfrage unterscheiden sich nicht nurin einzelnen Wirtschaftsbranchen vonein-ander, sondern auch innerhalb eines Gebie-tes. In Zentral- und Nordkasachstan – denIndustriegebieten Karagandy und Pawlodar-

Ekibastus – ist die Nachfrage nach Arbeits-kräften doppelt so groß wie das Angebot.Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Al-ter – fünfzehn Jahre und älter –, die wirt-schaftlich aktiv sind, betrug Ende 2009 7,92Millionen. Von diesen waren 5,23 Millionenabhängig und 2,67 Millionen nicht abhän-gig beschäftigt. Im Juli 2010 zählte man 8,17Millionen Beschäftigte, davon waren 5,38abhängig und 2,73 Millionen nicht abhän-gig beschäftigt. Im Agrarsektor arbeiteten2,3 Millionen Menschen, in der Industrie827 700 Menschen, davon im Bergbau193 000 und in der Verarbeitungsindustrie526 400 Menschen, in der Bauindustrie547 400 sowie im Bereich Handel, Repara-tur und Wartung 1,26 Millionen Menschen.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe bietet121100 Arbeitsplätze, das Transport- undKommunikationswesen 517100, der Finanz-und Versicherungssektor 109 500 und derImmobiliensektor 390 000 Arbeitsplätze. Die

staatliche Verwaltung beschäftigt 381 500Menschen, das Bildungswesen 798 500 unddas Gesundheitswesen 361 300 Menschen. Die Zahl der Arbeitsuchenden – das sind Per-sonen im Alter von fünfzehn Jahren und äl-ter, die keine bezahlte Beschäftigung haben,aber aktiv Arbeit suchen oder bereit sind, ei-ne Arbeit anzunehmen – lag Ende 2009 bei554 500 Personen. Das sind 6,6 Prozent. ImJuli 2010 waren rund 503 900 Personen (5,8Prozent) arbeitsuchend. Die Quote der Ju-gendarbeitslosigkeit (Menschen im Alter vonfünfzehn bis 24 Jahren) lag Ende 2009 bei6,7 Prozent und im Juli 2010 bei 5,2 Prozent.Langzeitarbeitslose haben einen Anteil von2,2 Prozent an allen Arbeitsuchenden. DieArbeitslosigkeit liegt bei Frauen mit 7,5 Pro-

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Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter, fünfzehn Jahre und älter, lag Ende 2009 bei 7,92 Millionen, von diesen waren 5,23 Millionen abhängig beschäftigt

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zent höher als bei Männern (5,6 Prozent).Die Langzeitarbeitslosigkeit bei Frauen liegtbei 3,3 Prozent und bei Männern bei 1,8 Pro-zent. Frauen haben einen Anteil von 57 Pro-zent an allen Arbeitsuchenden. Die höchsteArbeitslosigkeit wurde Ende 2009 in Almatysowie den Gebieten Mangystau und Kysyl-orda verzeichnet. Die Gebiete Aktöbe undKaragandy weisen die niedrigste Arbeitslo-sigkeit auf. Bei den Beschäftigungsdienstenwaren insgesamt rund 53 000 Arbeitslose re-gistriert. Im Rahmen der Entwicklungsstra-tegie bis 2020 ist vorgesehen, die Arbeitslo-senquote auf fünf Prozent zu senken.Die Regierung erarbeitet und setzt wirt-schaftspolitische Maßnahmen um, die ge-richtet sind auf die Entwicklung und ratio-nale Nutzung der Produktivkräfte, die Er-höhung der Mobilität der Arbeitskräfte sowieden Erhalt bestehender und die Schaffungneuer Arbeitsplätze. Sie legt gesetzliche Re-gelungen im Beschäftigungsbereich zur Wah-rung der staatlich garantierten Rechte undInteressen der Bürger fest. Die Regierung er-arbeitet auf Basis des strategischen Entwick-lungsplanes ein jährliches Beschäftigungs-programm. Dieses umfasst:– Maßnahmen zum Ausgleich von Nachfra-

ge und Angebot auf dem Arbeitsmarkt;– Organisation von Beschäftigung für sozi-

al benachteiligte Bevölkerungsschichten;– Förderung und Stimulierung der Entwick-

lung von Privatunternehmen, die Arbeits-plätze schaffen;

– Aufbau eines Systems der beruflichen Aus-und Weiterbildung von Arbeitsuchendenentsprechend dem Arbeitsmarktbedarf;

– Verbesserung des Systems gemeinnützigerArbeit;

– Ausweitung der Rolle der örtlichen Behör-den bei der Lösung der regionalen Be-schäftigungsprobleme;

– Zusammenarbeit von Behörden mit Ar-beitgebern und gesellschaftlichen Verei-nigungen in Fragen der Regulierung derBeschäftigung und des Arbeitsmarktes;

- Verbesserung der Informationsbasis;

- Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze durchgezielte Investitionsprogramme entspre-chend der Arbeitsmarktsituation.

Das Beschäftigungsprogramm wird aus demHaushalt finanziert. Bürger, die registrierteArbeitslose sind, erhalten Arbeitslosengeldund in der Zeit von beruflicher Aus- undWeiterbildung beziehungsweise von Quali-fizierungsmaßnahmen Stipendien. Das wichtigste Programm zur Sicherung derBeschäftigung ist heute die „Straßenkarte”. Inihr sind sieben Schwerpunktrichtungen de-finiert: Rekonstruktion und Entwicklung desSystems der Kommunalwirtschaft; Repara-tur und Wärmeversorgung in Schulen, Kran-kenhäusern und anderen sozialen Einrich-tungen; Reparatur und Bau von Straßen re-publikanischer und örtlicher Bedeutung; Er-weiterung des Programmes gesellschaftlichnützlicher Arbeitsplätze und von Jugend-praktika; Finanzierung prioritärer Sozialpro-jekte in Städten, Siedlungen und Dörfern;Verlängerung des Bezuges von Sozialleis-tungen bei Verlust des Arbeitsplatzes vonvier auf sechs Monate; Ausbildung und Um-schulung von Personal.Mit der Umsetzung der „Straßenkarte” ent-standen bis Juli 2009 238 700 Arbeitsplätze,in die 177 200 Personen vermittelt wurden.2010 wurden bislang 20 000 neue unbefri-stete Arbeitsplätze geschaffen.Im Rahmen der „Straßenkarte” widmet mansich insbesondere den jungen Menschen. Er-weitert wird das System gesellschaftlichnützlicher Arbeitsplätze für Jugendliche. Mitdem Programm „Jugendpraktikum” habenStudierende an Hoch- und Fachschulen dieMöglichkeit, Erfahrungen in der Arbeitsweltzu sammeln; die Arbeitgeber erhalten dieMöglichkeit, gutes Personal auszuwählen. Neu beim sozialen Schutz der Arbeitslosenist die freiwillige Arbeitslosenversicherung.Jeder Bürger hat das Recht, einen solchenVersicherungsvertrag zu schließen.Angenommen wurden zudem einige Ände-rungen an Gesetzen zur Beschäftigung undzur Sozialversicherungspflicht. So müssen

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die Beschäftigungsdienste im Falle von Ent-lassungen zwei Monate vorher von den Un-ternehmen darüber informiert werden. Auchwenn von Vollzeit auf Teilzeit umgestelltwird, sind die Dienste zu informieren. Vor-gesehen sind Schulungen, Umschulungenund Weiterbildungen für Arbeitsuchendeund Teilzeitarbeitende.Gegenwärtig wird ein neues Programm derbeschleunigten Entwicklung des kleinen und

mittleren Unternehmertums realisiert. Zum1. September 2010 waren 293146 juristischePersonen registriert, davon waren 189 453Unternehmen aktiv. Von diesen waren 24174neue kleine Betriebe und 100 346 bereits seitlängerem funktionierende Kleinunternehmen.Im KMU-Sektor waren Ende 2009 1,81 Mil-lionen Menschen beschäftigt. Dieser Sektorbietet nach der Landwirtschaft die meistenArbeitsplätze.

SozialpolitikIn den letzten Jahren der Sowjetunion standKasachstan nach den Daten des Lebensstan-

dards unter den fünfzehn Unionsrepublikenan dreizehnter Stelle, heute zählt es zu denLändern mit dem höchsten Wirtschafts-wachstum in der GUS. Die Erhöhung der Le-bensqualität ist die wichtigste Aufgabe derSozialpolitik im Rahmen des langfristigen Stra-tegieprogrammes „Kasachstan – 2030“. Hauptursachen für Armut sind Arbeitslosig-keit und ein niedriges Einkommensniveau.Im Jahre 2002 bezogen vierzig Prozent der

Beschäftigten einen Lohn, der keinen eini-germaßen akzeptablen Lebensstandard si-cherte. Dies hat sich verändert. Laut Umfra-gen meint heute der Großteil der Bevölke-rung, dass sich die Lebensbedingungen merk-lich verbessert haben. Im Juli 2010 betrug das durchschnittlichenominale Geldeinkommen pro Kopf der Be-völkerung 40 036 Tenge im Monat. Ende2009 waren es 38 845 Tenge. Der durchschnittliche Nominallohn lag imJuli 2010 bei 82 282 Tenge. Allerdings gibtes gravierende regionale Unterschiede. Sowurden im Gebiet Atyrau mit 143 642 Ten-

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Im Agrarsektor arbeiteten 2,3 Millionen Menschen, in der Industrie 827700 Menschen, in der Bauindustrie 547400, im Transport- und Kommunikationswesen 517 100

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ge im Monat die höchsten Nominallöhne ge-zahlt. Es folgen das Gebiet Mangystau(130 548 Tenge), die Stadt Astana (109 397Tenge) und die Stadt Almaty (106 928 Tenge).Die niedrigsten Nominallöhne sind in denGebieten Shambyl mit 52 666 Tenge, Nord-kasachstan mit 52 874 Tenge und Akmolamit 55 823 Tenge zu verzeichnen.Die höchsten Löhne und Gehälter werdennach Angaben des Amtes für Statistik im Fi-nanz- und Versicherungssektor bezahlt. Dortverdienen die Mitarbeiter durchschnittlich171 435 Tenge. Es folgen die Förderindustriemit 151 851 Tenge, der Informations- undTelekommunikationssektor mit 133 734 Ten-ge und die Bauindustrie mit 104 806 Tenge.Zu den Geringverdienern zählen die Be-schäftigten im Gesundheits- und Bildungs-wesen mit 60 928 beziehungsweise 61 785Tenge. Die niedrigsten Löhne werden mit35 125 Tenge im Monat in der Land- undForstwirtschaft ausbezahlt. Die Struktur der Geldeinkommen der Bevöl-kerung setzt sich wie folgt zusammen: 80,2Prozent kommen aus Beschäftigung, 9,7 Pro-zent aus Unternehmenstätigkeit, 12,8 Pro-zent aus Renten, 3,2 Prozent aus Sozialleis-tungen, 0,4 Prozent aus Stipendien, 0,4 Pro-zent aus Eigentum und drei Prozent aus Kin-dergeburtsgeld, Alimenten und anderen Zu-wendungen. Schwer haben es nach wie vor kinderreicheFamilien und Alleinerziehende, insbesonde-re auf dem Land. Zu Bevölkerungsgruppenmit hohem Armutsrisiko zählen auch jungeFamilien und alleinstehende Rentner. Zur Armutsbekämpfung wurde Anfang 2002das Gesetz „Über die gezielte staatliche So-zialhilfe“ in Kraft gesetzt. Von 2003 bis 2005wurde ein staatliches Programm zur Be-kämpfung der Armut realisiert, und ein Fol-geprogramm wurde aufgelegt. Im Ergebniskonnte die Armut gesenkt werden. Sie lagim 4. Quartal 2009 bei 8,2 Prozent im Ver-gleich zu 12,1 Prozent im 4. Quartal 2008,18,2 Prozent im 4. Quartal 2006 und 31,8Prozent im Jahre 2000.

Die Strategie zur Bekämpfung von Armutund Arbeitslosigkeit stützt sich auf die Ver-gabe von Mikrokrediten, die Entwicklungkleiner und mittlerer Unternehmen, den Aus-bau arbeitsintensiver Wirtschaftszweige mitHilfe ausländischer Investitionen und ein-heimischen Kapitals, die Beschäftigungssi-cherung durch staatlich finanzierte Projek-te, den Ausbau gesellschaftlich nützlicherArbeit, insbesondere beim Straßenbau undder Aufforstung, den Abbau überflüssigeradministrativer Barrieren für Privatunter-nehmen, den Ausbau des Dienstleistungs-sektors, vor allem des Tourismus, und die För-derung des Agrarindustriekomplexes. All diesist in der „Straßenkarte” vorgesehen.Mit der Verabschiedung des Gesetzes „Überdie Sicherheit der Renten“ am 1. Januar 1998wurde die Rentenreform eingeleitet. Grund-legend war der Übergang vom staatlich sub-ventionierten „Solidarsystem“ zum Anspar-system für die Rentensicherung. Das Gesetzlegte die rechtlichen und sozialen Grundla-gen der Rentenversorgung fest und regeltden Anteil der staatlichen Behörden sowieder natürlichen und juristischen Personen(unabhängig von deren Eigentumsform) ander Umsetzung des verfassungsmäßigenRechts auf Rente. Das Gesetz lässt dem Bür-ger die Freiheit, über die Höhe und Dauer sei-ner Rente zu entscheiden. Die Rentenbeiträgewerden auf ein Personenkonto bei einerselbst gewählten Rentenversicherung ein-gezahlt. Rente und Rentenkonto sind für jeden Bür-ger im arbeitsfähigen Alter schon jetzt rea-le Geldmittel, mit denen er kalkulieren, dieer vererben oder sich im Falle der Auswan-derung auszahlen lassen kann. Zum 31. Dezember 2009 gab es in Kasachstan1 662 887 Rentner. Die Mindestrente betrugim Jahre 2009 9 875 Tenge, nach 7 800 Ten-ge im Jahre 2008. Die Durchschnittsrente lagbei 17090 Tenge. Hohe Durchschnittsrentenwerden in Almaty und Astana mit 20 987 be-ziehungsweise 21027 Tenge ausbezahlt, Ren-ten unter dem Durchschnitt sind in den Ge-

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bieten Südkasachstan (14 392 Tenge), Alma-ty (14 682 Tenge) und Shambyl (15 033 Ten-ge) zu verzeichnen.Am 1. Januar 2005 trat das Gesetz „Über dieSozialpflichtversicherung“ in Kraft. Damitsteht allen arbeitsfähigen Bürgern, ausge-nommen noch arbeitende Rentner, das Rechtauf eine soziale Unterstützung bei Arbeits-unfähigkeit, Verlust des Ernährers oder Ar-beitsplatzverlust zu. Die soziale Unterstüt-zung bei Arbeitsunfähigkeit wird bis zur Er-reichung des Rentenalters ausbezahlt. DieBeihilfen sind für alle Bürger gleich hoch.Die gesetzliche Sozialpflichtversicherung isteine zusätzliche Stufe der sozialen Absiche-rung. Ein Bürger hat im Falle des Arbeitsplatzver-lustes Recht auf Sozialhilfe, wenn er offizi-ell arbeitslos registriert ist und nachweist,dass er selbst Arbeit sucht sowie einen be-stimmten Betrag an das Versicherungssystemabgeführt hat. Im Jahr 2009 bezogen insgesamt 767213 Per-sonen staatliche Sozialleistungen in einerdurchschnittlichen Höhe von 12 818 Tenge.Die Sozialabgaben für die Mitglieder der so-zialen Pflichtversicherung wurde den Ar-beitgebern seit dem 1. Januar 2005 in Höhevon 1,5 Prozent des Lohns der Beschäftig-ten, seit dem 1. Januar 2006 mit zwei Prozentund wird ihnen seit dem 1. Januar 2007 mitdrei Prozent auferlegt. Zum Ausgleich wur-den die Sozialabgaben gesenkt.Die adressierte Sozialhilfe wurde 2009240 294 Personen zur Verfügung gestellt.Besondere Aufmerksamkeit gilt der Unter-stützung von Mutter und Kind. Heute gibtes in Kasachstan drei Formen von Unter-stützung, die auf die Sicherung günstigerBedingungen für die Gründung einer Fami-lie gerichtet sind.Seit 2003 wird eine einmalige staatliche Un-terstützung für die Geburt eines Kindes aus-bezahlt. Im Jahre 2006 waren das 16 380Tenge, die rund 290 000 Familien erhielten.In seiner Jahresbotschaft 2007 kündigte derPräsident eine Verdopplung dieser Beihilfe

auf 34 760 Tenge an. Heute beträgt sie35 040 Tenge.Um die Geburtenzahlen zu fördern, wird seitdem 1. Juli 2006 an alle Familien, unabhän-gig von der Höhe ihres Einkommens, ein mo-natliches Erziehungsgeld bis zur Erreichungdes ersten Lebensjahres des Kindes ausbe-zahlt. Diese Unterstützung betrug im Jahre2006 zwischen 3 276 und 4 914 Tenge.Gemäß der Jahresbotschaft 2007 wurde dasErziehungsgeld für das erste Kind um 77 Pro-zent auf 5 790 Tenge, für das zweite Kindum 67 Prozent auf 6 369 Tenge, für das drit-te Kind um 59 Prozent auf 6 948 Tenge undfür jedes weitere Kind um 53 Prozent auf7 527 Tenge erhöht. Zudem erhalten Familien mit Einkünften un-terhalb des Existenzminimums eine monat-liche Unterstützung für Kinder bis zum 18.Lebensjahr.

Frauen und Gesellschaft In Kasachstan stellen die Frauen die Mehrheitder Bevölkerung (51,7 Prozent), und ihre Pro-bleme haben grundlegende soziale und ge-sellschaftliche Bedeutung. Deshalb bemüh-te man sich um institutionelle Mechanismenzur Förderung und zum Schutz der Rechteder Frauen sowie um die Abkehr von tradi-tionellen Vorstellungen der Rolle der Frau inder Gesellschaft. Zu diesem Zweck wurden in den 90er Jah-ren staatliche Institutionen geschaffen, dar-unter im Jahre 1995 der Rat für Familien,Frauen und demografische Politik beim Prä-sidenten. Dieser legte eine politische Kon-zeption zur Verbesserung der Lage der Frauvor. 1998 wurde dieser Rat in die NationaleKommission für Familien- und Frauenange-legenheiten beim Präsidenten umgewandelt,die mehr Rechte und Befugnisse erhielt. DieKommission besteht aus 28 Mitgliedern ausverschiedenen gesellschaftlichen Bereichen,zentralen Behörden und Strukturen der Re-gionen. Die Kommission arbeitet vor allemEmpfehlungen für die staatliche Familien-und Frauenpolitik aus, das heißt Maßnah-

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men zur wirtschaftlichen, sozialen, psycho-logischen und juristischen Unterstützungvon Familien, Frauen und Kindern. Und siewirkt bei deren Umsetzung mit. Die Kom-mission setzt sich für einen höheren Frau-enanteil in den staatlichen Behörden ein. Sielegt Entwürfe für normative Akte zur Lageder Familie, der Frau und des Kindes vor undunterstützt deren Umsetzung. Die Kommis-sion sucht die Zusammenarbeit mit Frauen-

nichtregierungsorganisationen im In- undAusland. Die Kommission wirkt an der Erar-beitung von Wirtschaftsprogrammen mit. Hiergeht es vornehmlich um Frauenunternehmen,um den Erhalt vorhandener und die Schaf-fung neuer Frauenarbeitsplätze. Ausgearbei-tet wurden zahlreiche Projekte, die von staat-lichen oder privaten Quellen, durch auslän-

dische Investitionen oder über Kredite finan-ziert und über die moderne Technologien ein-geführt werden. Die Kommission legte den Nationalen Planzur Verbesserung der Lage der Frauen vor,dessen Ziele und Strategien mit denen des4. Internationalen Frauenkongresses 1995 inPeking übereinstimmen. Dieser Plan ist Teilder Strategie „Kasachstan – 2030“. Er weistzwölf Themenbereiche auf: Frauen und Ar-

mut, Bildung und Ausbildung von Frauen,Frauen und Gesundheit, Gewalt gegen Frau-en, Frauen und bewaffnete Konflikte, Frau-en und Wirtschaft, Frauen in den Macht-strukturen, institutionelle Mechanismen derFrauenförderung, Frauenrechte – Menschen-rechte, Frauen und Massenmedien, Frauenund Umwelt, Frauen und Kinder.

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In Kasachstan stellen die Frauen die Mehrheit der Bevölkerung (51,7 Prozent), und ihre Probleme haben grundlegende soziale und gesellschaftliche Bedeutung

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Kasachstan schloss sich dreißig internatio-nalen Menschenrechtsabkommen an, dar-unter den Konventionen der Vereinten Na-tionen „Über die Abschaffung jeder Formvon Diskriminierung von Frauen“ und „Überdie politischen Rechte von Frauen“, der Kon-vention der Internationalen Arbeitsorgani-sation und der Konvention „Über die gleiche

Bezahlung für die Arbeit von Frauen undMännern“. Insgesamt gilt für Kasachstan, dassFrauen oft besser ausgebildet sind als Män-ner, aber nach wie vor weniger verdienen.Auch existieren weiterhin hohe Hürden beider Erreichung von Spitzenpositionen. DerAnteil der Frauen in Führungsämtern ent-spricht weder ihrem Bevölkerungsanteil nochihrer Qualifizierung. Auch in den staatlichenStrukturen und den Vertretungsorganen sind

sie unterrepräsentiert. Der Frauenanteil imStaatsdienst liegt bei 9,5 Prozent. Im Parla-ment stellen Frauen vierzehn Prozent derAbgeordneten und in den Maslichaten sieb-zehn Prozent.In Kasachstan ist die Assoziation der Ge-schäftsfrauen tätig. Sie wurde 1995 zumSchutz der wirtschaftlichen, sozialen und

politischen Interessen von Frauen gegrün-det. Die Assoziation vereint Frauen, die inPolitik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaftund Bildung, im Gesundheitswesen und imKultursektor tätig sind. War die Assoziationzunächst nur mit der Lösung regionaler Pro-bleme befasst, so ist sie heute in die politi-sche Beschlussfassung eingebunden. Sie ver-tritt die Interessen von Frauen gegenüberder Legislative und arbeitet mit zahlreichen

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Regelmäßig finden Kongresse berufstätiger Frauen statt. Man widmet sich vor allem Fragen der Genderentwicklung, der Frauenbeschäftigung und der Schaffung von Frauenarbeitsplätzen

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internationalen Partnern zusammen. Sie un-terhält über zwanzig Filialen in der gesam-ten Republik.Bis Dezember 1998 beschäftigten sich aus-schließlich Nichtregierungsorganisationenund internationale Organisationen mit derBekämpfung von Gewalt gegen Frauen. EineWende leitete die Rede von Präsident Na-sarbajew auf dem 2. Kasachstanischen Frau-enforum ein, in der er der Gewalt gegenFrauen den Kampf ansagte und diesen zurChefsache der Regierung erklärte. Im Februar1999 wurden innerhalb der Rechtsschutz-behörden Spezialeinheiten zur Bekämpfungder Gewalt gegen Frauen gebildet, und imHerbst 1999 entstand in Almaty das erstestaatliche Krisenzentrum für Frauen. Es folg-ten weitere. Die Nationale Kommission für Frauen- undFamilienangelegenheiten erstellte in Zu-sammenarbeit mit Frauenorganisationen ei-ne Expertise zum Strafrecht und zur Straf-prozessordnung. Daraufhin wurden die Stra-fen für Vergewaltigung und andere Gewalt-taten gegen Frauen drastisch verschärft. Un-abhängig davon, ob eine Anzeige erstattetwird, wird ein Strafverfahren eingeleitet, dasauch nicht durch eine außergerichtliche Ei-nigung der Parteien abgebrochen werdenkann. Eingerichtet wurden auf RepubliksebeneSchulen für Frauen in Führungspositionen,an denen 35 nichtstaatliche Organisationenmitarbeiten. Regelmäßig finden Kongresse berufstätigerFrauen statt. Man widmet sich vor allem Fra-gen der Genderentwicklung, der Frauenbe-schäftigung und der Schaffung von Frauen-arbeitsplätzen sowie der Teilhabe von Frau-en am politischen Leben.

Jugend In Kasachstan gelten Menschen im Alter vonvierzehn bis 29 Jahren als Jugendliche. Imganzen Lande gibt es etwa 200 Jugendor-ganisationen, darunter „Kaizar“, „Aibat“, der„Jugendkongress Kasachstans“, „Kachar“ und

„Wir für ein starkes Kasachstan“. Diese Or-ganisationen schalten sich aktiv in die poli-tischen Prozesse ein. Die Jugendorganisation der Partei „Nur Otan”„Shas Otan” verabschiedete auf ihrem Kon-gress im Mai 2008 die „Tätigkeitsstrategie2008 bis 2011”, bestätigte ihr Statut undwählte einen Zentralrat. Der Kongress fassteden Beschluss, einen Rat für Jugendpolitikbeim Präsidenten einzurichten, der die Ju-gendpolitik koordinieren, das Jugendmilieuanalysieren und praktische Empfehlungenfür die staatliche Jugendpolitik ausarbeitensoll. „Shas Otan” sieht seine Aufgaben vor-nehmlich in der Stärkung der vielzähligenJugendorganisationen, der ideologischen Er-ziehung der jungen Generation und demWerben für eine gesunde Lebensweise. An-genommen wurden mehrere Programme,darunter „Jugend auf dem Land” und „MitDiplom aufs Dorf”. Ein Jugendfernsehsenderwird aufgebaut.Die Jugendpolitik gründet auf den Prinzipi-en der Anerkennung der Interessen und Be-dürfnisse der Jugend als einer besonderen so-zialen Gruppe, der Priorität der historischenund kulturellen Werte Kasachstans sowie derErziehung zu Staatsbewusstsein und Patrio-tismus. Der Staat muss die Rechte und Frei-heiten der jungen Menschen schützen, ihreErwerbstätigkeit fördern, junge Familien un-terstützen und die Umsetzung des Rechtesauf eine kostenlose Mittelschulbildung si-chern. Zudem muss er die Bedingungen fürdie Erziehung und allseitige Ausbildung derJugend schaffen sowie die Rechte und die So-zialfürsorge für jugendliche Behinderte undZöglinge der Kinderheime gewährleisten. Dar-über hinaus muss der Staat Bedingungen fürden patriotischen und staatsbürgerlichen Wer-degang sowie für die Entwicklung der natio-nalen Kultur und Sprache unter der Jugendschaffen. Er muss zudem den Gesundheits-schutz der Jugend sichern und eine gesundeLebensweise der Jugend fördern.Die soziale Unterstützung der Jugend liegtin der Verantwortung der Sozialen Dienste,

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die in unterschiedlichen Bereichen tätig sind.Sie leisten psychologisch-pädagogische, me-dizinisch-soziale und Rechtshilfe. Sie unter-stützen Behinderte, Waisenkinder und jun-ge Familien, kümmern sich um den Rechts-schutz Jugendlicher in Arbeits- und Ausbil-dungszusammenhängen, leisten sozial auf-

fälligen Minderjährigen sowie obdachlosenund verwahrlosten Kindern und Jugendli-chen Hilfe. Die Sozialen Dienste werden ausdem Staatshaushalt finanziert, ihre Dienst-leistungen können Kinder und Jugendlicheunentgeltlich in Anspruch nehmen.Ein markantes Jugendprojekt ist die Liga derjungen Wähler. Sie sieht ihre wichtigste Auf-gabe in der Aufklärung junger Kasachstanerin Fragen des Wahlrechts. Die Liga unterstütztInitiativen junger Bürger bei der Durchset-zung ihres Wahlrechts und bemüht sich, dassJungwähler ein verantwortungsvolles Ver-hältnis zu ihrer Stimmabgabe entwickeln. DasInformationsniveau der Jugend über Partei-

en, Wahlprogramme und Kandidaten wieauch über den Staatsaufbau ist gering. Esgibt zahlreiche Fälle, in denen die Verwal-tungen der Ausbildungsstätten gegen dieWahlrechte der Jugendlichen verstoßen. Ingewissem Sinne bedarf es des Schutzes derWahlrechte der jungen Wähler – und unter

diesen Bedingungen wurden die Arbeitsme-thoden im Rahmen des Projektes bestimmt.Dabei bleibt die Liga der jungen Wähler po-litisch neutral. Andere Projekte befinden sich ebenfalls inder Umsetzung. „Baspana” etwa sieht die Zu-weisung kostengünstigen Wohnraumes anjunge Mitarbeiter seitens der Unternehmenvor, in den Satellitenstädten der Jugend wer-den jungen Menschen kostenlos Grundstückezur Verfügung gestellt. Das Projekt „Enbek”wird zusammen mit der Stiftung „ModerneBildung” realisiert und bietet ein Internet-portal für Facharbeiter, Hochschulabsolven-ten und Arbeitgeber. Das Projekt „Eigenes

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Im ganzen Lande gibt es etwa 200 Jugendorganisationen

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Unternehmen” unterstützt junge Kasachsta-ner darin, ein eigenes Unternehmen zu grün-den.

GesundheitswesenAls ein überaus wichtiges Anliegen der Stra-tegie „Kasachstan – 2030“ bezeichnete Prä-sident Nasarbajew Verbesserungen im Ge-sundheits- und Bildungswesen. Die Refor-men im Gesundheitswesen waren logischeFolge des Überganges zur Marktwirtschaft. Indiesem Zusammenhang gab es einige ge-setzliche, institutionelle und strukturelle Ver-änderungen. Die Schaffung der neuen In-frastruktur des öffentlichen Gesundheits-wesens zieht die Entstehung eines Privat-sektors im Gesundheitswesen nach sich. Dervom Staat garantierte Umfang der kosten-losen medizinischen Betreuung wurde dabeibeibehalten.Das strategische Ziel der Regierung ist es, dassmedizinische Dienstleistungen trotz markt-wirtschaftlicher Reformen für alle Bürger zu-gänglich bleiben. Im Jahre 1998 wurde dasstaatliche Programm „Gesundheit des Volkes“aufgelegt. Es sah unterschiedliche Systemeder medizinischen Grundversorgung sowie ei-ne verstärkte Vorsorge und die Bekämpfung sogenannter Armutskrankheiten wie Tuberku-lose und Virusinfektionen vor. Zudem gab esdarin Maßnahmen, mit denen ein Schadens-ersatzsystem bei Krankheiten infolge ungüns-tiger Umwelteinflüsse geschaffen, die Qua-lität der Trinkwasserversorgung verbessert so-wie kostenlose Schutzimpfungen durchge-führt werden – beim Impfschutz weist dasLand heute eine Quote von über 95 Prozentauf. Ein wichtiger Teil des Programmes galt derAufklärung über eine gesunde Lebensweise.Vorbeugende Untersuchungen, Werbung fürSport, für eine gesunde Ernährung und fürdie Einhaltung der Hygienevorschriften so-wie die Bekämpfung des Alkohol- und Dro-genmissbrauches waren ebenfalls vorgesehen. Im Rahmen des Programmes wurde die am-bulante Behandlung in Polikliniken ausge-

baut, die weniger kostenaufwendig und fürdie Bürger erschwinglicher ist. Wert wurdedabei auf den Erhalt beziehungsweise dieVerbesserung des gegenwärtigen Niveausder medizinischen Dienstleistungen gelegt.Ende 2008 gab es 2 860 Polikliniken, davon1 989 staatliche und 871 private. Zudem wa-ren 198 Spezialpolikliniken registriert. DasNetz der Polikliniken wird weiter ausgebaut.Gegenwärtig befindet sich das staatliche Pro-gramm Reform und Entwicklung des Ge-sundheitswesens 2005 bis 2010 in seiner End-phase, die langfristigen Ziele waren wie folgt:Schaffung eines optimalen Modells des Ge-sundheitswesens, das die Bedürfnisse derBürger, des Staates und der Wirtschaft be-dient, bessere Versorgung der Bevölkerungmit medizinischen Dienstleistungen, Siche-rung des gleichen Zugangs der Bürger zumedizinischer Hilfe und Realisierung desGrundsatzes der solidarischen Verantwor-tung von Staat und Bürgern für den Ge-sundheitsschutz; Ausweitung prophylakti-scher Maßnahmen; Verbesserung der Ge-sundheit von Mutter und Kind; Verbesserungder demografischen Situation und Senkungdes Niveaus gesellschaftlich bedeutsamer Er-krankungen. Abgeschlossen ist die Arbeit am Entwurf desGesetzbuches „Über die Gesundheit des Volkesund das System des Gesundheitswesens”. Im Mai 2010 hat das Ministerium für Ge-sundheit das staatliche Programm der Reformdes Gesundheitswesens für 2011 bis 2015 vor-gelegt. Weiter setzt man auf die Verstärkungder Vorbeugemaßnahmen, die Verbesserungder Diagnostik, der Behandlung und Rehabi-litation der gesellschaftlich bedeutsamenKrankheiten. Dazu zählen heute Diabetes,Anämie und onkologische Krankheiten. Auchdie Arbeit des Sanitärhygienischen Dienstessoll verbessert werden. Geplant sind zudemOptimierungen in der Organisation, Verwal-tung und Finanzierung der medizinischen Hil-fe im Einheitlichen Nationalen Gesundheits-system sowie der medizinischen und phar-mazeutischen Ausbildung. Verstärkt sollen in-

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novative Technologien in der Medizin einge-setzt werden. Die Qualität der Arznei- undHeilmittel soll gesteigert werden. Die Liste derkostenlosen medizinischen Dienstleistungenwird erweitert. Für die Umsetzung dieses neu-en Reformprogrammes im Gesundheitswesenwerden für den Zeitraum 2011 bis 2015 449,3Milliarden Tenge aus dem Staatshaushalt be-reitgestellt. Seit 1998 geht infolge zielgerichteter Maß-nahmen die Verbreitung von Infektions-krankheiten zurück. Auch ein Rückgang der

Geschlechtskrankheiten ist zu verzeichnen.Um der Verbreitung von Aids entgegenzu-wirken, werden in ganz Kasachstan über La-boratorien die Risikogruppen registriert. Fürden Bau von Tuberkuloseeinrichtungen undKrankenhäusern in den Gebieten Atyrau, Ky-sylorda, Westkasachstan, Shambyl und Süd-kasachstan wurden insgesamt 2,32 MilliardenTenge bereitgestellt. Verwirklicht wird das Pro-gramm „100 Schulen und 100 Krankenhäu-ser”. Gebaut wurden 26 regionale und fünf-zehn republikanische Zentralkrankenhäuser,34 Polikliniken, neun Blutzentren, vier Uni-

versitätskrankenhäuser und sieben Antitu-berkuloseeinrichtungen.Eine große Rolle bei der Umsetzung der Ge-sundheitsreform spielen internationale Or-ganisationen. Mit der Weltgesundheitsorga-nisation und UNICEF arbeitete Kasachstanin Fragen des Immunitätsprogrammes fürKinder, bei der Bekämpfung von Tuberkulo-se und bei der Reform des Gesundheitswe-sens eng zusammen. So wurden beispielsweise zwei Kontrollpro-jekte der Weltgesundheitsorganisation zur

Bekämpfung von Tuberkulose in den Gebie-ten Almaty und Atyrau realisiert. Insgesamtkonnten mit Unterstützung der Weltge-sundheitsorganisation über 20 000 kasach-stanische Fachleute aus- und weitergebildetwerden, darunter rund 6 000 in der Tuber-kulosebekämpfung. 2008 wurden 125,4 Tuberkuloseerkrankun-gen je 100 000 Einwohnern registriert, ins-gesamt etwas mehr als 20 000 Fälle. Das istein beachtlicher Rückgang gegenüber 2004,als es noch 175 Fälle pro 100 000 Bewoh-nern waren. Aufgelegt wurde ein Folgepro-

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Strategisches Ziel der Regierung ist es, dass medizinische Dienstleistungen trotz marktwirtschaftlicherReformen für alle Bürger zugänglich bleiben

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gramm für die Bekämpfung von Tuberkulo-se für den Zeitraum 2008 bis 2012. In Ka-sachstan arbeiten heute fünf auf Tuberku-lose spezialisierte Zentren. Die Zahl der Tu-berkuloseerkrankungen konnte 2009 auf16 735 weiter gesenkt werden, das sind et-wa 104 Fälle pro 100 000 Einwohner.Die Zahl der Diabeteskranken steigt weiter-hin an. Überdurchschnittlich hoch ist die Zahlder Erkrankungen in den Gebieten Karagan-dy, Akmola, Südkasachstan und Nordka-sachstan. Die Versorgung der Zuckerkrankenmit Insulin ist vollständig gesichert. Die Zahl der Herz- und Kreislauferkrankun-gen ist weiterhin hoch, 46 Prozent aller To-desfälle gehen auf derartige Erkrankungenzurück. Kardiologische Zentren entstehenderzeit in Astana, Almaty und Pawlodar. 2008wurden herzchirurgische Abteilungen insechs Gebieten – Südkasachstan, Pawlodar,Westkasachstan, Nordkasachstan, Almatyund Atyrau – eröffnet. 2009 folgten die Ge-biete Mangystau, Kysylorda und Shambyl.Die Zahl der psychischen und traumatischenErkrankungen geht zurück.In den letzten Jahren zeichnen sich bezüglichder Gesundheit der Bevölkerung insgesamtpositive Tendenzen ab. Die demografischenKennziffern stabilisieren sich. Es sterben we-niger Säuglinge, und die Geburtenrate steigt.Die Sterblichkeit sinkt. Aufgelegt wurde einneues Programm zur weiteren Senkung derMütter- und Kindersterblichkeit. Verbessert wurde vor allem die Gesundheits-fürsorge auf dem Land. Allen Dorfbewohnernwird medizinische Hilfe vor Ort garantiert. Je-de staatliche Ambulanz verfügt heute überdie notwendige Ausrüstung, über Sanitäts-fahrzeuge und medizinisches Personal. Denzentralen Gebiets- und Kreiskrankenhäusernsind mobile medizinische Dienste angeglie-dert, die die Landbevölkerung mit Medika-menten versorgen. Neu ist die Einführung derTelemedizin in den Polikliniken auf dem Land,die ermöglicht, sich mit medizinischen Zen-tren und führenden Ärzten über die Behand-lung zu beraten. In Angriff genommen wur-

de die Einführung von regulären Vorsorge-untersuchungen für Frauen im gebärfähigenAlter (fünfzehn bis 49 Jahre).Ende 2009 kümmerten sich 60 656 Ärzte umdie Gesundheit der Patienten. In den medi-zinischen Einrichtungen arbeiteten 138 610Pflegekräfte. Es gibt 1041 Krankenhäuser,mit insgesamt 121 246 Betten. Die Ausstat-tung der medizinischen Einrichtungen wirdkontinuierlich verbessert. Im Rahmen desProgrammes zur Reform und Entwicklungdes Gesundheitswesens erhalten Kinder biszum Alter von fünf Jahren auch weiterhinkostenlos Medikamente. Schwangere wer-den unentgeltlich mit Eisen- und Jodpräpa-raten versorgt.Geplant ist ein neues Gesetz über die Kran-kenversicherung, nach dem die Versicherteneine kostenlose medizinische Grundversor-gung erhalten. Je mehr Mittel vom Einzel-nen aber in die Krankenversicherung einge-zahlt werden, desto umfassender werden diekostenlosen medizinischen Leistungen. Einausgewogenes Verhältnis zwischen staatlichsubventionierter und aus der Krankenversi-cherung finanzierter Gesundheitsfürsorgewird es dann erlauben, den garantierten Um-fang der kostenlosen medizinischen Ange-bote stetig zu erweitern, was der Gesund-heit der Bevölkerung zugute kommt.

UmweltschutzDie ökologische Situation in Kasachstan istschwierig. Radioaktive Verseuchung sowie dieVerschmutzung von Böden, Gewässern undLuft stellen ernsthafte Probleme dar. Der staat-liche Umweltschutz gründet auf einigen Ge-setzen, die die staatliche Lenkung des Natur-schutzes und der Naturnutzung festlegen.1997 wurden die Gesetze „Über den Um-weltschutz”, „Über besonders geschützte Ge-biete” und „Über ökologische Expertise” an-genommen. 1998 folgte das Gesetz „ÜberStrahlensicherheit” und 2002 das Gesetz „Überden Schutz der Atmosphäre”. Zudem habeneinige Präsidialerlasse Gesetzeskraft, darun-ter die Erlasse „Über den Erdschoß und dessen

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Nutzung” (1996) und „Über das Erdöl” (1995).Wichtig sind das Boden-, das Wasser- und dasWaldgesetzbuch aus dem Jahre 2003. Ka-sachstan war der erste GUS-Staat der ein„Ökologisches Gesetzbuch” angenommen hat.Die Konzeption der ökologischen Sicherheit2004 bis 2015 wird umgesetzt, das nationa-le Umweltregister 2004 bis 2015 ist ausgear-beitet. Kasachstan hat neunzehn internatio-nale Umweltschutzabkommen unterzeichnet,darunter die Konvention über die Artenviel-falt, die Konvention der Vereinten Nationenüber den Kampf gegen die Verwüstung, dieWiener Konvention über den Schutz der Ozon-schicht und die Konvention über den inter-nationalen Handel mit vom Aussterben be-drohten Tieren und Pflanzen sowie die Kon-vention der internationalen meteorologischenOrganisation. Kasachstan hat das Kyoto-Pro-tokoll ratifiziert. Ein Maßnahmenplan zur Er-reichung der darin vorgesehenen Ziele wurdeausgearbeitet. Probleme der Umweltpolitik schlugen sichin der Entwicklungsstrategie Kasachstans,insbesondere in deren Teil „Strategie des Um-weltschutzes und der Naturressourcen bis2030“, in unterschiedlichen Regierungspro-grammen sowie in diversen Regierungsbe-schlüssen nieder. Ausgearbeitet ist das Pro-gramm „Ökologie – 2020”. Ein Abschnitt zieltauf die Entsorgung von Industrie- und Haus-müll. In den letzten Jahren stellt der Staat zu-nehmend mehr Geld für den Umweltschutzbereit. Die staatliche Politik im Bereich desUmweltschutzes und der rationalen Nutzungder Naturressourcen stimulierte die Unter-nehmen, ihre Ausgaben für diesen Bereichzu erhöhen.Die intensive Entwicklung des Mineral- undRohstoffkomplexes führte dazu, dass heutedie Brennstoffindustrie, die Metallurgie, dieChemie- und die Erdölchemieindustrie dieumweltgefährdensten sind. Eine Gefahr fürdie Umwelt sind neben den in die Luft ab-gegebenen Schadstoffen giftige Abfälle, diesich auf Kohlehalden, Truppenübungsplät-

zen und Müllhalden sammeln. Positiv zu ver-merken ist, dass die Wiederaufbereitung vonSchadstoffen, die in Reinigungs- und Filter-anlagen aufgefangen werden, ausgebautwird.Ein weltweites Problem ist die rationale Nut-zung der Wasservorräte und die Versorgungder Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser.Die kasachstanische Regierung hat ein Trink-wasserprogramm für 2002 bis 2010 aufge-legt. Dessen Umsetzung verbesserte den öko-logischen Zustand von Gewässern sowie dieTrinkwasserqualität. In den letzten Jahrenkonnte durch den Bau von Wasserwieder-aufbereitungsanlagen der Frischwasserver-brauch gesenkt werden. Die Wasserentnah-me aus natürlichen Wasserquellen und des-sen Nutzung zum Beispiel zur künstlichenBewässerung wurde zurückgefahren. Zudemgeht weniger Wasser beim Transport verlo-ren.Dem Kaspischen Meer wird heute besonde-re Aufmerksamkeit geschenkt: Begleit- undNaturgas dürfen nicht mehr abgefackelt, Ab-fälle im Meer nicht mehr entsorgt oder ge-lagert werden. Ausgearbeitet wurde das Programm „Reha-bilitierung des Atomtestgeländes Semipala-tinsk”. 95 Prozent des Territoriums sollen wie-der für eine wirtschaftliche Nutzung vorbe-reitet werden, Hilfsleistungen für die vonden Auswirkungen der Atomtests Betroffe-nen sind ebenfalls vorgesehen. Insgesamtwird für das Programm in den Jahren 2010bis 2020 eine Billion Tenge zur Verfügunggestellt.

Der Aralsee. Als „Krise des Planeten“ be-zeichnete Präsident Nasarbajew das Aral-seeproblem. Und tatsächlich ist der Aralseeeine der größten ökologischen Wunden derErde. Im März 1993 wurde auf einer Konfe-renz der Regierungschefs der zentralasiati-schen Region die Internationale Stiftung zurRettung des Aralsees ins Leben gerufen. Derletzte Gipfel des Fonds fand am 29. April2009 in Almaty statt. Im Rahmen des OSZE-

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Vorsitzes Kasachstans fand am 13. Oktober2010 eine Sondersitzung zur Aralsee-Pro-blematik im Europaparlament statt.Der Aralsee wird von zwei Flüssen gespeist,dem Syr-Darja und dem Amu-Darja. Bis 1960brachten diese beiden Wasseradern jährlichrund 56 Kubikkilometer Wasser in den Aral-see. Doch die großen Landwirtschaftskam-pagnen der UdSSR führten dazu, dass dieKolchosen entlang der beiden Flüsse riesigeWassermengen entnahmen. Weit verzweig-te Bewässerungssysteme und Staubecken

wurden angelegt, wodurch der Wasserspie-gel des Aralsees kontinuierlich sank. Das rie-sige Wasserreservoir, auf dem früher großeSchiffe verkehrten, versandete. Der Wasser-stand sank durchschnittlich pro Jahr um 0,4Meter, die Seeoberfläche verringerte sich um1000 Quadratkilometer, das Wasservolumenum vierzehn Kubikkilometer. Durch die Austrocknung des Aralsees geratenjährlich eine Million Tonnen schädlicher Sal-ze vom einstigen Meeresboden in die Atmo-sphäre. War die Wüstenlandschaft im Aral-

gebiet vor sechzehn Jahren 25 000 Qua-dratkilometer groß, so hat sie sich heute auf40 000 Quadratkilometer ausgedehnt. Hartbetroffen sind die Anwohner, bei denenKrebserkrankungen zum Alltag gehören.Rund achtzig Prozent der Frauen leiden anBlutarmut. Gegenwärtig werden von den zentralasiati-schen Ländern die Programme „Hilfe für dasBecken des Aralsees” PBAM-1 und PBAM-2umgesetzt. Insbesondere geht es um die Min-derung der Krisenauswirkungen und die Ver-

besserung der Lebensqualität im Aralgebiet.Im Rahmen von PBAM-1 wurden von inter-nationalen Organisationen und Geberlän-dern 47,7 Millionen Dollar Gelder und 278Millionen Dollar in Anleihen zur Verfügunggestellt. Es gab viele Projekte, um die völlige Versan-dung des Aralsees zu verhindern. Nach Be-rechnungen von Fachleuten wäre für dieAufrechterhaltung des gegenwärtigen Was-serstandes die Zuleitung von etwa zwanzigbis 25 Kubikkilometern Wasser im Jahr er-

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Der Kokaral-Damm ist Teil des Projekts „Regulierung des Flussbettes des Syr-Darja und des NördlichenAralsees“, das den Wasserstand des Kleinen Aralsees heben soll

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forderlich. Viele Umweltwissenschaftler sindzu dem Schluss gekommen, dass die Reani-mierung des gesamten Sees unmöglich ist,aber der Versuch lohne, wenigstens den nörd-

lichen Teil des Bassins – den Kleinen Aralsee– zu retten. Diesem Ziel dient das Projekt„Regulierung des Flussbettes des Syr-Darjaund des Nördlichen Aralsees“, für dessen Um-setzung fast 86 Millionen Dollar vorgesehenwaren. Den größten Teil der Gelder stelltemit 64,5 Millionen Dollar die Weltbank zur

Verfügung, den Rest die kasachstanische Re-gierung. Das Projekt zeigt Wirkung. Der Was-serstand des Kleinen Aral stieg 2008 auf 42,1Meter, das Wasservolumen erhöhte sich auf

27,4 Kubikkilometer und die Mineralisierungdes Wassers sank auf siebzehn Gramm proLiter. Für die zweite Etappe des Programmeswerden 191 Millionen Dollar veranschlagt. Die zentralasiatischen Länder schenken denUmweltproblemen große Aufmerksamkeit.Die Staatsoberhäupter unterzeichneten ei-

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Der Aralsee im August 2009 (kleines Bild der See im Jahre 2008) – die Wüstenlandschaft im Aralgebiet hat sich auf über 40 000 Quadratkilometer ausgedehnt

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ne Reihe von Abkommen und Absichtser-klärungen in diesem Bereich. 1995 wurdendie Issyk-Kul- und die Nukus-Deklarationunterzeichnet, die auf einen regionalen Plander nachhaltigen Entwicklung und der Um-setzung zwischennationaler Übereinkünftefür die Kaspische und die Aralregion zielen.1997 wurde die Almaty-Erklärung ange-nommen, die der Erarbeitung eines allseiti-gen Umweltschutzprogrammes dient. 1998wurde in Bischkek die Übereinkunft „ÜberZusammenarbeit im Bereich des Umwelt-schutzes und der rationalen Nutzung der Na-turressourcen“ unterzeichnet.Gleichzeitig ratifizierten die Minister einegemeinsame Erklärung über die Ausarbei-tung eines regionalen Umweltschutzplanes.Beschlossen wurde, ein ZentralasiatischesUmweltschutzzentrum in Almaty aufzubau-en, das den Status einer internationalen, un-abhängigen, nichtkommerziellen Nichtre-gierungsorganisation hat. Ziele des Zentrumssind die Förderung der Zusammenarbeit derUmweltschutzorganisationen mit staatlichenBehörden aller Ebenen und dem Privatsek-tor der Wirtschaft.

SportDer Staat schenkt der Entwicklung von Kör-perkultur und Sport große Aufmerksamkeit.Heute gibt es in Kasachstan ein gut ent-wickeltes System von insgesamt 27 855Sporteinrichtungen, davon 253 Sportstadien,14034 Gymnastiksäle, 1213 Schießplätze, 135Skisportanlagen, 140 Schwimmhallen und an-dere Einrichtungen. Realisiert wurden meh-rere Teilprogramme im Sportbereich, die guteErgebnisse brachten. Im Rahmen der „Straßen-karte” wurden 2009 und 2010 drei MilliardenTenge allein für die Sanierung von Sportein-richtungen bereitgestellt. Das Programm „Sa-lauatty Kasachstan 2011 bis 2015”, das im Ge-sundheitswesen umgesetzt wird, umfasst auchein Teilprogramm für die Weiterentwicklungvon Körperkultur und Sport. Die Werbung für eine gesunde Lebensweisemittels Körperkultur und Sport wurde ver-

stärkt. In allen Gebieten des Landes wird derBreitensport gefördert. Bedingungen wer-den geschaffen, damit sich die Bevölkerungdem Sport widmen kann. Gefördert werden sowohl die olympischenals auch die nationalen Sportarten. Das 1990gegründete Nationale Olympische Komiteespielt gemeinsam mit der Sportföderationund der Sportliga eine wichtige Rolle bei derAuswahl und der Vorbereitung der nationa-len Sportler. Positiv wird vermerkt, dass heute rund200 000 Menschen in den nationalen Sport-arten, darunter Reiterspiele und Ringen, ak-tiv sind. Vom 2. bis 7. November 2010 wur-

de der internationale Wettbewerb im „To-gyskumalak”, ein intellektueller Sport undals eine Art „Algebra der Hirten“ bezeichnet,unter Teilnahme von fünfzig Sportlern aussechzehn Ländern ausgetragen.Seit 1990 verzeichnen die kasachstanischenSportler beachtliche Erfolge bei internatio-nalen Wettkämpfen. Wladimir Smirnow,glänzender Skilangläufer, brachte die Gold-medaille im 50-Kilometerlauf bei den Olym-pischen Winterspielen in Lillehammer nachHause. Auf dem asiatischen Journalisten-kongress wurde er 1996 zum Sportler des

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Die 7. Asiatischen Winterspiele werden vom 30. Januar bis 6. Februar 2011 in Almaty undAstana ausgetragen

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Jahres gekürt. Daulet Turlichanow, sieben-maliger Meister der UdSSR und Medaillen-gewinner der Olympischen Spiele in Seoulund Barcelona, trainiert heute die National-mannschaft für die Ringwettkämpfe im grie-chisch-römischen Stil. Bei den OlympischenSpielen 2002 in Sidney gewannen BeksatSattarchanow und Ermachan Ibraimow Gold-medaillen sowie Machtarchan Dildabekowund Bulat Dschumadilow Silbermedaillen imBoxen, Olga Schischigina wurde Olympia-siegerin im 100-Meter-Hürdenlauf, und Alex-ander Winokurow holte Platz zwei bei denStraßenrennen der Radfahrer. Bei den Olym-pischen Spielen 2004 in Athen holten ka-sachstanische Sportler acht Medaillen. Vonden Olympischen Spielen 2008 in Pekingkehrten die kasachstanischen Sportler mitdreizehn Medaillen - zwei Gold-, vier Silber-und sieben Bronzemedaillen - zurück. Ilja Ilinholte bei den Gewichthebern Gold in der Ge-wichtsklasse bis 94 Kilogramm, und BachytSarsekbajew setzte sich im Boxen in der Ge-wichtsklasse bis 69 Kilogramm gegen seineKonkurrenten durch. Von den OlympischenWinterspielen 2010 in Vancouver kehrte dieBiathletin Elena Chrustalewa mit einer Sil-bermedaille zurück.Die Ostasienspiele und die Asienspiele wa-ren und sind die angesehensten Sportwett-kämpfe in Asien. Die kasachstanischen Sport-ler, die 1997 an den Zweiten OstasiatischenSpielen in der südkoreanischen Stadt Busanteilnahmen, brachten 58 Medaillen mit nachHause und belegten in der LänderwertungPlatz vier. Bei den Dritten Ostasienspielen2001 im japanischen Osaka traten die ka-sachstanischen Sportler in neunzehn Diszi-plinen an und gewannen 57 Medaillen. Beiden 15. Asienspielen vom 1. bis 15. Dezem-ber 2006 in Doha erreichte Kasachstan denvierten Platz in der Mannschaftswertung.Die Sportler brachten 23 Gold-, neunzehnSilber- und 43 Bronzemedaillen nach Hause.

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In allen Gebieten des Landes wird der Breitensport gefördert

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Insgesamt werden in Kasachstan 123 Sport-arten betrieben, darunter 49 der 53 olym-pischen Disziplinen. Zur Nachwuchsförde-rung arbeiten heute 415 Kinder- und Ju-gendsportschulen, an denen 226 000 jungeSportler und Sportlerinnen trainiert werden,sechs Schulen der höchsten Sportmeister-schaft und zwei Sportkollegs. Es gibt drei na-tionale und zehn regionale Sportinternatefür talentierte Kinder und Jugendliche. Der

Vorbereitung der Olympiateilnehmer dienendrei republikanische Olympische Zentren undelf regionale Zentren. In Almaty wurden dasAnti-Doping-Labor und das Zentrum fürSportmedizin und Rehabilitation eröffnet.Die Vollversammlung des Olympischen Ra-tes Asiens hat Almaty am 5. Januar 2006 denZuschlag für die Austragung der 7. Asiati-schen Winterspiele 2011 gegeben. Im Okto-ber 2007 wurde der Beschluss gefasst, dieSpiele vom 30. Januar bis 6. Februar 2011 inAlmaty und Astana zu veranstalten. Für dieVorbereitung sind im Staatshaushalt 64 Mil-

liarden Tenge eingeplant. Zusammen mitSponsorengeldern stehen mehr als hundertMilliarden Tenge zur Verfügung. Bei den Asia-tischen Winterspielen werden elf Sportartenvertreten sein, vergeben werden je 69 Gold-,Silber- und Bronzemedaillen. Die Spiele wer-den am 30. Januar 2011 im neuen, über-dachten Stadion der Hauptstadt Kasachstanseröffnet. In Astana werden die „Eisdizipli-nen”, darunter Eiskunstlauf und Eishockey,

und in Almaty die „Schneedisziplinen”, wieetwa Abfahrtslauf, Biathlon und Skisprin-gen, ausgetragen. Um die Medaillen werdenSportler aus dreißig Ländern kämpfen. Ka-sachstan wird mit 167 Athleten die größteMannschaft stellen. Im Rahmen der Spielewird die ordentliche Vollversammlung desOlympischen Rates Asiens einberufen. Eineerfolgreiche Durchführung der AsiatischenWinterspiele wird ein starkes Argument fürdie Bewerbung Kasachstans um die Austra-gung der Olympischen Winterspiele 2018sein.

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Die Sportler Kasachstans verzeichnen beachtliche Erfolge bei internationalen Wettkämpfen, so gewann die Biathletin Elena Chrustalewa bei den Olympischen Winterspielen 2010 eine Silbermedaille

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Für körperlich und geistig Behinderte wer-den Bedingungen geschaffen, damit sie Sporttreiben können. Sie erfahren Unterstützungbei der Vorbereitung und Teilnahme an in-ternationalen Wettkämpfen. Seit 1991 ist inKasachstan die Bewegung „Special Olym-pics“, die sich für den Sport geistig Behin-

derter einsetzt, aktiv. In den fast zwanzigJahren ihres Bestehens richtete „SpecialOlympics Kazakhstan“ (SOK) Filialen in denvierzehn Gebieten der Republik ein underöffnete Dutzende von Sportklubs auf derBasis von Internaten und Ganztagsschulen.Die kontinuierlichen Trainings und Wettbe-werbe sind ein Weg zu lernen, Hindernissezu überwinden, sich stark, mutig und fähigzum Siegen zu fühlen. Es ist auch ein Weg,über die Bekanntschaft und Freundschaftmit anderen Menschen Selbstvertrauen zuentwickeln.Sportler dieser Bewegung erzielten glän-zende Erfolge bei den Paralympics, den in-

ternationalen Olympischen Sommer- undWinterspielen für Behinderte.

GewerkschaftenDer 1. Gewerkschaftskongress in Kasachstanfand 1925 in Kysylorda statt. In der Sowjet-zeit wurde die Tätigkeit aller Gewerkschaf-

ten vom Kasachischen Sowjet der Gewerk-schaften (KasSowProf) geleitet. Die Perestroika und die Demokratisierungdes gesellschaftlichen und politischen Le-bens wirkten sich auch auf die Arbeit derGewerkschaften aus. Überflüssige Verwal-tung und Zentralisierung, die Initiativen undEigenständigkeit der Gewerkschaftskomiteesbeschränkten, wurden aufgegeben.Am 10. Oktober 1990 wurde auf dem 14. Ge-werkschaftskongress Kasachstans die Dekla-ration über die Bildung der Föderation derGewerkschaften der Kasachischen SSR alsRechtsnachfolgerin von KasSowProf ange-nommen.

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Heute sind rund 200 000 Menschen in den nationalen Sportarten, darunter Reiterspiele und Ringen,aktiv

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Die Föderation der Gewerkschaften dekla-rierte ihre Unabhängigkeit von den Staats-organen, den Arbeitgebern und den politi-schen Parteien. Zu ihrem Hauptziel erklärtesie den Einsatz für die sozialen und wirt-schaftlichen Interessen der Arbeitnehmer so-wie für das Recht auf Arbeit ihrer Mitglie-der. Die 90er Jahre waren für Kasachstan eineZeit der Reformen und der Erneuerung, derSuche nach neuen Arbeitsformen und -me-thoden. Es wurden tief greifende, nicht sel-ten schmerzhafte soziale und wirtschaftli-che Reformen durchgeführt. Die Gewerk-schaftsföderation brachte sich aktiv in die-sen Prozess ein. Heute ist die Gewerkschaftsföderation derRepublik Kasachstan (FPRK) mit ihren rundzwei Millionen Mitgliedern die mitglieder-stärkste Organisation der Beschäftigten Ka-sachstans. 26 landesweite Branchengewerk-schaftsverbände haben sich ihr angeschlos-sen. Die FRPK zählt mehr als 17000 Grund-organisationen, 530 Stadt- und Kreisorgani-sationen sowie 190 Gebietsorganisationen.Die stärksten Gewerkschaften sind die für Bil-dung und Wissenschaft mit 752167 Mitglie-dern, für das Gesundheitswesen mit 244 842Mitgliedern, für Bergbau und Metallurgie mit209 405 Mitgliedern und die Eisenbahnerge-werkschaft mit 115 333 Mitgliedern. Das höchste Organ der Föderation ist der al-le fünf Jahre tagende Gewerkschaftskon-gress. Dieser behandelt soziale und wirt-schaftliche Fragen, bestimmt die Politik derFöderation, nimmt das Arbeitsprogramm fürdie nächsten fünf Jahre an und wählt dieLeitungsorgane. Wenn nötig, nimmt er Än-derungen und Ergänzungen am Statut vor. Die beschleunigten marktwirtschaftlichenReformen der 90er Jahre waren begleitet vonhohen sozialen Risiken. Die alten Systemedes Sozialschutzes entsprachen nicht mehrden Realitäten. In dieser schweren Zeit er-griff die Gewerkschaftsföderation die In-itiative und setzte sich mit der Regierung anden Verhandlungstisch, um eine bilaterale

Vereinbarung zu erreichen. Diesem Prozessschloss sich der Verband der Arbeitgeber an.Dieser Tripartismus erlaubte, ernste Sozial-konflikte und Erschütterungen zu vermei-den.In den letzten Jahren ist es den Gewerk-schaften gelungen, ihr Ansehen, das sie inder Perestroikazeit verloren hatten, teilwei-se wiederherzustellen. Heute geht es um dieweitere Entwicklung der Partnerbeziehun-gen zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaf-ten und Staat.Die Föderation baut ihre Arbeit auf folgen-den Prinzipien auf: freiwillige Mitgliedschaft,Selbständigkeit der Tätigkeit, Gleichberech-tigung der Mitglieder, Wählbarkeit und Trans-parenz in der Arbeit der Leitungsorgane, Be-achtung der Meinung der Minderheit sowieder Rechte jeder Mitgliedsorganisation, So-lidarität, Unterstützung und gegenseitigeHilfe der Mitgliedsorganisationen bei derUmsetzung ihrer Aufgaben. Den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit derGewerkschaften bildet das im Jahre 1993angenommene Gesetz „Über die Gewerk-schaften“. Danach sind die Gewerkschafteneigenständige zivilgesellschaftliche Vereini-gungen, die soziale, wirtschaftliche und Ar-beitsrechte sowie Interessen ihrer Mitglie-der vertreten und schützen. Die praktischeGewerkschaftsarbeit beruht außerdem aufden Gesetzen „Über die Arbeit“ (1999, ver-ändert und ergänzt im Dezember 2004),„Über zivilgesellschaftliche Vereinigungen“(1996), „Über Kollektivverträge“ (1992), „Überkollektive Arbeitsstreitigkeiten und Streiks“(1996) und „Über Arbeitssicherheit und Ar-beitsschutz“ (2004).Vertreter der Gewerkschaftsföderation, derRegierung und der Arbeitgeberverbände un-terzeichnen alljährlich ein Generalabkom-men. Auf dieser Grundlage werden Tarifab-kommen mit den Behörden und den Arbeit-geberverbänden geschlossen, schließen dieGebietsvereinigungen Regionalabkommenmit örtlichen Behörden und Arbeitgeber-verbänden.

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NichtregierungsorganisationenNichtregierungsorganisationen (NROs) sindein wichtiges und notwendiges Attribut desDemokratisierungsprozesses, und sie wurdenzu einem wichtigen Element der Umgestal-tungen im Lande.Der nichtkommerzielle Sektor besteht heu-te aus rund 5 000 Organisationen. Mehr alszwei Millionen Bürger der Republik nehmendie Leistungen von NROs in Anspruch. DieZahl der real funktionierenden NROs wirdvon Experten auf 1 700 Organisationen ge-schätzt. Fünfzehn Prozent der NROs arbei-ten im Umweltschutz, 13,6 Prozent mit Kin-dern und Jugendlichen, 13,3 Prozent mitFrauen, 13,1 Prozent im Bereich medizini-scher Dienste und 12,5 Prozent in den Be-reichen Kultur, Kunst, Bildung und Wissen-schaft. NROs sind zudem im Rechtsschutz,im Sozialen Schutz, bei der Unterstützunggesellschaftlicher Initiativen und in der Ar-beit mit Behinderten aktiv.Einen bezahlten Arbeitsplatz haben im NRO-Sektor rund 40 000 Menschen, doch dieMehrheit der Bürger arbeitet in diesem Be-reich ehrenamtlich.Nichtkommerzielle Nichtregierungsorgani-sationen spielen eine wichtige Rolle bei derHerausbildung einer modernen Bürgerge-sellschaft und der Demokratie sowie beimSchutz der Rechte und Freiheiten der Bür-ger. Ihr Beitrag zur Lösung allgemeinstaatli-cher und regionaler Aufgaben im Bereich derWirtschaftsentwicklung und dem Sozial-schutz der Bevölkerung wächst. Die NROssind ein einzigartiger sozialer Regulator fürdie gesellschaftlichen Beziehungen: sie sindVermittler zwischen Bürger und Staat, undsie erfüllen viele Funktionen bei den sozia-len Umgestaltungen.Die NROs, die sich mit der Bekämpfung derArmut und der Arbeitslosigkeit beschäftigen,richten sich in ihrer Tätigkeit auf die sozial be-dürftigen Schichten und Bevölkerungsgrup-pen wie Waisenkinder, einkommensschwacheFamilien, Behinderte, Rentner, Obdachlose so-wie auf Gesundheits-, Bildungs- und Kinder-

einrichtungen. Sie leisten den sozial bedürf-tigen Bevölkerungsschichten und Sozialein-richtungen materielle und finanzielle Unter-stützung und setzen sich für Wohlfahrtstä-tigkeit ein. Die Hauptrichtungen der Tätigkeit der NROsim Gesundheitsbereich sind die finanzielle und

technische Hilfe für Gesundheitsschutzob-jekte, die organisatorisch-methodische Un-terstützung der Mitarbeiter im Gesundheits-wesen etwa durch Seminare, Konferenzen undTrainings, die Vorbeugung von Nikotin-, Al-kohol- und Drogensucht, die soziale Wieder-eingliederung von Alkohol- und Drogensüch-tigen und medizinische Hilfe für andere Grup-pen der Gesellschaft.Die wichtigsten Richtungen der Tätigkeit derzivilgesellschaftlichen Vereine im Bildungs-wesen sind innovative Bildungsprogramme

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In Semej erinnert ein Denkmal an die Einstellungder Atomtestversuche – ein Erfolg vor allem der Bewegung „Nevada – Semipalatinsk“, diesich für den Stopp der Versuche eingesetzt hatte

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beispielsweise im Bereich zivilgesellschaftli-cher Bildung, Konfliktvorbeugung und -re-gelung, „Kritisches Denken durch Lesen undSchreiben“, „Gesunde Lebensweise“ sowie wirt-schaftliche, ökologische, rechtliche undSprachprogramme. Außerdem setzen sie sichfür die gemeinsame Lösung von Berufspro-blemen und den Schutz der Interessen derMitglieder der pädagogischen Gemeinschaftein. Sie gestalten die Weiterbildung von Fach-leuten, organisieren die wissenschaftliche undForschungstätigkeit, erarbeiten alternativeStandards, Lehrpläne und -programme, lehr-und didaktische Literatur und fördern den In-formationsaustausch sowie die Teilnahme andiversen Austauschprogrammen.Die Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Vereineim Kulturbereich konzentriert sich auf dieOrganisation von Kulturveranstaltungen, diematerielle Unterstützung von Kultureinrich-tungen, die Organisation von Arbeitsge-meinschaften für Kinder und Jugendlichesowie die Freizeitgestaltung von Jugendli-chen.Die Bürgerrechtsorganisationen beschäfti-gen sich vor allem mit der Beobachtung derMenschenrechtssituation. Sie informierendie in- und ausländische Öffentlichkeit überdie allgemeinen Entwicklungstendenzen so-wie über Verstöße gegen die Menschen-rechte. Diese NROs erstellen Analysen zu Ge-setzen und Gesetzentwürfen unter dem Ge-sichtspunkt, ob sie den internationalen Nor-men und Standards der Menschenrechteentsprechen. Unter Umständen legen sie al-ternative Gesetzentwürfe oder Empfehlun-gen für neue Gesetzentwürfe vor.Viele Nichtregierungsorganisationen wid-men sich angesichts der beunruhigendenökologischen Situation dem Umweltschutz.Sie sind befasst mit der Erforschung und Be-seitigung der Folgen der Atomwaffentests,der Rehabilitation von in ökologisch ver-seuchten Gebieten lebenden Personen, derFormierung der öffentlichen Meinung, einerökologischen Ausbildung sowie der Ausar-beitung und Umsetzung von Rehabilita-

tionsprojekten für ökologische Krisensyste-me, der Lobbyarbeit für Gesetzentwürfe undvon auf die Lösung ökologischer Problemezielenden Rechtsakten.Die NROs werden in ihrer Arbeit von denstaatlichen Behörden unterstützt. Zuwen-dungen kommen aus dem republikanischenund den örtlichen Haushalten. Mit staatli-cher Unterstützung wurde das Informati-onszentrum der NROs gegründet, das denNichtregierungsorganisationen informati-ons-analytische sowie organisatorisch-tech-nische Unterstützung leistet und zudem Wer-bung für ihre Tätigkeit macht. Die Arbeit desZentrums zielt auf die Stärkung und den Aus-bau der Beziehungen zwischen den Behördenund den NROs auf Grundlage einer gleich-berechtigten Partnerschaft.Im Jahre 2001 wurde das Gesetz „Über nicht-kommerzielle Organisationen“ angenommen.Am 23. Januar 2002 wurde durch einen Re-gierungsbeschluss die Konzeption der staatli-chen Unterstützung für Nichtregierungsorga-nisationen bestätigt. Die staatliche Unter-stützung will die Entwicklung eines neuen Mo-dells der Beziehungen bei der Umsetzung dergesellschaftlichen Politik befördern. Die im ge-sellschaftlichen Bereich arbeitenden NROs sol-len in die Lösung gesellschaftlich bedeutsa-mer Probleme sowie in die konsultative, me-thodische, organisatorisch-technische und In-formationsunterstützung einbezogen werden. Am 17. März 2003 nahm die Regierung dasProgramm der staatlichen Unterstützung fürNichtregierungsorganisationen für die Jah-re 2003 bis 2005 an. Wichtig im Entwicklungsprozess der Bezie-hungen zwischen NROs und Staat war das1. Bürgerforum am 15. Oktober 2003. Zieldieser Veranstaltung war, die Prioritäten derstaatlichen Unterstützung für NROs zu be-stimmen und Maßnahmen zur Wechselwir-kung zwischen NROs und Staat auszuarbei-ten, um Bedingungen zu schaffen, die dieunabhängige Existenz, effektive Arbeit undselbständige Entwicklung des „dritten Sek-tors“ gewährleisten.

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Im Rahmen des Programmes der staatlichenUnterstützung der Nichtregierungsorgani-sationen für die Jahre 2003 bis 2005 nahmdas Mashilis am 24. Mai 2004 die Arbeit amGesetzentwurf „Über den staatlichen gesell-schaftlichen Auftrag“ auf. Es zielt auf dieGewährleistung der gesetzlichen Grundla-gen für die breite Teilnahme von NROs ander Lösung gesellschaftlich relevanter Pro-jekte. Das Inkrafttreten des Gesetzes eröff-net eine neue Etappe in der Tätigkeit derNROs, denn Haushaltsmittel werden zu ei-ner Finanzierungsquelle für NRO-Projekte.Hauptanliegen ist, die Qualität der gesell-schaftlichen Dienstleistungen durch die NROszu erhöhen, die professionell und mobil sindsowie die Bedürfnisse der Menschen kennen. Die Verabschiedung des Gesetzes „Über denstaatlichen gesellschaftlichen Auftrag“ ist einstarker Impuls für die weitere Entwicklung undFestigung der Bürgergesellschaft. Das Gesetzbringt die Zusammenarbeit zwischen Staatund NROs auf eine qualitativ neue Ebene. Das 2. Bürgerforum fand am 11. September2005 statt. Gegründet wurde die neue Bür-gerallianz zur Umsetzung der präsidialen In-itiative, den staatlich-gesellschaftlichen Auf-trag zusammen mit NROs und Unternehmenumzusetzen.Das 3. Bürgerforum vom 17. bis 19. Oktober2007 in Astana bestätigte das Konzept „Ent-wicklung der Zivilgesellschaft 2006 bis 2011”.Als konkrete Aufgaben wurden benannt, dieZusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaftund NROs zur Erfüllung der Direktive der Jah-resbotschaft 2007 „Das neue Kasachstan ineiner neuen Welt” umzusetzen, die Möglich-keiten der NROs breiter bekannt zu machenund die Informationsmöglichkeiten auszu-weiten. In sieben Runden Tischen ging es auchum gesellschaftliche Verantwortung der Un-ternehmen und die Menschenrechte.

ReligionNach dem Zusammenbruch der UdSSR erleb-te der postsowjetische Raum eine religiöseWiedergeburt. Die sowjetische Ideologie hin-

terließ ein Vakuum, und ein bedeutender Teilder Bevölkerung wandte sich auf der Suchenach geistiger Orientierung den traditionellenund nichttraditionellen Religionen zu. In den 90er Jahren wurden in Kasachstan diereligiösen Institute wiederhergestellt. Die Be-deutung der Religion im Leben der Gesell-schaft und des Staates wuchs. Die religiöseWiedergeburt war seit den ersten Jahren derUnabhängigkeit Gegenstand der besonde-ren Aufmerksamkeit des Staates. Von derEntwicklung in diesem Bereich hingen in vie-lerlei Hinsicht nicht nur der Charakter derzwischenkonfessionellen Beziehungen unddas gesellschaftliche Klima ab, sondern auchdie Entwicklungsdynamik der zwischeneth-nischen Beziehungen und der politischen Si-tuation im allgemeinen.Merkmale der religiösen Wiedergeburt in Ka-sachstan sind die wachsende Zahl der regis-trierten Gemeinden, von Moscheen undGotteshäusern sowie die Entstehung einesNetzes religiöser Ausbildungsstätten. In derRepublik sind mehr als 1 300 religiöse Ge-meinschaften, die über dreißig Glaubens-richtungen vertreten, registriert.Die größte Religionsgemeinschaft ist diemoslemische (sunnitischer Richtung). DieFührung der moslemischen Gemeinden ob-liegt der Geistlichen Verwaltung der Mos-lems Kasachstans. In den letzten fünf Jah-ren wuchs die Zahl der moslemischen Ge-meinden um 900 Prozent. Heute gibt es bei-nahe 600 Gemeinden im Lande.Die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft istdie Russische Orthodoxe Kirche. Derzeit sind177 Gemeinden registriert. Zu ihrer Verwal-tung wurden drei Eparchien gebildet: die Ep-archie Almaty-Semipalatinsk, die EparchieSchymkent-Akmola und die Eparchie Oral-Atyrau. Entsprechend des Beschlusses desHeiligen Synods der Russischen OrthodoxenKirche vom 7. Mai 2003 unterstehen die Ep-archien dem Metropoliten von Kasachstanmit Sitz in Astana. In der Republik wirken 74 Gemeinden derrömisch-katholischen Kirche. Etwa siebzig

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Prozent der Gläubigen sind Deutsche, etwaachtzehn Prozent sind Polen. 1991 beschlossder Vatikan die Bildung eines katholischenBistums in Kasachstan. Ein Ereignis für ganzKasachstan war der Besuch von Papst Jo-hannes Paul II. am 22. September 2001. Zum

Besuch des Papstes kamen rund 100 000Wallfahrer aus zwanzig Ländern der Weltnach Kasachstan. In Kasachstan gibt es zudem 445 protestan-tische Gemeinden. Über achtzig Prozentgehören zu den für Kasachstan traditionel-len Konfessionen, deren Verbreitung mit derMigration der slawischen und deutschen Be-völkerung aus den westlichen Regionen desRussischen Reiches und später der Sowjet-union verbunden war. Es sind Baptisten (140Gemeinden) und Lutheraner (112 Gemein-

den). Es wirken zudem die Adventisten desSiebten Tages (vierzig Gemeinden), die Zeu-gen Jehovas (33 Gemeinden) sowie ver-schiedene Strömungen der Fünfziger (35 Ge-meinden). Aufgrund der Tätigkeit ausländi-scher Missionare gründeten sich Dutzende

Religionsgemeinschaften, die keine Wurzelnin Kasachstan haben, darunter Gemeindender Methodisten und von „Neues Leben“. DieGemeinden protestantischer Glaubensrich-tung zeichnen sich fast alle durch eine ho-he Aktivität ihrer Geistlichen und Gläubigenaus. Ausnahmen bilden die Lutheraner unddie Mennoniten.Es gründeten sich auch Religionsgemein-schaften, die ihre Wurzeln in orientalischenReligionen haben. Insgesamt ist die Zahl ih-rer Anhänger nicht sehr groß, doch erfreu-

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In den 90er Jahren wurden in Kasachstan die religiösen Institute wiederhergestellt und wuchs die Bedeutung der Religion im Leben der Gesellschaft und des Staates - neue Moschee in Astana

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en sich einer gewissen Beliebtheit, da ihreGlaubenslehre ungewöhnlich ist und die Got-tesdienste exotisch sind. Das Verhältnis der beiden Hauptkonfessio-nen Islam und Orthodoxie ist für die Be-wahrung der innenpolitischen Stabilität vonbesonderer Bedeutung. In Kasachstan gibt

es keine ernsthaften ethnisch begründetenWidersprüche zwischen den Religionsge-meinschaften. Die absolute Mehrheit der Ge-meinden setzt sich aus Angehörigen unter-schiedlicher Nationalitäten zusammen. Auchdie fruchtbare Zusammenarbeit zwischender Geistlichen Verwaltung der Moslems Ka-sachstans und den Eparchien der RussischenOrthodoxen Kirche trägt zum friedlichenMiteinander der Religionen bei.Trotz der religiösen Wiedergeburt kann mannicht eindeutig sagen, dass die Rolle der Re-ligion für die kasachstanische Gesellschaftentschieden ist. Angesichts der starken welt-lichen Traditionen scheint es eher, dass sich

die religiösen Beziehungen über andere ge-sellschaftliche Beziehungen gelegt haben. Indiesem negativen Fall übt der religiöse Fak-tor einen gewissen Einfluss auf den Charakterund die Spezifik der Entwicklung der zwi-schenethnischen Beziehungen und der kul-turellen Entwicklung aus. In dieser Hinsicht

stößt die kasachstanische Gesellschaft auf dasPhänomen des Klerikalismus – nämlich aufVersuche von Religionsgemeinschaften, überden eigentlichen religiösen Rahmen hinaus-zugehen und auf den einen oder anderen Be-reich des gesellschaftlichen Lebens einzuwir-ken. Der Klerikalismus nahm immer einen be-sonderen Platz in der Geschichte der Mensch-heit ein, es ist ein objektiver Prozess, aber fürKasachstan ist es wichtig, eine negative Ein-wirkung des Klerikalismus auf die soziale undpolitische Stabilität der Gesellschaft auf einMinimum zu reduzieren. Gerade deshalb und unter Berücksichtigungder Multikonfessionalität der Gesellschaft

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Am 1. und 2. Juli 2009 fand das 3. Treffen der Führer der Welt- und traditionellen Religionen in Astana statt. Es beteiligten sich 77 Delegationen aus 35 Ländern

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wird dem Charakter der Beziehungen zwi-schen den Behörden und den religiösen Ge-meinden große Bedeutung beigemessen. Indiesem Zusammenhang war es nicht nur fürdie staatlichen Strukturen, sondern für dieganze Gesellschaft wichtig, denjenigen Kräf-ten Widerstand entgegenzusetzen, die dieReligion für eigennützige politische oderwirtschaftliche Zwecke nutzen wollten. In der Praxis stützen sich verschiedene des-truktive Kräfte, die religiöse Losungen nut-zen, oft auf das Element des Fanatismus in-nerhalb der Religionen. Dies führt dazu, dassGläubige antigesellschaftlich und verfas-sungswidrig handeln. In Kasachstan konnteeine solche Entwicklung bislang vermiedenwerden. Aufmerksamkeit schenkte der Staat derTätigkeit verschiedener Missionsorganisa-tionen, die in Kasachstan ihre religiöse, kom-merzielle und Bildungstätigkeit entfalteten.Anfang der 90er Jahre erschienen die erstenMissionare nichttraditioneller Konfessionen,die ihre Tätigkeit nach und nach auf das ge-samte Territorium ausdehnten. Neben Me-thodismus, Protestantismus und Hinduismussind es Bewegungen und Sekten wie bei-spielsweise Bahai, Scientology, die Mun-Sek-te, Weiße Väter, die Kirche des Letzten Ge-bots, die New-Life-Bewegung, die Isis-Kir-che, die Church of God oder die Kirche desSatans. Die Tätigkeit dieser Gemeinschaftenzeichnet sich sehr oft durch einen destruk-tiven und okkulten Charakter aus.Die Beziehungen zwischen dem Staat unddiesen Missionsorganisationen mussten über-dacht werden. Ungeachtet dessen, dass sichdie Verwaltungszentren der Organisationenaußerhalb Kasachstans befinden, war die Re-publik ihrem spürbaren Einfluss unterwor-fen, häufiger einem negativen als einem po-sitiven. Es kam vermehrt zu Gesetzesver-stößen seitens ausländischer Missionsorga-nisationen. Zahlreich waren die Fälle des un-genehmigten Baus von Kultuseinrichtungen,von ungesetzlichen Unterrichtsmethodenund der Verleitung Minderjähriger zur Ar-

beit für die Missionsorganisationen. All dieswies darauf hin, dass der Staat Maßnahmenzum Schutz seiner Interessen sowie der Rech-te und Freiheiten der Bürger treffen musste. Eines der wichtigsten Instrumente, um dieTätigkeit missionarischer Organisationen zuregeln, ist die Schaffung eines Rechtsraumesund die Kontrolle der Einhaltung der Geset-ze. Das Gesetz „Über die Glaubensfreiheitund religiöse Gemeinschaften“ aus dem Jah-re 1992 entsprach den Anforderungen nicht.Es bedurfte der Überarbeitung einzelner Ar-tikel. Insbesondere gab es keinen Artikel, derdie Grundbegriffe erläuterte, was erlaubte,die vorgegebenen Begriffe willkürlich zu in-terpretieren. Es gab keinen Artikel über dierechtliche Regelung der Missionstätigkeit.Auch der Aufbau von Kultuseinrichtungenverlangte nach gesetzlicher Regelung. Nichtendgültig geregelt waren Fragen, die mit derOrdnung und den Registrierungsbestim-mungen religiöser Gemeinschaften verbun-den sind. Eine wichtige Bedingung für die Zulassungmissionarischer Organisationen in vielen Län-dern ist, dass der Inhalt ihrer Tätigkeit mitden vom Staat aufgestellten Forderungenübereinstimmt. Kontrolliert wird dies in derRegel von besonderen Regierungsstruktu-ren, in deren Befugnisse auch die Überwa-chung der missionarischen Tätigkeit, die Auf-deckung ungesetzlicher Tätigkeit und die Ko-ordination der Kontrolle fällt. In Kasachstan– wie in vielen anderen Ländern – werdenvor allem administrative Hebel angesetzt,beispielsweise in Form einer obligatorischenstaatlichen Registrierung der religiösen Ver-einigungen. Heute ist klar, dass die staatli-che Registrierung ohne eine entsprechendeKontrolle nicht effektiv ist. So arbeitetenmehrere Strukturen, deren Tätigkeit eine Be-drohung für die innenpolitische SicherheitKasachstans darstellt, ungehindert auf ka-sachstanischem Territorium. Um die Beziehungen zwischen Staat und Re-ligionsgemeinschaften zu verbessern, wur-de vom Senat am 7. November 2008 der Ent-

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wurf „Über Änderungen am Gesetz über dieReligionsfreiheit und religiöse Organisatio-nen” angenommen und an das Mashilis wei-tergeleitet, das ihn am 26. November 2008bestätigte. Der Entwurf führt eindeutigeKlassifizierungen von Religionsgemein-schaften und ihrer Tätigkeitsbereiche ein,bestimmt die Vorgaben für die offizielle Re-gistrierung und bestimmt die Regelungenfür die Missionstätigkeit. Vom 23. bis 24. September 2003 fand aufInitiative des kasachstanischen Präsidentender erste Kongress der Führer der Welt- undtraditionellen Religionen statt, der einenwichtigen Beitrag im Dialog zwischen denZivilisationen und Kulturen leistete. Be-schlossen wurde, diesen Kongress regelmäßigdurchzuführen und ein ständig wirkendesOrgan dieses internationalen zwischenkon-fessionellen Dialoges – das Sekretariat desKongresses – zu schaffen. Vom 12. bis 14.September 2006 fand der zweite Kongressunter dem Motto „Religion, Gesellschaft undinternationale Sicherheit” in Astana statt.Angenommen wurde das Dokument „Prinzi-pien des zwischenreligiösen Dialoges”. Am 1.und 2. Juli 2009 fand das 3. Treffen der Füh-rer der Welt- und traditionellen Religionenin Astana statt. Es beteiligten sich 77 Dele-gationen aus 35 Ländern, insgesamt mehrals 400 Menschen, darunter nicht nur Ver-treter der Geistlichkeit, sondern auch der Po-litik, wie beispielsweise der Generalsekretärder Vereinten Nationen. Das 4. Treffen wird2012 ebenfalls in Astana stattfinden. Der of-fene zwischenreligiöse Dialog ist ein Schlüs-selfaktor der Innen- und Außenpolitik Ka-sachstans.

MassenmedienEin wichtiger Indikator für einen sich ent-wickelnden Staat ist das gute Verhältnis zwi-schen staatlichen Institutionen und Mas-

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Die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft ist dieRussische Orthodoxe Kirche. Derzeit sind 177Gemeinden registriert

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senmedien. Die Unabhängigkeit wirkte wieein Katalysator auf das Feld der Information. In der ersten postsowjetischen Phase, die bis1992 dauerte, behielt der Staat das Informa-tionsmonopol, es gab keine unabhängigenMedien. In der zweiten Etappe von 1992 bis1996 zog sich der Staat allmählich zurück,und nichtstaatliche Medien gründeten sich. Die 1996 eingeleitete Etappe ist gekenn-zeichnet durch qualitative und quantitativeVeränderungen auf dem Medienmarkt, durchdie Privatisierung ehemaliger staatlicher Me-dien und Druckereien sowie durch den Über-gang von der staatlichen Finanzierung derMassenmedien zum staatlichen Auftrag füreine Informationspolitik im Interesse der Re-gierung. Nach Angaben des Ministeriums für Infor-mation und Kommunikation waren zum 1.Juni 2010 2695 Massenmedien in Kasachstanregistriert. Davon 436 staatliche und 2 259nichtstaatliche. 517 Massenmedien verbrei-ten Informationen in kasachischer Sprache,899 in russischer, 941 in Kasachisch und Rus-sisch und 338 in anderen Sprachen. Heraus-gegeben werden insgesamt 2 427 Zeitungenund Zeitschriften, es gibt 257 Radio- undFernsehunternehmen, 146 Betreiber von Ka-belfernsehsendern und sechs von Satelli-tenübertragungen. Registriert sind zudemelf Informationsagenturen, von denen zehnnichtstaatlich sind.Staatlich unterstützt werden Ausgaben in us-bekischer, ukrainischer, deutscher, koreani-scher, uigurischer und Sprachen anderer Min-derheiten. Im Laufe der Transformationsprozesse wur-den zweimal Mediengesetze verabschiedet.Das Gesetz „Über die Massenmedien“ wur-de im Juli 1999 angenommen. Allerdingsblieb damals das Internet unberücksichtigt.Deshalb wurden Korrekturen vorgenommen.Mit einer weiteren Gesetzesänderung wurdendie ausländischen Fernseh- und Rundfunk-programme auf zwanzig Prozent der ge-samten Fernseh- und Rundfunksendungenbegrenzt. Jede Einmischung in die Tätigkeit

der Massenmedien wurde unter Strafe ge-stellt. Die Redaktionen zeichnen für die In-formationspolitik verantwortlich. Eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Schaf-fung der wirtschaftlichen Voraussetzungen füreine dynamische Entwicklung der Massenme-dien wurde 2001 beschlossen. Alle periodischenAusgaben, ausgenommen die, die zu zwei Drit-teln aus Werbung bestehen, wurden von derMehrwertsteuer befreit. Bei den elektronischenMedien werden Eigenproduktionen und Wer-bung überhaupt nicht besteuert. Zur Belebung des Informationsmarktes dientauch die Liberalisierung bei der Vergabe vonFrequenzen. Mit einer Regierungsverordnungwurden die Tarife 1999 und 2001 gesenkt. Im gleichen Zeitraum brachte die Regierungweitere Maßnahmen zur Verbesserung derBeziehungen zwischen den Massenmedienund der Macht auf den Weg, darunter ge-setzliche Normen zum Schutz der Rechte derJournalisten bei der Ausübung ihres Berufs. Seit dem Jahr 2000 entfalteten sich neueund widersprüchliche Prozesse in der Me-dienlandschaft. Einige Gesetzeslücken muss-ten geschlossen werden, unter anderem be-traf dies die verfassungsmäßig garantierteFreiheit des Wortes und die Unabhängigkeitder Medien, den Informationsschutz der Per-sönlichkeit, der Gesellschaft und des Staa-tes sowie die dynamische Entwicklung eineswettbewerbsfähigen nationalen Medien-marktes. Ein neues Gesetz über die Massenmedienwurde 2002 in Angriff genommen. Es sollteeinerseits die Unabhängigkeit der Medieneindeutiger schützen und andererseits dasGleichgewicht zwischen Medienfreiheit undder Verantwortung der Medien gegenüberder Gesellschaft herstellen. Der Gesetzent-wurf wurde vom Ministerium für Kultur undInformation gemeinsam mit Journalistenor-ganisationen erarbeitet. Auf dem II. Journalistenkongress im Febru-ar 2003 fand der Gesetzentwurf keine ein-hellige Zustimmung. Einige gesellschaftlicheOrganisationen sprachen sich gegen die An-

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nahme aus. Etliche Parlamentsabgeordnetelegten einen alternativen Gesetzentwurf vor,auch die Demokratische Partei „Ak-Shol“brachte eine eigene Variante ein. Auf Beschluss des Parlamentsausschusseswurde die Liste der Gründe für die Schlie-ßung oder das Verbot eines Mediums gekürzt.Der Entwurf ging an den Senat, der ihn bil-ligte und dem Staatsoberhaupt zur Unter-zeichnung vorlegte. Der Präsident ließ denEntwurf vom Verfassungsrat prüfen, der ihnfür nicht verfassungsgemäß befand. Der Prä-sident legte sein Veto ein. Am 21. Juli 2006 trat das Gesetz „Über Än-derungen und Ergänzungen an einigen Ge-setzen der Republik Kasachstan zu Fragender Massenmedien“ in Kraft, das der Infor-mationssicherheit des Landes dient. Das Gesetz regelt, wie oft ein Massenmedi-um erscheint. Es legt die Gebühren fest. Ein-geführt wurde die Pflicht zur Ummeldung,für den Fall, dass der Chefredakteur wech-selt oder sich die Erscheinungsweise oder dieAnschrift ändern. Festgelegt wurde, das einPrintmedium innerhalb von drei Monaten nachder Registrierung erstmals erscheinen muss.Ein Rundfunk- oder Fernsehsender muss in-nerhalb eines halben Jahres erstmals auf Sen-dung gehen. Durfte eine Zeitung oder eineZeitschrift früher auch halbjährlich erschei-nen, müssen sie nun mindestens einmal imQuartal herauskommen. Damit soll die Exi-stenz fiktiver Zeitungen und Zeitschriften ver-hindert werden. Fernsehsendungen müssenmindestens einmal im halben Jahr ausgestrahltwerden. Konkretisiert wurden die Gründe fürdie Verweigerung einer An- und Ummeldung.Ein weiteres Novum ist die Benennung der-jenigen, denen das Recht auf eine Tätigkeitals Chefredakteur untersagt wird. So dürfenbeispielsweise Führungspersonen von Mas-senmedien, durch deren Schuld das Erschei-nen eines Mediums verboten wurde, drei Jah-re lang nicht den Posten eines Chefredak-teurs besetzen.Parallel zu den Korrekturen am Medienge-setz wurde die administrative Verantwor-

tung für die Herstellung und Verbreitungvon Erzeugnissen der Massenmedien in dieGesetzgebung aufgenommen.Im November 2008 wurde eine Gesetzesno-velle angenommen, die den Medienmarkt wei-ter liberalisierte. Im Februar 2009 wurden wei-tere Korrekturen vorgenommen. So muss je-de Internetseite offiziell registriert werden undunterliegt der gleichen Verantwortung wie dietraditionellen Medien. Im März 2010 wurde per Präsidialerlass dasMinisterium für Information und Kommuni-kation geschaffen. Zu den Aufgaben des Mi-nisteriums gehören unter anderem: Koordi-nation der Tätigkeit der zentralen und örtli-chen Exekutivorgane in Fragen der Massen-medien; Erstellung einer Liste der ausländi-schen Massenmedien, die in Kasachstan tätigsind; Organisation und Durchführung offenerWettbewerbe für die Verteilung von Radio-und Fernsehfrequenzen; Koordination derTätigkeit der örtlichen Exekutivorgane bei derKontrolle der Erfüllung der Gesetze im Me-dienbereich; Erarbeitung und Verteilung derStaatsaufträge zur Übertragung der staatli-chen Informationspolitik. Auch obliegt demMinisterium das Recht auf Akkreditierung derJournalisten, darunter aus dem Ausland; zudemhat es das Recht, Wettbewerbe für Übertra-gungsrechte von Fernseh- und Radiosendun-gen durchzuführen. Die Rechtsbasis für die Tätigkeit der Massen-medien bleibt unverändert: es ist die Verfas-sung, die das Recht auf Meinungsfreiheit ga-rantiert und Zensur verbietet. Das grundle-gende Dokument, das die Tätigkeit der Mas-senmedien regelt, ist das Gesetz „Über die Mas-senmedien”. Im April 2010 fand in Almaty das 9. Euro-asiatische Medienforum statt. Begrüßt wur-den 450 Vertreter aus 37 Ländern. Diskutiertwurden für Kasachstan und die ganze Weltaktuelle Themen, darunter der OSZE-VorsitzKasachstans und die Atomfrage im Iran. Zu-dem wurde über die globale Wirtschaftskriseund die Entwicklung des Internets gespro-chen.

Gesellschaft und sozialer Sektor

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Bildung und Wissenschaft

Ursprünge des Bildungswesens und dieersten kasachischen WissenschaftlerDie wichtigsten Spuren in der Entwicklungdes Bildungssystems in Kasachstan hinter-ließ die Sowjetzeit. Doch der Ursprung vonBildung und Wissenschaft liegt in frühererZeit.Bis Ende des 18. Jahrhunderts kannte mannur die traditionelle Ausbildung in Form desStudiums an religiösen Bildungseinrichtun-gen – an der Mektebe, der allgemeinen Mit-telschule, und an der Medresse, der Mittel-und Hochschule, die Geistliche und Lehrerausbildete. Weltliche Schulen existierten inKasachstan nicht. Die moslemische Kulturhatte einen großen Einfluss auf die Heraus-bildung des kasachischen Volkes wie auchauf die Entwicklung seines Bildungssystemsund seiner Wissenschaften. Bis Ende des 19.Jahrhunderts war die Medresse in erster Li-nie durch ihren konfessionellen Charaktergeprägt. Es war eine geistliche Bildungsein-richtung für die Ausbildung von Theologen,von Fachleuten des moslemischen Rechtsund geistlichen Führern der moslemischenGemeinden. Das traditionelle Lehrprogrammumfasste das Studium der arabischen Spra-che, der Logik, der Philosophie, der Dogma-tik und des moslemischen Rechts. FormaleBildungsstufen waren in der Medresse nichtgeregelt. Es gab nur wenige allgemeinbil-dende Disziplinen, die oft nur zum besserenVerständnis und zur Aneignung der islami-schen Religionslehre beitragen sollten. Die kasachische Kultur war ab Anfang des19. Jahrhunderts durch das Eindringen derrussischen Kultur geprägt. Eine besondereRolle spielten die russische Ausbildung unddie Schulen mit Unterricht in russischer Spra-che. Diese Schulen brauchte man, um in Ka-sachstan Personal für den Verwaltungsap-

parat der zaristischen Regierung heranzu-ziehen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurdendie ersten „Garnisonsschulen“ gegründet. ImJahre 1789 wurde in Omsk, damals einFlecken, von dem aus das Zarenreich seineKolonisationspolitik vorantrieb, eine „asiati-sche Schule“ eröffnet, die Dolmetscher undSchreiber für die örtliche Verwaltung aus-bildete. Eine 1813 eröffnete Militärschulewurde 1847 in die Sibirische Kadettenanstaltumgewandelt. Aus der 1825 in Orenburg ge-gründeten Militärschule wurde 1844 dieOrenburgische Kadettenanstalt. Kadetten-anstalten waren geschlossene ständische Bil-dungs- und Erziehungseinrichtungen des Za-renreiches. In diesen Schulen lernten und studiertenauch Kinder der kasachischen Aristokratie.Wie es in den Zarenerlassen hieß, sollten dieSchulen „zur Annäherung der Kasachen andie Russen beitragen, bei den Kasachen Lie-be und Vertrauen zur Zarenregierung weckenund der Region gebildete Menschen liefern“.Die Schulen hatten einen klaren Russifizie-rungsauftrag. Ihr Lehrplan war umfangreich.In der „asiatischen Abteilung“ der Kadet-tenanstalt Orenburg wurden neben den Mi-litärdisziplinen und der russischen Spracheauch Geschichte, Geografie, Mathematik, Mi-neralogie, Zoologie, Pflanzenkunde, Forst-wissenschaft und einige orientalische Spra-chen gelehrt. 1841 wurde im Hauptquartier von Khan Bu-kej im heutigen Gebiet Westkasachstan eineSchule gegründet, in die fast nur Kinder derkasachischen Aristokratie aufgenommen wur-den. Bei der Grenzverwaltung Orenburg wur-de 1850 eine siebenjährige Schule eröffnet.Zu ihrem Lehrprogramm gehörten das Stu-dium der russischen und der tatarischen Spra-che, Geografie, Arithmetik, moslemische Glau-benslehre sowie die Zusammenstellung vonGeschäftspapieren in russischer und tatari-scher Sprache. Gegenüber den zahlreichen Völkern nichtrus-sischer Nationalität verfolgte das Zarenreich

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insgesamt eine russifizierende Politik undunterdrückte die Entwicklung der nationalenKultur. Laut der Volkszählung von 1897 hat-ten Schreibkundige im Alter zwischen neunund 49 Jahren im Zarenreich einen Anteilvon 24,8 Prozent. Besonders niedrig war ih-re Zahl unter den Kirgisen (0,6 Prozent), Turk-menen (0,7 Prozent), Usbeken (1,6 Prozent)und Kasachen (zwei Prozent). Die Bildungseinrichtungen trugen ungeach-tet ihrer kolonialistischen Ziele und unge-achtet der geringen Schülerzahlen zur Ver-breitung der Schriftkundigkeit in der Regionbei. Gerade an diesen Schulen ist die kasa-chische Intelligenz groß geworden, die, da siesowohl Zugang zur traditionellen kasachi-schen Kultur als auch zur hoch qualifiziertenrussischen Ausbildung hatte, als Träger vonwissenschaftlichen Neuerungsideen auftrat. Im kulturellen Leben Kasachstans spielt die inder Entwicklung begriffene nationale Intel-ligenz ab Mitte des 19. Jahrhunderts einebedeutende Rolle. Hervorragende Vertretersind Schokan Ualichanow, Muchammed-Sa-lik Babadschanow und Ibrai Altinsarin. Schokan Muchammed-Chanfija Ualichanow(Tschokan Walichanow) wurde im Novem-ber 1835 in der Siedlung Kuntimes unweitder Festung Kuschmurun auf dem Territori-um des heutigen Gebiets Kostanai in der Fa-milie von Sultan Major Schingis Ualijew ge-boren. 1847 wurde der zwölfjährige Scho-kan für ein Studium an der Omsker Kadet-tenanstalt bestimmt. Nach Abschluss der An-stalt im Jahre 1853 arbeitete er im General-gouvernement Westsibirien. Seine Weltan-schauung und Ansichten wurden von denbesonderen Verhältnissen des vorreforma-torischen Russlands – die Leibeigenschaftwar noch nicht aufgehoben – und der Be-kanntschaft mit berühmten Persönlichkei-ten, darunter Fjodor Dostojewski, geprägt.Im Jahre 1855 reiste Ualichanow durch Zen-tralkasachstan, das Siebenstromland und Tar-bagatai. Er erforschte die Ruinen alter Städ-te und Felsinschriften, schrieb Mythen, Lie-der und Märchen des kasachischen Volkes

auf. 1856 und 1857 war er Teilnehmer derExpeditionen durch Kyrgysstan. Er war dererste, der das Volksepos „Manas“ – das wich-tigste Literaturdenkmal des kirgisischenVolkes – aufschrieb. Die Bekanntschaft mitdem Wissenschaftler, Enzyklopädisten undGeografen Pjotr Semjonow-Tjan-Schanskibeeinflusste die weitere Tätigkeit Ualicha-nows. 1857 wurde Ualichanow auf dessenEmpfehlung als Mitglied der Russischen Geo-grafischen Gesellschaft aufgenommen. 1858und 1859 machte Ualichanow seine span-nendste und gefährlichste Reise, die ihn nachOstturkestan (das heutige Autonome GebietXinjiang Uigur der Volksrepublik China undein Teil des südöstlichen Zentralasiens) führ-te. Bei seiner Kaschgar-Expedition überquerteer den Tienschan und lebte kurze Zeit inKaschgar. Nach dieser Expedition reiste Ua-lichanow nach Sankt-Petersburg, wo er vonder wissenschaftlichen Gemeinde als muti-ger Reisender und talentierter Forscher emp-fangen wurde. Im Auftrag der militärwis-senschaftlichen Kommission des General-stabes erstellte er Karten von Mittel- undZentralasien, unter seiner Redaktion wurdendie „Karte des Gebiets zwischen dem Bal-chaschsee und dem Alatau“, die „Karte überdie Ergebnisse der Issyk-Kul-Expedition“, die„Karte des westlichen Gebiets des Chinesi-schen Reiches“ und andere erstellt. Er hattereiche Materialien zu Geografie und Völker-kunde Kasachstans und Mittelasiens gesam-melt und hielt Vorträge in der GeografischenGesellschaft. Ualichanow starb im April 1865.Seine wissenschaftlichen Studien haben nochheute Aktualität und sind wertvolle Quellenzur zentralasiatischen Geschichte. Seine Wer-ke wurden in viele Sprachen übersetzt.Ende des 19. Jahrhunderts lebte und arbei-tete im Gebiet Orenburg ein anderer be-kannter Wissenschaftler – der kasachischeEthnograf Chodsha Muchammed-Salik Ba-badschanow (1834 bis 1893). Nach Abschlussder Kadettenanstalt im Jahre 1861 diente erbis 1862 in der Grenzkommission. Als Ken-ner der Geschichte und Völkerkunde des ka-

Bildungswesen und Wissenschaft

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sachischen Volkes verfolgte er die historisch-ethnografische Literatur zur kasachischenThematik. Ab 1860 veröffentlichte er seineWerke in vielen Zeitungen und Zeitschriften.Er schickte seine Beiträge, Reisenotizen, ar-chäologischen und ethnografischen Mate-rialien regelmäßig an die Russische Geogra-

fische Gesellschaft. Der für Ethnografie zu-ständige Rat der Gesellschaft wählte ihn 1861zu seinem Mitglied und Mitarbeiter. Bereitsein Jahr später wurde Babadschanow mit ei-ner Silbermedaille der Gesellschaft ausge-zeichnet. Damit war er der erste Kasache, dereine offizielle Auszeichnung für seine wis-senschaftlichen Studien erhielt. Ibrai Altinsarin (1841 bis 1889), kasachischerPädagoge, Aufklärer und Schriftsteller, be-endete die russische Schule in Orenburg undwar der erste kasachische Lehrer. Ab 1879war er Inspektor der kasachischen Schulenim Rayon Turgai. Dies bot ihm die Möglich-keit, das damals existierende Bildungssystemin Kasachstan zu erforschen. Im Ergebnis er-

arbeitete Altinsarin ein landesweites Schul-bildungssystem für das kasachische Volk. Die-ses System umfasste zweiklassige Internats-schulen in jedem Kreis und russisch-kasa-chische Schulinternate für die kasachischenNomaden in jedem Amtsbezirk. Im Laufe derTätigkeit Altinsarins im Bezirk Turgai wur-

den vier Zweiklassen-Internatsschulen fürJungen, sieben Grundschulen, die kasachi-sche Lehrerschule in Orsk, die Gewerbeschulein Turgai, und die Internatsschule für Frau-en in Irgis eröffnet. Altinsarin kämpfte gegen den jahrhunderte-langen Rückstand, propagierte demokratischeLiteratur und griff auf die pädagogische Er-fahrung von Konstantin Uschinski und LewTolstoi zurück. Er war ein Aufklärer und ta-lentierter Organisator. Er verfasste die erstenkasachischen Lehrbücher, schrieb literarischeWerke und machte Übersetzungen aus demRussischen. Für kasachische Kinder übersetz-te er die Werke von Tolstoi und Iwan Krylow.Er war überzeugt, dass die Volksdichtung Kin-

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Unter Ibrai Altinsarin wurde ein landesweites Schulbildungssystem für das kasachische Volk erarbeitet - Gemälde von N. Chludow „Schule in der Steppe“, 1909

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der wunderbar erziehen kann – so nahm sie inseinen lehrpädagogischen Experimenten ei-nen wichtigen Platz ein. Seine „KirgisischeChrestomatie“ von 1879 enthält kasachischeLieder, Sprichwörter, Sprüche, Märchen, Le-genden und Aitysen (improvisierte Lieder). Sein ganzes Leben lang sammelte er Mate-rialien der mündlichen Volkskunst, studier-

te die Traditionen, den Alltag und die Bräu-che der Kasachen. All dies hat er systemati-siert und Verallgemeinerungen erarbeitet.Als Autor zahlreicher Studien zur Sprache,Archäologie, Ethnografie und Geschichte hater viel für die Aufklärung des kasachischenVolkes geleistet. Er stellte die Frage über die„Wiederherstellung der Rechte der kasachi-schen Sprache“ und über ihren Gebrauch inder offiziellen Korrespondenz. Er trat für dieÜbernahme des kyrillischen Alphabets fürdie kasachische Sprache ein, doch entwickelteer es unter Hinzufügung neuer Schriftzei-chen für das Kasachische weiter.

Ende des 19. Jahrhunderts war in der kasa-chischen Gesellschaft eine Wende im Bil-dungsbereich sichtbar. Für die Reformen imalten Bildungssystem trat vor allem ein Teilder kasachischen Bourgeoisie ein, die Be-schäftigte mit grundlegenden Kenntnissenbrauchten, um ein Geschäft führen und dieProduktion entwickeln zu können.

1917 war das Jahr der Oktoberrevolution.Die Grundlagen der Politik der Kommunisti-schen Partei und der Sowjetmacht im Bil-dungsbereich wurden 1919 auf dem 8. Par-teitag angenommen. Zu den Aufgaben die-ses Programmes gehörte die Gründung ei-nes neuen sozialistischen Systems der Volks-bildung, wonach die Schule „aus dem Ins-trument der Klassenherrschaft der Bour-geoisie in ein Instrument der kommunisti-schen Wiedergeburt der Gesellschaft“ ver-wandelt werden sollte. Die vorrangige Auf-gabe war die Beseitigung des Analphabe-tentums.

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Das Volksbildungssystem der UdSSR erfasste sämtliche Altersstufen. Die Ausbildung war kostenfrei,und Jungen und Mädchen besuchten gemeinsame Schulen

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Gemäß der Verordnung „Über die Beseiti-gung des Analphabetentums“ vom 26. De-zember 1919 wurde 1920 im Volkskommis-sariat für das Bildungswesen die Allrussi-sche Außerordentliche Kommission zur Be-seitigung des Analphabetentums gegrün-det. Die Kommission leistete eine immenseArbeit. In allen Republiken der Sowjetunion wur-den allerorts Schulen für Erwachsene bezie-hungsweise Stellen für die Überwindung desAnalphabetentums geschaffen. In großenAuflagen wurden Bücher und Lehrmateria-lien in allen Muttersprachen veröffentlicht.Zwischen 1920 und 1940 lernten etwa sech-zig Millionen Erwachsene schreiben und le-sen. Im Jahre 1939 hatte nach Angaben derVolkszählung der schriftkundige Teil der Be-völkerung im Alter von neun bis 49 Jahren ei-nen Anteil von 87,4 Prozent. Die Volkszäh-lung des Jahres 1959 zeigte, dass das Anal-phabetentum fast überall überwunden war.Die Alphabetisierung in Kasachstan und denanderen zentralasiatischen Republiken un-terschied sich von der im europäischen Teildes Landes. Die nationalen Randregionenfügten sich nur mit Schwierigkeiten in dieneue Bildungspolitik ein, denn im Grundegenommen bedeutete sie eine allgemeineRussifizierung. Andererseits waren die jun-gen Menschen und Kinder in den Republi-ken praktisch hundertprozentig im neuenBildungssystem erfasst. Das Volksbildungssystem der UdSSR erfass-te sämtliche Altersstufen. Die Ausbildungwar kostenfrei, und Jungen und Mädchenbesuchten gemeinsame Schulen. Aufgeho-ben wurde die körperliche Bestrafung vonKindern. Alle Nationalitäten hatten das Rechtauf Ausbildung in ihrer Muttersprache. Be-gonnen wurde mit dem Aufbau eines so-wjetischen Systems der allgemeinen Vor-schulerziehung. Beschlossen wurden neueRegeln für die Aufnahme in die Hochschu-len, die ihre Türen nun auch für die unbe-mittelten Schichten der Bevölkerung öffne-ten. Private Schulen waren verboten.

Die Folgen der Einführung eines einheitli-chen sowjetischen Bildungssystems sind nichteindeutig. Kasachstan wurde eine der russi-fiziertesten Republiken im zentralasiatischenTeil der UdSSR. Das Bildungssystem besei-tigte nicht nur das Analphabetentum voll-kommen. Geschaffen wurde auch eine mäch-tige wissenschaftliche Basis. Ohne die So-wjetunion wäre es Kasachstan nicht gelun-gen, das Land zu werden, das es heute ist –ein Land mit einem hohen Bildungsniveauund hohem intellektuellen Potenzial der Be-völkerung.

Bildungswesen im unabhängigen KasachstanBildungswesen und Wissenschaft gehörenzu strategischen Entwicklungsaufgaben derRepublik. Das Entwicklungstempo dieser Be-reiche bestimmt die Geschwindigkeit derFortschritte in Wirtschaft, Technik, Techno-logie, Politik, Kultur und Gesellschaft. Rechts-basis des Bildungsprozesses ist das Gesetz„Über die Bildung”, das am 27. Juli 2007 an-genommen wurde. Mit dem Ziel der Modernisierung des natio-nalen Bildungssystems sowie der besserenAusbildung und Befriedigung der Bedürf-nisse des Individuums und der Gesellschaftwurde 2004 das staatliche Programm zurEntwicklung des Bildungswesens für die Jah-re 2005 bis 2010 beschlossen. Es folgten dasProgramm „Kinder Kasachstans 2007 bis2011” und das „Staatliche Entwicklungspro-gramm für technische und Berufsausbildung2008 bis 2012”. Für das staatliche Programm„Entwicklung des Bildungssystems 2011 bis2013” stehen insgesamt fünfzehn MilliardenTenge bereit.Mit Erlangung der Unabhängigkeit wurdemit der Ausarbeitung und Umsetzung einesnationalen Bildungsmodells begonnen. Esbedurfte der Analyse des bisherigen Modellsund der Suche nach neuen Leitlinien und Pa-radigmen. Der Reformprozess im Bildungswesen lässtsich in folgende Etappen gliedern:

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1991 bis 1994 – Erarbeitung der gesetzli-chen Basis für das Bildungswesen.1995 bis 1998 – Konzeptionelle und pro-grammatische Modernisierung des Bil-dungswesens. 1999 bis 2000 – Dezentralisierung der Lei-tungstätigkeit und der Finanzierung des Bil-dungswesens, Erweiterung der akademischenFreiheiten der Bildungseinrichtungen. 2001 bis 2007 – Strategische Entwicklungdes Systems der Hoch- und Fachschulbil-dung.Mit den durchgeführten Reformen im Bil-dungswesen wurden in den 90er Jahren ei-nige Ziele erreicht. Die Verwaltung des Bil-dungswesens wurde demokratisiert, die Be-fugnisse der Bildungseinrichtungen wurdenerweitert, die kostenfreie allgemeine Mit-telschul- und die erste Fachschulbildung inden staatlichen Bildungseinrichtungen wirdvom Staat garantiert. Festgelegt wurde derGrundsatz der Dreisprachigkeit, gesetzlichgeregelt wurde der nichtstaatliche Sektordes Bildungswesens. Personen kasachischerNationalität, die Bürger anderer Staaten sind,haben das Recht auf Bildung und Ausbil-dung in Kasachstan. Geschaffen wurde diegesetzliche Basis für die Einführung einesKreditsystems in Form von Bildungskrediten.Umgesetzt wird die Umstrukturierung desNetzes von Hochschulen und wissenschaft-lichen Forschungseinrichtungen, anerkanntwurde die Autonomie der Hochschulen. Die nächste Etappe der Entwicklung richtetsich auf die beschleunigte Annäherung an diefünfzig wettbewerbsfähigsten Länder derWelt. In diesem Zusammenhang orientiert sichdie Bildungspolitik auf die Herausbildung desnationalen Bildungsmodells, dessen Ziel dieAusbildung von auf dem Weltmarkt wettbe-werbsfähigen Fachleuten ist. Die Strategie „Entwicklung Kasachstans bis2010” bestimmte die langfristigen Prioritätenim Bildungsbereich. Erarbeitet wurden zweiProgramme. Das erste umfasste den Zeitraum2000 bis 2005, das zweite die Jahre 2005 bis2010.

Letzteres Programm richtete das Hauptau-genmerk der Politik auf die Suche nach op-timalen Wegen der Anpassung des Systemsvon Bildung und Hochschulbildung an die Be-dingungen der Marktwirtschaft. Das Pro-gramm sah folgende Hauptrichtungen vor:Übergang zur zwölfjährigen allgemeinen Mit-telschulbildung, Aufbau eines Systems dertechnischen und beruflichen Bildung, Absi-cherung des Dreistufenmodells (Bakkalaureat,Magistratur, Doktorantur) sowie Schaffungeines den nationalen und internationalenStandards entsprechenden Bewertungssys-tems der Qualität der Ausbildung. Die Hauptrichtungen des Programmes sindim Gesetz „Über die Bildung” verankert. Esentspricht den Bedürfnissen der wirtschaft-lichen und gesellschaftlichen Modernisierungund berücksichtigt die internationalen An-forderungen an zeitgemäße Bildungssyste-me. Das Bildungssystem wurde der von derUNESCO empfohlenen internationalen Stan-dardklassifizierung des Bildungswesens MSKO-1997 angepasst. So umfasst das Bildungswe-sen nun sieben Ebenen von der vorschulischenErziehung bis zur Postgraduiertenbildung.Die Internationalisierung des Hochschulwe-sens ist ein wichtiger Faktor für die Steige-rung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes.Die internationalen Aspekte finden in allenRichtungen der Bildung sowohl in der Poli-tik als auch in den Lehranstalten selbst Ver-wendung. Wichtige Maßnahmen wurdenumgesetzt, darunter die Auflage des Pro-grammes „Bolaschak” und die Vorbereitungauf die Annahme der Lissabonner Konven-tion über die gegenseitige Anerkennung vonHochschuldiplomen und -qualifikationen.Am 11. März 2010 hat sich Kasachstan demBolognaprozess angeschlossen und wird sei-ne Hochschulabschlüsse bis 2020 an diesenProzess anpassen.Die Finanzierung des Bildungswesens wur-de von Jahr zu Jahr erhöht, so stiegen dieBildungsausgaben 2008 um das 2,8fache imVergleich zu 2004. Der Anteil der Bildung lag2008 bei 3,7 Prozent. Dies entspricht dem

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Niveau Deutschlands, Finnlands und Spani-ens. 2009 kamen dem Bildungswesen 4,6Milliarden Dollar zugute.Systematische Maßnahmen werden ergrif-fen, um die Qualität der Mittelschulbildungzu erhöhen. Die Festigung der materiell-tech-nischen Basis der Schulen wurde in die We-ge geleitet, die Ausrüstung der Physik- und

Chemieräume mit moderner Technik wurdein Angriff genommen. Organisiert werdenSchulen mit dreisprachigem Unterricht. DieEinführung des Multiservice-Informations-und Bildungssystems in den Lernprozess derBildungseinrichtungen wird vorbereitet. Die-ses System wird den Schulen den uneinge-schränkten Internetzugang erlauben. Diessoll die selbständige Arbeit der Schüler för-dern und zur Erhöhung des Bildungsniveausbeitragen.Das Programm für die Förderung der tech-nischen und beruflichen Bildung 2008 bis2010 wurde verwirklicht. Es sah Maßnahmen

zur Sicherung der Ausbildung entsprechendden Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vor. DasFachschulnetz wurde ausgebaut, die Aus-stattung der Schulen unter Beteiligung derWirtschaft gefestigt und die Sozialpartner-schaft erweitert. Ein Leuchtturmprojekt, dasunter Beteiligung von Investoren realisiertwurde, sah vor, fünfzehn Fachschulen für die

Erdöl- und Erdgasindustrie, den Maschinen-bau, das Hüttenwesen, die Metallurgie so-wie das Bau- und das Transportwesen zu er-richten.In Übereinstimmung mit dem Bolognapro-zess geht Kasachstan zum Dreistufenmodellim Hochschulwesen über. 43 Hochschulenhaben die Prüfung des qualitativen Manage-mentsystems in europäischen Agenturen be-standen. Das Verzeichnis der prioritären Fach-richtungen für die Personalausbildung in denDoktor- und Magisterprogrammen wurdebestimmt. Die Integration in den interna-tionalen Bildungsraum schreitet voran. Rund

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Eine wichtige Aufgabe des Bildungswesens ist die Umschulung und Weiterbildung von Arbeitern und Fachkräften

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150 Bildungs- und Wissenschaftseinrichtun-gen Kasachstans pflegen Beziehungen zuPartnern im Ausland.

Vorschulerziehung und Vorschulbildung Im neuen Bildungsmodell wird der Vor-schulerziehung und -bildung große Bedeu-tung beigemessen. Die Bildung der Kinderim Vorschulalter ist wichtig für die Ausbil-

dung der Kommunikationsfähigkeiten, diekörperliche Entwicklung sowie die Vorberei-tung auf die Schule. Im Reformprozess bestand eine der wichti-gen Aufgaben der Bildungsbehörden darin,Maßnahmen für den Schutz des Rechtes derKinder auf vorschulische Bildung zu bestim-men und einzuleiten. Heute unterscheidensich die Vorschuleinrichtungen je nach Al-ter der Kinder in Kinderkrippen, Kindergär-ten und Kindertagesstätten, nach ihrer Be-stimmung in allgemeine, versorgende, pfle-gende und kombinierte Vorschuleinrichtun-gen sowie nach Tageseinrichtungen, 24-

Stunden-Einrichtungen und Einrichtungenmit flexiblen Öffnungszeiten. Seit 1998 wurden positive Änderungen be-obachtet: Die Zahl der Vorschuleinrichtungensteigt, zuvor geschlossene Kindergärten wur-den wieder geöffnet. In den letzten Jahrenstieg die Zahl der Kinder in den Vorschul-einrichtungen. Positiv ist, dass die Zahl derVorschuleinrichtungen und der dort ange-meldeten Kinder auch auf dem Land wächst.

In letzter Zeit erfreuen sich Vorschulein-richtungen, in denen Erzieher und Kinder inKasachisch kommunizieren, immer größererBeliebtheit. Kinder unterschiedlicher Natio-nalitäten werden dort angemeldet.Daneben gibt es Einrichtungen mit unter-schiedlichen Orientierungen, die den Kinderneine vertiefte Bildung in unterschiedlichenDisziplinen anbieten. Den persönlichen Inter-essen und Begabungen entsprechend könnendie Eltern unabhängig vom Einkommen einenpassenden Kindergarten für ihr Kind wählen. In Kasachstan wurde per Gesetz die obliga-torische kostenfreie vorschulische Vorberei-

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Die kostenfreie allgemeine Mittelschul- und die erste Fachschulbildung in den staatlichen Bildungseinrichtungen wird vom Staat garantiert

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tung der Fünf- und Sechsjährigen eingeführt.Damit werden der Zugang zu Bildung undErziehung erweitert und gleiche Startmög-lichkeiten für alle Kinder bei der Einschulunggewährleistet. Insgesamt gab es Ende 2009 1 712 staatli-che Vorschuleinrichtungen, 205 private Vor-schuleinrichtungen und 2651 Minizentren. Inallen Einrichtungen zusammen waren rund356 000 Kinder angemeldet, das sind 37 Pro-zent aller Kinder im Vorschulalter. Allein inAstana besuchen 14 327 Kinder die Vor-schuleinrichtungen. Rund 29 600 Pädago-

gen arbeiten in den Vorschuleinrichtungen.Im Jahre 2009 kamen 106 Kinder auf hundertPlätze. Private Vorschuleinrichtungen müs-sen vom Ministerium für Bildung und Wis-senschaft lizensiert werden.Ein wichtiger Punkt ist die Erziehung undBildung von Waisenkindern und Kindern, dieohne elterliche Fürsorge aufwachsen. DerSchutz der Rechte und der gesetzlichen In-

teressen der Kinder hat Priorität in der Tätig-keit aller Behörden. Gesichert werden dieRechte der Kinder, die ohne elterliche Für-sorge aufwachsen, durch die Konvention derVereinten Nationen „Über die Rechte desKindes“ sowie durch die Gesetze der RepublikKasachstan „Über die Bildung“, „Über Eheund Familie“, „Über Kinderdörfer nach demFamilienmodell und Jugendhäuser“ sowie„Über den Gesundheitsschutz der Bürger“.Die Regierung hat zudem mehr als zwanzigVerordnungen hinsichtlich des Schutzes derKinderrechte angenommen. Am 11. Dezem-

ber 2008 hat Kasachstan die Konvention überdie Rechte von Behinderten und das fakul-tative Protokoll zu dieser Konvention unter-zeichnet. Eine der wichtigsten Bestimmun-gen ist die Integration von Kindern mit be-schränkten Möglichkeiten in den allgemei-nen Bildungsprozess.In Kasachstan gibt es mehr als 600 Internate,in denen auf Staatskosten Waisenkinder, Kin-

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Insgesamt gab es Ende 2009 1 712 staatliche Vorschuleinrichtungen, 205 private Vorschuleinrichtungen und 2 651 Minizentren

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der ohne elterliche Fürsorge und Kinder ausarmen Familien aufgezogen werden. Zudemgibt es 22 Internate für geistig und körperlichBehinderte. Das Ministerium für Bildung und Wissen-schaft leistet den Vormundschafts- und Für-sorgeeinrichtungen organisatorische, me-thodische und pädagogische Hilfe. Mit demZiel, den Waisenkindern und Kindern ohneelterliche Fürsorge zusätzliche staatliche Un-terstützung zu gewähren, wurden einige Re-gierungsbestimmungen angenommen. Im Rahmen des Gesetzes „Über Ehe und Fa-milie“ wurde eine Reihe Bestimmungen an-genommen, die die Tätigkeit von Verpfle-gungs- und Vormundschaftsorganisationen,deren Funktionen die Bildungseinrichtungenzu erfüllen haben, reglementieren. Das Ge-setz über „Kinderdörfer nach dem Familien-modell und Jugendhäuser“ gewährt eltern-losen Kindern das Recht, in Familien zu lebenund erzogen zu werden, sowie – bis zu ihrem23. Lebensjahr – auf eine medizinisch-psy-chologische Rehabilitation und auf sozialeEingliederung. Angenommen wurde das Ge-setz „Über die Rechte der Kinder in der Re-publik Kasachstan“, das auf Initiative des Par-laments erarbeitet wurde.

Mittelschulbildung. Die Mittelschule ist das Fundament der Schul-bildung in Kasachstan. Sie beginnt mit derUnterstufe (1. bis 4. Klasse), wird mit derHauptstufe (5. bis 9. Klasse) fortgesetzt undendet mit der Oberstufe (10. bis 11. bezie-hungsweise künftig 12. Klasse). In einigen all-gemeinbildenden Schulen kann man alle Stu-fen durchlaufen. Zur Mittelschulbildunggehört die Berufsbildung (elementare undmittlere Berufsausbildung). Der Besuch derMittelschule ist obligatorisch für alle Ju-gendlichen. Aufgaben der Mittelschule sind heute die Er-fassung und Ausbildung aller Kinder und Ju-gendlichen im Schulalter und die Umsetzungder staatlichen Vorgaben für die allgemeinemittlere Schulbildung. Anbieten soll sie ei-

nen qualitativ guten Unterricht durch dieVerbesserung der Lehrinhalte und der Lehr-methoden sowie durch die Einführung ob-jektiver Kriterien für die Bewertung derKenntnisse der Schüler und der Fähigkeitender Lehrkräfte. Auch soll sie einen Beitrag zurGesundheitsfürsorge für Schüler und Lehr-kräfte leisten. Im Zuge der Bildungsreform wird die Spezi-alschulbildung eingeführt. Der Übergang zuzwölf Schuljahren, die Einführung landes-weit gleicher Prüfungskriterien und neuerBildungsstufen – das ist nur ein kleiner Teilder in den letzten Jahren durchgeführtenMaßnahmen.Und die Tatsache, dass kasachstanischeSchüler im ersten Halbjahr 2009 auf inter-nationalen Schülerolympiaden 249 Medail-len, davon 73 Gold- und 113 Silbermedail-len, gewonnen haben und die 51. Interna-tionale Olympiade in Mathematik im Jahre2010 in Kasachstan stattfand, weist auf dieguten Ergebnisse der Reformen. In Kasachstan gibt es heute 7 811 allge-meinbildende Mittelschulen, an denen über2,5 Millionen Schüler lernen. Betreut wer-den die Schüler von 282 254 Lehrkräften. Ansiebzig Abendschulen lernen 22 200 Schüler.Es gibt zudem 107 Schulen für Hochbegab-te und sechs Eliteschulen des Präsidenten.Die Umsetzung des Programmes „Intellek-tuelles Volk 2010” sieht unter anderem vor,zwanzig weitere „Nasarbajew-Schulen” zuerrichten, vornehmlich mit physikalisch-ma-thematischer und chemisch-biologischerAusrichtung. In Anbetracht der multiethnischen Bevölke-rungsstruktur erfolgt der Schulunterricht inKasachstan in sieben Sprachen: in Kasachisch,in Russisch, in Usbekisch, in Tadschikisch, inUigurisch, in Ukrainisch und in Deutsch. InOrtschaften, wo zahlenmäßig kleine Völkerkompakt siedeln, wird der Unterricht in wei-teren vierzehn Muttersprachen abgehalten. Im Rahmen des staatlichen Programmes zurEntwicklung des Bildungswesens 2005 bis2010 wurden 249 neue Schulen gebaut.

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In vielen westlichen Ländern richtet sich dasRating der Schulen nach den Leistungen derSchüler. Je besser ihre Abschlussprüfungendesto höher das Ansehen der Bildungsein-richtung. Die Prüfungen werden von unab-hängigen Kommissionen vorgenommen. InKasachstan legten die Schüler bis vor kurzemihre Prüfungen vor ihren eigenen Lehrernab, die naturgemäß an guten Ergebnissen ih-rer Zöglinge interessiert waren. Um dieser

Praxis ein Ende zu setzen, wurde landesweitdie Einheitliche Nationale Prüfung (ENP) füralle Abgänger der Mittelschulen eingeführt. Nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungstehen den Absolventen je nach Abschnei-den die Aufnahme an mittleren Berufsschu-len (College) oder an Hochschulen offen. Ge-prüft wird in drei Pflichtfächern – kasachi-sche oder russische Sprache, Mathematikund Geschichte Kasachstans – und einem fa-kultativen Fach, das sich am weiteren Aus-bildungs- und Berufswunsch orientiert. Die Prüfungsmodalitäten werden vom Mi-nisterium für Bildung und Wissenschaft inenger Abstimmung mit dem Komitee für

Standards, Methodologie und Zertifizierungfestgelegt. Fünf Jahre lang wurde bei der Aufnahme anHochschulen der Republik ein komplexer Prü-fungsmodus getestet, der maximale Objek-tivität bei der Bewertung der Kenntnisse derSchulabgänger, aber auch soziale Gerech-tigkeit bei der Vergabe staatlicher Stipendi-en garantieren sollte. Das erfolgreiche Ex-periment diente zur Einführung der ein-

heitlichen Prüfungskriterien im Jahre 2004. Die Koordination der Prüfungen obliegt dendafür ausgewählten Vertretern des Ministe-riums für Bildung und Wissenschaft. Man erhofft sich von dem neuen Verfahreneine objektive Bewertung der Bildungsein-richtungen, die Bestimmung der realen Rang-liste, mehr Anteilnahme der Allgemeinheitan den Problemen der Mittelschulbildungund eine höhere Motivation bei Schülernund Lehrkräften, gute Ergebnisse zu erzie-len, sowie Aufschlüsse darüber, wie die Qua-lität der Lehrstoffe, der Lehrpläne, der Schul-bücher, der Unterrichtsmethodik sowie derLehrerausbildung zu verbessern ist.

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Die Mittelschule beginnt mit der Unterstufe (1. bis 4. Klasse), wird mit der Hauptstufe (5. bis 9. Klasse) fortgesetzt und endet mit der Oberstufe (10. bis 11. beziehungsweise künftig 12. Klasse)

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Die Praxis zeigt, dass noch einige Nachbes-serungen erforderlich sind. Dies betrifft vorallem Schüler aus den ethnischen Minder-heiten, die in ihrer Muttersprache unter-richtet werden. Die Tatsache, dass die Prü-fungen nur in kasachischer und russischerSprache abgelegt werden, beeinträchtigtzwangsläufig deren Prüfungsergebnisse.

Die Schaffung eines Mechanismus zur har-monischen Entwicklung der Angehörigenverschiedener Nationalitäten auf allen Bil-dungsebenen ist für Kasachstan höchst ak-tuell. Als probates Mittel dafür bietet sichdie Beibehaltung des Grundschulunterrichtsin den Muttersprachen Uigurisch, Usbekischund Tadschikisch an. Das erhöht den Iden-tifikationsgrad der jeweiligen Diasporawährend der Schulausbildung. Fast 32 000Schüler, deren Muttersprache Uigurisch, Us-bekisch und Tadschikisch ist, sollen nicht nurdie geistigen Werte ihrer Völker bewahrenund pflegen, sondern als Bürger Kasachstans

auch gleichberechtigten Zugang zum inter-nationalen Bildungsraum haben. Die staatlichen Schulen bilden den Grund-stock der Mittelschulbildung. Manche ha-ben noch aus der Sowjetzeit einen sehr gu-ten Ruf. Leider gibt es zu wenige solcherSchulen. Sollten alle Interessenten aufge-nommen werden, wären die Schulen zum

Zweischichtunterricht gezwungen und zuKlassenstärken von dreißig und mehr Schülern.In einige Spezialklassen der Gymnasien wer-den die Kinder entsprechend ihrer Prüfungs-ergebnisse aufgenommen. Entsprechen ihreschulischen Leistungen den hohen Anforde-rungen nicht, müssen sie die Schule nach derneunten Klasse verlassen. Privatschulen existieren in Kasachstan seitmehr als zehn Jahren. Sie waren als Alter-native zu den staatlichen Schulen gedacht,deren großer Nachteil darin bestand, dasssie zu wenig auf den einzelnen Schüler ein-gehen konnten. Deshalb hoben sich die Pri-

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Im ersten Halbjahr 2009 gewannen kasachstanische Schüler auf internationalen Schülerolympiaden249 Medaillen, davon 73 Gold- und 113 Silbermedaillen

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vatschulen mit kleinen Klassen, mit dem Ein-satz neuer Lehrmethoden und Lehrpläne, derintensiven Beschäftigung mit den Kindernund etlichen Zusatzfächern, zumeist han-delte es sich um Sprachen, von den staatli-chen Schulen ab. Hinzu kamen Angebote wieErholungsräume für die Schüler, mit Fernse-her und Videogeräten ausgestattete Klas-senzimmer, Schwimmhallen, Tennisplätzeund andere Annehmlichkeiten. Doch alle kasachstanischen Privatschulenhaben den Nachteil, dass sie allein vom Geldder Eltern existieren, weshalb die Lehrer ausGefallen gegenüber den Eltern oft gute, aberunverdiente Zensuren geben. Dies hat sichmit der Einführung der landesweit einheit-lichen Prüfungskriterien verändert. Die elementare und mittlere Fachschulbil-dung wird an Berufs- und technischen Bil-dungseinrichtungen – Lyzeen und Colleges –zusammen mit dem Lehrprogramm der all-gemeinen Mittelschulen vermittelt. Um dem drohenden Facharbeitermangel zubegegnen, wurde das staatliche Programm„Entwicklung der technischen und berufli-chen Bildung 2008 bis 2012” ausgearbeitet.Unterzeichnet wurden Memoranden mit ein-heimischen Unternehmen und ausländischenPartnern über die Teilnahme am Ausbau dertechnischen und beruflichen Bildung, dar-unter über die Beteiligung an der Ausstat-tung der Schulen, die Bereitstellung vonPraktikumsplätzen und Schulungen für dieAusbilder. Die elementare und mittlere Berufsausbil-dung ist die Ausbildung, Qualifizierung undWeiterqualifizierung von Arbeitern, Fachar-beitern und Arbeitslosen. Heute gibt es ins-gesamt 882 solcher Einrichtungen, davonsind 513 staatlich und 369 privat. Von den609 011 Schülern lernen 354 924 Schüler anden staatlichen Einrichtungen und 254 087an den privaten. Von den 882 Einrichtungensind 560 Colleges, an denen 492 770 Schülerlernen, davon 241 667 Schüler an den 214staatlichen Colleges. Die 322 Berufslyzeenbetreuen 116 241 Schüler. An den 299 staat-

lichen Lyzeen lernen 113 257 Schüler. Insge-samt arbeiten an den Colleges und Lyzeen45 862 Pädagogen. Ausgebildet wurde imSchuljahr 2009/2010 in 149 Berufen und 217Spezialisierungen. Die beliebtesten Richtun-gen waren Informationssysteme, Verkehrs-steuerung, Logistik sowie Wartung und Re-paratur von Pkws. Die Colleges bilden nach den neuen staatli-chen Standards Fachkräfte der mittleren Be-rufsausbildung aus. Eingeführt wurde einneuer Mechanismus zur Ausbildung vonFacharbeitern, wobei die Kosten unter Be-rücksichtigung der Nachfrage nach Arbei-tern in den Regionen auf Vertragsbasis er-stattet werden. Die Ausbildung in einem neu-en Fachbereich erfolgt nur, wenn es dafüreinen Vertrag mit dem regionalen Beschäf-tigungsdienst gibt.

HochschulbildungDie Hochschulbildung setzt die abgeschlos-sene Mittelschulbildung voraus. Hochschul-bildung wird an Universität, Akademie, In-stitut und diesen gleichgestellten Einrich-tungen wie das Konservatorium vermittelt.In der Hochschulstruktur sind nach der Bil-dungsreform von 1999 drei Stufen vorgese-hen: – Grundausbildung mit dem Abschluss Bak-

kalaureat; – Höhere Spezialausbildung mit Diplomab-

schluss; – Wissenschaftlich-pädagogische Ausbildung

mit Magistratur. Den Universitäten und Hochschulen bleibtdie mehrstufige Ausbildungsstruktur ihreskünftigen Lehrpersonals selbst überlassen. Das Hochschullandschaft umfasst zum 1.September 2010 145 Universitäten. Von den55 staatlichen Universitäten haben neun denStatus einer Nationalen Universität. Es sinddie Eurasische Nationale Gumiljow-Univer-sität, die Nationale Al-Farabi-Universität, dieNationale Technische Satpajew-Universität,die Nationale Pädagogische Abai-Univer-sität, das Nationale Kurmangasy-Konserva-

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torium, die Nationale Musikakademie, dieNationale Kunstakademie, die NationaleAgraruniversität und die Nationale Medizi-nische Universität. Es gibt neunzig privateHochschulen. An insgesamt 37 Hochschulenin Kasachstan wird das Bildungsprogrammmit zwei Diplomabschlüssen umgesetzt. Im Aufbau befindet sich die von PräsidentNasarbajew initiierte „New University ofAstana”, die zum Wintersemester 2010 dieersten Studierenden aufgenommen hat. Bis2015 sollen 4000 Studierende an dieser Elite-hochschule eingeschrieben sein. Die Univer-sität ist auf Ingenieurwissenschaften, Na-turwissenschaften, Medizin und Sozialwis-senschaften spezialisiert. Bei der Universitätarbeiten das Internationale InterdiziplinäreAusrüstungszentrum, das Energieforschungs-zentrum und das Zentrum für Life Sciences.Die Zahl der Studierenden belief sich im aka-demischen Jahr 2009/2010 auf 610 624 Per-sonen. Sie werden von 39155 Lehrkräftenbetreut. 321 664 Studierende waren an denstaatlichen Hochschulen eingeschrieben.Über 10 000 Studierende kommen aus demAusland zum Studium nach Kasachstan.Laut Statistik der letzten Jahre wollen mehr alsdrei Viertel der kasachstanischen Schulab-gänger, die studieren wollen, ihr Studium aneiner heimischen Hochschule absolvieren. Insgesamt gestaltet sich die Situation mitdem Lehrpersonal an den Universitätenschwierig. Nach Angaben des NationalenZentrums für staatliche Bildungsstandardshaben nur etwa 35 Prozent der an den Uni-versitäten Beschäftigten einen Doktortitelund nur sechs Prozent sind habilitiert. In vie-len regionalen Universitäten liegen diese Zah-len noch niedriger. Hier sind noch einige Din-ge zu tun. Die Ausbildung von Lehrkräftenfür das Bildungswesen erfolgt in Fachinsti-tuten und an Hochschulen, allen voran dieKasachstanische Nationale PädagogischeAbai-Universität. Den Rektoren der kasachstanischen Univer-sitäten machte das Ministerium für Bildungund Wissenschaften vor einiger Zeit einen ori-

ginellen Vorschlag, um mehr Anreize zur bes-seren Ausbildung der Dozenten zu schaffen.In 2004 wurden mehr als zwei Millionen Dollarfür ausländische Gastdozenten an der Kasa-chischen Al-Farabi-Universität und der Eura-sischen Gumiljow-Universität aus dem Staats-haushalt zur Verfügung gestellt. Nun mach-te das Ministerium den Vorschlag, dass dieUniversitäten alljährlich für ihre eigenen Do-zenten einen Wettbewerb ausschreiben sol-len. Dem Gewinner soll dann das gleiche Ge-halt gezahlt werden wie den ausländischenGastdozenten. Mit dem Schuljahr 2006/2007 wurde ein neu-er Grant eingeführt. Die 200 besten einhei-mischen Hochschullehrer erhalten ein Sti-pendium in Höhe von 15 000 Dollar. Nach internationalen Einschätzungen be-wegt sich Kasachstan in der Entwicklung sei-nes Bildungswesens auf dem richtigen Weg.2009 kam die Republik nach dem Index derEntwicklung der Bildung der UNESCO aufPlatz eins. Betrachtet wurden dabei der Um-fang der allgemeinen Bildung, die Geschlech-tergleichheit und der Anteil der Schüler, diebis zur letzten Klasse lernen. Ein akutes Problem wurde vor kurzem end-gültig gelöst, nämlich die Finanzierung ei-nes Studiums an einer staatlichen Hoch-schule. Auf Beschluss des Ministeriums fürBildung und Wissenschaft soll das Studiumüber staatlich garantierte Bildungskredite fi-nanziert werden, die über Banken vergebenwerden. Der Staat finanziert die Kredite nichtunmittelbar, sondern über die dem Ministe-rium angeschlossene Aktiengesellschaft „Fi-nanzzentrum“. Die staatlichen Garantien –das „Finanzzentrum“ wird voraussichtlich fürfünfzig bis achtzig Prozent jedes von denBanken vergebenen Kredits garantieren –machen einen niedrigeren Zinssatz möglich,sodass wesentlich mehr Studierende derleiBildungskredite in Anspruch nehmen kön-nen. Das neue System ist 2005 in Kraft ge-treten. Die Zuschüsse werden vor allem auchfür Studierende technischer Disziplinen auf-gestockt.

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Im Rahmen der Bildungs- und Wissen-schaftspolitik des Landes wird seit 1993 dasProgramm „Bolaschak“ durchgeführt. Es ge-währt individuelle Stipendien, die jährlichvom Zentrum für Internationale Program-me des Ministeriums für Bildung und Wis-senschaft vergeben werden. Gefördert wirddie spezialisierte Hochschulbildung für Be-rufe, die in Kasachstan besonders gefragtsind, sowie die Ordinatur, die Aspirantur unddie Ausbildung an ausländischen medizini-schen Hochschulen. Die Liste der gefragtenBerufe wird jedes Jahr vom Ministerium für

Bildung und Wissenschaft erstellt. Im Jahr2010 haben die Ingenieurwissenschaften (ins-besondere Weltraumwissenschaft sowie Erd-öl- und Erdgasindustrie) einen Anteil von 37Prozent, die Naturwissenschaften (insbe-sondere Biotechnologie, Nanotechnologieund Chemie) und die Medizin von jeweilssechzehn Prozent, die Sozialwissenschaftenund die Wirtschafts- und Verwaltungswis-senschaften von jeweils 11,3 Prozent, Agrar-

technologien von fünf Prozent und derKunstbereich von 3,4 Prozent.Studiert werden kann an insgesamt 630 re-nommierten Universitäten. Die Stipendienwerden mit dreizehn bis sechzehn MilliardenTenge jährlich aus dem Staatshaushalt finan-ziert und umfassen alle Ausgaben: vom Visafür Aus- und Einreise bis hin zu Fahrtkostenfür Hin- und Rückfahrten, wenn das Studi-um länger als zwei Jahre dauert. Die Stipen-dien werden nach einem zweistufigen Prüf-system vergeben: in der ersten Stufe werdenein Sprach- und ein Psychologietest durch-

geführt, in der zweiten Stufe werden die Be-werbungsunterlagen mit der Nachfrage aufdem einheimischen Arbeitsmarkt verglichen.Da die Studienkosten im Ausland hoch sind,sind die Anforderungen an die Bewerber hoch.Studierende, die auf eigene Kosten Prüfun-gen an ausländischen Hochschulen bestan-den haben, haben Anspruch auf das „Bola-schak”-Stipendium. Sie müssen sich dannnur der zweiten Prüfungsstufe unterziehen.

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Landesweit wurde die Einheitliche Nationale Prüfung für alle Abgänger der Mittelschulen eingeführt. Nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung stehen den Absolventen je nach Abschneiden die Aufnahme an mittleren Berufsschulen oder an Hochschulen offen

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Der Bildungsweg nach der Hochschule stehthoch qualifizierten Fachleuten mit Univer-sitätsabschluss oder mit dem Magister of-fen. Sie können Aspiranten oder Doktoran-den an einer Hochschule oder einer wissen-

schaftlichen Forschungseinrichtung werden. Im akademischen Jahr 2009/2010 gab es 1754Attestierungen im Bereich der postuniversitärenBildung, davon 227 Doktoranden, 1021 Kan-didaten der Wissenschaften, 165 Professurenund 341 Dozenten. Der Magisterabschluss wird vor allem in dengroßen Wirtschaftshochschulen praktiziert, ei-nige dieser Abschlüsse berechtigen zur Do-zententätigkeit im Ausland. Der Magisterstatusist eine neue Form des Bildungsangebots inWirtschafts- und Geschäftsdisziplinen. So gibt

beispielsweise ein Programm der Internatio-nalen Business-Akademie die Erfahrungen vonspeziellen Business- und Managementpro-grammen, die langjährige internationale Zu-sammenarbeit und den Erfahrungsaustausch

mit westlichen Business-Schulen weiter, wasnatürlich ein sehr großer Vorteil ist. Viele Magister gehen in die Aspirantur, an-dere wenden ihr Wissen in der Praxis an. DieNachfrage nach hoch qualifizierten jungenFachleuten wächst stetig.

WissenschaftKasachstan verfügt über ein leistungsstar-kes Potenzial in Wissenschaft und Technik.In der Zeit vor den Reformen wurden wis-senschaftliche Schulen auf vielen Wissen-

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In Kasachstan arbeiten mehr als 300 Wissenschaftseinrichtungen, die mehr als 16 000 Arbeitsplätzebieten. Beschäftigt sind mehr als 1 000 Doktoren der Wissenschaften und etwa 3 000 Kandidaten derWissenschaften

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schaftsgebieten begründet, darunter in derBuntmetallurgie, der Katalyse, der Mathe-matik, der Physik, der Weltraumforschung,dem Bergbau, der Chemie, der Biologie ak-tiver Stoffe und hochmolekularer Verbin-dungen, der Biochemie und der Physiologievon Menschen, Tieren und Pflanzen sowieder Geografie und der Botanik. Die Geistes-wissenschaften entwickelten sich. Anfang der 90er Jahre begann eine neue Etap-pe in der Entwicklung der Wissenschaft. Denn1992 wurden das Gesetz „Über die Wissen-schaft und die wissenschaftlich-technische Po-litik“ angenommen und das Ministerium fürWissenschaft und neue Technologien ge-schaffen. 1992 und 1993 entstanden die Struk-turen, die Wissenschaft und Technik bestim-men: darunter für die Standardisierung, für diePrüfung wissenschaftlicher Mitarbeiter, für diestaatliche Registrierung wissenschaftlicher For-schungs- sowie von Konstruktions- und Ver-suchsarbeiten, für die Hinterlegung von Ma-nuskripten und Dissertationen sowie für dasPatentwesen. 1993 wurde das Programm „Ent-wicklung des staatlichen Systems der wissen-schaftlich-technischen Information der Repu-blik Kasachstan“ beschlossen. Im gleichen Jahrentstanden mehrere Wissenschaftszentren, dar-unter für Radioelektronik und Nachrichten-wesen, für komplexe Mineralstoffverarbeitungund für Biotechnologie, zudem das NationaleKernforschungszentrum. Veränderungen gabes bei der Organisation der Finanzierung vonwichtigen wissenschaftlichen Forschungen so-wie von Versuchs- und Konstruktionsarbeiten.Staatliche Aufträge für die Durchführung wis-senschaftlicher Untersuchungen werden heu-te ausschließlich auf Wettbewerbsgrundlagebeziehungsweise nach Ausschreibungen ver-geben, wissenschaftlich-technische Gutach-ten müssen erstellt werden, und die Ausführungder Projekte wird begleitet und kontrolliert.1996 bis 1999 wurde das Steuerungssystemvon Wissenschaft und Technik mehrmals or-ganisatorisch umgewandelt. Heute unter-steht die staatliche Regelung der Wissen-schaften dem Ministerium für Bildung und

Wissenschaft. Die Nationale Akademie derWissenschaften der Republik Kasachstan istin Almaty ansässig. Im Jahre 2000 wurde die Konzeption für wis-senschaftliche und wissenschaftlich-techni-sche Politik ausgearbeitet. 2001 wurde dasGesetz „Über die Wissenschaft“ angenom-men, das die gesellschaftlichen Verhältnisseim Bereich von Wissenschaft und wissen-schaftlich-technischer Tätigkeit regelt sowieRechte und Pflichten der Akteure des Wis-senschaftsbereichs festlegt. Ebenfalls 2001wurde das Programm für Innovationsent-wicklung bis 2015 bestätigt. Im Juli 2002wurde zudem das Gesetz „Über die Innovati-onstätigkeit“ angenommen. Das Ziel derstaatlichen Innovationspolitik besteht in ei-ner kontinuierlichen Analyse der Infrastruk-tur in der Produktion, damit in den ver-schiedenen Gebieten der Produktion und derLeitung der Gesellschaft wettbewerbsfähige,hochtechnologische Produkte überwiegen.Per Präsidialerlass vom 20. Juni 2007 wurdedas staatliche Programm für die Entwicklungder Wissenschaft bis 2012 bestätigt. Der Sta-tus der Höchsten wissenschaftlich-techni-schen Kommission bei der Regierung wurdeerhöht. Zur wissenschaftlich-technischen Ex-pertise werden ausländische Fachleute her-angezogen, das Komitee für Wissenschaftund der Wissenschaftsfonds wurden ge-gründet. Kasachstan benötigt zur Steigerungseiner Wettbewerbsfähigkeit Eliteuniver-sitäten, leistungsstarke Forschungs-, Bil-dungs- und wissenschaftliche Produktions-komplexe. Mehrere wissenschaftliche undBildungseinrichtungen wurden bereits durchFusion reorganisiert. Es entstanden dreißigwissenschaftliche Forschungsinstitute undWissenschaftszentren im Bestand von elfHochschulen. Die Regierung legte sechsSchwerpunktrichtungen der wissenschaftli-chen Forschung fest, die besonders geför-dert werden sollen. Das sind die Nanotech-nologien und neue Stoffe, die Biotechnolo-gien, die Technologien für den Kohlenwas-serstoffsektor, die Metallurgie und das Hüt-

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tenwesen mitsamt den damit verbundenenDienstleistungsbranchen, die Atomtechno-logie und Technologien erneuerbare Energi-en sowie die Informations- und Weltraum-technologien. Die Forschung in den Gesell-schafts- und Geisteswissenschaften wurdenim Rahmen der „Nationalen Idee als Grund-lage der stabilen Entwicklung Kasachstans”vereinigt. Geschaffen wurden fünf nationa-le wissenschaftliche Laboratorien kollekti-

ver Nutzung, fünfzehn ingenieurwissen-schaftliche Laboratorien und sechs Innova-tionszentren sowie ein Netz staatlicher undprivater Projekt- und Konstruktionsbüros,Patentdienste, wissenschaftliche Bildungs-konsortien und Holdings. In Kasachstan arbeiten mehr als 300 Wis-senschaftseinrichtungen, die mehr als 16 000Arbeitsplätze bieten. Beschäftigt sind mehrals 1000 Doktoren der Wissenschaften undetwa 3 000 Kandidaten der Wissenschaften.Die kasachstanischen Wissenschaften wur-den im Jahre 2009 durch den Staat mit rund18,5 Milliarden Tenge finanziert. 71 Prozentder staatlichen Finanzierung entfällt auf an-gewandte Forschungen, die Grundlagenfor-schung hat einen Anteil von rund zwanzigProzent, acht Prozent fließen in Projekt- undKonstruktionseinrichtungen. Die Qualität

und Ausstattung der Grundlagenforschun-gen sollen weiter erhöht werden.Nachgedacht wird über die Bildung Wissen-schaftlicher Räte, die die Wissenschaftspro-jekte auswählen und über deren Bezuschus-sung entscheiden. Sie sollen für alle Wirt-schaftsbranchen geschaffen werden und sichaus Wissenschaftlern, ausländischen Fach-leuten sowie Vertretern von Unternehmen,wissenschaftlichen Produktionsorganisatio-

nen und staatlichen Profilorganen zusam-mensetzen. Die Hauptrichtungen in der Entwicklung derWissenschaften sind somit bestimmt. Es be-darf jedoch großer Investitionen für die Ent-wicklung der Technologien. In den wissen-schaftlichen Dienstleistungsbereich soll künf-tig der Privatsektor der Wirtschaft stärkereinbezogen werden. Derzeit wird an einem neuen Gesetz „Überdie Wissenschaften” gearbeitet, das den neu-en Herausforderungen gerecht wird. An derArbeit nehmen Wissenschaftler selbst teil.Das Höchste wissenschaftlich-technische Ko-mitee soll zu einem strategischen Organ wer-den, das die Schwerpunktrichtungen der wis-senschaftlichen Tätigkeit bestimmt und überden Wissenschaftshaushalt und dessen Ver-teilung entscheidet.

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Die Akademie der Wissenschaften hat ihren Sitz in Almaty

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Kulturelles Leben

EntwicklungstendenzenMit Erlangung der Unabhängigkeit gab es vie-le qualitative und strategische Änderungenim Kulturbereich. Unter anderem rückte dieFrage nach der Rolle und der Bedeutung deskulturellen Erbes in den Vordergrund.Seit Mitte der 90er Jahre ist ein Umbruch inder Entwicklung der Kultur Kasachstanssichtbar. Die Kulturschaffenden hatten be-griffen, dass von ihrer Initiative und ihrenAktivitäten nicht nur die eigenen Leistun-gen, sondern sämtliche Bedingungen der kul-turellen Entwicklung des Landes abhängen.Viele Kunst- und Kulturschaffenden grün-deten eigene Bildungseinrichtungen, zu nen-nen sind unter anderem das Musikkolleg derVerdienten Künstlerin der Republik Kasach-stan Shanija Aubakirowa, die Kunstschuleder Kunstwissenschaftlerin Jewgenija Gut-saljuk, die Schule für Kunsttherapie von Ba-chyt Talkambajew, die Schule des ModernenTanzes „Rosowaja Griwa“ („Rosa Mähne“ –benannt nach dem gleichnamigen Festivaldes modernen Tanzes) unter Leitung von Al-la Burenkowa. Auch mehrere Künstlerver-bände entstanden, darunter der Verband derTheaterschaffenden, der Verband der Cho-reografen und der Verband der Ballettmeister.Die Galerielandschaft wurde vielfältiger. Ne-ben den bereits bekannten Galerien „Tengri-Umai“, „Ular“, „Wojadscher“ und „Retro“ sindheute viele andere erfolgreich tätig, darun-ter „Art-nawat“, „Oju“, „Tribuna” und „Ku-lanschi”. 2010 startete ein neues Projekt –die „Galerie der Labels”. Die Initiatoren sinddie Galerien „Ular” und „Oner”. Aufgabe desProjekts ist die systematische Präsentationder Werke kasachstanischer Künstler vor demeinheimischen Publikum. In den letzten Jah-ren sind herausragende Künstler hervorge-treten, die aber nur Fachleuten bekannt sind.Mit dem Projekt werden einheimische Klas-sik und Moderne an einem Ort vorgestellt.

Beim Aufbau des Projekts arbeiten Künstlerverschiedener Genres mit. Jeden Monat wirdeine neue Ausstellung präsentiert. Es gibtauch Neues auf dem Markt der Literatur-und Kulturzeitschriften. Hier sei vor allemdie Literatur- und Kunstzeitschrift „Pygma-lion“ hervorgehoben, die in Rudny heraus-gegeben wird und sich an den neuesten ex-perimentellen Literaturbewegungen orien-tiert. Erwähnenswert ist die in Russisch undKasachisch erscheinende Kulturzeitschrift„Tamyr“, die in Zusammenarbeit mit pro-gressiven Künstlern das Lesepublikum mitneuen intellektuellen Ideen bekannt macht.Die professionelle Kunst Kasachstans in al-len ihren Spielarten und Gattungen ent-wickelte sich vornehmlich im 20. Jahrhun-dert. Sie ist ein Produkt von der eurasischenDenkweise unterliegenden Prinzipien, die eu-ropäische und lokale – kasachische – Formenund Themen in sich aufgenommen hat. DasFundament ist die russische professionelleSchule mit ihren akademischen Bildungs-prinzipien, die nationale Formen und Inhal-te sowie die kasachische Mentalität adap-tierte. Die Kulturpolitik des sowjetischen Ka-sachstans beinhaltete auch die Ausbildungbegabter kasachischer Jugendlicher in denbesten sowjetischen Hochschulen. Große Be-deutung hatte zudem, dass viele bekannteKulturschaffende der UdSSR während desGroßen Vaterländischen Krieges nach Alma-Ata evakuiert worden waren. So war in denKriegsjahren fast das ganze Kollektiv vonMosfilm in Alma-Ata tätig, und gerade hierwurde unter der Regie Sergej Eisensteins derFilm „Iwan Grosny“ gedreht. An der erst kurzvor Ausbruch des Krieges gegründeten Go-gol-Kunsthochschule in Alma-Ata unter-richteten die besten sowjetischen Professo-ren. Unter diesen befanden sich A. Tscher-kasski und Dmitri Mitrochin. Damals wurdeauch das erste Kinder- und Jugendtheatergegründet – das „Theater des jungen Zu-schauers“ unter der Leitung von Natalia Zaz.All diese Faktoren spielten eine Rolle, sodasssowohl die Ausbildung als auch die künstle-

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rische Praxis durch ein hohes Maß an pro-fessioneller Kreativität gekennzeichnet wa-ren, für die auch die Gegenwartskunst Ka-sachstans berühmt ist. Astana mausert sich zu einem wichtigen kul-turellen Zentrum. Eines der spektakulärsten

Ereignisse im Jahre 2000 war die Eröffnungdes Kulturzentrums des Präsidenten. DiesesZentrum ist Forschungs-, Kultur-, Wissen-schafts- und Bildungskomplex in einem. DemZentrum sind ein Museum, eine Bibliothekund ein Konzertsaal angegliedert.Nach Angaben des Amtes für Statistik ar-beiten in Kasachstan 57 Theater, die fast zweiMillionen Zuschauer im Jahr anziehen. Esgibt 198 Museen, in deren Bestand sich 2,8

Millionen Exponate befinden. Insgesamt ver-zeichnen die Museen rund 4,5 Millionen Be-sucher pro Jahr. Die 77 Kinotheater und rund300 mobilen Kinos zogen mehr als siebenMillionen Filmfreunde an, davon zwei Mil-lionen Kinder. In den 4 071 Bibliotheken fin-

den sich 119 Millionen Bücher, Zeitungen,Zeitschriften und andere Materialien. Siewurden von 4,36 Millionen Lesern, davon 1,4Millionen Kinder und Jugendliche bis fünf-zehn Jahre, genutzt. Es gibt 73 Konzertor-ganisationen, 66 Kultur- und Erholungsparkssowie vier Zoologische Gärten. BesondereAufmerksamkeit verdienen die 3 050 Klubsund die 11 804 Laienkollektive, davon 3187Chöre und Gesangsgruppen, 306 Tanz- und

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Zur Tradition wurden das Festival der Völkerfreundschaft, das Liedermacherfestival und die republikanischen Wettbewerbe der Akynen (Stegreifdichter)

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Gesangsensembles, 837 Folkloregruppen, 805Familienkollektive, 2 810 Tanzgruppen, 1 337Theatergruppen und andere.Das Gesetz „Über die Kultur” wurde im Jah-re 2006 angenommen. Im Jahre 2007 wurdenVeränderungen zu Fragen des Schutzes undder Nutzung des historisch-kulturellen Er-bes bestätigt und am 7. Oktober 2009 wei-tere Änderungen angenommen, die auf dieFörderung der einheimischen Filmindustrie,das Bibliothekswesen und die Bewahrung

der Kulturwerte zielen. So müssen ab 2012alle ausländischen Filme, die in Kasachstangezeigt werden, kasachisch synchronisiertoder untertitelt werden.

Besonderer Wert wird auf die Ausbildungqualifizierter Fachleute gelegt. Für die sys-tematische Fortbildung der Mitarbeiter imKulturbereich werden regelmäßig Kurse undSeminare angeboten.Obwohl Kasachstan ein multiethnisches Landist, bleibt das strategische Ziel der Kulturför-derung nach wie vor die Herausbildung eineseinheitlichen Kultur- und Informationsrau-mes. Denn nur so kann sich das geistige Po-tenzial entfalten.

Die Frage der Entwicklung der Kultur in länd-lichen Gebieten hat dabei einen besonderenStellenwert. Das Kulturministerium war un-mittelbar an der Ausarbeitung des staatli-

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Intensiv bemüht man sich um die Pflege und Förderung der heimischen Kunst und Kultur sowie umden Ausbau der internationalen Kulturbeziehungen

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chen Programmes zur Förderung ländlicherRäume in den Jahren 2004 bis 2010 betei-ligt, in dessen Rahmen Kultureinrichtungenauf dem Land aufgebaut wurden. Das Kulturministerium bemüht sich intensivum die Pflege und Förderung der heimischenKunst und Kultur sowie um den Ausbau derinternationalen Kulturbeziehungen. Anliegenist, das Ansehen der kasachischen Kultur welt-weit zu steigern und sie in die modernen Ent-

wicklungstendenzen zu integrieren. Dabei sindder Grad der Einbeziehung in globale Prozes-se und die Existenz eines eigenen Informati-onsraumes ausschlaggebende Faktoren fürdie öffentliche Meinung mit Blick auf denEntwicklungsstand des Landes im Allgemei-nen und seiner Kultur im Besonderen.Das Kulturministerium stellte zur dritten Ver-gabe des Titels „Meisterwerke des mündli-chen und nichtmateriellen Kulturerbes derMenschheit“ der UNESCO im Jahre 2005 dasnationale Instrumentalspiel „Kjui“ für Dom-bra und andere nationale Instrumente vor. Die Veranstaltung unterschiedlicher Festi-vals und Konzerte ist eine der wirksamstenFormen der Kulturpolitik im In- und Aus-land. Sie haben große Bedeutung für alle Be-

völkerungsschichten, dienen dem berufli-chen Fortkommen der Künstler, der breitenInformationsstreuung und dem Ausbau kul-tureller Infrastrukturen.Doch beschränkt sich die „Festigung derFreundschaft“ im Kulturbereich nicht aufKonzerte und Festivals. Schwerpunkt der Ar-beit ist auch die kulturelle Bildung der Be-völkerung. In diesem Bereich arbeiten dieMinisterien für Kultur sowie für Bildung und

Wissenschaft zusammen, um die Beziehun-gen zu anderen Ländern auszubauen. Auch wird im Ausland für kasachische Mu-sik geworben. So ist die Teilnahme an re-nommierten internationalen Wettbewerbenund Komponistenprojekten, an Konferenzenund anderen Vorhaben zur Anbahnung ei-nes Dialoges der Kulturen und Generationenvorgesehen. Um die kasachische Kultur um-fassend zu präsentieren werden CDs einge-spielt, wertvolle Musikinstrumente erwor-ben und Fachleute aus dem Ausland einge-laden.Das staatliche Programm „Kulturerbe 2004bis 2006“ und das Folgeprogramm „Kul-turerbe 2007 bis 2009” haben gute Ergeb-nisse gebracht. 51 Denkmäler der Geschich-

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Das Mausoleum für den islamischen Prediger Arystan, der der Lehrer von Chodsha Achmet Jassawiwar, wurde im 14. Jahrhundert errichtet

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te und Kultur wurden restauriert, 39 Sied-lungen und Kurgane (Grabhügel) wurden vonArchäologen untersucht, die staatliche Listeder Geschichts- und Kulturdenkmäler ist er-stellt, dreißig wissenschaftliche Studien zuherausragenden Kulturdenkmälern wurdenerarbeitet. In China, der Türkei, der Mongo-lei, Japan, Russland, Usbekistan, Armenienund in anderen Länder wurden 5 000 Ma-nuskripte und Druckerzeugnisse zu Ge-schichte, Ethnologie und Kunst des kasachi-schen Volkes erworben. Allein in China wur-den rund 3 500 unerforschte Quellen zu Ge-schichte und Kultur Kasachstans entdeckt.Insgesamt wurden 230 Bücher im Rahmen

des Programmes herausgegeben, darunterReihen zu Geschichte, Archäologie und Eth-nografie. Neue Enzyklopädien sind erschie-nen. Die Reihe „Babalar Sosi” stellt bei-spielsweise die kasachische Folklore vor. „Diealte Welt des kasachischen Rechts” berichtetüber die Geschichte der Rechtskultur der Ka-sachen.

Derzeit wird das Programm „Kulturerbe 2009bis 2011” verwirklicht. Bei archäologischenAusgrabungen wurde der dritte „GoldeneMann” in einem Kurgan in Schilikty in Ost-kasachstan entdeckt. In diesem auf das 7.Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung da-tierten Hügelgrab wurde die Grabstätte einessakischen Herrschers freigelegt. Darin ge-funden wurden über 4 000 goldene Gegen-stände, Schmuckstücke, einzigartige Kunst-gegenstände sowie Kleidung. Im Juli 2010wurde bekannt, dass in den GrabanlagenTaldy-2, deren Erforschung 2009 aufge-nommen worden war, ein vierter Saken-herrscher gefunden wurde. Der zweite „Gol-

dene Krieger” war vor einigen Jahren im Kur-gan Berel entdeckt worden. Der skythischeHerrscher war in einem herausragenden Zu-stand. Der erste „Goldene Mann” stammt auseinem Kurgan in Issyk.Das historische Erbe Kasachstans soll derWeltgemeinschaft zur Kenntnis gebrachtwerden. Mit Blick darauf werden Dokumen-

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Im Zentrum des Kasanlyk (zentraler Saal) der Mausoleumsanlage Chodsha Achmet Jassawi befindetsich der für die Zubereitung des rituellen Mahls bestimmte riesige Kasan (Bronzekessel)

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tarfilme gedreht, darunter über Turkestan,Otrar, die Tscharynsker Schlucht und ande-re historische Orte. Derzeit laufen mit denSendern BBC und Discovery Channel Ver-handlungen über die Ausstrahlung der Fil-me.Das Programm „Kulturerbe” zielt darauf ab,die Ergebnisse der Forschungsarbeiten vonWissenschaftsinstituten, Fachleuten, schöp-ferischen Gruppen und einzelnen Wissen-schaftlern zu systematisieren. Doch in jederEtappe der Umsetzung macht sich der Man-gel an Fachleuten bemerkbar. Aus diesemGrund ist die Ausbildung von Spezialistenein wichtiger Punkt des Programms.Ausführliche Informationen über die histo-rischen Denkmäler Kasachstans sind im„Großen Atlas der Geschichte und Kultur Ka-sachstans” zusammengetragen worden. Die-ser 900 Seiten dicke und sechs Kilogrammschwere Atlas birgt eine Vielzahl von wis-senschaftlichen Sensationen. Aufgenommenwurden mehr als 140 alte Landkarten ausArchiven in Moskau und Sankt-Petersburg.Darunter findet sich eine Karte der Steppevon Ende des 18. und Anfang des 19. Jahr-hunderts, in der bereits einige russischen Fes-tungen verzeichnet sind. Von nicht wenigerInteresse sind die Fotografien des alten Sy-gnaka, der Hauptstadt des Kiptschakenrei-ches. Ein Kapitel ist der Geschichte der Städ-te und Gebiete gewidmet. Beigefügt sind al-te und neuere Karten sowie Fotografien. Andiesem Atlas haben mehr als 250 Fachleuteunterschiedlicher Fachrichtung mitgearbei-tet. Achtzig Historiker haben Texte beige-steuert, darunter aus Kasachstan Karl Bai-pakow, Bulat Kumekow, Shuldusbek Abyl-choshin und Abdesch Tollybajew. Aus Russ-land waren berühmte Wissenschaftler wieTursun Sultanow, Sergej Kljaschtorny, Wa-dim Trepawlow und Mark Komarowski be-teiligt.In der Liste des Weltkulturerbes der UNESCOsind das Chodsha-Achmet-Jassawi-Mauso-leum und der archäologische Komplex „Tam-galy” sowie die Naturlandschaft „Steppen

und Seen Nordkasachstans” aufgenommenworden. Die Bewahrung und Konservierungder alten Stadt Otrar ist heute ein Projektder UNESCO. Zu den Arbeiten werden Spe-zialisten aus Kasachstan, Deutschland, Groß-britannien, Italien und Japan herangezogen.Nach Abschluß der Konservierungsarbeitensoll Otrar zu einem archäologischen Mu-seumsschutzgebiet erklärt werden. Mit denSchutzgebieten Issyk, Berel, Turkestan undOtrar wird die Entwicklung des Kultur- undarchäologischen Tourismus ohne Frage neueImpulse erfahren.

LiteraturDie mündliche Literatur ist der wichtigsteTeil des kasachischen Kulturerbes. In ihr kom-men die Wahrnehmung der Welt, die Ideale,das Selbstbewusstsein, die sittlichen undästhetischen Prinzipien und Vorstellungendes Volkes zum Ausdruck. Zu allen Zeitenschätzten die Steppenbewohner die Kunstdes schönen Wortes, sie waren stets ausge-zeichnete Redner, konnten gut singen undverstanden sich auf das Zuhören. Sie warengroßartig in der Improvisation.Der an einer Versammlung kasachischer„Bijs“ (Volksrichter) teilnehmende polnischeWissenschaftler Adolf Januschkewitschschrieb einst: „Vor einigen Tagen erlebte ichein Aufeinandertreffen zweier gegnerischerParteien, und verwundert applaudierte ichden Rednern, die nie etwas von Demosthe-nes und Cicero gehört hatten. Heute tretenDichter auf, die weder schreiben noch lesenkönnen, und trotzdem beeindrucken sie michmit ihren Begabungen... Ein Volk, das vomlieben Gott mit solchen Talenten beschenktwurde, kann der Zivilisation nicht fremd blei-ben: Deren Geist wird irgendwann bis in diekasachischen Wüsten durchdringen, wird hierdie Funken des Lichtes entfachen, und dannkommt die Zeit, dass der jetzt nomadisie-rende Kasache einen Ehrenplatz unter denVölkern einnimmt, die heute von oben her-ab auf ihn schauen, wie die höchsten KastenIndostans auf die armseligen Parias.“

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Die mündliche poetische Kunst Kasachstansist uralt und umfasst mehr als vierzig Gat-tungen, darunter Legenden, Märchen, Sprich-wörter, Brauch- und Rituslieder, heroischeund lyrisch-epische Poeme. Über den Ur-sprung der mündlich-poetischen Volkstra-ditionen erfahren wir aus altturkischen Ru-nenschriften, die für alle Turkvölker gleichbedeutsam sind.Schon im 6. und 7. Jahrhundert benutztendie turksprachigen Stämme Zentralasiens,die das Turkische Khanat bildeten, und diewestturkischen Stämme an der Niederwol-ga, dem Don und im Nordkaukasus, die dasChasarenreich gründeten, eine eigene Schrift.Die Quellen berichten von Holzbrettchen,auf die die Turkvölker Zeichen auftrugen, umzu bezeichnen, wie viele Menschen, Pferde,Steuern und Vieh man zählte. Ein turkischerBotschafter – Mannach aus Sogd –, der nachKonstantinopel zum Hofe von Kaiser Justi-nian kam, brachte eine Botschaft des turki-schen Khans in der „Schrift der Skythen“ mit.Die Burguter Stele auf dem Grabhügel vonKhan Taspar (er herrschte 572 bis 581) ist einuraltes erhaltenes Denkmal, das beweist, dassein breiter Kreis der gebildeten Elite der Turk-gesellschaft innerhalb des Khanats die sog-dische Schrift lesen konnte. Im Text wird vonden Ereignissen der ersten dreißig Jahre desKhanats berichtet.Zu der Zeit, als die Burguter Stele errichtetwurde, wurde erstmals das buddhistischeBuch „Nirwana-Sutra“ in eine Turkspracheübersetzt, um den Buddhismus unter denTurkvölkern zu verbreiten. In den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts ent-deckten der deutsche Wissenschaftler D.Messerschmidt, der im Dienst von Peter I.tätig war, und sein Begleiter, der gefangeneschwedische Offizier Johan Strahlenberg, diealtturkische Schrift im Tal des Jenissej. Siewaren überzeugt, Runen vor sich zu haben,

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Zur gesamtnationalen Literatursprache wurde das Kasachische erst dank der

Tätigkeit von Abai (Ibrahim) Kunanbajew

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da diese Schrift altskandinavischen Runen-texten ähnelte. 1889 entdeckte der russische Wissenschaft-ler N. M. Jadrinzew die mit Runen bedeck-ten riesigen Steinstelen in der Nordmongo-lei im Tal des Flusses Orchon. Diese Runendechiffrierten der dänische WissenschaftlerWilhelm Thomsen, der den Schlüssel zu die-sem Alphabet fand, und der russische Tur-kologe Wassili Radlow, der das Lesen dieserSchriften ermöglichte. Dann fand man weitere Schriftdenkmäler inder Nordmongolei, auf dem Gebiet Mittelasi-ens und Kasachstans. Die Runentexte der turk-sprachigen Völker in der Mongolei und im Je-nissej-Gebiet sind nicht nur wichtige histori-sche Dokumente, sondern auch herausragen-de Literaturdenkmäler. Die bekanntesten Ru-nentexte rühmen den Bilge-Khan und seinenBruder Kül-Tegin (732 bis 735) sowie den Be-rater des ersten Khans Tonykok (716). In derKarachanidenzeit vollendete sich der Prozessder Entwicklung der Literatursprache der Turk-völker in Mittelasien und Kasachstan.Nach der Islamisierung Kasachstans verbrei-tete sich die arabische Schrift. Zu jener Zeitlebte der berühmte Wissenschaftler und En-zyklopädist Abu Nasr Al-Farabi, der seineAusbildung in der Sprache der Kiptschaken(ein altturkischer Dialekt) erhalten hatte. Al-Farabi schrieb Traktate zur Rechtschreibung,zur Kalligrafie, zur Versdichtung und zur Rhe-torik sowie hervorragende philosophischeRubay (Gedichte). Seine Musikabhandlungwurde in mehrere Sprachen der Welt über-tragen. Die von Al-Farabi ausgearbeitetenund in seinen mathematischen Werken nie-dergelegten arithmetischen und geometri-schen Verfahren in der Architektur gingenin den Städtebau im Nahen und MittlerenOsten ein. Aus der turkisch-kiptschakischenSchicht der Gesellschaft ging eine ganze Ple-jade hervorragender Dichter, Schriftstellerund Historiker hervor.„Diwan lugat at-turk“ von Machmud al-Kaschgari ist einer der farbigsten Belege fürdas hohe kulturelle Niveau der Turkvölker im

11. Jahrhundert. Der Diwan ist vom Inhalther umfangreich und gibt Einblick in die da-mals hoch entwickelte Philologie. Er ist ei-ne wahre Enzyklopädie des turkischen Le-bens im Frühmittelalter, dient als Informati-onsquelle über das Leben der Turkvölker undhat eine besondere Bedeutung für die Er-forschung ihrer Geschichte. Das originelle li-terarische Werk „Kutadgu Bilik“ verfasste im11. Jahrhundert Jussuf Balasaguni, ein hoch-gebildeter turkischer Dichter und Schrift-steller. „Kutadgu Bilik“ ist nicht nur eine Ab-handlung über Ethik und Moral, sondern einphilosophisch-didaktisches Werk, das Bala-saguni im Jahr 1069 schrieb und Bogra-Khanaus der Karachanidendynastie schenkte.In der Geschichte der Turkvölker haben dieWerke von Achmet Jugnaki einen Ehrenplatz,der die didaktische Richtung in der turk-sprachigen Literatur fortsetzte, deren An-fänge gerade in „Kutadgu Bilik“ liegen.„Korkut ata kitabi“ („Buch des Großvaters Kor-kut“) ist eines der originellen Denkmäler dermittelalterlichen ogusisch-kiptschakischen Li-teratur – eine Sammlung patriotischer Auf-rufe und Ausrufe der Ogusen und Kiptschaken,die das Land ihrer Väter in Kämpfen undSchlachten verteidigten. Erhalten gebliebenist der Diwan von Chodsha Achmet Jassawi,Sufist und Verfechter der moslemischen Leh-re „Chikmet“. Sein Diwan ist im Gegensatz zudenen anderer orientalischer Autoren im ogu-sisch-kiptschakischen Dialekt der altturki-schen Sprache geschrieben. Chodsha AchmetJassawi ehrt man in der moslemischen Weltals zweiten Heiligen nach Mohammed. SeinGrab in Turkestan ist ein kleines Mekka.Eines der wertvollsten und für alle Turkvöl-ker bedeutsamsten mittelalterlichen Litera-turdenkmäler ist „Ogusname“. Es basiert aufeiner Legende aus der Herrschaftszeit derOgusen. Eine der alten Varianten des „Ogus-name“ kennen wir dank Raschid Addin, eineneuere und vollständigere Version hinterließder Historiker Abulgasy (18. Jahrhundert).Der kasachische Wissenschaftler TschokanWalichanow (19. Jahrhundert) behauptete

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genau wie P. Pellue und W. Barthold, dassletztere Variante ein kasachisches Epos ist.In der Geschichte der kasachischen Litera-tur spielen die Annalenbände „ShamagatTauarich“ von Kadyrgal Shalairi und „Tarich-i-Raschidi“ von Muchammad Chaidar Dogla-ti eine wichtige Rolle.Für die Entstehung und Entwicklung der ka-sachischen schriftlichen Literatur kommt dermündlichen poetischen Kultur eine immen-se Bedeutung zu. Denn diese gab damals

nicht nur einen Anstoß zur Entwicklung derLiteratur, sondern speiste deren Fluss.Im 15. bis 18. Jahrhundert erlebte die kasa-chische Poesie eine Blüte. In ihr spiegeltesich das Leben aus der Entstehungszeit deskasachischen Khanats und des kasachischenVolkstums wider. Die Dichtkunst ist un-trennbar verknüpft mit den Shyrau - im-provisierende Dichter und Erzähler. Sie brach-ten die Ideale mittelalterlicher Krieger undNomaden, ihre sittlichen Werte und ihreWahrnehmungen der Welt zum Ausdruck.

Die Shyrau waren gute Kenner der Sagenund Bräuche sowie der Genealogien derStämme und Völker. In Kriegszeiten nahmensie an den Feldzügen teil, mehrere von ih-nen waren Feldherren, wurden zu Helden.Sie schufen eine Vielzahl von Gedichten, aberalle hatten einen Bezug zum Kriegsleben. EinShyrau war nicht nur eine schöpferische Per-sönlichkeit, sondern auch Lehrmeister derKhane. Er beeinflusste das politische Leben. Im 19. Jahrhundert beginnt eine neue Etap-

pe in der Geschichte der kasachischen Lite-ratur. Machambet Utemissow (1804 bis 1846)war im Volk als leidenschaftlicher Dichter undwagemutiger Krieger bekannt, der mit Wortund Schwert für die geistige Unabhängigkeitseines Volkes kämpfte. Er zeichnete sich durchUnbezähmbarkeit aus, durch seinen Unge-horsam und seine Unversöhnlichkeit gegendie Gewalt der Khane und der zaristischenMacht. Utemissow wurde zum Führer einesAufstandes der Bukejewer Horde. Er fiel durchdie Hand eines gedungenen Mörders. Seine

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Die Bücher der „Kasachischen Bibliothek” sollen dem deutschen Lesepublikum Werke bekannter kasachischer Autoren näherbringen. Im Jahre 2009 sind Olschas Sulejmenows „Eine Minute Schweigen am Rande der Welt” und Herold Belgers „Das Haus der Heimatlosen” erschienen

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Gedichte sind uns geblieben – voll des Pathoskriegerischer Freiheitsliebe und der Kraft derstaatsbürgerlichen Stimme. Utemissows ei-gentümliche Poesie bereicherte die kasachi-sche Literatur mit Themen und Ideen. Die kasachische Sprache besaß schriftlicheTraditionen, aber zur gesamtnationalen Li-teratursprache wurde sie erst dank der dich-terischen Tätigkeit von Abai (Ibrahim) Ku-nanbajew (1845 bis 1904). Abai war ein großerDenker, ein unvergleichlicher Künstler desWortes, Komponist und unermüdlicher Auf-klärer – ein Genie seiner Zeit und eine her-ausragende Persönlichkeit Kasachstans. Be-reits mit dreizehn Jahren beherrschte AbaiArabisch, Persisch, Tschagatai und Russisch,was ihm später seine tiefe Vertrautheit mitden Werken der Klassiker des Ostens er-möglichte. Er zeigte reges Interesse an derklassischen europäischen und russischen Phi-losophie und Literatur, die das Werden Abaiszum unübertroffenen Meister des künstle-rischen Wortes beeinflussten. Er übersetztePuschkin, Lermontow, Krylow, Goethe, Schil-ler und Byron ins Kasachische. Abai schufunsterbliche Werke nicht nur in der Litera-tur, sondern auch in der Musik. Sein „Buchder Wörter“ ist ein prosaisches, religiöses undphilosophisches Traktat, das die ganze Tiefeder mit Liebe zur Menschheit und zumSchöpfer gesegneten Volksweisheit zum Aus-druck bringt. Abai ist der nationale Stolz deskasachischen Volkes. Im Jahre 1995 feiertedie UNESCO seinen 150. Geburtstag. Die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts fügtender Literatur, Kultur und Wissenschaft Ka-sachstans immense Schäden zu. Viele her-ausragende Dichter, Schriftsteller, Wissen-schaftler – die besten Vertreter der Intelli-genz, Licht und Hoffnung Kasachstans – wur-den zu Unrecht nationalistischer und demSozialismus gegenüber feindlicher Stim-mungen bezichtigt und unter Stalin liqui-diert. Unter ihnen auch die Begründer derkasachischen Literatur der Sowjetzeit – Sa-ken Seifulin, Achmet Baitursynow, Myrsha-kil Dulatow, Iljas Dschansugurow, Sh. Aj-

mauytow und Sch. Kudaiberdyjew – sowieHunderte glänzende Persönlichkeiten ausKunst und Wissenschaft.Muchtar Auesow (1897 bis 1961) war einherausragender Schriftsteller, Wissenschaft-ler und Dramatiker der Sowjetperiode. Erspielte eine wichtige Rolle in der Entwick-lung der realistischen Prosa. Seiner Federentstammen zahlreiche Erzählungen, Powest,Theaterstücke und nicht zuletzt die Roman-Epopoe „Abais Weg“, die in viele Sprachenübersetzt wurde. Die Wendung hin zu dennationalen Quellen, die Berührung mit derVolkskultur, das Nachdenken über die sittli-chen Grundlagen des Daseins erwiesen sichals wichtig für das Werk vieler Künstler, diezu Chronisten ihrer Zeit und der vielfältigenWandlungen im Leben des kasachischenVolkes wurden.Wer sind wir, woher kommen wir, und wohingehen wir? Diese ewigen Fragen sind heutebesonders aktuell, denn das Gerippe der neu-en kasachischen Literatur besteht aus derGeneration, die in den 90er Jahren die li-terarische Bühne betraten. Sie sind die Er-ben von Abdishamal Nurpeissow, Abisch Ke-kilbajew, Tachawi Achtanow, Askar Sulejme-now, Olschas Sulejmenow, Murat Auesowund Edige Tursynow, aber sie legen Wert aufandere Prinzipien der geistlichen und intel-lektuellen Tradition. Diese Generation stiegaus der Tiefe der nationalen Kultur heraufund fühlt sich frei – sowohl im Kontext derorientalischen als auch der westlichen Tra-dition. Zu nennen sind hier unter anderendie Dichter Aueschan Kodar, M. Akdauletow,E. Rauschanow, U. Esdauletow, A. Alimowund T. Abdikakimow, die Schriftsteller Sch.Schaschtajuly, S. Assylbekow, A. Askarow, M.Kulkenow, D. Aschimchanow und K. Schien-bajew, die Literaturwissenschaftler und Kri-tiker A. Ismakowa, T. Schapajew, K. Schana-bajew, Sch. Nurpeissowa, A. Mendeke und E.Amanschajew. Besonders hervorzuheben ist die gesell-schaftliche Tätigkeit und das Werk des Kul-turwissenschaftlers, Übersetzers, Dichters und

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Schriftstellers Aueschan Kodar, dessen hoheProfessionalität und unermüdliche Arbeit dieeinzigartige Literaturzeitschrift „Tamyr“ her-vorbrachten. Die Zeitschrift will die neustenintellektuellen und künstlerischen Ideen för-dern und einer analytischen Kritik unterziehen.Von der modernen Prosa und Lyrik scheinendie literarischen Experimente der AlmatyerPostmodernisten am interessantesten, die sichin der Gruppe „Kartel blanschar” („Gemein-schaft der Freien”) zusammengefunden ha-ben. Die Mehrheit der Schriftsteller ist aus derMeisterklasse der Stiftung „Mussaget” her-vorgegangen. Zu den Mitgliedern dieser Grup-pe zählen unter anderen Marat Issenow, JelenaTikunowa, Iwan Beketow, Pawel Pogoda, Na-talia Bannikowa und Xenia Rogoshnikowa. Heute zählen zu den bekannten Persönlich-keiten des literarischen Lebens die Schrift-steller Wadim Dergatschow, Dmitri Chegai,Herold Belger, Marat Otynschew, Almas Tol-lebajew und Sergej Bujanow. Bekannt sinddas poetische Experiment „Superjigita“ unddie Gedichte von Jerbol Schumagolow, Jer-lan Askarbekow und Lilli Kalausa. Der bekannteste deutsche Schriftsteller Ka-sachstans ist Herold Belger. Im Februar 2010wurde er für seinen großen Beitrag zum ge-genseitigen Verständnis zwischen den VölkernDeutschlands und Kasachstans mit dem Bun-desverdienstkreuz ausgezeichnet. Belger wur-de 1934 in Engels, der damaligen Hauptstadtder Autonomen Republik der Wolgadeutschen,geboren. 1941 wurde seine Familie nach Ka-sachstan deportiert. Dort beendete Belger dieMittelschule, später absolvierte er die Philo-logische Fakultät des Kasachischen Pädago-gischen Instituts. Er arbeitete zunächst alsRussischlehrer, dann bei der Literaturzeitschrift„Shuldys”. 1971 wurde er Mitglied des Schrift-stellerverbandes Kasachstans, 1992 stellver-tretender Chefredakteur des deutschsprachi-gen Almanachs „Phönix”. Belger hat viel zurDeportation der Wolgadeutschen geforschtund in russischer, kasachischer und deutscherSprache veröffentlicht. Zu seinen wichtigstenArbeiten zählt der Essay „Goethe und Abai”

aus dem Jahre 1989, ein Vergleich der Werkeund Philosophien des deutschen Dichters unddes kasachischen Aufklärers. Zu seinen be-kannten Werken zählen „Haus der Heimatlo-sen”, „Tujuksu” und „Das kasachische Wort”.Er erwarb sich große Anerkennung für seineÜbersetzungen deutscher Literatur in die rus-sische und kasachische Sprache.Zu den beliebtesten Gedichten zählen die vonElsa Ulmer. Die Dichterin wurde im Gebiet Al-maty geboren, hat das Pädagogische Institutfür Fremdsprachen absolviert, arbeitete dannals Leiterin der Redaktion für deutschsprachi-ge Programme im kasachischen Radio und warKorrespondentin der Zeitung „Freundschaft”.Ihre ersten Gedichte erschienen in den Zei-tungen „Neues Leben” und „Freundschaft”. Pu-bliziert wurden ihre Dichtungen auch in Sam-melbänden wie etwa „Mein Kasachstan” und„Zug der Kraniche” sowie in der dreibändigenAnthologie deutscher Schriftsteller. Ende der80er Jahre wurden ihre Bücher in Alma-Ataveröffentlicht. Ulmer emigrierte Ende der 80erJahre nach Deutschland.

ArchitekturErste Bautätigkeit gab es auf dem Territori-um des heutigen Kasachstans bereits in derAltsteinzeit. Aus dieser Zeit sind Spuren derersten menschlichen Behausungen mit einerrunden Feuerstelle in der Mitte erhalten. Siewaren mit einer niedrigen Stein- oder Lehm-mauer umgeben, auf der die aus dünnen Stan-gen bestehende zeltförmige Überdachung lag.Gefunden wurden solche Wohnhäuser in Tam-dy, Borybas und Damsy in Zentralkasachstan.Der Übergang zur Verwendung von Metall-werkzeugen in der Bronzezeit hatte es er-möglicht, weite Steppenflächen nutzbar zumachen. Die menschlichen Siedlungen dieserZeit bestanden aus Gruppen von viereckigenHalberdhütten, die durch eine Zwischenwandin den Wohn- und den Wirtschaftsbereich ge-teilt waren. Die Hütten und die zugehörigenWirtschaftsgebäude waren in einem Kreis an-geordnet. Der Raum über der Feuerstelle warmit einem pyramidenartigen Dach aus Baum-

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stämmen, der übrige Raum mit einem aufPfeilern liegenden Brettersystem überdacht,die Wände bestanden aus flachen Naturstei-nen oder Rohziegeln. Solche Siedlungen wur-den in Ata-su und Buguly in Zentralkasachstangefunden. In der folgenden Zeit entstandenrunde Wohnhütten, darunter auch auf- undabbaubare Jurten (Zelte), sowie rechteckigeGebäude mit Giebeldächern (Kystau). So wie sich die Hausarchitektur schon infrühester Zeit wandelte, änderten sich auchdie Formen und Typen von Grabstätten. Men-hire und Dolmene aus der Steinzeit wurdennach und nach zu majestätischen Grabkom-plexen. Diese bestanden aus einer zentralenSteingruft mit Grabstätte (Zystu) und warenmit einem so genannten falschen Gewölbeüberdacht und ringförmig von Mauern um-geben. Sehr oft schüttete man über dem Be-stattungsort einen großen Erdhügel (Kur-gan) auf. Die späteren Grabanlagen weisenrechtwinklige Ummauerungen auf und ha-ben einen Eingangsbereich. Die Überdachungliegt auf Pfeilern.Mit dem Aufkommen feudaler Verhältnisseveränderte sich die Grundstruktur der An-siedlungen. Es entstanden erste befestigtePaläste der Adeligen, die im Laufe der Zeitzu Zitadellen ausgebaut wurden. Rund umdie Zitadelle oder auch nur auf einer Seiteder Zitadelle wuchs die von schützendenMauern umgebene Stadt (Schachristan).Im Schachristan lagen die Kultgebäude, derBasar, die Wohnhäuser der Würdenträgerund Beamten sowie der großen Kaufleuteund Händler. Im Zuge der weiteren wirt-schaftlichen Entwicklung entstanden die Vor-orte (Rabat), in denen kleine Händler, Hand-werker und die Armen wohnten. Zitadelleund Schachristan wurden aus Rohziegelnund Steinblöcken errichtet.In Taras wurden Terrakottakacheln unter-schiedlicher Form entdeckt, die zur Verzie-rung größerer Kultgebäude bestimmt waren.Sie sind identisch mit dem architektonischenDekor, das in den Palästen der alten Stadt-staaten aus dem 5. bis 7. Jahrhundert in Ak-

tepe (bei Taschkent), Pendschikent und Wa-rachsch gefunden wurde.Die wachsende Bedeutung der Städte fürden Handel und die Wirtschaft führte zu ei-ner Ausbreitung der Vorstädte, die sich öst-lich, südlich und westlich des Schachristanausdehnten. Ende des 11. und Anfang des12. Jahrhunderts errichtete man über denRuinen der ehemaligen Paläste neue Palästeder Stadtregenten mit erweiterten Verteidi-gungssystemen.In der Architektur Kasachstans wie in derganz Zentralasiens gab es im 9. und 10. Jahr-hundert große qualitative Veränderungen.Eine Blüte erlebte die Architektur im 11. und12. Jahrhundert. Die dreiteilige Stadtstruk-tur mit Zitadelle, Schachristan und Rabatsetzte sich allgemein durch. Die Verwendungvon Backsteinen, die mit Gantschmörtel (Gipsplus Lehm) gehärtet wurden, ermöglichte es,die Konstruktion der Zwischendecken zu ver-bessern und die Gewölbe über den Räum-lichkeiten bedeutend zu erweitern. Back-steine verwendete man zunächst bei denwichtigen Baukonstruktionen und bei derFassadenverkleidung von Rohziegelbauten.Als Beispiele seien die Türme Sarman-Kosaund Begim-ana im Gebiet Kysylorda genannt,die bis heute in ziemlich gutem Zustand er-halten sind. Diese beiden Baudenkmäler sindinteressant vor allem auch unter dem As-pekt, wie sich uralte örtliche Bautraditionenbei Grabstätten mit zeltförmiger Überda-chung erhalten haben. Verwiesen sei hier aufdie Mausoleen von Tegisken aus dem 9. bis 6.Jahrhundert und das Balandamausoleum ausdem 4. bis 2. Jahrhundert vor unserer Zeit.Unter den Karachaniden erreichte die Ar-chitektur einen Höhepunkt. Auf dem Terri-torium Kasachstans sind Baudenkmäler ausdieser Epoche wie die Mausoleen Babadshi-chatun (10. bis 11. Jahrhundert), Karachan(11. Jahrhundert), Aischa-bibi (11. bis 12.Jahrhundert) im Gebiet Shambyl sowie Shu-ban-ana (11. bis 12. Jahrhundert) undDampfbäder in Taras vollständig oder teil-weise erhalten.

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Das Mausoleum Aischa-bibi gehört zum zen-trischen Typ der Memorialbauten. Es ist durch-gehend mit Terrakotta mit reichen geometri-schen und pflanzlichen Ornamenten verziert.Das Spiel von Licht und Schatten betont dieleichte Durchbrochenheit des Gebäudes. DieWandkonstruktion weist eine Besonderheitauf. Die im Grundriss quadratisch angelegtenMauern sind schichtmäßig gebaut.Zu den herausragenden Baudenkmälern inZentralkasachstan gehört das MausoleumAjakkamyr unweit der Stadt Sheskasghan. Es

ist eine 8,10 mal 9,84 Meter große Grabstät-te mit Portal und Kuppel. Die Hauptfassadewird von dem monumentalen Portal domi-niert, der tiefe Eingangsbereich ist von einemschlanken, keilförmigen, auf Pfeilern ruhen-den Bogen überdacht. Die Baumethode derdreidimensionalen Komposition und der kup-pelstützenden Konstruktionen sowie die ar-chitektonischen und dekorativen Mittel ausdem 11. und 12. Jahrhundert lagen der wei-teren Entwicklung der Architektur auf demTerritorium Kasachstans zugrunde.

Unter den Baudenkmälern in Zentralka-sachstan ragt auch das Mausoleum Alasch-Khan (10. bis 12. Jahrhundert) aufgrund sei-ner künstlerischen und architektonischenSchönheit heraus. Der innen quadratischeRaum und die Außenwände bilden ein Recht-eck (9,73 mal 11,91 Meter), das von dendicken Mauern des Portals bestimmt wird.Die Fassaden sind mit geometrischen Reliefsdes Typs „Kerege“ und Rhombenmustern ver-ziert. Dies verweist auf die Verbindung derArchitektur der monumentalen Bauten mit

dem Aufbau einer Jurte. Dank der strengenProportionen der Kompositionselemente unddes einfachen architektonischen Dekors wirktdas erhöht liegende Mausoleum aus einemGuss und monumental-majestätisch.Ein einzigartiges Architekturdenkmal desausgehenden 14. und beginnenden 15. Jahr-hunderts ist die Mausoleums- und Mo-scheeanlage Chodsha Achmet Jassawi in derStadt Turkestan. Das majestätische Gebäu-deensemble besteht aus über dreißig Räum-lichkeiten unterschiedlicher Größe und Funk-

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Mit der Veränderung der Nomadenrouten der Völker Kasachstans erfreuten sich die schnell auf- und abbaubaren Jurten, die zuvor nur wenig verbreitet waren, zunehmender Beliebtheit

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tion, die um den zentralen Saal (Kasanlyk)gruppiert sind. Der quadratisch angelegtezentrale Saal ist mit der größten spitzbögi-gen Kuppel Zentralasiens (Durchmesser 18,2Meter) überdacht und liegt an der Haupt-längsachse der Anlage, hinter der tiefen Ni-sche mit Spitzbogen des Hauptportals. In derMitte des Kasanlyk stand ein riesiger, für dieZubereitung des rituellen Mahls bestimmter

Bronzekessel (Kasan). Im Zentrum der Grab-stätte Jassawis befindet sich der mit hell-grünem Marmor verkleidete Sarkophag (Sa-gana). Die Grabstätte ist mit einer Doppel-kuppel überdacht. Die innere Kuppel hat ei-ne Spitzbogenform und ist mit Stalaktitengeschmückt. Die äußere gerippte Kuppel liegtauf einer hohen zylindrischen Trommel, diemit einem breiten Band aus Ornamenten,Aufschriften und einem Fries verziert ist. Diewichtigsten Räume sind die große Moschee,der große und der kleine Aksarai (Weißer Pa-

last), die Bibliothek, die Ashana (Speisehal-le) und der Kudukhana (Wasserbrunnen). DieRäume sind auf zwei Etagen durch vier Kor-ridore mit dem zentralen Saal verbunden.Der altehrwürdige, monumentale Bau zeugtvon der Macht des Timuridenreiches. DieMausoleums- und Moscheeanlage ist einesder vier bedeutendsten Bauwerke, die unterAmur Timur errichtet wurden. Der Eindruck

von Erhabenheit und Größe wird durch dieenormen Ausmaße der mit einem Spitzbo-gen überdachten Portalnische (18,20 Meterbreit) und dem Kontrast zwischen dem rie-sigen Portal (37 Meter hoch) und der klei-nen Eingangstür in der Tiefe der Nische, diegerade mannshoch ist, erweckt. An der süd-lichen Seite dominiert ein wuchtiges Portalflankiert von zwei Ecktürmen, die im unte-ren Teil mit Facetten versehen sind. Hinterder riesigen blauen Kuppel des Kasanlyk sinddie Kuppeln der Grabstätte und der kleinen

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Die Mausoleums- und Moscheeanlage Chodsha Achmet Jassawi besteht aus über dreißig Räumlichkeiten unterschiedlicher Größe und Funktion

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Moschee zu sehen. Die Bedeutung diesesBaudenkmals für die Entwicklung der Bau-kunst Kasachstans war immens, einzelne Bau-elemente und Details dienten in den nächs-ten Perioden als Vorbilder.Die Architektur im 13. und 14. Jahrhundertspiegelte die allgemeine Tendenz in der Bau-kunst der Völker Zentralasiens wider. Die Un-terkuppelkonstruktionen wurden verbessert,zweireihige schlanke Trommeln entstandenund veränderten die gesamte Kompositi-onsstruktur. Mit Farbe überzogene Backsteineund Zierkacheln verliehen den Bauten einenfeierlichen Charakter.Die erhalten gebliebenen Kult- und Memo-rialdenkmäler aus dem 15. bis 18. Jahrhun-dert in den Steppenregionen Kasachstanslassen sich in drei Hauptgruppen gliedern:Kuppelmausoleen, Mauern und Grabsteine.Die Mausoleen werden nach ihrer Komposi-tion in Turmmausoleen sowie Portal- undKuppelmausoleen geteilt, die wiederum nachdem Typ der Überdachung in Kugel- oderKegeldachmausoleen mit oder ohne Trom-mel gegliedert werden. Zu den Turmmauso-leen des 15. bis 18. Jahrhunderts zählen un-ter anderem die Mausoleen Schik-Nijas undKarmakschi-ata im Gebiet Kysylorda sowiedas Mausoleum in der Stadt Susak in Süd-kasachstan.Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ins-besondere in Ostkasachstan kleinere pyrami-denförmige Grabstätten aus Stein oder Roh-ziegeln mit drei bis sieben Etagen, die bis zuacht Meter hoch waren. Die im 15. bis 18.Jahrhundert gebauten Mausoleen von Ust-jurt, Mangyschlak und im Uralgebiet erinnernan die Wohnwagen, die zum Alltag vielerNomaden Eurasiens gehörten. Für diese fun-damentlosen Mausoleen ist typisch, dassdie Eingänge hoch liegen und Vorhängenoder Schirmwänden ähneln. Die Kuppeln en-deten mit einem Giebeldach oder einer Ku-gel, die von einer Spitze gekrönt ist.Mit der Veränderung der Nomadenroutender Völker Kasachstans erfreuten sich dietransportablen, auf- und abbaubaren Jur-

ten, die zuvor nur wenig verbreitet waren,zunehmender Beliebtheit. Aufgrund ihrerFunktion und Konstruktion wurden sie in un-terschiedliche Typen unterteilt. Die weit ver-breitete Form besteht aus einem Gestell auszusammenlegbaren Keregen (Wandgittern),die kreisförmig angeordnet werden. An denKeregen werden die Stangen befestigt, diesich nach oben zum Schanyrak (Rauchab-zug) biegen und an diesem befestigt sind.Das Gerüst ist in der Regel rot gefärbt. DieKeregen werden von außen mit Tschijen (mitbunter Wolle umflochtene Rohrbastmatten)bedeckt, das Gestell wird von oben mit Filz-matten überzogen.Die Jurten der Bais (Würdenträger) wurdenmit weißen, mit eingenähten oder aufge-setzten Mustern verzierten Filzmatten be-deckt. Die weiße Farbe hatte sakrale Bedeu-tung und war Symbol des Klanoberhauptsoder des Dorfältesten. Die Struktur der Or-namente folgte wie die gesamte Zeltkom-position einem bestimmten System: der Kreisdes Rauchabzuges steht für die Sonne, dieUuken (gebogene Stangen) stehen für dieSonnenstrahlen, hängende Shel-Bau oderBakanen (Stützen) für den Lebensbaum. Al-le diese Motive finden sich auch in den Or-namenten der Filzmatten und Teppiche. Inder Mitte der Jurte befand sich im Winterdie Feuerstelle. Der Platz in der Tiefe der Jur-te direkt gegenüber dem Eingang gilt als Eh-renplatz, rechts vom Eingang befindet sichder Frauenwohnbereich. Die Tür wurde ausgeschnitzten und bemalten Holzstücken ge-fertigt. Die Jurte besteht also aus Modulen,grundlegendes Element ist die Kerege. JedeKerege bildet ein Kanat (Flügel). Nach den Ka-naten (zwischen fünf und achtzehn) wird dasFassungsvermögen der Jurte bestimmt.Mit dem Wachstum der Städte und der Wirt-schaftsentwicklung in Kasachstan entstan-den neue Fabrik- und Werksiedlungen sowieDörfer, in denen Handel und Gewerbe be-trieben wurde. Mit dem beginnenden Abbauder Bodenschätze entwickelten sich rasch dieBergarbeitersiedlungen in Karagandy, Uspensk,

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Sheskasghan, Ridder und Syrjanowsk sowiedie Erdölarbeitersiedlungen Dossor, Makat undandere. Es waren keine wohleingerichtetenSiedlungen, sondern sie bestanden aus ein-fachen Häusern, aus Baracken und Jurten. Einanderer Dorftyp war das russisch-ukrainischeKirchdorf, zudem gab es Dörfer, die aus klei-nen Holz- oder Ziegelhäusern bestanden.Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ent-standen neue Typen von Gebäuden und Bau-

ten, es veränderten sich die Methoden derStadtbebauung, Traditionen der monumen-talen Architektur erlebten eine Wiederge-burt, neue Baustoffe und -konstruktionenwurden verwendet. Die architektonischenFormen und Mittel der künstlerischen unddekorativen Gestaltung veränderten sich.Die Durchsetzung der Sowjetmacht in Ka-sachstan brachte grundsätzliche Wandlun-

gen in der Baukunst mit sich. In der erstenHälfte der 20er Jahre des 20. Jahrhundertsarbeitete man in den Städten aus der vor-revolutionären Zeit zumeist an der Verschö-nerung des Erscheinungsbildes beziehungs-weise am Wiederaufbau der während desBürgerkrieges zerstörten Gebäude. Die Son-derkommission der Staatlichen Plankom-mission Gosplan erarbeitete 1927 bis 1929mehrere Typenschemata für Wohnhäuser,

Profanbauten und sonstige Wirtschaftsbau-ten des Dorfes, um die landwirtschaftlicheEntwicklung zu intensivieren und die Schaf-fung des „Kulturauls“ zu fördern.Die in der Epoche des Sozialismus gebautenHäuser wiesen einige typische Besonderhei-ten auf: lakonische, mitunter geometrischeBauformen, länglich-schmale (horizontale)Fenster und geschlossene Balkongeländer.

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Die Architektur Kasachstans machte im letzten Jahrzehnt einen qualitativen Sprung. Nicht nur inAstana wurden in den letzten Jahren interessante Wohn-, Büro- und Geschäftshäuser errichtet

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Diese Besonderheiten waren in vielerlei Hin-sicht durch die Gerüstkonstruktion der Häu-ser bedingt und von den Ideen des damalsvorherrschenden Konstruktivismus beein-flusst. Die Architektur der Verwaltungsge-

bäude geht ebenfalls auf den Konstruktivis-mus zurück, der Struktur und Äußeres dieserBauten prägte. Ein Beispiel ist das zwischen1928 und 1931 erbaute ehemalige Regie-rungsgebäude in Almaty. Der Konstruktivismus ist durch das Prinzip derfunktionalen Gliederung städtischer Territo-rien gekennzeichnet, durch die Anlage größe-rer Stadtviertel, die Versorgung der Bevölke-rung mit einem Netz kultureller und kom-munaler Einrichtungen sowie durch ein ho-hes Niveau technischer und sanitärhygieni-scher Ausstattungen. Die Zahl der Industrie-unternehmen wurde begrenzt, die Stadt soll-te ein Ensemble von Plätzen und Straßen sein,das Größe und Schönheit der sozialistischenEpoche widerspiegelte. Diese grundlegenden

Prinzipien lagen der Stadtplanung von Schym-kent, Petropawlowsk (heute Petropawl), Aty-rau und Akmolinsk (heute Astana) zugrunde.Mitte der 60er Jahre wurden Projekte für diePlanung weiterer Großstädte der damaligen

Kasachischen SSR realisiert: Ust-Kameno-gorsk (heute Öskemen), Karagandy, Temirtauund Ekibastus. Charakteristisch sind hier ein-heitliche Hochhaussiedlungen.Die Architektur Kasachstans machte im letz-ten Jahrzehnt einen qualitativen Sprung.Nicht nur in Astana wurden in den letztenJahren interessante, in ihrer architektoni-schen Ausdruckskraft mitunter besondereWohn-, Büro- und Geschäftshäuser, Flughä-fen und Bahnhöfe, Kultureinrichtungen,Sportanlagen und andere Infrastrukturein-richtungen errichtet. Zu verweisen ist aufdie einzigartige Brücke über den Irtysch inSemipalatinsk sowie auf eine neue Kircheund eine Moschee in Pawlodar, die restau-rierten Bauwerke in Turkestan, das vor eini-

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Von besonders effektreicher Architektur in der Hauptstadt Astana sind der Aussichtsturm „Baiterek” -das Symbol Astanas - und der Palast der Einheit und des Friedens „Pyramide” von Sir Norman Foster

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ger Zeit sein 1 500jähriges Jubiläum feierte.Aufschlussreich sind auch die Entwicklun-gen in der Landschaftsarchitektur. In Kasachstan tagt einmal im Jahr das „Fo-rum der Architekten“, auf dem Bauunter-nehmen, die Departements für Architekturund Städtebau, staatliche Einrichtungen fürArchitektur, freie Architekten, Künstler undDesigner, aber auch die Unternehmen, die aufVerkleidungsstoffe, Bauausrüstung und Soft-ware für die Projektierungsarbeit spezialisiertsind, ihre Entwürfe und Projekte vorstellen.Die durch geopolitische, sozialökonomische

und demografische Überlegungen bedingteVerlegung der Hauptstadt nach Zentralka-sachstan war einer der wichtigsten Schrittedes souveränen Kasachstans. Mit der Verle-gung sollten die Probleme der ungleich-mäßigen Besiedelung gelöst sowie die sozia-len und wirtschaftlichen Spannungen im Sü-den Kasachstans abgeschwächt werden. ImDezember 1997 erklärte Präsident Nursultan

Nasarbajew per Erlass die Verlegung derHauptstadt von Almaty nach Akmola, das1998 seinen neuen Namen – Astana – bekam.Bereits im Sommer 1996 wurde gemeinsamvon der Staatlichen Kommission für den Um-zug der Staatsorgane und dem Verband derArchitekten Kasachstans zu einer internatio-nalen Konferenz über die städtebaulichen Pro-bleme der neuen Hauptstadt eingeladen. Ander Konferenz nahmen Experten aus Russland,der Ukraine, Kyrgysstan, Finnland, der Türkeiund Bulgarien teil. Auf der Grundlage der Er-gebnisse dieser Konferenz wurden Vorschläge

zur Erarbeitung eines neuen allgemeinenStadtentwicklungsplans unterbreitet. Ange-sichts der Bedeutung der Aufgabe beschlossdie Regierung, einen offenen Wettbewerb fürdie Erarbeitung dieses Plans durchzuführen.Im Frühjahr 1998 wurden in den ausländi-schen und einheimischen Massenmedien so-wie über die Botschaften Kasachstans dieDurchführung und die Konditionen des in-

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Der Unterhaltungskomplex „Chan-Shatyr“ wurde wie das neue überdachte Fussballstadion mit 30 000 Plätzen und die Regattaanlage „Ak Bulak“ im Jahr 2010 fertiggestellt

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ternationalen Wettbewerbs bekannt ge-macht. Mehr als fünfzig Anmeldungen vonEinzelpersonen und Architektenbüros ausdem In- und Ausland erreichten die Jury.Zum Wettbewerb zugelassen wurden 27 Ar-beiten. Die Jury wählte Projekte aus Japan,Russland und Kasachstan aus.In Astana sind ganze Stadtteile entstanden.Errichtet wurden erstklassige Hotels. Zu denneu gebauten Einrichtungen des Bildungs-wesens und der Wissenschaft zählen die Eu-rasische Gumiljow-Universität, die „New Uni-versity of Astana”, die kasachstanisch-ame-rikanische Schule „Miras“ und das „Kinder-dorf“. Unter den Sportanlagen kann man dasneue überdachte Fussballstadion mit 30 000Plätzen, die Regattaanlage „Ak Bulak“, denSportkomplex „Alatau“ und den Sport- undUnterhaltungskomplex „Kasachstan“ nennen.Errichtet wurden das Nationalmuseum, dieMusikakademie, der Aussichtsturm „Baiterek”– das Symbol Astanas – , die Nationalbiblio-thek, die Große Moschee, der InternationaleFlughafen, das Handelszentrum „Eurasia“, dieGalerie „Millenium“ sowie der Komplex „Ci-nema Citi“. Entstanden ist der Präsidentenpa-last „Ak-Orda”, der Sitz des Parlaments, dasHaus der Ministerien. Besonders effektvoll istdie Architektur des Finanzministeriums unddes nationalen Unternehmens „KasMunaiGas”sowie des Palastes der Einheit und des Frie-dens „Pyramide” von Sir Norman Foster. Dasjüngste Großprojekt, dessen Grundstein imAugust 2009 gelegt wurde, ist der multi-funktionale bis zu 382 Meter hohe Komplex„Abu Dhabi Plaza”.

Bildende KunstDie Kunst hat eine einmalige Eigenschaft:sie erzählt der Welt über das Volk, das siegeschaffen hat, berichtet über seine Ge-schichte und Gegenwart, seine Mentalitätund das soziale Gefüge. Die bildende Kunstbraucht anders als das Kino, das Theater unddie Literatur keine Übersetzung.Die Geschichte der bildenden Kunst des Lan-des nimmt ihren Anfang vor mehr als hun-

dert Jahren, und sie ist mit dem Namen Ni-kolai Chludow verbunden – der erste Lehrervieler örtlicher Künstler. Damals waren dieKasachen noch ein Nomadenvolk, ihre Kunstwar an die Bedürfnisse der Nomadengesell-schaft angepasst, jede Jurte war ein wan-derndes Museum der angewandten Kunst.Die Entstehung und Entwicklung der kasa-chischen bildenden Kunst verbindet man mitdem Namen des herausragenden KünstlersAbilchan Kastejew (1904 bis 1973), dessenkünstlerischer Weg Ende der 20er Jahre be-gann. Im Laufe seines Lebens schuf er vieleAquarelle und Ölgemälde, die im Zyklus „Al-ter und neuer Alltag“ zusammengeführt sind. Russische Maler leisteten einen wichtigenBeitrag zur Darstellung des Lebens und desAlltags des kasachisches Volkes. Im Rahmenverschiedener Studienreisen widmeten sichKünstler wie B. Smirnow, O. Fedtschenko undP. Koscharow in ihren Arbeiten dem Lebender Kasachen. Großen Raum schenkte derrussische Maler Wereschtschagin dem ThemaKasachstan und Mittelasien. Sein Gemälde„Die Lepsiner Berge“ zeigt meisterhaft dieSchönheit kasachstanischer Landschaften.Die Kunst Kasachstans entwickelte sich imRahmen der europäischen Traditionen. Dochwar die Frage der künstlerischen Selbst-identifikation für Kasachstan immer einedrängende. Wie etwas absolut Neues, vonaußen Hereingetragenes musste die bilden-de Kunst den Prozess der Anpassung an dieörtlichen Bedingungen durchlaufen. Der Pro-zess der Aneignung war nicht nur die einfa-che Übernahme der Weltkunst, es war einschwieriger Prozess des Begreifens einer neu-en Art der Wahrnehmung der Welt. Alle Ka-sachstaner kennen die Namen Abilchan Kas-tejew, Dsch. Schardenow, S. Aitbajew, Jew-geni Sidorkin und G. Ismailow, die ihre ein-zigartige künstlerische Welt erschufen. Die kasachische bildende Kunst lässt sich infolgende Etappen gliedern: 1920 bis 1940 –Entstehung der Grundlagen für die Schuleder Malerei, 50er Jahre – Begründung deskasachischen sowjetischen Akademismus,

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60er Jahre – kasachische Variante des so-wjetischen „strengen Stils“, 70er Jahre – Ent-stehung der „ausführenden Schule“.In den 50er Jahren kehrten junge kasachi-sche Künstler, die ihre Ausbildung an denHochschulen in Moskau und Leningrad ab-geschlossen hatten, nach Kasachstan zurück.Orientiert an den sowjetischen Werten, soll-ten sie eine Kunst schaffen, die „national in

der Form und sozialistisch im Inhalt“ war.Aber in den Augen der heutigen Betrachtererfüllten die Künstler diese Vorgaben nicht.Im Gegenteil: klassische Kompositionen wur-den genutzt, um den nationalen Charakterzum Ausdruck zu bringen. Auf der Suchenach „nationalen Formen“ war auch dienächste Generation der 60er Jahre, die dieälteren Kollegen mit ihrem Freigeist, der ge-gen die Gesetze der akademischen Schuleverstieß, in Wut brachte.

Die kasachische Umsetzung des sowjetischen„strengen Stils“ zeigte sich auf keine Weisestreng. Sie zeigte sich in positiven Musternbeispielsweise der kasachischen Teppichwe-berei, in der Nutzung nationaler Ornamen-te, von Elementen der alten turkischen Bild-hauerkunst, wie wir sie in den Gemälden vonAitbajew und Sarijew sowie der grafischenKunst Sidorkins entdecken können.

Als Mitte der 80er Jahre der eiserne Vorhanggefallen war, griff die bildende Kunst Ka-sachstans früher verbotene Ideen auf undverarbeitete sie auf ihre Weise. Die erste Aus-stellung informeller Kunst „Kreuzung“ fand1988 statt, und sie umfasste alle Kunstrich-tungen ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Unabhängigkeit und die demokratischenReformen im Lande wirkten sich auf die Ent-wicklung der Kunstszene aus. Große Besu-chermassen strömten in die Ausstellungs-

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Abilchan Kastejew „Turksib“, Gemälde von 1969

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säle, neue Galerien öffneten und luden zuVernissagen ein. Heute spielen weder das Mi-nisterium für Kultur noch der Künstlerver-band eine entscheidende Rolle, sondern dieKunstgalerien und die Künstler selbst schaf-

fen ein Umfeld, in dem jeder eine Nische fin-den kann. Zu einem wichtigen Kunstereig-nis wurde die seit 1995 jährlich stattfinden-de „Parade der Galerien“ im StaatlichenKunstmuseum in Almaty. Zwölf bis zwanzigGalerien aus verschiedenen Städten des Lan-des nehmen daran teil.Die Ausstellung „Vierzig Gemälde“ von Ser-gej Kalmykow hatte großen Erfolg im Aus-land. Hervorragende Ausstellungssäle wie dieManege und das Museum für orientalischeKunst wollten seine Werke zeigen.Die politischen und wirtschaftlichen Wand-lungen in Kasachstan trugen zu einer demo-kratisch orientierten, freien Entwicklung derKunst und ihrer aktuellen Richtungen bei. Ka-sachstanische Künstler erlebten einen echtenDurchbruch im Ausland. Sie nutzen dabei neue

künstlerische Technologien wie Performance,Installation, Aktion, Videokunst und Multi-media. Doch bleibt die moderne bildendeKunst den Volkstraditionen eng verbunden. Auch die von staatlichen Strukturen im Aus-land veranstalteten Ausstellungen sind immerweniger ideologisch geprägt. So wurden imisraelischen Ramargan Werke des Malers Nu-rekejew und des Bildhauers Kassargan ge-zeigt, in London die Gemälde von Bektassowausgestellt. Zu den begabtesten modernenKünstlern zählen heute unter anderen Aeli-ta Schumajewa, Kanat Ibragimow, Galim Ma-danow, Erbil Meldibekow, Alexander Bren-ner, Bruno Schulz und Erdil Nussipow. In Almaty wurde von August bis Oktober2010 das Festival der modernen Kunst ver-anstaltet. Das Programm bot Installations-kunst, die Woche der Videokunst und Foto-grafie sowie die Woche der modernen Kunstund Grafik. Erstmals wurde einem breitenPublikum so genannte Trash-Art vorgestellt.

MuseenInfolge der relativ späten Urbanisierung desLandes ab Mitte des 19. Jahrhunderts blickendie Museen auf keine lange Geschichte zu-rück. Viele Museen sind Heimatkundemu-seen. Zu den größten und bekanntesten Mu-seen zählen das Zentrale Staatliche Muse-um Kasachstans, das Staatliche Kunstmuse-um, das Archäologische Museum des Ar-chäologischen Instituts, das Staatliche Mu-seum für Geschichte und Kultur sowie dasAbai-Museumsreservat für Literaturdenk-male und Kulturgeschichte.Das Zentrale Staatliche Museum Kasachstansist eines der größten Museen für Geschichtein Zentralasien. Die Sammlung wurde in den30er Jahren des 19. Jahrhunderts in Oren-burg begründet, wo an der Militärschule das„Museum des Orenburger Gebiets“ existier-te. Zu seinen Begründern zählen Persönlich-keiten wie der Sprachwissenschaftler und Au-tor des „Erklärenden Wörterbuchs“ WladimirDal. In den folgenden Jahren wurde der Mu-seumsbestand durch Exponate der Museen

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„Die blinde Alte“, Gemälde von 2008

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des Siebenstromlandes und Spenden der Ko-saken erweitert. 1931 öffnete das Museum seine Türen im Ge-bäude der ehemaligen Kathedrale in Alma-Ata – ein einmaliges Baudenkmal, das nachEntwürfen des Architekten A. Senkow zwi-schen 1904 und 1907 errichtet wurde und ei-nes der wenigen Gebäude ist, das dem Erd-beben im Jahr 1911 nicht zum Opfer fiel.Das heutige Museumsgebäude wurde 1985nach Entwürfen von J. Ratuschni, S. Mustafi-na und B. Psagalijew erbaut. Die Museums-fläche beträgt 17557 Quadratmeter. Über dreiStockwerke verteilt finden sich die Galerieund vier Ausstellungssäle. Das Museum ver-öffentlicht wissenschaftliche Beiträge undgibt Sammelbände zur kasachischen Ge-schichte und Museumskunde heraus.Im Jahr 2005 feierte das Staatliche Kunst-museum, das zu den größten Kunstzentrendes Landes zählt, sein siebzigjähriges Ju-biläum. Die 1935 begründete Sammlungzählt heute mehr als 22000 einzigartige Aus-stellungsobjekte aus den Bereichen Malerei,grafische Kunst, Bildhauerei und angewandteKunst aus Kasachstan, Russland, Europa unddem Orient. Die ersten Gemälde wurden füreine Kunstausstellung zum 15. Jubiläum derKasachischen ASSR erworben. Die Tretjakow-Galerie, das Russische Museum und dasPuschkin-Museum für bildende Kunst über-gaben Kasachstan 200 Gemälde und Grafikenrussischer und westlicher Künstler. Im Jah-re 1938 nannte das Museum bereits 1 737Exponate sein eigen.Das Staatliche Kunstmuseum widmet sichprimär der Bewahrung des Weltkulturerbesund der Vorstellung einheimischer bildenderKunst im In- und Ausland. Es nimmt an in-ternationalen Kunstprojekten teil. Zudem istes an Forschungs- und Bildungsmaßnahmenbeteiligt. So werden alljährlich internationa-le und nationale Tagungen durchgeführt. DasMuseum ist Mitglied des internationalen Mu-seumsverbandes IKOM. Anlässlich seines Ju-biläums am 23. September 2005 wurde eineretrospektive Ausstellung gezeigt, zu einer in-

ternationalen wissenschaftlichen Konferenzgeladen und eine Sonderausgabe des Kul-turmagazins „Schachar“ über Museumsge-schichte herausgegeben. Wechselnde Aus-stellungen zeitgenössischer einheimischer undausländischer Künstler wecken das Interessevon Bewohnern und Besuchern Almatys.Das Archälogische Museum des Instituts fürArchäologie wurde 1973 eröffnet. SeineSammlung basiert auf Materialien, die in denletzten fünfzig Jahren im Zuge archäologi-scher Expeditionen gefunden wurden. DieExposition wird in zwei Sälen gezeigt – dererste ist der Stein- und Bronzezeit gewid-met, im zweiten sind Fundstücke aus der Ei-senzeit und dem Mittelalter zu sehen.Zahlreiche Ausgrabungen am nördlichen undsüdlichen Abhang des Karataugebirges bele-gen, dass die ersten Menschen vor etwa ei-ner Million Jahren kasachisches Territoriumbesiedelten. Ihren ersten Höhepunkt erreich-te die kasachische Zivilisation in der Bronze-zeit: Siedlungen, Grabstätten, Erzbergwerkeund Felszeichnungen finden sich fast überall.Am gründlichsten wurden die Siedlungen Ata-su und Mirschik sowie die Grabstätten Aksu-Ajuli, Begasi und Dandibai erforscht.Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der „Gol-dene Krieger“ aus dem Issyk-Hügelgrab. DieErforschung der Grabstelle ermöglichte ka-sachstanischen Wissenschaftlern einen Ein-blick in die Geschichte der Saken, die etwavom 5. bis 4. Jahrhundert vor unserer Zeit-rechnung lebten. Die Restauratoren rekon-struierten das im „Tierstil“ gehaltene Gewanddes Kriegers – eine Kopie ist in der Ausstel-lung zu sehen.Eine weitere Informationsquelle über die Ar-chitektur von Grabstätten und den Bau vonKurganen ist die Grabstätte Besschatyr imSiebenstromland, die aus dem 5. Jahrhun-dert vor unserer Zeit stammt. Die Ausstel-lung zeigt eine Nachbildung der Grabkammereines besschatyrischen Hügelgrabes. Bemer-kenswert sind auch sakische und usunischeKulterzeugnisse aus Bronze, die aus einemalten Tempel gehoben wurden.

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Das Mittelalter ist durch altturkische Stein-skulpturen sowie Modelle des Aischa-bibi-und des Chodsha-Achmet-Jassawi-Mauso-leums, Holzschnitzereien aus dem Festsaalder Stadt Keder im Syr-Darja-Gebiet undFragmenten geschnitzter Tonplatten ausPalästen in Dschamukat und Kulan vertre-ten.Das Abai-Museumsreservat für Literatur, Ge-schichte und Kultur öffnete 1940 in Semi-palatinsk seine Türen. Abai war nicht nurein Dichter. Er war auch Philanthrop, der sichder Aufklärung und dem Gemeinwohl ver-schrieben hatte. Abai trug dazu bei, dass dieKinder von ihm nahestehenden Menscheneine Ausbildung erhielten. Anijar Moldabai-uli war eines dieser Kinder. Abai ermöglich-te ihm ein Jurastudium in Russland; alsRechtsanwalt kehrte er nach Semipalatinskzurück. Seine Villa, die Ende des 19. Jahr-hunderts errichtet wurde, steht immer noch.1940 wurde dieses Haus für das Abai-Mu-seum ausgewählt. Der junge talentierteSchriftsteller Kajum Muchamedchanow warder erste Direktor. Seit fünfzig Jahren befin-det sich das „Haus-Museum“ unter staatli-chem Schutz. Das Gebäude und seine Um-gebung haben ihr ursprüngliches Aussehenbehalten, sie bewahren die Erinnerung anden Dichter.Doch mussten schließlich größere Räum-lichkeiten für das Museum gefunden wer-den. Das Abai-Museum wurde in ein Hausverlegt, das einst den russischen KaufleutenGebrüder Erschow gehörte. Anfang der 70erJahre siedelte das Museum um. Zum 150.Geburtstag Abais wurde entschieden, die An-lage des Museums zu verändern. Das Muse-um als solches blieb erhalten, doch wurde esmit dem Verwaltungsgebäude und der Mo-schee der Achmet-Risa-Medresse, an der Abai1854 bis 1859 gelernt hatte, zu einem ar-

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Bei Ausgrabungen wurde der dritte „GoldeneKrieger” in einem Kurgan in Ostkasachstan gehoben. Der erste Saken-Herrscher wurde ineinem Hügelgrab in Issyk gefunden - seine Kleidung wurde meisterhaft rekonstruiert

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chitektonischen Ensemble vereint. In der Me-dresse sind Bücher und Handschriften in Far-si sowie in arabischer, tschagataier, turki-scher und tatarischer Sprache zu bewundern.In Angriff genommen wurde der Bau desMuseums für Geschichte und Kultur „Issyk”im Gebiet Almaty. Abgeschlossen wurden dieArbeiten am Kulturhistorischen Schutzre-servat „Berel”. In den dortigen siebzig Grab-stätten wurden seinerzeit 290 archäologi-

sche Kostbarkeiten gehoben, 250 davon imso genannten Tierstil der Saken.

TheaterTheater und Choreografie entwickelten sichin Kasachstan im Rahmen staatlicher Ein-richtungen. Die kasachische Theaterkunstwird heute in den republikanischen, regio-nalen und städtischen Theatern geboten. Esgibt Puppen-, Musik-, Dramen- sowie Mu-sikdramentheater. Zu nennen sind unter an-derem das Staatliche Kasachstanische Aka-demische Abai-Opern- und Balletttheater,das Nationale Baisseitowa-Opern- und Bal-

letttheater, das Kasachstanische StaatlicheAuesow-Dramentheater, das Russische Aka-demische Lermontow-Dramentheater, dasKasachische Akademische Musrepow-Thea-ter für Kinder und Jugendliche, das Russi-sche Akademische Zaz-Theater für Kinderund Jugendliche sowie die nationalen Thea-ter der Uiguren, Koreaner und Deutschen.Das Uigurische Theater der Musikkomödieist auf der Welt das einzige professionelle

Theater der Uiguren, das zu einem Zentrumder uigurischen Kultur wurde. Erfolgreichpräsentiert das deutsche Dramentheater dieKultur der Deutschen Kasachstans auf in-ternationalen Festivals. Dieses Theater kenntman in Deutschland, den Niederlanden, derSchweiz und vielen anderen Ländern Europas.Das Staatliche Koreanische Theater der Mu-sikkomödie brachte zwischen 1991 und 2003vierzig Stücke auf die Bühne und erarbeite-te über dreißig neue Konzertprogramme.Im Bereich von Ballett und Tanz gibt es auchmehrere private Projekte, die von der klas-sischen Schule abweichen. Erfolgreich tätig

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Blick auf das das Staatliche Kasachstanische Akademische Abai-Opern- und Balletttheater in Almaty

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ist zum Beispiel das Internationale Festivaldes modernen Tanzes „Kysgylt Shal“. Ge-gründet wurde eine Schule für modernenTanz. Das Festival und die Schule leitet AllaBurenkowa. Zudem bestehen das Tanzstudio„Demoart“ unter Leitung der Pädagogin undChoreografin Dina Fadejewa und das Thea-ter des modernen Tanzes in Karagandy unterLeitung der Ballettmeisterin D. Torebekowa.Im September 2010 wurde das 1. Interna-tionale Festival des traditionellen Puppen-theaters „Orteke-2010” in Almaty eröffnet.Kultur- und Kunstwissenschaftler, Ethnolo-gen und Historiker aus Kasachstan, Russland,Kyrgysstan und Usbekistan nahmen daranteil. Im Rahmen des Festivals fand die Kon-

ferenz „Traditionelle Marionettenkunst inEurasien – Geschichte und Perspektiven”statt. Das Festival gab der Wiedergeburt die-ses alten Genres einen wichtigen Impuls. ImSommer 2010 fand in Almaty das Theater-festival „Seidenstraße” statt, das im Rahmendes kasachstanisch-südkoreanischen Kultur-austausches veranstaltet wurde.

MusiklebenIm 20. Jahrhundert wurde die kasachischeMusikkultur durch neue Darstellungs- undGenreformen erweitert. Innerhalb kürzesterZeit eigneten sich kasachische Künstler diegesamte Palette der klassischen europäischenMusik an, darunter Oper, Sinfonie, Ballett,Instrumentalmusik, Kantate, Oratorium sowieKammer-, Orchester- und Chormusik. Be-gründet wurde eine neue Schule für Kom-position. In den 30er und 40er Jahren ent-standen die klassischen kasachischen Opern,darunter „Kys Shibek“ von Jewgeni Brussi-lowski, „Abai“ von Achmet Schubanow undLatif Chamidi sowie „Birschan und Sara“ vonMukam Tulebajew. Die Dramaturgie und Mu-

sik dieser Werke sind vom unerschöpflichenReichtum der kasachischen Folklore und derVokalmusik geprägt und stellen doch eineSynthese der nationalen und europäischenMusik dar. Auf den Bühnen der Operntheater erlebt derZuschauer eine alte Hochzeitszeremonie, einfeuriges Ajtys (improvisierter Liederwett-

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Die Sängerin Nurshamal Usenbajewa

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streit) zwischen den Akynen Birschan undSara (Volkssänger des 19. Jahrhunderts). Auchdas leidenschaftliche Lied des Freiheitshel-den, Dichters und Meister des Kjuis Ma-chambet sowie das Gedenk-, Trauer- undKlagelied Dschoktau werden aufgeführt.1960 bis 1970 erreichte eines der schwie-rigsten Genres der europäischen Instrumen-talmusik seine Blüte - die Sinfonie. GasisaSchubanowa und K. Kuschamjarow stehenfür diese Richtung. Es entstand zudem ein

neues Genre - das sinfonische Kjui. Beson-deres populär ist das Orchester „Otar Sasy“,das unter der Leitung des Dirigenten, Kom-ponisten und Dombraspielers Nurgis Tlendi-jew die Zuhörer mit musikalischen Bildernvon hünenhaften Helden, unendlichen Step-pen, und jubelnden Volksfesten bezaubert.Die Musiklandschaft Kasachstans hat für je-den Geschmack etwas zu bieten: europäi-sche, traditionelle, nationale, religiöse undmoderne Musik wie Jazz, Rock und Schlager.In Kasachstan treten Musikkollektive ver-schiedener Richtungen auf, darunter das

Staatliche Sinfonieorchester, das Kasachi-sche Volksmusikalische Kurmangasy-Orche-ster, Chöre, das Volkstanzensemble, das Staat-liche Quartett, die Estradenensembles sowiedas Blas- und das Jazzorchester. Kasachstanist Heimat vieler herausragender Künstler,die im Bereich der klassischen Musik berühmtgeworden sind. Zu nennen sind E. Serkeba-jew, Bibigul Tulegenowa, G. Esimow, A. Dni-schew, Gulschamila Kadyrbekowa, A. Musa-chodshajewa und Shanija Aubakirowa.

Im Ausland lebende Stars wie Marat Bisen-galijew, Erik Kurmangalijew und die Schwe-stern Nakipbekow schöpfen ihre künstleri-schen Gaben aus ihrem Heimatland.Heute arbeiten in der Republik erfolgreichdie Baysitowa- und die Schubanowa-Kin-dermusikschulen, das Staatliche Kurmanga-sy-Konservatorium, die Nationale Musik-akademie, das Staatliche Abai-Opern- undBalletttheater, die Staatliche KasachischeShambyl-Philharmonie, „Kasachkonzert”, dasAuesow-Institut für Literatur und Kunst so-wie weitere Einrichtungen für eine musika-

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Das Orchester des Staatlichen Kurmangasy-Konservatoriums spielt klassische kasachische Musik

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lische Ausbildung, Wissenschaft und Kultur.Jährlich werden die Jugendfestivals „Tageder neuen Musik“, „Shiger“, „Schabyt” und „Al-tyn alma“ sowie das Internationale Festivalfür Volksmusik veranstaltet. Zur Traditiongeworden sind die Wettbewerbe des Kin-derliedes „Inschi Balapan” und „Sjas kanat”,der Wettbewerb der Kurmangasy, das Inter-nationale Musikfestival „Operalija”, der in-ternationale Violinenwettbewerb, der natio-nale Wettbewerb „Astana-Baiterek” und derWettbewerb „Patriotisches Lied”.Im September 2009 fand das Internationa-le Festival der traditionellen turkischen Mu-sik „Musik der Großen Steppe” statt, an demMusiker aus Kasachstan, Kyrgysstan, den rus-sischen Föderationssubjekten Sacha, Tuwa,Baschkortostan und Chakassien sowie derRepublik Aserbaidschan teilnahmen.

FilmkunstEine besondere Situation gestaltete sich inder Filmkunst. In der Sowjetzeit wurden biszu acht abendfüllende Spielfilme und bis zufünfzig Dokumentarfilme im Jahr produziert.Es entstanden Filme wie „Kys Shibek“, „Un-ser lieber Doktor“ und „Ich heiße Koscha“ –Streifen, die bis in die heutige Zeit ungemeingroßen Erfolg beim kasachstanischen Publi-kum haben. Die Filmkunst der Sowjetzeit warin ihrem Wesen Ausgangspunkt für die Ent-wicklung des kasachischen Kinos – zunächstwährend der Perestroika, dann im unabhän-gigen Kasachstan.Die Geschichte der Entwicklung der Filmkunstin Kasachstan beginnt im Jahr 1938, als näm-lich das Studio für Filmchroniken in Alma-Ata gegründet und der erste dokumentari-sche Tonfilm „Shambyl Ata“ produziert wur-den. In jenem Jahr wurde bei Lenfilm auchschon der erste Spielfilm von kasachischenRegisseuren gedreht – „Amangeldi“. Seit 1941 befanden sich die aus Moskau undLeningrad evakuierten Filmstudios in Alma-Ata, und es wurde das „Vereinigte Filmstu-dio“ gegründet, um unter den Bedingungender Evakuierung gute Filme mit kriegspa-

triotischer Thematik produzieren zu können.Es entstanden Filme wie „Himmlische Stil-le“, „Zwei Kämpfer“, „Ilja Muromez“. Im Jah-re 1945 erschien die erste eigene Arbeit desFilmstudios Alma-Ata: „Das Lied Abais“. Nachdem Krieg wurde die Spielfilmproduktionzurückgefahren. Nur zwei Tonfilme wurdengedreht: das „Goldene Horn“ im Jahre 1948und „Dshambul“ im Jahre 1952.In dem betrachteten Zeitraum bildeten sichim Prinzip die Anfänge der kasachischenFilmkunst heraus. In den Jahren 1955 bis1979 wurden mehr als siebzig Filme gedreht,darunter „Unser lieber Doktor“ von SchakenAimanow im Jahre 1957, „Erzählung überdie Mutter“ von Anatoli Kaprow im Jahre1963, „Schuss am Pass“ von Bolot Schamschi-jew aus dem Jahre 1968, „Kys Shibek“ vonSultanachmet Chodschikow aus dem Jahre1976, „Das Ende des Ataman“ von SchakenAimanow aus dem Jahre 1970 und „Transsi-birischer Express“ von Eldor Orasbajew ausdem Jahre 1977.Ende der 80er Jahre erschienen „Die Nadel“von Raschid Nugmanow, „Verliebtes Fisch-lein“ von Abai Karpykow, „Rache“ von ErmekSchimarbajew“, „Endstation“ von DareschanOmirbajew“ und „Wolfsjunge unter Men-schen“ von Talgat Temenow.Das Jahr 1989 brachte kasachstanischen Re-gisseuren die ersten Preise auf internatio-nalen Filmfestivals. Der Film „Berührung“wurde im Wettbewerb des Filmfestivals inNantes gezeigt, „Wolfsjunge unter Men-schen“ in Frankfurt/Main und Lissabon, unddie Premiere von „Verliebtes Fischlein“ fandin New York statt.Anfang der 90er Jahre wurden (neben Hi-storienfilme) viele Filme in einer neuenÄsthetik gedreht. Diese Filme der so ge-nannten Neuen Welle wurden von einerGruppe talentierter kasachstanischer Regis-seure und Drehbuchautoren vorgelegt. Siewandten sich Themen wie „Gegenwart“,„Psychologie des Menschen“, „Drama despersönlichen Schicksals“ zu. Trotz ihrer zwei-fellosen Schärfe und ihres sozialen Engage-

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ments (zum ersten Male übrigens im ka-sachstanischen Kino) appellierten diese Ar-beiten, die auf einheimischem Material undder archetypischen kasachischen Mentalitätbasierten, an allgemeinmenschliche Werte.Dies und die künstlerische Stilistik und ho-he Professionalität brachte die Filme der„Neuen Welle“ schnell auf die internationa-le Bühne. Die Blütezeit der „Neuen Welle“ war Mittebis Ende der 90er Jahre. Der Film vonDareschan Omirbajew „Kardiogramm“ wur-de zwei Monate lang im französischen Kinogezeigt, „Das Lied des jungen Akkordeon-spielers“ von Satybaldy Narymbetow wurdemit sechs Preisen geehrt. „Fara“ von AbaiKarpykow erhielt den Preis für den bestenmännlichen Hauptdarsteller auf dem Mos-kauer Filmfestival und „Die Zwietracht Säen-de“ von Amir Karakulow selbigen Preis aufdem Filmfestival von Venedig.Von hoher Bedeutung für die kasachstani-schen Zuschauer waren Filme wie „Ak Suat“und „Drei Brüder“ von Serik Aprimow und„Surkeschei – Engel des Todes“ von DamirManabajew. Kasachstanische Kunst- und Kulturwissen-schaftler sowie Kinofreunde meinen: „Dasneue einheimische Kino ist ein Kino, das be-ginnt, das Leben zu beobachten, es zu ana-lysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen.Das Beste des sowjetischen Kinos ist nichtgestorben, es ging ein in neue Haltungenund Sichten, sodass es sich heute auf die ei-ne oder andere Weise anfühlt wie die Film-kunst Zentralasiens.“In den letzten Jahren hat das Filmunterneh-men „Kasachfilm“ (benannt nach Schaken Ai-manow) Filme gedreht wie „Leilas Gebet“ vonSatybaldy Narymbetow, und „Truppenlan-dung“ von Leila Aranyschewa. Darüber hin-aus hat „Kasachfilm“ einen Vertrag mit demchinesischen Kinostudio „Tien-Schan“ unter-zeichnet, um den monumentalen Historien-film „Sardar“ zu produzieren. Eine richtungs-weisende Arbeit zur Förderung des künstle-rischen Films war das Projekt „Nomaden“. Von

den über 500 Beteiligten stammten über hun-dert aus dem Ausland, unter ihnen Jason ScottLee und Marc Dabaskos. Seitdem Kasachstan seine Unabhängigkeiterhalten hat, hat „Kasachfilm“ Historienfil-men große Aufmerksamkeit geschenkt. Inden letzten Jahren sind Filme wie „Der Un-tergang Otrars“, „Abai“, „Abulchair-Khan“und „Jugend Shambyls“ entstanden. Einen weltweit großen Erfolg hat der Kino-film des deutschen Regisseurs und Oscar-Preisträgers Volker Schlöndorff „Ulzhan –das vergessene Licht”.Im September 2008 fand das 5. Internatio-nale Kinofestival „Eurasien” in Astana statt.gezeigt wurden 2007 und 2008 gedrehte Fil-me kasachstanischer, kirgisischer, usbekischer,tadschikischer und turkmenischer Regisseu-re. Kasachstan präsentierte die Filme „In derStadt A.”, „Zusammen mit Vater”, „Leb wohl,Gülsary”, „Lieder von südländischen Mee-ren”, „Mustafa Schokai” und „Die Tulpe”. Ge-zeigt wurden neben den zentralasiatischenWettbewerbsfilmen die besten Festivalfilmeaus Cannes, Berlin, Venedig und Tokio sowiemodernes Kino aus Südkorea und den USA,Klassiker der „Neuen Welle” Kasachstans, undes fanden Erstaufführungen aktueller russi-scher Filme statt. Den Grand Prix des Festi-vals erhielt Ardak Amirkulow für „Leb wohl,Gülsary!”, als bester Regisseur wurde Da-nischar Salamat für „Zusammen mit Vater”ausgezeichnet.Im Mai 2009 fand das 7. Filmfestival „Scha-kens Sterne” statt, das junge Filmschaffen-de fördert. 500 Filme aus dreißig Ländernwurden dem interessierten Publikum gezeigt.Kasachstans Filmschaffende nahmen am 65.Filmfestival in Venedig teil, und zur Eröff-nung des 13. Internationalen Filmfestivalsim südkoreanischen Pusan wurde der Film„Geschenk für Stalin” des kasachischen Re-gisseurs Rustem Abdraschew gezeigt.Im September 2010 fand in Almaty das 6.Internationale Kinofestival „Eurasia” statt,das vom Ministerium für Kultur, „Kasach-film” und dem Verband der Filmschaffenden

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veranstaltet wurde. Es konzentrierte sich aufFilme aus Zentralasien und der Türkei. Ins-gesamt wurden vierzig Filme in vier Spartengezeigt. Zwölf Filme standen in Internatio-nalen Wettbewerben. Im Programm „Dyna-mische Entwicklung des kasachstanischenKinos” wurden fünfzehn Filme aus den Jah-ren 2009 und 2010 gezeigt. Ziel des Festi-

vals ist, das Potenzial der zentralasiatischenund turksprachigen Filmwelt aufzuzeigen.„Kelin”, ein Film aus Kasachstan, gelangteauf die Short-List für den Oscar, der kirgisi-sche Film „Swet ake” wurde in Cannes ge-zeigt und der tatarische Streifen „Bibinur”auf dem Moskauer Filmfestival.Was die kasachstanische Filmkunst insge-samt betrifft, so war das Jahr 2010 ein Re-kordjahr mit Blick auf kasachische Kinopre-mieren. Es kamen Arbeiten junger Film-

schaffender wie anerkannter Meister in dieKinos. Einen Durchbruch erzielte „Kasach-film” mit dem Kriminalfilm „Erzählung überden rosa Hasen” mit den jungen Schauspie-lern Anuar Nurpeissow und Maxim Akbarowin den Hauptrollen. Premiere feierten die Fil-me „Irreale Liebe” und „Igla-Remix”. Letzte-rer ein Remake der „Nadel” aus dem Jahre

1988 in der Tradition der „Neuen Welle”. Eininteressantes Filmprojekt war auch „Verspä-tete Liebe” von Sergej Assimow mit demgroßartigen Gerard Depardieu in der Haupt-rolle. Und verwiesen sei noch auf zwei Historien-filme. Der kasachische Regisseur Achan Sa-tajew brachte „Der Liquidator” auf die Lein-wand und Regisseur Jegor Kontschalowskidrehte mit seinem Team auf den Spuren vonAlexander von Makedonien.

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„Kasachfilm“ hat in den vergangenen Jahren zahlreich Filme zu historischen Themen produziert

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