1
Reflexion durchsucht das Geschehene, also die Vergangenheit. Daraus resultieren im besten Fall künftige Planungen. Gelebt aber wird im Jetzt. Und gespielt. Das setzt Spontaneität voraus und das genaue Wissen, was man will und kann. Wenn man auf der Bühne steht – auch der des Lebens –, herrscht das Prinzip Improvisation. Das spielt mit Vorgaben und füllt sie in einem wie traumwandlerischen Verfahren im jeweiligen Moment aus. Wer dabei nachdenken muss, hinkt den Ereignissen hinterher und hat schon verloren. Now is the Time. Immer und immer wieder. Damit wären die Koordinaten dieses Quartetts umrissen. ... Berlin hat diese Begegnung ermöglicht. Alle Beteiligten haben hier mehr oder weniger lange schon ihre Lebenszentren, zwischen ihnen allen gibt es diverse Kreuz- und Querverbindungen. Weil diese Metropole ein großer Kontakthof der Improvisatoren ist, lassen sich hier Individualitäten bündeln und verbünden. Clubs, Konzerte und viele gute Musiker, hier finden sich die, die sich finden müssen, auch dieses Quartett in der gar nicht so alltäglichen Besetzung Trompete, Piano, Bass und Schlagzeug. Man könnte an Clark Terry denken, an Booker Little oder Tomasz Stanko und ihre Quartette ohne zweiten Bläser. "Die Anreicherung" verfolgt diese Spuren in unserer Aktualität weiter unter Verzicht auf selbstdarstellerische Solos, die vom jeweils anderen begleitet oder schweigend verfolgt werden. Diese Band ist ein enger verzahnter Organismus und nicht die Startrampe eines Leaders. Jeder ist auch ein guter Beobachter und kann durch sein Eingreifen den Dingen entscheidende Wendungen geben. Es geht darum, im richtigen Moment richtig zu reagieren. Im Weinbau, in der Mikrobiologie oder in der Kernphysik dient das Prinzip der Anreicherung dem Sprung in eine neue Qualität. Insofern ist der Bandname klug gewählt. Wir hören die Anreicherung der reichen Jazzhistorie mit einer pulsierenden Gegenwart. Ulrich Steinmetzger jazzwerkstatt JAZZ JAZZWERKSTATT JW 141 CD LABEL: ARTICLE No.: MEDIUM: HELGA PLANKENSTEINER PLANKTON ARTIST: TITLE: Wie Plankton den Meeresströmungen folgt, lässt sich die Musik von Helga Plankensteiner's neuem internationalem Projekt mit großer Leichtigkeit und frei von Berührungsängsten von einer Stilrichtung zur anderen treiben. Die meist aus der Feder der Saxophonistin stammenden instrumentalen Kompositionen lassen sich schwer einordnen, bringen immer wieder unerwartete Stimmungen in den Vordergrund und sind geprägt vom schönen Klang des Baritonsaxophons. Die zwei gesungenen Lieder sind wie so oft in Helga Plankensteiner's CD's Stilbruch und Überraschung zugleich. "Loo" ist eine Hommage an den Trompeter Lew Soloff, dessen Humor und großartigen Sound, zwischen Tradition und Moderne, Helga "on tour" mit der Carla Bley Bigband kennengelernt hat. "The Never Ending Blues" ist eine Dehnungsübung zum Thema 12 Takte, verläuft gezielt durch zahlreiche Tonarten und verschmäht nicht Anleihen von Ellington und Mingus. "Quentin" könnte ein imaginärer Soundtrack einer Filmszene frei nach Tarantino sein und "Meister Schriefl" ist ein ernst gemeintes, aber humoriges Portrait des Allgäuer Trompeters Matthias Schriefl. Das zweiteilige Stück "No Ballad No Crime" führt von einer schmalzig-schönen Melodie zu afrikanisch-energetischem Überschwang, "Tangomatango" klingt wie eine verwischte Postkarte aus Südamerika, die irgendwie nach Skandinavien gelangt. Die beiden Songs, Gershwins "They can't take that away from me" (vielleicht auch Motto des Sextetts) und "Comes Love" werden um Jahre zurück in Südstaatenklima versetzt und brechen die den Sound der anderen Kompositionen auch durch die Verwendung von Banjo und Klavier. Den Abschluss bildet der Gospel "Tears", ein ironisch-melancholischer Ausklang einer abwechslungsreichen Reise durch Zeit und Raum. Michael Lösch JAZZWERKSTATT JW 132 CD LABEL: ARTICLE No.: MEDIUM: ARTIST: TITLE: DIE ANREICHERUNG DIE ANREICHERUNG www. werkstatt.eu jazz 4 250317 419767 4 250317 419644

Jw 132 die anreicherung deutsch jw 141 plankensteiner

Embed Size (px)

DESCRIPTION

 

Citation preview

Page 1: Jw 132 die anreicherung deutsch jw 141 plankensteiner

Reflexion durchsucht das Geschehene, also die Vergangenheit. Daraus resultieren im besten Fall künftige Planungen. Gelebt aber wird im Jetzt. Und gespielt. Das setzt Spontaneität voraus und das genaue Wissen, was man will und kann. Wenn man auf der Bühne steht – auch der des Lebens –, herrscht das Prinzip Improvisation. Das spielt mit Vorgaben und füllt sie in einem wie traumwandlerischen Verfahren im jeweiligen Moment aus. Wer dabei nachdenken muss, hinkt den Ereignissen hinterher und hat schon verloren. Now is the Time. Immer und immer wieder. Damit wären die Koordinaten dieses Quartetts umrissen. ... Berlin hat diese Begegnung ermöglicht. Alle Beteiligten haben hier mehr oder weniger lange schon ihre Lebenszentren, zwischen ihnen allen gibt es diverse Kreuz- und Querverbindungen. Weil diese Metropole ein großer Kontakthof der Improvisatoren ist, lassen sich hier Individualitäten bündeln und verbünden. Clubs, Konzerte und viele gute Musiker, hier finden sich die, die sich finden müssen, auch dieses Quartett in der gar nicht so alltäglichen Besetzung Trompete, Piano, Bass und Schlagzeug. Man könnte an Clark Terry denken, an Booker Little oder Tomasz Stanko und ihre Quartette ohne zweiten Bläser. "Die Anreicherung" verfolgt diese Spuren in unserer Aktualität weiter unter Verzicht auf selbstdarstellerische Solos, die vom jeweils anderen begleitet oder schweigend verfolgt werden. Diese Band ist ein enger verzahnter Organismus und nicht die Startrampe eines Leaders. Jeder ist auch ein guter Beobachter und kann durch sein Eingreifen den Dingen entscheidende Wendungen geben. Es geht darum, im richtigen Moment richtig zu reagieren. Im Weinbau, in der Mikrobiologie oder in der Kernphysik dient das Prinzip der Anreicherung dem Sprung in eine neue Qualität. Insofern ist der Bandname klug gewählt. Wir hören die Anreicherung der reichen Jazzhistorie mit einer pulsierenden Gegenwart. Ulrich Steinmetzger

jazzwerkstattJA

ZZ

JAZZWERKSTATTJW 141CD

LABEL: ARTICLE No.: MEDIUM:

HELGA PLANKENSTEINER PLANKTON

ARTIST: TITLE:

Wie Plankton den Meeresströmungen folgt, lässt sich die Musik von Helga Plankensteiner's neuem internationalem Projekt mit großer Leichtigkeit und frei von Berührungsängsten von einer Stilrichtung zur anderen treiben. Die meist aus der Feder der Saxophonistin stammenden instrumentalen Kompositionen lassen sich schwer einordnen, bringen immer wieder unerwartete Stimmungen in den Vordergrund und sind geprägt vom schönen Klang des Baritonsaxophons. Die zwei gesungenen Lieder sind wie so oft in Helga Plankensteiner's CD's Stilbruch und Überraschung zugleich."Loo" ist eine Hommage an den Trompeter Lew Soloff, dessen Humor und großartigen Sound, zwischen Tradition und Moderne, Helga "on tour" mit der Carla Bley Bigband kennengelernt hat. "The Never Ending Blues" ist eine Dehnungsübung zum Thema 12 Takte, verläuft gezielt durch zahlreiche Tonarten und verschmäht nicht Anleihen von Ellington und Mingus. "Quentin" könnte ein imaginärer Soundtrack einer Filmszene frei nach Tarantino sein und "Meister Schriefl" ist ein ernst gemeintes, aber humoriges Portrait des Allgäuer Trompeters Matthias Schriefl. Das zweiteilige Stück "No Ballad No Crime" führt von einer schmalzig-schönen Melodie zu afrikanisch-energetischem Überschwang, "Tangomatango" klingt wie eine verwischte Postkarte aus Südamerika, die irgendwie nach Skandinavien gelangt. Die beiden Songs, Gershwins "They can't take that away from me" (vielleicht auch Motto des Sextetts) und "Comes Love" werden um Jahre zurück in Südstaatenklima versetzt und brechen die den Sound der anderen Kompositionen auch durch die Verwendung von Banjo und Klavier. Den Abschluss bildet der Gospel "Tears", ein ironisch-melancholischer Ausklang einer abwechslungsreichen Reise durch Zeit und Raum. Michael Lösch

JAZZWERKSTATTJW 132CD

LABEL: ARTICLE No.: MEDIUM:

ARTIST: TITLE:

DIE ANREICHERUNGDIE ANREICHERUNG

030 804 824 53

www. werkstatt.eujazz

4 250317 419767

4 250317 419644