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Wolfgang Breuer
Investition I
Wolfgang Breuer
Invest i t ion I
Entscheidungen bei Sicherheit
3., aktualisierte Auflage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet 0bet <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Prof. Dr. Wolfgang Breuer ist Inhaber des Lehrstuhls for Betriebliche Finanzwirtschaft an der RWTH Aachen.
I. Auflage September 2000 2. Auflage Juni 2002 3. Auflage Juni 2007
Alle Rechte vorbehalten �9 Betriebswirtschafflicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
Lektorat: Susanne Kramer l Renate Schilling
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen yon Springer Science+Business Media. www.gabler.de
~ I Das Werk einschlieglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich gesch0tzt. ]ede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzul~ssig und strafbar. Das gilt insbesondere for Vervielf~Itigungen, 0bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solehe Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~ren und daher von jedermann benutzt werden d0rften,
Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www, CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf s~urefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-0559-8
V
Vorwort zur dritten Auflage
Auch die zweite Auflage von "Investition I" hat eine fretmdliche Aufnahme am
Markt gefunden, so dass nunmehr schon die dritte Auflage erscheinen kann. Er-
neut hielt sich der Anderungsbedarf in engen Grenzen. Tippfehler wurden bereits
im Rahmen der zweiten Auflage weitgehend ausgemerzt, und in einem so grund-
legenden Bereich wie dem von Investitionsentscheidungen bei Sicherheit ist die
Gefahr gering, durch neue Forschungsergebnisse zu einer Neukonzeption von
Lehrbuchinhalten veranlasst zu werden. Ich konnte mich daher im Wesentlichen
darauf beschranken, die Literaturhinweise zu aktualisieren und yon der "ganz
alten" Rechtschreibung auf die allerneueste Variante der "neuen" Rechtschreibung
umzustellen. Interessanterweise war im Hinblick auf die Umstellung der Recht-
schreibung damit kaum mehr zu ran, als einige Phrasen wie "im folgenden" durch
GroBschreibung zu ersetzen und zahlreiche "B" durch "ss" zu substituieren. Die
Rechtschreibreformen der letzten zehn Jahre sind sicherlich ein Paradebeispiel ftir
das Versagen vermeintlicher oder tats~ichlicher "Experten". Man kann nut hoffen,
dass wir uns in der Betriebswirtschaftslehre nicht auch einmal so l~icherlich ma-
chen.
Inhaltlich habe ich mich auf ganz wenige Erg~inzungen beschr~akt, von denen die
meisten n0ch den Abschnitt 4 des Kapitels IV zu Steuern in der Investitionsrech-
hung betreffen. Deswegen kann ich nunmehr auch schon zu den Danksagungen
kommen. Herr Dr. Ron Antonczyk hat mir zusammen mit unseren studentischen
Hilfskr~iften bei der Aktualisierung der Literaturangaben geholfen, und Frau An-
drea Das Gupta, meine SekretSxin, hat mich beim Korrekturlesen des Manu-
skripts maBgeblich untersttitzt. Allen Beteiligten danke ich sehr.
VI
Sicherlich interessiert es manchen Leser, ob meine Frau den Zwergpudel bekom-
men hat, von dem im Vorwort zur zweiten Auflage die Rede war. In der Tat ha-
ben wir uns nach langen Verhandlungen stattdessen auf zwei Zwergkaninchen ge-
einigt. Ich denke, das war ein fairer Kompromiss. Leider ist eines der beiden be-
reits gestorben. Dem tiberlebenden Kaninchen, Joker, und meiner Frau Claudia
widme ich diese Neuauflage.
Wolfgang Breuer
VII
Vorwort zur zweiten Auflage
Dass es ein reichhaltiges Angebot an investitionstheoretischen Lehrbtichern gibt,
ist sicherlich kein Geheimnis. Um so erfreulicher war es f'tir mich, dass die erste
Auflage von "Investition I" bereits nach weniger als zwei Jahren vergriffen war.
Entsprechend halten sich die vorgenommenen Anderungen im Rahmen dieser
zweiten Auflage in engen Grenzen. Neben der Verbesserung von insgesamt tmge-
f~hr zwei Dutzend sinnverzerrenden (wie etwa "Projekt 1" start richtig "Projekt
2") und "gew6hnlichen" Tippfehlern (beispielsweise "korrEkt" statt "korrekt")
wurde vor allem das Kapitel II in beschr~inktem Umfang neu gestaltet. Ferner
begrtindete auch die Reform des deutschen Steuerrechts einen gewissen Ande-
rungsbedarf, und zwar im Abschnitt 4 des Kapitels IV. Des Weiteren wurden an
verschiedenen anderen Stellen einige kleinere Erganzungen vorgenommen. So
wird im Abschnitt 1 des Kapitels III nunmehr kurz auf Kapitalwertberechnungen
bei unterj~ihriger Verzinsung eingegangen. Uberdies wurde eine auf einem
Denkfehler beruhende falsche Aussage in einer Fugnote korrigiert und das Litera-
turverzeichnis aktualisiert.
Durch die vorgenommenen Anderungen sind die Verweise aus "Investition II" auf
den vorliegenden ersten Band nicht mehr zutreffend. Zum Ende dieser zweiten
Auflage ist daher ein "Verweisregister" eingeftihrt worden, in dem die ent-
sprechenden Seitenzahlen dieser zweiten Auflage nachgeschlagen werden k6nnen,
die mit den tiberholten Verweisen aus "Investifion II" korrespondieren.
Etwas lgnger habe ich dartiber nachgedacht, ob ich ftir diese zweite Auflage das
Symbol "C" fiir Konsum durch den Kleinbuchstaben "c" ersetzen soll. In "Investi-
tition II" ist die Verwendung von "c" statt "C" aus "EDV-technischen" Grfinden
zwingend erforderlich (Tilden auf C werden bei dem von mir verwendeten Text-
verarbeitungsprogramm anders als Tilden auf c nicht richtig dargestellt; gerade
durch Tilden soll aber unsicherer Konsum gekennzeichnet werden). Ich habe
mich entschieden, im Band I beim "C" wegen der Parallelit~it zu Gr6gen wie "I"
und "W0" zu bleiben.
VIII
Anders als noch bei der ersten Auflage yon "Investition I" ist nunmehr ein
dreib/~ndiges Gesamtwerk zur Investition vorgesehen. WNlrend "Investition I" und
"Investition II" letztlich yon zentralisierten Investitionsentscheidungen innerhalb
einer Untemehmung ausgehen, und zwar im Band I bei Sicherheit und im Band
II bei Risiko, soll sich der noch fehlende Band III mit den resultierenden be-
sonderen Gestaltungsfragen bei wenigstens partiell dezentralisierter Investitions-
planung auseinandersetzen. Mit der Ver6ffentlichung dieses dritten Bands ist frei-
lich nicht allzu bald zu rechnen. Realistisch dttrfte ein Erscheinungstermin im
letzten Quartal von 2004 sein.
Ich will nicht verheimlichen, dass der Absatzerfolg von "Investition I" nattirlich
zum Teil Konsequenz des Umstands ist, dass ich "Investition I" ftir meine eige-
nen Lehrveranstaltungen nutze. Vor allem die Teilnehmer des 64. und des 65.
Lehrgangs der Deutschen Sparkassenakademie haben mir mit Hinweisen auf von
ihnen gefundene Fehler in meinen Ausf'thhrungen die Erstellung der zweiten Auf-
lage sehr erleichtert. Daftir m6chte ich besonders Dank sagen. Ein derartiges En-
gagement wtinscht man sich auch yon unseren Studenten an den Universit~iten.
Zu danken habe ich schliel31ich noch Herrn Dr. Jiirgen Ewert, Hagen, der mich
auf den oben angesprochenen Denkfehler hingewiesen hat.
Wie stets stellt sich zuletzt die Frage nach einer Widmung des vorliegenden
Werkes. Ein guter Freund aus T~bingen hat mir gegenfiber vor einiger Zeit die
Ansicht ge~iugert, meine Frau Claudia sei (statt unserer beiden Kinder) mal
wieder an der Reihe. Tats~ichlich wtinscht sie sich wohl eher einen Zwergpudel
als eine Widmung. Trotzdem hoffe ich, dass sie sich freut, wenn ich ihr diese
zweite Auflage widme. Immerhin muss man mit einem Buch nicht abends "Gassi
gehen".
Wolfgang Breuer
IX
Vorwort zur ersten Auflage
Das vorliegende Lehrbuch basiert im Wesentlichen auf meinen Vorlesungen des
Grund- und Hauptstudiums zur internen Unternehmensrechnung und Investitions-
theorie in den Jahren 1995 bis 1999 an der Universit~it Bonn. Es stellt den ersten
Band eines auf zwei B~inde angelegten Gesamtwerkes dar. W~ihrend das vorlie-
gende Buch lediglich investitionstheoretische Grundlagen f'tir den Fall sicherer
Erwartungen er6rtert, werden die Investitionstheorie bei Risiko sowie Fragen des
Investitionscontrolling Gegenst~nde des zweiten Bandes sein. Entsprechend ist der
erste Band primgr als Basis ffir eine Grundstudiumsveranstaltung gedacht, wohin-
gegen der zweite Band sicherlich Hauptstudiumsstoff behandelt.
Insgesamt umfasst das vorliegende Lehrbuch 12 gr6gere Abschnitte, von denen
jeder bis auf den Abschnitt 4 des vierten Kapitels zu steuerlichen Fragen inner-
halb einer Doppelstunde zu behandeln sein diJrfte. Demnach enth~ilt das Lehrbuch
- mit vereinzelten Kfirzungen oder Auslassungen - im Wesentlichen den Stoff
einer zweisttindigen Veranstaltung wS_hrend eines Semesters.
Natttrlich stellt sich gerade beim Verfassen eines investitionstheoretischen Lehr-
buchs die Frage nach dessen Notwendigkeit. Zweifellos existiert im Bereich der
Investitionstheorie eine groge Zahl sehr guter Lehrbticher. Trotzdem denke ich,
dass das vorliegende Lehrbuch in vielen Detailfragen Akzente setzt, die seinen
Inhalt von dem anderer investitionstheoretischer Lehrb~cher unterscheiden. So
werden beispielsweise Parameterregeln und Klienteleffekt ebenso wie das Ver-
h~iltnis zwischen Dean- und Hirshleifer-Modell oder die Gfiltigkeit der Fisher-Se-
paration unter Berficksichtigung yon Steuern in einer Ausffihrlichkeit behandelt,
die man in anderen Lehrbuchdarstellungen typischerweise nicht vorfindet. Ent-
sprechendes gilt ftir die Berttcksichtigung von Inflationsaspekten und Zahlungs-
konsequenzen in Fremdw~ihrung. Dafter sind natfirlich an anderen Stellen Abstri-
che erforderlich. So werden etwa Details der Linearen Programmierung bei der
Planung von Investitions- und Finanzierungsprogrammen ffir den unvollkomme-
nen Kapitalmarkt nur sehr mdimentRr er6rtert. Insgesamt dfirfte sich das vorlie-
X
gende Lehrbuch trotz der fraglos groBen generellen NS_he zu anderen Lehrbfichern
in den konkreten inhaltlichen Schwerpunkten deutlich absetzen und insofern (hof-
fentlich) eine Bereicherung der investitionstheoretischen Lehrbuchlandschaft
darstellen.
Wieder war mir bei der Erstellung des Buches die Unterstatzung meiner Mit-
arbeiter an meinem Lehrstuhl in Bonn bzw. (seit MSxz 2000) in Aachen eine
grol3e Hilfe. Frau Annegret Ruston, BA (Hons), habe ich einmal mehr fur die Er-
stellung s~imtlicher Graphiken dieses Lehrbuchs zu danken. Herr Dipl.-Vw.
Thomas Weber hat dankenswerterweise das gesamte Manuskript korrekturgelesen
und mir bei Literaturrecherchen sowie der Formulierung der Wiederholungsfragen
geholfen. Teile des Manuskripts wurden t~berdies von den Herren Dr. Marc
Giirtler, Dipl.-Kfm. Thomas Herfs und Dipl.-Vw. Klaus Mark sowie von Frau
Dipl.-Vw. Anke Kleefisch durchgesehen. Auch ihnen bin ich ffir ihre Anmer-
kungen zu Dank verpflichtet. Schlief31ich danke ich meiner Frau, Dr. Claudia
Breuer, die ebenfalls eine sprite Fassung des Manuskripts korrekturgelesen hat.
Am meisten Kopfzerbrechen bereitete mir die Numerierung von Abbildungen, Ta-
bellen, Formeln u.fi. im ungew6hnlich kurzen Kapitel II. Weil Kapitel II de facto
nur aus einem (inhaltlichen) Abschnitt besteht, habe ich mich aus Symmetrie-
grfinden ftir "1.1", "1.2", ... entschieden, obgleich auch "1", "2", ... genfigt hfitte.
In zweien meiner bislang vier Lehrbficher zur betrieblichen Finanzwirtschaft
konnte ich fiberdies die Geburt eines Kindes vermelden. Wie ich aber schon in
meinem Obungsbuch zum unternehmerischen WStarungsmanagement angekfindigt
habe, wollen meine Frau und ich diese Koinzidenz von Lehrbuchver6ffentlichun-
gen und der Erh6hung der Zahl unserer Nachkommen nicht weiter aufrechterhal-
ten. Ich beschr~inke mich daher darauf, das vorliegende Buch den beiden vor-
handenen Kindem, Clara und Franziska, zu widmen. Allerdings hoffe ich aus
Hygienegrfinden, dab sie zwischen Duplo und Playmobil nicht so bald die Zeit
finden werden, einen Blick in ein Exemplar dieses Lehrbuchs zu werfen.
Wolfgang Breuer
Gliederung XI
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Verzeichnis wichtiger Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX
I Problemstellung und Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
II Investitionsentscheidungen bei fehlendem Kapitalmarktzugang . . . . . 7
1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2 Die A n n a h m e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1 Unte rnehmer i sche Pr~iferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.2 Un t em ehm er i s che Anfangsauss ta t tung und Real inve-
stitionsm/Sglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
3 Opt imale Kons um - und Inves t i t ionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . 27
3.1 Dars te l lung der L6sung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.2 Diskuss ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Wiede rho lungs f fagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
III Investitionsentscheidungen bei vol lkommenem Kapitalmarkt . . . . . 43
Fisher-Separation und Kapi ta lwer tkr i te r ium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
1.1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
1.2 Die zus~itzlichen A n n a h m e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
1.3 Die Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
1.3.1 Exis tenz eines einhei t l ichen Zinssatzes fOx
Anlage /Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
1.3.2 Die Kapi ta lmark tgeraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
1.3.3 Die Fisher-Separation: pr~iferenz- und ve rm6gensun-
abh~ingige Ermit t lung opt imaler Real inves t i t ionen . . . 49
1.4
Wiederho lungs f ragen
XI I
1.3.4 Das Kapi ta lwer tkr i ter ium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1.3.4.1 Herle i tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1.3.4.2 Diskuss ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
D y n a m i s c h e r versus statischer Vorte i lhaf t igkei tsvergle ich . . . . . . . . 83
2.1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
2.2 Rentenbarwer t fak tor und ~iquivalente Annuit~it . . . . . . . . . . . 84
2.3 Stat ischer Gewinnverg le ich versus Kapi ta lwer tkr i ter ium . . . . 90
2.3.1 Vorgehen im R a h m e n eines statischen
Gewinnverg le ichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
2.3.1.1 Einzelentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.3.1.2 Auswahlen tsche idung . . . . . . . . . . . . . . 98
2.3.2 Gegent iberstel lung mi t dem Kapi ta lwer tkr i ter ium . . . 102
2.4 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
A n h a n g 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Wiederho lungs f ragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Paramete r rege ln
3.1
3.2
3.3
3.4
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
I r re levanz der Nul lpunktwahl bei Kapi ta lwer tor ient ierung 114
Parameter , kri t ische Wer te und Projektkapi ta lwer te . . . . . . 119
Interne Zinsft~ge von Zahlungsre ihen . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3.4.1 Ermit t lung und Interpretat ion yon internen
Zinsffigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3.4.2 Inves t i t ionsentscheidungen mi t Hilfe interner
Zinsft ige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
3.4.2.1 Einzelentscheidungen . . . . . . . . . . . . . 132
3.4.2.2 Auswahlen tsche idungen . . . . . . . . . . . 136
4
XIII
3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Nutzungsdauerentscheidungen und optimaler Ersatzzeitpunkt . . . . . 155
4.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
4.2 Optimale Nutzungsdauer eines Projekts ohne M6glichkeit
zu Anschlussinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
4.3 Optimale Nutzungsdauern bei endlicher Wiederholung
gleichartiger Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
4.4 Optimale Nutzungsdauern bei endlicher Kette verschieden-
artiger Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
4.5 Optimale Nutzungsdauern bei unendlicher Wiederholung
identischer Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
4.6 Optimale Nutzungsdauern bei unendlicher Kette verschie-
denartiger Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
4.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Kapitalwert bei nicht-flacher Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
5.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
5.2 Die retrograde Berechnungsmethode nach R o l f e s . . . . . . . . 198
5.3 Kapitalwertberechnung mittels Zero-Bond-Abzinsungs-
faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
5.4 Effektivrenditen von Zero Bonds und Zinsstrukturcha-
rakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
5.5 Ein-Perioden-Terminzinss~itze und Zero-Bond-Abzinsungs-
faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
X I V
6 Kapi ta lwer t und Inflat ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
6.1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
6.2 Inflat ionsraten, nomina le und reale Gr6gen . . . . . . . . . . . . 228
6.3 Kapi ta lwer t formel in realen Gr6gen . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
6.3.1 Herle i tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
6.3.2 Diskuss ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
6.3.2.1 Konstante reale Einzahlungen . . . . . . . 240
6.3.2.2 Konstanter Realz inssatz . . . . . . . . . . . 242
6.4 M o n e t ~ e Konsequenzen yon Inf la t ionsratenvaria t ionen . . . 249
6.5 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Wiederho lungs f ragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
7 Kapi ta lwer t von Auslandsdirekt invest i t ionen . . . . . . . . . . . . . . . . 261
7.1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
7.2 F i s h e r - S e p a r a t i o n und Kapi ta lwer tkr i ter ium . . . . . . . . . . . 262
7.3 Kapi ta lwer f formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
7.3.1 Kapi ta lwer t formel in InlandswS_hrung . . . . . . . . . . . 264
7.3.2 Kapi ta lwer t formel in F remdw~hrung . . . . . . . . . . . 266
7.4 Der Internat ionale F i s h e r - E f f e k t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
7.5 Wei te rgehende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
7.5.1 M6gl ichkei t zur Einzelprojektbeur te i lung . . . . . . . . 273
7.5.2 Alleinige Bewer tungsre levanz der durch die
Invest i t ion ausgel6sten Zah lungskonsequenzen . . . . 274
7.5.3 Vereinfachte Kapi ta lwer t formel bei Gfiltigkeit des
Nat ionalen F i s h e r - E f f e k t s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
7.5.3.1 Herle i tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
7.5.3.2 Diskuss ion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
7.6 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
Wiederho lungs f ragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
X V
IV Invest it ionsentscheidungen bei unvo l lkommenem Kapitalmarkt . . 293
H i r s h l e i f e r - M o d e l l und Kliente leffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
1.1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
1.2 Das H i r s h l e i f e r - M o d e l l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
1.2.1 Die A n n a h m e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
1.2.2 Opt imale Inves t i t ionsentscheidungen im
H i r s h l e i f e r - M o d e l l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
1.2.3 Marktwer t von Inves t i t ionsm6gl ichkei ten . . . . . . . . 312
1.3 Der Klienteleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
1.4 H i r s h l e i f e r - M o d e l l und Kl iente lef fekt . . . . . . . . . . . . . . . . 321
1.5 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Wiederho lungs f ragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
2 Das D e a n - M o d e l l . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
2.1 Problemste l lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
2.2 Das D e a n - M o d e l l in seiner Grundvers ion . . . . . . . . . . . . . 329
2.2.1 Die P r ~ n i s s e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
2.2.2 Die Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
2.3 M6gl iche Erwei te rungen des D e a n - M o d e l l s . . . . . . . . . . . 341
2.3.1 Mange lnde Tei lbarkei t von Investi t ions-
projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
2.3.2 Gegensei t iger Ausschluss yon Investi t ions-
projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
2.3.3 Mehr-Per ioden-Bet rach tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
2.4 Das Verh~ltnis von H i r s h l e i f e r - zu D e a n - M o d e l l . . . . . . . . 360
2.5 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Wiederho lungs f ragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
XVI
Vollst~indige Finanzplanung und Ans~itze der Linearen Program-
mierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
3.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
3.2 Die Grundstruktur vollst~ndiger Finanzplane . . . . . . . . . . . 369
3.2.1 Definition und Funktion vollstS.ndiger
Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
3.2.2 Elemente eines vollstandigen Finanzplans . . . . . . . . 371
3.2.3 M6gliche Zielsetzungen im Rahmen vollst~indiger
Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
3.3 Ein Zahlenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
3.4 LP-Ans~itze zur L6sung yon Kapitalbudgetierungsproblemen 393
3.4.1 Charakterisierung des allgemeinen Budgetierungs-
problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
3.4.2 Endogene Kalkulationszinsftige im Rahmen des
allgemeinen Budgetierungsproblems . . . . . . . . . . . . 397
3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
Steuern in der Investitionsrechnung
4.1
4.2
4.3
4.4
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Grundztige steuerlicher Regelungen in Deutschland und die
Annahmen des Standardmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Fisher-Separation und Kapitalwertkriterium bei Steuern . . . 413
4.3.1 Untemehmerische Pr~iferenzen und
Realinvestitionsm6glichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 413
4.3.2 Der untemehmerische Kapitalmarktzugang . . . . . . . 415
4.3.3 Kapitalwertmaximierung als Auswahlkriterium f'tir
Realinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
Steuerparadoxon und Investitionsneutralit~it . . . . . . . . . . . . 435
4.4.1 Das Steuerparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
4.4.2 Investitionsneutrale Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . 442
X V I I
4.4.2.1 Ertragswertabschreibung im Standard-
modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
4.4.2.2 Cashf low-Besteuerung . . . . . . . . . . . . 453
4.4.2.3 Residualgewinnorientierte Besteuerung . 460
4.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468
Anhang 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
Anhang 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
Wiederholungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
V A u s b l i c k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 8 1
L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 8 3
V e r w e i s r e g i s t e r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 9 5
S t i c h w o r t r e g i s t e r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 9 7
XIX
Verzeiehnis wiehtiger Symbole
A
A0
Co,max
Ct
ct ~ (H)
t ~ (s)
t
d C t
r
O t E(n)
Et
F
F(')
Fs()
Gt
H Z t
i
i S
it
i(n)
i(s)
I I(H)*
i(s)*
K
Kf, t
Anlagevolumen
Anfangsauszahlung
Abszissenabschnitt einer Kapitalmarktgeraden
Konsumauszahlung im Zeitpunkt t
Konsumauszahlung im Zeitpunkt t vor Finanzinvestitionen
Konsumauszahlung im Zeitpunkt t vor Mittelanlage
Konsumauszahlung im Zeitpunkt t vor Verschuldung
(Infinitesimale) Anderung von C t
Diskontierungs-/Zero-Bond-Abzinsungsfaktor ftir Laufzeit von
0 bis t
Abschreibungen im Zeitpunkt t
Einzahlungstiberschuss aus Projekt n i m Zeitpunkt t = 1
Erl6s aus Produkteabsatz im Zeitpunkt t
Finanzierungsvolumen
Realinvestitions- oder Investitionsertragsfunktion
Realinvestitions- oder Investitionsertragsfunktion nach Steuern
Gewinn eines Zeitpunktes t
Repr~isentativer Gewinn
Habenzinsen im Zeitpunkt t
Zinssatz f'tir Anlage/Verschuldung yon t = 0 bis t = 1 (Fisher- Modell); Grenzrendite/Grenzkapitalkostensatz (Dean-Modell) Nach-Steuer-Kapitalmarktzinssatz von t = 0 bis t = 1
Zinssatz f'tir Anlage/Verschuldung von t-1 bis t
Zinssatz ftir Mittelanlage von t = 0 bis t = 1
Zinssatz ftir Verschuldung von t -- 0 bis t = 1
Realinvestitionsvolumen
Optimales Investitionsvolumen eines Anlegertyps
Optimales Investitionsvolumen eines Schuldnertyps
Kreditvolumen
Fixkosten/-auszahlungen im Zeitpunkt t
kv,t
kZt
n
N
Pt
R G t
rt
s
Se
Sge
SZt
t
T u(-;.)
Vt
V
Wt
Wo
Xt
Z t
AWo
T~ t
K
Ks
XX
variable Kosten/Auszahlungen je Sttick im Zeitpunkt t
verrechnete kalkulatorische Zinsen im Zeitpunkt t
Index ftir Investitionsprojekte
Anzahl verftigbarer Investitionsprojekte
Preis eines Gutes j i m Zeitpunkt t
Preisniveau im Zeitpunkt t
Residualgewinn irn Zeitpunkt t
Ein-Perioden-Zinssatz bei Mittelanlage/-aufnahme yon 0 bis t
und periodischer Zinszahlung
Steuersatz im Rahmen des Standardmodells
(Grenz-) Einkommensteuersatz
effektiver Gewerbesteuersatz
Sollzinsen in einem Zeitpunkt t
Zeitindex
Zeithorizont; Nutzungsdauer eines Investitionsprojekts
Unternehmerische Nutzenfunktion
Effektivrendite eines Zero Bond mit F~illigkeit im Zeitpunkt t
Kaufpreis einer Investitionsm6glichkeit
Wechselkurs zwischen Euro und US-$ im Zeitpunkt t
Unternehmerisches AnfangsvermOgen
Absatzmenge im Zeitpunkt t
Einzahlungsfiberschuss eines Investitionsprojekts oder -pro-
gramms im Zeitpunkt t
Ffir investive Verwendung vorgesehener Teil der untemehmeri-
schen Anfangsausstattung
Ertragswert einer Zahlungsreihe aus Sicht des Zeitpunktes t
Kapitalwert einer Zahlungsreihe (aus Sicht von t = 0)
Kapitalwert einer Zahlungsreihe aus Sicht des Zeitpunktes t
Nach-Steuer-Kapitalwert
Inflationsrate von t-1 bis t
Zeitindex
XXI
Das Kttrzel "nom" kennzeichnet nominale, das Ktirzel "real" reale Gr6gen. Mit
"I" werden Gr6gen in InlandswS_hrung, mit "F" solche in Auslandsw~ihrung indi-
ziert. "ME" bedeutet "Mengeneinheit(en)", "GE" steht ffir "Geldeinheit(en)".
I
1
Problemstellung und Aufbau des Buches
Im Rahmen der Investitionstheorie setzt man sich mit dem Problem auseinander,
in welcher Form monet~e Mittel in Untemehmungen produktiv verwendet wer-
den k6nnen. Im engen Sinne behandelt die Investitionstheorie damit die Frage der
Mittelverwendung in Untemehmungen. Die einzusetzenden Mittel mtissen aber
zun~ichst beschafft werden, so dass Mittelbeschaffung und -verwendung unmittel-
bar miteinander verkntipft sind. Mai3nahmen der Mittelbeschaffung werden im
Rahmen der Finanzierungstheorie er6rtert, und es sollte nicht verwundern, dass
Investitions- und Finanzierungstheorie herk6mmlicherweise unter dem Oberbe-
griff der (betrieblichen) Finanzwirtschaft I zusammengefasst werden. Insofern
werden in jedem Lehrbuch zur Investitionstheorie anch finanzierungstheoretische
Fragen angesprochen, wie andererseits auch in Lehrbtichern zur Finanzierungs-
theorie Fragen der Mittelverwendung nicht vemachl~issigt werden k6nnen. Aus
diesem Grunde werden in vielen Lehrbtichem auch beide Bereiche gleichberech-
tigt simultan behandelt. 2 Gleichwohl stellt es einen Unterschied dar, ob man
gewissermaBen am Bereich der Mittelbeschaffung ansetzt und yon dort beginnend
anch auf Fragen der Mittelverwendung eingeht oder aber die Mittelverwendung
in den Vordergrund stellt und mit diesem Schwerpunkt auch auf Fragen der Mit-
telbeschaffung eingeht.
Die Investitionstheorie stellt sich in grogen Teilen als augerordentlich weit
entwickelt dar, weswegen eine Dreiteilung der gesamten Materie vorgenommen
worden ist. Im vorliegenden ersten Band wird auf die investitionstheoretischen
Grundlagen unter der Annahme sicherer Erwartungen eingegangen. Femer wird
unterstellt, dass Investitionsentscheidungen nicht delegiert werden, sondern der
oder die Unternehmer sie selbst treffen. Der zweite Band, Breuer (2001a), dehnt
die Betrachtung auf Entscheidungen bei Risiko aus, beh~ilt aber die Annahme
1 Vgl. zu dieser Begriffsfassung auch Breuer (1999a), S. 141 f.
2 Vgl. z.B. Spremann (1996), Gerke/Bank (2003), Franke/Hax (2004).
zentral getroffener Investitionsentscheidungen bei. Erst im noch zu erstellenden
dritten Band schliel31ich findet der Umstand Berticksichtigung, dass in praxi h~iu-
fig auch der UnternehmensfiJhrung untergeordnete Stellen Investitionsentschei-
dungskompetenz innehaben.
Investitionsentscheidungen werden in einfachster Form durch einen einzigen
Untemehmer als alleinigem Entscheidungstr~iger getroffen. Natttrlich wird dieser
derart investieren wollen, dass sein pers6nliches Nutzenniveau maximal wird.
Insofern bietet sich unmittelbar eine mikroiikonomisehe Fundierung investi-
tionstheoretischer Entscheidungen an. Die hier zugeh6rige grundlegende Modell-
struktur wird im nachfolgenden zweiten Kapitel entwickelt.
Eine ganz wesentliche Modifikation des Entscheidungsproblems ergibt sich, wenn
der betrachtete Unternehmer Zugang zu einem friktionsfrei arbeitenden Kapi-
talmarkt erh~ilt, auf dem in grunds~itzlich beliebiger H6he Mittel aufgenommen
oder angelegt werden k6nnen. Die wichtigste Konsequenz der so angenommenen
Existenz eines "vollkommenen" Kapitalmarktes ist die M6glichkeit der pr~ife-
renz- und verm6gensunabh~ingigen Beurteilung von Investitionsprojekten anhand
ihres jeweiligen "Kapitalwertes". Dieses als Fisher-Separation in die Literatur
eingegangene zentrale investitionstheoretische Ergebnis ist Gegenstand des
Absehnitts 1 des dritten Kapitels. Unmittelbare Konsequenz hieraus ist, dass
auch mehrere kollektiv entscheidende Unternehmer zur einm~tigen Bestimmung
des im Rahmen ihrer gemeinsamen Untemehmung durchzuftihrenden Investitions-
programms gelangen.
Die nachfolgenden Abschnitte dieses recht langen Kapitels besch~iftigen sich
s~xntlich auf der Grundlage von Investitionsentscheidungen anhand des Kapital-
wertkriteriums mit verschiedenen Spezialfragen. So behandelt Absehnitt 2 die
M6glichkeit, die Betrachtung auf eine "repriisentative" Periode zu verdichten.
Es wird gezeigt, wie eine derartige Verdichtung auf der Grundlage des Kapital-
wertkalkiJls sachgerecht vorzunehmen ist und wie im Lichte dieser Erkenntnis
andersartige Verdichtungen auf der Grundlage der Betrachtung von Gewinngr6-
Ben statt Kapitalwerten zu wtirdigen sind.
Abschnitt 3 behandelt sogenannte Parameterregeln, bei denen man ftir verschie-
dene Einflussfaktoren im Rahmen der Kapitalwertberechnung "kritische" Werte
ermittelt. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie ceteris paribus gerade einen
Kapitalwert yon Null induzieren. Viele praktisch g~ingige Entscheidungsregeln be-
ruhen auf der Betrachtung solcherlei kritischer Werte, ohne dass die Aquivalenz
zum theoretisch gut fundierten Kapitalwertkriterium stets gew~ihrleistet ist.
Im Abschnitt 4 wird zum ersten Mal die Nutzungsdauer eines Investitionspro-
jekts nicht mehr als exogen aufgefasst, sondern zum Gegenstand eines Optimie-
rungskalktils. Weil ein Investitionsprojekt nur tiber eine einzige bestimmte Nut-
zungsdauer verftigen kann, liegt hier eine spezielle Auswahlentscheidung zwi-
schen mehreren sich gegenseitig ausschliel3enden Investitionsaltemativen vor. Die
Entscheidungssituation wird komplizierter, wenn mehrfach hintereinander Investi-
tionsprojekte mit endogen zu bestimmender Nutzungsdauer durchgeftihrt werden
k6nnen. Auch auf derartige Szenarien wird daher im Rahmen dieses Abschnittes
n~iher eingegangen.
Unterstellt man im Rahmen von Mehr-Perioden-Betrachtungen einen konstanten
Ein-Perioden-Kapitalmarktzinssatz tiber alle betrachteten Perioden, so spricht man
vom Vorliegen einer flachen Zinsstruktur. Dies ist gleichbedeutend damit, dass
die ftir verschiedene Anlagezeitr~iume gew~ihrte durchschnittliche Ein-Perioden-
Verzinsung stets identisch ist. In der Realit~it ist eine solche Situation typischer-
weise nicht gegeben. Wie man in Fiillen "nieht-flaeher" Zinsstruktur Kapi-
talwerte yon Investitionsprojekten ermittelt, wird im Abschnitt 5 des dritten Ka-
pitels er6rtert.
Kapitalwertberechnungen basieren auf der Diskontierung der kthfftigen Einzahlun-
gen eines Investitionsprojekts mit den jeweils relevanten Kapitalmarktzinss~itzen.
Inwiefern in der betrachteten Entscheidungssimation inflation~re Tendenzen
vorherrschen, ist in diesem Zusammenhang grunds~itzlich ohne Bedeutung. Unter
4
bestimmten Voraussetzungen kann die explizite Berticksichtigung von Inflations-
raten allerdings die M6glichkeit zu vereinfachten Kapitalwertberechnungen er6ff-
nen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, nominale (oder monetSxe) Gr6Ben in
reale (das heiBt in Gtitereinheiten ausgedrtickte) umzurechnen. Details hierzu fin-
den sich im Absctlnitt 6 des dritten Kapitels.
Im Abschnit t 7 schlieBlich wird der Umstand beriicksichtigt, dass die Zahlungs-
konsequenzen aus einem Investitionsprojekt in einer anderen als der Inlands-
wahrung anfallen k6nnen. Damit werden Wechsdkurse als Ausdruck der Wertre-
lation zwischen verschiedenen WS_l-trungen relevant, und es k6nnen Kapitalwerte
in unterschiedlichen W~ihrungen berechnet werden. Hierauf und auf die zwischen
Zinss~itzen, Wechselkursen und Preisniveaus bei vollkommenen M~irkten gtiltigen
Beziehungen wird im Rahmen des letzten Abschnitts des Kapitels III abgestellt.
WS.hrend des ganzen dritten Kapitels wurde stets ein vollkommener Kapitalmarkt
unterstellt. Dieser ist vor allem dadurch charakterisiert, dass in jeder Periode ein
fester Kapitalmarktzinssatz gegeben ist, zu dem Subjekte in beliebiger H6he
Mittel anlegen oder aufnehmen k6nnen. Realistischerweise muss man jedoch an-
erkennen, dass der Mittelanlage- oder Habenzinssatz in aller Regel unter dem Mit-
telaufnahme- oder Sollzinssatz liegt. Eine derartige Konstellation charakterisiert
einen unvol lkommenen Kapitalmarkt , der Gegenstand des vierten Kapitels des
Lehrbuchs ist.
Zun~ichst kann dabei unmittelbar an die Darstellung des Abschnitts 1 aus dem
dritten Kapitel angekntipft werden. Dazu wird der Kontext des Fisher-Modells
einer erneuten Analyse unter der Modifikation unterzogen, dass der Sollzinssatz
oberhalb des Habenzinssatzes liegt. Ein derartiges Szenario bezeichnet man nach
seinem geistigen Urheber als Hirshleifer-Modell. Es sollte nicht tiberraschen,
dass das Kapitalwertlwiterium in seiner im dritten Kapitel hergeleiteten Form
keine Gtiltigkeit mehr besitzt. In der Tat kann man jegliches untemehmerisches
Investitionsverhalten zwar nach wie vor als kapitalwertmaximierend interpretie-
ten, doch ist der zur Diskontierung anzusetzende ZinsfuB nun pr~iferenz- und
verm6gensabh~ingig. Die Fisher-Separation verliert somit ihre generelle Gtiltig-
keit. Aussagen zur Separation von (praferenzabhangigen) Konsum- und (priiferenz-
unabh~ingigen) Investitionsentscheidungen lassen sich unter der Annahme eines
tiber dem Habenzinssatz liegenden Sollzinssatzes daher nur sehr eingeschr~inkt
herleiten, wie die ebenfalls noch im Absehnitt 1 des vierten Kapitels erfolgende
Diskussion des sogenannten Klienteleffekts aus dem Hirshleifer-Modell belegt.
Eine weitere Konsequenz aus der Annahme eines unvollkommenen Kapitalmark-
tes neben der grunds~itzlichen Pr~iferenzabh~ingigkeit optimaler untemehmerischer
Investitionsentscheidungen ist in der erschwerten Problematik des Treffens von
Finanzierungsentscheidungen zu sehen. Unvollkommenheit des Kapitalmarktes
bedingt unter anderem "Konditionenvielfalt" auf der Finanzierungsseite und
schafft dadurch in diesem Zusammenhang ein Entscheidungsproblem, das bei voll-
kommenem Kapitalmarkt so nicht existiert. Gesucht wird nun in der Tat simultan
ein optimales Investitions- und Finanzierungsprogramm, das heigt das best-
m6gliche "Kapitalbudget". Ein Modellansatz, um dieser erh6hten Komplexit~it
Herr zu werden, geht auf J. Dean zurtick. Das Dean-Modell ist Gegenstand des
Abschnitts 2 des vierten Kapitels. Allerdings zeigt sich, dass der Anwendungsbe-
reich des mit unternehmensbezogenen Kapitalangebots- und -nachfragefunktionen
operierenden Dean-Modells als tiberaus eng zu bezeichnen ist und in der Tat
entgegen dem ersten Augenschein sogar hinter dem einfachen Hirshleifer-Modell
des vorhergehenden Abschnitts zurfickbleibt.
Auch als Heuristik ist das Dean-Modell nur von sehr eingeschr~inktem Wert. Im
Abschnitt 3 des vierten Kapitels wird daher er6rtert, wie sich mittels voll-
stiindiger Finanzplanung (tiberschaubare) Kapitalbudgetierungsprobleme bei un-
vollkommenem Kapitalmarkt 16sen lassen. Unter einem vollst~indigen Finanzplan
versteht man die systematische Erfassung sSxntlicher Zahlungskonsequenzen aus
einem gegebenen Kapitalbudget. Durch die explizite Formulierung der Finanz-
plane ffir alle in Betracht zu ziehenden Kapitalbudgets ist ohne weiteres die
Ermittlung des optimalen unternehmerischen Investitions- und Finanzierungspro-
gramms m6glich. Formuliert man vollst~indige Finanzpl~ine in allgemeiner Form,
so ist eine generelle rechentechnische Verarbeitung mit Hilfe der Linearen Pro-
grammierung bei Voraussetzung einer entsprechenden untemehmerischen Ziel-
funktion ohne weiteres m6glich. Insofem lassen sich bei entsprechender EDV-
technischer Untersttitztmg Kapitalbudgetierungsprobleme unter der Pr~imisse
sicherer Erwartungen in sehr allgemeiner Form 16sen, ohne dass derlei L6sungs-
ans~itze in der Praxis bislang wohl eine gr6gere Bedeumng erlangt haben. Ein
Grtmd mag dabei in der fehlenden Berticksichtigung von Risikoaspekten zu sehen
sein, die Gegenstand des nachfolgenden zweiten Bandes sind.
V611ig ausgeklammert blieben in allen Abschnitten bisher noch steuerliche Fra-
gen. Deren praktische Relevanz dtirfte unbestritten sein. Da tiberdies Steuern in
gewisser Weise eine Marktunvollkommenheit darstellen, werden steuerliche As-
pekte im Abschnitt 4 des vierten Kapitels behandelt. Dabei zeigt sich insbeson-
dere, dass unter den Pr~imissen des Standardmodells zur Erfassung steuerlicher
Aspekte in der Investitionsrechnung die Fisher-Separation weiterhin Bestand hat,
diese Kapitalmarktunvollkommenheit an der Anwendung des Kapitalwertkriteri-
ums (wenngleich in modifizierter Form) also grunds~itzlich nichts ~indert. Es sollte
nicht verwundern, dass die Existenz von Steuem Einfluss auf die Beurteilung ver-
schiedener Investitionsprojekte nehmen kann. Sofem dies nicht der Fall ist,
spricht man yon der Investitionsneutralit~it des Steuersystems. Inbesondere wenn
Investitionsneutralit~it verletzt ist, ist ein sogenanntes Steuerparadoxon m6glich,
nach dem ein Investitionsprojekt unter Berticksichtigung der Steuerbelastung tiber
einen h6heren Kapitalwert als vor Steuern verftigen kann. Beide Ph~inomene, In-
vestitionsneutralitfit und Steuerparadoxon, werden ebenfalls im Abschnitt 4 be-
handelt.
Die Ausft~hrungen schlieBen mit einem kurzen Ausblick im fiinften Kapitel.
II
7
Investitionsentscheidungen bei fehlendem Kapital-
marktzugang
1 Problemstellung
In den folgenden Kapiteln soU der Frage nach optimalen unternehmerischen In-
vestitionsentscheidungen nachgegangen werden. Dieses Problem liisst sich flit
verschiedene Entscheidungssituationen einer nEheren Analyse unterziehen. Im
einfachsten Fall betrachtet man einen Unternehmer, der Investitionsprojekte ledig-
lich durch Einsatz seiner eigenen Mittel finanzieren kann, nicht aber in der Lage
ist, zus~itzliche Mittel bei Kapitalgebern aufzunehmen oder tiberschtissige Mittel
bei Kapitalnehmern anzulegen. Der Unternehmer hat insofern zwischen heutigem
Konsum seiner Mittel und in die Zukunft fiber Investitionen vedagertem Konsum
seiner monetRren Anfangsausstattung zu befinden.
Zun~ichst werden im folgenden Absehnitt 2 die zugeh6rigen PrSmissen der unter-
nehmerischen Entscheidungssituation n~iher beschrieben. Der Abschnitt 3 leitet
auf dieser Grundlage konkret die optimalen unternehmerischen Konsum- und In-
vestitionsentscheidungen des betrachteten Unternehmers her. Abschnitt 4 dient
der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
2 Die Annahmen
2.1 Unternehmerische Priiferenzen
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung sei ein Zwei-Zeitpunkte-Modell (t =
0, 1) bei Sicherheit. Da zwei Zeitpunkte einen Zeitraum yon einer Periode
Das im folgenden darzustellende Entscheidungsproblem findet sich mehr oder weniger ausf'tihrlich er6rtert in zahlreichen finanzwirtschaftlichen Lehrbti- chem. Vgl. etwa Drukarczyk (1993), S. 34 f., Franke/Hax (2004), S. 149 ft., sowie Schiifer (2005), S. 83 ft.
II
7
Investitionsentscheidungen bei fehlendem Kapital-
marktzugang
1 Problemstellung
In den folgenden Kapiteln soU der Frage nach optimalen unternehmerischen In-
vestitionsentscheidungen nachgegangen werden. Dieses Problem liisst sich flit
verschiedene Entscheidungssituationen einer nEheren Analyse unterziehen. Im
einfachsten Fall betrachtet man einen Unternehmer, der Investitionsprojekte ledig-
lich durch Einsatz seiner eigenen Mittel finanzieren kann, nicht aber in der Lage
ist, zus~itzliche Mittel bei Kapitalgebern aufzunehmen oder tiberschtissige Mittel
bei Kapitalnehmern anzulegen. Der Unternehmer hat insofern zwischen heutigem
Konsum seiner Mittel und in die Zukunft fiber Investitionen vedagertem Konsum
seiner monetRren Anfangsausstattung zu befinden.
Zun~ichst werden im folgenden Absehnitt 2 die zugeh6rigen PrSmissen der unter-
nehmerischen Entscheidungssituation n~iher beschrieben. Der Abschnitt 3 leitet
auf dieser Grundlage konkret die optimalen unternehmerischen Konsum- und In-
vestitionsentscheidungen des betrachteten Unternehmers her. Abschnitt 4 dient
der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
2 Die Annahmen
2.1 Unternehmerische Priiferenzen
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung sei ein Zwei-Zeitpunkte-Modell (t =
0, 1) bei Sicherheit. Da zwei Zeitpunkte einen Zeitraum yon einer Periode
Das im folgenden darzustellende Entscheidungsproblem findet sich mehr oder weniger ausf'tihrlich er6rtert in zahlreichen finanzwirtschaftlichen Lehrbti- chem. Vgl. etwa Drukarczyk (1993), S. 34 f., Franke/Hax (2004), S. 149 ft., sowie Schiifer (2005), S. 83 ft.
begrenzen, kann man altemativ auch von einem Ein-Perioden-Modell sprechen.
Es sei nun ein Unternehmer vorausgesetzt, der Konsumauszahlungen C t in den
Zeitpunkten t = 0, 1 t~itige. Konkret wird der Untemehmer Mengeneinheiten yon
nutzenstiftenden Konsumgtitem erwerben. Im Weiteren sei dabei yon dem
einfachsten Fall der Existenz nur eines Konsumgutes ausgegangen, das vom Un-
ternehmer in den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 zu den dann herrschenden, vom
Unternehmer nicht beeinflussbaren (Sttick-) Preisen Pt bezogen werden kann.
Es ist unmittelbar plausibel und Risst sich auch leicht zeigen, dass unter diesen
Voraussetzungen eine ceteris paribus erfolgende Erh6hung der Konsumauszahlung
C t in einem Zeitpunkt t ebenfalls mit einem Nutzenzuwachs einhergeht. Der un-
ternehmerische Nutzen wird n~imlich originS_r in den Verbrauchsmengen Y0 und
Yl des Konsumgutes in t -- 0 und t = 1 definiert, wobei Yt = Ct/Pt gilt. Eine ceteris
paribus erfolgende Erh6hung von C t um 1 Geldeinheit (GE) bedingt wegen der
Konstanz von Pt eine konstante Erh6hung von Yt und folglich eine entsprechende
Nutzenmehrung. Daher steigt der unternehmerische Nutzen mit ceteris paribus
erh6hten Konsumauszahlungen C t an. Pr~ignant formuliert, bedeutet dies, dass der
Untemehmer mehr Geld gegentiber weniger Geld bevorzugt.
Weiter g~ingig ist die Annahme, dass der Nutzen des Unternehmers in den Kon-
sumauszahlungen C t jeweils nur degressiv ansteigt. Zwar ftihrt eine ceteris
paribus erfolgende Erh6hung der Konsumauszahlung C o oder C~ demnach stets zu
einer Nutzenmehrung, der resultierende Zuwachs f~illt mit wachsendem Wert von
C t (t = 0, 1) aber immer kleiner aus.
Mit U(C0;C1) als der in den Konsumauszahlungen C t definierten Nutzenfunkt ion
des Unternehmers und unter der zus~itzlichen Voraussetzung der Differenzierbar-
keit von U sind die bislang formulierten Annahmen gleichbedeutend dazu, dass
die partiellen Ableitungen erster Ordnung yon U nach Co und Cl jeweils positiv,
die Ableitungen zweiter Ordnung jedoch negativ sind:
ou o2u - - > O, - - < 0 (t = O, 1). ( 1 . 1 ) OC t OC 2
Zweifellos ist die Vorstellung degressiver Nutzenzuw~ichse bei steigenden Kon-
sumauszahlungen sehr naheliegend und wirkt auf den ersten Blick v611ig ein-
leuchtend. Tats~ichlich aber sind hiermit zwei Probleme verbunden, die im Zu-
sammenhang mit der blogen Voraussetzung eines in C t streng monoton wachsen-
den Nutzenniveaus nicht auftreten.
Erstens lassen sich die negativen Vorzeichen der zweiten Ableitungen von U in
der Tat zwar bei Betrachtung von n u r e i n e m Konsumgut ~ihnlich wie die strenge
Monotonie aus der Annahme eines abnehmenden Nutzenzuwachses bei ceteris zu-
nehmendem Verbrauch des Konsumguts herleiten. Ein derartiger Zusammenhang
besteht bei Betrachtung von mindestens zwei Konsumgfitem aber nicht mehr.
Das bedeutet, dass abnehmender Nutzenzuwachs in den Konsumauszahlungen
selbst dann nicht mehr generell gefolgert werden kann, wenn der untemehme-
rische Nutzenanstieg aus der Erh6hung des Konsums eines (jeden) beliebigen
Gutes um 1 Mengeneinheit (ME) grunds~itzlich mit wachsendem, bereits erreich-
ten Ausgangskonsumniveau hinsichtlich des betreffenden Gutes abnehmend ver-
l~iuft. 2
Zweitens sind unternehmerische Nutzenfunktionen bei Sicherheit ordinaler Na-
tur. Durch den jeweils realisierten Nutzenfunktionswert werden Handlungsaltema-
tiven in eine Rangfolge gebracht. Diese Rangfolge iindert sich nicht, wenn man
die Nutzenfunktion des Untemehmers positiv monoton transformiert. Dies be-
deutet, dass man zu jeder Handlungsalternative neue Nutzenwerte G[U(-)] ermit-
teln kann, wobei G(-) eine (streng) monoton steigende Funktion der Nutzenfunk-
tionswerte U(-) ist: Die Handlungsalternative mit dem h6chsten Nutzenwert vor
der Transformation hat auch den h6chsten Nutzenwert nach der Transformation.
Daher ist die modifizierte Nutzenfunktion G[U(-)] ebenso gut f'tir eine Alternati-
2 Auf diesen Umstand wird in Breuer (2001b) n~iher eingegangen.
10
venreihung geeignet wie die urspriingliche. Das Krfimmungsverhalten der beiden
gleichwertigen Beschreibungen der unternehmerischen Pr~iferenzen kann aber
ganz unterschiedlich sein. 3
Insbesondere for unsere Herleimng des zentralen Ergebnisses der sogenannten
Fisher-Separation im Abschnitt 1 des Kapitels III werden wir freilich schon mit
der Annahme eines (streng) monoton steigenden Verlaufs von U auskommen, und
diese Annahme sieht sich - wie bereits erwNmt - nieht den beiden obigen
Problemen ausgesetzt. Insofern dient die Voraussetzung eines bestimmten Krfim-
mungsverhaltens von U hier vor allem der Vereinfachung und Veranschaulichung
und k6nnte auch entfallen.
Wenn im Weiteren ohne n/ihere Spezifikation von "Konsum" die Rede ist, sind
stets vereinfachend die unternehmerischen Konsumauszahlungen statt der kon-
kreten mengenmS.gigen Verbr~iuche des Konsumguts gemeint. Das heigt, dass auf
die hinter den Konsumauszahlungen stehenden Entscheidungen des Untemehmers
wegen fehlender Relevanz fiir die folgenden Herleitungen nicht nS_her einge-
gangen wird.
Der ceteris paribus resultierende Nutzenzuwachs aus dem zus~itzlichen Konsum
ehner weiteren Geldeinheit wird als Grenznutzen bezeichnet. Betrachtet man eine
infinitesimale Steigemng des Konsumniveaus C t des Zeitpunktes t, so entspricht
der Grenznutzen der ersten Ableimng von U nach C t. Generell gilt n~mlich das
totale Dif ferent ia l
dU = 0U .dC0 + 0U .dC1" (1.2) 0C 0 0C 1
Die Anderung dU des Nutzenniveaus des Unternehmers infolge der Anderungen
dC 0 und dC 1 kann Nkherungsweise dadurch beschrieben werden, dass man dC 0
3 Bei Entscheidungen unter Risiko hingegen stellt sich der Zusammenhang an- ders dar. Vgl. Breuer (2001a).
11
und dC1 mit den jeweils zugeh6rigen partiellen Ableitungen der unternehmeri-
schen Nutzenfunktion multipliziert und die beiden Produkte addiert. Sofern die
unternehmerische Nutzenfunktion U(C0;C1) (additiv) linear ist, beispielsweise
U(C0;C 0 = 2C0+3C 1, ist die Ermittlung von dU gem~if3 (1.2) stets exakt. Sie
stimmt recht gut n~ihemngsweise, falls sich die partiellen Ableitungen von U im
Bereich der Erh6hung der Konsumauszahlungen nicht sehr stark ~indem, also ftir
kleine Variationen von C o und C1. Im Grenztibergang mit infinitesimalen Kon-
sum~indemngen dC 0 und d e 1 hat (1.2) daher stets exakte Gtiltigkeit. In diesem
Sinne sollen die Grtigen dC o und d C 1 im Weiteren verstanden werden.
Ftir dCo = 0 und dC1 = 1 erhNt man nun gerade dU = OU/OC1. Entsprechendes
gilt ftir dC0 = 1 und dC 1 = 0. Sofern nichts anderes vermerkt ist, wird aus diesem
Grunde die Bezeichnung "Grenznutzen" als Synonym ftir eine erste Ableitung
von U verwendet.
Beispiel 1.1: Gegeben sei die Nutzenfunktion 4
(, ,0,3 (-~ 0,7 U ( C 0 ; C 1 ) = "--0 " ' --1 -
Ftir die Ableitungen erster und zweiter Ordnung erhNt man
(1.3)
Es handelt sich hierbei um einen in 6konomischen Analysen recht beliebten Nutzenfunktionstyp, der unter der B ezeichnung "Cobb-Douglas-Nutzenfunk- tion" bekannt ist. Vgl. etwa Varian (2004), S. 61 ft.
12
{ C1 ~0,7
0C o
0U _ n-7 c ,~ c,-0,3 t' Co'~ ~ (~1 v'"" ~'~0 "'~' = 0,7' [~--~1J > 0 ,
OZU - -0,21" Co 1'7" C 0'7 < O,
c~U 03 -73 - - 0 , 2 1 . C O ' - C 1 ' < 0,
(1.4)
sofern man die Betrachtung (sinnvollerweise) auf positive Werte ftir C O und C1
beschr~inkt. []
2.2 U n t e r n e h m e r i s c h e A n f a n g s a u s s t a t t u n g u n d R e a l i n v e s t i t i o n s m 6 g -
l i c h k e i t e n
Mit W 0 (W ftir engl. "wealth" = "Reichtum") sei das Anfangsvermiigen des Un-
temehmers im Zeitpunkt t = 0 bezeichnet. Statt dieses Anfangsverm6gen komplett
in t = 0 zu konsumieren, k6nne es ganz oder teilweise in t = 0 auch investiv
verwendet werden. Ein Realinvest i t ionsvolumen I f'tihre dabei zu monetS_ren
Rtickfltissen in t = 1 im Umfang F(I). Man spricht hierbei von Realinvestitionen,
weil es um das T~itigen von Auszahlungen zum Erwerb von gegenst~indlichen
Dingen wie Geb~iuden und Maschinen mit dem Ziel der Herstellung und Ver-
~iugemng von Gtitern geht und derartige Investitionen von dem Erwerb von Wert-
papieren, also reinen Finanztransaktionen und damit F i n a n z i n v e s t i t i o n e n ,
13
abgegrenzt werden sollen. 5 Nattirlich liegen beispielsweise den auf erworbenen
Aktien eines anderen Unternehmens zu elavartenden Einzahlungen letztlich auch
Realinvestitionen zugmnde. Wenn der Untemehmer aber derartige Wertpapierge-
sch~ifte t~itigt, beteiligt er sich nur mittelbar an Realinvestitionen anderer, wShrend
er bei der Durchftihrung eigener Realinvestitionen unmittelbar selbst unternehrne-
risch t~itig wird. Insofem ist eine grunds~itzliche Unterscheidung yon Real- und
Finanzinvestitionen durchaus sinnvoll. Im Weiteren wird zun~ichst yon der M6g-
lichkeit zur Durctfftihrung yon Finanzinvestitionen abgesehen. Da diese auf einem
Kapitalmarkt get~itigt werden, ist diese Prgxnisse gleichbedeutend mit der Abstrak-
tion yon der Existenz eines Kapitalmarktes. Daher betrachten wir im Folgenden
Realinvestitionsentscheidungen far den Fall fehlenden unternehmerischen Kapi-
talmarktzugangs.
Inwieweit sich Realinvestitionen f'tir den Unternehmer lohnen, h~ingt natarlich
zum einen von den durch die Nutzenfunktion U ausgedrtickten Pr~iferenzen des
Unternehmers ftir Konsum in verschiedenen Zeitpunkten und zum anderen von
dem Verlauf der Funktion F in AbhS.ngigkeit vom Realinvestitionsvolumen Iab.
Man bezeichnet die Funktion F auch als Realinvestitions- oder Investitionser- tragsfunktion. Um deren Gestalt herzuleiten, sei angenommen, dass der betrach-
tete Unternehmer Zugang zu N verschiedenen Investi t ionsprojekten habe. Jedes
dieser Investitionsprojekte k6nne unabhiingig yon den anderen durchgeftihrt
werden. Das bedeutet, dass die Zahlungskonsequenzen aus der Durchf'tihrung
eines jeden Projekts nicht davon abh~ingen, welche anderen Projekte noch reali-
siert werden, und die zur Verftigung stehenden Projekte insbesondere in belie-
biger Weise kombiniert werden k/3nnen. Die Gesamtheit der vom Unternehmer
Auch der Erwerb von Patenten und Lizenzen sowie sonstigen immateriellen Produktionsfaktoren ist dem Bereich der Realinvestitionen zuzuordnen, wenn- gleich es hier an der gegenstS_ndlichen Natur fehlt. Derartige Engagements sind namlich ebenfalls wie der Kauf von Maschinen und Geb~iuden systema- tisch yon reinen Kapitalmarkttransaktionen, sprich Finanzinvestitionen, ver- schieden.
14
letzten Endes ausgewahlten Investitionsprojekte beschreibt das von ihm realisierte
Investitionsprogramm.
Im Rahmen des n-ten Projekts sollen maximal Mittel im Umfang von I (n~ in t =
0 eingesetzt werden k6nnen. Bei Realisation des maximalen Investitionsvolumens
I ~") belaufe sich die untemehmerische Einzahlung des Zeitpunktes t = 1 aus der
im Rahmen des Projekts n m6glichen Gtitererstellung auf E (n). Ohne weiteres
kann angenommen werden, dass stets E (n) > 0 gilt, denn andernfalls ware der Un-
ternehmer niemals zur Investition und dem damit in t = 0 einhergehenden Kon-
sumverzicht bereit: Investitionen k6nnen sich hier nur lohnen, wenn dadurch eine
Steigerung des Konsumniveaus in t = 1 erreicht wird. Projekte mit E (n) < 0 wer-
den deswegen im Weiteren grunds~itzlich nicht mehr betrachtet. Wir werden auf
diesen Punkt allerdings nochmals zurtickkommen.
Wird nur ein Betrag I (n)+ < I (n) in das Investitionsprojekt n investiert, so soil sich
entsprechend nur ein Anteil I(")+/I (") yon E (n) als Rtickfluss des Zeitpunktes t = 1
ergeben. In einem derartigen Fall mit der M6glichkeit, ein Investitionsprojekt nur
zu einem bestimmten Bruchteil statt vollst~indig durchzuftihren, spricht man yon
der (beliebigen) "Tei lbarkei t" des betreffenden Investitionsprojekts. Infolge die-
ser hier angenommenen Eigenschaft kann man auch sagen, dass bis zu einem In-
vestitionsvolumen I (n) das n-te Projekt je eingesetzter Geldeinheit einen Rtickfluss
ftir t = 1 in Htihe von (l/I(n))'E (") gewS_hrt und damit einen Verm6genszuwachs 6
von (E(n)/I(")) - 1 im Zeitraum von t = 0 bis t = 1 erm6glicht. Dieser auf den Ein-
satz yon 1 GE bezogene (und damit relative) Verm6genszuwachs wird auch als
Rendi te des Investitionsprojekts bezeichnet.
Dieser kann auch negativ sein, das heigt, eine Situation mit E (n~ < I (n) ist a priori nicht ausgeschlossen, wenngleich ein derartiges Projekt n in vielen F~il- len nicht realisiert wtirde. Beispielsweise gilt Letzteres dann, wenn zinslose Kassenhal tung monet~irer Mittel von t = 0 bis t = 1 in beliebigem Umfang m6glich ist.
15
Beispiel 1.2:
Gegeben sei ein beliebig teilbares Projekt mit einem maximalen Investitionsvolu-
men yon 80 GE in t = 0 bei einer hieraus resultierenden untemehmerischen Ein-
zahlung in t = 1 yon 100 GE. Dann liefert jede in t = 0 in dieses Projekt inves-
tierte GE einen Rtickfluss von 100/80 = 1,25 GE in t = 1 und mithin eine Rendite
yon 1,25-1 = 25 % ftir den Untemehmer. Das heigt, auf jede in t = 0 eingesetzte
Geldeinheit wird tiber den Rtickerhalt dieser Geldeinheit in t = 1 hinaus noch
eine Verzinsung von 25 % verdient. []
Wenn der Unternehmer nun dartiber zu entscheiden hat, in welches der N Projek-
te er sinnvollerweise eine Geldeinheit investieren sollte, wird er sich in jedem
Fall zun~ichst ftir das Projekt n = n* entscheiden, das ihm den h6chsten Rtickfluss
E(n~/I (n) und damit nattirlich auch die h6chste Rendite (E(n)/I(n)) - 1 fiir diesen Mittel-
einsatz verspricht. In dieses Projekt wttrde der Unternehmer auch eine etwaige
zweite Geldeinheit investieren. In der Tat wird mit wachsendem Investitionsvo-
lumen ein anderes als das Projekt mit der h6chsten Rendite erst dann in Betracht
kommen, wenn in das Projekt n* wegen Erreichung der for dieses Projekt mag-
geblichen Investitionsobergrenze I (n)* nicht weiter investiert werden kann. F'tir
dartiber hinausgehende Investitionsvolumina wird der Unternehmer zwangsl~iufig
teilweise auch auf das Projekt mit der zweith6chsten Rendite zurtickgreifen.
Entsprechend kommt das Projekt mit der dritth6chsten Rendite erst dann zum Zu-
ge, wenn in die beiden ertragreichsten Projekte aufgrund der Erreichung ihrer
jeweiligen maximalen Investitionsvolumina nicht mehr weiter investiert werden
kann. In analoger Weise verf~ihrt der Untemehmer im Falle weiterer Ausdehnung
seiner betrachteten Investitionsvolumina. Zusammenfassend wird der Untemehmer
die N zur Verftigung stehenden Investitionsprojekte demnach nach ihren Renditen
sortieren k6nnen. Zur Vereinfachung sei deswegen nun angenommen, dass Pro-
jekt 1 das mit der h6chsten und Projekt N das mit der niedrigsten Rendite sei.
Ftir alle nichmegativen Investitionsvolumina Ib i s zu einem Maximalwert von I (~)
ergeben sich zum Zeitpunkt t = 1 ftir den Unternehmer demnach Rtickflfisse in
H6he von (I/I~ ~ Investitionsvolumina tiber I ~ ftihren bis Im+I (2) zu
Rtickfltissen von E~ (2)] "E (2). In entsprechender Weise verh~ilt es sich ftir
16
I > I(l)+I (2). Allgemein bel~uft sich f'ttr ein Investitionsvolumen I mit I(1%...+I (n-l)
< I < I(l)+...+I (n) der hieraus ffir t = 1 resultierende monetS_re Zufluss auf
(E(~+...+E ("-1)) + [(I-I(~L...-I("-~)/I ("~] "E ("). [lber den Betrag I(t)+...+I (N) hinaus sind
weitere Investitionen de facto nicht m6glich. Das bedeutet, I > I(1)+...+I (N~ kann
nur so verstanden werden, dass der Untemehmer den Betrag I-(I(l~+...+I (N)) bei-
spielsweise durch "Geldverbrennung" sinnlos vernichtet, weswegen sich die
Rfickflfisse ftir I > I~+...+I (N) konstant auf Em+...+E (N) belaufen. Insofern w ~ e es
sachgerecht, den Definitionsbereich von I auf das Intervall [0;I(l)+...+I (N)] zu be-
schr~inken. Es ist aber auch unsch~idlich, wenn man zur Gew~arleistung einer fiber
die ganzen nichtnegativen reellen Zahlen definierten Investitionsertragsfunktion
Investitionsvolumina I > I(~)+...+I (N~ zul~isst und ilmen als Einzahlung des
Zeitpunktes t = 1 den Wert E(1~+...+E (N) zuordnet. In dieser Weise soll im
Weiteren verfahren werden.
Ein denkbarer Spezialfall w~ire, dass eines der betrachteten Projekte die reine
(zinslose) Kassenhal tung 7 der monetgren Mittel beschreibt. Sofern diese in un-
beschrg.nktem Umfang m6glich ist, wfirde sich die Steigung der Investitionser-
tragsfunktion ab einem gewissen Investitionsvolumen auf konstant 1 belaufen.
Von dieser M6glichkeit wird im Folgenden allerdings abgesehen.
Genau fiber die gerade ausffihrlich dargelegten Rfickflfisse des Zeitpunktes t = 1
in Abhiingigkeit des Investitionsvolumens des Zeitpunktes t = 0 ist nun die Inves-
titionsertragsfunktion beschrieben, da diese zu jedem Investitionsvolumen I an-
gibt, welche Einzahlung der Unternehmer in t = 1 realisiert:
Zweifellos ist Kassenhaltung eine sehr degenerierte Form einer Realinvesti- tion. Weil es hierbei aber nicht um Kapitalmarkttransaktionen geht, dfirfte die Klassifikation als Realinvestition vertretbar sein.
17
F(I) =
I .E(1) i0)
E (1) +... +E (n-l) + I - I (1) -... - I (n- 1). E (n) I (n)
E(1)+... +E(N-1)+
E0)+... +E(m
I - I ( I ) - . . . - I (N-1)
I (N) E (N)
0 _< I _< I (1),
n - 1 n
I ("+) < I _< I (n.), n+=l n*= l
(1.5)
N-I N
I (n§ < I ~ ~ I ("~), n+=l n+=l
N
~ I (~+) < I. n+=l
Die graphische Darstellung der Investitionsertragsfunktion sei als Realinves-
titions- oder Inves t i t ionser t ragskurve bezeichnet. Deren Steigung betdigt zu-
n~ichst Em/I (~), dann E(2)/I (2) bis schliefJlich E(N)/I (N) trod wird somit wegen der an-
genommenen Projektsortierung nach absteigenden Renditen immer kleiner. Man
erh~ilt demnach eine abschnittsweise lineare, degressiv steigende Funktion, die im
Ursprung beginnt. Abbildung 1.1 stellt einen beispielhaften Verlauf bei Zugrun-
delegung von drei verschiedenen Investitionsprojekten dar.
18
Z0) + E(2) + E(3)
E (1) + E(2) '
EO). 1+2
l+2+3
I i- IiO) iO) I+ i{2) ~0) + 1~2) + ~/3) l
Abbildung 1.1: Investitionsertragskurve bei Verfiigbarkeit von drei Investitions- projekten
B e i s p i e l 1 .3 :
Gegeben sei ein Unternehmer, der Zugang zu drei beliebig teil- und unabh~ingig
voneinander realisierbaren Investitionsprojekten habe. Die maximalen Investi-
tionsvolumina und zugeh6rigen Rtickfltisse aus den drei Projekten k6nnen der
nachfolgenden Tabelle 1.1 entnommen werden:
19
Projekt 1
Projekt 2
Projekt 3
Tabelle 1.1:
I(n) E(n)
80 100
100 120
50 55
Maximale Investitionsvolumina und monetare Rtickfliasse ftir drei
verschiedene Projekte
Auf der Grundlage der Daten aus Tabelle 1.1 lassen sich die Renditen der drei
Projekte als (E(~)/I~ = 25 %, (E(2~/I(2))-1 = 20 % sowie (E(3)/I(3))-1 = 10 % be-
rechnen. Die Projekte sind damit schon absteigend nach ihren jeweiligen Renditen
gereiht, und es kann unmittelbar die Investitionsertragsfunktion aufgestellt wer-
den:
F(I) =
1,25.1 0 g I g 80,
1,2"(I-80)+100 80 < I g 180,
1,1.(1-180)+220 180 < I g 230,
275 230 < I.
(1.6)
Die graphische Darstellung dieser Investitionsertragsfunktion entspricht mit I (~) =
80 GE, I(~)+I (2) = 180 GE und I(~)+I(2)+I (3) = 230 GE sowie E (1) = 100 GE, E(~)+E (2)
= 220 GE und E(~)+E(2)+E (3~ = 275 GE yon der Struktur her Abbildung 1.1. []
Sofern man also annimmt, dass der Untemehmer tiber Zugang zu beliebig teilba-
ren, unabh~ingigen Investitionsprojekten verftigt, l~isst sich unmittelbar auf die
Existenz einer degressiv steigenden Investitionsertragsfunktion schliel3en. Ins-
besondere die Priimisse beliebiger Teilbarkeit ist in diesem Zusammenhang kri-
tisch. Denn zum einen ist sie mit der Realit~it kaum in Einklang zu bringen. Nur
in sehr wenigen Fallen wird es wirklich m6glich sein, ein Investitionsprojekt auch
20
in Bruchteilen zu realisieren, also etwa ein halb so grol3es Fertigungswerk mit
auch nur halb so grogen ktinftigen Einzahlungen zu realisieren. Zum anderen ist
die Annahme der beliebigen Teilbarkeit aber in der Tat unabdingbar, um einen
degressiv steigenden Verlauf der Investitionsertragsfunktion zu gewS.hrleisten.
Beispiel 1.4: Das Beispiel 1.3 sei insofem abgewandelt, als die drei zugrunde gelegten, belie-
big kombinierbaren Projekte nun als unteilbar angenommen werden sollen. Dies
hat zur Konsequenz, dass far Investitionsvolumina unterhalb von 50 GE tiber-
haupt keine positiven Rtickfltisse erwirtschaftet werden k6nnen. Insofern ist die
Investitionsertragsfunktion genaugenommen ftir Investitionsvolumina unter 50 GE
gar nicht definiert. Fasst man diese Investitionsbetr~ige jedoch wie weiter oben
schon dargelegt als das unproduktive Vernichten von liquiden Mitteln in t = 0
auf, dann ist ftir Investitionsbetr~ige 0 < I < 50 eine Einzahlung von 0 GE zum
Zeitpunkt t = 1 auszuweisen. Genau in dieser Weise soil im Folgenden verfahren
werden.
Fiir 50 < I < 80 ist allein das Projekt 3 durchffihrbar und damit auch optimal. Der
Rtickfluss des Zeitpunktes t = 1 betri~gt jeweils 55 GE. Ftir 80 < I < 100 wird der
Unternehmer zum Projekt 1 wechseln und eine Einzahlung yon 100 GE in t = 1
realisieren. Im Intervall [100;130) ist Projekt 2 mit einem Riickfluss yon 120 GE
am besten, ftir I ~ [130;150) eine Kombination von Projekt 1 und 3, was zu
Einzahlungen yon 155 GE in t = 1 fiihrt. Im Intervall [150;180) wird die Wahl
auf die simultane Realisation der Projekte 2 und 3 mit kiinftigen Einzahlungen
von 175 GE fallen. Ftir 180 < I < 230 werden die Projekte 1 und 2 ausgew~hlt,
was 220 GE in t = 1 einbringt, und ab I = 230 GE schlieNich werden alle drei
Projekte gleichzeitig bei Einzahlungen von 275 GE implementiert. Die zugeh6rige
Investitionsertragskurve findet sich in Abbildung 1.2.
21
300 �9
250 "
200 �9
150 �9
1 0 0
50
F(I)
2 0
1 0
0
1+3
0
2+3
1+2
1+2+3
I J ! ! [ I I I I I I I 1 I I I I I I I I I I I I I I
50 100 150 200 250
A bbildung 1.2: Investitionsertragskurve bei fehlender Teilbarkeit von Investi- tionsprojekten
Wie man unschwer erkennt, ist die Investitionsertragskurve zwar (na~'rlich)
monoton steigend, aber nicht einmal mehr stetig und erst recht nicht degressiv.
Des Weiteren ist eine einfache Reihung yon Investitionsprojekten nach ihren
jeweiligen Renditen augenscheinlich ohne Bedeutung, da auch ihr jeweiliges
Investitionsvolumen mindestens ebenso wichtig ist. So wird bei Zugrundelegung
der Unteilbarkeitsannahme das renditeschw~ichste Projekt 3 bei kleinen Investi-
tionsvolumina einfach deswegen realisiert, weil die grOgeren Projekte nicht durch-
ftthrbar sind. Mit wachsendem Investitionsvolumen verschwindet Projekt 3 dann
zun~ichst wieder yon der Agenda, um sich etwa fiJr I ~ [130;150) erneut als
optimal zu erweisen. []
Das Beispiel 1.4 zeigt recht instruktiv die Schwierigkeiten auf, die sich aus der
Aufgabe der Teilbarkeitspr~nisse ergeben. Im Wesentlichen bleibt nur die Mono-
22
tonie der Investitionsertragsfunktion erhalten. In ahnlicher Weise ist auch die An-
nahme unabh~ingiger Durchfiihrbarkeit yon Invesfitionsprojekten yon grundle-
gender Bedeutung, wenngleich dieser Sachverhalt in der Realit~it eher vorliegen
dtirfte als die Teilbarkeitseigenschaft. Die extremste Form der Abh~ingigkeit zwi-
schen zwei Projekten liegt vor, wenn sie nicht beide simultan durchgeftihrt wer-
den k6nnen, etwa weil es sich um die Realisation zweier alternativer Herstel-
lungsverfahren ftir dasselbe Produkt handelt. Man spricht in diesem Fall davon,
dass sich die beiden Projekte gegenseitig ausschliel3en. Die sich hieraus ergeben-
den Konsequenzen sollen anhand eines weiteren Beispiels veranschaulicht wer-
den.
Beispiel 1.5:
In Abwandlung des Beispiels 1.3 seien alternativ zwei verschiedene Szenarien
betrachtet:
1) Die Durchffihrung der Projekte 2 und 3 soll sich gegenseitig ausschliegen,
2) die Durchftihrung der Projekte 1 und 2 soll sich gegenseitig ausschliegen.
Der Fall 1) ist recht einfach zu handhaben. Projekt 2 verffigt sowohl fiber eine
h6here Rendite als auch ein h6heres maximales Investitionsvolumen als Projekt
3 und ist diesem daher eindeutig fiberlegen. Das heigt, der Untemehmer kann die
Investitionsertragsfunktion so ermitteln, als ob Projekt 3 nicht existierte. Infolge
der Teilbarkeitsannahme hat der Unternehmer nSxnlich gewissermagen zwischen
dem Zugang zu 100 standardisierten Investitionsprojekten fiber jeweils 1 GE mit
Rendite von je 20 % und dem Zugang zu 50 standardisierten Investitionspro-
jekten mit einer Rendite von jeweils 10 % zu entscheiden. Zweifellos f~illt diese
Wahl leicht.
Etwas komplizierter ist der Sachverhalt im Fall 2), da hier das renditest~irkere
Projekt 1 tiber einen geringeren maximalen Investitionsbetrag als das rendite-
schw~ichere Projekt 2 verffigt. Ftir hohe Investitionsvolumina kann es sich ftir den
Untemehmer daher lohnen, das Projekt 2 statt des Projekts 1 trotz der geringeren
23
Projektrendite auszuwNalen. Damit ist zungchst einmal auch klar, dass sich der
Unternehmer bis zu einem Investitionsvolumen von 80 GE in jedem Fall far die
Realisation des Projekts 1 entscheiden wird. Far darfiber hinausgehende Investi-
tionsbetr~ige hat der Unternehmer nun zwischen der simultanen Realisation der
Projekte 1 und 3 und alternativ dem Wechsel zur alleinigen Durchffihrung des
Projekts 2 abzuw~igen. Erstere Verhaltensweise liefert Einzahlungen in t = 1 von
100+[0-80)/50]-55 = 100+1,1 .(I-80) far 80 < I < 130, wS_hrend letztere M6glich-
keit zu Rtickfltissen von (I/100)-120 = 1,2-I far I < 100 fahrt. Gleichsetzen
dieser beiden Ausdracke ergibt einen kritischen Wert Ikrit = 120 GE. Erst ab
diesem Investitionsvolumen warde sich der Wechsel yon einem aus Projekt 1 und
3 bestehenden Investitionsprogramm zur alleinigen Durchf'tihrung des Projekts 2
demnach lohnen. Weil aber in Projekt 2 bier nur maximal 100 GE investiert wer-
den k6nnen, scheidet die alleinige Realisation yon Projekt 2 in diesem Fall 2) als
optimales Investitionsverhalten aus. In Betracht kommt aber noch die kombinierte
Realisation der Projekte 2 und 3. Wieder muss man sich hierzu fragen, ab wel-
chem Investitionsvolumen die Durchffilhrung der Projekte 2 und 3 der alternativen
Realisation der Projekte 1 und 3 tiberlegen ist. Weil in beiden Programmen Pro-
jekt 3 enthalten ist und Projekt 1 fiber eine h6here Rendite als Projekt 2 verffigt,
kann die simultane DurchfUhrung der Projekte 2 und 3 allenfalls far Investitions-
volumina tiber I(l)+I (3) = 130 GE yon Vorteil sein. In der Tat erh~ilt man bei voll-
st~indiger Durchftihrung der Investitionsprojekte 1 und 3 in t = 1 Einzahlungen
von 155 GE. Auf diesen Betrag kommt man bei Entscheidung ftir die Projekte 2
und 3 erst, wenn man Projekt 2 vollstg_ndig und Projekt 3 im Umfang 35/55 =
7/11 durchfahrt. Dazu geh6rt ein Investitionsvolumen von 100+50-7/11 = 131,82
GE. Ab diesem Wert ist die Durchffihrung der Projekte 2 und 3 besser als die
Umsetzung von 1 und 3. Zwischen den Investitionsvolumina 130 GE und 131,82
GE werden folglich weiterhin die Projekte 1 und 3 im vollen Umfang realisiert.
Der jeweilige Restinvestitionsbetrag "versickert" unproduktiv: Die Einzahlungen
des Zeitpunktes t = 1 belaufen sich far diese Investitionsbetr~ge also auf konstant
155 GE. Zusammenfassend erh~ilt man demnach (n~iherungsweise) die folgende
Investitionsertragsfunktion:
24
F(I) =
1,25. I 0 _< I <__ 80,
1 0 0 + 1 , 1 . ( I - 8 0 ) 80 < I ~ 130,
155 130 < I z 131,82,
120+1,1.(I-100) 131,82 < I _<_ 150,
175 150 < I.
(1.7)
Wie man sieht, erh~ilt man in beiden obigen F~illen 1) und 2) nicht nur ein kom-
plizierteres Auswahlproblem als bei Annahme beliebig kombinierbarer Projekte,
auch kann der degressiv steigende Verlauf der Investitionsertragsfunktion verlo-
rengehen. Die in (1.7) beschriebene Funktion etwa hat ftir Investitionsvolumina
yon 130 bis 131,82 GE eine Steigung von Null, unmittelbar danach aber wieder
eine von 1,1. Generell erhalten bleibt bei Abh~ingigkeiten zwischen (beliebig teil-
baren) Investitionsprojekten in der Tat allein der abschnittsweise lineare, monoton
steigende Verlauf von Realinvestitionsfunktionen. []
Auger der Monotonie erweist sich also im allgemeinen Fall keine Eigenschaft
der Investitionsertragskurve als stabil. Diese Erkenntnisse sollte man im
Hinterkopf behalten, wenn aus Grfinden der Komplexit~itsreduktion im Weiteren
die Annahmen der UnabhSangigkeit und beliebigen Teilbarkeit der vorhandenen
Investitionsprojekte ZUl~chst beibehalten werden. Die hieraus resultierende Inves-
titionsertragsfunktion ist fur konkrete Anwendungen schnell aufzustellen und in
ihrem allgemeinen Verlauf aufgrund der mOglichen Reihung von Projekten nach
ihren Renditen eindeutig zu beschreiben. Als "st6rend" erweisen sich allerdings
noch die "Knickstellen", an denen jeweils ein weiteres Projekt in das augen-
blicklich betrachtete Investitionsprogramm Aufnahme findet. An diesen Stellen
n~imlich ist die Investitionsertragskurve nicht differenzierbar. Aus diesem Grunde
wird in Lehrbfichern ganz fiberwiegend ein "stilisierter" Verlauf der Investitions-
ertragsfunktion zugrunde gelegt mit F(0) = 0 sowie F'(I) > 0 und F"(I) < 0 ftir
25
alle m6glichen Investitionsvolumina I > 0. 8
F(I)
~ f
t
Abbildung 1.3: Stilisierter (differenzierbarer) Verlauf einer Investitionsertrags- kurve
Unter Beachtung der obigen Herleimng der Investitionsertragskurve aus Abbil-
dung 1.1 gelangt man zu einem derartigen stilisierten Verlauf nur f'tir den Grenz-
fall des unternehmerischen Zugangs zu unendlich vielen Projekten infinitesimaler
Gr6ge mit ebensolchen Renditeunterschieden, wobei die insgesamt verftigbaren
Projekte tiberdies 9 in ihrer Gesamtheit auch noch unbegrenzte Investitionsm6g-
lichkeiten bieten. Auch im Rahmen des vorliegenden Lehrbuchs wird zun~ichst
yon diesem vereinfachten Verlauf der Investitionsertragskurve ausgegangen,
wenngleich an sp~iterer Stelle Konsequenzen aus altemativen Verl~iufen der Inves-
titionsertragskurve noch zu besprechen sein werden.
Vgl. hierzu Abbildung 1.3. Siehe auch etwa Franke/Hax (2004), S. 151.
Die Summe der Investitionsvolumina unendlich vieler kleiner Investitionspro- jekte k6nnte durchaus endlich sein. Dann w~e aber F'(I) > 0 nicht mehr ftir alle I erftillt. Vielmehr wtirde die Investitionsertragskurve letztlich zu einer Parallele der Abszisse.
26
Sofern der Unternehmer nun einen Ben'ag I ffir investive Zwecke verwendet, re-
duziert sich sein f'ttr Konsumzwecke in t = 0 noch vorhandenes Geldverm6gen
auf Wo-I. Im Gegenzug ergeben sich ftir ihn in t -- 1 neue Konsumm6glichkeiten
im Umfang von F(I). Den Unternehmer interessiert natfirlich, welche Paare
(Co;C~) von gegenw~tigem und zukfinftigem Konsum fiber die Durchftthrung von
Realinvestitionen fiberhaupt erreichbar sind. Wegen C o = Wo-I r I = W0-C 0 kann
man statt F(I) auch F(Wo-Co) schreiben und somit (aufgrund der Konstanz von
Wo) den m6glichen C~-Konsum unmittelbar in AbhS_ngigkeit vom Konsum Co in
t = 0 angeben. Mit C~ = F(Wo-C o) erh~ilt man auf diese Weise eine funktionale
Beschreibung der mittels Realinvestitionen erreichbaren (Co;Cl)-Kombinationen.
Im Weiteren sei hier v o n d e r Transformat ionsfunkt ion die Rede, und die
zugeh6rige Graphik werde als Trans format ionskurve bezeichnet. Die Transfor-
mationskurve ist also der geometrische Ort aller durch einen Unternehmer mittels
Realinvestitionen und f'tir gegebene Anfangsausstattung W 0 erreichbaren Kombi-
nationen yon gegenwS_rtigem tend zukfinftigem Konsum.
Augenscheinlich erh~ilt man f'ttr Co = Wo einen kfinftigen Konsum C1 = F(0) = 0
GE in t = 1. Das heil3t, die Transformationskurve verffigt an der Stelle C o = W o
fiber eine Nullstelle. Reduziert man nun den Gegenwartskonsum ceteris paribus
um 1 GE, so bedeutet dies eine Steigerung des kfinftigen Konsums von C 1 = F(0)
-- 0 auf C 1 -- F(1). Entsprechend verh~ilt es sich mit weiteren Reduktionen des C o-
Konsums. Ausgehend von C o = W o, bewegt man sich durch eine Reduktion von
Co in einem (Co;C~)-Diagramm nach links, wS_hrend der zugeh6rige Ordinatenwert
gemiig der Investitionsertragsfunktion ansteigt. Die Transformationskurve ist
denmach nichts anderes als die an der Achse C o = W o nach links gespiegelte
Investitionsertragskurve. Ein beispielhafter Verlauf der Transformationskurve auf
der Grundlage einer Investitionsertragsfunktion gem~ig Abbildung 1.3 ist in
Abbildung 1.4 dargestellt. Da negative Konsumpositionen nicht m6glich sind, ist
der im zweiten Quadranten (Situation mit C O < 0) liegende Teil der Transforma-
tionskurve gestrichelt gezeichnet. Hiermit n~rnlich sind solche Investitions-
volumina verbunden, die der Unternehmer f '~ seine gegebene Anfangsausstattung
W 0 gar nicht erreichen kann und die insofern zumindest im hier betrachteten
27
Szenario (bei fehlendem untemehmerischen Kapitalmarktzugang) ohne Bedeuttmg
sind.
,c1
Wo ID
Co
Abbildung 1.4: Stilisierter Verlauf der Transformationskurve
Beispiel 1.6: Gegeben sei eine Investitionsertragsfunktion der Form F(I) = 4,4-1 ~ Damit gilt
F(0) = 0 sowie F'(I) = 2,2.1-0'5 > 0 und F ' ( I ) = -1,1"1-1'5 < 0 far I > 0. Alle
geforderten Voraussetzungen far den Verlauf einer Investitionsertragsfunktion
sind hierbei demnach erftillt. Ferner verftige der betrachtete Unternehmer fiber
eine monetare Anfangsausstattung in t = 0 in H6he von W 0 = 10 GE. Die Trans-
formationsfunktion lautet dann C~ = F(Wo-C0) = 4,4-(10-C0) ~ und verl~iuft im
(Co;C1)-Diagramm progressiv fallend. []
3 Optimale Konsum- und Investitionsentscheidungen
3.1 Darstellung der L6sung
Das Problem des Unternehmers besteht nun in der Maximierung seiner Nutzen-
funkt ion unter Beachtung seiner durch die Transformationsfunktion beschriebe-
27
Szenario (bei fehlendem untemehmerischen Kapitalmarktzugang) ohne Bedeuttmg
sind.
,c1
Wo ID
Co
Abbildung 1.4: Stilisierter Verlauf der Transformationskurve
Beispiel 1.6: Gegeben sei eine Investitionsertragsfunktion der Form F(I) = 4,4-1 ~ Damit gilt
F(0) = 0 sowie F'(I) = 2,2.1-0'5 > 0 und F ' ( I ) = -1,1"1-1'5 < 0 far I > 0. Alle
geforderten Voraussetzungen far den Verlauf einer Investitionsertragsfunktion
sind hierbei demnach erftillt. Ferner verftige der betrachtete Unternehmer fiber
eine monetare Anfangsausstattung in t = 0 in H6he von W 0 = 10 GE. Die Trans-
formationsfunktion lautet dann C~ = F(Wo-C0) = 4,4-(10-C0) ~ und verl~iuft im
(Co;C1)-Diagramm progressiv fallend. []
3 Optimale Konsum- und Investitionsentscheidungen
3.1 Darstellung der L6sung
Das Problem des Unternehmers besteht nun in der Maximierung seiner Nutzen-
funkt ion unter Beachtung seiner durch die Transformationsfunktion beschriebe-
28
nen Realinvestitionsm6glichkeiten. Formal bedeutet dies:
U(Co;C 0 ~ max.! (1.8) Co,el
unter Einhaltung yon
F(Wo-Co) -- C 1. (1.9)
Als besonders anschaulich erweist sich in diesem Zusammenhang ein graphischer
Zugang zur Probleml6sung. Zu diesem Zweck ist das (C0;C0-Diagramm mit der
Transformationskurve um die Darstellung von Indifferenzkurven 1~ zu erg~inzen.
Unter einer Indifferenzkurve versteht man den geometrischen Ort aller (Co;CO-
Kombinationen, die den gleichen (beliebigen) Nutzenwert U stiffen, also
m
U ( C o ; C 1 ) = U = k o n s t . (1.10)
Indifferenzkurven heil3en deshalb auch Isonutzenlinien (mit griech. "iso" =
"gleich") und sind grunds~itzlich mit den H6henlinien beispielsweise in Wander-
karten vergleichbar. Denn zu jeder Indifferenzkurve geh6rt ein ganz bestimmtes
(Nutzen-) Niveau U. In Abbildung 1.5 sind drei typische Indifferenzkurven mit
Nutzenniveaus ~(o, U(2) und ~(3) beispielhaft dargestellt.
Dass in diesem Zusammenhang die am weitesten augen liegende Indifferenzkurve
mit dem h6chsten Nutzenniveau ~(3) einhergeht, ist kein Zufall, sondern diese
Eigenschaft liegt stets vor. Urs~ichlich hierffir ist, dass der unternehmerische
Nutzen sowohl mit steigendem C o als auch steigendem C1 zunimmt. Wie man
sieht, kann der Unternehmer auf der Indifferenzkurve ~(3~ Konsumkombinationen
realisieren, die sowohl einen h6heren Gegenwartskonsum als auch einen h6heren
10 Die Er6rterung yon Entscheidungsproblemen fiber die Betrachtung von Indif- ferenzkurven ist vor allem in der mikroiikonomisehen Theorie fiberaus g~in- gig. Vgl. daher zur Herleitung und den Eigenschaften von Indifferenzkurven beispielsweise Pindyck/Rubinfeld (2005), S. 104 ft., oder auch Wiese (2005), S. 39 ft.
29
Zukunftskonsum als bestimmte Punkte auf der Indifferenzkurve U(2) aufweisen.
Infolgedessen muss ~(3) > U(2) gelten. Aus dem gleichen Grunde gilt U(2) > U(I). Ferner k6nnen sich verschiedene Indifferenzkurven nicht schneiden, da es anson-
sten Konsumkombinationen g~ibe, denen simultan zwei verschiedene Nutzenni-
veaus zugeordnet w~en. Weil das betrachtete Nutzenniveau U einer Indifferenz-
kurve beliebig stetig variiert werden kann, gibt es des Weiteren zum einen un-
endlich viele Indifferenzkurven im (C0;C1)-Diagramm und liegen diese zum ande-
ren derart "dicht", dass zwischen zwei verschiedenen Indifferenzkurven mit Nut-
zenniveaus ~(1) und ~(3) stets noch eine dritte mit Nutzenniveau U(2) (U(3) • U(2) > ~(l)) identifiziert werden kann.
C1
U(2) U0)
~(3) >~(2) >~(1)
P
Co
Abbildung 1.5: Indifferenzkurvenschar
Auch der degressiv fallende Verlauf der Indifferenzkurven aus Abbildung 1.5 ist
nicht willktirlich gewS_hlt. Insbesondere sind Indifferenzkurven stets streng
monoton fallend. Denn eine Erh6hung des Gegenwartskonsums muss ceteris pa-
ribus mit einer Reduktion des Zukunftskonsums einhergehen, sofern der resultie-
rende Gesamtnutzenwert konstant bleiben soll. Fraglich ist jedoch, welches
Kr i immungsverhal ten Indifferenzkurven aufweisen. In der Regel trifft man hier
die auch in Abbildung 1.5 zum Ausdruck kommende Annahme, dass Indifferenz-
kurven degressiv fallend verlaufen. Das bedeutet, dass mit wachsendem, bereits
30
erreichten Niveau an C0-Konsum jede weitere Geldeinheit Gegenwartskonsum
den Unternehmer nur noch zu einer immer geringer werdenden Aufgabe von C1-
Konsum bewegen wird. Die Intuition hierfiir ist, dass mit steigendem Wert ffir C O
und fallendem far Ct der erreichbare Zuktmftskonsum relativ zum Niveau des
Gegenwartskonsums immer knapper und damit aus Sicht des jeweiligen Entschei-
dungssubjekts immer "wertvoller" wird. Daher wird das (Grenz-) Austauschver-
hliltnis oder die (Grenz-) Rate der Substitution zwischen C 1- und Co-Konsum
bestS, ndig geringer.
Stellt man auf infinitesimale Gr6gen ab, so kann die Grenzrate der Substitution
unmittelbar durch den Absolutbetrag [dC/dC0] der Steigung der jeweils be-
trachteten Indifferenzkurve beschrieben werden, da hierdurch das Grenzaustausch-
verhiilmis zwischen C1- und C0-Konsum ftir infinitesimale Gr6genordnungen de-
terminiert wird. Konkret gibt [dC/dC0[ an, auf wie viele Einheiten des Zu-
kunftskonsums der Unternehmer maximal zu verzichten bereit ist, wenn ihm als
Ausgleich eine Steigerung seines Gegenwartskonsums um eine infinitesimale Ein-
heit geboten wird.
Gemiig dem Satz fiber implizit definierte Funktionen 11 gilt des Weiteren folgen-
de Umformung:
dC1 u : O - OU/OC~
dC 0 OU[OC a (1.11)
Vgl. zum Satz fiber implizit definierte Funktionen allgemein beispielsweise Takayama (1985), S. 404, oder Felderer/Homburg (2005), S. 419 ft. Die spe- zielle Gtiltigkeit von (1.11) liisst sich leicht tiber die Gleichung des totalen Differentials gemiig (1.2) herleiten. Charakteristisch ffir Indifferenzkurven ist n~imlich gerade, dass nur Anderungen dC 0 des Gegenwartskonsums und d e 1
des Zukunftskonsums derart betrachtet werden, dass es per Saldo zu keiner Nutzen~inderung kommt. Im Zusammenhang mit (1.2) bedeutet dies dU -- 0 ffir alle denkbaren Konsumvariationen dC 0 und dCl entlang einer Indiffe- renzkurve. Die Gleichung 0 = (0U/~C 0)-dC0+(oU/0C 0-dC~ liisst sich unmittel- bar zu (1.11) umformen.
31
Die Grenzrate der Substitution IdC1/dC0] entspricht damit einfach dem Grenz-
nutzenverh~iltnis (3U/3C0)/(3U/3C 0. Eine fallende Grenzrate der Substitution ist
nun gleichbedeutend damit, dass die Ableitung des Grenznutzenverh~iltnisses
kleiner als Null ist. Die Anwendung der Quotientenregel liefert hierbei:
, OUIOCo, 00UIOC-----~ 0ZU/0C~. 0 U / 0 C 1 - 0 U / 0 C 0 �9 0ZU/(0C0 �9 0C 1)
m
OCo (0U/0C1) 2 (1.12)
Das Vorzeichen der Ableitung aus (1.12) wird wegen des infolge des Quadrats
stets positiven Nenners allein durch den Z~Jaler des Bruchs auf der rechten Seite
von (1.12) bestimmt. Ffir eine fallende Grenzrate der Substitution miJsste dieser
Z~hler negativ sein. In der Tat ist sein Vorzeichen aber schon infolge der bislang
nicht kommentierten Kreuzableitung 3zU/(3C0-3C1) unspezifiziert. Eindeutig ist
lediglich, dass der Minuend des Bruchs wegen der Annahme positiven, fallenden
Grenznutzens fiber ein negatives Vorzeichen verftigt. Unterstellt man nun, dass
das Vorzeichen der Kreuzableitung positivist, dann ist in der Tat der gesamte
Z~ihler der Ableitung aus (1.12) negativ und der degressiv fallende Verlauf der
Indifferenzkurven zweifelsfrei gewElarleistet. Ein positives Vorzeichen der Kreuz-
ableitung ist damit eine hinreichende, aber keineswegs notwendige Bedingung
ftir den in Abbildung 1.5 skizzierten Indifferenzkurvenverlauf. Inhaltlich besagt
eine positive Kreuzableitung, dass der Grenznutzen etwa des Zukunftskonsums
mit wachsendem Gegenwartskonsum zunimmt. Sicherlich ist die Angemessenheit
einer solchen Pr~imisse noch deutlich weniger leicht einzusehen als die Annahme
eines positiven, fallenden Grenznutzens in C O und C v Aus dieser rudiment'~en
formalen Analyse erkennt man daher bereits, dass die Unterstellung einer
fallenden Grenzrate der Substitution auf den ersten Blick zwar durchaus plausibel
erscheinen mag, aber genaugenommen eine zus~itzliche Annahme hinsichtlich der
Eigenschaft der unternehmerischen Nutzenfunktion U darstellt, deren Vorliegen
selbst bei Voraussetzung positiven, abnehmenden Grenznutzens keineswegs stets
gew~hrleistet sein muss.
32
In der Tat ist die Eigenschaft konvexer Indifferenzkurven recht wichtig und im
Gegensatz zur Annahme eines degressiv steigenden Nutzenfunktionsverlaufs nicht
den beiden zu Anfang dieses Kapitels genannten Problemen ausgesetzt. Das heii3t,
dass aus konvexen Indifferenzkurven bei in Verbrauchsmengen von beliebig
vielen Gtitern definierter unternehmerischer Nutzenfunktion stets auch auf
konvexe Indifferenzkurven mit Bezug auf U(C0;C0 geschlossen werden kann. 12
l~lberdies ftihrt jede positive monotone Transformation einer Nutzenfunktion
U(C0;C 0 mit konvexen Indifferenzkurven ebenfalls wieder zu konvexen Indiffe-
renzkurven. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei einer unternehmerischen
Nutzenfunktion mit positivem Grenznutzen in C O und C , aber nicht konvexen
Indifferenzkurven auch durch eine positive monotone Transformation der Nutzen-
funktion die Konvexit~it der Indifferenzkurven nicht hergestellt werden kann.
Damit haben die Oberlegungen im Zusammenhang mit (1.12) trotz der Ordinalit~it
yon Nutzenfunktionen bei Sicherheit dennoch grunds~itzliche BedeutungJ 3
Beispiel 1.7:
Es seien die unternehmerischen Pr~iferenzen gem~iB Beispiel 1.1 vorausgesetzt.
Die Gleichung einer Indifferenzkurve mit Nutzenniveau U bestimmt sich damit
gem~ig
12
13
Vgl. Fama/Miller (1972), S. 19 f.
Es Risst sich zeigen, dass aus der "Quasi-Konkavit~it" einer Nutzenfunktion die Konvexit~t der Indifferenzkurven folgt. Quasi-Konkavit~it bedeutet dabei, dass die Realisation einer Linearkombination o~ . (C 0(1).,C 1(1) )+(1-00 . (C 0<2).,C1<2) ) (0 _< a _< 1) zweier intertemporaler Konsumallokationen ~'~0((~(1)'(~(1)~,'~-1 J und (t.. o.f~(2)., C~ 2~) keinen geringeren Nutzen als das Minimum der Nutzenwerte bei Kon- sum von entweder r~(1).(~(1)~ oder (c,(2).c,(2)~ liefert, eine Mischung insbeson- dere von extremen Konsumallokationen aus Sicht eines Entscheiders generell von Vorteil ist. In der Tat ist hier der Zusammenhang etwas praiser angespro- chen, der weiter oben als Motivation far den konvexen Verlauf von Indiffe- renzkurven geltend gemacht worden ist. Vgl. n~iher Mas-Callel/Whinsta~L/ Green (1995), S. 49 f.
33
0,3 CLO,7 - - U(Co;C1) = C O �9 = U
lo -2 "a* CI= ~7 .Co 7,
(1.13)
so dass des Weiteren
10 ,tc _ 3 U Co v o, dC 0 7
17 d 2 C l 30 .U~. Co ~- dC 2 49
> 0
(1.14)
for C o > 0 und damit hier in der Tat ein degressiv fallender Indifferenzkurvenver-
lauf resultiert. []
Trotz der oben dargelegten Probleme soll die Annahme der fallenden Grenzrate
der Substitution im Weiteren beibehalten werden, denn zusammen mit den Bedin-
gungen, die zu einer degressiv steigenden Investitionsertragsfunktion ftLhren, er-
gibt sich nun eine besonders einfache L6sung des unternehmerischen Entschei-
dungsproblems) 4
Es ist n~imlich bekannt, dass der Unternehmer alle Punkte auf (oder nattirlich
auch unterhalb) der Transformationskurve im (C0;C0-Diagramm erreichen kann.
Jeder dieser Punkte liegt (auch) auf einer bestimmten Indifferenzkurve. Unterneh-
merische Nutzenmaximierung bedeutet nun, diejenige Investitionsentscheidung zu
treffen, das heil3t denjenigen Punkt auf der Transformationskurve anzusteuem,
14 Wie schon weiter oben angedeutet, ben6tigt man fOr das zentrale Ergebnis des Abschnitts 1 des folgenden Kapitels III lediglich positiven Grenznutzen im Konsum, nicht aber ein bestimmtes Krtimmungsverhalten der Indifferenz- kurven. Insofern ist diese Frage letztlich ohnehin nicht ganz so entscheidend.
F(W0) cr
dessen zugeh6rige Indifferenzkurve mit dem h6chsten Nutzenniveau einhergeht,
also am weitesten augen liegt. In der Tat muss die aus Unternehmersicht optimale
Konsumkombination (bei Voraussetzung einer inneren L6sung) daher dadurch ge-
kermzeichnet sein, dass dort ein Tangent ia lpunkt von Transformations- und In-
differenzkurve vorliegt. Ansonsten ware es leicht, einen anderen Punkt auf der
Transformationskurve zu finden, durch den eine Indifferenzkurve mit einem
h6heren Nutzenniveau verl~iuft. Eine graphische Veranschaulichung dieses Sach-
verhalts findet sich in Abbildung 1.6, wobei die optimale Konsumposition durch
(Co;C~) gekennzeichnet ist. Das optimale Realinvestitionsvolumen I* kann als
Differenz zwischen Anfangsausstattung W 0 und optimalem Gegenwartskonsum C o
ebenfalls leicht in der Abbildung 1.6 abgelesen werden.
21
c; w0 k____y_._J
I*
34
U(3) U(2) U0) ~(3) >~(2) >UO)
Co
Abbildung 1.6: Optimale untemehmerische Konsum- und Investitionsentschei- dungen
Im Tangentialpunkt entspricht die Steigung der Indifferenzkurve gerade der Stei-
gung der Transformationskurve. Den Absolutbetrag der Letzteren kann man auch
als Grenzrate der Transformation bezeichnen. Denn sie gibt an, um wie viel
der C1-Konsum infolge geringerer investiver Auszahlungen in t = 0 zurtickgeht,
wenn der Co-Konsum um eine (infinitesimale) Geldeinheit ausgedehnt wird. Da
sich die Ableitung der Transformationsfunktion F(Wo-Co) nach C O wegen I = W o-
C O gem~iB Kettenregel als [~F(I)/~I]-(~I/~C0) = -~F(I)/~I < 0 ergibt, bestimmt sich
35
die Grenzrate der Transformation als OF/OI. Im Tangentialpunkt von Indifferenz-
und Transformationskurve gilt die Gleichheit von Grenzrate der Substitution und
Grenzrate der Transformation.
Je gr6Ber C O bereits ist, umso h6her sind die (Grenz-) EinbuBen an Cl-Konsum
bei weiterer Ausdehnung von Co durch zus~itzlichen Investitionsverzicht. Weil
gleichzeitig annahmegemS, g die Wertsch~itzung des Cl-Konsums aus Sicht des Un-
ternehmers relativ zunimmt, ist der C0-Konsum gerade nur bis zu dem Punkt aus-
zudehnen, in dem beide Grenzraten fibereinstimmen. Diese Optimalit~itsbedin-
gung l~isst sich auch leicht formal herleiten. Dazu ist auf das weiter oben unter
(1.8) und (1.9) pr~isentierte Entscheidungsproblem zuriickzukommen. Zur L6sung
dieses Problems kann beispielsweise (1.9) in (1.8) eingesetzt werden, so dass man
nur noch fiber eine Variable, n~imlich Co, maximieren muss:
U [ C o ; F ( W o - Co) ] -. m a x . ! ( 1 . 1 5 ) Co
Durch Ableiten gelangt man mittels Kettenregel und unter Beachmng von I = W 0-
C o zu der folgenden notwendigen Bedingung far ein unternehmerisches Nutzen-
maximum:
013 OU OF - - O. ( 1 . 1 6 ) OC 0 OC 1 OI
Umformung von (1.16) liefert unmittelbar
OU/OCo OF OU/OC 1 OI'
(1.17)
mithin die bereits als erforderlich hergeleitete Gleichheit von Grenzrate der
Substitution und Grenzrate der Transformation.
Die hinreichende Bedingung fiir ein lokales Nutzenmaximum bestimmt sich hier-
bei tibrigens gem~ig Produkt- und Kettenregel als
36
02U 0ZU OF 0u 02F �9 _ _ d t- . ,
0Co z 0C0.0C 1 0I 0C 1 012 < 0 (1.18)
und ist unter den getroffenen Annahrnen im Falle positiver Kreuzableitung sicher-
lich erfiillt. Die Analogie zur graphischen Probleml6sung zeigt sich demnach
auch hier.
Weil sich das optimale Investitionsvolumen I* als W0-C 0 ergibt, liegt mit Co und
C~ natttrlich auch I* fest. Wir erhalten also hier eine sehr einfache Optimalit~its-
bedingung f'tir unternehmerisches Investitionsverhalten: Investiere solange, bis die
Grenzrate der Transformation der Grenzrate der Substitution entspricht. Die
Grenzrate der Transformation ist dabei nichts anderes als die um 1 erh6hte
Grenzrendite aus der Investition, wobei die Grenzrendite wiederum definiert ist
als die aus der Investition einer weiteren (infinitesimalen) Geldeinheit erzielbare
Verzinsung.
B e i s p i e l 1.8:
Betrachtet sei ein Unternehmer mit der Nutzenfunktion aus Beispiel 1.1 und der
Investitionsertragsfunktion sowie der untemehmerischen Anfangsausstattung aus
Beispiel 1.6. Das untemehmerische Konsumoptimum ist dann durch den Tangen-
tialpunkt einer Indifferenzkurve mit der Transformationskurve gekennzeichnet.
Der optimale Gegenwartskonsum Co sowie das maximal erreichbare Nutzenniveau
mtissen daher den folgenden beiden Bedingungen geniigen:
I.
II.
10 3
U 7 . C o 7 = 4 , 4 " 1 0 ~ o,
10 10 - - - 2 ,2 3 . U ~ - . C ~ 7 _
7
(1.19)
Bedingung I. stellt sicher, dass ein gemeinsamer Punkt von Transformationskurve
und Indifferenzkurve betrachtet wird. Bedingung II. gew~ihrleistet, dass es sich
37
bei diesem gemeinsamen Punkt um einen Tangentialpunkt handelt. Die numeri-
sche L6sung dieser beiden Gleichungen ftihrt zu einem optimalen Gegenwarts-
konsum C o von etwa 4,61 GE, einem zugeh6rigen Investitionsvolumen I* von ca.
5,39 GE sowie Zukunftskonsum C~ von ungef'N~r 10,21 GE. Der Unternehmer er-
reicht damit insgesamt ein Nutzenniveau in H6he von etwa 8,05. []
3.2 Diskussion
Zu beachten ist, dass die leicht zug~ingliche Entscheidungsregel der Gleichsetzung
der beiden Grenzraten nur aufgrund der hier getroffenen vereinfachenden Annah-
men Gtiltigkeit besitzt. Beispielsweise l~isst sie sich fiberhaupt nur sinnvoll an-
wenden, wenn man von einem Zwei-Zeitpunkte-Fall ausgeht. Bei der Betrach-
tung yon mehr als zwei Zeitpunkten ist diese Entscheidungsregel demnach bereits
nicht mehr hilfreich. Ferner wurde bislang wenigstens implizit stets angenommen,
dass fiberhaupt ein Tangentialpunkt zwischen Indifferenzkurvenschar und Trans-
formationskurve existiert. Ist dies nicht der Fall, gilt entweder fur alle Punkte der
Transformationskurve, dass die Grenzrate der Transformation stets fiber der
Grenzrate der Substitution liegt oder aber stets darunter. Im erstgenannten Fall
wird I* = W 0 und somit Co = 0 GE gew~hlt, im letzteren I* = 0 GE und somit C~
= 0 GE.
Randl~sungen dieser Art sind tiberdies immer auch dann zu prtifen, wenn sich
die Indifferenzkurven entgegen den getroffenen Annahmen nicht als konvex er-
weisen. Auch ist es dann denkbar, dass es mehrere Tangentialpunkte und damit
Kandidatenstellen ftir optimale Konstunemscheidungen gleichzeitig gibt.
Noch gravierender sind die Modifikationen, die sich ergeben, wenn man von der
Annahme der Existenz unendlieh vieler kleiner Investifionsprojekte mit stetig
variierender Rendite abgeht. Die Transformationskurve ist in diesem Fall ab-
schnittsweise linear, weswegen m0glicherweise selbst bei Vorliegen einer inneren
L6sung kein Tangentialpunkt von Transformationskurve und Indifferenzkurven-
schar exoistiert. Dies wird dann der Fall sein, wenn die am weitesten augen
38
liegende, erreichbare Indifferenzkurve durch eine Knickstelle verl~iuft. Ist fiberdies
beliebige Kombinierbarkeit der Projekte auch nicht gegeben und insofern nicht
einmal ein progressiv fallender Verlauf der Transformationskurve gew~hrleistet,
k6nnen mehrere Tangentialpunkte von Transformationskurve und Indifferenzkur-
venschar oder Schnittpunkte in Knickstellen gleichzeitig anftreten. Fehlt es
schlieNich auch noch an der beliebigen Teilbarkeit der Investitionsprojekte, ist
die Existenz eines Tangentialpunkts v611ig ausgeschlossen und betr~igt die
Grenzrate der Transformation, sofern fiberhaupt definiert, stets Null. Ein mar-
ginalanalytischer Ansatz auf der Grundlage der Betrachtung von Ableitungen ist
sp~itestens jetzt vollkommen hinf~illig. Stabil ist lediglich die Aussage, dass eine
m6glichst weit augen gelegene Indifferenzkurve angestrebt werden sollte.
Die Investitionsregel, Grenzrate der Transformation mit Grenzrate der Substi-
tution gleichzusetzen, mag zwar einleuchtend klingen, l~isst sich aber in der Tat
nur f'tir ganz bestimmte Fallkonstellationen rechtfertigen. Uberdies hat sie den
Nachteil, dass sie unmittelbar yon den Priiferenzen des betrachteten Unterneh-
mers, n~nlich seiner jeweiligen Nutzenfunktion, abh~ingt. Schon dieser Umstand
birgt wenigstens zwei Probleme. Erstens wird eine Gruppe von Entscheidungstr~i-
gem bei Vorliegen unterschiedlicher Zeitpr~erenzen und damit Nutzenfunktionen
in der Regel nicht zu einer einmiitigen Beurtei lung hinsichtlich des vonder be-
treffenden Untemehmung anzustrebenden Investitionsprograrmns gelangen. Zwei-
tens stellt sich ftir die Formulierung praktisch brauchbarer Empfehlungen zur
Entscheidungsuntersttitzung von Unternehmem das Problem, dass die jeweilige
untemehmerische Nutzenfunktion spezifiziert werden muss, was in praxi zu-
meist schwierig sein diirfte. 15 Insofern ware es aus vielerlei Grttnden wtinschens-
wert, Bedingungen zu nennen, bei deren Erftillung priiferenzunabh~ingige Aussa-
gen zum optimalen Realinvestitionsprogramm yon Untemehmen hergeleitet wer-
den k6nnen. Sehr hilfreich ware es tiberdies, wenn dabei zugleich die bislang be-
n6tigten Annahrnen zur Unabh~ingigkeit und Teilbarkeit der einzelnen Investi-
Auf die M6glichkeiten zur Ermittlung unternehmerischer Nutzenfunktionen soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Wir werden hierauf im zweiten Band noch zurtickkommen.
39
tionsprojekte gelockert werden k6rmten. Im n~ichsten Kapitel soil gezeigt werden,
dass diese Anforderungen unter bestimmten Bedingungen in der Tat erftillt
werden ktinnen.
4 Zusammenfassung
Gegenstand des vorliegenden Kapitels war die Ermittlung der optimalen unterneh-
merischen Konsum- und Investitionsentscheidung ftir den Zwei-Zeitpunkte-Fall
und bei fehlendem Kapitalmarktzugang. Die Investitionsertrags- oder Real-
investit ionsfunktion gibt in diesem Zusammenhang zu jedem denkbaren Investi-
tionsvolumen des Zeitpunktes t = 0 die hieraus resultierenden unternehmerischen
Einzahltmgen des Zeitpunktes t = 1 an. Unter Berticksichtigung der monet~iren
Anfangsausstattung des Unternehmers kann die Investitionsertragsfunktion in ein
(Co;C1)-Diagramm tibertragen werden, wobei C t (t = 0, 1) die Konsumauszahlun-
gen des Unternehmers im Zeitpunkt t bezeichnet. In diesem Fall spricht man von
der Transformationskurve des Unternehmers. Hierbei handelt es sich um den
geometrischen Ort aller Kombinationen yon gegenwartigem und zul~nftigem Kon-
sum, die der Untemehmer unter Beachtung seiner monet~en Anfangsausstattung
und seiner Realinvestitionsm6glichkeiten tiberhaupt erreichen kann. Unter be-
stimmten (restriktiven) Voraussetzungen verl~iuft die Transformationskurve pro-
gressiv fallend ohne "Knickstellen".
Die umernehmerischen Pr~iferenzen k~Snnen graphisch anhand sogenannter Indif-
ferenzkurven abgebildet werden. Eine Indifferenzkurve ist der geometrische Ort
aller Kombinationen von Gegenwarts- und Zukunftskonsum, die dem Unterneh-
mer gleichen Nutzen stiffen. Weft der Umemehmer ceteris paribus mehr Geld ge-
gentiber weniger Geld stets vorzieht, wird er das Erreichen einer m6glichst weit
augen liegenden Indifferenzkurve anstreben. Umer bestimmten Annahmen hin-
sichtlich der untemehmerischen PrS:ferenzen verlaufen Indifferenzkurven degressiv
fallend. Das optimale unternehmerische Investitionsverhalten ist dann grunds~itz-
lich durch die Realisation des Tangentialpunktes der Transformationskurve mit
einer Indifferenzkurve charakterisiert. In diesem Punkt stimmen Grenzrate der
39
tionsprojekte gelockert werden k6rmten. Im n~ichsten Kapitel soil gezeigt werden,
dass diese Anforderungen unter bestimmten Bedingungen in der Tat erftillt
werden ktinnen.
4 Zusammenfassung
Gegenstand des vorliegenden Kapitels war die Ermittlung der optimalen unterneh-
merischen Konsum- und Investitionsentscheidung ftir den Zwei-Zeitpunkte-Fall
und bei fehlendem Kapitalmarktzugang. Die Investitionsertrags- oder Real-
investit ionsfunktion gibt in diesem Zusammenhang zu jedem denkbaren Investi-
tionsvolumen des Zeitpunktes t = 0 die hieraus resultierenden unternehmerischen
Einzahltmgen des Zeitpunktes t = 1 an. Unter Berticksichtigung der monet~iren
Anfangsausstattung des Unternehmers kann die Investitionsertragsfunktion in ein
(Co;C1)-Diagramm tibertragen werden, wobei C t (t = 0, 1) die Konsumauszahlun-
gen des Unternehmers im Zeitpunkt t bezeichnet. In diesem Fall spricht man von
der Transformationskurve des Unternehmers. Hierbei handelt es sich um den
geometrischen Ort aller Kombinationen yon gegenwartigem und zul~nftigem Kon-
sum, die der Untemehmer unter Beachtung seiner monet~en Anfangsausstattung
und seiner Realinvestitionsm6glichkeiten tiberhaupt erreichen kann. Unter be-
stimmten (restriktiven) Voraussetzungen verl~iuft die Transformationskurve pro-
gressiv fallend ohne "Knickstellen".
Die umernehmerischen Pr~iferenzen k~Snnen graphisch anhand sogenannter Indif-
ferenzkurven abgebildet werden. Eine Indifferenzkurve ist der geometrische Ort
aller Kombinationen von Gegenwarts- und Zukunftskonsum, die dem Unterneh-
mer gleichen Nutzen stiffen. Weft der Umemehmer ceteris paribus mehr Geld ge-
gentiber weniger Geld stets vorzieht, wird er das Erreichen einer m6glichst weit
augen liegenden Indifferenzkurve anstreben. Umer bestimmten Annahmen hin-
sichtlich der untemehmerischen PrS:ferenzen verlaufen Indifferenzkurven degressiv
fallend. Das optimale unternehmerische Investitionsverhalten ist dann grunds~itz-
lich durch die Realisation des Tangentialpunktes der Transformationskurve mit
einer Indifferenzkurve charakterisiert. In diesem Punkt stimmen Grenzrate der
40
Transformation und Grenzrate der Substitution tiberein. WS_hrend die Grenzrate
der Transformation angibt, auf wie viel Geldeinheiten Zukunftskonsum der
Untemehmer infolge einer Einschr~inkung des Investitionsvolumens bei Ausdeh-
hung des Gegenwartskonsums um eine infinitesimale Geldeinheit verzichten
muss, teilt die Grenzrate der Substitution mit, welche Einschr~inkung yon C 1
bei marginaler Ausdetmung yon Co gerade noch dergestalt akzeptabel ist, dass
sich das untemehmerische Gesamtnutzenniveau nicht verringert.
Insgesamt war so die Herleitung einer einfachen Entscheidungsregel auf der
Grundlage marginalanalytischer Uberlegungen m6glich. Als unbefriedigend erwie-
sen sich aber die recht engen Priimissen zur Herleitung dieser Regel und die
Priiferenzabhiingigkeit der optimalen L6sung. Im n/ichsten Kapitel soll deswe-
gender Versuch zur Herleitung einer allgemeineren und pr~iferenzunabh~ingigen
Entscheidungsregel untemommen werden.
41
Wiederholungsfragen
WI.1
Welche Annahmen beztiglich der unternehmerischen Pr~iferenzen werden im Rah-
men des hier ertirterten investitionstheoretischen Grundmodells getroffen?
W1.2
Erkl~en Sie die Begriffe "Realinvestition" und "Finanzinvestition"! Wie lassen
sich beide voneinander abgrenzen?
W1.3
Was versteht man allgemein unter einer Realinvestitions- oder Investitions-
ertragsfunktion?
W1.4
Was versteht man unter der beliebigen Teilbarkeit eines Investitionsprojekts, und
inwiefem ist diese Pr~imisse problematisch?
W1.5
Ftir welche Eigenschaften der Realinvestitionsfunktion erweisen sich die
Annahmen beliebiger Projektteilbarkeit und Unabh~ingigkeit von Investitions-
projekten als kritisch?
Wl.6
Was versteht man unter einer Transformationsfunktion?
W1.7
Was versteht man unter einer Indifferenzkurve, und welchen Verlauf weisen
Indifferenzkurven grunds~itzlich auf?
42
W1.8
Beschreiben Sie das unternehmerische Entscheidungsproblem zur simultanen Be-
stimmung optimaler Konsum- und Investitionsentscheidungen bei fehlendem Ka-
pitalmarktzugang sowohl graphisch als auch formal!
W1.9
Wie sind die Grenzrate der Substitution und die Grenzrate der Transformation
zwischen gegenw~irtigem und kiinftigem Konsum definiert?
WI.10
Wieso erh~ilt man ffir das hier betrachtete Entscheidungsproblem "Grenzrate der
Substitution = Grenzrate der Transformation" als Investitions- und Konsumregel,
und welche Probleme ergeben sich beim Versuch einer praktischen Anwendung
dieser Regel?
43
III Investitionsentscheidungen bei
Kapitalmarkt
vollkommenem
Fisher-Separation und Kapitalwertkriterium
1.1 Problemstellung
Im Weiteren soll die unternehmerische Entscheidungssimation des vorhergehen-
den Kapitels ftir den Fall des Zugangs zu einem vollkommenen Kapitalmarkt untersucht werden. Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen f'tir das op-
timale unternehmefische Invesfitionsverhalten, die unter dem Stichwort "Fisher"- Separation in der Literatur hinlS_nglich bekannt sind. Im folgenden Abschnitt 1.2
werden die zus~itzlich zur Darstellung des vorhergehenden Kapitels ben6tigten
Annahmen vorgestellt. Abschnitt 1.3 pr~isentiert im Detail die Fisher-Separation
mit der wichtigsten Implikation, dass eine pr~iferenz- und verm6gensunabh~ingige
Beurteilung yon Investifionsprojekten anhand des Kapitalwertes der mit ihnen je-
weils verbundenen Zahlungskonsequenzen, das heigt ihrer jeweiligen Zahlungsrei-
he 1, m6glich wird. Abschnitt 1.4 schliel31ich fasst die wesentlichen Erkenntnisse
zusammen.
1.2 Die zus~itzlichen Annahmen
Die Entscheidungssituation des vorhergehenden Kapitels sei im Folgenden um die
M/Sglichkeit des Unternehmers zur Durchftihrung yon Finanzinvestitionen er-
g~inzt. Das heil3t, der Unternehmer habe Zugang zu einem Kapitalmarkt, auf dem
er Mittel yon t = 0 bis t = 1 anlegen oder auch aufnehmen kann. Letzteres stellt
gewissermal3en eine Finanzinvesfifion mit negafivem Umfang dar.
Genaugenommen geht es im mathematischen Sinne urn "Folgen" von Projekt- einzahlungen im Zeitablauf. Weil der Begriff der Zahlungsreihe jedoch fiber- aus gangig ist, wird er auch hier beibehalten.
44
Des Weiteren sei angenommen, dass der Kapitalmarkt vollkommen ist. Definiti-
onen der Vollkommenheit yon (Kapital-) MSxkten gibt es wohl fast so viele wie
Lehrbticher zur Investitionsrechnung. 2 Drei Merkmale dtirften in jedem Fall zen-
tral ftir die Charakterisierung eines vollkommenen Kapitalmarktes sein: 3
1) Rationalverhalten aller Marktteilnehmer,
2) Mengenanpasserverhalten aller Marktteilnehmer und
3) Abwesenheit von Informations- und sonstigen Transaktionskosten inclusive
Steuern.
Merkmal 1) besagt, dass jeder Marktteilnehmer unter mehreren zur Auswahl ste-
henden Handlungsalternativen stets diejenige w~ihlt, die f'tir ihn zum h6chsten
Zielerreichungsgrad ftihrt, hier also seine jeweilige Nutzenfunktion U maxi-
miert. In dieser Formulierung ist Eigenschaft 1) nicht sonderlich restriktiv 4 und
fast unabdingbar f'tir 6konomische Analysen. Denn wie sollte man es anders denn
als Ausdruck gewisser Irrationalit~it interpretieren, wenn sich jemand ftir eine Al-
ternative entscheidet, die nicht seinen Nutzen maximiert, und wie sollte man das
Verhalten dieser Person bei der Mtiglichkeit des Auftretens derartiger Verhaltens-
weisen tiberhaupt vorhersehen und verstehen k6nnen? Ebenso wie die Vorhersage
im obigen Sinne irrationalen Verhaltens erhebliche Probleme bereiten wird, k/Jim-
ten tiberdies auch kaum sinnvoll Verhaltensempfehlungen ftir irrationale Ent-
scheidungstr~iger hergeleitet werden.
Vgl. far alternative Charakterisierungen eines vollkommenen Kapitalmarktes etwa Franke (1983), S. 241, Schmidt/Terberger (2003), S. 91, Franke/Hax (2004), S. 153, Copeland/Weston/Shastri (2005), S. 353 f.
Vgl. hierzu auch schon Breuer (1998a), S. 62 f., sowie Breuer (2000a).
Es gibt durchaus wesentlich strengere Rationalit~itsbegriffe, die aber hier keine Rolle spielen. Vgl. etwa Bamberg/Coenenberg (2006), S. 3 f., oder auch Eisenfiihr/Weber (2003), S. 4 ft.
45
Gem~if3 Merkmal 2) fasst jeder Marktteilnehmer die am Kapitalmarkt herrschen-
den Preise, hier konkret die ftir Mittelanlage und -aufnahme gtiltigen Zinss~itze,
als gegeben und durch seine Kapitalmarkttransaktionen unbeeinflussbar auf.
Merkmal 3) schliel31ich besagt, dass es vor allem keine Kosten der Informa-
tionsbeschafftmg und -verarbeittmg gibt. Des Weiteren sind mit Finanzinves-
titionen auch keine sonstigen Kosten der Abwicklung verbunden.
1.3 Die Konsequenzen
1.3.1 Existenz eines einheitlichen Zinssatzes fiir Anlage/Verschuldung
Die oben genannten drei Charakteristika eines vollkommenenKapitalmarktes im-
plizieren insbesondere, dass es auf dem betrachteten Kapitalmarkt im Gleichge-
wicht nut genau einen einheitlichen Zinssatz i ftir die Anlage und die Aufnahme
von Mitteln von t = 0 bis t = 1 geben kann. Denn angenommen, auf dem Kapital-
markt existierten wenigstens zwei verschiedene Zinss~itze i m und i (z) mit i ~ < i a~.
In diesem Fall wtirde jeder Marktteilnehmer in t = 0 einen Kredit in beliebiger
H6he K zum Zinssatz i m aufnehmen wollen und damit ftir t = 1 eine
Verbindlichkeit in H6he von K+K-i (1) = K-(l+i m) begriJnden, die sich aus der
Tilgung des aufgenommenen Betrags K und den zus~itzlich zu leistenden Zinsen
K.i m zusammensetzt. Der in t = 0 erhaltene Betrag K wttrde gleichzeitig mit der
Aufnahme noch in t = 0 zur Anlage zum h6heren Zinssatz i (2~ verwandt werden
und dem betreffenden Individuum zu einer Forderung ftir t = 1 in H6he von
K+K-i (2) = K.(l+i (2)) verhelfen, so dass nach Begleichung der Verbindlichkeiten
in t = 1 ein ohne Einsatz eigener Mittel in t = 0 ereichter Verm6genszuwachs in
H6he von K'(l+i(2))-K-(l+i m) = K-(i(2)-i m) > 0 resultierte, der durch entspre-
chende Wahl von K beliebig grog gemacht werden k6nnte. Weil dieser Umstand
wegen der Annahme 3) kostenloser Informationsbeschaffung und -verarbeitung
allen Marktteilnehmern bekannt sein wird, alle Marktteilnehmer infolge 2) von
exogenen Zinss~itzen i (1) und i ~2~ ausgehen und schliel31ich aufgrund von 1) jeder
eine ceteris paribus m6gliche Verm6gensmehrung zum Zeitpunkt t = 1 wahrneh-
46
men wird, wird es zum Zinssatz i (1) kein Mittelangebot in t = 0, wohl aber eine
unbegrenzte Nachfrage geben. Entsprechend werden zu i (2) in t = 0 Mittel nur an-
geboten, nicht aber nachgefragt. FOx beide Zinss~itze stimmen Mittelangebot und
-nachfrage in krasser Weise nicht iiberein. Die somit nicht gegebene Marktrgu-
mung ist gleichbedeutend mit dem Nichtvorliegen eines Gleichgewichts. Markt-
r~iumung erfordert demnach, dass es am Kapitalmarkt nur einen einzigen einheit-
lichen Zinssatz i gibt.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Gesetz des Einheitspreises, hier verstanden als Existenz nur eines Zinssatzes ftir Mittelanlage und -verschul-
dung. Eine Verletzung dieses Gesetzes auf dem vollkommenen Kapitalmarkt
wtirde grundsiitzlich die M6glichkeit zur Erzielung sicherer Gewinne mittels
Kapitalmarkttransaktionen er6ffnen, die jeder Marktteilnehmer wahrnehmen
wollte, und insofern ein Gleichgewicht im Sinne des Ausgleichs yon Angebot und
Nachfrage auf dem betrachteten Kapitalmarkt ausschlieBen. Im Zusammenhang
mit der Realisation sicherer Gewinne spricht man auch von Arbitrage: Ein
vollkommener Kapitalmarkt im Gleichgewicht ist demnach notwendigerweise frei
von Arbitragem6glichkeiten, das heigt, er ist arbitragefrei. 5
1.3.2 Die Kapitalmarktgeraden
Ausgehend von einer beliebigen Konsumposition (Co;C0, die der Unternehmer
etwa allein aufgrund seiner vorhandenen Verm6gensanfangsausstatttmg und ge-
planter Realinvestitionen erreichen kann, ftihrt die Aufnahme eines Kredites in
H6he von K dazu, dass der Unternehmer sein Konsumnivean in t = 0 auf C o =
Co+K steigert. Daf'tir reduziert sich aber aufgrund der zuktinftig erforderlichen
Kreditrtickzahlung simultan sein Konsum im Zeitpunkt t = 1 auf C 1 = C1-
(l+i)-K.
Vgl. zum "Prinzip der arbitragefreien Bewertung" auf vollkommenen Ka- pitalm~kten im Gleichgewicht z.B. Breuer (1998a), S. 63, oder auch Spre- mann (1996), S. 557 ft., Hax/Hartmann-Wendels/v. Hinten (2001), S. 593 ft., und Kruschwitz (2004), S. 39 ft., 149 ft.
47
Man kann in diesem Kontext ohne weiteres anch negative Werte f'tir K zulassen.
Ein negatives Kreditvolumen entspricht der Anlage von Mitteln am Kapitalmarkt
zum Zinssatz i von t = 0 bis t = 1. Als Konsequenz von K < 0 verringert sich das
Konsumniveau des Unternehmers in t = 0, wSah_rend sein Konsum in t = 1 zu-
nimmt.
L6st man die daher ftir alle K e R gtiltige Bestimmungsgleichung C O = C0+K f'tir
C o nach -K auf, -K = C0-Co, und setzt das Ergebnis in die Bestimmungsgleichung
ftir C~ ein, C 1 = C~-(I+i).K, so erh~ilt man die Gleichung der sogenannten Ka-
p i ta lmarktgeraden:
C1 = C1 +(1 +i)'(Co-C0). (1.1)
Die Kapitalmarktgerade beschreibt den geometrischen Ort aller (C0;C~)-Kombina-
tionen, die der betrachtete Unternehmer durch Anlage oder Aufnahme yon Mit-
teln am Kapitalmarkt, ausgehend von einer (durch Realinvestitionen bei gegebe-
ner Verm6gensanfangsausstattung erreichten) Konsumposition (C0;C 0, realisieren
kann. Die Steigung der Kapitalmarktgeraden ist unabh~ingig vom "Startpunkt"
(C0;C0 stets konstant:
dC 1
dC o - ( 1 + i ) . (1.2)
Denn die Ausdehnung des gegenw~irtigen Konsums um eine weitere Geldeinheit
tiber zus~itzliche Verschuldung begrtindet stets eine neue Rtickzahlungsverpflich-
tung f'tir den Zeitpunkt t = 1 im Umfang von l+i. Entsprechend ftihrt die Ein-
schr~inkung des Gegenwartskonsums um eine Geldeinheit ftir Anlagezwecke zu
einer erh6hten Einzahlung yon l+i in t = 1. Zu beachten ist ferner, dass negative
Werte ftir C O nicht realisiert werden k6nnen, da der betreffende Untemehmer in
t = 0 mehr als Co zus~itzlich am Kapitalmarkt anlegen mtisste, was er augen-
scheinlich nicht kann. Aus einem ~mlichen Grunde sind auch negative Werte fiir
C1 nicht m6glich. Denn dies wtirde bedeuten, dass der Unternehmer sich so stark
verschuldet, also den Gegenwartskonsum so stark ausdehnt, dass er sich im Zeit-
punkt t = 1 als zahlungsunf'mhig erweist, weil C1 nicht ausreicht, um seine
48
Verbindlichkeiten zu begleichen. Nattirlich wird der Unternehmer infolge der
angenommenen Kapitalmarktvollkommenheit aber keinen Kapitalgeber in t -- 0
finden, der ihm dann tiberhaupt einen derart hohen Kredit gewS_hrt. Insofern kann
der Unternehmer zwar grunds~itzlich als Mengenanpasser auf dem betrachteten
Kapitalmarkt zu einem unbeeinflussbaren Zinssatz i Mittel anlegen und aufneh-
men, aber nattMich nur im Rahmen seiner gegebenen Anfangsausstattung. Dem-
nach sind ftir den Untemehmer zur Ermittlung seiner endgtiltigen Konsumposition
nur solche Punkte einer Kapitalmarktgeraden relevant, ftir die Co, C1 > 0 gilt.
Trotzdem allerdings kann der Startpunkt der Kapitalmarktgeraden durchaus durch
C0 < 0 gekennzeichnet sein, n~imlich dann, wenn der Unternehmer ein Realinves-
titionsvolumen plant, das durch seine Verm6gensanfangsausstattung allein nicht
realisiert werden kann. Nattirlich kommt in diesem Zusammenhang dann nur noch
eine mehr oder weniger starke Verschuldung am Kapitalmarkt f'tir den Unterneh-
mer in Betracht. Wir werden auf diesen Fall im Rahmen des Abschnitts "Hirsh-
leifer-Modell und Klienteleffekt" im Kapitel IV dieses Buchs noch ausftihrlich
zurtickkommen.
Beispiel 1.1:
Es sei angenommen, der Zinssatz i f'tir Anlage und Verschuldung von t = 0 bis
t = 1 belaufe sich auf 10 %. Unternehmer 1 habe eine Anfangsausstattung yon
W 0 = 10 GE, aber keinen Zugang zu Realinvestitionsm6glichkeiten. Damit ist der
Startpunkt der ftir ihn relevanten Kapitalmarktgeraden durch (C0;C 0 = (10;0)
festgelegt, und deren zugeh6rige Gleichung lautet
C 1 -- O+l,l .( lO-Co) -- l l - I , I . C o. (1.3)
Unternehmer 2 hingegen plane ftir gegebene Verm6gensanfangsausstattung derax-
tige Realinvestitionen, dass sich als Startpunkt der ftir ihn relevanten Kapi-
talmarktgeraden (Co;C 0 = (6;8,8) ergibt. Hieraus resultiert als Geradengleichung:
C1 = 8,8+1,1.(6-Co) = 15,4-1,1.Co. (1.4)
49
In beiden F~illen erh~ilt man als Geradensteigung also -1,1. Zur Veranschaulichung
sind die beiden Kapitalmarktgeraden in Abbildung 1.1 wiedergegeben. []
c1
15,4
11
10 14
D
Co
Abbildung 1.1: Kapitalmarktgeraden bei unterschiedlichen Startpunkten (10;0) und (6;8,8)
1.3.3 Die Fisher-Separation: pr~iferenz- und vermiigensunabh~ingige Er-
mit t lung optimaler Realinvestitionen
Unabh'fingig vonder konkret angenommenen Nutzenfunktion U des Unternehmers
ist es f'tir diesen schon bei bloger Voraussetzung positiver Grenznutzen stets
am besten, wenn er eine m6glichst weit augen liegende Kapitalmarktgerade
erreicht. Denn eine weiter augen liegende Kapitalmarktgerade erm6glicht es im
Vergleich zu einer weiter innen liegenden stets, ceteris paribus sowohl den
unternehmerischen Gegenwarts- als auch den Zukunftskonsum zu erh6hen.
50
I C1
0 k J
Y
I*
Co
A bbildung 1.2: Optimales Realinvestitionsvolumen bei Existenz eines vollkom- menen Kapitalmarktes
Welche Kapitalmarktgerade der Unternehmer konkret erreicht, h~ingt neben seiner
Anfangsausstattung yon dem gew~ihlten Realinvestitionsvolumen ab. Unterstellt
man wie in dem vorhergehenden Kapitel II einen progressiv fallenden Verlauf der
Transformationskurve, so realisiert der Unternehmer die am weitesten auBen
liegende Kapitalmarktgerade im Allgemeinen dann, wenn er ein solches Realin-
vestitionsvolumen I* umsetzt, dass die zugeh6rige Kapitalmarktgerade Tangente
an die Transformationskurve wird. 6 Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 1.2
Grunds~itzlich kann es auch sein, dass es gar keinen Tangentialpunkt gibt, weil die Steigung der Transformationskurve entweder nie gr6Ber oder aber nie klei- ner als die Steigung der Kapitalmarktgeraden ist. Unter dieser Voraussetzung liegen Randliisungen vor, bei denen die relevante Kapitalmarktgerade durch den Punkt (W0;0) oder (0;F(W0)) verl~iuft. Im Weiteren seien derartige F~ille ausgeschlossen. Hinreichend hierf'ox sind die Annahmen lim~__,o F'(I) = ~ und F'(W 0) = 0. Dann nimmt F'(I) fOx I s [0;W 0] jeden Weft aus dem Intervall [0;~) genau einmal an. Augerdem soll auch fOx das zu er6rternde unternehme-
51
skizziert. Dort erweist sich das Realinvestitionsvolumen I* und somit das
Erreichen der Kapitalmarktgeraden G* als optimal. Nattirlich gibt es noch weiter
augen liegende Kapitalmarktgeraden, doch haben diese - wie etwa G (2) - keinen
Punkt mehr mit der Transformationskurve gemeinsam, k6nnen vom betrachteten
Untemehmer also durch Realinvestitionen nicht erreicht werden. Alle sonst er-
reichbaren Kapitalmarktgeraden - wie etwa G m - liegen hingegen weiter innen
und sind aus Unternehmersicht deshalb schlechter als die Tangente G*. Zu be-
achten ist, dass die Transformationskurve im zweiten Quadranten nun nicht mehr
als gestrichelte Linie gezeichnet ist. Denn auch die dort abgetragenen (C0;C1)-
Punkte und die zugeh6rigen Investitionsvolumina sind ffir den Unternehmer
infolge seiner Verschuldungsm6glichkeiten am Kapitalmarkt als Startpunkt einer
Kapitalmarktgeraden durchaus erreichbar. Da in Abbildung 1.2 der letztlich
relevante Startpunkt (C0;C 0 aber ohnehin im ersten Quadranten liegt, braucht die
Kapitalmarktgerade G* allerdings ebenfalls nur im Rahmen des ersten Quadranten
abgetragen zu werden.
Die Steigung der Transformationskurve entspricht -F'(I), die der Kapitalmarkt-
geraden -(1 +i). Es gilt somit ftir das optimale Realinvestitionsvolumen:
-F'(I*) --- -( l+i) "~ F ' ( I*) - I = i. (1.5)
Dies bedeutet, dass das optimale Realinvestitionsvolumen I* dutch die Gleichheit
yon Grenzrendite des Investitionsprogramms und Kapitalmarktzinssatz charak-
terisiert werden kann. Auch dieser Zusammenhang ist unmittelbar einleuchtend.
Der Unternehmer verffigt n~imlich fiber zwei M6glichkeiten, zugunsten ktinftigen
Konsums auf Gegenwartskonsum zu verzichten. Zum einen kann er Realinvesti-
tionen t~itigen, zum anderen Finanzinvestitionen. Die Erh6hung seines Realinves-
titionsvolumens wird er einer Finanzinvestition dabei solange vorziehen, wie die
aus der erh6hten Realinvestition resultierende Grenzrendite F'(I)-I fiber der am
Kapitalmarkt erreichbaren Verzinsung i liegt. Erst fOx darfiber hinausgehende
rische Konsumoptimum stets angenommen werden, dass es sich nicht als Randl6sung mit C o = 0 GE oder C~ = 0 GE darstellt. Vgl. hierzu auch die Ausffihrungen im vorhergehenden Kapitel.
52
Anlagebetr~ige kommen Finanzinvestitionen in Betracht. Diese Argumentation hat
auch Bestand, wenn der Unternehmer seinen Gegenwartskonsum gar nicht so
stark einschr~inken m6chte, wie es die Realisierung des Realinvestitionsvolumens
I* erforderte. Statt weniger zu investieren, ist es dann n~imlich sinnvoller, sich am
Kapitalmarkt zu i zu verschulden. Denn die hieraus resultierende Verbindlichkeit
liegt wegen des progressiv fallenden Verlaufs der Transformationskurve unter der
Verm6genseinbul3e ffir t = 1, die aus einer Einschr~.nkung des Realinvestitions-
volumens unter I* resultierte. Anders ausgedrtickt, lohnt sich die Umsetzung des
Realinvestitionsvolumens I* auch dann, wenn der Unternehmer es durch Mittel-
aufnahme zu i finanziert, da die Grenzrendite jeder in Realinvestitionen eingesetz-
ten Geldeinheit f'ttr I < I* tiber i hinausgeht, die Verm6genszuw~ichse aus den Re-
alinvestitionen f'tir t = 1 die zus~itzlichen Verbindlichkeiten dieses Zeitpunktes al-
so fibersteigen.
Beispiel 1.2: Betrachtet sei ein Unternehmer mit einer Verm6gensanfangsausstattung in t = 0
in H6he von W 0 = 10 GE. Seine Investitionsertragsfunktion sei F(I) = 4,4-I 0'5 und
entspreche damit der aus Beispiel 1.6 des vorhergehenden Kapitels. Der Kapi-
talmarktzinssatz i ffir Mittelanlage und -aufnahme von t = 0 bis t = 1 betrage 10
%. Ffir das optimale Investitionsvolumen muss die Steigung der Transformations-
kurve, -F'(I), gerade dem Wert - 1,1 entsprechen:
2,2 __ -1,1 ,=, I* = 4. (1.6)
Mit I* = 4 GE sowie W 0 = 10 GE erh~ilt man unmittelbar G o = 6 GE und C~ =
8,8 GE. Die Gleichung der vom Unternehmer bei optimalem Investitionsverhalten
erreichbaren Kapitalmarktgeraden ist folglich schon aus Beispiel 1.1 bekannt. []
Im Rahmen der Optimalit~itsbedingung F'(I*) = l+i spielen sowohl die Nutzen-
funktion U des Unternehmers als auch dessen Anfangsausstattung W o keine Rol-
le. Beides beeinflusst daher nicht die Entscheidung fiber das optimale untemehme-
rische Realinvestitionsvolumen. Pr~iferenzen und Anfangsausstattung des Unter-
53
nehmers bestimmen nur, ob der Unternehmer Mittel am Kapitalmarkt aufnimmt
oder anlegt, also welchen Punkt (C~;C~) er letztlich auf der eindeutig bestimmten
(Tangential-) Kapitalmarktgeraden G* (ausgehend von (C0;C1)) anstrebt. Bei rela-
tiv stark ausgepr~igten Zukunftspr~iferenzen oder grol3er Verm6gensanfangsausstat-
rang wird der Unternehmer zus~itzlich zu seinen Realinvestitionen noch Finanzin-
vestitionen t~itigen, also einen Gegenwartskonsum C o < C0 und damit einen Zu-
kunftskonsum C~ > C1 realisieren. Einen Unternehmer mit einem derartigen Opti-
malverhalten bezeichnet man als Anlegertyp. Sofern der Untemehmer hingegen
mit deutlich ausgepr~igteren Gegenwartspr~iferenzen im Verh~ilmis zu seinem (ge-
ringen) Anfangsverm6gen ausgestattet ist, wird sich C o > C0 sowie C~ < C1 erge-
ben, so dass der Unternehmer also zus~itzliche Mittel zur Finanzierung seines
gegenw~irtigen Konsums ohne Einschr~nkung beim Realinvestitionsvolumen I* auf-
nehmen wird. In einer derartigen Situation spricht man vom Sehuldnertyp.
Schlieglich ist auch noch der Grenzfall denkbar, dass der Unternehmer neben der
Umsetzung des Realinvestitionsvolumens I* keinerlei weitere Aktivit~iten entfaltet,
also C0 = C0 sowie C~ = C1 gilt. Eine derartige Optimall6sung ohne Kapi-
talmarkttransaktionen kennzeichnet den neutralen Typo 7 Die optimalen Konsum-
positionen dieser drei grunds~itzlich zu unterscheidenden Unternehmertypen sind
auch in der Abbildung 1.3 wiedergegeben. Zur Vereinfachung wurde die Darstel-
lung dabei wieder auf den ersten Quadranten beschr~inkt.
Die unternehmerische Anfangsausstattung W 0 ist fiir die Bestimmung des Kon-
sumoptimums insofern relevant, als sie die genaue Lage der am weitesten augen
liegenden, f'ttr den Unternehmer gerade noch erreichbaren Kapitalmarktgeraden
bestimmt. Ceteris paribus fiJhrt eine Erh6hung der unternehmerischen Anfangs-
ausstattung um AW o n~imlich zu einer Rechtsverschiebung der optimalen Kapital-
marktgeraden G* um ebendiesen Wert (ohne dass dadurch nat'~lich I* beeinflusst
wird8). Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 1.4 graphisch dargestellt.
7 Vgl. hierzu auch Rudolph (1983), S. 266 f.
8 Vgl. hierzu auch die Darstellung von Breuer/Schweizer (1997).
54
F(Wo)
i 0
Anlegertyp
c; G Wo p.
Co
F(Wo)-- C1 -
c~
0
huldnertyp
.............................................. i .............................. 1 ~ .................... ~ ~ ~ * G Wo c; Co
C1
V(Wo)-
c~ =~ Neutraler Typ
U*
C o = C o Wo Co
Abbildung 1.3: Optimales unternehmerisches Konsumverhalten bei unterschied- lichen Zeitprfiferenzen
55
C1
C1
o Co c~ Wo
I* C1
C~ + ~C ..................................................................................................................................
- - , +
0 Co+AW o C~ +r wo =Wo+AW o k.. j
I*
I-
Co
Co
Abbildung 1.4: Unabh~ingigkeit des optimalen Realinvestitionsvolumens und Abh~ingigkeit des Konsumoptimums von der unternehmerischen
�9 Anfangsausstattung
56
In jedem Fall wird die vom Untemehmer angestrebte optimale Konsumposition
durch einen Tangent ia lpunkt der relevanten Kapitalmarktgeraden mit einer Indif-
ferenzkurve bestimmt. WS_hrend also das optimale Realinvestitionsvolumen durch
die Gleichheit yon Grenzrate der Transformation mit dem um 1 erh6hten Kapital-
marktzinssatz i charakterisiert wird, kennzeichnet die optimale Konsumposition
die Gleichheit von Grenzrate der Substitution mit l+i. Wie auch schon im Fall
ohne Kapitalmarktzugang wird sich der Unternehmer demnach so verhalten, dass
die Grenzrate der Transformation der Grenzrate der Substitution entspricht. Der
Kapitalmarktzugang ft~hrt aber zu der zus~itzlichen Restriktion, dass sich beide
Grenzraten auf l+i belaufen mtissen, was generell nur erftillt sein kann, wenn die
beiden relevanten Grenzraten f'tir unterschiedliche Werte yon C o bestimmt
werden, also die Konsumposition im Falle alleiniger Realinvestitionen v o n d e r
unter Berticksichtigung von Finanzinvestitionen abweicht.
Die gerade verbal beschriebenen Zusammenh~inge lassen sich auch leicht formal
herleiten. Das unternehmerische Optimierungsproblem lautet bei Verfiigbarkeit
eines vollkommenen Kapitalmarktes insgesamt wie folgt:
U(Co;C 0 -~ max.! (1.7) Co,CI,I
unter Beachtung von
I. C 1 --- F(Wo-Co),
II. C I -- C 1+(1 +i). (Co-Co), (1.8)
III. I = W o - C 0.
Durch Einsetzen von I. und III. (nach Aufl6sung zu C0 = Wo-I) in II. erh~ilt man
eine Bestimmungsgleichung f'tir C~, die nur noch yon den Variablen C o und I ab-
h~ingt. Setzt man diese Bestimmungsgleichung wiederum in (1.7) ein, so verbleibt
das Problem der simultanen Optimierung der unternehmerischen Nutzenfunktion
fiber die beiden Variablen C o und I:
57
U[Co;F(I) +(1 +i) . (Wo-I -Co) ] -. max.! CO,I
(1.9)
Ableiten mittels Kettenregel und anschlieBendes Nullsetzen f'tihrt unmittelbar zu
den beiden folgenden notwendigen 9 Bedingungen f'tir ein Nutzenmaximum:
dU OU 013 I. - - - ~ - [ - ( 1 +i)] = O, d e o 0 % OC~
dU OU II. =
dI OCj - - . [P'(I)- (1 +i)l = 0.
(1.1o)
Aus II. folgt unmittelbar die Anfordertmg F'(I)-I = i, w~ihrend sich I. zu
(OU/OC0)/(0U/3CI) = l+i und damit dC1/dCo = -(l+i) umformen l~isst, so dass sich
die beiden graphisch hergeleiteten Optimalit~itsbedingungen auch formal be-
st~itigen.
Die Tatsache, dass das optimale Realinvestitionsvolumen eines Unternehmers un-
abh~ingig von seinen Pr~iferenzen und seiner Anfangsausstatmng bestimmt werden
kann, wh-d nach Irving Fisher auch als Fisher-Separation bezeichnet, da Fisher
im Jahre 19301~ als erster auf diese M6glichkeit der Trennung hingewiesen
10
Auf eine explizite rechnerische Pfiifung der hinreichenden Bedingungen ftir ein lokales Maximum sei zur Vereinfachung verzichtet. Erkenntnisse hierzu k6nnen erneut unmittelbar aus der graphischen Analyse gewonnen werden. Insbesondere sind die hinreichenden Bedingungen bei progressiv fallender Transformationskurve und degressiv fallenden Indifferenzkurven zweifelsfrei erfiillt, so dass tiber (1.10) sicherlich kein lokales Minimum bestimmt wird. Uberdies kann es h6chstens ein zul~issiges lokales Maximum geben, das dann zugleich auch ein absolutes ist.
Vgl. Fisher (1930). Siehe hierzu auch die deutsche 0bersetzung Fisher (1932).
58
hat? ~ Vollkommen ~iquivalent hierzu kann man die Separationseigenschaft im
Ubrigen auch auf die M6glichkeit der Trennung von Realinvestitionsentscheidun-
gen einerseits und Konsum- sowie Finanzinvestitionsentscheidungen andererseits
beziehen.
Beispiel 1.3: Gegeben sei der Untemehmer aus Beispiel 1.2. Zus~itzlich sei altemativ angenom-
men, dass seine Nutzenfunktion beschrieben werden k6nne dutch
1) U(Co;C 0 = C~ ~ oder aber
2) U(Co;C,) = Co~ ~
Aus der Fisher-Separation ist unmittelbar bekannt, dass in beiden F~illen die L6-
sung I* -- 4 GE aus Beispiel 1.2 Bestand hat. In beiden F~illen ist die unter-
nehmerische Nutzenfunktion also unter Beachtung der Restriktion C1 = 15,4-
1,1-C o zu maximieren. Unterschiedlich werden jedoch die optimalen Finanzinves-
titionen und damit die sich ergebenden Konsumpositionen ftir die beiden alter-
nativ betrachteten untemehmerischen Nutzenfunktionen sein. Zun~ichst sei die
L6sung ftir die unter 1) angegebene Nutzenfunktion hergeleitet. Dazu sind die
folgenden beiden Bedingungen simultan zu erftillen:
10 3
I. U~-.Co 7 = 15,4_1,1.Co,
10 10
II. " -~ 'U5- 'Co 3- --- 1,1. 7
(1.11)
Gesucht ist eine Indifferenzkurve mit (maximalem) Nutzenniveau U, die einen
Punkt mit der Kapitalmarktgeraden gemeinsam hat (I.) und in diesem Punkt fiber
11 Ein Verweis auf die Fisher-Separation findet sich in so gut wie jedem fundier- ten Lehrbuch zur Investitionstheorie. Vgl. etwa Schmidt/Terberger (2003), S. 99 ft., Kruschwitz (2004), S. 7 ft., Franke/Hax (2004), S. 153 ft. und Schgifer (2005), S. 82 ft. Siehe hierzu auch Buchner (1982a) und Rudolph (1983).
59
eine Grenzrate der Substitution yon 1,1 verftigt (II.). Die simultane L/3sung der
beiden Gleichungen aus (1.11) liefert C o = 4,2 GE sowie U* = 8,12471. Durch
Einsetzen von C o -- 4,2 GE in die Gleichung der Kapitalmarktgeraden ergibt sich
des Weiteren C1 = 10,78 GE. Wegen G 0 = 6 GE > C o -- 4,2 GE t~itigt der Unter-
nehmer also infolge recht stark ausgepr~igter Zukunftspr~iferenzen zus~itzlich zu
seinen Realinvestitionen im Umfang I* -- 4 GE auch noch eine Kapitalmarkt-
anlage von 1,8 GE.
In entsprechender Weise kann das optimale unternehmerische Konsumverhalten
ftir die Nutzenfunktion aus 2) bestimmt werden. Die simultan zu erfiillenden
Gleichungen lauten hier:
10 7
I. ~ 3 ,Co 3 = 15,4_1,1.Co,
II.
10 10
/ ~ 3 - . C 0 3 = 1,1, 3
(1.12)
woraus sich C O = 9,8 GE sowie U* = 7,82079 ergeben. Am h6heren Exponenten
yon Co bei gleichzeitig geringerem Exponenten von C 1 erkennt man die nun
stRrkeren Gegenwartspr~iferenzen des Untemehmers im Vergleich zu 1). Diese be-
wegen ihn dazu, sich im Umfang von 9,8-6 = 3,8 GE am Kapitalmarkt zu ver-
schulden, um auf diese Weise einen optimalen Konsum im Zeitpunkt t -- 1 von
C 1 = 15,4-1,1 "9,8 = 4,62 GE zu erreichen. []
1.3.4 Das Kapitalwertkriterium
1.3.4.1 Herleitung
Es soll nun noch etwas nS_her auf die Charakterisierung des optimalen untemeh-
merischen Investitionsvolumens I* eingegangen werden. Augenscheinlich ist I* so
zu w~ihlen, dass der Abszissenabschnit t C0,m, ~ der zugeh6rigen erreichbaren Ka-
pitalmarktgeraden maximal wird. Diesen Abszissenabschnitt wiederum ermittelt
60
man zu einem beliebigen Investitionsvolumen I, indem man in der Gleichung der
entsprechenden Kapitalmarktgeraden C1 gleich Null setzt und den Ausdruck nach
C o aufl6st. Konkret erh~ilt man hierbei:
! C a = Cl+(l+i).(C--o-Co ) = F(I)+(l+i) . (Wo-I-Co) = 0
F(I)+(1 +i) - (Wo-I) = (1 +i) .C O (1.13)
Co,max _- Wo_i + F(I). 1+i
Der zu einem bestimmten Investitionsvolumen I geh6rige Abszissenabschnitt der
Kapitalmarktgeraden ergibt sich also zum einen aus der ohnehin gegebenen Ver-
m6gensanfangsausstatttmg W 0 des Unternehmers. Hinzu tritt aber nun noch die
Differenz [F(I)/(l+i)]-I. Diese Differenz gibt den auf t = 0 bezogenen unterneh-
merischen Vermiigenszuwachs infolge der Realisation des Investitionsvolumens
I an. Denn zum einen reduziert eine Investition in H6he von I unmittelbar das
verbleibende unternehmerische Vermtigen des Zeitpunktes t = 0 auf W0-I. Zum
anderen aber erh~ilt der Unternehmer Rtickfltisse im Umfang F(I) zum Zeitpunkt
t = 1. Welm er diese komplett zur Rtickzahlung eines im Zeitpunkt t = 0 aufzu-
nehmenden Kredits K verwenden m6chte, dann ist K so zu w~ihlen, dass K'(l+i)
= F(I), also K = F(I)/(1 +i), gilt. Aus den ktinftigen Einzahlungen F(I) seines In-
vestitionsprogramms kann der Untemehmer demnach durch Kreditaufnahme einen
zus~itzlichen Gegenwartskonsum und damit Bruttoverm6genszuwachs von F(I)/
(l+i) finanzieren. Unter Beachtung der Anfangsauszahlung I resultiert aus dem
betreffenden Realinvestitionsprogramm f'tir den Unternehmer damit ein Netto-
verm6genszuwachs von [F(I)/(l+i)]-I. Man bezeichnet diese Differenz auch als
den Kapi ta lwert des durch das Investitionsvolumen I beschriebenen Investitions-
programms. 12 Graphisch entspricht der Kapitalwert im (C0;C1)-Diagramm der
12 Vgl. ganz allgemein zum Kapitalwertbegriff die Ausftihrungen in den Lehrbti- chern zur Investitionstheorie von beispielsweise Schmidt/Terberger (2003), S.
61
L~inge der Strecke zwischen dem Punkt (W0;0) und dem Abszissenabschnitt der
tiber das Investitionsvolumen I erreichten Kapitalmarktgeraden.
Weil W 0 eine Konstante ist, maximiert man in (1.13) den Wert ftir C0,max, indem
man den Kapitalwert, also die auf t = 0 bezogene VermOgensmehrung des be-
trachteten Unternehmers,
_= F(I__)) - i (1.14) 1 +i
durch geeignete Wahl yon I maximiert. Die Fisher-Separation besagt somit, dass
unabhangig von den konkreten Zeitpr~iferenzen und der Anfangsausstattung eines
Untemehmers seine Nutzenmaximierung die Realisation des kapi talwertmaxima-
len Invest i t ionsprogramms erfordert.
Beispiel 1.4:
Gegeben sei der Unternehmer aus Beispiel 1.3. Der Kapitalwert seines optimalen
Investitionsvolumens I* = 4 GE bel~iuft sich wegen F(I*) = 4,4-4 ~ = 8,8 und i =
10 % auf ~:* = -4+8,8/1,1 = 4 GE. Sein maximaler Konsum in t = 0 bei optimaler
Realinvestition betrfigt damit 10+4 = 14 GE. []
1.3.4.2 Diskussion
Der Kapitalwert eines Investitionsprogramms kann als Verm6genszuwachs aus
der Investitionsrealisation angesehen werden. Durch seine Maximierung maxi-
miert ein Unternehmer also zugleich seinen Verm6genszuwachs in t = 0 aus der
Durchftihrung von Realinvestitionen. Ein derartiges Verhalten dtirfte unmittelbar
einleuchtend erscheinen, und man mag sich fragen, wozu eine solch langwierige
Herleitung fOr dieses simpel anmutende Ergebnis erforderlich war. In diesem
Zusammenhang ist aber zu beachten, dass die Maximierung des gegenw~irtigen
128 ft., Kruschwitz (2005), S. 66 ft., S. 89 ft., oder Blohm/Liider/Schaefer (2006), S. 51 ft.
62
Verm6genszuwachses sich im hier betrachteten Kontext ffir beliebige unterneh-
merische Zeitprgferenzen als optimal erweist, also insbesondere auch ffir Un-
ternehmer, die vornehmlich an Konsum im Zeitpunkt t = 1 interessiert sind. Denn
auch ffir diese ist ein maximales gegenw~irtiges Verm6gen insofern von Vorteil,
als sie dann dutch entsprechende Anlage (oder Minderverschuldung) am Ka-
pitalmarkt ihren Konsum des Zeitpunktes t = 1 entsprechend posifiv beeinflussen
k6nnen.
Weil der Kapitalwert eines Investitionsprogramms den aus der Investitionsdurch-
f'tthrung resultierenden Verm6genszuwachs aus Sicht des Zeitpunktes t -- 0 be-
schreibt, ist der Kapitalwert zugleich der Preis (oder Marktwert) , der am
Kapitalmarkt ffir den Handel mit der betreffenden Investitionsm6glichkeit im
Gleichgewicht gezahlt wird. Der Unternehmer n~imlich, der fiber Zugang zu
einem Investitionsprogramm mit Kapitalwert ~: verftigt, wird yon einem poten-
tiellen Erwerber mindestens diesen Kapitalwert als Preis verlangen. Denn durch
die Abgabe der Invesfitionsm6glichkeit verschiebt sich seine relevante Kapital-
marktgerade um ~ Geldeinheiten nach links, so dass ein Mittelzufluss in ebendie-
ser H6he erforderlich ist, um die gleiche Kapitalmarktgerade wie zuvor zu er-
reichen. Ffir einen potentiellen Erwerber der Invesfitionsm6glichkeit gilt aus
einem v611ig analogen Grunde, dass maximal ein Preis yon ~: ffir den Zugang zu
der betreffenden Invesfifionsm6glichkeit gezahlt werden kann, soll mindestens die
gleiche Kapitalmarktgerade wie ohne Erwerb der Investifionsm6glichkeit er-
reichbar bleiben. Ein Preis yon K ffir den Transfer der Investifionsm6glichkeit
erweist sich also aus Sicht des Verk~iufers als mindestens erforderlich und aus
Sicht des K~iufers als maximal akzeptabel. Konsequenterweise muss der Preis der
Investitionsm6glichkeit im Gleichgewicht gerade ihrem Kapitalwert K entspre-
chen.
Bei flfichtiger Betrachtung bemerkenswert ist ferner, dass lediglich der Kapi-
talwert der Zahlungsreihe aus den investiven Aktivit~iten des Unternehmers
relevant ist trod die Zahlungskonsequenzen aus Finanzinvestitionen und ihr
jeweiliger Kapitalwert hierbei keine Berficksichtigung finden. Die Ursache hierffir
63
ist darin zu sehen, dass sich der Kapitalwert der unternehmerischen Finanz-
investitionen ohnehin stets auf Null bel~iuft. Graphisch erkennt man dies daran,
dass sich der Unternehmer allein durch Finanzinvestitionen lediglich auf einer
gegebenen Kapitalmarktgeraden mit fixiertem Abszissenabschnitt, sprich Kapi-
talwert, bewegt. Nur Magnahmen, durch die der Unternehmer yon einer Kapital-
marktgeraden auf eine andere wechseln kann, sind kapitalwertrelevant. Im hier
betrachteten Kontext ist dies allein fiber Realinvestitionen m6glich. Auch rechne-
risch prfift man leicht, dass Finanzinvestitionen einen Kapitalwert von Null haben.
Dazu sei angenonunen, ein Unternehmer verschulde sich von t = 0 bis t = 1 im
Umfang K zum Zinssatz i, so dass ihm in t = 0 ein Betrag K zufliegt und in t =
1 Mittel in H6he von K-(l+i) zurfickzuzahlen sind. Der Kapitalwert der
Kreditzahlungsreihe ist demnach K-[K.(l+i)]/(l+i) = 0. Genau aus diesem
Grunde braucht man zur Kapitalwertmaximierung allein auf die origin~en Zah-
lungsreihen der zur Verf~gung stehenden Investitionsprogramme einzugehen und
kann von den Zahlungskonsequenzen untemehmerischer Finanzinvestitionen voll-
st~indig abstrahieren.
Im Weiteren soll das Ziel der Maximierung des Kapitalwertes des implementier-
ten Investitionsprogramms kurz als "Kapi ta lwer tkr i ter ium" bezeichnet werden.
Mit dem Kapitalwertkriterium erh~lt man demnach hier eine sehr einfache Ent-
scheidungsregel, die verm6gens- und pr~iferenzunabh~ingig ist und damit unter
anderem auch Interessenharmonie bei einer Mehrzahl von Entscheidern gew~hr-
leistet. Denn unabh~ingig davon, wie die Beteiligten an erforderlicher Anfangs-
auszahlung und resultierenden Rtickflfissen partizipieren, wird jeder aufgrund des
Zugangs zu einem vollkommenen Kapitalmarkt nur an einer m6glichst grogen,
auf t = 0 bezogenen pers6nlichen Nettoverm6genssteigerung interessiert sein.
Weil das kapitalwertmaximierende Investitionsprogramm zur gr6gten insgesamt
verteilbaren Nettoverm6genssteigerung ftthrt, wiire jede andere Investitions-
entscheidung in dem Sinne ineffizient, dass es durch Wechsel zum kapitalwert-
maximalen Programm stets m6glich w~e, mindestens einen Beteiligten ceteris
paribus noch besserzustellen, ohne die anderen zu sch~idigen. Daher wird Ein-
mtitigkeit unter allen Entscheidungstr~gem hinsichtlich der Verfolgung des Ziels
64
der Kapitalwertmaximierung bestehen. 13
Die Optimalit~it der Kapitalwertmaximierung erweist sich tiberdies in vielerlei
Hinsicht als recht robust und ist insofern auch der Entscheidungsregel "Grenz-
rendite -- Kapitalmarktzinssatz" tiberlegen. Letztere Regel wird n~nlich im We-
sentlichen nur bei progressiv fallender und allgemein differenzierbarer Transfor-
mationsfunktion und damit degressiv steigender Investitionsertragskurve zu ein-
deutigen und zutreffenden Verhaltensempfehlungen ftihren. Im letzten Kapitel ha-
ben wir aber gesehen, dass die Investitionsertragsfunktion in aller Regel diese
posmlierten Eigenschaften nicht besitzen wird und ein marginalanalytischer An-
satz sowie die Folgerung der Optimalit~itsregel "Grenzrendite = Kapitalmarktzins-
satz" nicht zul~issig ist. Bei der Herleimng der Kapitalwertregel tiber (1.13) je-
doch spielt der konkrete Verlauf der Realinvestitionsfunktion keinerlei Rolle. So-
lange ein vollkommener Kapitalmarkt gegeben ist, hat die Kapi ta lwert regel da-
mit Bestand unabh~ingig davon, welche Investitionsprogramme jeweils zur Aus-
wahl stehen.
Diese Robustheit des Kapitalwertkriteriums zeigt sich auch im Rahmen einer
Mehr-Perioden-Betrachtung. Dazu sei von einem beliebigen Zeitraum yon t = 0
bis t = T ausgegangen und unterstellt, dass der Zinssatz i nicht nur ftir
Anlage/Verschuldung von t = 0 bis t = 1 Gtiltigkeit hat, sondern vielmehr ftir
beliebige Ein-Perioden-Anlage/Verschuldung von einem Zeitpunkt t = ~-1 bis t =
"~ Gtiltigkeit besitzt. Des Weiteren sei ein Investitionsprogramm mit der Zah-
lungsreihe z 0, z~ .. . . . z T vorausgesetzt, wobei z t > 0 eine Einzahlung, also einen
Mittelzufluss, und z t < 0 eine Auszahlung, also einen Mittelabfluss, ftir den Un-
ternehmer charakterisiert. Dann bestimmt sich die aus der Programmdurchfiihnmg
ftir den Unternehmer erreichbare Vermiigenserhi ihung des Zeitpunktes t = 0
einfach als
13 Vgl. hierzu auch die auf den allgemeineren Fall der Mark twe r tmax imie rung bei Risiko bezogene Darstelhmg in Breuer (1997a) sowie die entsprechenden Ausftihrungen im Band II zur Investitionstheorie.
65
T K - - E Zt
t=0 (1 +i) t (1.15)
Ftir den Fall T = 1 ist die Richtigkeit dieser Formel mit z 0 = -I sowie zj = F(I)
bereits bekalmt. Einzahlungen in t = 2 von z 2 karm der Unternehmer zur Aufnah-
me eines (einperiodigen) Kredits in H6he von K = z2/(l+i) 2 in t = 0 benutzen.
Dieser Kredit ftihrt n~nlich zum Zeitpunkt t = 1 zu Verbindlichkeiten von
z2/(l+i)2+i-z2/(l+i) 2 = z2/(l+i). Eine neuerliche Kreditaufnahme im Umfang z J
(1 +i) von t = 1 bis t = 2 mtindet entsprechend ffir t = 2 in Verbindlichkeiten von
z 2, die ohne weiteres aus der Investitionseinzahlung geleistet werden k6nnen. In-
sofern erm6glicht die Einzahlung z 2 des Zeitpunktes t = 2 eine Konsumausdeh-
nung in t = 0 in H6he von z2/(l+i) 2. Entsprechend ftihrt eine Einzahlung z t in
einem beliebigen Zeitpunkt t zu einer auf t = 0 bezogenen untemehmerischen
Verm6gensmehrung von z~(l+i) t. Die aus der Zahlungsreihe z 0, z 1 . . . . . zT insge-
samt resultierenden Verm6genskonsequenzen des Zeitpunktes t = 0 werden dem-
nach in der Tat tiber (1.15) beschrieben. Wieder k6nnen die unternehmerischen
Ein- und Auszahlungen aus Finanzinvestitionen in (1.15) explizit unberticksichtigt
bleiben. Die Formel (1.15) bezeichnet man hierbei v611ig sachgerecht als den Ka-
pitalwert eines Investitionsprogramms im Rahmen einer Mehr-Perioden-Be-
t rachtung.
Der Kapitalwert eines Investitionsprogramms ergibt sich demnach generell als
gewogene Summe der Zahlungskonsequenzen des betreffenden Programms, wobei
als Gewichte zeitpunkt- und zinssatzabh~ingige "Diskont ie rungsfak toren"
1/(l+i) t Verwendung finden. Man sagt auch, dass die Zahlungen z t mit dem
Zinssatz i abgezinst oder diskontiert werden.
Beispiel 1.5: Gegeben sei ein Unternehmer im Rahmen einer Vier-Zeitpunkte-Betrachtung t =
0, 1, 2, 3, der Zugang zu einem Investitionsprogramm mit der nachfolgenden
Zahlungsreihe aus Tabelle 1.1 hat:
66
t 0 1 2 3
z t -100 50 50 100
Tabelle 1.1: Zahlungsreihe eines Investitionsprogramms tiber vier Zeitpunkte
t = 0 , 1 , 2 , 3
Der Ein-Perioden-Kapitalmarktzinssatz ffir Mittelanlage/Verschuldung betrage
fiber den gesamten Betrachtungszeitraum konstant i = 10 %. Der Kapitalwert des
Investitionsprogramms beliiuft sich damit auf
~: --- -100+ 50 + 50 + 100 ~. 61,91 GE. (1.16) 1,1 1,12 1,13
Im Falle einer Verm6gensanfangsausstattung von 0 GE impliziert das Ergebnis
aus (1.16), dass der Unternehmer bei Programrnrealisation einen maximalen Ge-
genwartskonsum von ca. 61,91 GE erreicht. Weil fiberdies 100 GE zur Pro-
grammdurchftthrung ben6tigt werden, lautet die Behauptung, dass der Unter-
nehmer einen in t = 0 aufgenommenen Kredit im Umfang von ungef&hr 161,91
GE aus den ab t = 1 eingehenden Einzahlungen des Investitionsprogramms zu-
rtickzahlen kann. Der angegebene Kredit ffihrt zu Verbindlichkeiten in t = 1 von
161,91-1,1 = 178,1 GE, yon denen 50 GE sofort erbracht werden k6nnen. Die
verbleibende Restschuld von etwa 128,1 GE muss durch eine Anschlussfinanzie-
rung bis t = 2 beglichen werden. Damit sieht sich der Unternehmer zum Zeit-
punkt t = 2 einer Verbindlichkeit in H6he von ungef~ihr 128,1.1,1 = 140,91 GE
gegenfiber, vonde r nach partieller Bedienung noch ca. 90,91 GE verbleiben, die
bei einer Finanzierung zu 10 % ffir t = 3 eine Restschuld von etwa 90,91.1,1
100 GE implizieren. Diese kann komplett aus den Einzahlungen des Unterneh-
mers zum Zeitpunkt t = 3 beglichen werden. []
Die Berechnungsm6glichkeit ffir Verm6genserh6hungen aus unternehmerischer
T~itigkeit fiber eine Kapitalwertformel im Sinne von (1.15) gilt nicht nur, wenn
Zahlungskonsequenzen jeweils mit dem Abstand von einer Periode auftreten, also
67
t lediglich nichmegative ganzzahlige Werte annehmen kann. Vielmehr besteht ein
zu (1.15) analoger Zusammenhang auch dann, wenn Zahlungen etwa nach Ablauf
einer halben Periode, beispielsweise in t = 0,5, oder zu einem sonstigen
Zeitpunkt zwischen dem Anfang und dem Ende einer Teilperiode auftreten. Stets
ist der Gegenwartswert der betreffenden Zahlung z t durch Multiplikation mit
(l+i) -t zu bestimmen.
Zur Veranschaulichung sei angenommen, dass bei Anlage/Aufnahme yon Mitteln
ftir den Zeitraum von t = 0 bis t = 0,5 eine Verzinsung in H6he von i0, 5 am Ka-
pitalmarkt gewS_hrt werde. Wenn der Ein-Perioden-Zinssatz im Zeitablauf kon-
stant i ist, dann besitzt im Zeitraum von t = 0,5 bis t = 1 der gleiche Zinssatz wie
von t = 0 bis t = 0,5 Gtiltigkeit. Folglich bel~iuft sich das Verm6gen eines
Investors in t = 1 auf A-(l+i0,5) 2, wenn er ausgehend yon t = 0 einen Betrag A
zun~ichst bis t = 0,5 und anschliegend inclusive Zinsen nochmals von t = 0,5 bis
t = 1 anlegt. Werden die Mittel stattdessen direkt yon t = 0 bis t = 1 mit
Zinszahlungen nur in t = 1 investiert, erh~ilt man ein Endverm6gen von A-(l+i).
Es muss nun A-(l+i0,5) 2 = A.(l+i), also 1+i0, 5 = (l+i) ~ gelten. Ansonsten k6nnte
man durch geeignete Kombination gtinstiger Verschuldung und ertragreicher
Anlage von Mitteln am Kapitalmarkt yon t = 0 bis t = 1 sichere Gewinne ohne
eigenen Mitteleinsatz erzielen. Dies ist bekanntermaBen mit dem Vorliegen eines
Kapitalmarktgleichgewichts nicht vereinbar.
Einzahlungen Zo, 5 in t = 0,5 ihrerseits erm6glichen in t = 0 eine maximale Kre-
ditaufnahme und damit Verm6gensmehrung von K = z0,J(l+i0,5), weil in t = 0,5
so gerade die Rtickzahlung des Kreditbetrags mit Zinsen gelingt. Wegen l+io, 5 =
(l+i) ~ bestimmt sich der Kreditbetrag K auch als z0J( l+i) ~ Genau dies
beschreibt die Behauptung, dass die Kapitalwertformel auch fur "gebrochene"
Periodenbetrachtungen Gtiltigkeit besitzt.
Weil der Kapitalwert eines Investitionsprogramms im Rahmen einer Mehr-Perio-
den-Betrachtung ebenfalls ohne weiteres als Verm6genserh6hung ftir den Unter-
nehmer aus der Realisation des betreffenden Programms interpretiert werden kann
68
und auf dem Kapitalmarkt kapitalwertneutral Mittel zwischen den einzelnen Zeit-
punkten durch Anlage- oder Verschuldungsmagnahmen transferiert werden k6n-
nen, bleibt die Fisher-Separation weiterhin gtiltig. Eine ceteris paribus durch
investive Magnahmen erreichbare, mit Bezug auf t -- 0 berechnete Verm6gens-
steigerung wird von jedem Entscheidungstr~iger pr~iferiert, weil auf dieser Grund-
lage durch entsprechende Finanzinvestitionen stets der gleiche Zahlungsstrom wie
vor der Verm6genserh6hung erreichbar ist und tiberdies noch ein zus~itzlicher po-
sitiver Betrag (n~imlich gerade in H6he der Verm6genssteigerung des Zeitpunktes
t = 0) in t = 0 ffir weitere Konsumzwecke verbleibt. Der betrachtete Unternehmer
wird schlicht durch die Realisation eines Investitionsprogramms mit ~: > 0 um
genau diesen Betrag in t = 0 reicher.
Beispiel 1.6:
Betrachtet sei erneut der Unternehmer des vorhergehenden Beispiels 1.5. Dieser
verffige fiber eine monetiire Anfangsausstattung in t = 0 yon W 0 = 80 GE, yon
denen er ohne Durchffihrung des ffir ihn zugiinglichen Investitionsprogramms
gem~ig Tabelle 1.1 in t = 0 bereits 40 GE konsumieren m6chte, wS.hrend die fibri-
gen 40 GE in t = 0 f'tir zwei Perioden zu i = 10 % angelegt werden sollen, um
sodann in t = 2 konsumiert zu werden. Der Unternehmer plant also, die Kon-
sumwerte C O = 40 GE, C 1 = 0 GE, C2 = 40"1,12 = 48,4 GE sowie C 3 = 0 GE zu
realisieren. Im Falle der Durchffihrung des Investitionsprogramms kann der
Unternehmer in t = 0 einen Kredit yon etwa 121,91 GE aufnehmen. Von den
dann verffigbaren 201,91 GE werden in t = 0 die erforderlichen 100 GE
Programmanfangsauszahlung investiert. Der Restbetrag yon 101,91 GE > 40 GE
wird unmittelbar konsumiert. In t = 1 kann der Untemehmer 50 GE yon seiner
bis dahin aufgelaufenen Schuld in H6he yon etwa 121,91-1,1 -- 134,1 GE zu-
rtickzahlen, so dass sich ffir t = 2 eine Restschuld yon annithemd 84,1-1,1 =
92,51 GE ergibt. Bei einem Konsum C 2 = 48,4 GE k6nnen in t = 2 nur 1,6 GE
auf den noch vorhandenen Kreditbetrag zurfickgezahlt werden. Damit ergibt sich
ftir t = 3 ein verbleibender Kreditstand von ca. (92,51-1,6)-1,1 ~ 100 GE, der
genau durch die letzte Einzahlung yon 100 GE bedient werden kann.
69
Per saldo hat der Unternehmer denmach trotz Realinvestition seinen ursprfing-
lichen Konsumstrom C o = 40 GE, C~ = 0 GE, C 2 = 48,4 GE sowie C 3 = 0 GE
erreichen und zus~itzlich noch etwa 61,91 GE in t = 0 verbrauchen k6nnen.
Natttrlich stellt dies ftir den Unternehmer eine Besserstellung gegentiber der
Situation ohne Programmdurchftihrung dar. In entsprechender Weise kann f '~ je-
den anderen Basiskonsumstrom und damit fttr alle anderen unternehmerischen Pr~i-
ferenzen oder Anfangsausstattungen argumentiert werden. []
Die Kapitalwerfformel gem~iB (1.15) verftigt tiber eine wichtige Eigenschaft, die
man als "Wertaddit ivi t i i t" bezeichnet. Wertadditivit~it ~4 der Kapitalwertformel
besagt, dass der Kapitalwert eines aus zwei (unabhSngig voneinander durchfiihrba-
ren) Investitionsprojekten 1 und 2 mit den jeweiligen Zahlungsreihen z0 (~), z} ~) .....
za-(l~ und "~0~(2), Z12), ..o, ZT(2) bestehenden Investitionsprogramms der Summe der Ein-
zelkapitalwerte dieser beiden Projekte entspricht.
K(l+2) - E t~o (1 +i) t
T T z ?
t~o ( l + i ) t = ( l + i ) t
(1.17)
_- K(1) +K(2).
Aus (1.17) folgt unmittelbar, dass sich der Kapitalwert eines aus N unabhS.ngig
voneinander durchfiihrbaren Projekten bestehenden Investitionsprogramms
schlicht als Summe der Einzelkapitalwerte dieser N Projekte ergibt. Damit wie-
derum l~isst sich in einfacher Weise eine Entscheidungsregel ffir die Zusammen-
stellung eines optimalen Investitionsprogramms ftir den Fall des Zugangs zu N
unabh~ingig voneinander durchft~rbaren Investitionsprojekten angeben. Zur Maxi-
14 Vgl. hierzu n~iher Breuer (1997b) oder auch Haley/Schall (1979), S. 166 f., 202 ft., Hax (1982), S. 57 ft., sowie Copeland/WestordShastri (2005), S. 25, 30 f. Grundlegend ist Schall (1972), S. 13 ft. Siehe auch Band II.
70
mierung des Kapitalwerts des Gesamtinvestitionsprogramms sind alle Einzel-
projekte mit positivem Kapitalwert durchzuf'tihren. Investitionsprojekte mit
negativem Kapitalwert sind zu unterlassen, solche mit einem Kapitalwert von
Null k6nnen aufgrund ihrer Verm6gensneutralitat durchgeffihrt oder aber unter-
lassen werden. Im Weiteren sei angenommen, dass Projekte mit einem Kapital-
wert von Null durchgef'tilart werden.
Die zur Verfiigung stehenden N unabhS.ngigen Projekte k6nnen demnach auch
unabh~ingig voneinander beurteilt werden. Man spricht hier auch von sogenann-
ten Einzelentseheidungen. In diesem Zusammenhang erkennt man ferner, dass
mangelnde Teilbarkeit von Investitionsprojekten bei Anwendung des Kapitat-
wertkriteriums keinerlei zus~itzliche Schwierigkeiten bereitet. Selbst wenn alle
Projekte beliebig teilbar w~iren, wttrden sie doch nur entweder im maximalen
Umfang (bei nichtnegativem Kapitalwert) oder gar nicht (bei negativem Kapital-
wert) durchgefiihrt.
Beispiel 1.7: Ein Unternehmer habe Zugang zu vier unabh~ingig voneinander durchftihrbaren
Investitionsprojekten mit folgenden Zahlungsreihen:
t 0 1 2 3
zr 1) -90 30 30 60
Z(t 2) - 8 0 20 40 30
zr 3) - 110 20 100 20
z~4~ -60 10 40 30 t
Tabelle 1.2: Zahlungsreihen von vier Investitionsprojekten ftir t = 0 bis t = 3
Gesucht ist das kapitalwertmaximale Investitionsprogramm bei einem tiber alle
Perioden einheitlichen Ein-Perioden-Zinssatz i = 10 % far Mittelanlage und -ver-
schuldung.
71
Die Kapitalwerte der vier Investitionsprojekte belaufen sich auf
K (1) = -90+ 3 0 + 30 + 60 -~ 7,15 GE > 0, 1,1 1,12 1,13
K (2) -80+ 2 0 + 40 + 30 = ~- -6,22 GE < 0, 1,1 1,12 1,13
K (3) -110+ 20 + 100+ 20 -- ~. 5,85 GE > 0, 1,1 1,12 1,13
K(4) _60+ 10+ 40 + 30 = "~ 4 ,69 GE > 0. 1,1 1,12 1,13
(1.18)
Demnach wird der Untemehmer bloB die Projekte 1, 3 und 4 durchftihren und da-
durch insgesamt eine Verm6genserh6hung in t = 0 yon ungef'fihr 7,15+5,85 +4,69
= 17,69 GE erfahren. []
Das Resultat der M6glichkeit zur Einze lpro jektbeur te i lung mag unmittelbar ein-
leuchtend klingen. In der Tat w~iren aber unabh~ingige Projekte bei fehlender
Existenz eines vol lkommenen Kapitalmarktes keinesfalls ohne weiteres unabh~in-
gig voneinander beurteilbar. Zur Verdeutlichung kann an die Beispiele 1.1 und
1.3 aus dem Kapitel II angekntipft werden.
Bei sp ie l 1.8:
Betrachtet sei ein Unternehmer, der tiber Zugang zu drei tmabh~ingig voneinander
durchftihrbaren und beliebig teilbaren Investitionsprojekten gem~if3 Tabelle 1.1 aus
Beispiel 1.3 des Kapitels II verftigt. Des Weiteren sei seine Nutzenfunktion mit
der aus Beispiel 1.1 des Kapitels II identisch. SchlieBlich soil eine Verm6gensan-
fangsausstattung des Unternehmers in t = 0 von 250 GE angenommen werden.
M6glichkeiten zu Finanzinvestitionen sollen nicht bestehen. Unter diesen Voraus-
72
setzungen liegt ein optimales Realinvestitionsvolumen I* = 174 GE vor, da hierRir
die Transformationskurve zur Tangente an eine Indifferenzkurve wird. Das
optimale Investitionsprogramm besteht somit aus dem Projekt 1 und 94 %iger
Durchftihrung des Projekts 2. Zur Prtifung dieser Aussage ist als Erstes die vom
Unternehmer f'tir I* = 174 GE erreichbare Konsumposition zu bestimmen. Aus W 0
= 250 GE sowie I* = 174 ergibt sich Co = 76 GE. Die Investitionsertragsfunktion
f'tir dieses Zahlenbeispiel ist bereits aus Gleichung (1.6) des vorhergehenden
Kapitels bekannt. Daraus entnimmt man, dass sich fiJr I* = 174 GE ein Rtickfluss
F(I*) = 1,2-0"-80)+100 = 212,8 GE ergibt. Der Konsumpunkt (Co;C~) =
('~0,3 ("~0,7 einher (76;212,8) geht ftir die angenommene Nutzenfunktion U(Co;C1) = ,~0 "~
mit e inem Nutzenniveau von etwa 156,25 und beschreibt damit einen Tangential-
punkt von Transformationskurve und einer Indifferenzkurve, wenn die folgenden
beiden Bedingungen in Analogie zum Gleichungssystem (1.19) aus dem vorher-
gehenden Kapitel II erftillt sind: ~5
I0 3
I. 156,25 7 "76 7 ~ 212,8,
lo lo (1 .19 )
II. 3 .156 ,255- ' 76 -7 -~ 1,2. 7
Die erste Gleichung fordert, dass der Punkt (C0;C~) = (76;212,8) sowohl auf einer
Indifferenzkurve als auch auf der unternehmerischen Transformationskurve liegt.
Die zweite Bedingung verlangt die Gleichheit der (Absolutbetr~ige der) Steigun-
gen beider Kurven ftir (C~;C~) = (76;212,8). Durch Ausrechnen stellt man leicht
lest, dass in der Tat beide Bedingungen erftillt sind. 16
15
16
Die "="-Zeichen sind statt Gleichheitszeichen erforderlich, weil das un- ternehmerische Nutzenniveau mit 156,25 nur gerundet wiedergegeben ist.
NatiJrlich k l~ t diese Proberechnung nicht, wie die optimale Konsumkombina- tion ftir dieses Zahlenbeispiel konkret ermittelt wurde. Wegen des abschnitts- weise linearen Verlaufs von Investitionsertrags- und damit Transformations- funktion ist hierbei in der Tat ein gewisses intelligentes Ausprob ie ren m6gli- cher Tangentialpunktlagen erforderlich, auf das hier aber aus Platzgrtinden
73
In der ersten Graphik aus Abbildung 1.5 sind die hier interessierenden Zusam-
m e n h ~ g e f'ttr drei beliebige Investitionsprojekte 1, 2 und 3 nochmals schematisch
dargestellt.
Nimmt man hingegen an, dass nur die Projekte 2 und 3 aus Tabelle 1.1 des vor-
hergehenden Kapitels verftigbar sind, nicht abet Projekt 1, dann resultiert ein
optimales Investitionsvolumen I* von 150 GE, so dass Projekt 2 und Projekt 3
nunmehr realisiert werden. Es liegt hier demnach ein derartiger Spezialfall vor,
dass sich das Optimum in einem Eckpunkt der abschnittsweise linearen Tranfor-
mationskurve befindet und folglich nicht durch einen Tangentialpunkt yon Trans-
formations- und einer Indifferenzkurve gekennzeichnet ist.
Zur Uberpriifung der Richtigkeit der behaupteten L6sung ist zun~ichst wieder der
zu I* = 150 GE geh6rige Konsumpunkt zu ermitteln. Man erh~ilt unmittelbar C o
= 250-150 = 100 GE. Zur Berechnung von C~ = F(I*) ben6tigt man die Investi-
tionsertragsfunktion, die sich auf der Grundlage von (1.6) aus dem vorherge-
henden Kapitel II leicht durch Weglassen des Projekts 1 bestimmen l~isst:
1,2-I
F(I) -- 1,1.(I-100)+120
175
0 ~ I _ < 100,
100 < I _< 150,
150 < I.
(1.20)
Damit kann man F(150) = 175 GE ablesen. Der Konsumpunkt (C0;C~) = (100;
175) geht einher mit einem unternehmerischen Nutzenniveau yon 100 ~ ~ =
147,95 und ist aus unternehmerischer Sicht optimal, wenn die folgenden beiden
Bedingungen erffillt s ind : 17
17
nicht ngher eingegangen werden soil.
Das "~-"-Zeichen steht in I. aus (1.21) wegen des nur gerundet wieder- gegebenen Wertes von 147,95 ftir das unternehmerische Nutzenniveau.
74
,C1
E (1) + E (2) + E (3)
E (l) + E(2) �9
E(')
E(2) + E(3) E(2)
W 0 - I (1)_I (2)_I (3) W 0 - I (1)_1 (2) W 0 - I (1) W 0
\ J
u*
-,,,._
W 0 - 1 (2) _ I (3) W 0 - 1 (2) W 0 \ Y
-'r" I*
Co
Co
Abbildung 1.5: N a c h w e i s m a n g e l n d e r Beur te i lungsunabh~ingigkei t im R a h m e n v o n E inze l en t s che idungen bei f e h l e n d e m K a p i t a l m a r k t z u g a n g
75
10 3
I. 147,95 7 "100 v .~ 175,
10 10
II. "k .147,95 X .100 - 5 < 1,1. 7
(1.21)
Bedingung I. stellt wiederum sicher, dass ein gemeinsamer Punkt von Transforma-
tions- und Indifferenzkurve betrachtet wird. Bedingung II. verlangt, dass der
Absolutbetrag der Steigung der Indifferenzkurve, also die Grenzrate der Substi-
tution dCl/dC0, im betreffenden Konsumpunkt kleiner als 1,1 ist, da ansonsten an
der betrachteten Stelle ein Schnittpunkt von Transformations- und Indifferenz-
kurve vorltige, also eine Ausdehnung des Gegenwartskonsums tiber 100 GE hin-
aus aus Untemehmersicht von Vorteil wtire. Die Gtiltigkeit von I. und II. aus
(1.21) ltisst sich wieder leicht mit Hilfe eines Taschenrechners verifizieren. In
Abbildung 1.5 ist auch dieses Szenario skizziert, und zwar in der unteren Gra-
phik.
Zusammenfassend erkennt man also unter anderem, dass die Vorteilhaftigkeit des
unabhtingig von anderen Projekten durchftihrbaren Projektes 3 hier wesentlich
von der M6glichkeit der Realisation anderer Projekte, hier des Projekts 1,
abhtingt. []
Sofern zwei oder mehr Investitionsprojekte nur alternativ durchgeftihrt werden
k6nnen, liegt eine Auswahlentsche idung vor. Auch hier erleichtert die Wertaddi-
tivittit der Kapitalwertformel das Treffen von Entscheidungen sehr stark. Falls ein
Unternehmer Zugang zu N Projekten hat, yon denen sich n gegenseitig ausschlie-
Ben, wtihrend die tibrigen N-n untereinander und mit den n sich gegenseitig aus-
schliegenden Projekten in keinerlei Abhtingigkeit stehen, dann sollte der
Untemehmer von den n sich gegenseitig ausschliegenden Projekten dasjenige mit
dem h6chsten (nichmegativen) Kapitalwert durchftihren und von den tibrigen N-n
Projekten all diejenigen, deren Kapitalwert ebenfalls nichmegativ ist.
76
Betrachtet man vereinfachend den Spezialfall yon nur zwei sich gegenseitig aus-
schliel3enden Investitionsprojekten 1 und 2 mit Zahlungsreihen z0 ~1>, zl ~) . . . . . z(v l)
und z{02), zl 2~ . . . . . z~ 2), dann ist der Kapitalwert )co) des Projektes 1 gr6f3er als der
von Projekt 2, ~:c2) werm gilt:
s ( l + i ) t = ( l + i ) t
T z ? T #2,
t=o ( l + i ) t = ( l + i ) t
(1.22)
T ztC1)_zt C2) , ~ > 0 .
t=0 (1 +i) t
Projekt 1 ist dem Projekt 2 gegentiber vorzuziehen, wenn die Differenz ~:(1)_~(2~
der beiden Kapitalwerte positivist. Aus der Wertadditivit~itseigenschaft der Kapi-
talwertformel folgt gem~ii3 der dritten Zeile aus (1.22), dass die Differenz zweier
Kapitalwerte dem Kapitalwert der Differenzzahlungsreihe z{1)-z{ 2~ (t = 0 . . . . . T)
entspricht. Der letztgenannte Kapitalwert wird auch als Kapitalwert der Differenz-
investition '8 1-2 bezeichnet und soil im Weiteren durch ~(1-2) abgeMirzt werden.
Da die Differenzinvestition 1-2 bzw. Differenzzahlungsreihe z{ v2~ - z{l)-z{ 2~ (t = 0,
.... T) angibt, welche Zahlungskonsequenzen ausgel6st werden, wenn man von der
Durchftihrung des Projekts 2 zum Projekt 1 wechselt, gibt der zugeh/Srige
Kapitalwert an, welche Verm6gensmehrung dadurch eintritt, dass man Projekt 2
durch Projekt 1 ersetzt. Zugleich ist der Kapitalwert ~:o-2> der Preis, der am Kapi-
talmarkt ffir den Tausch der M6glichkeit zur Durchf'dhrung yon Projekt 2 gegen
die M6glichkeit zur Durchfiihrung von Projekt 1 gezahlt werden mtisste. Der
Kapitalwert einer Differenzinvestition l~isst sich also v/511ig entsprechend zum
18 Vgl. zum Begriff der Differenzinvestition beispielsweise Hax (1993), S. 39 ft., oder auch Grob (2006), S. 397.
77
bereits bekannten "herk6mmlichen" Kapitalwert interpretieren. 19 In zur G~inze
analoger Weise kann auch die Differenzinvestition 2-1 betrachtet werden, bei der
es um den Wechsel von der Durchftihrung des Projekts 1 hin zu Projekt 2 geht.
Nicht erkennbar ist aus dem Vorzeiehen einer Differenzinvestition wie etwa 1-2,
welches Vorzeichen die Einzelkapitalwerte besitzen. Sofern also zwei sich ge-
genseitig ausschlieBende Projekte 1 und 2 betrachtet werden, yon denen keines
durchgeftihrt werden muss, ist ein positiver Kapitalwert n(1-2) nut notwendig, aber
nicht hinreichend ftir eine sachgerechte Entscheidung zugunsten des Projekts 1.
Separat zu prtifen ist dann immer noch, ob )d ~) gr613er als Null ist. Insofern
erweist sich die Entscheidungsfindung anhand der Kapitalwerte ~:(n) als einfacher
und direkter, als zun~ichst (und letzten Endes zus~itzlich) Kapitalwerte von Dif-
ferenzinvestitionen zu ermitteln. Wir werden aber auf die Bedeutung von Dif-
ferenzinvestitionen noch im weiteren Verlauf dieses Kapitels zurtickkommen.
Beispiel 1.9: In Abwandlung von Beispiel 1.7 sei angenommen, dass der Untemehmer die Pro-
jekte 3 und 4 nur alternativ durchffihren k6nne, wShrend ansonsten alle Projekte
beliebig kombinierbar sind. Als Konsequenz daraus besteht wegen ~:(3) = 5,85 GE
> n(4) = 4,69 GE das optimale unternehmerische Investitionsprogramm lediglich
aus den Projekten 1 und 3, so dass sich ftir den Untemehmer aus seinen Real-
investitionen ein auf t = 0 bezogener Verm6genszuwachs von ungef~ihr 13 GE
ergibc
Die Differenzinvestitionen 3-4 und 4-3 verftigen dabei tiber die folgenden Zah-
lungsreihen:
19 In der Tat ist eine Einzelentscheidung nichts anderes als eine Auswahlent- scheidung, bei der eine der beiden alternativen Zahlungsreihen in allen Zeitpunkten identisch Null ist. So gesehen, beschreibt jeder Kapitalwert ge- wissermagen den Kapitalwert einer bestimmten Differenzinvestition. Wir wer- den hierauf im Abschnitt 3 dieses Kapitels noch ZUlqickkommen.
0
Z(4-3) t
78
t
z~ 34) -50 10 60 -10
50 -10 -60 10
Tabelle 1.3: Zahlungsreihen der Differenzinvestitionen 3-4 und 4-3
Die Zahlungsreihen beider Differenzinvestitionen entsprechen sich damit natfirlich
bis auf die jeweils entgegengesetzten Vorzeichen. Aus Tabelle 1.3 erkennt man
des Weiteren, dass ein Wechsel von Projekt 4 zu Projekt 3 in t -- 0 eine zus~itz-
liche Auszahlung von 50 GE zur Folge hat, andererseits aber in t = 1 und t = 2
daf'tir auch um 10 bzw. 60 GE erh6hte Einzahlungen erbringt. In t = 3 allerdings
reduzieren sich die unternehmerischen Einzahlungen durch den Wechsel
nochmals um 10 GE. Der Kapitalwert der Differenzinvestition betr~igt K (34) --
5,85-4,69 = 1,16 GE > 0. Der Wechsel von Projekt 4 zu Projekt 3 macht den Un-
ternehmer also um etwa 1,16 GE reicher und wird daher vollzogen. Der Kapi-
talwert ~:(4-3) bel~iuft sich entsprechend auf ungefSk~r -1,16 GE. Der Wechsel yon
Projekt 3 zu Projekt 4 verursacht demnach Verm6genseinbul3en von 1,16 GE und
unterbleibt deshalb. Da ~:(3~ _- 5,85 GE > 0 gilt, ist die Entscheidung ftir Projekt
3 hier in der Tat optimal. []
Bedeutungslos im Zusammenhang mit Auswahlentscheidungen zwischen ver-
schiedenen Projekten ist fibrigens, ob die betreffenden Projekte fiber unter-
schiedliche "Nutzungsdauern" verffigen. Unter der Nutzungsdauer eines Investi-
tionsprojekts soll dabei derjenige Zeitpunkt T verstanden werden, in dem sich aus
dem betreffenden Projekt zum letzten Mal eine von Null verschiedene Zahlungs-
konsequenz ergibt. Auch wenn zwei sich gegenseitig ausschliel3ende Projekte 1
und 2 unterschiedliche Nutzungsdauem T (~) und T (2) mit T (l) > T (2~ aufweisen,
reicht ein Kapitalwertvergleich zur Entscheidungsfindung aus. Durch die
Kapitalwertermittlung werden n~imlich ohnehin letztlich alle Zahlungen auf den
Zeitpunkt t = 0 verdichtet unabh~ingig davon, fiber welche Nutzungsdauer ein
Investitionsprojekt verffigt. Aus einem entsprechenden Grunde spielt es auch
79
keine Rolle, ob die Anfangsauszahlungen verschiedener, sich gegenseitig aus-
schliel3ender Investitionsprojekte unterschiedlich hoch sind: Stets ist das Projekt
zu realisieren, dass per Saldo zur gr613ten Veml6gensmehrung ffir den Unterneh-
mer f'tthrt, also mit dem gr6Bten Kapitalwert einhergeht. Die unterschiedliche
H6he von Anfangsauszahlungen wird dabei ohnehin in der Kapitalwertermittlung
beracksichtigt. So ist in Beispiel 1.9 Projekt 3 besser als Projekt 4, obgleich
Projekt 4 eine deutlich geringere Anfangsauszahltmg erfordert. Ein mittelloser
Unternehmer etwa wird bei Entscheidung f'tir Projekt 3 einen Kredit von etwa
115,85 GE in t = 0 erhalten k6nnen, wS.hrend bei Realisation von Projekt 4 nur
eine Mittelaufnahme yon ca. 64,69 GE m6glich ist, so dass dem Unternehmer im
ersten Fall nach Abzug der Anfangsauszahlung mit ca. 5,85 GE mehr Mittel f'tir
Konsumzwecke verbleiben als mit nS_hemngsweise 4,69 GE im zweiten Fall.
1.4 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war die Analyse der Konsequenzen aus der Exi-
stenz eines vollkommenen Kapitalmarktes f'tir unternehmerische Realinvesti-
tionsentscheidungen. Es zeigte sich, dass unter dieser Pramisse das optimale
(Real-) Investitionsprogramm eines Unternehmers unabh~ingig von seinen Zeitpr~i-
ferenzen und seiner monetaren Anfangsausstattung bestimmt werden kann
(Fisher-Separation). Kennzeichen des optimalen Investitionsprogramms ist dabei
seine Eigenschaft der Kapitalwertmaximierung. Der Kapitalwert eines Investi-
tionsprogramms ist die gewogene Summe seiner Zahlungskonsequenzen, wobei
als Gewichte zins- und zeitpunktabh~ngige Diskontierungsfaktoren auftreten.
Anschaulich beschreibt der Kapitalwert eines Investitionsprogramms die sich aus
der Programmrealisation ergebende Vermiigensmehrung des Unternehmers zum
Zeitpunkt t = 0. Der Kapitalwert eines Investitionsprogramms entspricht der
Summe der Kapitalwerte der in diesem Programm enthaltenen Projekte. Sofern
mehrere unabh~ingig voneinander durchftihrbare Investitionsprojekte zur Verffi-
gung stehen, sollte der Unternehmer auf jeden Fall all diejenigen realisieren,
deren Kapitalwert positivist, da er auf diese Weise das Investitionsprogramm ma-
ximalen Kapitalwerts erreicht. Die Durchffihrung von Projekten mit einem Ka-
80
pitalwert von Null ist verm6gensneutral und kann daher ebenfalls erfolgen.
Projekte mit einem negativen Kapitalwert werden nicht umgesetzt, da sie ver-
m6gensreduzierend wirken. Weil die einzelnen Investitionsprojekte hierbei
unabh~ingig voneinander beurteilt werden ktinnen, spricht man auch von Einzel-
entseheidungen. Hat ein Untemehmer zwei oder mehr alternativ realisierbare
Projekte zur Auswahl, so sollte er sich f'tir dasjenige mit dem h6chsten (nichtne-
gativen) Kapitalwert entscheiden (sogenannte Auswahlentseheidungen).
Wiederholungsfragen
81
WI.1
Benennen Sie die Eigenschaften eines vollkommenen Kapitalmarktes, und erl~iu-
tern Sie deren Bedeutung!
W1.2
Welche Konsequenz ergibt sich aus der Annahme eines vollkommenen Kapital-
marktes f'tir Anlage- und Verschuldungszinssatz?
W1.3
Was versteht man unter einer Kapitalmarktgeraden?
Wl.4
Beschreiben Sie die drei grunds~itzlich zu unterscheidenden Unternehmertypen
"Anlegertyp", "S chuldnertyp" und "Neutraler" !
Wl.5
Was versteht man unter der Fisher-Separation, und wie wird sie hergeleitet?
W1.6
Was versteht man unter dem Kapitalwert eines Investitionsprogramms, und wo
l~isst sich dieser im (C0;C0-Diagramm ablesen?
W1.7
Inwiefern gibt die Fisher-Separation eine Rechtfertigung fiJr die Anwendung des
Kapitalwertkriteriums?
W1.8
Wie berechnet sich der Kapitalwert eines Investitionsprogramms im Mehr-Perio-
den-Fall?
82
Wl.9
Zeigen Sie, dass die Kapitalwertformel tiber die Eigenschaft der Wertadditivit~it
verftigt!
W1.10
Was versteht man unter Einzel- und Auswahlentscheidungen, und wie sind diese
im Rahmen des Fisher-Modells zu treffen?
83
2 Dynamischer versus statischer Vorteilhaftigkeitsver- gleich
2.1 Problemstellung
Im vorhergehenden Abschnitt wurde das Kapitalwertkriterium als geeignetes
Entscheidungskriterium hinsichtlich des durchzuftihrenden unternehmerischen Re-
alinvesfifionsprogramms bei Zugang zu einem vollkommenen Kapitalmarkt erl~iu-
tert. Insbesondere in der Wirtschaftspraxis wird zum Teil ftir das Treffen von In-
vestitionsentscheidungen auf gewinnorientierte Betrachtungen abgestellt. W ~ -
rend man kapitalwertorientierte Kalktile wegen der hier tiber entsprechende Dis-
kontierungen erfolgenden expliziten Berticksichtigung der zeitlichen Struktur der
monet~en Konsequenzen aus Realinvestitionen als dynamisch bezeichnet, ist bei
gewinnorientierten Ans~itzen yon statischen Kalktilen die RedeJ
Im Rahmen statischer Investitionsrechnungen wird typischerweise auf die Be-
trachtung einer "reprfsentativen" Periode abgestellt, und sodann werden hierftir
(durchschnittliche) Gewinne oder (bei entscheidungsunabhEagiger Erlt~ssituation)
Kosten ermittelt. Entsprechend spricht man yon statischen Gewinn- und Kosten- vergleichen. Zuweilen wird auch auf die Betrachtung yon Renditen abgestellt. In
diesem Fall liegt ein statischer Rentabilit~itsvergleich v o r . 2
Vgl. beispielsweise Rolfes (1986).
Daneben gibt es noch die statische Amortisationsrechnung, die im Gegen- satz zu Gewinn-, Kosten- und Rentabilit~itsvergleichen an der Betrachtung yon Zahlungsreihen ansetzt, allerdings ohne diese zu diskontieren. Insofern liegt hier trotz mehrperiodiger Betrachtung ebenfalls ein statischer Ansatz vor, wenngleich die statische Amortisationsrechnung die einzige g~ingige sta- tische Vergleichsrechnung ist, die nicht auf die Betrachtung einer repr~isen- tativen Periode abstellt. Vorgehen und Sinnhaftigkeit yon Amortisations- rechnungen werden noch im n~ichsten Abschnitt eingehend er6rtert. Aus Grtinden der Systematik soll an dieser Stelle auf eine vertiefte Behandlung verzichtet werden.
84
Man mag die Betrachtung repr~isentativer Perioden als anschaulicher als eine un-
mittelbare Entscheidung anhand yon Kapitalwerten auffassen. Im Weiteren soil
gezeigt werden, wie sich auch auf kapitalwertorienfierter Basis Analysen auf
der Grundlage repfiisentativer Perioden darstellen lassen und welche Probleme im
Gegensatz hierzu mit einem rein statischen Ansatz verbunden sind. Zu diesem
Zweck sind im folgenden Absehnitt 2.2 zun~ichst Rentenbarwertfaktoren und
(iiquivalente) Annuit~iten als wichtige finanzmathematische Begriffe im Zusam-
menhang mit der Betrachtung repr~isentativer Perioden einzuftihren. AnschlieBend
erfolgt im Absehnitt 2.3 eine Gegentiberstellung yon statischen und dynamischen
Vorteilhafligkeitsvergleichen auf der Basis der Betrachtung repr~isentativer Perio-
den. Die AusfiJhnmgen schlieBen mit einer Zusammenfassung im Absehnitt 2.4.
2.2 R e n t e n b a r w e r t f a k t o r u n d / i q u i v a l e n t e Annui t i i t
Ausgangspunkt soil ein Investitionsprojekt mit der Zahlungsreihe z 0 . . . . . z T und
einem Kapitalwert K bei einem (einperiodigen) Kapitalmarktzinssatz i fiber alle
Perioden sein. Ohne weiteres kann man sich fragen, wie groB eine konstante Ein-
zahlung z von t = 1 bis T sein muss, um ffir gegebenen Zinssatz i auf diesen
Kapitalwert ~: zu kommen. Die gesuchte Einzahlung z muss demnach folgender
Bedingung gentigen:
T ! E Z - K
t=l (1 +i) t
T
z" E 1 r - - K
t=l (1 +i) t
K Z -
T 1
(l+i)t t=l
K
,~ z - RBF(i;T)'
(2.1)
85
wobei "RBF(i;T)" kurz N'r "Rentenbarwer t fak tor bei einem Kalkulationszinsfug
i und einem Betrachtungszeitraum T" steht und hier einfach definiert ist als ~T= 1
(l+i) -t. In dieser Definition entspricht der Kapitalwert einer gleichbleibenden
Einzahlung in H6he von z in den Zeitpunkten t = 1 bis t = T gerade z-RBF(i;T).
Da man hierbei demnach gerade RBF(i;T) fiir z -- 1 erh~ilt, ist der Rentenbarwert-
faktor RBF(i;T) nichts anderes als der Kapitalwert einer gleichbleibenden Einzah-
lung von genau 1 GE in den Zeitpunkten t = 1 bis t = T ftir gegebenen Kalkula-
tionszinsfuB i. Der Quotient r,/RBF(i;T) seinerseits gibt gem~iB (2.1) augenschein-
lich an, welche gleichbleibende Zahlung z von t = 1 bis t = T gerade ebenfalls
zum Kapitalwert K ftihrt. Man bezeichnet z hierbei auch als (zu der dem Kapital-
weft 1< zugrundeliegenden Zahlungsreihe) iiquivalente Annuitiit und nennt 1/
RBF(i;T) den Annuitii tenfaktor ANN(i;T). In v611iger Analogie zu RBF(i;T) gibt
ANN(i;T) an, welche gleichbleibende Einzahlung von t = 1 bis t -- T bei einem
KalkulationszinsfuB i erforderlich ist, um einen Kapitalwert von genau 1 GE zu
generieren. 3
Insbesondere f '~ groges T ist es etwas mfihsam, den Rentenbarwertfaktor fiber die
Summe der entsprechenden Diskontierungsfaktoren yon t -- 1 bis t = T zu er-
mitteln. In der Tat gibt es eine viel einfaehere Formel, bei der man ohne die
Bildung l~inglicher Summen auskommt. Sie lautet:
RBF(i;T) - (1 +i)T-1 (2.2) (1 +i) T- i
Die Herleitung von (2.2) ist einfach, wenn man weig, dass es sich beim Renten-
barwertfaktor um eine ganz spezifische Summe handelt, die man auch als geolne-
tr ische Reihe bezeichnet. Fiir eine beliebige Zahl q bezeichnet man die von T
abh~ingige Summe q0+ql+...+qV-1 von Potenzen als geometrische Reihe. Im An-
hang 1 zu diesem Abschnitt wird gezeigt, dass fiir diese (unter Voraussetzung
Vgl. zur Definition von Rentenbarwert- und Annuit~itenfaktor auch etwa Fi- scher (2005), S. 34 ft. Tabellen mit Werten dieser finanzmathematischen Gr6Ben f'ttr verschiedene Kombinationen von i und T finden sich beispiels- weise auch in Seicht (2001), S. 612 ft.
86
yon q e 1) folgender Zusammenhang vorliegt:
T 1 _qT (2.3) Z qt-1 _
t=l 1 -q
(2.3) kann nun leicht auf den Spezialfall der Summat ion yon Diskontierungs-
fak toren angewandt werden, wenn man q = 1/(l+i) (unter Voraussetzung von i
-1 und i r 0) ansetzt. Damit erh~ilt man:
T RBF(i;T) = ~ 1
t=l (1 +i) t
T _ 1 .~-, 1
1 +i ~= (1 +i) t-1
1 1 - - - -
1 (1 +i) a" l+i 1
1- l+i
(2.4)
1 . (l+i)T-1
l+i (1 +i)Tq.i
_ (1 +i)T-1
(1 +i) T" i
In der zweiten Zeile von (2.4) wurde der Faktor 1/(l+i) vor die Summe gezogen
und in der dritten (2.3) genutzt. In der vierten Zeile wurde zum einen der Nenner
1-[1/(l+i)] des Bruchs zu i/(l+i) umgeformt und zum anderen der ganze Bruch
mit (l+i) w erweitert. In der ftinften Zeile schlieglich wurde nur noch der Nenner
verdichtet.
87
Beispie l 2.1:
Gegeben sei ein Investitionsprojekt 1 mit der folgenden Zahlungsreihe fiber einen
Zeitraum yon t = 0 bis t = 5:
t 0
z(•) - 1.000 t 500 400 200
4 5
300 300
Tabelle 2.1: Zahlungsreihe des Investitionsprojekts 1
Der Kapitalmarktzinssatz sei i = 8 %. Daraus resultiert ein Projektkapitalwert in
H6he von ~:(~) = 389,35 GE. Der Rentenbarwertfaktor fiir i = 8 % und T = 5
bemisst sich als RBF(0,08;5) = (1,085-1)/(1,085-0,08) ~- 3,9927. Die zu dem obi-
gen Projekt fOr T = 5 geh6rige ~iquivalente Annuit~it betr~igt somit ungef'Klar
389,35/3,9927 = 97,52 GE. Das bedeutet, dass gleichbleibende Einzahlungen yon
97,52 GE in den Zeitpunkten t = 1 bis t = 5 ebenfalls nfiherungsweise zu einem
Kapitalwert von 389,35 GE ffihren. []
Statt Investitionsentscheidungen direkt mittels des Kapitalwertkriteriums zu
treffen, kann man nattirlich auch mit Hilfe ~iquivalenter Annuit~iten zu sachgerecht
zusammengestell ten Investit ionsprogrammen gelangen. Im Rahmen einer Einzel-
en t sche idung sollte ein Investitionsprojekt durchgeffihrt werden, wenn seine ftir
einen beliebigen Betrachtungszeitraum T berechnete ~iquivalente Annuit~it
nichmegativ ist. Denn in diesem Fall ist auch der zugeh6rige Kapitalwert des
Projekts nichtnegativ. Entsprechend ist bei einer Auswahlentsche idung zwischen
zwei (oder mehr) Projekten zu verfahren: Dasjenige Projekt, dessen ~iquivalente
Annuit~it f'or einen (projektunabh~ingig fixierten) Betrachtungszeitraum die gr6Bte
ist, verffigt auch fiber den h6chsten Kapitalwert und sollte vorgezogen werden.
Beispie l 2.2:
Gegeben sei erneut das Projekt 1 aus Beispiel 2.1 bei einem einheitlichen Kapi-
talmarktzinssatz i = 8 %. Im Rahmen einer Einzelentscheidung w ~ e dieses Pro-
88
jekt in jedem Falle vorteilhaft, wie auch dessen positive ~iquivalente Annuit~it si-
gnalisiert. Zus~itzlich existiere nun aber ein weiteres Projekt 2, das alternativ zu
Projekt 1 durchgeffihrt werden kann und zu den folgenden Zahlungskonsequenzen
in den Zeitpunkten t = 0 bis t = 4 f'tihrt:
Z(t 2)
0
-500 200
2
400 150 300
Tabelle 2.2: Zahlungsreihe des Investitionsprojekts 2
Der Kapitalwert des Projekts 2 betr~igt ungef~ihr 367,7 GE. Der auf einen Zeitho-
rizont T = 4 bezogene Rentenbarwertfaktor ist u n g e f ~ r 3,3121. Somit ergibt sich
ftir T = 4 als ~iquivalente Annuit~it ein Wert von etwa 367,7/3,3121 = 111,02 GE,
der gr613er als die zum Projekt 1 geh6rige ~iquivalente Annuit~it von ca. 97,52 GE
ist. Nattirlich ist aber eine Entscheidung durch den Vergleich dieser beiden
Annuit~iten nicht zul~issig. Denn wNarend Projekt 1 ~iquivalent zu gleichbleiben-
den periodischen Einzahlungen von 97,52 GE fiber einen Zeitraum von ftinf Pe-
rioden ist, liefert Projekt 2 einen derartigen Zahlungsstrom von 111,02 GE nur
fiber vier Perioden. Aus diesem Grunde sind zum Vergleich von zwei Projekten
im Rahmen einer Auswahlentscheidtmg die ~iquivalenten Annuit~iten in jedem Fall
auf den gleichen (beliebigen) Zeitraum zu beziehen. Beispielsweise bel~iuft sich
die zu Projekt 2 ~iquivalente Annuit~it ffir T = 5 auf etwa 367,7/3,9927 = 92,1 GE
und liegt damit deutlich unter der von ca. 97,52 GE des Projekts 1. In
entsprechender Weise k6nnte man auch die zu Projekt 1 f'tir T = 4 ~iquivalente
Annuit~it mit 389,35/3,3121 = 117,55 GE berechnen. Hier sieht man nattMich er-
neut, dass sich Projekt 1 gegentiber Projekt 2 mit einer nunmehr mal3geblichen
~iquivalenten Annuit~it von n~iherungsweise 111,02 GE als tiberlegen erweist. []
Das Treffen von Investitionsentscheidungen auf der Basis i iquivalenter Annuit~i-
ten beruht letztlich auf dem Gedanken, Investitionsprojekte anhand einer reprii-
sentat iven Per iode zu beurteilen. Interessant ist in diesem Zusammenhang insbe-
89
sondere, wie die Anfangsauszahlung Einfluss nimmt auf die H6he der ~iquivalen-
ten Annuit~it. Zu diesem Zweck ist der Begriff des Ertragswerts eines Projekts
zu einem Zeitpunkt t einzuftthren. Hierunter versteht man den auf den Zeitpunkt
t bezogenen Kapitalwert Tit der aus Sicht des Zeitpunktes t ldinftigen Einzahlungs-
fiberschtisse aus einem Investitionsprojekt. Bei Betrachtung aus Sicht des Zeit-
punktes t = 0 erh~lt man den zugeh6rigen Ertragswert rio eines Investitionspro-
jekts folglich als Kapitalwert nur der Zahlungsreihe z 1 .... . zT. 4 Sei des Weiteren
die Anfangsauszahlung des Zeitpunktes t = 0 ftir die Investitionsrealisation mit A o
bezeichnet, also z 0 = -A o. Dann gilt ~: = -A0+TI o und damit gem~B (2.1):
z= Tl~176 (2.5) RBF(i;T)"
Augenscheinlich wird also bei der Berechnung von z die Anfangsauszahlung A 0
in ganz spezifischer Weise auf die T ktinftigen Zeitpunkte verteilt. Dies wirkt
unmittelbar sachgerecht, weil die Anfangsauszahlung zwar nur in t = 0 anf~illt,
aber die Nutztmg des Projekts fiber einen l~ingeren Zeitraum erm6glicht. Das Be-
dtirfnis, die Anfangsauszahlung auf ktinftige Nutzungsperioden zu verteilen, ist
auch aus der Kosten- und Leistungsrechnung bekannt. Dort wird dieses Ziel
durch die Abschreibung der Anfangsauszahlung erreicht. Unter der Abschreibung
kann man generell eine Verringerung des ausgewiesenen (Buch-) Wertes eines
Verm6gensgegenstands begreifen. Bei 0bereinstimmung des anf~inglichen Buch-
werts eines Investitionsobjekts mit der Projekt-Anfangsauszahlung (oder - in der
Terminologie der Kosten- und Leistungsrechnung - den Anschaffungskosten) und
einer insgesamt erfolgenden Abschreibung bis auf Null 5 stellen Abschreibungen
nichts anderes dar als eine Verteilung der Anfangsauszahlung auf mehrere nach-
folgende Perioden. Insofem kann man die Rechnung A0/RBF(i;T) als eine ganz
Der Ertragswertbegriff wird nochmals im Abschnitt 4 des vierten Kapitels bei der Diskussion der sogenannten Ertragswertabschreibung aufgegriffen. Dort finden sich auch Berechnungsbeispiele f'tir Ertragswerte.
Sofern das der Projektzahlungsreihe zugrundeliegende Investitionsobjekt zum Ende seiner Nutzung noch zu einem positiven Preis verkauft werden kann, ist es sachgerecht, nur bis zu diesem Restverkaufserliis abzuschreiben. Auf diese Komplikation soll im Weiteren jedoch nicht naher eingegangen werden.
90
spezifische Form der Abschreibung der Anfangsauszahlung begreifen. Wahrend
im Rahmen des Rechnungswesens die Abschreibtmg auf Basis der Anschaf-
fungsauszahlungen derart erfolgt, dass die Summe aller Abschreibungen mit der
Anschaffungsauszahlung tibereinstimmt, stellt eine Abschreibung auf der Basis
der Rechnung A0/RBF(i;T) sicher, dass der Kapitalwert der Abschreibungen der
Anfangsauszahlung entspricht. Es sollte unmittelbar einleuchten, dass Letzteres
unter dem Aspekt kapitalwertorientierter Entscheidungsrechnungen auf der Grund-
lage repr~isentativer Perioden die einzig sinnvolle Art darstellt, die Anfangs-
auszahlung auf kfinftige Perioden zu verteilen, also abzuschreiben. 6 Bemerkens-
werterweise muss - entgegen der m6glicherweise ersten Vermutung manches Le-
sers - die Abschreibung dabei keineswegs fiber einen Zeitraum erfolgen, der mit
der Projektnutzungsdauer exakt fibereinstimmt. In der Tat ist der Einzahlungs-
fiberschuss einer repr~isentativen Periode abhS_ngig yon der Zahl der insgesmnt be-
trachteten Perioden, und entscheidend ist lediglich, dass bei Auswahlentscheidun-
gen for alle altemativen Projekte der gleiche Betrachtungszeitraum zugrunde ge-
legt wird.
2.3 Statischer Gewinnvergleich versus Kapitalwertkriterium
2.3.1 Vorgehen im Rahmen eines statischen Gewinnvergleichs
Mancher mag das Treffen von Investitionsemscheidungen auf der Gmndlage re-
pr~isentativer Perioden als anschaulicher als eine direkte Kapitalwertoriemierung
erachten. NattMich ist aber auch der Kapitalwert als die durch das betrachtete
Die Summe der Abschreibungen wird bei kapitalwertorientierter Rechnung A0/RBF(i;T) wegen der Diskontiemng der Abschreibungsbetr~ige griifler als A0 sein mfissen. Im Rahmen der externen Rechnungslegung, die Aul3enstehen- de fiber die unternehmerische Ertragslage informieren soll, bestehen enge gesetzliche Vorschriften, die fiber A 0 hinausgehende Gesamtabschreibungen ausschliegen. Uns interessieren an dieser Stelle jedoch nur interne Rech- nungssysteme, die der Entscheidungsunterstfitzung ffir die Unternehmenslei- tung dienen und ftir die es grunds~itzlich keine gesetzlichen Restriktionen gibt.
91
Projekt fiir t = 0 erreichbare Verm/Sgensmehrung als recht anschaulich zu be-
zeichnen. Ferner werden die ben6tigten ~iquivalenten Annuit~iten letztlich auf
Basis der Projektkapitalwerte bestimmt, so dass hierdurch grunds~itzlich lediglich
zus~itzlicher Rechenaufwand verursacht wird. Typischerweise werden Betrach-
tungen repr~isentativer Perioden daher zumeist auch gar nicht auf kapitalwert-
orientierter Grundlage durchgeftihrt, sondern sind vielmehr gewinnorientiert.
Das heii3t, es werden ffir ein Investitionsprojekt 7 die im Rahmen einer repr~isen-
tativen Periode anfallenden Gewinne bestimmt, und es wird das betreffende Pro-
jekt auf dieser Grundlage sodann beurteilt. Wie bereits im Abschnitt 2.1 ausge-
ffihrt, spricht man in derartigen Fallen von statischen Investitionsrechnungen im
Gegensatz zu den dynamischen, die auf (diskontierte) Zahlungsstrukturen abstel-
len. Nach den bisherigen Darlegungen dieses Buches ist ohne weiteres klar, dass
eine gewinnorientierte Betrachtung nur sinnvoll sein kann, wenn sie stets zum
gleichen Ergebnis f'tihrt wie eine kapitalwertorientierte. Selbst unter vereinfachen-
den Annahmen leistet ein statischer Gewinnvergleich dies nicht, und insofern ist
yon seiner Anwendung grunds~itzlich abzuraten. Entsprechendes gilt f'tir andere
Spielarten statischer Investitionsrechnungen.
Um diese Beurteilung nachvollziehen zu k6nnen, soll im Weiteren zun~ichst das
Vorgehen im Rahmen eines statischen Gewinnvergleichs NLlaer beschrieben wer-
den. Analoge Darstellungen w~iren f'tir statische Kosten- und Rentabilit~itsver-
gleiche m6glich. Hierauf sei aber aus Platzgrtinden verzichtet, s
Der aufmerksame Leser wird anmerken, dass genaugenommen nattirlich eine Investitionsprogrammentscheidung den Ansatzpunkt auch etwa ffir Gewinn- vergleichsrechnungen bilden sollte. In der Tat sind Gewinnformeln aber ebenso wie Kapitalwertformeln wertadditiv, so dass in diesem Zusammen- hang auf die im letzten Abschnitt angefa'hrte Begrtindung ffir die M6glichkeit zur Einzelprojektbeurteilung verwiesen werden kann.
Ausffihrliche Er6rterungen statischer Vergleichsrechnungen finden sich in zahlreichen finanzwirtschaftlichen Lehrbtichern. Vgl. z.B. Blohm/Liider/Schae- fer (2006), S. 134 ff., G6tze (2006), S. 50 ft., Grob (2006), S. 14 ft., Perri- don/Steiner (2007), S. 25 ft.
92
2.3.1.1 Einzelentscheidung
Ausgangspunkt eines statischen Gewinnvergleichs ist die Ermi t t lung des Ge-
winns G t a u s einem Projekt in jedem Zeitpunkt t = 0 ..... T der Nutzung dieses
Projekts. Die in t = 0 im Rahmen der Projektdurchftihrung anfallende Anfangs-
auszahlung sei A 0. Da in t = 0 in H6he dieser Anfangsauszahlung auch eine Akti-
vierung, das heif3t Wertzuschreibung, erfolgt, ist der Gewinn in t = 0 aus der
Projektdurchf'tihrung unmittelbar 0 GE. Von Null verschiedene Gewinne sollen
daher erst ab t = 1, dem Beginn der laufenden Gtiterproduktion und -ver~iugerung,
anfallen. In diesem Zusammenhang bezeichne x t den mengenm~iBigen Absatz
des im Rahmen des Investitionsprojekts gefertigten Produkts zum Zeitpunkt t,
w~ihrend Pt ftir den zugeh6rigen (Sttick-) Preis in diesem Zeitpunkt steht. Mit kv, t
sollen die variablen Kosten pro Sttick im Zeitpunkt t bezeichnet werden, und Kf, t
steht entsprechend f'tir die Fixkosten, die in t anfallen. Im Weiteren sei unter-
stellt, dass die variablen Sttickauszahlungen, in t ebenso wie die fixen Auszah-
lungen in t mit den entsprechenden Kostengr613en tibereinstimmen. Des Weiteren
beschreibt D t ( "D" ftir engl. "depreciation") die auf den Zeitpunkt t verrechnete
Absehreibung der Anfangsauszahlung. Als Letztes ist schliel31ich noch die Gr613e
kZ t einzuftihren, worunter die kalkulatorischen Zinsen eines Zeitpunktes t zu
verstehen sind. Im Rahmen statischer Ans~itze unterbleibt die Diskontierung
monet~irer Konsequenzen verschiedener Zeitpunkte. Um Zinseffekte nicht v611ig
zu vemachl~issigen, werden aber immerhin sogenannte kalkulatorische Zinsen auf
die einzelnen Perioden verrechnet. Die Vorstellung hierbei ist die, dass eine An-
fangsauszahlung A 0 in t = 0 unmittelbar einen entsprechenden zu finanzierenden
Mit te lbedarf dieses Zeitpunktes zur Folge hat. Durch die Abschreibungen
verringern sich der Wertansatz f'tir die angeschafften Investitionsgtiter und damit
scheinbar auch der Mittelbedarf f'tir die n~ichste Periode. Wenn man derart
argumentiert, unterstellt man augenscheinlich wenigstens implizit, dass jeweils in
H6he der Abschreibungen (tiber die sowieso erfolgenden Zinszahlungen
93
hinausgehende) Rtickzahlungen an Kapitalgeber geleistet werden. 9 W~_rend
demnach in t = 0 ein Mittelbedar-f yon A o auszuweisen ist, betr~igt dieser in t =
1 nur Ao-D 1 aufgrund des durch die vorgenommene Abschreibung entsprechend
reduzierten (Restbuch-) Wertes der eingesetzten Investitionsobjekte. Der durch-
schnittliche 1~ Mittelbedarf ist folglich (Ao+(Ao-D1))/2 = A0-D1/2. Mit i als
maf3geblichem Kalkulationszinsfug ergeben sich damit auf den Zeitpunkt t = 1 zu
verrechnende kalkulatorische Zinsen yon i-(Ao-D]2 ). Auf die gleiche Weise kann
Fttr den Zeitraum yon t = 1 bis t = 2 verfahren werden. Mit Ao-D 1 als Mittel-
bedarf in t = 1 und A0-D~-D 2 als verbleibendem Mittelbedarf in t -- 2 gelangt man
zu kalkulatorischen Zinsen des Zeitpunktes t = 2 von i-[(Ao-D1+Ao-D1-D2)/2 ] =
i.(Ao-D1-D2/2). Beliebige andere Zeitr~iume werden analog behandelt. Im Spe-
zialfall linearer Abschreibung, also D t = D = konst. (V t), ergibt sich eine recht
einfache Formel far den durchschnittlichen Mittelbedarf von einem Zeitpunkt t-1
bis t. Im Zeitpunkt t-1 n~imlich liegt noch ein Mittelbedarf von Ao-(t-1)-D vor,
w~ihrend in t der Mittelbedarf auf Ao-t-D gesunken ist. Das arithmetische Mittel
dieser beiden Werte ergibt als durchschnittlichen Mittelbedarf von t- 1 bis t gerade
Ao-(t-0,5)-D. Die zugeh6rigen kalkulatorischen Zinsen sind folglich i.[Ao-(t-
0,5)'D] und werden dem Zeitpunkt t zugeordnet.
In jedem Fall l~isst sich der Gewinn aus dem zugrunde gelegten Projekt in einem
Zeitpunkt t = 1 . . . . . T schreiben als:
Gt = xt-(Pt-kv,t)-Kf, t-Dt-kZt. (2.6)
10
Diese Art der Berechnung unternehmerischen Mittelbedarfs in einem Zeit- punkt t wird auch als bilanzbezogene Kapi ta lbedar fs rechnung bezeichnet. Vgl. hierzu nS_her beispielsweise Hax (1998), S. 205 ft., sowie Breuer (1998a), S. 22 f.
Bei einer solchen Berechnung des durchschnittlichen Mittelbedarfs von einem Zeitpunkt t-1 bis zu einem Zeitpunkt t wird eine gleichm~iBige Wertminde- rung yon t-1 bis t unterstellt, was nur bei l inearer Absehreibung, das heigt konstanten Abschreibungsbetr~igen je Periode, wirklich gerechtfertigt er- scheint. Genauere Berechnungen des durchschnittlichen Mittelbedarfs im Fal- le nichtlinearer Abschreibung sollen hier zur Vereinfachung unterbleiben.
94
Der Gewinn des Zeitpunktes t ergibt sich damit aus dem Deckungsbeitrag x t.(pc
kv,t) des Zeitpunktes t unter Abzug der Fixkosten Kf, t, der Abschreibung D t und
der verrechneten kalkulatorischen Zinsen kZ t. Den Gewinn G einer "repr~isenta-
riven" Periode (oder kurz: den repr~isentativen Gewinn) erh~ilt man sodann durch
Summation der entsprechenden Einzelgewinne yon t = 1 bis t = T und anschlie-
i3ende Division dieser Summe durch T:
T
_ t=l
T
T T T T
~ x t ' ( , P t - k v , t ) E K f , t E D t E k Z t t=l t=l t=l t=l
T T T T
(2.7)
Der repr~isentative Gewinn eines Projekts kann demnach auch dadurch ermittelt
werden, dass man vom durchschnittlichen Deckungsbeitrag die durchschnittlichen
Fixkosten, die durchschnittlichen Abschreibungen und die durchschnittlichen kal-
kulatorischen Zinsen abzieht. Unter der Pramisse, dass die Summe aller Abschrei-
bungen gerade der Anfangsauszahlung A 0 entspricht, bestimmt sich die
durchschnittliche Abschreibung iJberdies unabhiingig von der konkreten Form der
Abschreibung als A0/T. Umst~indliche Summationen k6nnen im Hinblick auf die
Berechnung von D folglich vermieden werden.
Unter dem Aspekt der Maximierung des Gewinns einer repr~isentativen Periode
wird ein Projekt im Rahmen einer Einzelentscheidung f'tir G ___ 0 GE schliel31ich
als vorteilhaft aufgefasst.
Beispiel 2.3: Gegeben sei ein Investitionsprojekt 1 mit einer Anfangsauszahlung in H6he von
580 GE. Aus diesem Projekt sollen sich weitere monet~ire Konsequenzen in den
Zeitpunkten t = 1, 2 ..... 10 ergeben. Die konkreten Erfolgskonsequenzen aus dem
95
Investitionsprojekt 1 k6nnen der nachfolgenden Tabelle 2.3 entnommen werden.
Dabei sei von einer linem'en Abschreibung fiber alle 10 Zeitpunkte ausgegangen.
Dies ffihrt unmittelbar zu D(t ~) = 580/10 = 58 GE = konst. (V t)~ Auf dieser
Grundlage k6nnen sodann auch die kalkulatorischen Zinsen aus Tabelle 2.3
nachvollzogen werden. So besteht zum Zeitpunkt t = 1 nur noch ein (unterstellter)
Mittelbedarf von 580-58 = 522 GE. Im Durchschnitt belief sich der Mittelbedarf
von t = 0 bis t = 1 auf (580+522)/2 -- 551 GE. Mit einem Kapitalmarktzinssatz
yon i = 10 % gelangt man somit zum Ansatz von kalkulatorischen Zinsen ffir die
Periode von t = 0 bis t = 1 in H6he von 0,1-551 = 55,1 GE. Auf die gleiche
Weise lassen sich die weiteren Zahlen der Zeile kZl 1) bestimmen. Mit 522-58 =
464 GE als verbleibendem Buchwert und damit unterstelltem Mittelbedarf in t =
2 gelangt man beispielsweise im Zeitraum yon t = 1 bis t = 2 zu einem
durchschnittlichen Mittelbedarf von (522+464)/2 = 493 GE, auf den 0,1-493 =
49,3 GE kalkulatorische Zinsen verrechnet werden. Augenscheinlich reduzieren
sich damit die ausgewiesenen kalkulatorischen Zinsen jede Periode tun 0,1 "58 =
5,8 GE.
t 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
x~ 1) 28 32 32 28 30 31 32 27 35 28
pl 1) 20 25 27 23 26 21 23 19 28 18
kll I 10 14 12 16 10 9 11 15 13 10
K~I I 130 130 140 150 140 170 190 200 150 100
DI 1) 58 58 58 58 58 58 58 58 58 58
kZl ~) 55,1 49,3 43,5 37,7 31,9 26,1 20,3 14,5 8,7 2,9
Tabelle 2.3: Erfolgskonsequenzen aus der Durchffihrung des Projekts 1
Mit den Werten aus Tabelle 2.3 ist es nun m6glich, die Gewinne GI ~) aus dem
Projekt 1 in den Zeitpunkten t = 1 bis t = 10 gem~il3 Formel (2.6) zu berechnen.
96
Beispielsweise erh~lt man GI 1) = 28-(20-10)-130-58-55,1 = 36,9 -- 37 GE.
Insgesamt ergeben sich die folgenden (ganzzahlig gerundeten) Werte:
Tabelle 2.4: (Ganzzahlig gerundete) Gewinne G(, 1) aus Projekt 1 (t = 1 . . . . . 10)
Das arithmetische Mittel der Gewinne GI ~ (t = 1 . . . . . T), also der Gewinn einer
repr~isentativen Periode, betr~igt damit: ~1) _- 1.031/10 = 103,1 GE 11, wobei der
kumulierte Gesamtgewinn tiber alle 10 Zeitpunkte durch die Anzahl der Betrach-
tungszeitpunkte dividiert wird. Wegen ~<1) > 0 erweist sich Projekt 1 im Rahmen
einer Einzelentscheidung und bei Zugrundelegung des Ziels der Maximierung des
repr~isentativen Gewinns einer Periode damit als sinnvoll. []
Unter bestimmten Voraussetzungen vereinfacht sich die Ermittlung des gesuchten
repr~isentativen Gewinns. Bei l inearer Absehre ibung der Anfangsauszahlung
muss im Rahmen der Berechnung von G einfach nur die konstante Abschreibung
D = Ao/T in Abzug gebracht werden. Dies ftir sich genommen ist noch keine
nennenswerte Erleichterung, weil stets D = A0/T gilt, falls lediglich A o insgesamt
abgeschrieben wird. Des Weiteren aber verktirzt sich die Formel f'tir die durch-
schnittlichen kalkulatorischen Zinsen sehr. Da der durchschnittliche Mittelbedarf
von t = 0 bis t = T im Falle linearer Abschreibung gerade A0/2 betr~igt, resul-
tieren durchschnittliche kalkulatorische Zinsen von i'A0/2:
11 Dieser Wert resultiert auch bei exakter Rechnung.
T kZ t
ET t=l
T
__ i . Z T t= l [A~
: i ITA0 0,5 ] T [ t=l
-- __i.IT. A A o . [ T ' ( T + I ) W [ ~ W [ 2
= i . A o 2
97
(2.8)
Bei den Umformungen aus (2.8) wurde in der vierten Zeile zum einen der Urn-
stand genutzt, dass sich die Summe der Zahlen von 1 bis T als T-(T+I)/2 berech-
net) 2 Zum anderen wurde D = A0/T im Rahmen linearer Abschreibung berfick-
sichtigt.
Beispiel 2.4:
Ffir das Projekt 1 aus Beispiel 2.3 kann man ohne explizite Ermittlung der kalku-
latorischen Zinsen der Zeitpunkte t = 1 bis t = 10 direkt darauf schlieBen, dass
sich deren Durchschnitt auf 0,1.580/2 = 29 GE bel~iuft. []
Wenn schlieBlich auch noch die Absatzmenge x t fiber alle Perioden konstant sein
sollte, x t = x = konst. (V t), dann vereinfacht sich (2.7) zu
12 Vgl. hierzu niJ_her den Anhang 2 zu diesem Kapitel.
98
P: 't Kf't A~ i" A~ -- x u u (2.9)
In diesem Fall mfisste man also im Wesentlichen nur noch die durchschnittlichen
Preise, variablen Sttickkosten und periodenbezogenen Fixkosten fiber den Zeit-
raum von t = 1 bis t = T ermitteln. Eine separate Berechntmg der Deckungsbei-
tr~ige der einzelnen Zeitpunkte t = 1, ..., T ertibrigt sich hierbei also.
2.3.1.2 Auswahlentscheidung
Sofem neben dem gerade er6rterten Projekt noch ein zweites, alternativ reali-
sierbares Projekt existiert, ist ftir beide der repr~isentative Gewinn zu ermitteln,
und die Entscheidung f~illt dann zugunsten desjenigen Projekts mit dem h6chsten
repr~isentativen Gewinn. Im Rahmen einer derartigen Auswahlentscheidung stel-
len sich allerdings wenigstens zwei Fragen, die bei Einzelentscheidungen nicht
aufkommen. Wie ist zu verfahren, wenn die zu vergleichenden Projekte fiber eine
unterschiedliche Nutzungsdauer verffigen? Welche Konsequenzen sind aus un-
terschiedlichen Mitteleins~itzen zu ziehen?
Falls beide Projekte nur einmal durchgef'tthrt werden k6nnen, ist ihnen zur Er-
mittlung des repr~isentativen Gewinns auch unmittelbar der gleiche Betrach-
tungszeitraum zugrunde zu legen. Dieser kann grunds~itzlich beliebig gewahlt
werden und muss insbesondere nicht der Nutzungsdauer eines der beiden Projekte
entsprechen. Durch die Rechnung mit einheitlichem Bezugszeitraum ist gewLlar-
leistet, dass man sich ftir dasjenige Projekt mit dem insgesamt h6chsten Gesamt-
gewinn entscheidet. Insofem h~itte man sich auch gleich auf die Betrachtung der
Gesamtgewinne beschr~inken k6nnen, und wieder mag die Berechnung perioden-
bezogener Gewinngr6Ben Nmlich wie die B estimmung ~iquivalenter Annuit~iten
im Rahmen dynamischer Ans~itze vor allem unter dem Aspekt der Gew~hrleis-
tung gr6Berer Anschaulichkeit von Interesse sein. Falls man die beurteilungsrele-
99
vanten repr~isentativen Gewinne der beiden Projekte in der Tat unter Zugrundele-
gung ihrer jeweiligen (unterschiedlichen) Nutzungsdauer ermittelt, ist die da-
raus resultierende Entscheidung nur unter der Pr~imisse stets aquivalent zur Ge-
samtgewinnmaximierung, dass beide Projekte so oft wiederholt werden k6nnen,
dass im Rahmen der wiederholten Projektdurchftihrung ftir beide Projekte doch
wiederum eine identische Gesamtnutzungsdauer vorliegt. Im einfachsten Fall
kSnnte man etwa die M6glichkeit unendlich h~iufiger Wiederholung der beiden
Projekte unterstellen. Dann ware aus Grtinden der Vergleichbarkeit auch die Be-
rechnung repr~isentativer Gewinne in besonderer Weise gerechffertigt.
Schliel31ich ist auf die Frage zurtickzukommen, welche Konsequenzen aus unter-
schiedlichen Mitteleinsiitzen der beiden Projekte in t = 0 zu ziehen sind. Sofern
man schlicht die in herktimmlicher Weise errnittelten repr~isentativen Gewinne der
beiden sich ausschliel3enden Projekte gegentiberstellt, ist dieses Vorgehen
gleichbedeutend mit der (impliziten) Annahme, dass neben den beiden zur Aus-
wahl stehenden Projekten keine besseren Mittelverwendungsm6glichkeiten als
zum Kapitalmarktzinssatz i bestehen. Etwaige nach Projektdurchftihrung noch
vorhandene Mittel waren dann erfolgsneutral, weil erzielte Ertr~ige und verrechne-
te kalkulatorische Zinsen tibereinstimmten. 13
Beispiel 2.5: Gegeben sei das Investitionsprojekt 1 aus Beispiel 2.3 bei weiterhin gtiltiger
Annahme yon i = 10 %. Zus~ttzlich existiere nun aber auch noch ein alternativ
realisierbares Projekt 2, das bei einer Anfangsauszahlung von 430 GE in den
Zeitpunkten t = 1 . . . . . 8 zu von Null verschiedenen Erfolgskonsequenzen ftihrt
und dessen Nutzungsdauer sich somit auf 8 Perioden bel~iuft. Wieder sei yon
einer linearen Abschreibung, dieses Mal tiber 8 Perioden, attsgegangen. Die hier
Bemerkenswerterweise wird dieser Umstand in der Literatur zuweilen nicht erkannt. Vgl. etwa Kruschwitz (1993), Sp. 1861, sowie Kruschwitz (2005), S. 34. In der Tat ist dies der gleiche Grund, warum auch im Zusammenhang mit Auswahlentscheidungen tiber Kapitalwertbetrachtungen unterschiedliche Projektanfangsauszahlungen nicht weiter beachtlich sind.
100
relevanten konkreten Werte k6nnen der Tabelle 2.5 entnommen werden.
t 1
x(t z) 29
p{2) 25
k(2) 12 v , t
v~>, 18o
D(t 2) 53,75
kZ(t 2~ 40,31
2 3
31 29
25 22
8 12
200 190
53,75 53,75
34,94 29,56
4 5
26 31
20 24
10 11
170 180
53,75 53,75
24,19 18,81
6 7
32 30
25 24
12 15
170 170
53,75 53,75
13,44 8,06
8
33
26
11
180
53,75
2,69
Tabelle 2.5: Erfolgskonsequenzen aus der Durchft~hrung des Projekts 2 (letzte
Zeile mit gerundeten Werten)
Auf der Basis von Tabelle 2.5 gelangt man zu den folgenden (ganzzahlig gerun-
deten) Gewinnen ~(2) aus Projekt 2 in den Zeitpunkten t = 1, 8: v t . . - ~
Tabelle 2.6: (Ganzzahlig gerundete) Gewinne G(t 2) aus Projekt 2 (t = 1 . . . . . 8)
Als repr~isentativer Gewinn tiber die Projektnutzungsdauer ergibt sich auf der
Grundlage von TabeUe 2.6 das arithmetische Mittel 996/8 = 124,5 GE TM, das so-
mit tiber dem repr~sentativen Gewinn aus Projekt 1 liegt. Projekt 2 wttrde
demnach Projekt 1 vorgezogen. Gesamtgewinnmaximierend wS_re diese Entschei-
dung aber nur unter gewissen Zusatzannahmen, etwa wenn Projekt 1 vier- und
14 Diesen Wert erh~ilt man auch auf der Grundlage der exakten Periodenge- winne.
101
Projekt 2 ffinfmal hintereinander durchgeftihrt werden k6nnte, so dass der mag-
gebliche Betrachtungszeitraum in beiden F~illen 40 Perioden umfasste. Hier aber
war von einer derartigen wiederholten Durchffihrung gar keine Rede. Dann je-
doch ist die Entscheidung auf der Grundlage der gerade ermittelten Durchschnitts-
gewinne nicht sachgerecht. WSJarend Projekt 1 n~imlich fiber 10 Perioden hinweg
Gewinne von durchschnittlich 103,1 GE generiert, liefert Projekt 2 einen durch-
schnittliche Periodengewinn von 124,5 GE nur fiber 8 Perioden. Wie bereits dar-
gelegt, sollte man die berechneten Gewinne einer repdisentativen Periode we-
nigstens auf den gleichen Betrachtungszeitraum beziehen. Legt man etwa generell
den Zeitraum von t = 0 bis t = 10 zugrunde, so liefert Projekt 1 den bereits
bekannten repr~isentativen Gewinn von 103,1 GE, w~hrend Projekt 2 nur auf
996/10 = 99,6 GE kommt, also schlechter abschneidet. Entsprechend k6nnte man
auch einen Betrachtungszeitraum yon 8 Perioden ansetzen. Dies bedeutet nicht,
dass man die Gewinne aus dem Projekt 1 in den Zeitpunkten t = 9 und t = 10
unberficksichtigt l~isst. Vielmehr wird der Gesamtgewinn eines jeden Projekts,
also auch von Projekt 1, auf lediglich 8 Perioden verteilt. Man fragt sich also
genaugenommen, welcher gleichbleibende Gewinn in t = 1 ... . . 8 zum gleichen
Gesamtgewinn f'tihrt wie das jeweils betrachtete Projekt fiber seine komplette
Nutzungsdauer. Dabei ergibt sich ffir Projekt 1 ein Wert von 1.031/8 = 128,88
GE, der selbstverst~indlich ebenfalls fiber dem entsprechenden Wert von 124,5 GE
des Projekts 2 angesiedelt ist. Ebenso gut kann man auch unmittelbar die
kumulierten Gesamtgewinne der beiden Projekte vergleichen. Projekt 1 ist mit
einem Gesamtgewinn von 1.031 GE auch hier dem Projekt 2 mit einem Gesamt-
gewinn von 996 GE fiberlegen.
Erw~ihnenswert ist des Weiteren, dass Projekt 2 nur 430 GE Anfangsauszahlung
ben6tigt, wg.hrend Projekt 1 einen Mittelbedarf in t = 0 von 580 GE aufweist.
Damit die obigen Rechnungen konsistent sind, muss daher angenommen werden,
dass die betrachtete Unternehmung neben der Durchftthrung eines der beiden Pro-
jekte etwaige noch vorhandene Mittel nur noch zum Kapitalmarktzinssatz i = 10
% anlegen kann. []
102
2.3.2 Gegeniiberstellung mit dem Kapitalwertkriterium
Der wesentlichste Kritikpunkt hinsichtlich der statischen Verfahren betrifft ihre
fehlende theoretische Fundierung 15 und - damit zusammenhangend - ihre allen-
falls zuf~illige Ubereinstimmung mit den auf der Grundlage des Kapitalwertkri- teriums resultierenden optimalen Entscheidungen.
Die Ursachen f'tir mtigliche Diskrepanzen zwischen statischer und dynamischer
Betrachtung liegen auf der Hand. Selbst wenn man annimmt, dass nur Abschrei-
bungen und kalkulatorische Zinsen unter den Erfolgskomponenten nicht zahlungs-
gleich sind, ergibt sich doch dadurch schon die Unm6glichkeit, aus der Projekt-
beurteilung bei Gewinnvergleich auf die Projektbeurteilung bei Kapitalwertver-
gleich zu schlieBen. Denn zum einen erfolgt im Rahmen des statischen Ansatzes
grunds~itzlich keine sachgerechte Verteilung der Anfangsauszahltmg auf die ein-
zelnen Perioden und ffihrt zum anderen eine ,~nderung des ohnehin nicht ein-
deutig determinierten anzuwendenden Abschreibungsverfahrens bereits zu ver-
iinderten Ausweisen des repr~isentativen Gewinns, da n~imlich tiber das gewahlte
Abschreibungsverfahren der angesetzte Mittelbedarf der einzelnen Perioden und
mithin die zugehtirigen kalkulatorischen Zinsen bestimmt werden. Des Weiteren
spielt die zeitliche Verteilung der Erl6se sowie der hiermit einhergehenden vari-
ablen Kosten und periodenbezogenen Fixkosten im Rahmen des statischen Ge-
winnvergleichs keine Rolle ffir den resultierenden durchschnittlichen Gewinn, da
die verrechneten Zinsen allein durch die gewahlte Abschreibungsmethode be-
stimmt werden. Eine ,~nderung der zeitlichen Verteilung yon Erl6sen, variablen
und periodenbezogenen Fixkosten wirkt sich aber sehr wohl auf den resultieren-
15 Es gibt durchaus neuere Ansiitze, die gewilmorientierte Betrachtungen zu rechtfertigen suchen. Vgl. z.B. Reichelstein (1997) und Rogerson (1997). Im Mittelpunkt steht hierbei die Steuerung des Investitionsverhaltens eines angestellten (eigennfitzigen) Managers aus Sicht der Umemehmenszentrale fiber entsprechende Ausgestalmng der Managementemlohnung. Derartige Uberlegungen auf der Grundlage yon Interessenkonflikten zwischen Mana- gem und Untemehmenszentrale sollen im Rahmen dieser einffthrenden Dar- stellung aber nicht vertieff werden.
103
den Projektkapitalwert aus, so dass also auch unter diesem Aspekt erkennbar ist,
dass zwischen kapitalwert- und gewinnorientierter Investitionsrechnung keinerlei
systematischer Zusammenhang besteht. Entsprechend leicht lassen sich Zahlenbei-
spiele konstruieren, in denen man zu widerspri iehlichen Empfeh lungen bei
statischer und dynamischer Investitionsrechnung gelangt.
Beispiel 2.6:
Gegeben seien die Annahmen der Beispiele 2.3 und 2.5, wobei alle Erfolgsgr6gen
(bis auf Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen) zahlungsgleich seien. Auf
Basis der Tabellen 2.3 und 2.5 lassen sich damit die Einzahlungstiberschtisse z~t n) v(n)./n(n) le.(n)~ ]~(n)
= At tt:'t -r~v,t/- '~f,t aUS einem Projekt n = 1, 2 in den Zeitpunkten t = 1 . . . . , 10
ermitteln. Ftir Projekt 2 etwa berechnet sich die Einzahlung z~ 2) des Zeitpunktes
t = 1 als 29-(25-12)-180 = 197 GE. Insgesamt erh~ilt man: ~6
t 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
z{ ~ 150 222 340 46 340 202 194 -92 375 124
z{ 2) 197 327 100 90 223 246 100 315 0 0
Tabelle 2.7: Zahlungsreihen der Projekte 1 und 2
Unter Beachtung der Werte aus Tabelle 2.7 sowie der Anfangsauszahlungen von
580 GE far Projekt 1 und 430 GE ftir Projekt 2 erh~ilt man f'tir i = 10 % als Ka-
pitalwerte der beiden Projekte ~c m = 615,32 GE sowie ~c (2) ~ 631,53 GE, so dass
in der Tat doch Projekt 2 gegentiber Projekt 1 vorzuziehen ist. Statt der Kapital-
werte h~itte man auch die ~iquivalenten Annuit~iten der beiden Projekte f'tir einen
einheitlichen Betrachtungszeitraum von t = 0 bis t = T gegentiberstellen k6nnen.
In der nachfolgenden Tabelle sind die ~iquivalenten Annuit~iten der beiden Projek-
te ftir die F~ille T = 8 und T = 10 aufgeftihrt:
16 In den Zeitpunkten t = 9 und t = 10 resultieren bei Projekt 2 wegen der Nut- zungsdauer von 8 Perioden nattirlich unmittelbar Einzahlungen yon 0 GE.
104
T 8 10
Pr~ekt 1 115,34 100,14
118,38 102,78 Projekt 2
Tabelle 2.8: Aquivalente Annuit~iten der Projekte 1 und 2 fiir T = 8 bzw. T =
10 (auf zwei Stellen genau gerundet)
Zur Prtifung der Werte aus Tabelle 2.8 ist lediglich die Kenntnis von RBF(0,1 ;8)
-- 5,3349 GE sowie RBF(0,1 ;10) = 6,1446 erforderlich. Wenngleich sich immer-
hin die ~iquivalenten Annuit~iten in der Gr6genordnung der jeweiligen repr~isen-
tativen Gewinne bewegen, ist doch der Zusammenhang zwischen statischem und
dynamischem Kalkfil mehr als lose, wie schon die unterschiedlichen resul-
tierenden Verhaltensempfehlungen belegen. Femer k6nnte durch einfache Vertau-
schung der Deckungsbeitriige und periodenbezogenen Fixkosten eines Projekts in
den verschiedenen Zeitpunkten seine jeweilige ~iquivalente Annuit~it beeinflusst
werden, ohne dass sich der zugeh6rige repr~isentative Gewinn ~inderte. Zur Ver-
deutlichung sei unterstellt, dass bei Projekt 2 Deckungsbeitrag und periodenbezo-
gene Fixkosten aus t = 1 nun dem Zeitpunkt t = 10 zugeordnet seien und umge-
kehrt. Entsprechend werde mit den anderen Zeitpunkten verfahren, so dass bei-
spielsweise die Deckungsbeitr~ige und periodenbezogenen Fixkosten der Zeitpunk-
te t = 2 und t = 9 ebenso wie die der Zeitpunkte t = 3 und t = 8 vertauscht
werden. Als Konsequenz hieraus erhiilt man als neue Zahlungsreihe des Investiti-
onsprojekts 2:
t 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Zl 2) 0 0 315 100 246 223 90 100 327 197
Tabelle 2.9: Modifizierte Zahlungsreihe des Projekts 2
105
Der zugeh6rige Kapitalwert betr~igt nun nur noch etwa 461,06 GE, und die ~iqui-
valenten Annuit~iten belaufen sich f'tir T = 8 auf ungef'~ar 86,42 GE und ffir T =
10 auf n~kherungsweise 75,03 GE. Aus kapitalwertorientierter Sicht w ~ e Projekt
2 dem Projekt 1 nunmehr unterlegen. Bemerkenswert ist hierbei nun, dass der
Gesamtgewinn aus Projekt 2 und damit nattirlich auch der durchschnittliche
Gewinn tiber alle 10 Perioden trotz dieser Transformation der zeitlichen Ver-
teilung der Erfolgskonsequenzen unbeeinflusst geblieben ist. Ftir den durch-
schnittlichen Gewinn aus der Umsetzung von Projekt 2 ist demnach die ver~in-
derte zeitliche Struktur der zugeh6rigen monet'&en Konsequenzen bedeutungs-
los. []
Statische und dynamische Kalktile werden demnach nur zuf'~illig zu der gleichen
Entscheidung f'tihren, wobei generell eine geringe zeitliehe Sehwankung der un-
ternehmerischen Erl6s- und Kosten- bzw. Auszahlungssituation f'tir die Gleichar-
tigkeit der jeweils hergeleiteten Handlungsempfehlungen hilfreich ist. Insbeson-
dere ftihrt ein Vergleich zweier Projekte mit identischer Nutzungsdauer und
Anfangsauszahlung bei gleichem Abschreibungsverlauf und jeweils zeitlich kon-
stanter Erl6s- und Auszahlungssituation sowohl auf der Grundlage ihrer Gewinne
gemN3 (2.6) als auch ihrer ~iquivalenten Annuit~iten stets zum selben Ergebnis.
Der konstante Einzahlungstiberschuss aus einem Investitionsprojekt entspricht
n~imlich hier dem um kalkulatorische Zinsen und Abschreibungen erh6hten kon-
stanten Gewinn eines Projekts je Periode. Aufgrund der getroffenen Annahmen
sind kalkulatorische Zinsen und Abschreibungen ftir beide Investitionsobjekte
jeweils gleich hoch, so dass ein h6herer konstanter Einzahlungstiberschuss des
einen Projekts unmittelbar auch einen h6heren repdisentativen Gewinn impliziert.
Infolge der ftir beide Investitionsobjekte gleich hohen Anfangsauszahlungen geht
ein h6herer Einzahlungstiberschuss eines Projekts dartiber hinaus mit einer tiber-
legenen ~iquivalenten Annuit~it einher. Aquivalente Annuit~it und repr~isentativer
Gewinn f'tihren deshalb hier im Rahmen von Auswahlentscheidungen zum selben
Ergebnis. Nattirlich ist in einer solchen Situation ein Vergleich der beiden
Investitionsprojekte allerdings derart simpel, dass schon die Gegentiberstellung
der Einzahlungstiberschtisse aus den beiden Projekten zu einem beliebigen Zeit-
106
punkt hinreichend fOx eine Entscheidungsfindung ist.
Nach der ausf'tkhrlichen Darstellung der Sehw~ichen statischer Vergleichsrech-
nungen stellt sich natilrlich die Frage, was ihre Beliebtheit 17 in der Wirt-
schaftspraxis ausmachen k6nnte. Ein wesentliches Argument im Rahmen jeder
praktischen Anwendung ist der vermeintlieh geringe Datenbedarf zur Anwen-
dung eines Verfahrens. Wir werden auf diesen Umstand noch an anderer Stelle
zur/_t'ckkommen. Zur Kapitalwertermittlung jedenfalls ben6tigt man die detaillierte
Kenntnis der gesamten Zahlungsreihe eines Investitionsprojekts, w~hrend bei
einem statischen Gewinnvergleich die pausehale Abseh~tzung eines Durch-
schnittsgewinns auszureichen scheint. In der Tat zeigten die obigen Zahlenbei-
spiele 2.3 und 2.5, dass nattirlich auch der Ermittlung yon Durchschnittsgewinnen
irgendwelche Vorstellungen fiber die Gewinne in den einzelnen kfinftigen Zeit-
punkten w~arend der Nutzungsdauer des betrachteten Investitionsprojekts zugrun-
de liegen werden - und wenn es nut die Annahme eines konstanten Gewinns in
allen Zeitpunkten t = 1, ..., T ist. Ansonsten k6nnte man fibrigens auch mit der
gleichen Begr~dung die Betrachtung aquivalenter Annuitaten dem direkten Kapi-
talwertvergleich vorziehen. Tats~ichlich abet erfolgt die Ermittlung einer ~iquiva-
lenten Annuit~it auf der Grundlage des zugeh6rigen Kapitalwertes und die Be-
stimmung des repr~isentativen Ein-Perioden-Gewinns auf der Grundlage des Ge-
samtgewinns fiber alle Perioden der Nutzungsdauer.
Insgesamt bieten damit statische Vergleiche allenfalls noch einen gewissen Vor-
teil in Form einfacherer erforderlicher Rechenoperationen. Vor allem braucht
man keine Potenzen zu bestimmen. Allerdings dfirfte dieser Vorteil wenigstens
nach gewisser Eintibung des Berechnens yon Kapitalwerten keinerlei Bestand
mehr haben. Alles in allem stellen statische Vergleichsrechnungen keine ernstzu-
nehmende Alternative zur Anwendung des Kapitalwertkriteriums dar, weswegen
~7 Vgl. Wehrle-Streif(1989), S. 20, 34.
107
im Weiteren im Rahmen dieses Buches grunds~itzlich ~8 nur noch auf die dyna-
mischen Verfahren nSaher eingegangen wird.
2.4 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts waren vor allem eine Pr~isentation und Wttrdigung
sogenannter statischer Verfahren im Rahmen von Investitionsrechnungen. Bei
den statischen Verfahren wird typischerweise eine Erfolgsgr6ge f'ttr eine reprii-
sentative Periode eines Investitionsprojekts ermittelt. Die zeitliche Struktur der
Projekterfolge wird dabei nur sehr pauschai und ungenau fiber den Ansatz kalku-
latorischer Zinsen in die Betrachtung einbezogen. In kapitalwertorientierten An-
s~itzen dienen Diskontierungsfaktoren zttr expliziten und differenzierten Erfas-
sung der zeitlich unterschiedlich anfallenden monet~en Konsequenzen aus einer
Projektdurchffihrung. Man spricht in derartigen F~illen daher auch von dyna-
mischen Ansiitzen.
Handelt es sich bei der der statischen Investitionsrechnung zugrtmdeliegenden Er-
folgsgr6Be um den Gewinn, so spricht man von Gewinnvergleichsrechnungen.
Entsprechend gibt es femer Kosten- und Rentabilit~itsvergleichsrechnungen. Auch bei kapitalwertorientierten Betrachtungen kann man auf repr~isentative Pe-
rioden abstellen. Es geht dann um die Ermittlung von ~iquivalenten Annuitiiten.
Den statischen Verfahren mangelt es generell an einer ebenso tiberzeugenden the-
oretischen Fundierung, wie sie im vorhergehenden Abschnitt ftir die kapital-
wertorientierten hergeleitet worden ist. Aus diesem Grunde verwundert es nicht,
dass beide Verfahren nux zuf'~illig zum selben Ergebnis f'tihren. Vermeintliche Vor-
teile der statischen Verfahren sollen ihr geringer Datenbedarf und ihre leichte
Rechenbarkeit sein. Da allerdings auch der Erfolg einer repr~isentativen Periode
nur bei differenzierten Vorstellungen tiber den Projekterfolg w~_hrend der gesam-
ten Projektnutzungsdauer bestimmt werden kann und sich Kapitalwertberechnun-
18 Eine Ausnahme besteht hinsichtlich der statischen Amortisationsrechnung, die im n~ichsten Abschnitt der Vollst~indigkeit halber noch kurz vorgestellt wird.
108
gen mit ein wenig Ubung keinesfalls als schwer erweisen, sind beide Argumente
nicht in der Lage, den Nachteil fehlender theoretischer Fundierung aufzuwiegen.
Im Weiteren bleiben die statischen Verfahren daher generell unberficksichtigt.
Anhang 119
109
Man betrachte die Differenz der Summen qO+q%...+qr-~ und q%qZ+...+qT. Da
beide Summen aus T Summanden bestehen und sich nur in zwei Summanden
unterscheiden, erh~ilt man sofort qO_qV als Ergebnis der Differenzbildung. Wegen
q%q2+...+qr = q.(qO+q%...+qr-~) ist die Differenz der beiden Summanden aber
auch identisch zu (1-q)'(q0+q~+...+qT-~). ES folgt somit unter Beachtung von qO =
1:
( 1 - q ) ' ~ qt-1 = 1-qT t= l
T - I qt-1 _ 1 -q T
t-1 1 -q
(A2.1)
Die Umformung vonde r ersten zur zweiten Zeile ist dabei nur f'tir q ~ 1 zul~issig.
19 Der Beweis kann auch tiber vollst~indige In d u k t i o n geftihrt werden. Vgl. hierzu etwa Forster (2006), S. 1.
110
Anhang 2 20
Man betrachte die Summation der beiden Summen I+2+...+(T-1)+T und T+(T-
1)+...+2+1. Paarweise Addition zun~ichst der beiden jeweils ersten Summanden,
dann der jeweils zweiten Summanden und so fort liefert als Ergebnis unmittelbar
(I+T)+[2+(T-1)]+.. .+[(T-1)+2]+(T+I) = T-(T+I). Weil die Summe aus
1 +2+...+(T- 1 )+T und T+(T- 1 )+...+2+ 1 auch als 2 .[ 1 +2+...+(T- 1)+T] geschrieben
werden kann, erh~ilt man damit:
T
2 . ~ t = T ' (T+I) t=l
T ~ t - T.(T+I) t=l 2
(A2.2)
20 Vgl. hierzu etwa Forster (2006), S. 1 f.
Wiederholungsfragen
111
W2.1
Was versteht man generell unter statischen
Rahmen von Investitionsrechnungen?
und dynamischen Verfahren im
W2.2
Erkl~iren Sie die Begriffe "Rentenbarwertfaktor" und "~iquivalente Annuit~it"!
W2.3
Wie k6nnen Investitionsentscheidungen mit Hilfe ~iquivalenter Annuit~iten getrof-
fen werden? Gehen Sie dabei auf Einzel- und Auswahlentscheidungen ein!
W2.4
Was versteht man allgemein unter einer statischen Gewinnvergleichsrechnung?
W2.5
Welche anderen Formen statischer Investitionsrechnungen neben Gewinnver-
gleichsrechnungen werden gemeinhin noch unterschieden?
W2.6
Skizzieren Sie die Vorgehensweise der statischen Gewinnvergleichsrechnung im
Rahmen einer Einzelentscheidung!
W2.7
Skizzieren Sie die Vorgehensweise der statischen Gewinnvergleichsrechnung im
Rahmen einer Auswahlentscheidung!
W2.8
Welche zus~itzlichen Probleme tauchen beim Treffen von Auswahlentscheidungen
mittels statischer Gewinnvergleichsrechnungen auf, die beim Treffen von Einzel-
entscheidungen nicht von Relevanz sind?
112
W2.9
Welche Schw~ichen haben statische Verfahren im Allgemeinen? Gehen Sie
insbesondere auf die Vereinbarkeit mit dem Kapitalwertkriterium ein!
W2.10
Worin k6nnten Vorteile statischer Vergleichsrechnungen gesehen werden?
113
3 Parameterregeln
3.1 Problemstellung
Welche Zahlungsreihe man einem Investitionsprojekt zuordnet, scheint in gewis-
ser Weise eine Frage des Standpunktes zu sein, der sich in der Definition einer
Ausgangssituation als Bezugspunkt der Betrachtung niederschl~tgt. Im folgenden
Absehnitt 3.2 wird gezeigt, dass die Festlegung des Bezugspunktes bei Kapital-
wertermittlungen erfreulicherweise unerheblich for die resultierende Reihung von
sich gegenseitig ausschliegenden Projekten nach dem Kapitalwertkriterium ist. Im
Abschnitt 3.3 wird sodann ein Gedanke aufgegriffen, der mit der Problemstel-
lung des Abschnitts 3.2 vordergriindig nicht viel gemein zu haben scheint.
H~,iufig interessiert es n~imlich, ftir welche Parameterkonstellationen die Zah-
lungsreihe eines Invesfifionsprojekts zu einem Kapitalwert yon gerade 0 GE f'tihrt.
Die ceteris paribus ermittelten Parameterauspr~igungen, die zu einem Pro-
jektkapitalwert von Null ftihren, bezeichnet man als "kritisehe Werte". Ab-
schnitt 3.3 definiert diesen Begrift genauer und gibt prakfische Beispiele. Beson-
ders wichtige kritische Werte sind interne Zinsfiige. Hierbei handelt es sich um
Kalkulationszinsf'tige, die ceteris paribus zu Projektkapitalwerten von 0 GE f'tih-
ren.
Im Abschnitt 3.4 wird genauer auf die Ermittlung intemer Zinsftige und die
M6glichkeit, mit ihrer Hilfe Entscheidungen zu treffen, eingegangen. Generell er-
weisen sich Entscheidungen auf der Basis kritischer Werte (gem~B sogenannter
Parameterregeln) gegentiber dem Kapitalwertkriterium als in mehrfacher Hin-
sicht unterlegen. Insbesondere etwa ist die Rangfolge sich gegenseitig ausschlie-
gender Projekte nach ihren internen ZinsfiiBen nicht unabh~ingig vom gewahlten
Bezugspunkt und allein schon deswegen unter Beachttmg der Ergebnisse des Ab-
schnitts 3.2 nur zuf'~illig mit der Reihung nach Projektkapitalwerten identisch.
Abschnitt 3.5 dient der Zusammenfassung der zuvor hergeleiteten Ergebnisse.
3.2
114
Irrelevanz der Nullpunktwahl bei Kapitalwertorientierung
Ausgangspunkt der Betrachtung sei eine A u s w a h l e n t s c h e i d u n g zwischen zwei
verschiedenen Investi t ionsprojekten 1 und 2 bei e inem Betrachtungszei traum von
t = 0 bis t = T. Aus sonstigen investiven Mal3nahmen sollen sich bereits unter- ~(B) zIB), _(B) nehmerische Einzahlungen von t = 0 bis t = T in H~he yon L o . . . . . z T
ergeben. Die Durchfiihrung des Projekts 1 impliziere zus~itzliche Einzahlungen in
t = 0 bis t = T yon Zo ~), z 1 ~1), ..., zT~l). Die Reihe der zus~itzlichen Einzahlungen aus
Projekt 2 sei entsprechend Zo ~2), zl 2) . . . . . ZT ~2). Insgesamt ergeben sich aus der ,~(B)_LT(1) 7(B).j_7 (1) Durchfiihrung des Projekts 1 demnach Gesamteinzahlungen yon L o . L o , ~1 -~1 ,
~ (B)d_,7 (1) . . . . . T --'~T �9 Der zugehOrige Kapitalwert sei mit I~ges-(1) bezeichnet. Entsprechend sei
~:~2] der Gesamtkapitalwert f'tir das Projekt 2 auf Basis der Zahlungsreihe Z(om+Zo (2), z(B) 1_7 (2) '7 (B)-I-7 (2) -~l . . . . . . T --'~T" Bei 0r ient ierung am Kapitalwertkriterium ist einfach
dasjenige Investi t ionsprojekt mit dem h6chsten resultierenden Kapitalwert zu
realisieren.
Einwenden k6nnte man gegen das gerade pr~isentierte Vorgehen, dass die Zah-
lungsreihe ~(m z}B) . . . . . z~B) L o , von den Projekten 1 trod 2 gar nicht verursacht
worden und ihnen insofem auch nicht zuzuordnen ist. 1 Das heil3t, man k6nnte
darauf hinweisen, dass die Projekte 1 und 2 allein aufgrund der durch sie zus~itz-
lich verursachten Zahlungsreihen z~ 1), z 1 (1), .-., z(~T bzw. z~02~, z~ 2), ..., z~ 2~ beurteilt
werden sollten. Die hieraus resultierenden Kapitalwerte seien mit ~:(~) und ~(2)
bezeichnet. Mit ~:(m als Kapitalwert der Zahlungsreihe z0 (B), zlm, ..., zT-(m gilt nun
aber f'tir n = 1, 2:
Im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung wird ahnlich argumentiert, wenn F ixkos t en aufgrund ihrer fehlenden Disposi t ionsabhangigkeit in Ent- scheidungskalkiJlen nicht angesetzt werden (sollen). Vgl. e twa Scheffen (1993), S. 319.
~ (n)
Kg~ s = E t=o (1 +i) t
= ~t=0 (1+i) t t=0 (1+i) t
= ~c(B) +K(n).
115
(3.1)
Aus (3.1) ergibt sich sofort --ges---ges K'(I) 1('(2) = K~(I)-}((2) und demnach
> >
< <
(3.2)
Damit spielt es f'tir das Ergebnis der kapitalwertorientiert getroffenen Auswahlent-
scheidung keine Rolle, ob man zur Beurteilung der beiden Investitionsprojekte
die Zahlungsreihen ~(B)~_~(.) _(B)__(n) ~(B)_~(n) ~0 - -~0 ' L1 "r'Z'I , . . . , L T -r'L T oder aber Z (n), ~lT(n)' ..., zT (") (n =
1, 2) zugrunde legt. Die ausgewiesene Differenz der Kapitalwerte und folglich
auch die hierauf basierende Handlungsempfehlung sind in beiden Fallen identisch.
Beisp ie l 3.1:
Gegeben sei ein Unternehmer, der aus dem bereits lest geplanten Teil seines In-
vestit ionsprogramms Einzahlungen z(t B) (t = 0 . . . . . 3) gem~i13 Tabelle 3.1 erreicht.
In Tabelle 3.1 finden sich iiberdies auch noch die durch zwei alternativ rea-
lisierbare Investitionsprojekte 1 und 2 jeweils zus~itzlich zu den Einzahlungsiiber-
schtissen z(t B) ausgel6sten Zahlungskonsequenzen zl 1) bzw. zl 2) (t = 0 . . . . . 3).
z(B) t
(1) Z t
z~t 2)
Tabelle 3.1:
0
- 1 . 0 0 0
-120
-100
1
400
60
50
116
2
500
70
45
3
400
40
45
Basiszahlungsreihe sowie Zahlungskonsequenzen zweier alter-
nativer Projekte 1 und 2
Der Kapitalmarktzinssatz sei i = 10 %. Bei Entscheidung ffir Projekt 1 gelangt
der Untemetuner damit zu einem Kapitalwert der Gesamtzahlungsreihe zCtm+zCt ~) (t 7(g ).a..,7 (2) 1(-(2) ~1) = 99,835 GE und fiar die Zahlungsreihe -~t -~t zu -ges = = 0 . . . . . 3) von ~:ges
93,839 GE. Die Realisation von Projekt 1 fiihrt folglich zu einem um etwa
99,835-93,839 -- 6 GE hOheren Gesamtkapitalwert als die Wahl von Projekt 2.
Dass sich dutch die Entscheidung zugunsten des Projekts 1 ein Kapitalwert- und
damit VermOgenszuwachs von etwa 6 GE ergibt, kann man auch durch Gegen-
tiberstellung der Kapitalwerte der Zahlungsreihen von z(t l) und z~t 2~ (t = 0 ..... 3) er-
mitteln. Es resultieren n~imlich ~(~ -- 22,449 GE sowie ~d 2) ~- 16,454 GE und da-
mit emeut eine Differenz von ungef'~_r 6 GE. []
Die Frage nach der "richtigen" Projektzahlungsreihe stellt sich demnach im gera-
de beschriebenen Kontext gar nicht. Im Rahmen der Ermittlung der einem Inves-
titionsprojekt zuzuordnenden Zahlungsreihe geht es gewissermal3en um eine Art
Nullpunktfest legung. Bei Ansatz an einer Zahlungsreihe der Form z0~m+Z~o n), z ( B ) t .7(n) ~ ( B ) _ ~ (n) .,~j . . . . . L T ~-L a. wird als Nullpunkt sozusagen keinerlei unternehmerische
T~itigkeit gew~ihlt, wahrend die Zahlungsreihe z~0 n), z} ") . . . . . z~ n) gerade die
Unterlassung (nur) der beiden Investitionsprojekte bei Aufrechterhaltung der sons-
tigen unternehmerischen T~itigkeit als Bezugs- oder Nullpunkt impliziert. Nattir-
lich sind noch viele andere Nullpunkte denkbar, etwa die Realisation eines der
beiden Investitionsprojekte. In jedem Fall ermittelt man die durch ein Investitions-
projekt n in Relation zur definierten Basiszahlungsreihe resultierenden Zahlungs-
117
konsequenzen und den zugeh6rigen Kapitalwert. Insofern stellt jede Kapitalwert-
berechnung stets die Berechnung des Kapitalwertes einer Differenzinvesfition
dar. Infolge der bereits im Abschnitt 1 dieses Kapitels er~Srterten Eigenschaft der
WertaddifiviN't der Kapitalwertformel ist aber nun gerade die Bezugspunkffestle-
gung ohne Bedeutung, da der Kapitalwert einer Differenz von Zahlungsreihen
stets der Differenz der zugeh6rigen Kapitalwerte entspricht. Sofern sich also das
Projekt 1 dem Projekt 2 bei vollst~ndigem Verzicht aufjegliche unternehmerische
T~itigkeit als Bezugspunkt als ~berlegen erweist, gilt dies auch ftir jeden anderen
Bezugspunkt. In der Tat ist die Differenz der Kapitalwerte der Projekte 1 und 2
unabh~ingig von dem gew~hlten Bezugspunkt. Auch inhaltlich ist dieses Resultat
unmittelbar einsichtig. Der einem Investitionsprojekt zugeordnete Kapitalwert gibt
im Lichte der obigen 0be r l egungen stets die unternehmer ische Ver-
m6gensmehrung in Relation zum zugrunde gelegten Nullpunkt an. Wenn Projekt
1 aber f'ttr irgendeinen beliebigen Bezugspunkt zu einer gr6Beren Verm6gens-
mehrung als Projekt 2 ftihrt, dann gilt dies auch ftir alle anderen denkbaren Be-
zugspunkte. Die ZusammenhSaage wirken hier in gewisser Weise Nmlich zu denen
bei Hiihen- oder Temperaturmessungen. Wenn jemand vom Scheitel bis zur
Sohle 180 cm misst und ein anderer nur 175 cm, dann ist der Letztere stets 5 cm
kleiner als der Erste, auch wenn man die jeweils erreichte Kopfh6he (bei glei-
chem Niveau des Standortes) vom Meeresspiegel oder vom Erdmittelpunkt aus
bestimmt. Entsprechend ist 110 ~ C um 10 ~ w~.rmer als 100 ~ C, wobei der Gefrier-
punkt yon Wasser als Nullpunkt dient. Die Differenz yon 10 ~ bleibt auch
bestehen, wenn man die Temperaturen vom absoluten Nullpunkt (0 K = -273,15 ~
C) aus misst, also statt 110 ~ C eine Temperatur von 383,15 K und statt 100 ~ C
einen Wert von 373,15 K ausweist.
Ein wenig hinken die Vergleiche allerdings. Denn genaugenommen ist die Ana-
logie zu H6hen- und Temperaturmessungen zun~ichst einmal nur in der gleieh-
bleibenden Differenz zwischen der Einzahlung z(t l) aus einem Projekt 1 und der
entsprechenden Einzahlung zl 2) aus einem Projekt 2 (t = 0 ..... T) zu sehen, auch
wenn man einen unterschiedlichen Nullpunkt definiert. Die anschlieBende
Kapitalwertberechnung stellt eine Bewertung der Gesamtzahlungsreihe dar, und
118
dass sich auch in diesem Zusammenhang die Bezugspunktwahl als unerheblich er-
weist, ist ein durchaus nicht selbstverst~indlicher Umstand, sondern vielmehr eine
Konsequenz der spezifischen Struktur der Kapitalwertformel. Wtirde man etwa
eine Situation ohne Kapitalmarktzugang betrachten, dann wttrde ftir eine fixierte
Nutzenfunktion U eines Untemehmers ein Vergleich der Nutzenwerte ~ rr,,(B)--~,(~).
Z B)'-uT(1)~ "7(B)-1-7(1)~ u n d ] I / 7 ( B ) - u T ( 2 ) ' 7 ( B ) - L T ( 2 ) " "z (B) ' a -7 (2 )~ keineswegs stets z u m 1 ~ 1 ~ " ' ~ T - - ~ T ] "~*,'u0 --L'0 ~L'I " L I ~ " ' ~ T ~ " T ]
selben Ergebnis f'0hren wie ein Vergleich der Nutzenwerte �9 T~,(~).~,(~). �9 7 ( lh und t - J \ ~ 0 ~L 1 ~. .-~L T )
U~,,(2~.,,(2~. .~,(2~ Konkret gilt dies dann, wenn die Nutzenfunktion U nicht t,~ 0 ~L 1 ~...~z~ T ] .
additiv-linear in den Argumenten C t i s t , also nicht U(C0;...;CT) = (z0-C0+
...+(zT-C r mit festen Koeffizienten at, und T > 1 gilt. 2 Allerdings ist dies auch
kein Grund zur Besorgnis, denn sachgerecht ist nattirlich nur ein Vergleich der
Nutzenwerte auf der Grundlage yon allen resultierenden Zahlungskonsequenzen,
hier also gem~ig den ersten beiden Nutzenwerten. 3 Insofern liegt die ftir die
einzelnen Handlungsalternativen anzusetzende Zahlungsreihe durchaus eindeutig fest, und man braucht sich zumindest aus theoretischer Sicht keine grogen
Gedanken um den Bezugspunkt zu machen. Von einem mehr praktischen Stand-
punkt aus ist es nun aber schon erfreulich, dass selbst bei "falscher" Bezugs-
Beachtet werden sollte, dass im Fall reiner Ein-Zeitpunkt-Betrachtungen (T = 0) die Bezugspunktwahl in der Tat auch bei fehlendem Kapitalmarktzu- gang nicht von Bedeumng ist: Unabh~ingig yon den bereits erreichten EirLzah- lungen Zo (mund der unterstellten streng monoton steigenden Nutzenfunktion U(Co) ist eine Alternative 1 mit zus~itzlichen Einzahlungen Zo ~1~ besser als eine Alternative 2 mit zus~itzlichen Einzahlungen z0 (2~ < z(01~. Im Rahmen inves- titionsrechnerischer klberlegungen sind Ein-Zeitpunkt-Betrachtungen natN'lich weitestgehend gegenstandslos. Anders verh~ilt es sich bei der im Allgemeinen einperiodig angelegten Kosten- und Leistungsrechnung. Tats~ichlich ist die gerade dargelegte Uberlegung der Grund ftir die fehlende Entscheidungs- relevanz von Fixkosten im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung bei Sicherheit.
Nattirlich k6nnte man ftir den zweiten Fall simultan zur Bezugspunkt~inde- rung eine Transformat ion der angesetzten Nutzenfunktion so vornehmen, dass die jeweils ausgewiesenen Nutzenwerte trotz modifizierter angesetzter Zahlungsreihe identisch bleiben. In diesem (trivialen) Sinne allerdings ist die Nullpunktwahl stets entscheidungsirrelevant.
119
punktwahl das Kapitalwertkriterium zu ad~iquaten Auswahlentscheidungen fiihrt.
Denn oft wird die Ermittlung bestimmter Differenzzahlungsreihen einfacher als
die Ermittlung untemehmerischer Gesamtzahlungsreihen sein. Unter diesem As-
pekt liegt hier also in der Tat ein bemerkenswertes Ergebnis vor, anf das wir im
weiteren Verlauf dieses Abschnitts noch zuriJckkommen werden.
Infolge unserer gewonnenen Erkenntnis, dass jede Kapitalwertberechnung stets
die Ermittlung des Kapitalwertes einer Differenzinvestition ist, sollte man generell
die jeweils zugrunde gelegte Basiszahlungsreihe bei Kapitalwertermittlungen
explizit nennen. Da diese sich aber letzten Endes f'tir Projektreihungen auf der
Grundlage des Kapitalwertkriteriums wiederum als irrelevant erweist, sollen im
Weiteren unter der Zahlungsreihe z 0, z~ ..... z, r eines Projekts (wie bislang ohnehin
implizit angenommen) stets diejenigen eindeutigen Zahlungskonsequenzen
verstanden werden, die sich ceteris paribus aus der Projektdurchftihrung im
Vergleich zur Projektunterlassung ergeben. Als Basiszahlungsreihe fungiert
hierbei demnach eine Situation, in der ceteris paribus lediglich das betreffende
Projekt und die hierzu in Erw~igung gezogenen Investitionsalternativen unterlassen
werden, unbeschadet sonstiger, als gegeben angenommener untemehmerischer In-
vestitionsaktivit~iten. Sofem andere Basiszahlungsreihen zugrunde gelegt werden,
wird hierauf explizit hingewiesen.
3.3 Parameter, kritische Werte und Projektkapitalwerte
Bereits im Rahmen des Abschnitts 2 dieses Kapitels haben wir die Determinanten
der Zahlungsreihe eines Projekts weiter aufgeschltisselt, indem auf die jeweiligen
Ums~itze sowie die variablen und fixen Auszahlungen eines Zeitpunktes t n~her
eingegangen wurde. Derartige Gr6gen wie Absatzmengen x t, Preise Pt, variable
Sttickauszahlungen 1%, tund fixe Auszahlungen Kf, t bezeiclmet man als Parameter
eines Investitionsprojekts. Generell versteht man im hier relevanten Kontext
damnter jede Gr6ge, deren Auspr~igung Einfluss anf die H6he des ausgewiesenen
Kapitalwertes nimmt. Auch die Projektnutzungsdauer T sowie der angesetzte
Kalkulationszinsfull i sind daher als Parameter anfzufassen. Im Weiteren sei zur
120
Vereinfachung ein Investitionsprojekt angenommen, das neben einer Anfangsaus-
zahlung A o in t = 0 in den Zeitpunkten t = 1 bis t = T gleichbleibende Zahlungs-
konsequenzen z = x-(p-kv)-K f verursacht. Aus sonstigen, bereits implementierten
Investitionen sollen sich ftir den Unternehmer Einzahlungen von z0 (m, z} m, -(m �9 . . , Z T
mit Kapitalwert ~(a) ergeben. Als Bezugspunkt sei zun~ichst der Verzicht auf
jegliche unternehmerische T~itigkeit gew~hlt. Aufgrund der Wertadditivitiits-
eigenschaft der Kapitalwerffunktion und gem~ig der Darstellung des vorhergehen-
den Abschnitts 2 dieses Kapitels kann in einem derartigen Fall der zugehSrige
Projektkapitalwert mit Hilfe des Rentenbarwertfaktors RBF(i;T) in sehr tiber-
sichtlicher Weise formuliert werden:
~:g~ --- -A o + [x. (p -kv) -Kr]" RBF(i;T) +,:03). (3.3)
Von besonderem Interesse sind nun solche Auspr~igungen eines Parameters, die
ffir gegebene iibrige Parameterauspr~igungen zu einem Kapitalwert von Null ftih-
ren. Man nennt derartige Parameterauspr~igungen "kritische Werte" 4 Sofem ein
Parameter also gerade seinen kritischen Wert annimmt, fiihrt die Projektdurch-
ftihrtmg (ftir gegebenen Nullpunkt) zu keinerlei Vermiigensiinderung. Im Hin-
blick auf die der Bestimmungsgleichung (3.3) zugrundeliegende Bezugspunktwahl
bedeutet dies, dass der Unternehmer aus seiner gesamten investiven T~itigkeit
unter Einschluss der (zus~itzlichen) Durchf'tihmng des Projekts 1 keinerlei
Reichtumszuwachs erfNart.
Natfirlich kann man fiir verschiedene Bezugspunkte kritische Werte ermitteln.
Beispielsweise k6nnte man sich auf die Betrachtung der durch die Projektdurch-
ftihrung zus~itzlich zu z0 (m, z~ m ..... z~ B) erreichbaren Zahlungsreihe beschr~inken.
Man wiirde also an einem Projektkapitalwert ~c mit
~: = -A o § (p-kv) -Kf] RBF(i;T) (3.4)
ankntipfen, diesen gleich Null setzen und nach einem der Parameter x, p, k v, Kf,
i oder T aufl6sen. Basiszahlungsreihe oder Nullpunkt w~ire hier demnach die
4 Vgl. hierzu auch Kilger (1965) oder Schneider (1973), S. 63 ft.
121
Nichtdurchfiihrung des Investitionsprojekts unter Beibehalmng der sonstigen un-
ternehmerischen T~itigkeit. Fttr den hierbei ermittelten kritischen Wert w ~ e der
Reichtumszuwachs aus der Projektdurchffthrung gegentiber der Projektunterlas-
sung folglich Null. Die Interpretation von kritischen Werten ist also sachgerecht
stets nur vor dem Hintergrund der jeweils angesetzten Basiszahlungsreihe m6g-
lich. Weil sich demnach f'ttr denselben betrachteten Parameter je nach zugrunde
gelegtem Nullpunkt unterschiedliche Interpretationen des Bedeutungsinhalts sei-
nes jeweiligen kritischen Wertes ergeben und auch wegen der unterschiedlichen
Gestalt von (3.3) und (3.4), sollte ohne weiteres einleuchten, dass auch die ermit-
telte H6he des kritischen Wertes vonder gewfihlten Basiszahlungsreihe abh~ingt.
Im Weiteren wird nur noch auf die Darstellung g e m ~ (3.4) zurfickgegriffen, so
dass die fiber die Setzung ~ = 0 jeweils berechneten kritischen Werte unmittelbar
eine Aussage der Art zulassen, dass der betrachtete Untemehmer der Projektrea-
lisation indifferent gegentibersteht.
Man kann des Weiteren verschiedene kritische Werte je nach dem betrachteten Pa-
rameter unterscheiden. Setzt man etwa (3.4) gleich Null, um nach x anfzul6sen,
so spricht man von der Break-even-Menge (in dynamischer BetrachtungS). Kon-
kret resultiert:
X k r i t -
'% +Kf
p-k (3.5)
Die Break-even-Menge erh~ilt man, indem man die auf eine repr~isentative Periode
bezogenen ausbringungsunabh~ingigen Auszahlungen durch die (zahlungsorien-
Auch im Rahmen statischer Betrachtungen kann man kritische Werte aus- rechnen. Dabei wird dann ftir gew6hnlich der Gewinn einer repr~isentativen Periode gleich Null gesetzt. Vgl. beispielsweise Ewert/Wagenhofer (2005), S. 199.
122
tiert 6 definierte) Deckungsspanne p-k v des hergestellten Gutes teilt. Die
Deckungsspanne gibt hierbei an, wie viel Einzahlungsfiberschuss zur "Ab-
deckung" der fixen Auszahlungsverpflichtungen der repr~isentativen Periode durch
den Absatz yon 1 ME des hergestellten Gutes in der betreffenden Periode erwirt-
schaftet wird. Es leuchtet unmittelbar ein, dass man daher fiber (3.5) diejenige pro
Periode abzusetzende Menge erh~ilt, die zu einer Projekteinzahlung der repr~i-
sentativen Periode und damit einem Kapitalwert yon Null ftihrt. Die einzige
Komplikation besteht in der Art der Ver rechnung der Anfangsauszahlung auf
die Perioden der Nutzungsdauer des Projekts mittels Division durch den Renten-
barwertfaktor. Dieses Vorgehen ist abet aus dem letzten Abschnitt 2 ebenfalls
bereits bekannt.
Beispiel 3.2:
Gegeben sei ein Investitionsprojekt mit einer Anfangsauszahlung A 0 = 100 GE in
t = 0, das in den Zeitpunkten t = 1 bis t = 4 den Absatz von jeweils x Men-
geneinheiten eines Produkts zu einem konstanten (Stfick-) Preis von p = 3 GE/
ME bei konstanten variablen Stfickauszahlungen 1% = 1 GE/ME erm6glicht. Fer-
her sollen in t = 1 bis t = 4 jeweils fixe Auszahlungen Kf = 50 GE anfallen. Mit
einem Kapitalmarktzinssatz i = 10 % erh~ilt man sofort einen Rentenbarwertfaktor
RBF(0,1 ;4) von etwa 3,1699 und damit als Break-even-Menge
10o ~50 ~ 3,1699 ~ 40,77 ME
x~t 3 - 1 (3.6)
oder, ganzzahlig aufgerundet, 41 ME. []
Normalerweise bezieht sich der Begriff der Deckungsspanne auf die Diffe- renz zwischen Absatzpreis und variablen Stfickkosten. Im Rahmen unserer in- vestitionstheoretischen Uberlegungen stehen aber natfirlich Zahlungskonse- quenzen und damit die variablen Stfickauszahlungen im Vordergrund. Unter- stellt man wie im vorhergehenden Abschnitt 2 die Gleichheit von variablen Stfickauszahlungen und -kosten, stimmt die zahlungsorientiert definierte Deckungsspanne mit der "herk6mmlichen" fiberein.
123
L6st man (3.4) nach Nullsetzung alternativ nach dem Preis auf, erh~ilt man den
sogenannten Break-even-Preis:
P~t
A~ ~-Kf = kv + RBF(i;T)
X (3.7)
Auch dieses Ergebnis l~isst sich leicht interpretieren. Augenscheinlich muss der
Absatzpreis des erstellten Gutes mindestens den variablen Stfickauszahlungen ent-
sprechen. Zus~itzlich sind aber auch die aufs Sttick und eine repr~isentative Perio-
de umgerechneten besch~iftigungsunabh~ingigen Auszahlungen abzudecken.
Beispiel 3.3:
Gegeben sei das Investitionsprojekt aus Beispiel 3.2, wobei nun von einer kon-
stanten Absatzmenge x = 45 ME in den Zeitpunkten t = 1 bis t = 4 ausgegangen
werde. Der hieraus ceteris paribus resultierende Break-even-Preis betr~igt
100 ~-50 GE Pkrit ~" 1 + 3,1699 ~ 2,81
45 ME (3.8)
und ist folglich (nattirlich) kleiner als 3 GE/ME. []
Drittens kann man sich die Frage stellen, ft~r welche Gesamtlaufzeit "c der Ka-
pitalwert Null oder (bei Betrachtung nur ganzzahliger Werte f/Jr "0 zum ersten
Mal positiv wird. Diesen kritischen Wert "Ckn t bezeichnet man als Amortisations-
dauer. 7
Auch hier ist genaugenommen von der Amortisationsdauer in dynamischer Betrachtung zu sprechen. In statischer Betrachtung l~isst sich n~imlich eben- falls eine Amortisationsdauer bestimmen. Hierbei wird derjenige Zeitpunkt er- mittelt, bei dem die undiskontierte Summe der Zahlungskonsequenzen eines Projekts Null oder (bei ganzzahliger Ermittlung der Amortisationsdauer) zum ersten Mal positiv wird.
124
Beispiel 3.4: Gegeben sei das Investitionsprojekt aus Beispiel 3.2 mit x = 50 ME als m6glicher
Absatzmenge in den Zeitpunkten t = 1 bis t = 4. Hieraus ergibt sich ein
konstanter Einzahlungstiberschuss z = x-(p-kv)-K r = 50 GE f'tir t = 1 ..... 4. In Ta-
belle 3.2 sind die resultierenden Projektkapitalwerte K(z) ftir verschiedene
Laufzeiten "c = 1 bis "c = 4 abgetragen:
~:(~)
27
-54,55
2
-13,22 24,34
4
58,49
Tabelle 3.2: Kapitalwerte eines Investitionsprojekts in Abh~ingigkeit der reali-
sierten Laufzeit (auf zwei Stellen genau gerundet)
Der Kapitalwert wird hierbei zum ersten Mal far "~ = 3 positiv. Die Amortisa-
tionsdauer bei Beschr~nkung auf ganzzahlige Werte far "c ist damit folglich gera-
de dieser Wert von 3 Perioden. L~isst man auch nicht-ganzzahlige L6sungen zu
und unterstellt einen gleichmN3igen Zahlungseingang zwischen zwei Zeitpunkten
t-1 und t, wobei die Gewichtung dieser Zahlungen aber einheitlich s mit (l+i) t
erfolge, dann erh~ilt man wegen ~:(3)-~(2) = 37,56 GE eine Amortisationsdauer
von 2+(37,56-24,34)/37,56 ~ 2,35 Perioden. []
Der prominenteste kritische Wert difrfte aber durch die Nullsetzung von (3.4) und
Aufl6sung nach i determiniert werden. Man nennt einen zum Kalkulationszinsfug
i geh6rigen kritischen Wert ikrit einen in ternen ZinsfuB der entsprechenden
Natfirlich k6nnte man die Darstellung noch insofern verfeinern, dass far Zah- lungsrackfl~isse zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Zeitraum von t-1 bis t auch untersehiedliehe Diskontierungsfaktoren angesetzt werden. Dieser Ge- danke wfirde hier aber zu weir ftthren und soll deswegen nicht weiter verfolgt werden.
125
Zahlungsreihe. 9 Die weitere Diskussion kritischer Werte soll sich exemplarisch
auf die Er6rterung yon Entscheidungen mit Hilfe interner Zinsffige beziehen. Die
wesentlichen Implikationen lassen sich n~xnlich auch auf die Nutzung anderer kri-
tischer Werte iibertragen.
3.4 Interne Zinsf i ige von Zah lungsre ihen
3.4.1 Ermittlung und Interpretation von internen ZinsfiiBen
Besonders einfach ist die Berechnung yon internen Zinsftigen im Zwei-Zeitpunk-
te-FaU, also f'tir ein Projekt mit Anfangsauszahlung A 0 in t = 0 und Rfickflfissen
z 1 in t = 1. Dann erh~ilt man n~imlich:
z 1 ! = 0 K -- -Ao+ 1 +i
z 1 -A o ** ikat --
Ao
(3.9)
Der interne Zinsfug einer Zahlungsreihe im Rahmen einer Zwei-Zeitpunkte-Be-
trachtung wird demnach ermittelt, indem man den fiber A 0 hinausgehenden Rfick-
fluss aus dem Investitionsprojekt durch den in t = 0 erforderlichen Mitteleinsatz
dividiert. Augenscheinlich ist dies der Verm/3genszuwachs aus der Investition je
eingesetzter Geldeinheit, also eine RenditegrSBe, wie sie schon im Kapitel II ein-
gef'tkh_rt worden ist. In der Tat k6nnen interne Zinsffige auch im Rahmen von
Mehr-Perioden-Problemen generell als Pro jek t rendi ten aufgefasst werden.
Beispiel 3.5:
Zur Veranschaulichung sei von den folgenden Zahlungskonsequenzen eines Inves-
fitionsprojekts 1 ausgegangen: z~01~ = -100, zl 1) = 70 sowie z~ 1) = 50,16 GE. Man
9 Vgl. zum Begriff des internen ZinsfuBes etwa Hax (1993), S. 15 ft., Krusch- witz (2005), S. 106 ft., Schiifer (2005), S. 155 ft.
126
prfift leicht, dass "krit~(l) = 14 % ein interner Zinsfug dieser Zahlungsreihe ist:
~:(x) = - 1 0 0 + 7 0 ~ 5 0 , 1 6 _ 0 . ( 3 . 1 0 ) 1,14 1,142
Sofern der Kapitalmarktzinssatz i = 14 % betr~igt, entspricht der maximal aus den
k~nftigen Projektrfickflfissen in t = 0 aufnehmbare Kredit denmach gerade der
Anfangsauszahlung. Der Unternehmer wird dann durch die Projektrealisation
weder reicher noch ~rrner. Dies impliziert, dass einem Kreditgeber bei Bereitstel-
lung von 100 GE in t = 0 demnach exakt eine Periodenverzinsung von 14 % ge-
wS.hrt werden kann:
Wenn der tiberlassene Betrag von 100 GE sich mit 14 % verzinsen soll, dann re-
sultieren fiJr t = 1 hieraus Zahlungsverpflichtungen des Unternehmers im Umfang
yon 100-1,14 = 114 GE. Von diesen Verbindlichkeiten kann der Unternehmer in
t = 1 bereits 70 GE begleichen, so dass sich eine verbleibende Schuld von 114-70
= 44 GE ergibt. Bei erneuter Verzinsung zu 14 % von t -- 1 bis t = 2 muss der
Unternehmer in t -- 2 insgesamt noch 44.1,14 = 50,16 GE an den Kapitalgeber
zahlen, wozu er gerade noch in der Lage ist. Insofern liefert das betrachtete
Projekt hier in der Tat ftir die eingesetzten 100 GE eine Rendite von 14 %.
In Nmlicher Weise kann argumentiert werden, wenn es neben der Anfangsaus-
zahlung in t = 0 noch weitere Zeitpunkte mit negativen Zahlungssalden gibt. Ge-
~2) -50, z~2)= 60 sowie geben sei beispielsweise ein Investitionsprojekt 2 mit z 0 =
z~ 2) = -6,48 GE. Die Auszahlung zum Ende der Nutzungsdauer mag etwa Folge
von Abbruch- oder sonstigen Besei t igungsmagnahmen im Zusammenhang mit
den eingesetzten Produktionsanlagen sein. Wieder Risst sich rechnerisch leicht ve-
rifizieren, dass der zugeh6rige Kapitalwert f '~ ikrit = 8 % einen Wert yon Null an-
nimmt. Der Unternehmer kann demnach bei einem Kapitalmarktzinssatz yon 8 %
gerade einen Kredit yon 50 GE in t = 0 aufnehmen und durch zwischenzeitliche
Uberschussanlage auch yon t = 1 bis t = 2 die Schlussauszahlung finanzieren:
Aus dem Erhalt von 50 GE in t = 0 ergeben sich ffir t = 1 Rackzahlungsver-
127
pflichtungen von 50-1,08 = 54 GE. Wegen z 1 = 60 > 54 k6nnten diese ohne wei-
teres bedient werden. Weil aber in t = 2 noch eine Auszahlung von 6,48 GE zu
leisten ist, ist bei einem Anlagezinssatz von i = 8 % aul3erdem ein Betrag von
6,48/1,08 = 6 GE von t = 1 bis t = 2 anzulegen. Damit verbleiben tats~ichlich 60-
6 = 54 GE in t = 1, die zur Tilgung und Verzinsung der eine Periode zuvor
aufgenommenen Verbindlichkeit aber immer noch gerade ausreichend sind.
Insofem liefert das betrachtete Projekt eine Periodenverzinsung von 8 % auf die
in t = 0 ben6tigten Mittel. Diese Aussage ist allerdings etwas weniger robus t als
im ersten Beispiel. Dort n~imlich kann durchaus sinnvoll behauptet werden, dass
das betrachtete Projekt 1 eine 14%ige Verzinsung der Anfangsauszahlung durch
die m6glichen Rtickfltisse in t = 1 und t = 2 gewahrleistet, selbst wenn der
Kapitalmarktzinssatz ein anderer sein sollte. Weitergehende Kapitalmarkttrans-
aktionen als die Mittelaufnahme in t = 0 treten n~irnlich bei der oben pdisentierten
zugeh6rigen Rechnung zur Veranschaulichung der Renditeinterpretation nicht auf.
Ftir das zweite Projekt ist dies nicht zutreffend, da zwischenzeitlich eine Mittelan-
lage zur sp~iteren Leistung der Schlussauszahlung erforderlich ist: W ~ e der Kapi-
talmarktzinssatz etwa nut 7 %, mtissten in t = 1 ceteris paribus mehr als nur 6
GE bis t = 1 angelegt werden, so dass weniger als 54 GE in t = 1 an den Kapital-
geber ftir seine Mitteltiberlassung von 50 GE in t = 0 zurtickgezahlt werden k6n-
nen. WS_hrend demnach die Behauptung einer 14%igen Rendite f'tir das Projekt 1
sogar unabh~ingig vom tats~ichlichen Kapitalmarktzinssatz zutreffend ist, gewfihrt
das zweite Projekt auf die Anfangsauszahlung eine 8%ige Rendite nur unter der
Voraussetzung, dass der Kapitalmarktzinssatz auch 8 % betdigt. Weil ein Kapital-
wert yon Null generell nicht mehr als diesen letzten Umstand impliziert, sollte
man sich dartiber nicht allzu wundem. 1~ []
Die Ermittlung kritischer Werte kann sich im konkreten Einzelfall als sehr
sehwierig erweisen. Eine geschlossene L6sung zur Bestimmung der Amortisa-
10 Vgl. zur inhaltlichen Interpretation des internen ZinsfufSes auch etwa Hering (1998), S. 901 f.
128
tionsdauer etwa kann ohne Zusatzannahmen zur zeitlichen Verteilung von Ein-
zahlungstiberschtissen innerhalb der einzelnen Perioden gar nicht angegeben wer-
den. Die Ermittlung interner ZinsfiiBe ftir ein Investitionsprojekt mit Zahlungs-
reihe z 0 ... . . z r f'tihrt zum Problem der Nullstel lenbest immung hinsichtlich eines
Polynoms T-ten Grades:
T Zt !
t=o (l+i) t - 0
T * * ~ z t ' ( l + i ) T-t --- 0 (3.11)
twO
T ** ~ z t . q T - t = 0,
t=0
wobei hier q = l+i gelte und die Ermittlung von qkl~t damit iiquivalent zur Bestim-
mung von ikrit ist. Ferner sei darauf hingewiesen, dass in der zweiten Zeile von
(3.11) beide Seiten der Gleichung mit (1+i) T multipliziert worden sind, so dass
die auftretenden Exponenten von q Werte von 0 bis T annehmen.
Die generelle L6sung yon (3.11) ist sp~itestens ab T = 5 nur noch numerisch
m6glich, 11 so dass sich die Berechnung interner ZinsfiiBe bereits bier gewissen
Schwierigkeiten gegentibersieht, die allerdings wenigstens dann schon vemachl~is-
sigbar sind, wenn man Zugang zu einem programmierbaren Taschenrechner hat.
Schwerer dtirfte der Umstand wiegen, dass ein Polynom T-ten Grades grund-
siitzlich auch tiber T verschiedene Nullstellen verfiigen kann. Ftir unser Problem
bedeutet dies, dass ein und dieselbe Zahlungsreihe durchaus mehrere interne Zins-
ftiBe gleichzeitig besitzen mag. Ein derartiger Umstand triigt nicht gerade dazu
11 Nur ftir Gleichungen bis vierten Grades liegen allgemeine geschlossene L6- sungsformeln vor. Gleichungen ab fiinftem Grad sind nicht mehr generell algebraisch 16sbar. Vgl. beispielsweise BronsteirdSemendjajew/Musiol/Mi~hlig (2005), S. 45.
129
bei, die inhaltliche Interpretation intemer Zinsftige zu erleichtern. Erfreuli-
cherweise kann man allerdings immerhin Bedingungen formulieren, unter denen
diese Mehrdeutigkeit doch nicht zum Zuge kommt. Ftir uns reicht dabei das Ab-
stellen auf die Betrachtung sogenannter Normalinvestitionen. Eine Normalinvesti-
don ist dadurch gekennzeichnet, dass yon t = 0 bis zu einem Zeitpunkt t = "c >_ 0
aus der Investitionsrealisation nur Auszahlungen (oder Nullzahlungen) resultieren,
wghrend ab t = "c+1 bis zum Ende der Projektnutzung in t = T die Zahlungskon-
sequenzen s~imtlich nichtnegativ sin& Man sagt auch, dass die Zahlungsreihe z0,
zl . . . . . ZT nut einen Vorzeichenwechsel vom Negativen zum Positiven hat. 12'13
Schon unter dem Aspekt der Interpretation intemer Zinsftige als an Kapitalgeber
zu gewiihrende Maximalrenditen ist diese Eigenschaft einer Projektzahlungsreihe
gem~ig Beispiel 3.5 effreulich. Sie dttrfte im 0brigen mit dem landliiufigen Ver-
stiindnis einer Investition konforln gehen, die in den ersten Zeitpunkten dutch
Nettoauszahlungen charakterisiert ist, w~ihrend sich im Anschluss an diese Auf-
bauphase positive Einzahlungstiberschtisse realisieren. 14 Entsprechend nennt man
eine Zahlungsreihe, bei tier es nut einen Vorzeichenwechsel vom Positiven ins
Negative gibt, sinnvollerweise eine Normalfinanzierung.
Man kann nun auf der Grundlage der sogenaunten kartesischen Vorzeichenregel zeigen, dass es bei Normalinvestitionen (und auch Normalfinanzierungen) nur
14
Vgl. zu dieser Begriffsfassung etwa Kruschwitz (2005), S. 112, oder Bitz (2005), S. 110. Zum Teil wird der Begriff in der Literatur allerdings auch an- ders definiert. Siehe etwa Liicke (1991), S. 291.
Normalinvestitionen stellen einen Spezialfall sogenannter reguliirer Investi- tionen dar, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll. Vgl. zu Begriff und Eigenschaften regul~irer Investitionen etwa Franke/Hax (2004), S. 175, sowie NorstrOm (1972).
Natt~rlich heigt dies nicht, dass in praxi nicht auch Projekte mit Zahlungsrei- hen auftreten k6nnen, die sich nicht als Normalinvestitionen charakterisieren lassen. Man denke nur an das Auftreten von Sehlussauszahlungen wie bei dem Projekt 2 aus dem vorhergehenden Beispiel 3.5. Trotzdem diirfte mit Normalinvestitionen auch in der Praxis doch ein wesentlicher Teil von Inves- titionsprojekten erfasst sein.
130
einen einzigen intemen Zinsfug gr6ger als -100 % geben kann. 15 Zinss~itze von
-100 % und weniger wiedernm k6nnen ohne weiteres unberiicksichtigt bleiben,
wie sich auf verschiedene Weisen begrtinden l~isst. So bedeutet eine Verzinsung
tmterhalb von -100 %, dass man zus~itzlich zu den tiberlassenen Mitteln als Kapi-
talgeber in Zukunft noch weitere Zahlungen erbringen muss) 6 Ein derartiger
Kapitalmarktzinssatz ist unter der Annahme der Sicherheit auf einem vollkom-
menen Kapitalmarkt im Gleichgewicht nicht denkbar, ~7 da jeder schon das ein-
15
16
17
Nach der kartesischen Vorzeichenregel entspricht die Anzahl der positiven Nullstellen eines Polynoms T-ten Grades der Anzahl der Vorzeichenwechsel in der Folge seiner Koeffizienten oder ist um eine gerade Zahl geringer (vgl. z.B. Hax (1993), S. 18 f., Bronstein/Semendjajew/Musiol/Miihlig (2005), S. 45). Da die (nach Exponenten der zugeh6rigen Potenzen aufsteigend sortier- ten) Koeffizienten z T ..... z 0 des hier betrachteten Polynoms T-ten Grades aus (3.11) mit den (nach Zahlungszeitpunkten absteigend sortierten) Zahlungskon- sequenzen des jeweiligen Investitionsprojekts in den einzelnen Zeitpunkten t = 0 . . . . . T tibereinstimmen, folgt aus nur einem Vorzeichenwechsel in der Zahlungsreihe, dass es genau einen Wert q --- l+i > 0 gibt, f'tir den sich der Kapitalwert der Zahlungsreihe auf Null bel~iuft. Dies wiederum impliziert, dass es dann nur ein i > -100 % mit dieser Eigenschaft gibt.
Es sollte erwS_hnt werden, dass die Kapitalwertformel ftir i = -100 % in der Tat gar nieht definiert ist. In Anbetracht der Charakterisierung von Sima- tionen mit internen Zinsftigen unterhalb von -100 % ist es aber sachgerecht, einen internen ZinsfuB von -100 % als definitionsgem~ig gegeben ftir Simatio- nen mit z 0 < 0 bei z t -- 0 (t -- 1 . . . . . T) aufzufassen. Hierbei handelt es sich also um F~ille, in denen der Unternehmer f'tir die in t = 0 eingesetzten Mittel keinerlei Riickzahlung erh~ilt.
Praktisch k6nnen derartige Verzinsungen wegen der real gegebenen Unge- wissheit tiber ktinftige Entwicklungen durchaus auftreten. Zu denken ware et- wa an den Erwerb eines Genossenschaftsanteils in t = 0 mit m6glicher Naeh- sehussverpfl ichtung ftir t = 1, die dann wirklich relevant wird. Hier erg~ibe sich in der Tat eine Verzinsung unterhalb von -100 %. Zweifellos beschreibt ein derartiges Szenario einen auBerordentlich seltenen und keineswegs regel- m~il3ig eintretenden Sachverhalt. In den allermeisten F~illen dilrfte auch prak- tisch ein Totalverlust der eingesetzten Mittel, also eine Verzinsung von -100 %, die schlechtestm6gliche Renditerealisation beschreiben. In jedem Falle stimmt dies bei herk6mmlichen KreditgewS_hnmgen.
131
fache "Verb rennen" von Geld seiner Anlage zu i < -100 % vorziehen wtirde. Zu
i < -100 % g~ibe es demnach kein Mittelangebot, andererseits aber verst~ndlicher-
weise eine unbegrenzte Mittelnachfrage. Far den von uns betrachteten Kontext
sind solche Kapitalmarktzinss~tze gegenstandslos, so dass auch die Erkermtnis
eines Kapitalwertes von Null far einen derartigen Zinssatz, also Indifferenz
gegentiber der Projektdurchf'tihrung, keine weitergehende Bedeutung hat. Im Fol-
genden werden dementsprechend stets nur noch Zinss~itze i > -100 % betrachtet.
B e i s p i e l 3.6:
Gegeben sei das Investitionsprojekt 1 aus dem vorhergehenden Beispiel 3.5 mit
den Zahlungskonsequenzen z~0 l) = -100, zll)= 70 sowie z~ 1) = 50,16 GE. Der
Ansatz zur Ermittlung der internen Zinsftil3e der Zahlungsreihe lautet dann:
~:(i) -100+ 70 ~ 50,16 ! 1 +i (1 +i) 2
- 100- (1 +i) 2 +70" ( 1 +i) + 50 ,16 = 0
i2+1,3"i-0,2016 = 0 (3.12)
il, 2 = -0,65 +~/0,652 +0,2016
** ikrit,1 = 0,14, ikrit,2 = -1,44.
Da die zugrunde gelegte Zahlungsreihe eine Normalinvestition beschreibt, war
klar, dass es auger dem bereits bekannten internen Zinsfug yon 14 % keinen wei-
teren oberhalb v o n - 100 % geben kann. In der Tat existiert zwar ein zweiter in-
terner Zinsful3, dieser liegt aber bei -144 %. Bei einem Kapitalmarktzinssatz von
-144 % resultierte demnach ebenso wie ftir i = 14 %, dass der Unternehmer durch
die Projektdurchf'dhrung weder ~irmer noch reicher wtirde, das heigt, es w ~ e ihm
exakt m6glich, in t = 0 einen Kredit in H6he der Anfangsauszahlung aufzuneh-
men und aus den sp~iteren Projektrtickfltissen inclusive Zinsen zu bedienen. Kon-
kret miisste der Kapitalgeber bei einem Zinssatz yon -144 % in t = 1 weitere
132
100-(1,44-1) = 44 GE (144 GE "negat ive" Zinsen abztiglich der Tilgung von
100 GE) an den Untemehmer zahlen. Diesem wttrden 70+44 = 114 GE zur Anla-
ge bis t = 2 verbleiben, wo sie zu einer Verbindlichkeit des Unternehmers von
114-(1,44-1) = 50,16 GE f'tthrten, die der Unternehmer exakt leisten k6nnte. 18
Insofern liefert das Projekt eine Periodenverzinsung der Anfangsauszahlung von
-144 %, falls dies auch der Kapitalmarktzinssatz ist. []
3.4.2 Investitionsentscheidungen mit Hilfe interner ZinsfiiBe
3.4.2.1 Einzelentscheidungen
Aus Abschnitt 1 dieses Kapitels ist bereits bekannt, dass Investitionsentscheidun-
gen im hier betrachteten Kontext kapitalwertmaximierend zu treffen sind. Sofem
man mit Hilfe intemer Zinsftii3e zu ad~iquaten Investitionsentscheidungen gelan-
gen will, sollte man daher ein solches Vorgehen wg.hlen, dass das resultierende
Investitionsprogramm kapi ta lwer tmaximal ist. Im Rahmen von Einzelentsehei-
dungen ist deswegen daF~ Vorsorge zu treffen, dass nur Projekte mit einem
nichtnegativen Kapitalwert realisiert werden.
Aus der Definition des internen ZinsfnBes folgt, dass der Projektkapitalwert fur
einen derartigen Kapitalmarktzinssatz gerade 0 GE betr~igt. Unter der Pr~imisse,
dass es nur einen einzigen intemen ZinsfuB ikrit mit i~t > -100 % gibt, muss der
Kapitalwert des betreffenden Investitionsprojekts ftir alle Kapitalmarktzinss~itze
i mit -100 % < i < i~t das gleiche Vorzeichen aufweisen. Entsprechendes gilt fiir
die Kapitalmarktzinss~itze i mit i > ikn t. Bei Normalinvest i t ionen liegen die Aus-
zahlungen naher an t = 0 als die ktinftigen Einzahlungstiberschtisse. Daher ist der
Projektkapitalwert ftir kleine Zinss~itze i, also " l inks" v o n ikrit positiv, ftir grol3e
18 Wie bereits weiter oben dargelegt, wtirde der Unternehmer (ebenso wie der Kapitalgeber aus t = 0) sein Geld lieber verbrennen, als es zu einem Zinssatz i < -100 % anzulegen. Insofern erweist sich die Betrachtung von Situationen mit Kapitalmarktzinss~itzen unterhalb von -100 % in der Tat als wenig er- giebig.
133
Zinss~itze i, also " rech ts" v o n ikrit hingegen negativ] 9 Es gilt f'ttr Normalinvesti-
tionen demnach folgender Zusammenhang: 2~
> >
1< = 0 ** ikrit = i. (3.13) < <
K>O K<O
IL
i
Abbildung 3.1: Verlauf der Kapitalwertkurve bei einer Normalinvestition in Ab- h~ingigkeit von i
Man erkennt hier also, wie auch auf der Grundlage interner Zinsftige sachgerecht
Einzelentscheidungen getroffen werden ktinnen. Sinnvoll ist es, den (eindeutigen)
internen Zinsful3 des betrachteten Investitionsprojekts mit dem Kapitalmarktzins-
19 Der (naheliegende) Schluss auf einen generell s treng monoton fal lenden Verlauf der Kapitalwertkurve einer Normalinvestitionen f'tir i > -100 % ist in- des nicht zutreffend, falls nicht der Spezialfall z 0 < 0 und z t > 0 f'tir alle t = 1 ..... T unterstellt wird. Gleichwohl wird in den nachfolgenden Abbildungen zur Vereinfachung stets solch ein Monotonieverhalten angenommen.
20 Vgl. hierzu auch Abbildung 3.1.
134
satz zu vergleichen. Sofern dann auch noch der grunds~itzliche Verlauf der Kapi-
talwertkurve links und rechts yon i = ikrit bekannt ist, kann sofort entschieden
werden, ob das Projekt fiber einen nichtnegativen Kapitalwert verffigt und damit
angenommen werden soll oder nicht. Bei einer Normalinvestition erfolgt die Pro-
j ektannahme ftir ikrit _> i.
Auch inhaltlich ist dieses Entscheidungskriterium ohne weiteres verst~indlich.
Wenn man auf die Interpretation des intemen Zinsful3es einer Zahlungsreihe bei
Normalinvestitionen als die (maximal) an einen Kapitalgeber zu gewahrende Pe-
riodenverzinstmg zurtickkommt, dann ist klar, dass bei einer Zinssatzforderung
des jeweiligen Kapitalgebers unterhalb v o n ikrit noch positive Einzahlungs-
tiberschtisse beim Unternehmer verbleiben. Der Unternehmer wird demnach in
diesem Fall durch die Projektdurchftihrung reieher. Im Vergleich zur Unterlas-
sung des Investitionsprojekts wird er dessen Durchf'tthrung daher in jedem Falle
als vorteilhaft erachten.
Die gerade vorgestellten 0berlegungen gelten auch f'tir das Treffen von Investi-
tionsentscheidungen auf der Grundlage anderer kritischer Werte. Generell sind
diese mit der tatsiichlichen Parameterauspriigung zu kontrastieren. Sofern nun
noch der grunds~itzliche Verlauf der Kapitalwertfunktion in Abh~ingigkeit des je-
weiligen Parameters bekannt ist, kann man unmittelbar auf das Vorzeiehen des
Projektkapitalwertes f'tir die tats~ichliche Parameterauspr~igung und damit die Vor-
teilhaftigkeit des betreffenden Investitionsprojekts schliegen. Gerade in dieser
zus~itzlich ben6tigten Kenntnis des grunds~itzlichen Verlaufs der Kapitalwertfunk-
tion zeigt sich (neben den rechentechnischen Schwierigkeiten der Ermittlung von
kritischen Werten) eine weitere Schwiiche der Entscheidungsfindung auf der Ba-
sis der Betrachtung kritischer Werte. Durch die Ermittlung kritischer Parameter-
werte weil3 man zun~ichst einmal nur, dass sich ftir diese Parameterauspr~igungen
der resultierende Kapitalwert auf Null bel~iuft, kennt aber nicht unbedingt den
generellen Verlauf der Kapitalwertfunktion, sondern muss dazu gegebenenfalls
weitere Uberlegungen anstellen.
135
Beispiel 3.7: Es sei ein Investitionsprojekt mit folgender Zahlungsreihe betrachtet: z 0 =
-100,05, z 1 = 205 und z 2 = -105 GE. Augenscheinlich liegt keine Normalinvesti-
tion vor. In der Tat erh~ilt man auch zwei interne Zinsftil3e il = 1,4493 % sowie
i 2 = 3,4483 %, und man muss nun erst durch weiteres Nachdenken erschliel3en,
wie die Kapitalwertfunktion in Abh~ingigkeit yon i verl~iuft. Da sich die zinslos
kumulierten Zahlungen auf -100,05+205-105 = -0,05 GE belaufen, ist der Kapital-
wert K: f'tir i = 0 % negativ. Daraus folgt sofort, dass n i m Bereich i > -100 % nur
ftir Kalkulationszinsftil3e i mit i I < i < i 2 posi t ivist . Dementsprechend ware das
Projekt auch bei einem Kapitalmarktzinssatz unterhalb yon i 1 abzulehnen. Wenn-
gleich sachgerecht, f~illt die inhaltliche Interpretation derartiger Entscheidungsfin-
dungen bei mehreren relevanten internen Zinsftigen doch in aller Regel nicht
leicht. []
Der Verlauf der Kapitalwertkurven in Abh~ingigkeit von Absa tzmengen oder
-preisen ist glticklicherweise allerdings recht leicht zu bestimmen. Ceteris paribus
f'tihren N3here Absatzpreise in jedem Fall auch zu h6heren Kapitalwerten. Ent-
sprechendes gilt fiir Absatzmengen bei Vorliegen positiver Deckungsspannen. Bei
negativen Deckungsspannen fallt der Kapitalwert eines Projekts hingegen mit
wachsender Absatzmenge. Zum Verlauf der Kapitalwertkurve in Abh~ingkeit von
der P r o j e k t n u t z u n g s d a u e r ist keine generelle Aussage m6glich. Unterstellt man
allerdings, dass jede weitere Periode zu zus~itzlichen nichtnegativen Einzahlungen
f'tihrt, ist ~z(T) nat'tirlich eine monoton wachsende Funktion.
Grunds~itzlich kann man folglich auf Basis kritischer Werte ad~iquate Einzelent-
scheidungen derart treffen, dass Konsistenz zu m Kapi ta lwer tk r i t e r lum gewahrt
ist. Die Berechnung kritischer Werte erweist sich allerdings in aller Regel als
schwerer als eine direkte Kapitalwertberechnung. Ferner muss man wenigstens
eine gewisse generelle Vorstelltmg vom Verlauf der Kapitalwertkurve des jewei-
ligen Investitionsprojekts in Abh~ingigkeit vom betrachteten Parameter haben. Ein
drittes bislang noch nicht angesprochenes Problem existiert, wenn der betrachtete
Parameter n icht fiber alle ktinftigen Zeitpunkte hinweg kons tan t ist, also wenn
136
etwa in jedem Zeitpunkt t = 1 ..... T ein anderer Preis oder eine andere Absatz-
menge realisiert werden k6nnte oder wenn die Ein-Perioden-Zinss~itze nicht fOx
alle k/jnftigen Perioden konstant sind. Die Berechnung eines kritischen Wertes
beispielsweise in Form eines fiber alle Zeitpunkte hinweg konstanten Break-even-
Preises w ~ e hier wenig hilfreich, da die konkreten Absatzpreise der einzelnen
Zeitpunkte teilweise unter- und teilweise oberhalb von Pknt liegen k6nnten und
man dann fiber einen Vergleich kritischer und tats~ichlicher Parameterauspr~igun-
gen zu keinen sinnvollen Handlungsempfehlungen gelangen kann. In solchen F~il-
len mit tiber die Zeit hinweg nicht konstanten Parameterauspr~igungen k6nnte
man nur noch ftir eine ausgewiihlte Teilperiode eine Break-even-Menge oder
einen Break-even-Preis oder einen (einperiodigen) internen Zinsfug ausrechnen
und diesen der jeweiligen tats~ichlichen Parameterauspr~igung f/Jr diese Periode
sinnvoll gegenfiberstellen. Augenscheinlich handelt es sich hierbei um wenig at-
traktiv erscheinende Anwendungsfiille fOx das Arbeiten mit kritischen Werten.
3.4.2.2 Auswahlentscheidungen
Kritische Werte k6nnen nicht nur fOx das Treffen von Einzelentscheidungen ge-
nutzt werden, sondern auch ffir Auswahlentscheidungen. Abermals sollte man
sich fragen, wie man kritische Werte derart nutzen kann, dass die resultierende
Entscheidung mit dem Kapitalwertkr i ter ium fibereinstimmt. Zur Veranschauli-
chung seien zwei sich gegenseitig ausschliegende Projekte 1 und 2 betrachtet, die
auf der Grundlage intemer Zinsfiil3e miteinander verglichen werden sollen. Be-
zugspunkt fOx Kapitalwertberechnungen seien die unternehmerischen Einzahlungs-
/jberschfisse bei Verzicht auf beide Projekte.
Es sei angenommen, dass es sich um Normalinvesti t ionen mit folglich nur je-
weils einem internen Zinsfug i <~ bzw. i <2~ gr6ger als -100 % handelt. Wir wissen
damit, dass bei einem Kapitalmarktzinssatz i = i <~ die Durchf/jhrung des Projekts
1 aus Unternehmersicht so gut wie dessen Unterlassung ist und f/jr i < i ~) zu
einer Reichtumsmehrung in Form eines positiven Kapitalwertes fiihrt. Entspre-
chendes besagt i <2) f'OX Projekt 2. Die beiden internen Zinsf'tif3e erlauben insofern
137
n u t einen Vergleich der betrachteten Investitionsalternative mit der zugrunde ge-
legten Basiszahlungsreihe, hier also der Unterlassung beider Projekte. Wie es um
die relative Attraktivit~it der beiden Projekte 1 und 2 zueinander je nach Kapital-
marktzinssatz bestellt ist, kann aus den Zinssatzen i (1) und i (2) nicht abgelesen
werden. DaFar ist es in der Tat yon grtJgerem Interesse zu wissen, ftir welchen
Kalkulationszinsful3 sich die Kapitalwerte der beiden Projekte entsprechen. Dies
ist gleichbedeutend damit, dass sich die Differenz ~:~1)_~:c2) bzw. n(2)_n(l) der beiden
Kapitalwerte und folglich der Kapitalwert der Differenzinvestition 1-2 bzw. 2-1
auf Null bel~iuft. Ftir Auswahlentscheidungen kommt es demnach auf den inter-
nen Zinsful3 ;(l-Z) 21 i(2-1) (oder allgemeiner: den kritischen Wert des betrachte- ~krit = Xkrit
ten Parameters) beztiglich der Differenzinvestition 1-2 bzw. 2-1 der beiden Pro-
~<t-2) wird ein anderes der beiden Projekte sich als vorteilhaft jekte an. Ftir i < ~krit
-<1-27 In welchem der beiden F~ille Projekt 1 besser und in erweisen als ftir i > lk r i t .
welchem es schlechter als Projekt 2 ist, h~ingt letztlich vom Verlauf der Kapital-
wertkurve der jeweiligen Differenzinvestition ab. Handelt es sich bei 1-2 um eine
Normalinvestition 22, dann ist ~1-2) > 0 ftir i < i~lri2t ) und hierbei somit Projekt 1
besser als Projekt 2. Entsprechend kann tiber die Betrachtung der Differenzinves-
tition 2-1 argumentiert werden. Handelt es sich bei 1-2 um eine Normalinvesti-
tion, dann muss 2-1 wegen der genau entgegengesetzten Vorzeichen der einzelnen
;~l-2) ~(2-1) folgt Zahlungskonsequenzen eine Normalfinanzierung sein. Aus i < "krit = *kr~t
damit ~2-~) < 0, also emeut, dass Projekt 1 dem Projekt 2 vorzuziehen ist. Insbe-
sondere im Zusammenhang mit der Gegentiberstellung der Argumentation ftir
einen Ansatz an der Differenzinvestition 1-2 mit der far einen Ansatz an der Dif-
ferenzinvestition 2-1 sieht man tibrigens nochmals sehr deutlich, wie wichtig es
bei Entscheidungen auf der Grundlage kritischer Werte ist, den Verlauf der
21
22
Die Gleichheit ist eine Konsequenz aus der )kquivalenz von ~:(~)_~:~2) = 0 und 1((2)-]((1) --'~ O .
Zu beachten ist, dass die Differenzinvestition zweier Normalinvestitionen keineswegs selbst wieder eine Normalinvesti t ion sein muss. Die sich hieraus ergebenden Komplikationen entsprechen jedoch denen bei Einzelentseheidun- gen ffir "Nieht-Normalinvest i t ionen" und k6nnen deswegen bier undisku- tiert bleiben.
138
Kapi ta lwertkurve zu kennen.
Auch bei der Entscheidung tiber zwei alternative Investitionen anhand des inter-
nen Zinsfuges ihrer Differenzinvestition wird der Umstand genutzt, dass mittels
eines kritischen Wertes eine Investitionsalternative sinnvoll nur mit der jeweils
angenommenen Basiszahlungsreihe verglichen werden kann. Betrachtet man et-
wa die Differenzinvestition 1-2, so ist das gleichbedeutend mit der Annahme
einer Basiszahlungsreihe, die sich aus der Durchftihrung des Projekts 2 (und
Beachtung sonstiger fixer Einzahlungen des Untemehmers aus weiteren Investi-
tionen) ergibt. Ftir i = ikrit;(l-2) ist der Wechsel zur Durchftihrung des Projekts 1 nun
ebenso gut wie der Verbleib beim Bezugspunkt in Form des Projekts 2, weswe-
;(1-2) keine Indifferenz zwischen den beiden Handlungsalternativen gen fiir i ~ lkrit
besteht. Diesen Umstand sollte man im Weiteren stets beachten.
Beispiel 3.8:
Ausgangspunkt der Betrachtung sei ein vollkommener Kapitalmarkt mit einem
tiber alle Perioden einheitlichen Kapitalmarktzinssatz yon i -- 15 %. Ein Unter-
nehmer habe Zugang zu zwei Projekten 1 und 2 mit folgenden Zahlungskonse-
quenzen im Rahmen einer Drei-Zeitpunkte-Betrachtung:
1
z~ 2)
t 0
z~ 1) -80 20 105
-60 50 40
Tabelle 3.3: Zahlungsreihen zweier alternativ realisierbarer Investitionsprojekte
1 und 2
139
Da es sich bei beiden Projekten um Normalinvestitionen handelt, wissen wir von
vornherein, dass es ftir jedes der beiden Projekte nur einen internen ZinsfuB ober-
halb von -100 % geben kann. In der Tat l~isst sich leicht nachrechnen, dass i(klr~t 27,74 % und lkrit;(2) ~ 33,33 % gilt. Diese Werte lassen aber keinen Schluss auf die
jeweilige relative Vorteilhaftigkeit der beiden Projekte zu. So gilt hier des Wei-
teren ~:(1} = 16,79 GE > ~:(2) = 13,72 GE. Das Projekt mit dem niedrigeren inter-
nen ZinsfuB ftihrt hier also zur grN3eren Reichtumssteigerung auf Seiten des Un-
ternehmers.
Sachgerecht m6glich ist allerdings beispielsweise eine Entscheidung auf der
Grundlage der Differenzinvestition 1-2. Deren Zahlungsreihe kann der Tabelle 3.4
entnommen werden.
t 0 1 2
Zl 1-2) -20 -30 65
20 30 -65 Z(t 2-1)
Tabelle 3.4: Zahlungsreihen der Differenzinvestitionen 1-2 trod 2-1
Es handelt sich bei 1-2 um eine Normalinvestition mit dem einzig interessieren-
den internen Zinsfui3 lkrit;(l-2) ~ 20,26 %. Infolge der Normalinvestitionseigenschaft
= ~{1-2) = 20,26 % schlie- von 1-2 kann man unmittelbar auf Td j2) > 0 ftir i 15 % < Xkrit
Ben. Auch auf der Grundlage dieser Oberlegungen gelangt man damit letztlich zur
Vorteilhaftigkeit der Durchftihrung des Projekts 1 gegentiber dem Projekt 2. Die
Zusammenh~inge sind auch in den Abbildungen 3.2 und 3.3 schematisch veran-
schaulicht.
140
P ~
1
15 % 20,26% 27,74% 33,33 % "-2
Abbildung 3.2: Kapitalwertkurven der Projekte 1 und 2 (schematisch)
K
2-1
i
Abbildung 3.3: Kapitalwertkurven der Differenzinvestitionen 1-2 und 2-1 (sche- matisch)
141
Statt der Differenzinvestition 1-2 h~itte man auch 2-1 betrachten k0nnen. 23
Selbstverst~indlich gilt ebenfalls ik(2rip = 20,26 %. Die Differenzinvestition 2-1 hat
nicht die Struktur einer Normalinvestition, sondern vielmehr die einer Normal-
finanzierung. Die Kapitalwertkurve ~:(2q) verRiuft daher ffir i > -100 % streng
-(2-~) 20,26 % im Negati- monoton steigend und liegt demnach f'tir i = 15 % < lkrit
ven. 24 Dies bedeutet, dass ein Wechsel von Projekt 1 zu Projekt 2 wegen der ftir
den Unternehmer damit einhergehenden ReichtumseinbuBe nicht sinnvoll ist. []
Ein direkter Vergleich interner ZinsffiBe (oder anderer kritischer Parameterauspr~i-
gungen) muss gem~iB dem vorangegangenen Beispiel 3.8 keineswegs zu kapital-
wertmaximierenden Investitionsentscheidungen ffihren. Die meN" als lose Verbin-
dung zwischen den beiden Entscheidungskriterien belegt vor allem der Umstand,
dass die Entscheidung auf der Grundlage kritischer Parameterwerte im Gegensatz
zu kapitalwertorientierten Entscheidungen vonder Wahl des Bezugspunktes ab-
h~ingig sein kann. Dass die Wahl der Basiszahlungsreihe Einfluss nimmt auf den
ausgewiesenen kritischen Wert eines Investitionsprojekts, ergibt sich schon aus
Beispiel 3.8: Mit Bezugspunkt der Unterlassung beider Projekte verftigt Investiti-
onsprojekt 1 fiber einen internen Zinsfug von ca. 27,74 %. Ist die Basiszahlungs-
reihe hingegen die Durchf'tthrung des Projekts 2 (inclusive der von Projekt 1 und
Projekt 2 unabh~ingigen unternehmerischen Einzahlungstiberschtisse), reduziert
sich der dem Projekt 1 zuzuordnende interne ZinsfuB auf ungef'&hr 20,26 %. Auch
der einem Investitionsprojekt zugeh6rige Projektkapitalwert h~ingt nattirlich vom
gewO_hlten Bezugspunkt ab. Wahrend aber die Rangfolge verschiedener Projekte
nach Kapitalwerten durch eine Variation der Basiszahlungsreihe nicht beeinflusst
werden kann, gilt dies im Zusammenhang mit direkten Reihungen nach kritischen
Werten nicht.
23 Vgl. zur resultierenden Zahlungsreihe ebenfalls Tabelle 3.4.
24 Vgl. auch Abbildung 3.3.
142
Beispiel 3.9: Das Beispiel 3.8 sei nun insofem erg~inzt, als der Unternehmer in t = 0 unab-
h~ingig yon seiner Entscheidung ftir Projekt 1 oder 2 in jedem Fall noch Auszah-
lungen in H6he von 15 GE ftir den Abbruch eines vorangegangenen Investitions-
projekts leisten muss. Im Beispiel 3.8 wurde diese Zahlungskonsequenz nicht
berticksichtigt. Der dort gewahlte Nullpunkt war demnach die Zahlungreihe z 0 =
-15, z 1 = z 2 = 0 GE. Nun soil aber z 0 = z I = z 2 = 0 GE als Basiszahlungsreihe
angesetzt werden. Demnach sind bei den beiden Projekten 1 und 2 die Aus-
zahlungen des Zeitpunktes t = 0 um jeweils 15 GE zu erN3hen. Graphisch be-
deutet dies in Abbildung 3.2, dass sich beide Kapitalwertkurven um 15 GE nach
unten verschieben. Nattirlich ~indert sich dadurch nichts an der Projektrangfolge
nach Kapitalwerten ftir ein beliebiges i und wird auch die Schnittstelle der beiden
Kurven, lkrit~(l-2) ---- lkrit:(2-1) ~ 20,26 %, hierdurch nicht beeinflusst, so dass Kapitalwert-
kriterium und Betrachtung des internen Zinsful3es der Differenzinvestition 1-2
bzw. 2-1 weiterhin zum gleichen Ergebnis ftihren. Sehr wohl beeinflusst werden
aber die resultierenden Nullstellen der beiden Kapitalwertkurven, die sich nun als
-(2) = 13,61% ergeben, womit sich die Rangfolge der beiden ;~1~ ~ 16,18 % und lkrit Xkrit
Projekte allein durch die Andemng des Bezugspunktes im Vergleich zur Situation
im Beispiel 3.8 bereits genau umkehrt. 25 []
Die Reihung von Projekten durch direkte Gegent~berstellung ihrer kritischen Wer-
te f'dhrt allein schon wegen des gerade er6rterten Problems im Wesentlichen
allenfalls zufiillig zur gleichen Reihung wie nach dem Kapitalwertkriterium und
ist insofern abzulehnen. Man mag dies fiberraschend finden, ist doch etwa im
Beispiel 3.8 Projekt 2 in der Lage, einem die Anfangsauszahlung finanzierenden
Kapitalgeber eine Periodenverzinsung von ungef~ihr 33,33 % zu gew~ihren, w~h-
rend Projekt 1 hier nur etwa 27,74 % Verzinsung bieten kann. Worin ist also
neben der formalen Begrfindung fiber Kapitalwertkurven und deren Schnittpunkte
die inhaltl iehe Erl i iuterung ffir den Trugschluss einer Vorteilhaftigkeit der Ent-
25 Vgl. hierzu generell etwa auch Hdllsten (1966), S. 54 ft., oder Buchner (1973), S. 699 f.
143
scheidung fox Projekt 2 wegen seines h6heren internen Zinsful3es zu sehen? Die
Ursache hierffir liegt in dem Umstand, dass Projekt 2 zwar schon eine Verzinsung
der Anfangsauszahlung von etwa 33,33 % bietet, dies aber n u t ffir einen Betrag
von 60 GE. Man kann sich dabei die 60 GE Mittelaufnahme in zwei Teilbetr~ige
yon 37,5 GE und 22,5 GE zerlegt vorstellen. Die Aufnahme von 37,5 GE von t
= 0 bis t = 1 zu etwa 33,33 % ftihrt im Zeitpunkt t = 1 zu einer Verbindlichkeit
von ungef~ihr 50 GE. Die Aufnahme von 22,5 GE von t = 0 bis t = 2 zu etwa
33,33 % pro Periode begrthadet ffir t -- 2 eine Verbindlichkeit von ungef'~Jar 40
GE. Eine Aufnahme von 60 GE seitens des Unternehmers in t = 0 mit
Rfickzahlungen von 50 GE in t = 1 und 40 GE in t -- 2 kann folglich derart
interpretiert werden, dass mit 37,5 GE der gr6gte Teil der Mittelfiberlassung aus
t = 0 einen einperiodigen Kredit zu ca. 33,33 % darstellt, w~ihrend nur 22,5 GE
far zwei Perioden zu etwa 33,33 % pro Periode bereitgestellt wurden. Im Rahmen
von Projekt 1 hingegen kann ein Kapitalgeber in t = 0 insgesamt 80 GE anlegen,
von denen nur ungef~ihr 15,66 GE einen einperiodigen Kredit darstellen
(15,66-1,2774 = 20 GE), wS_h_rend der erheblich gr6gere Restbetrag yon ca. 80-
15,66 = 64,34 GE in Form eines zweiperiodigen Kredits bis t = 2 angelegt wer-
den kann (64,34-1,27742 ~ 105 GE). Infolge der deutlich h6heren m6glichen An-
lagebetr~ige von t -- 0 bis t -- 2 kann sich Projekt 1 trotz der niedrigeren gebo-
tenen Verzinsung dem Projekt 2 als tiberlegen erweisen. Natfirlich w ~ e die M6g-
lichkeit beliebig umfangreicher einperiodiger Anlagen in t = 0 und t = 1 zu je-
weils 33,33 % einer ebensolchen M6glichkeit mit einem Zinssatz zu 27,74 %
stets vorzuziehen. Diese Flexibilitiit liefern Investitionsprojekte aufgrund ihrer fi-
xierten Zahlungsstruktur aber nicht, und daher ist der einfache "Rendi te" -Ver -
gleich hier generell nicht zuliissig. Entsprechende Zusammenh~inge gelten bei
dem Versuch, Projekte nach anderen kritischen Parameterwerten direkt zu reihen.
Eine n~here Betrachtung von Abbildung 3.2 gibt einen Hinweis auf den einzigen Fall, in dem man doch ohne Gefahr einer Fehlentscheidung direkt die internen
Zinsftige zweier Projekte miteinander vergleichen darf. Dieser liegt genau dann
vor, wenn sich die beiden Kapi ta lwer tkurven nicht sehneiden, also die Diffe-
renzinvestition der beiden Zahlungsreihen tiber keinen internen Zinsfug verftigt.
t 0 1 2
o) -200 190 100 Zt
z{ 2) - 100 100
Tabelle 3.5:
\
\
200
Zahlungsreihen zweier alternativ realisierbarer Investitionsprojekte
1 und 2
Die Kapitalwertkurven der beiden Projekte schneiden sich nicht, sondern verffigen
fiber einen schematischen Verlauf gem~ig Abbildung 3.4. Der Kapitalwert des
Projekts 2 ist ffir jeden denkbaren Kapitalmarktzinssatz i > -100 % h6her als der
von Projekt 1, Projekt 2 demnach ffir jedes i besser als Projekt 1.
~ ~ 2
!44
Beispiel 3.10:
Gegeben seien zwei Investitionsprojekte 1 und 2 mit Zahlungsstrukturen gem~ig
der folgenden Tabelle 3.5.
Abbildung 3.4: Schnittpunktfreie Kapitalwertkurven der Projekte 1 und 2 (sche- matisch)
145
Entsprechendes gilt f'tir einfachere Beispiele. Angenommen, ein Projekt 1 liefert
bei einer Anfangsauszahlung von 100 GE in t = 0 im Zeitpunkt t = 1 Rtickfltisse
von 8 GE und in t = 2 von 108 GE, wahrend Projekt 2 bei gleicher Anfangsaus-
zahlung nur 6 GE Einzahlung in t = 1 gew~ihrt und 106 GE in t = 2. Projekt 1
entspricht gewissermagen einer 8%igen Anlage yon 100 GE von t -- 0 bis t = 2
mit einperiodischen Zinszahltmgen, w~hrend Projekt 2 eine nur 6%ige Verzinsung
bietet. Nattirlich ist Projekt 1 in der Tat dem Projekt 2 vorzuziehen, und insofern
ftihrt auch der Vergleich der intemen ZinsftiBe zum korrekten Ergebnis.
Etwas formaler ausgedrtickt, erh~ilt man im letztgenannten Fall eine Zahlungsreihe
der Differenzinvestition 1-2 gemN3 Tabelle 3.6.
t 0 1 2
z{ 1-2) 0 2 2
Tabelle 3.6: Zahlungsreihe einer Differenzinvestition 1-2
Unabh~ingig davon, wie man die Zahlungsreihe z(t v2) (t = 0 , 1, 2) auch diskon-
tiert, wird sie stets positiv sein. 26 Das bedeutet, der Differenzkapitalwert ist ftir
jeden Kalkulationszinsfug i > -100 % stets gr613er als Null und damit der Kapital-
wert des Projekts 1 stets gr613er als der von Projekt 2. Eine Entscheidung durch
Vergleich der intemen Zinsftil3e der beiden Investitionsprojekte ist zul~issig.
Dieses Ergebnis l~isst sich leicht verallgemeinem: Besteht die Zahlungsreihe einer
Differenzinvestition entweder n u r aus nichtnegativen oder nur aus nichtpositiven
Gliedern, dann verftigt der zugeh6rige Kapitalwert tiber keinen intemen Zinsfug
gr6Ber als -100 % und sind die Kap i t a lwer tku rven der beiden zugeh6rigen In-
26 Man kann dieses Ergebnis auch durch Anwendung der weiter oben eingeftihr- ten kartesischen Vorzeichenregel begrtinden, wenngleich es ohnehin unmit- telbar einsichtig ist.
146
vestitionsprojekte schnittpunktfrei. 27 []
Sofern man allerdings weil3, dass sich die Kapitalwertkurven nicht schneiden,
kann man das bessere Projekt statt durch die mehr oder weniger umst~indliche
Berechnung interner Zinsftil3e (oder anderer kritischer Werte) ei~ffach durch
Gegeniiberstellung der Anfangsauszahlungen ermitteln: Dasjenige Projekt mit
der niedrigeren Anfangsauszahlung A 0 muss das bessere der beiden betrachteten
sein, da es wenigstens ftir i --, ~ tiber einen h6heren Kapitalwert (gem~il3 seiner
niedrigeren Anfangsauszahlung) verftigt und f'tir alle i laut vorausgesetztem Kennt-
nisstand die gleiche Kapitalwertrelation zwischen den beiden betrachteten Projek-
ten resultiert. 28 Sollte man hingegen nicht yon vornherein wissen, dass die Kapi-
talwertkurven der beiden Projekte tiber keinen Schnittpunkt verftigen, dann kann
man ohnehin einfach direkt die beiden Kapitalwerte ermitteln.
Die Reihung yon sich gegenseitig ausschliel3enden Projekten durch direkte Ge-
gentiberstellung auf der Grundlage ihrer ftir einheitlichen Bezugspunkt ermittelten
kritischen Parameterauspr~igungen wurde von Franke (1978) - etwas unglticklich,
weil irref'tihrend - als Durchftihrung "mit te lbarer" Parametervergleiehe be-
zeichnet. 29 Bei N simultan zur Auswahl stehenden Projekten wtirde man dem-
nach ftir jedes der Projekte eine kritische Parameterauspr~igung ermitteln, z.B. die
jeweilige Break-even-Menge, und sodann die Investitionsprojekte gem~il3 den je-
27
28
Die zuerst im Rahmen dieses Beispiels 3.10 dargestellte Auswahlentschei- dung zeigt, dass das gerade formulierte Kriterium nur hinreiehend, nicht aber notwendig f'tir die Gewahrleistung schnittpunktfreier Kapitalwertkurven ist. Ftir ein grunds~itzlich allgemeineres Kriterium siehe daher etwa Franke/Hax (2004), S. 193.
Sofern die beiden Anfangsauszahlungen gleich hoch sind, ist entsprechend ein Vergleich der Einzahlungen des Zeitpunktes 1 oder - allgemeiner - des- jenigen Zeitpunktes t, in dem die beiden Projekte zum ersten Mal zu unter- schiedlichen Zahlungskonsequenzen ftihren, hinreichend. Die h6here Einzah- lung kennzeichnet das bessere Projekt.
29 Vgl. hierzu auch Franke/Hax (2004), S. 193 ft.
147
weils zugeh6rigen kritischen Werten in eine Rangfolge bringen, also beispielswei-
se Platz 1 an das Projekt mit der niedrigsten Break-even-Menge vergeben. Im
Zusammenhang mit der korrekten Vorgehensweise zur Ermittlung der besten von
N Alternativen fiber den Ansatz an kritischen Werten spricht Franke (1978) von
"unmit te lbaren" Parametervergleiehen. Um das sachgerechte Procedere herzu-
leiten, muss man sich nur vergegenw~tigen, dass die Entscheidung zwischen
zwei Projekten durch Betrachtung des kritischen Wertes ihrer Differenzinvesti-
tion getroffen werden kann. Will man also etwa mit Hilfe interner ZinsffiBe eine
Auswahl zwischen N altemativen Investitionsm6glichkeiten treffen, so sind als
Erstes zwei von diesen auszuw~ihlen, und es ist der interne Zinsfug ihrer Diffe-
renzinvestition dem Kapitalmarktzinssatz gegenfiberzustellen. Sofem der Verlauf
der Kapitalwertkurve der Differenzinvestition bekannt ist, kann auf dieser Grund-
lage entschieden werden, welches der beiden Projekte sich als besser erweist.
Dieser "Sieger" wird sodann mit einem der noch verbliebenen N-2 Projekte wie-
der auf der Grundlage ihrer Differenzinvestition verglichen. In dieser Weise ver-
f'~ihrt man weiter, bis keine weiteren Projekte mehr zum Vergleich vorhanden
sind, so dass nach N-1 unmittelbaren Parametervergleichen das kapitalwertmaxi-
mierende der N zur Auswahl stehenden Projekte ermittelt ist.
Beispiel 3.11: Gegeben seien die Almahmen des Beispiels 3.8 mit der Modifikation, dass es ne-
ben den beiden Projekten 1 und 2 noch ein drittes gebe, wobei yon den nunmehr
3 zur Auswahl stehenden Projekten nur ein einziges realisiert werden kann. Die
Zahlungsreihe des Projekts 3 ebenso wie die der beiden bereits bekannten Projek-
te 1 und 2 k6nnen in Tabelle 3. 7 abgelesen werden.
148
2
z(3)
t 0 1
z~ 1) -80 20 105
z~ 2~ -60 50 40
-50 60 20
Tabelle 3.7: Zahlungsreihen dreier alternativ realisierbarer Investitionsprojekte
Als Basiszahlungsreihe wurde der Verzicht auf die Durchftihrung aller drei Pro-
jekte (unter Beibehaltung einer etwaigen sonstigen untemehmerischen T~itigkeit)
gew~ihlt. Die Kapitalwerte ~:(1) = 16,79 GE sowie ~:(2~ = 13,72 GE der Projekte 1
und 2 sind bereits bekannt. Des Weiteren erh~ilt man ftir i = 15 % noch ~:(3)
17,3 GE, so dass Projekt 3 demnach gegentiber Projekt 1 und dieses wiederum
gegentiber Projekt 2 vorzuziehen ist. An dieser Rangfolge 5andert sich auch nichts,
wenn man eine andere Basiszahlungsreihe der Betrachtung zugrunde legt. Bei-
spielsweise k6nnte eine Situation mit der Durchftihrung des Projekts 3 (unter
Beibehaltung einer etwaigen sonstigen unternehmerischen T~itigkeit) als neuer Be-
zugspunkt definiert werden. In diesem Fall ist einem Projekt n = 1, 2, 3 gerade
die Zahlungsreihe der Differenzinvestition n-3 zuzuordnen. Diese Werte k6nnen
der Tabelle 3.8 entnommen werden.
1 t 0
zl 13~ -30 -40 85
zl 23) -10 -10 20
Z~ 3-3)
Tabelle 3.8:
0
2
Zahlungsreihen dreier alternativ realisierbarer Investitionsprojekte
bei modifizierter Basiszahlungsreihe
149
Nattirlich wird dem Projekt 3 nun eine Zahlungsreihe von durchgSaagig 0 GE zuge-
ordnet, da der "Wechsel" von Projekt 3 zu Projekt 3 keinerlei Reichtumskonse-
quenzen ausl6st. Auch sollte klar sein, dass die Kapitalwerte der drei Projekte auf
der Grundlage des neuen Bezugspunktes tiber die gleichen Differenzen wie zuvor
verftigen. Es gilt n~imlich n u n K (1"3) = -0,51, 1~ (2"3) -~ -3,57 sowie N(3-3) = 0 GE, so
dass alle Kapitalwerte lediglich tun etwa 17,3 GE niedriger als zuvor ausfallen
und die Reihenfolge der Projekte nach dem Kapitalwertkriterium unver~indert
bleibt. Mit dem Bezugspunkt "Verzicht auf alle drei Investitionsprojekte" ergibt
�9 (3) = 47,18 %, weshalb die teilweise sich Xkrit~(1) ~ 27,74 %, "krit~(2) ,~ 33,33 % sowie l k r i t
falsche Reihung 1) Projekt 3, 2) Projekt 2 und 3) Projekt 1 resultierte. Bei einem
Bezugspunkt "Realisation des Projekts 3" erhNt man modifizierte interne Zinsfti-
Be, die sich ftir Projekt 1 auf etwa 14,38 % und ftir Projekt 2 auf 0 % belaufen.
Mithin w ~ e Projekt 1 nunmehr gegentiber Projekt 2 als besser einzustufen. Ftir
Projekt 3 ist kurioserweise jeder Kapitalmarktzinssatz i zugleich auch ein intemer
ZinsfuB, da der Kapitalwert von Projekt 3 nun nattirlich stets 0 GE betr~igt. Inso-
fern ist Projekt 3 auf der Grundlage interner ZinsftiBe hier gar nicht sinnvoll mit
den Projekten 1 und 2 vergleichbar. Diese Aussage gilt nattirlich stets ftir Projek-
te, die die Basiszahlungsreihe definieren.
Eine korrekte Auswahlentscheidung auf der Grundlage interner ZinsftiBe sieht nun
derart aus, dass man einen paarweisen Vergleich der drei Investitionsprojekte
mit Hilfe ihrer jeweiligen Differenzinvestition durchftihrt. Far die Differenzinves-
tition 1-2 wurde bereits im Rahmen des Beispiels 3.8 ein interner ZinsfuB ;(1-2) Jtkrit
von etwa 20,26 % > 15 % ermittelt. Da 1-2 eine Normalinvestition darstellt, ist
Projekt 1 damit gegeni.iber Projekt 2 vorzuziehen. Zu beachten ist, dass die H6he
i~l-2) unabh~ngig yon der gewElalten Basiszahlungsreihe ist. Zur Ermittlung v o n Xkrit
des besten Projekts muss nun nur noch die Differenzinvestition 1-3 betrachtet
werden. Man erh~ilt ik~lriat ) = 14,38 % < 15 % und weil 1-3 gem~iB Tabelle 3.8 eben-
falls eine Normalinvestition darstellt, ist Projekt 3 besser als Projekt 1. Zugleich
lieferte der erste paarweise Vergleich die Erkenntnis, dass Projekt 1 gegentiber
Projekt 2 vorzuziehen ist, so dass auch tiber die beiden durchgeffihrten
tmmittelbaren Parametervergleiche eine Komplettreihung der drei Projekte erm6g-
150
licht wird. []
Man erkennt ohne Probleme, dass das korrekte Vorgehen im Rahmen von Para-
metervergleichen wesentlich aufwendiger als die Ermittlung yon N Projektkapital-
werten ist. Oberdies verffigt man mit den N Projektkapitalwerten stets bereits
fiber eine komplette Reihung aller N Projekte, wahrend die Durchffihrung von N
unmittelbaren Parametervergleichen zun~ichst einmal lediglich Aufschluss fiber
das kapitalwertmaximale Investitionsprojekt liefert, schon das zweitbeste Projekt
wird aber hierbei in der Regel (noch) nicht identifizierbar sein. Wollte man eine
komplette Reihung aller Projekte fiber unmittelbare Parametervergleiche errei-
chen, so w~re im Extrem der paarweise Vergleich von allen zur Auswahl stehen-
den N Projekten erforderlich. Die maximal ben6tigte Zahl yon Parameterverglei-
chen bel~iuft sich damit auf die Anzahl der m6glichen Paare bei N verschiedenen
Projekten und somit - g e m ~ den Erkenntnissen der Kombinatorik - auf 0,5-N-
(N-l). Denn jedes der N Projekte kann mit jedem der jeweils N-1 verbleibenden
verglichen werden, wobei aber jede "Paarung" doppelt auftritt (beispielsweise ist
die Paarung "Projekt 1 versus Projekt 2" ~iquivalent zur Gegenfiberstellung "Pro-
jekt 2 versus Projekt 1"). Im Einzelfall kann man auch mit weniger paarweisen
Vergleichen bereits eine komplette Reihung aller Projekte erreichen. Mindestens
n6tig sind aber N-1 Vergleiche. Auf diese geringe Zahl kommt man dann, wenn
sich Projekt 2 gegen Projekt 1 durchsetzt, anschlieBend Projekt 2 aber gegen Pro-
jekt 3 verliert, das wiederum gegenfiber Projekt 4 das Nachsehen hat, wobei die-
ses gegen Projekt 5 verliert ... und sich schlieBlich Projekt N gegenfiber Projekt
N-1 durchsetzt. Eine derartige Situation liegt im Rahmen des vorhergehenden
Beispiels 3.11 vor. Die beiden durchgeffihrten paarweisen Vergleiche lieferten
daher schon die komplette Rangfolge 1) Projekt 3, 2) Projekt 1 und 3) Projekt 2,
so dass man hier also nicht 0,5"3"2 = 3 Vergleiche ben6tigte.
Natfirlich k~ime niemand auf die Idee, freiwillig fiber unmittelbare Pararneterver-
gleiche eine Reihung yon N Investifionsprojekten zu bestimmen. Rangfolgeermitt-
lungen fiber mittelbare Parametervergleiche sind im Gegensatz dazu deutlich
einfacher, wenngleich nicht so teicht wie eine einfache Kapitalwertreihung. Neben
151
ihrer noch recht einfachen Handhabung und des fox manchen Anwender m6gli-
cherweise anschaulicheren Abstellens auf Renditen statt auf Kapitalwerte besitzen
mittelbare Parametervergleiche einen entscheidenden Vorteil, der sicherlich zu
ihrer Verbreitung trotz grunds~itzlicher Unbrauchbarkeit beigetragen hat: Man
kommt im Rahmen ihrer Anwendung mit der Sch~itzung von einem Parameter
weniger als beim Kapitalwertkriterium aus. Reiht man etwa Projekte nach ihren
jeweiligen intemen Zinsffigen, dann ben6tigt man hierzu keine Kenntnis des Ka-
pitalmarktzinssatzes i. Entsprechendes gilt fOx die Reihung von Projekten nach
Break-even-Mengen, -Preisen oder Amortisationsdauem.
Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Datenbeschaffung in der Wirt-
schaftspraxis eines der Hauptprobleme darstellen dttrfte. Daher wird dort jede
M6glichkeit zur Reduktion des Informationsbedarfs grunds~itzlich begrfigt. Die
Durchfiihrung von mittelbaren Parametervergleichen statt der Kapitalwertberech-
nungen stellt nun eine derartige, leider grunds~itzlich unbrauchbare M6glichkeit
dar. In der Tat sollte es den Anwendem doch zu denken geben, dass bei mittel-
baren Parametervergleichen mit Ankntipfung an intemen Zinsf'tigen der zweifels-
frei ftir die untemehmerischen Verm6genskonsequenzen relevante Kapitalmarkt-
zinssatz i tiberhaupt nicht mehr auftaucht.
3.5 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war in erster Linie die Erl~iuterung des Begriffs
kritiseher Werte und der MOglichkeiten, mit ihrer Hilfe Investitionsentschei-
dungen zu treffen. Unter einem kritischen Wert versteht man generell eine solche
Auspr~igung eines die H6he eines Kapitalwertes bestimmenden Parameters, dass
sich ein Kapitalwert yon Null ergibt. Bekannte kritische Werte sind die Break-
even-Menge, der Break-even-Preis, die Amortisationsdauer und der interne Zins-
fug. Im Rahmen von Einzelentseheidungen lassen sich Projekte mit einem nicht-
negativen Kapitalwert auch dadurch identifizieren, dass man zun~ichst ft~r einen
kapitalwertbestimmenden Parameter den zugeh6rigen kritischen Wert ftir das je-
weils zu beurteilende Projekt ermittelt und diesen sodann mit der tatsiiehliehen
152
Parameterausprligung vergleicht. Sofern der generelle Verlauf der Kapital-
wertfunktion in Abh~ingigkeit des jeweiIigen Parameters bekannt ist, kann ~iber
dieses Verfahren auf das Vorzeichen des Projektkapitalwertes f'tir die tats~ichli-
che Parameterauspr~,igung geschlossen werden.
Auch Auswahlentscheidungen zwischen mehreren alternativ durchftihrbaren Pro-
jekten ktinnen auf der Grundlage kritischer Werte sachgerecht durchgeftihrt wer-
den. Dabei ist es allerdings im Allgemeinen nicht korrekt, ftir alle zur Auswahl
stehenden Projekte jeweils den zugehtirigen kritischen Wert eines Parameters zu
ermitteln und anschlieBend direkt hiernach (etwa absteigend nach internen
Zinsftil3en oder aufsteigend nach Break-even-Mengen) die Investitionsprojekte zu
reihen. Man spricht in diesem Zusammenhang von (generell unzul~tssigen) mittel-
baren Parametervergleichen. Vielmehr k6nnen die Investitionsprojekte nu t
paarweise auf der Grundlage der kritischen Werte itu'er Differenzinvestitionen
miteinander verglichen werden. Dieses Vorgehen bezeichnet man als die Dtu'ch-
f'tihrung von (zulassigen) unmittelbaren Parametervergleichen. Generell erweist
sich das korrekte Vorgehen damit als deutlich aufwendiger als eine direkte Rei-
hung der Investitionsprojekte nach ihren jeweiligen Kapitalwerten. Das fehlerhafte
Vorgehen ist zwar insofern weniger kompliziert und ben6tigt sogar nicht einmal
die Kennmis der tats~ichlichen Parameterauspr~igung (also beispielsweise des am
Markt herrschenden Zinssatzes i, wenn nach intemen Zinsftil3en gereiht wird). Lei-
der stimmt die hierbei resultierende Rangfolge in der Regel jedoch allenfalls zu-
f~illig mit der nach dem Kapitalwertkriterium tiberein, so dass mittelbare Parame-
tervergleiche grunds~itzlich abzulehnen sind.
153
Wiederholungsfragen
W3.1
Was versteht man unter der Irrelevanz der Nullpunktwahl bei kapitalwertorien-
tierten Investitionsentscheidungen?
W3.2
Was versteht man unter Parametern im Rahmen von Kapitalwertformeln?
W3.3
Wie ist der kritische Wert eines Parameters definiert?
W3.4
Was versteht man unter Break-even-Mengen und -Preisen, was unter der Amorti-
sationsdauer eines Investitionsprojekts?
W3.5
Definieren Sie die Begriffe "interner Zinsfug" und "Normalinvestition"!
W3.6
Welche Probleme stellen sich bei der Ermittlung intemer Zinsftif3e von Projekt-
zahlungsreihen?
W3.7
Erl~iutern Sie, wie man mit Hilfe interner Zinsftil3e Einzelentscheidungen im
Rahmen der Investitionsprogrammplanung treffen kann!
W3.8
Wie lassen sich mit Hilfe interner Zinsftil3e Auswahlentscheidungen im Rahmen
der Investitionsprogrammplanung treffen?
154
W3.9
Erkl~iren Sie die Begriffe "mittelbarer Parametervergleich" und "unmittelbarer
Parametervergleich" !
W3.10
Geben Sie eine kritische Wtirdigung der beiden m6glichen Varianten von Para-
metervergleichen!
4
155
Nutzungsdauerentscheidungen und optimaler Ersatzzeit- punkt
4.1 Problemstellung
Nachdem in den letzten drei Abschnitten die Grundlagen ftir Investitionsentschei-
dungen auf dem vollkommenen Kapitalmarkt er6rtert worden sind, sollen in den -
folgenden vier Abschnitten dieses Kapitels einige Fortentwieklungen der Basis-
zusammenh~inge pr~isentiert werden. So wurde bislang stets angenommen, dass die
Zahlungsreihe eines Investitionsprojektes eindeutig festliegt. In praktischen An-
wendungen muss dies nattirlich keineswegs der Fall sein. Es ist bereits bekannt,
dass man die Einzahlung z t eines Zeitpunktes t grunds~itzlich zurfickftihren kann
auf die Differenz xt ' (p t -kv, t ) -Kf , r Hierbei bezeichnet x t die Absatzmenge des im
Rahmen des Investitionsprojekts zu fertigenden Produkts im Zeitpunkt t und Pt
den zugeh6rigen Absatzpreis. Kf, t steht ftir die in t anfallenden fixen, das heiBt aus-
bringungsunabh~ingigen, Auszahlungen, wahrend kv, t die variablen, also ausbrin-
gungsabh~ingigen, Auszahlungen pro gefertigter Mengeneinheit in t kennzeichnet.
Sofern der Untemehmer nicht als Mengenanpasser fungiert, kann er aktiv auf den
Preis Pt Einfluss nehmen und diesen zum Gegenstand einer Optimierung ma-
chen. Sehr einfach sind die Zusammenh~inge, wenn der Preis Pt lediglich auf die
Absatzmenge x t einwirkt, nicht aber auf die Absatzmengen sonstiger Zeitpunkte
"c ~ t. 1 Dann n~imlich gilt lediglich x t = xt(Pt ). Herkt~mmlicherweise wird man an-
nehmen, dass x t mit wachsendem Pt fallend verRiuft, also bei ceteris paribus
h6heren Absatzpreisen weniger Mengeneinheiten verkauft werden k6nnen, 2 und
Es werde demnach von Absatzinterdependenzen zwischen den einzelnen Be- trachtungszeitpunkten abstrahiert. Vgl. hierzu etwa Ewert/Wagenhofer (2005), S. 46.
Diese unmittelbar plausible Annahme kann als absolut g~ingig im Rahmen preis- politischer Betrachtungen aufgefasst werden. Vgl. hierzu etwa die Darstellungen in Diller (2000), S. 80 ff., sowie Simon (1992), S. 94 ff.
156
in der Regel die Umkehrfunktion pt(xt) s ta t t xt(Pt ) betrachten. Bei variabler
Absatzmenge ist zu beachten, dass auch die variablen Sttickauszahlungen kv, t eine
Funktion von x t sein k6nnen. Im Weiteren seien die gesamten Auszahlungen mit
Kt(xt ) = xt 'kv, t (xt)+Kf, t bezeichnet. 3 Der gesamte Erl6s aus dem Produkteverkauf
werde durch Et(xt) - x t'pt(xt) beschrieben. Infolge der getroffenen Annahmen sind
die unternehmerischen Erl6se und Auszahlungen eines Zeitpunktes t unabh~ngig
von denen jedes beliebigen anderen Zeitpunktes t' ~e t. Daher und wegen der
Wertaddi t iv i t i i t der Kapitalwertformel k6nnen die optimalen Preise und Absatz-
mengen der einzelnen Zeitpunkte t = 1 . . . . . T unabh~ingig voneinander ermittelt
werden. Jede Steigerung des Einzahlungstiberschusses eines beliebigen Zeitpunktes
t geht narnlich ceteris paribus mit einem h6heren Projektkapitalwert einher. Die
optimale Absatzmenge x t ist folglich so zu w~hlen, dass der Einzahlungs-
tiberschuss z t des Zeitpunktes t (t = 1 . . . . . T) maximal wird. Konkret lautet der
Op t imie rungsansa tz des Untemehmers far jeden Zeitpunkt t dabei wie folgt:
Et(x,) -Kt(xt) + max.! (4.1) x t
Ableiten und Nullsetzen von (4.1) ftihrt zu
Et'(xt) = Kt'(xt)" (4.2)
Der Untemehmer wird demnach jede Absatzmenge x tund damit jeden Preis Pt (t
= 1, ..., T) so festsetzen, dass der Grenzerl6s aus dem Verkauf der letzten Pro-
dukteinheit gerade den Grenzauszahlungen zur Herstellung des betreffenden
Stticks entspricht. 4 Der Verkauf yon weniger Gtitereinheiten ware suboptimal,
weil jede weitere verkaufte Mengeneinheit einen h6heren Erl6s erbr~ichte, als sie
zus~itzliche Auszahlungen verursachte. Der Verkauf von mehr Gtitereinheiten als
Interdependenzen zwischen den Auszah lungen der einzelnen Zeitpunkte be- stehen damit ebenfalls nicht. Vgl. auch hierzu etwa Ewert/Wagenhofer (2005), S. 48.
Vgl. zu dieser marginalanalyt ischen, also an der Betrachtung von "Grenz"- Gr613en orientierten, Ermittlung optimaler unternehmerischer Preissetzung auch etwa Kreps (1990), S. 299 ff., oder Giith (1994), S. 22 ff.
157
fiber (4.2) determiniert w~re ebenfalls ungtinstig, weil die zus~itzlich verkauften
Produkteinheiten h6here Auszahlungen induzierten, als sie an Erl6sen zus~itzlich
verdienten. Uber (4.2) gelangt man demnach schon zu einer ersten einfachen En-
dogenisierung der Zahlungsreihe z~ .. . . . z a- eines Investitionsprojekts.
Beispiel 4.1: Gegeben sei ein Untemehmer, der auf einem vollkommenen Kapitalmarkt mit
einem Kapitalmarktzinssatz yon i = 8 % Zugang zu einem Investitionsprojekt mit
einer Anfangsauszahlung in t = 0 von 50 GE hat. Im Rahmen der zu beurteilen-
den Investition wird ein Produkt gefertigt, dessen Preis Pl sich im Zeitpunkt t =
1 auf pl(x0 = 30-2-x~ bel~iuft, wobei x I die angestrebte Absatzmenge des Zeit-
punktes t = 1 bezeichnet. Die Produktherstellung verursacht in t = 1 zus~itzliche
Auszahlungen in H6he von Kl(x l) = x~+20. Auch in t = 2 sei noch ein Produkte-
absatz m6glich. Der realisierte Preis Pz belaufe sich hierbei in Abh~ingigkeit yon
der erwtinschten Absatzmenge x 2 auf 10-xf '5. Die mal3gebliche Auszahlungsfunk-
tion in t = 2 sei Kz(x:) = xz+4. Weitere Zahlungskonsequenzen sind mit der Pro-
jektdurchftihrung nicht verbunden.
Auf der Grundlage der angegebenen Daten k6nnen zun~ichst die optimalen Preise
und Absatzmengen der Zeitpunkte t = 1 und t = 2 getrennt voneinander ermittelt
werden. Aus diesen wiederum lassen sich sodann die zugeh6rigen Einzahlungs-
tiberschtisse z t aus dem Investitionsprojekt in t = 1 und t = 2 und schliel31ich der
resultierende Projektkapitalwert bestimmen.
Der Unternehmer wird die Absatzmenge x 1 des Zeitpunktes t = 1 derart festlegen,
dass der EinzahlungsiJberschuss p l ( x l ) ' x l - K l ( X 0 = (30-2"x0"x~-x~-20 = 3 0 - x 1-
3 "x~-20 maximiert wird. Ableiten nach x I und Nullsetzen f'dhrt zu
3 0 - 6 - x x = 0
x 1 = 5 M E .
(4.3)
158
Daraus wiederum kann man auf z~ = 30-5-3-52-20 = 55 GE schliegen.
In entsprechender Weise ist x 2 derart zu bestimmen, dass p 2 ( x 2 ) ' x 2 - K 2 ( x 2 ) =
10"X2~ = 10"X2~ maximiert wird. Ableiten nach x 2 und Nullsetzen
ergibt
5.x2~ = 0
x 2 = 25 ME
(4.4)
und damit z 2 = 10-25~ = 21 GE. Der Kapitalwert des Investitionsprojekts
bei optimalen Absatzentscheidungen in t = 1 und t = 2 bemisst sich demnach als
-50+5511 ,08+21 /1 ,082 ~ 18,93 GE > 0. Das Investitionsprojekt sollte mithin rea-
lisiert werden. []
Eine weitere M6glichkeit der Einflussnahme auf die Zahlungsreihe eines Investi-
tionsprojekts besteht aus Untemehmersicht in der Entscheidung fiber die vollst~in-
dige Liquidat ion und damit Veri iugerung des Investitionsprojekts. Im Weiteren
sei auf dieses Entscheidungsproblem naher eingegangen, wahrend die Einzahlun-
gen z t ansonsten im obigen Sinne stets als bereits optimiert angenommen werden.
Dabei kann man zwei verschiedene F~ille unterscheiden. Zum einen kann man sich
die Frage stellen, wann ein bereits implementiertes Projekt abgebrochen und (in
aller Regel) durch ein Nachfolgeprojekt ersetzt werden sollte. Hierbei geht es
augenscheinlich um das Problem des optimalen Ersatzzei tpunktes eines (bereits
vorhandenen) Projekts. Zum anderen kann (und sollte) man sich aber auch schon
vor der Projektdurchffihrung darfiber Gedanken machen, zu welchem Zeitpunkt
das Projekt sinnvollerweise zu liquidieren ist. In diesem Zusammenhang spricht
man von der Wahl der optimalen Nutzungsdauer . Sofern dabei das betrachtete
Investitionsprojekt durch ein Nachfolgeprojekt abgel6st werden soll, geht es um
die Bestimmung des optimalen Ersatzzeitpunktes einer m6glicherweise durchzu-
ftihrenden Investitionsmagnahme. Insofern umfassen Nutzungsdauerentscheidun-
gen als Spezialfall auch die Frage nach dem optimalen Ersatzzeitpunkt yon Inves-
titionsprojekten. Es genfigt daher im Folgenden, wenn nur auf Nutzungsdauerent-
159
scheidungen eingegangen wird.
Im Zusammenhang mit Nutzungsdauerentscheidungen k6nnen verschiedene Fall-
konstellationen unterschieden werden, auf die der Reihe nach in den folgenden
Abschnitten einzugehen ist: 5
1) Es handelt sich um eine einmalige Investitionsentscheidung ohne Anschluss-
projekt (Abschnitt 4.2).
2) Es besteht im Zeitablauf N-mal hintereinander die M6glichkeit zur Durchftih-
rung eines identischen Investitionsprojekts (Abschnitt 4.3).
3) Es besteht im Zeitablauf N-mal hintereinander die M6glichkeit zur Durchf'tth-
rung unterschiedlicher Investitionsprojekte (Abschnitt 4.4).
4) Es besteht im Zeitablauf die M6glichkeit, ein bestimmtes Investitionsprojekt
unendlich oft zu wiederholen (Absehnitt 4.5).
5) Es besteht im Zeitablauf die M6glichkeit, unendlich oft in nicht identische
Projekte zu investieren (Abschnitt 4.6).
Die Ausftihrungen schliegen wie gewohnt mit einer kurzen Zusammenfassung im
Abschnitt 4.7.
4.2 Optimale Nutzungsdauer eines Projekts ohne M6glichkeit zu An-
schlussinvestitionen
Der einfachste Fall ist naturgem~ig dadurch gekennzeichnet, dass lediglich zu
einem Investitionsprojekt mit noch zu bestimmender Nutzungsdauer Zugang be-
Nutzungsdauerentscheidungen werden in zahlreichen anderen Lehrbtichern mit vergleichbarer grundlegender Systematik behandelt. Vgl. etwa Busse v. Colbe/ Lafimann (1990), S. 131 ft., Adam (2000), S. 196 ft., oder auch v. Nitzsch (2004), S. 48 ff., sowie Kruschwitz (2005), S. 193 ft. Bemerkenswert ist tiber- dies die grol3e Zahl von Beitr~igen zu diesem wohlstrukturierten Problem in Zeitschriften zur Hochschulausbildung. Vgl. etwa SchrOder (1986, 1987), Alt- rogge (1992) sowie Kistner/Steven (1992).
160
steht und nach der Beendigung dieses Projekts keine Folgeprojekte verffigbar
sind. Aus dem Abbruch des Projekts in einem Zeitpunkt T ergeben sich dabei
zwei Konsequenzen. Zum einen fallen ab dem Zeitpunkt T+ 1 keine weiteren Zah-
lungen aus dem Projekt mehr an. Zum anderen ist es denkbar, dass aus der Liqui-
dation der vorhandenen Anlagen im Zeitpunkt T zus~itzlich zu den gerade noch
realisierten laufenden Einzahlungen zv ein Liquidationserliis L T erzielt wird. Dem-
nach ergibt sich der Kapitalwert ~c(T) des betrachteten Projekts bei der Entschei-
dung f'ttr eine Laufzeit T als
T Zt LT ~:(T) = ~ - - ~ - - . (4.5)
t=0 (1 +i) t (1 +i) T
Man erh~ilt mithin ffir jede denkbare Nutzungsdauer T eine spezifische Zahlungs-
reihe fiir das Investitionsprojekt und kann stets den zugeh6rigen Kapitalwert
ermitteln. Im Weiteren sei angenommen, dass bei Projektnutzung fiber einen Zeit-
punkt Tma x hinaus nur noch Einzahlungsfiberschfisse und Liquidationserl6se in
H6he von maximal 0 GE realisiert werden k6nnen. 6 Tma x beschreibt demnach in
jedem Fall die maximal in Erwagung zu ziehende Projektnutzungsdauer. Somit
stehen Tmax+l verschiedene Nutzungsdauern 0 . . . . . Tma x zur Auswahl, yon denen
nur eine realisiert werden kann. Es liegt folglich de facto eine Auswahlent-
seheidung zwischen Tmax+ 1 verschiedenen Investitionsprojekten vor. Im Vergleich
zur bisher erfolgten Diskussion yon Auswahlentscheidungen kommt bei Nutzungs-
dauerentscheidungen (ohne M6glichkeit zu Anschlussinvestitionen) tediglich das
Problem hinzu, dass zun~ichst die Zahlungsreihen j e nach m6glicher Nutzungsdau-
Grunds~itzlich kann jedes Investitionsprojekt ad infinitum betrieben werden. Eine maximale teehnische Nutzungsdauer existiert daher nicht. Irgendwann al- lerdings werden Einzahlungen aus dem Produkteverkauf ausbleiben oder aber dutch ausufernde Auszahlungen zur Instandhaltung der Anlagen fiberkompen- siert werden. Hier wird angenommen, dass eine solche Situation sp~itestens ab dem Zeitpunkt Tmax+ 1 vorliegt und daher das betrachtete Investitionsprojekt aus wirtschaftliehen Grtinden sicherlich vorher zu beenden ist.
161
er ermittelt werden mtissen, w~ihrend sie bisher stets gegeben waren. 7
Beispiel 4.2:8
Betrachtet sei ein Investitionsprojekt, das maximal bis zum Zeitpunkt Tma x = 5 mit
positiven Zahlungskonsequenzen verbunden ist. In der Tabelle 4.1 kann man zum
einen die Einzahlungen z t eines Zeitpunktes t ftir den Fall der mindestens bis t
erfolgenden Projektdurchf'tihrung ablesen. Zum anderen werden in der Tabelle 4.1
auch die m6glichen Liquidationserl6se L t bei Projektabbruch im Zeitpunkt t
angegeben. Der Kapitalmarktzinssatz sei i = 10 %, und gesucht ist der optimale
Liquidationszeitpunkt.
1
Lt
2 t 0 3 4 5
z t -1.000 600 400 300 200 60
1.000 600 500 300 100
Tabelle 4.1:
0
M6gliche Einzahlungen z tund Liquidationserl6se L t (t = 0 ..... 5)
aus einem Investitionsprojekt
Die Zahlungsreihe des Investitionsprojekts je nach gewS.hlter Nutzungsdauer T
kann der Tabelle 4.2 entnommen werden. Ftir T = 0, das heiBt "sofortigen" Pro-
jektabbruch ergibt sich eine Nullzahlungsreihe: Das Investitionsprojekt wird uno
actu initiiert und wieder abgebrochen, mithin faktisch tiberhaupt nicht realisiert.
Ftir T = 1 erh~ilt man zum einen in t = 0 eine Auszahlung in H6he von 1.000 GE,
Nattirlich mfissen die Zahlungsreihen auch bei "herk6mmlichen" Auswahlent- scheidungen stets erst einmal ermittelt werden. Insofern liegt hier keine "wirkli- che" Komplizierung der Zusammenhfinge vor. Am Rande sei erwNlnt, dass selbstverst~indlich auch die Ermittlung optimaler Absatzpreise im Rahmen einer Projektdurchffihrung als Auswahlentscheidung verstanden werden kann.
Das folgende Zahlenbeispiel ist an Eisenfiihr (1993), S. 39 f., angelehnt. Ent- sprechendes gilt f'tir Beispiel 4.3.
162
zum anderen ergeben sich Einzahlungen in t = 1 im Umfang von z 1 = 600 GE aus
der laufenden Gesch~fftst~itigkeit sowie im Ausmag L1 = 600 GE aus der
anschliegenden Projektliquidation. Insgesamt fliegen dem Unternehmer f'tir T =
1 in t = 1 demnach 1.200 GE zu. Ffir T = 2 bleiben weiterhin 1.000 GE Auszah-
lung in t - 0 erforderlich. Des Weiteren erh~ilt der Untemehmer Einzahlungen aus
der laufenden Gesch~iftst~itigkeit im Umfang von 600 GE in t = 1 und 400 GE in
t = 2. Schlieglich fahrt der Projektabbruch noch zu Liquidationserl6sen in t = 2
in H6he von 500 GE. In entsprechender Weise ergeben sich die Zahlungsreihen
fttr T = 3, 4, 5.
Y = 0
t = 0 t = l t = 2
0
t = 3
0
t = 4 t = 5
T = 1 -1.000 1.200 0 0 0 0
T = 2 -1.000 600 900 0 0 0
T = 3 -1.000 600 400 600 0 0
T = 4 -1.000 600 400 300 300 0
T = 5 -1.000 600 400 300 200 60
Tabelle 4.2: Zahlungsreihe desInvest i t ionspr~ektsje nach Nutzungsdauer T
(T = 0 .. . . . 5)
Es liegt somit eine Auswahlentscheidung mit 6 verschiedenen, altemativ durch-
f'tthrbaren Investitionsprojekten vor. Zu wg_hlen ist die Nutzungsdauer, die zum
h6chsten Projektkapitalwert ftihrt. Konkret erh~ilt man hier:
T 0
K(T) 0
Tabelle 4.3:
1
90,91
163
2
289,26
3 4
326,82 306,33
5
275,29
Projektkapitalwerte in Abhgngigkeit der Nutzungsdauer T (auf
zwei Stellen genau gerundet)
Ohne weiteres erkennt man, dass der maximale Kapitalwert bei einer Nutzungs-
T* dauer von = 3 erreicht wird. []
Die Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer eines einzelnen Investitionsprojekts
l~isst sich somit zurtickfiihren auf das Problem einer Auswahlentscheidung
zwischen Tmax+l verschiedenen Investitionsaltemativen. In der Tat besteht hier
aber eine Besonderheit des Problems darin, dass sich die Zahlungsreihen der Hand-
lungsalternativen sehr stark ~ihneln, wie man etwa aus Tabelle 4.2 des vorherge-
henden Zahlenbeispiels ersehen kann. Bildet man konkret die Differenzinvestition
zwischen der f'tir Nutzungsdauer T+I und der ffir Nutzungsdauer T resultierenden
Projektzahlungsreihe, dann erh~ilt man z~ (T+I)-T) = 0 fiir t = 0 ... . . T-1 und z:t (x+~-v~
= -L v ftir t = T sowie z(t (r+~-x) = ZT+I+LT+ 1 f'tir t = T+I. 9 Dieses Ergebnis ist auch
recht leicht verstgndlich. Die gedankliche Verl~ingerung der Nutzungsdauer um
eine Periode von T zu T+I hat zur Folge, dass auf den Liquidationserl6s L T des
Zeitpunktes T verzichtet wird, daftir aber zus~itzliche Einzahlungen Zr+~+Lr+ 1 eine
Periode sp~iter erzielt werden. Lohnend ist diese Verl~ingerung der Nutzungsdauer
um eine Periode yon T nach T+I dann, wenn der Kapitalwert dieser Differenzin-
vestition positiv ist. Dann n~imlich erzielt man durch den 0bergang yon der Nut-
Die Schreibweise "(T+I)-T" dient - analog zur Vorgehensweise in den voran- gegangenen Abschnitten - kurz zur Kennzeichnung der aus dem Ubergang von Nutzungsdauer T zu Nutzungsdauer T+I resultierenden Differenzinvestition und kann nattirlich nicht wie eine Summe zu "1" zusammengefasst werden. Entspre- chend handelt es sich im Zusammenhang mit den z t hierbei um eine Indizierung und nicht um einen Exponenten (daher auch die Klammern um den Gesamt- ausdruck "(T+ 1)-T").
164
zungsdauer T zur Nutzungsdauer T+I einen Verm6genszuwachs in der H6he des
Kapitalwertes der Differenzinvestition. Nun gilt:
K((T+I)-T)
L T ZT+I+LT+I ] - - + )} 0 (1+i) T (1 +i) T§ (4.6)
ZT+ 1 +LT+ 1 -LT+ > 0.
(1 +i)
Es ist zur Ermittlung des Vorzeichens von ~:((V+l)-T) demnach gar nicht n6tig, die
beiden von Null verschiedenen Zahlungen der Differenzinvestition bis auf t = 0
zu diskontieren. Es gent~gt eine Diskontierung der Einzahlungen des Zeitpunktes
t = T+I auf den Zeitpunkt t = T, also eine Berechnung des Ausmages der Verm6-
gens~inderung im Falle der Nutzungsdauerverl~ingertmg aus Sicht des Zeitpunktes
t = T. Der hierbei relevante Kapitalwert gem~ig der linken Seite der Ungleichung
aus der letzten Zeile von (4.6) sei im Weiteren mit ~:~:v+l)-v) bezeichnet.
Auf der Grundlage der Differenzinvestitionen zwischen "benachbarten" Projekt-
nutzungsdauern l~isst sich nun leicht auf alternative Weise die optimale Nutzungs-
dauer eines Projekts ermitteln: Zun~ichst bestimmt man ftir alle Nutzungsdauern
T die Differenzinvestitionen (T+I)-T und die zugeh6rigen Kapitalwerte in "einfa-
cher" Diskontierung gem~iB (4.6). Eine Nutztmgsdauer T kann nur optimal sein,
wenn der Kapitalwert der Differenzinvestition (T+I)-T negativ 1~ ist, also der
Obergang yon der Projektnutzungsdauer T zur Nutzungsdauer T+ 1 mit einer Reich-
tumseinbul3e einhergeht. Des Weiteren muss der Kapitalwert der Differenz-
investition T-(T-1) positiv sein, das heil3t, der Obergang yon der Nutzungsdauer
10 Genauer mfisste hier von einem "nichtpositiven" Kapitalwert die Rede sein, weil auch der Fall denkbar ist, dass zwei aufeinanderfolgende Nutzungsdauem T und T+ 1 zugleich optimal sind, der Kapitalwert der relevanten Differenzin- vestition folglich Null ist. Zur Vereinfachung der Formulierungen wird yon die- sere Spezialfall hier jedoch abgesehen.
165
T- 1 hin zu T muss zu einer Verm6gensmehrtmg auf Seiten des Unternehmers f'tih-
ren. Fasst man diese beiden Gedanken zusammen, so kann nur eine solche Nut-
zungsdauer T optimal sein, bei der der Kapitalwert der Differenzinvestitionen vom
Positiven ins Negative umschl~igt. Gibt es nur eine "Kandidatenstelle", an der dies
der Fall ist, ist damit bereits die optimale L6sung gefunden. Sollte es hingegen
mehrere mit einem derartigen Vorzeichenwechsel einhergehende Nutzungsdauern
geben, dann ist f'tir diese in die engere Wahl zu ziehenden Handlungsalternativen
wohl doch noch die Ermittlung der konka'eten Projektkapitalwerte erforderlich.
Immerhin ist aber eine gewisse Vorauswahl unter den m6glichen Nutzungsdauern
gelungen, die zudem wegen der einfachen Zahlungsreihen der betrachteten Diffe-
renzinvestitionen rechentechnisch sehr leicht f~illt. Ferner kann man aus (4.6) sehr
gut die Konsequenzen einer Ceteris-paribus-Erh6hung des Kalkulationszinsfuges
i erkennen. Augenscheinlich werden die relevanten Differenzkapitalwerte im Falle
nichtnegativer laufender Einzahlungstiberschtisse und Liquidationserl0se generell
reduziert, was unter dieser Pr~imisse eine ktirzere Nutzungsdauer des betrachteten
Investitionsprojekts attraktiver werden l~isst.11
Beispiel 4.3: Ausgangspunkt sei erneut das Entscheidungsproblem aus Beispiel 4.2. Die Berech-
nung der Differenzinvestitionen zwischen den Zahlungsreihen des Investitions-
projekts ftir "benachbarte" Nutzungsdauem liefert g e m ~ Tabelle 4.4 die
folgenden Ergebnisse:
11 Nattirlich kann es auch sein, dass eine Erh6hung von i die optimale Projekt- nutzungsdauer unverS_ndert l~isst. In jedem Falle abet kann eine Anhebung yon i bei nichtnegativen Liquidationserl6sen und Einzahlungstiberschiissen nicht mit der Optimalit~it einer l~ngeren Projektnutzungsdauer einhergehen und sinkt die optimale Projektnutzungsdauer ftir hinreichend hohen KalkulationszinsfuB stets auf Null.
0
5-4
Tabelle 4.4:
1
166
2 3 4 t
1-0 -1.000 1.200 0 0 0 0
2-1 0 -600 900 0 0 0
3-2 0 0 -500 600 0 0
4-3 0 0 0 -300 300 0
0 0 0 0 -100 60
5
Zahlungsreihen der Differenzinvestitionen bei Vergleich aufein-
anderfolgender Nutzungsdauerm6glichkeiten T+I und T
Wechselt man etwa yon der Nutzungsdauer T -- 2 zur Nutzungsdauer T = 3, be-
trachtet also die Differenzinvestition 3-2, dann btigt der Unternehmer einerseits
den Liquidationserl6s L 2 = 500 GE in t = 2 ein, gewinnt daftir aber die Einzahlun-
gen z 3 = 300 GE und den Liquidationserl6s L 3 = 300 GE des Zeitpunktes t = 3
neu hinzu.
Die zu den Zahlungsreihen aus Tabelle 4.4 geh6rigen Kapitalwerte }~(T (T+I)-T) =
-LT+(ZT+I+Lv+I)/(I+i) sind in TabeUe 4.5 wiedergegeben.
T 0 1
]~((T+ I)-T)
Tabelle 4.5:
90,91 218,18 45,45 -27,27
4
-45,45
Kapi ta lwer te ~((T+I)-T) der Differenzinvestitionen aufeinanderfol-
gender Nutzungsdauerm6glichkeiten T+ 1 und T (auf zwei Stellen
genau gerundet)
Die Folge der Kapitalwerte ]~(T (T+I)-T) der Differenzinvestitionen weist nur einen
Vorzeichenwechsel vom Positiven ins Negative auf, und zwar ist der Kapitalwert
167
K:~ 4-3) von 4-3 der erste negative. Die optimale Nutzungsdauer ergibt sich damit
auch in dieser Betrachtungsweise als T* = 3. []
4.3 Optimale Nutzungsdauern bei endlicher Wiederholung gleicharti- ger Projekte
Die zu treffende Auswahlentscheidung ist deutlich komplizierter, wenn mehrfach
hintereinander Investitionsm6glichkeiten bestehen. Dabei wird grunds~itzlich ange-
nommen, dass im Zeitpunkt der Liquidation eines Projekts bereits die Anfangsaus-
zahlung ftir das n~ichste Projekt geleistet und dieses damit schon initiiert werden
kann. Diese Annahme stellt sicher, dass es in keinem Zeitpunkt zu positiven Ein-
zahlungen z t von zwei Projekten gleichzeitig kommen kann, andererseits aber stets
ein Projekt mit positiven Einzahlungen z t gerade "aktiv" sein mag. Die zugrun-
deliegende Vorstellung ktinnte hierbei etwa die sein, Fertigungsanlagen ftir ein
und dasselbe Produkt im Zeitablauf immer wieder zu ersetzen: In keinem Zeit-
punkt kann man dann mit einem doppelten Bestand an Fertigungsanlagen sinnvoll
produzieren, wohl aber sollten tiberhaupt irgendwelche Fertigungsanlagen in jedem
Betrachtungszeitpunkt zur Herstellung des betreffenden Produkts verftigbar sein.
Recht gut generell analysierbar ist der Fall, dass alle hintereinander durchftihr-
baren Projekte grunds~itzlich identiseh in dem Sinne sind, dass sie bei gleicher
(vom Unternehmer fixierbarer) Nutzungsdaner auch zu den gleichen Zahlungskon-
sequenzen vom Zeitpunkt ihrer jeweiligen Implementierung an f'tihren. Im ein-
fachsten Fall liegt dabei lediglich die M6glichkeit zweimaliger Investition, das
heii3t die Option einer einmaligen Projektwiederholung, vor. Gesucht ist sodann
die optimale Nutzungsdauer im Rahmen der ersten Projektdurchf'tihrung sowie die
optimale Nutzungsdauer im Rahmen der zweiten. Weil die Entscheidung tiber die
optimale Nutzungsdauer bei der erstmaligen Projektdurchfiihrung sachgerecht nur
getroffen werden kann, wenn man weig, wie lange das Projekt bei der zweiten
Durchftihrung genutzt werden soll, ist es in der Tat zweckmN3ig, das Entschei-
dungsproblem im Wege der "Riiekw~irtsinduktion" von hinten nach vorne aufzu-
168
rollen. ~2 Das bedeutet, dass zun~ichst die optimale Nutzungsdauer im Rahmen der
zweiten Durchftihrung bestimmt wird, um auf dieser Grundlage anschliel3end die
optimale erstmalige Nutzungsdauer zu ermitteln. 13
Die optimale Nutzungsdauer bei zweiter Projektdurchftihrung bereitet keine Pro-
bleme. Da anschliel3end kein weiteres Investitionsprojekt mehr durchgef'tthrt wird
und wegen der Wertadditivitiit und damit Bezugspunktunabhiingigkeit der Ka-
pitalwertfunktion, kann die Entscheidung genau so getroffen werden, als ob nur
einmalig die optimale Nutzungsdauer eines Investitionsprojekts ohne Anschlussin-
vestition ermittelt werden sollte. Es l~isst sich folglich unmittelbar das Vorgehen
aus Abschnitt 4.2 nutzen. Die hierbei resultierende optimale Nutzungsdauer der
zweiten Projektdurchftihrung sei im Weiteren mit T (2~* bezeichnet. Der damit ein-
hergehende, auf den Zeitpunkt T (~ der Beendigung des ersten Projekts und Initi-
iertmg des zweiten bezogene Kapitalwert sei entsprechend als ~:~2~, charakterisiert.
Die in diesem Kontext genaugenommen erforderliche Indexierung mit "T (1~'' sei
aus Vereinfachungsgrtinden weggelassen.
Bei der Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer des ersten Projekts ist nun zu
beachten, dass die Verl~ingemng der Nutzungsdauer von T (~) = T auf T (~) = T+I
nicht nur zu den Zahlungskonsequenzen -L T in T und zv+l+Lv+ ~ in T+I ftihrt, son-
dem dass sich vielmehr auch der Beginn der zweiten Projektdurchftihrung um eine
Periode nach hinten verschiebt. Das bedeutet, dass die f'tir eine Nutzungsdauer von
12 Gerade in investitionstheoretischen Ans~itzen ist hierbei auch oft vom "Roll- back-Verfahren" die Rede. Vgl. etwa Hax (1993), S. 179, Kruschwitz (2005), S. 347.
13 Alternativ k6nnte man einfach im Rahmen vollst[indiger Enumeration ftir alle m6glichen Kombinationen yon Nutzungsdauern des ersten und des zweiten Pro- jekts der zugeh6rige Gesamtkapitalwert bestimmen und auf dieser Grundlage die kapitalwertmaximale Handlungsalternative ausw~hlen. Wenngleich hierbei sehr deutlich wird, dass einmal mehr eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, ist dieses Verfahren jedoch deutlich aufwendiger als eine L6sung im Wege der Rtickwartsinduktion. Die letztgenannte Methodik vermeidet n~imlich die Be- trachtung zahlreicher suboptimaler Handlungsalternativen.
169
T des ersten Projekts in T anfallende Verm6gensmehrung ~:~2)* aus dem zweiten
Projekt nunmehr erst in T+I eintritt. Dies ist ~iquivalent zur Annahme, dass die
Verliingerung der Nutzungsdauer des ersten Projekts insgesamt zu monet~en Kon-
sequenzen -La--~: (2~* in T und zT+I+LT+1+~ (2)* in T+I ftihrt. Wieder lohnt sich die
Verl~ingemng der Nutzungsdauer f'tir das erste Projekt yon T auf T+ 1 genau dalm,
wenn der (auf T bezogene) Kapitalwert -Lr-~Z(2~*+(za-+~+Lv§ ~+K~2)*)/(1 +i) der Diffe-
renzinvestition nichmegativ ist. Wegen -~;(2)*+K(z~*/(1 +i) < 0 ftir K (2)* > 0 wird diese
Bedingung aber eher als bei der zweiten Projektdurchftthrung verletzt sein. In der
Tat werden f'tir gegebene Nutzungsdauer T (2)* bei zweiter Projektdurchftihrung alle
Differenzkapitalwerte des ersten Projekts um ~:(2)*-~:(2~*/(1+i) reduziert, was
tendenziell zur Vorteilhaftigkeit kiirzerer Projektnutzungsdauern f'tihrt, obwohl
die beiden hintereinander durchftihrbaren Projekte grunds~itzlich gleichartig sind.
Mit zunehmender Zahl betrachteter m6glicher Projektwiederholungen verstSrkt
sich dieser Effekt, weil eine ceteris paribus erfolgende Verl~ingerung der Nut-
zungsdauer eines zeitlich weit vome gelegenen Investitionsprojekts sich durch die
sp~itere Durchftihrung sehr vieler nachfolgender Projekte zunehmend nachteilig
auswirkt. Unterstellt man etwa die Mtiglichkeit dreimaliger Projektdurchftihrung,
so ftihrt die Verlgngerung der Nutzungsdauer im Rahmen der ersten Projektimple-
mentierung dazu, dass nun zwei Folgeprojekte jeweils eine Periode sp~iter be-
ginnen und dementsprechend die Reichtumsmehrungen aus zwei Projekten zeitlich
weiter nach hinten verschoben werden. Entsprechendes gilt bei N-maliger Projekt-
durchf'tihrung mit der Konsequenz, dass die optimale Nutzungsdauer des Projekts
zu Anfang am ktirzesten und bei der letzten Projektdurchftihrung am l~ingsten ist.
Man spricht hier auch von einem "Ketteneffekt". 14 Je h6her der angesetzte Kal-
kulationszinsful3 ist, umso gr613er sind dabei ceteris paribus, das heigt f'ttr gegebe-
ne 15 Kapitalwerte der Folgeprojekte, die Reichtumseinbugen aus der zeitlichen
14 Dieses bemerkenswerte Ergebnis geht auf Preinreich (1940), S. 16 f., zuriick. Seine praktische Bedeutung wurde im deutschsprachigen Raum insbesondere yon Buchner (1980, 1982b) sowie Zechner (1981, 1982) diskutiert.
15 Nattirlich sind diese Kapitalwerte in konkreten Entscheidungsproblemen nicht ceteris paribus gegeben, sondem werden typischerweise mit wachsendem i sin- ken. Insofern ist der Gesamteffekt einer Kalkulationszinsful3anhebung im Hin-
170
Verlagerung des Beginns von Folgeprojekten in die entfemtere Zukunft.
Beispiel 4.4: Gegeben sei die Entscheidungssituation aus Beispiel 4.2 mit dem einzigen Unter-
schied, dass nunmehr das besagte Investitionsprojekt zweimal hintereinander
durchgef'tihrt werden k6nne. Die optimale Nutzungsdauer im Rahmen der zweiten
Realisation ist damit gem~ig den Ergebnissen aus Beispiel 4.2 mit T (2~* = 3 bereits
bekannt. Bezogen auf den Zeitpunkt der zweiten Realisation des Projekts und da-
mit zugleich den Zeitpunkt des Abbruchs der ersten Projektdurchftihrung bel~iuft
sich der zugeh6rige Projektkapitalwert auf ~(2)* = 326,82 GE. Aus der Verl~inge-
rung der Nutzungsdauer des ersten Projekts yon T zu T+I ergibt sich damit eine
auf T bezogene Verm6genseinbul3e wegen verz6gerter zweiter Projektdurchftih-
rung von ungef'~_hr 326,82-326,82/1,1 = 29,71 GE. Alle in Tabelle 4.5 ausgewiese-
nen, einfach diskontierten Kapitalwerte der zu betrachtenden Differenzinves-
titionen sind demnach um diesen Betrag zu reduzieren, was aber nichts an der
Optimalit~it einer Nutzungsdauer yon T (1~ = 3 auch bei erstmaliger Projektdurch-
ftihrung Lndert. Augenscheinlich wtirde eine Verktirzung der optimalen Nutzungs-
dauer im Rahmen der ersten Projektdurchftihmng erst bei einer Reduktion aller
Differenzkapitalwerte um mehr als ungef'Llar 45,45 GE eintreten. Im Folgenden
wird gezeigt, dass eine derartig deutliche Reduktion bei dreimaliger DurchfiJhrung
des gleichen Investitionsprojekts in der Tat beobachtet werden kann.
Auch in diesem Fall 16st man das Entscheidungsproblem im Wege der Rtickw~ts-
induktion yon hinten nach vome. Die optimale Nutzungsdauer ftir die dritte
Projektdurchf'dhrung betr~igt in Anbetracht der obigen Ergebnisse wegen fehlender
Anschlussprojekte wieder T (3)* = 3. Bei der zweiten Projektrealisation steht noch
ein Folgeprojekt an. Auch hierftir ist die optimale Nutzungsdauer bereits bekannt.
Sie betr~igt ebenfalls T (2)* = 3. Mit T (1~ = T als die (noch zu bestimmende)
Nutzungsdauer bei erster Projektdurchftihrung werden die Zahlungsreihen aus
blick auf die Nutzungsdauer eines bestimmten Investitionsprojekts im Rahmen der gesamten Projektkette nicht eindeutig determiniert. Vgl. hierzu auch etwa Eisenfiihr (1993), S. 74.
171
zweiter und dritter Projektdurchf'tihrung gem~ig Tabelle 4.6 beschrieben.
T T+I T+2 T+3 T+4 T+5 T+6
z~ 2) -1.000 600 400 600 0 0 0
ZI 3) 0 0 0 -1.000 600 400 600
Tabelle 4.6: Zahlungsreihen aus zweiter und dritter Projektdurchftihrung bei
Optimalverhalten
Im Rahmen der Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer bei erstmaliger Projekt-
durchftihrung ist nun zu beachten, dass jede Periode Nutzungsverl~ingemng sowohl
die zweite als auch die dritte Projektdurchftihrung um eine weitere Periode hinaus-
z6gert. Aus der zweiten Projektdurchftilarung realisiert sich ein auf den Zeitpunkt
T der Leistung der Anfangsauszahlung des zweiten Projekts und damit des
Abbruchs des ersten Projekts bezogener Kapitalwert ~(2)* von etwa 326,82 GE.
Entsprechend bezieht sich der gleich grol3e Kapitalwert rd 3)* der dritten Projekt-
durchftihrung auf den Zeitpunkt T+T (2) = T+3 der Anfangsauszahlung des dritten
und damit des Abbruchs des zweiten Projekts. Die Verl~ingerung der Nutzungs-
dauer des ersten Projekts von T (1) = T auf T (1) = T+I verursacht damit hinsichtlich
der untemehmerischen Verm6genssteigerungen aus dem zweiten und dritten Pro-
jekt die folgenden Konsequenzen gem~ig Tabelle 4. 7:
T+I T+2
-326,82
T
326,82 0
T+3
-326,82
T+4
326,82
Tabelle 4. 7: Verm6genskonsequenzen aus der Verl~ingertmg der Nutzungsdau-
er bei erster Projektdurchftihrung von T auf T+I (auf zwei Stel-
len genau gerundet)
172
Die bereits bekannten Kapitalwerte der Differenzinvestitionen aus Tabelle 4.5 sind
demnach s~imtlich um 326,82-326,82/1,1+326,82/1,13-326,82/1,14 = 52,03 GE nach
unten zu korrigieren. Man erh~ilt damit als neue, nunmehr relevante Diffe-
renzkapitalwerte bei Gegentiberstellung der Nutzungsdauern T (~) = T+I und T (1)
= T:
T
I2T( (T+ 1 )-T)
Tabelle 4.8:
38,88 166,15 -6,58 -79,31 -97,49
Kapitalwerte der Differenzinvestitionen aufeinanderfolgender
Nutzungsdauerm6glichkeiten T+ 1 und T bei erster Projektdurch-
fiihrung (auf zwei Stellen.genau gerundet)
Augenscheinlich ist als optimale Nutzungsdauer ftir die erste Projektdurchftihrung
demnach T (~)* = 2 anzusetzen. []
4.4 Optimale Nutzungsdauern bei endlicher Kette verschiedenartiger
Projekte
Die Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer von Investitionsprojekten erschwert
sich erheblich, wenn im Zeitablauf Zugang zu grtmds~itzlich unterschiedliehen Projekten besteht. Urs~ichlich hierftir sind die schon in einfachen Beispielen recht
zahlreichen tmterschiedlichen Handlungsaltemativen, die sich durch die jeweils zu-
l~issigen Projektabfolgen ergeben.
Beispiel 4.5: Gegeben sei ein Unternehmer, der in t = 0 ein Investitionsprojekt 1 mit maximaler
Nutzungsdauer TI max) = 4 durchfiihren kann. Von t = 1 bis t = 3 besteht Zugang
zu einem weiteren Investitionsprojekt mit maximaler Nutzungsdauer von vier
Perioden, dessen Durchf'tihrung den Abbruch des ersten Projekts erfordert. Ab t
= 2 bis t = 4 schliel31ich kann ein drittes Investitionsprojekt mit maximaler
173
Nutzungsdauer von 2 Perioden initiiert werden, sofern alle vorhergehenden Pro-
jekte bereits liquidiert worden sind. Der betrachtete Untemehmer muss nun abw~i-
gen zwischen den folgenden grunds~itzlichen Verhaltensweisen:
1) Durchf'tthrung entweder nur des Projekts 1 oder nur des Projekts 2 oder des
Projekts 3,
2) Durchf'tihrung nur yon Projekt 1 und Projekt 2,
3) Durchftihrung nur von Projekt 1 trod Projekt 3,
4) Durchf'tihrung nur von Projekt 2 und Projekt 3,
5) Durchftihrung von Projekt 1, 2 und 3.
Insgesamt existieren 7 grundlegende Handlungsalternativen, ftir die zuniichst die
optimale Nutzungsdauer der jeweils betrachteten Projekte im Wege der Rtick-
w~irtsinduktion bestimmt werden k6nnte, wie es weiter oben pr~isentiert wurde, um
anschliel3end auf der Grundlage der j eweils resultierenden Gesamtkapitalwerte zu
einer abschlief3enden Beurteilung zu gelangen. Schon die Herleitung der optimalen
Projektnutzungsdauem im Fall 4) w~ire dabei aufwendiger als die Bestimmung der
L6sung im Rahmen von Beispiel 4.4. []
Gerade weil sich sehr schnell recht komplexe Entscheidungsprobleme ergeben,
d'tirfte in diesem Zusammenhang ein besonderes Bedtirfnis zum Einsatz von Me-
thoden des Operations Research (OR) bestehen, auf die hier allerdings nicht
naher eingegangen werden soll. 16 Stattdessen soll eine zentrale Ursache ftir die
zeitliche Abfolge unterschiedlicher Investitionsprojekte etwas n~iher tmtersucht
werden, n~imlich der technische Fortschritt] 7
Technischer Fortschritt wird sich typischerweise dadurch bemerkbar machen,
dass die erforderliche Anfangsauszahlung ftir ein Folgeprojekt im Zeitablauf sinkt
16 Vgl. hierzu beispielsweise Buchner (1970) oder Drexl (1990).
~7 Vgl. zur Beriicksichtigung technischen Fortschritts im Rahmen der Investitions- rechnung etwa auch Nippel (1995) sowie Betge (2000), S. 148 ft.
174
und/oder die nachfolgenden Einzahlungstiberschfisse wegen gr613erer Effektivit~it
in der Produktfertigung oder auch wegen verbesserter Absatzm6glichkeiten infolge
verbesserter Produktqualit~it steigen. Nattirlich mag es sein, dass allgemeiner
technischer Fortschritt fiber die dadurch erm6glichten PreissenkungsspieMiume zu
sinkenden Absatzpreisen f'tilart. Von derartigen Sekund~irwirkungen sei im Weite-
ren abgesehen und vielmehr schlicht angenommen, dass die Realisation eines neu-
en Projekts zu einem beliebigen Zeitpunkt t bei einer (konstanten) Anfangsaus-
z a h l u n g A t = A 0 zu anschliegenden Rtickflfissen zt+l, zt+ 2 .... ffihrt, die das qt-fache
der Einzahlungen z~, z 2 .... bei Projektrealisation im Zeitpunkt t = 0 betragen. Der
Faktor q _> 1 kann in diesem Zusammenhang als Maggr613e ftir den technischen
Fortschritt aufgefasst werden.
Fraglich ist allerdings, wie sich technischer Fortschritt auf die aus einer Li-
quidation des Investitionsprojektes realisierbaren Erl6se Lt+l, Lt+ 2 . . . . auswirkt. TM
Unterstellt man etwa, dass sich diese bei Investition in t analog zu den z,+, zt+ 2,
... auf das qt-fache der Werte ftir L~, L 2 .. . . belaufen, dann ergibt sich zumindest
ffir das letzte Projekt in der Investitionskette eine vom Ausmag q des technischen
Fortschritts unabh~ingige optimale Nutzungsdauer. Die Ursache hierftir ist darin
zu sehen, dass die Vorzeichen der Kapitalwerte ~9 w((t+T+l)'(t+T))"t+T = -Lt+T+(Zt+T+l+
Lt+v+0/(l+i) = qt'[-LT+(ZT+l+La.+0/(l+i)] der relevanten Differenzinvestitionen bei
Projektbeginn in t und ceteris paribus erfolgender Nutzungsdauerverl~ingerung yon
T h i n zu T+I unabh~ingig vom Ausmal3 des technischen Fortschritts wegen q >
1 stets denen bei Projektbeginn in t = 0 entsprechen.
~8 Die Annahme L t = - A t soil aus Plausibilit~itsgriJnden hier nicht zur Diskussion stehen.
19 Der Kapitalwert l"((t+T+l)'(t+T))"t+V bezeichnet hierbei den auf den Zeitpunkt t+T bezogenen unternehmerischen Verm6genszuwachs im Falle der Verl~ingerung der Nutztmgsdauer des betrachteten Investitionsprojektes von T auf T+ 1 Perio- den.
175
Nimmt man hingegen an, dass die Liquidationserl6se Lt+l, Lt+ 2 .... in Analogie zum
Verh~iltnis zwischen A tund A 0 sich nicht von den entsprechenden Werten L,, L2,
... bei Projektdurchf'tthrung im Zeitpunkt t = 0 unterscheiden, gelangt man zu
N((t+T+I)-(t+T)) -Lt+T+(Zt+T+I+Lt+T+1)/(I+i ) = -LT+(qt'zT+I+LT+0/(I+i), wodurch eine t+T ~-
verl~ngerte Nutzung des letzten Projekts in der Kette wegen qt _> 1 ceteris paribus
zunehmend attraktiver wird. Insofern kann der technische Fortschritt zu verl~in-
ger ten Nutzungsdauem yon Projekten ftihren, wenn sich die positiven Konsequen-
zen aus dem technischen Fortschritt in erster Linie auf h6here positive Einzah-
lungen aus der laufenden Gesch~iftst~itigkeit beziehen. Im Weiteren soll dieses
plausibler 2~ erscheinende der beiden behandelten Szenarien der Betrachtung zu-
grunde gelegt werden.
Die Konsequenzen technischen Fortschritts f'tir Projekte, an die sich noch Folge-
projekte anschlieBen, sind differenzierter zu beurteilen. Neben dem gerade be-
schriebenen positiven Effekt aus zunehmendem technischen Fortschritt ffir das ak-
tuelle Projekt selbst sind auch die Konsequenzen des technischen Fortschritts ffir
die Attraktivit~it kfinft iger Projekte zu berficksichtigen. 2' Insbesondere macht der
technische Fortschritt das Hinausz6gern des Beginns neuer Projekte zum einen
attraktiver, weil diese dann tiber gthnstigere Zahlungsreihen z t verftigen. Zum
anderen spricht aber fur eine Verkfirzung der Nutzungsdauer weit vorne gelegener
Projekte im Fall starken technischen Fortschritts, dass die Kapitalwerte der
Folgeprojekte und damit auch die EinbuBen aus ihrem versp~itetem Beginn mit
wachsender Intensit~it des technischen Fortschritts zunehmen, so dass nicht ohne
weiteres klar ist, wie sich technischer Fortschritt auf die optimale Nutzungsdauer
von Projekten auswirkt, denen sich noch Folgeprojekte anschliegen. Hier hilft nur
eine formale Analyse, um die Gesamtzusammenh~inge zu erhellen.
20 NattMich sind zahlreiche weitere Modellvarianten denkbar. Beispielsweise k6nnte man mit einiger Berechtigung den Liquidationserl6s eines Zeitpunktes vom gesamten technischen Fortschritt bis zu diesem Zeitpunkt abh~ingig ma- chen. Auf derartige Komplikationen wird im Weiteren verzichtet.
2, Pr~ignant formuliert, kann man demnach zwischen den Auswirkungen akmellen und zukttnftigen technischen Fortschritts unterscheiden.
176
Zu diesem Zweck sei die zweimalige Durchffihrung eines Investitionsprojekts un-
ter Beriicksichtigung der mone t~en Konsequenzen aus technischem Fortschritt be-
trachtet. Mit tiT (2)* sei der auf den Zeitpunkt T bezogene Ertragswert 22 aus der
Durchf'dhrung des zweiten Projekts bei dessen Initiierung in T und optimaler Nut-
zungsdauer T (2)* bezeichnet. Der auf T bezogene gesamte Kapitalwert des zweiten
Projekts bel~iuft sich wegen der Annahme A T = A 0 entsprechend auf TI(TZ)*-A0 .
Damit bewirkt eine Verl~ingerung der Nutzungsdauer bei erstmaliger Projektdurch-
ftihrung von T ~ = T auf T (1) = T+I bei zun~ichst angenommener Konstanz der
Nutzungsdauer T (2)* der zweiten Projektdurchfiihrung, dass auf den Zeitpunkt T
bezogen wegen A T = A 0 und ZT+ t = qV'z t (t = 1, 2 . . . . . T (2)*) eine Kapital-
werteinbul3e von qT q]0(z)*_A0 eintritt, wohingegen auf den Zeitpunkt T+I bezogen
ein zus~itzlicher Kapitalwert qT+~ q]0(z)*_A0 realisiert wird. Die monet~iren Konse-
quenzen aus der zeitlichen Verschiebung der zweiten Projektdurchffihrung um eine
Periode nach hinten betragen auf T bezogen demnach
qT+'. rl(O2)*-Ao _q T. 1](02) * +Ao+
l+i
= q V.rl~o2>.( q -ll+Ao.(1- 1~1. ~l+i ) ~, l+ i )
(4.7)
Ftir hinreichend stark ausgepr~igten technischen Fortschritt ergibt sich hier ein po-
sitiver Effekt aus der Nutzungsdauerverl~ingemng des ersten Projekts, obgleich der
technische Fortschritt lediglich die Zahlungskonsequenzen aus der zweiten
Projektdurchfiihrung beeinflusst. 23 Dies gilt nattirlich erst recht, wenn man eine
mOgliche Anpassung der Nutzungsdauer bei zweiter Projektdurchffihnmg als Kon-
22 Vgl. zum Ertragswertbegriff auch die Ausfiihrungen im Abschnitt 2 dieses Ka- pitels sowie im Abschnitt 4 des Kapitels IV.
23 Das heigt, wir betrachten hier in der Tat isoliert die Konsequenzen kfinft igen technischen Fortschritts, da aufgrund der getroffenen Annahmen aktuel ler tech- nischer Fortschritt bei der ersten Investition keine RoUe spielt.
177
sequenz aus der ver15_ngerten Nutzungsdauer des ersten Projekts explizit berfick-
sichtigt. Entsprechendes gilt des Weiteren bei der Betrachtung einer Kette von N
Investitionsprojekten. In der Tat kommt es hier (unter anderem) zu einer Abw~i-
gung zwischen dem negativen Zinseffekt versp~iteter Durchf'tihnmg weiterer Pro-
jekte und dem positiven Wachstumseffekt aus technischem Fortschritt.
In diesem Zusammenhang ergeben sich auch bemerkenswerte Implikationen ffir
den Fall, dass der Beginn eines Folgeprojekts fiber die technisch maximale Nut-
zungsdauer des ersten Projekts, das heiBt, bis in Bereiche, in denen ftir das alte
Projekt z t = L t = 0 gilt, hinaus verl~ingert werden kann. Bei hinreichend starkem
technischem Fortschritt kann es sich in der Tat als lohnend erweisen, zwischen
dem Ende des alten Projekts und dem Beginn des neuen Projekts zus~itzlich Zeit
verstreichen zu lassen. 24 Konkret wS_re es bei einem positiven Vorzeichen der
Differenz aus (4.7) am besten, mit dem zweiten Projekt so lange wie m6glich zu
warren. Technischer Fortschritt kann denmach auch und gerade unter Beachtung
von Folgeprojekten ohne weiteres nutzungsdauerverl i ingernd und insofern (neu-)
investitionshemmend wirken, wenn er allzu stark ausgepr~igt ist 25. Bestfinde
schon die M6glichkeit, die erste Investition zeitlich nach hinten zu verlagern, so
w~ire auch dies zu beobachten.
Die gerade beschriebenen Konsequenzen dfirften auch praktisch bedeutsam sein.
In der privaten Sph~ire etwa f'tihrt der schnelle Fortschritt im Bereich der Compu-
tertechnologien sicherlich zu gewissen Kaufzurfickhaltungen auf Seiten der
potentiellen Kunden, einfach weil die jeweils neu beschafften Ger~ite tiberaus
schnell veralten.
24 Ftir q = 1, also ohne technischen Fortschritt, kgme ein derartiges Verhalten nie in Betracht.
25 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allerdings, wie sich der technische Fortschritt konkret in der Zahlungsreihe manifestiert. Vgl. ftir einen alternativen Ansatz, in dem technischer Fortschritt stets nutzungsdauerverkfirzend ist, Swoboda (1996), S. 106 ft.
178
Beispiel 4.6: Gegeben sei das Beispiel 4.4 bei zweimaliger Investitionsm6glichkeit mit dem
einzigen Unterschied, dass eine Durchf'tihrung des zweiten Projekts in einem Zeit-
punkt T (~) = T infolge technischen Fortschritts zu Zahlungskonsequenzen zr+ 1 =
qT-zl, zT+ 2 = qT.z 2 .. . . fiJhrt. Es gelte hierbei q = 1,3. Sp~itestens im Zeitpunkt Tma x
= 5 mtisse vom alten zum neuen Projekt gewechselt werden.
Die Ermittlung der optimalen Nutzungsdauem bei erster und zweiter Projektdurch-
fiJhrung erweist sich hier als deutlich schwieriger als im Beispiel 4.4. Denn die
Nutzungsdauer bei erster Projektdurchftihrung bestimmt die Zahlungsreihe bei der
zweiten Projektdurchftihrung, die aber ihrerseits von Bedeumng f'tir die optimale
Nutzungsdauer im Rahmen der erstmaligen Projektrealisation ist. Aus diesem
Grunde ist ftir Nutzungsdauern T = 0 ..... 5 der ersten Projektrealisation zun~ichst
die optimale Nutzungsdauer des zweiten Projekts zu bestimmen. Am einfachsten
geschieht dies, indem man 5_hnlich wie im Beispiel 4.1 die jeweilige Zah-
lungsreihe ftir das zweite Projekt f'tir gegebene Nutzungsdauer des ersten Projekts
in Abh~ingigkeit der Nutzungsdauer des zweiten Projekts aufstellt. Beispielsweise
erhNt man f'tir eine Nutzungsdauer T (1~ = 3 im Rahmen der ersten Projekt-
durchftihrung wegen q3 = 2,197 m6gliche Zahlungsreihen ftir das zweite Projekt
gem~il3 Tabelle 4.9.
Zur Zahlungsreihe ftir T (2~ = 3 etwa gelangt man dabei, indem man unter Beibe-
halmng der Anfangsauszahlung yon 1.000 GE die Werte der Spalten "t = 1" trod
"t = 2" der korrespondierenden Zeile aus Tabelle 4.2 mit 2,197 multipliziert. Es
gilt also z 4 = 2,197-600 = 1.318,2 GE sowie z 5 = 2,197"400 = 878,8 GE. Bei der
Bestimmung von z 6 hingegen ist 2,197.300+300 = 959,1 GE zu rechnen, weil der
LiquidationserltJs in t = 6 annahmegem~if3 nicht vom technischen Fortschritt
abh~ingt. In entsprechender Weise lassen sich alle tibrigen Werte der Tabelle 4.9
tiberprtifen.
t = 3 t = 4
179
t = 5 t = 6 t = 7 t = 8
T (2) = 0 0 0 0 0 0 0
T(2)= 1 -1.000 1.918,2 0 0 0 0
T (2) = 2 -1.000 1.318,2 1.378,8 0 0 0
Y (2) = 3 -1.000 1.318,2 878,8 959,1 0 0
T (2) = 4 -1.000 1.318,2 878,8 659,1 539,4 0
T (2) = 5
Tabelle 4.9:
-1.000 1.318,2 878,8 659,1 439,4 131,82
Zahlungsreihe des Investitionsprojekts 2 je nach Nutzungsdauer
T = 0 .. . . . 5 (bei dreiperiodiger Laufzeit von Projekt 1)
Die zugehtirigen Kapitalwerte ftir das zweite Projekt belaufen sich mit Bezug auf
den Zeitpunkt t = 3 der Projektrealisation auf:
T 0
~(T)
Tabelle 4.1 O:
1
743,82
2
1.337,87
3
1.645,23
4 5
1.788,25 1.801,8
Kapitalwerte ftir Projekt 2 in Abh~ingigkeit der Nutzungsdauer
(auf zwei Stellen genau gerundet; dreiperiodige Laufzeit yon
Proj ekt 1)
Aus Tabelle 4.10 ergibt sich damit, dass bei dreiperiodiger Laufzeit des ersten
Projekts T a~* = 5 als optimale Laufzeit im Rahmen der zweiten Projektdurch-
fiJhrung resultiert. Auf entsprechende Weise kann man zeigen, dass T (2)* = 3 ftir
nullperiodige Laufzeit des ersten Projekts gilt, T (2~* = 4 f'tir ein- und zweiperiodige
sowie T (2)* = 5 ftir vier- und ffinfperiodige. Die damit verbleibenden sechs
Nutzungsdauerkombinationen k6nnen wiederum nach ihren jeweiligen Kapitalwer-
ten beurteilt werden. Die Ergebnisse dieses Vergleichs sind in Tabelle 4.11 zu-
180
sammengefasst.
~')(T r ](2)* A T(1)-" *0 ~'~(T"~)+(q~;-Ao)/~,l T~
0 0 326,82 326,82
1 90,91 677,74 707,04
2 289,26 1.160,57 1.248,41
3 326,82 1.801,8 1.680,54
4 306,33 2.642,34 2.111,09
5 275,29 3.735,05
Tabelle 4.11:
2.594,46
Kapitalwerte von Projekt 1 in t = 0 und Projekt 2 (bei optimaler
Laufzeit) in t = T (1~ in Abh~ingigkeit der Laufzeit T (1) des Pro-
jekts 1 (auf zwei Stellen genau gerandet)
Gem~iB Tabelle 4.11 sollte der Unternehmer demnach beide Male eine ftinfperiodi-
ge Nutzungsdauer der Investitionsprojekte w~ihlen. Sofern Projekt 1 auch mehr als
fiinf Perioden (mit Nullzahlungsreihen) "genutzt" oder sp~iter als in t = 0 initiiert
werden kOnnte, wtirden sich hier aufgrund des sehr stark angenommenen
technischen Fortschritts beide Magnahmen aus unternehmerischer Sicht als opti-
mal erweisen. Sehr gut erkennt man hier die m6gliche investitionshemmende Wirkung technischen Fortschritts. []
4.5 Optimale Nutzungsdauern bei unendlicher Wiederholung identi-
scher Projekte
Bislang wurde grunds~itzlich von einem endlichen Betrachtungszeitraum ausge-
gangen. Im Zusammenhang mit bestimmten Unternehmenstypen wie Aktiengesell-
schaften wird jedoch in der Regel die Annahme eines unbegrenzten Zeithori-
zontes angemessener sein, da hier kein geplantes Ende der unternehmerischen
181
T~itigkeit vorgesehen und eine erzwungene Beendigung der Untemehmenst~itigkeit
im Gefolge einer Insolvenz wegen der angenommenen Sicherheit aller ktinftigen
Zahlungskonsequenzen zumindest im hier betrachteten Kontext nicht denkbar ist.
Selbst bei Abstellen auf die Betrachtung eines Einzelunternehmers kann die An-
nahme eines unbegrenzten Zeithorizontes sachgerecht sein, wenn man etwa die
M6glichkeit der (ffir den Erblasser nutzenstiftenden) Vererbung eines Unterneh-
mens in den Kalktil miteinbezieht. Insofern ist es schon von grunds~itzlichem In-
teresse, eine derartige Situation nNaer zu untersuchen.
Die Bestimmung optimaler Projektnutzungsdauern bei M6glichkeit unendlich h~iu-
tiger Projektwiederholung kann nun allerdings nicht mehr im Wege der Rfick-
wiirtsinduktion erfolgen, da es kein wohldefiniertes Ende der Projektkette gibt.
Daf'ttr kann unmittelbar darauf geschlossen werden, dass alle Projekte fiber diesel-
be optimale Nutzungsdauer verftigen. In jedem Fall n~imlich gibt es ffir ein belie-
biges Projekt aus der gesamten Kette stets unendlich viele Folgeprojekte. Daraus
l~isst sich sofort folgern, dass die optimale Nutzungsdauer eines Projekts, dessen
Kapitalwert ffir wenigstens ein T fiberhaupt gr613er als Null ist, auch bei unendlich
h~iufiger Wiederholung nicht gegen Null gehen kann. Durch eine einheitliche
Nutzungsdauer T = 0 k6nnte n~imlich kein Verm6genszuwachs erzielt werden,
w~ihrend es annahmegem~ig aber wenigstens eine einheitliche Projektnutzungsdau-
er T > 0 gibt, f'tir die eine Verm6gensmehrung erreichbar ist.
Die Ermittlung derjenigen einheitlichen Nutzungsdauer aller Projekte, die den
Gesamtkapitalwert maximiert, kann auf verschiedene Arten erfolgen. Am einfach-
sten dfirfte eine Argumentation auf der Grundlage iiquivalenter Annuitiiten sein.
Je nach gew~ihlter einheitlicher Nutzungsdauer T verffigen die einzelnen Projekte
tiber jeweils denselben Kapitalwert ~:(T). Zur Maximierung des Gesamtkapital-
wertes gelangt man nun aber nicht dadurch, dass man einfach die Nutzungsdauer
T wghlt, die zum h6chsten Kapitalwert eines Einzelprojekts ffihrt. Zu beachten ist
n~mlich auch, wie viele Perioden erforderlich sind, um den betreffenden Pro-
jektkapitalwert zu "generieren". Eine kttrzere Nutzungsdauer mag selbst bei gerin-
182
gerem damit verbundenen Kapitalwert von Vorteil sein, weil dadurch schneller zu
einem Folgeprojekt gewechselt werden kann. Mit T § als Zeitpunkt der Implemen-
tierung eines Projekts erweist es sich aus diesem Grunde als zweckm~igig, zum
Projektkapitalwert Kv+(T) bei Nutzungsdauer T diejenige gleichbleibende Ein-
zahlung von T++I bis T++T zu bestimmen, die mit Bezug auf T + zum gleichen
Kapitalwert KT+(T) wie die Zahlungsreihe des betrachteten Projekts ftihrt. Dies ist
definitionsgem~ig die zur Projektzahlungsreihe geh6rige ~iquivalente Annuit~it. Weil
man sich auf die Betrachtung einer einheitlichen Nutzungsdauer ftir alle Projekte
beschrgnken kann und demnach ftir alle Projekte bei gegebener einheitlicher
Nutzungsdauer T zur gleichen ~iquivalenten Annuit~it gelangt, bestimmt man auf
diese Weise letzten Endes zu jedem T einen gleichbleibenden Zahlungsstrom z(T)
ab t = 1,26 der fiber den gleichen Kapitalwert wie die gesamte unendliche Investi-
tionskette verffigt. Natfirlich ist diejenige Nutzungsdauer T ffir alle Projekte zu
w~ihlen, durch die die h6chste Einzahlung z(T) erreicht wird.
Der zur Investitionskette geh6rige Gesamtkapitalwert stimmt mit dem Kapitalwert
der Zahlungsreihe z(T) fiberein. Bei Einzahlungen z(T) von t = 1 bis t = Tges
erh~ilt man hierffir einen Kapitalwert von
-- zCr) .RBF( i ;Tgos )
-- z (T)- ( l+ i )T~-I
(1 +i) T~" i
1 1
= z(T)" 0 +i~T~ i
(4.8)
26 Hier erkennt man letztlich, warum der Projektkapitalwert ~T+(T) auf die Zeit- punkte T++I bis T++T und nicht auf T § bis T++T "umgelegt" wird. Im letztge- nannten Fall n~imlich g~ibe es Oberschneidungen zwischen den berechneten Zahlungsreihen von Projekten an den Zeitpunkten, wo das eine Projekt aufh6rt und ein anderes anf~ingt. Man erhielte somit nieht einen ~iquivalenten konstan- ten Zahlungsstrom fiber alle Betrachtungszeitpunkte hinweg.
183
Beim Obergang vonder zweiten zur dritten Zeile in (4.8) wurde der Bruch mit
(1 +i) Tge~ gektirzt.
Mit wachsendem Tges wird der Ausdruck 1/(1 +i) Tges immer kleiner und konvergiert
ftir Tges ----) oo letzten Endes gegen Null, so dass man ftir den hier interessierenden
Fall unendlicher Projektwiederholung (Tges ~ oo) einen Rentenbarwertfaktor von
1/i und damit einen Gesamtkapitalwert von z(T)/i erh~ilt.
Beispiel 4.7: Betrachtet sei das in den vorhergehenden Beispielen 4.2 bis 4.4 zugrunde gelegte
Investitionsprojekt, das nun abet unendlich oft wiederholt werden k6nne. In der
Tabelle 4.12 sind die aus einmaliger Projektdurchf'tihrung in AbhSngigkeit der un-
terstellten Projektnutzungsdauer T resultierenden Projektkapitalwerte ~c(T), die zu
einer Projektlaufzeit yon T jeweils geh6renden Rentenbarwertfaktoren RBF(i;T)
sowie die sich somit ergebenden ~iquivalenten Annuit~iten z(T) abgetragen. Die Pro-
jektkapitalwerte sind schon aus Tabelle 4.3 bekannt. Die Formel fiir die Be-
rechnung von Rentenbarwertfaktoren lautet bekanntermagen [( 1 +i) T- 1 ]/[( 1 +i) T-i].
Die Werte ftir z(T) ergeben sich schlieBlich durch die Rechnung ~:(T)/RBF(i;T).
T ~(T) RBF(0,1;T) z(T)
0 0 0 0
1 90,91 0,9091 100
2 289,26 1,7355 166,67
3 326,82 2,4869 131,42
4 306,33 3,1699 96,64
5
Tabelle 4.12:
275,29 3,7908 72,62
Projektkapitalwerte, Rentenbarwertfaktoren und ~iquivalente An-
nuit~iten fiir verschiedene Nutzungsdauern (gerundet)
184
Die h6chste ~iquivalente Annuit~it und damit die optimale Nutzungsdauer wird far
T = 2 erreicht. Der Unternehmer stellt sich hierbei genau so gut wie bei Zugang
zu einer ewigen Rente, das heiBt zeitlich unbegrenzten, gleichbleibenden Einzah-
lungen, ab t = 1 in H6he yon etwa 166,67 GE. Der zur Investitionskette geh6rige
Gesamtkapitalwert bel~iuft sich bei optimaler Nutzungsdauer far alle Projekte auf
etwa 166,67/0,1 = 1.666,7 GE. []
4.6 Optimale Nutzungsdauern bei unendlicher Kette verschiedenarti-
ger Projekte
Im Gegensatz zu einer Situation mit unendlicher Wiederholung identischer Pro-
jekte ist das Entscheidungsproblem bei einer unendlichen Kette untersehiedlieher Projekte selbstverst~indlich deutlich erschwert und sind allgemeine Aussagen kaum
m6glich. In diesem Zusammenhang mag man sich fragen, wie derartige Entschei-
dungssituationen mit einer Abfolge unendlich vieler nicht gleichartiger Projekte
tiberhaupt aussehen. Ein Beispiel etwa l~ige ftir den Fall vor, dass man das im
vorhergehenden Abschnitt er6rterte Szenario mit technischem Fortschritt auf eine
Situation mit der M6glichkeit unendlich h~iufiger Initiierung von Investitions-
projekten erweiterte, wobei jedes weitere Hinausschieben des Startzeitpunkts einer
Investition zu einem Anwachsen der resultierenden Einzahltmgstiberschtisse im
Anschluss an die Anfangsauszahlung mit Faktor q _> 1 f'tihre.
Im Vergleich zur Darstellung far den Fall einer unendlichen Kette identischer Pro-
jekte werden die optimalen Nutzungsdauern einzelner verschiedenartiger Projekte
im Zeitablauf generell nicht konstant sein, da bereits die Qualitiit der Folge-
projekte trotz jeweils unendlichen verbleibenden Zeithorizontes unterschiedlich ist.
Insofern kann man die Untersuchung hierbei generell nicht ohne weiteres auf eine
Optimierung tiber ewige Renten zurtickftihren. Aus diesem Grunde soll auf eine
allgemeine Analyse dieses letzten Falls verzichtet werden. Festgehalten sei
lediglich, dass sich die bereits bei endlicher Projektwiederholung auftretende in-
vestitionshemmende Wirkung des technischen Fortschritts nat'tirlich auch bei un-
endlicher Projektwiederholung manifestieren kann.
185
Vergleichsweise einfach zu behandeln sind im Wesentlichen allenfalls noch Situa-
tionen, in denen zwar grunds~itzlich unterschiedliche Projekte im Zeitablauf hinter-
einander folgen, sp~itestens ab einem bestimmten Zeitpunkt T § jedoch aus Grtinden
der KomplexitStsreduktion dann doch eine unendliche Kette identischer Projekte
betrachtet wird. Mithin l~ige hier zwar insgesamt eine unendliche Kette von Pro-
jekten vor, die nicht alle identisch sind, aber die Anzahl der verschiedenen Pro-
jekttypen w ~ e trotzdem endlich. In einer derartigen speziellen Situation w ~ e als
Erstes die optimale (einheitliche) Projektnutzungsdauer im Rahmen der unendli-
chen Kette identischer Projekte zu bestimmen. Mit Hilfe des hierbei resultierenden
Kapitalwertes der gesamten Kette k6nnten sodann wieder im Wege der Rtick-
w~irtsinduktion die entsprechenden optimalen Nutzungsdauern der von den Glie-
dern der unendlichen Kette verschiedenartigen, zeitlich vorgelagerten Projekte
bestimmt werden. Selbst derartige Entscheidungsprobleme k6nnen sich als augeror-
dentlich komplex erweisen, da es sich hierbei generell um eine Erweiterung des
bereits im vorhergehenden Abschnitts 4.4 behandelten Falls der endlichen Abfolge
verschiedenartiger Projekte handelt. Aus diesem Grunde soll nur ein sehr einfa-
ches Beispiel zur Veranschaulichung gegeben werden.
Beispiel 4.8: Gegeben sei das Investitionsprojekt aus Beispiel 4.2, dem eine unendliche Kette
identischer Investitionsprojekte nachfolge, bei der sich die optimale Nutzungsdauer
eines jeden Projekts auf 5 Perioden belaufe und einen Projektkapitalwert yon
jeweils 600 GE, bezogen auf den Zeitpunkt der jeweiligen Projektdurchftihmng,
generiere. Die zu einem Kapitalwert yon 600 GE geh6rige ~iquivalente Annuit~it
ftir 5 Perioden und einen Zinssatz i = 10 % betr~igt 600/RBF(0,1 ;5) -- 600/3,7908
-- 158,28 GE. Mit T (~ sei der Zeitpunkt des Abbruchs des ersten Projekts tend des
Beginns des zweiten bezeichnet. Damit erh~ilt man einen auf T (I~ bezogenen Ka-
pitalwert der gesamten Kette yon etwa 158,28/0,1 = 1.582,8 GE. Die Aufschie-
bung des Beginns der Kette durch Nutzungsdauerverl~ingerung ftir das erste Pro-
jekt yon T (1~ = T auf T (1~ = T+I ftihrt mit Bezug auf T folglich zu einer Verm6-
genseinbul3e yon ca. 1.582,8-1.582,8/1,1 = 143,89 GE. Um diesen Wert sind alle
Differenzkapitalwerte aus Tabelle 4.5 zu reduzieren, so dass sich als Kandidaten
186
ftir die optimale Nutzungsdauer des ersten Projekts T (~) = 0 und T (1~ = 2 ergeben.
Denn nur beim Wechsel von ein- zu zweiperiodiger Nutzung ergibt sich eine posi-
tive Kapitalwertver~inderung, weswegen neben T (1) = 2 auch der vollst~indige Ver-
zicht auf Realisation des ersten Projekts grunds~itzlich als Alternative in Erw~igung
zu ziehen ist.
Der f'tir T (1~ = 0 resultierende Gesamtkapitalwert ist ungef~ar 1.582,8 GE, wS_hrend
eine Nutzungsdauer von T = 2 ftir das erste Projekt zu einem Gesamtkapitalwert
von etwa 289,26+1.582,8/1,12 = 1597,36 GE > 1.582,8 GE ftihrt. Also betr~igt die
optimale Nutzungsdauer ftir das erste Projekt T m* = 2. In der Tat war die
Vorteilhaftigkeit von T (1) = 2 gegentiber T ~) = 0 in Anbetracht der Herleitungen
aus Beispiel 4.7 des vorhergehenden Abschnitts 4.5 von vornherein klar. Dort
ftihrte die h6here ~iquivalente Annuit~it yon etwa 166,67 GE zu einer Nutzungs-
dauerverktirzung ftir die erste Projektdurchftihrung auf ebenfalls T (~) = 2, so dass
im Rahmen dieses Beispiels 4.7 keine ktirzere optimale Nutzungsdauer von 0 re-
sultieren konnte. Generell aber sind F~ille denkbar, in denen bei einer Abfolge
nicht identischer Projekte trotz eines f'tir bestimmte Nutzungsdauem positiven Pro-
jektkapitalwertes ftir ein Projekt eine Nutzungsdauer von 0 gewahlt wird. []
4.7 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war eine vertiefte Analyse der Frage nach den Be-
stimmungsgrtinden der einem Investitionsprojekt zuzuordnenden Zahlungsreihe.
Neben einer kurzen Diskussion einer Optimierung von Projektzahlungsreihen tiber
entsprechende Preissetzungsentscheidungen in den einzelnen Zeitpunkten wurde
anschlief3end schwerpunktm~igig auf die Ermittlung der opt imalen Nutzungs-
daue r yon Investitionsprojekten eingegangen. Schon wenn nur ein Projekt
betrachtet wird, liegt mit der Bestimmung seiner optimalen Nutzungsdauer eine
spezifische Form einer Auswahlentscheidung vor. Wegen der starken .~hnlichkeit
der zur Auswahl stehenden Investitionsaltemativen kann die Entscheidung in vie-
len Fallen recht leicht tiber die Bildung von Differenzinvestit ionen "zeitlich be-
nachbarter" Alternativen und die Berechnung der zugeh6rigen Kapitalwerte getrof-
187
fen werden. Sofern mehrere Investitionsprojekte im Zeitablauf hintereinander
durchgef'tihrt werden ktinnen, ist bei endlieher Projektanzahl eine L6sung im We-
ge der Riickwiirtsinduktion m6glich. Man bestimmt demnach zun~ichst die opti-
male Nutzungsdauer des zuletzt durchzuf'tthrenden Projekts, anschliel3end die des
vorletzten und so fort, bis man bei der ersten Projektdurchftihrung angelangt ist.
Dieses Vorgehen ist vor allem deswegen geboten, weil die Verl~ingerung der Nut-
zungsdauer eines beliebigen Investitionsprojekts den Beginn aller nachgelagerten
Projekte und die hieraus resultierenden Verm6genssteigerungen nach hinten
verschiebt. Diese negative Konsequenz verl~ingerter Projektnutzung ist bei der
Ermittlung optimaler Nutzungsdauern zu berticksichtigen und ftihrt tendenziell zu
verkiirzten Nutzungsdauern zeitlich vorgelagerter Projekte, und zwar selbst dann,
wenn eine Kette grunds~itzlich identischer Projekte betrachtet wird.
Die Errnittlung der optimalen Nutzungsdauem einer Abfolge nicht identischer
Projekte kann sich im Einzelfall als sehr schwierig erweisen und Methoden des
Operations Research erfordern. Deswegen erfolgte in diesem Zusammenhang
hier nur die Analyse eines sehr einfachen Beispiels zur Untersuchung der Konse-
quenzen teehnischen Fortschritts bei der Bestimmung optimaler Nutzungsdauern
von Projekten im Zeitablauf. Es zeigte sich, dass ftir die hier gew~hlte Modellie-
rung bei sehr ausgepr~igtem technischen Fortschritt ein nutzungsdauerverliin-
gernder und insofern (neu-) investitionshemmender Effekt zu beobachten war.
Schliei31ich wurde noch auf Situationen mit unendlichem Zeithorizont eingegan-
gen, da diese Pr~imisse auch aus praktischen {)berlegungen heraus vergleichsweise
bedeutsam anmutet, wenn man beriicksichtigt, dass die T~itigkeit von Unternehmen
in vielen F~illen a priori ohne zeitliche Begrenzung angelegt ist. Generelle Aus-
sagen liegen sich allerdings nur unter der Annahme einer unendlichen Kette
grundsiitzlich identischer Projekte herleiten. Hierbei ergab sich, dass man wegen
des Fehlens eines wohldefinierten Endes des Betrachtungszeitraums zwar das Pro-
blem nicht mehr im Wege der Rtickw~irtsinduktion 16sen kann, daftir aber alle
Projekte tiber die gleiche optimale Nutzungsdauer verftigen, da es stets unendlich
viele Folgeprojekte gibt. Aus diesem Grunde liel3 sich das Problem der Nutzungs-
188
dauerbestimmung auf einen Vergleich ewiger Renten in H6he der ~iquivalenten
Annuit~iten zu den jeweils einheitlich angenommenen Nutzungsdauern aller Pro-
jekte der Kette zu~ckftihren.
189
Wiederholungsfragen
W4.1
Nennen Sie denkbare M6glichkeiten der unternehmerischen Einflussnahme auf die
Zahlungsreihe eines Investitionsprojekts!
W4.2
Welche verschiedenen Fallkonstellationen im Zusammenhang mit Nutzungsdauer-
entscheidungen k6nnen unterschieden werden? Geben Sie jeweils eine Kurzcha-
rakterisiemng!
W4.3
Weshalb stellt die Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer eines Investitionspro-
jekts ohne die M6glichkeit einer Anschlussinvestition eine typische Auswahlent-
scheidung dar?
W4.4
Erkl~en Sie die Vorgehensweise zur Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer
eines Investitionsprojekts ohne die M6glichkeit einer Anschlussinvestition mit
Hilfe der Konzeption der Differenzinvestitionen zwischen "benachbarten" Projekt-
nutzungsdauern!
W4.5
Skizzieren Sie die generelle Vorgehensweise zur Bestimmung optimaler Nutzungs-
dauem bei zweimaliger Wiederholung des gleichen Projekts!
W4.6
Was versteht man unter dem "Ketteneffekt" im Zusammenhang mit der Ermittlung
optimaler Nutzungsdauern bei endlicher Wiederholung gleichartiger Investitions-
projekte?
190
W4.7
Wie wirkt sich technischer Fortschritt im Zeitablauf auf die Zahlungsreihe von
Investitionsprojekten aus?
W4.8
Inwiefern erweist sich die Bestimmung optimaler Nutzungsdauern im Rahmen
einer Abfolge verschiedenartiger Projekte als besonders schwierig?
W4.9
Erkl~en Sie intuitiv die m6gliche nutzungsdauerverl~ingemde und (neu-) investi-
tionshemmende Wirkung technischen Fortschritts!
W4.10
Wie ermittelt man die einheitliche optimale Projekmutzungsdauer bei unendlicher
Wiederholung gleichartiger Investitionsprojekte?
191
5 Kapitalwert bei nicht-flacher Zinsstruktur
5.1 Problemste l lung
Bislang wurde im Rahmen dieses Buches stets davon ausgegangen, dass der for
Mittelanlage und -aufnahme einheitliche Ein-Perioden-Zinssatz i fiber den gesam-
ten Betrachtungszeitraum t = 0 . . . . . T konstant ist. Zweifellos handelt es sich
hierbei tun keine allzu realistische Annahme, die fiberdies auch nicht aus der
Voraussetzung eines vollkommenen Kapitalmarktes gefolgert werden kann. Die
Vollkommenheit des Kapitalmarktes impliziert lediglich, dass der ffir einen be-
stimmten Zeitraum von t-1 bis t maggebliche Ein-Perioden-Zinssatz i t sowohl f'tir
Mittelanlage wie auch ftir Verschuldung gilt. Keineswegs aber muss die weiterge-
hende Einschr~inkung i t = i = konst, ffir alle t = 1 ..... T Bestand haben. Auch ffir
die Gtiltigkeit der Fisher-Separation ist es bereits hinreichend, wenn sich die
Soll- und Habenzinss~itze einer beliebigen Periode jeweils entsprechen, insofern
also jeweils eine Schar von Kapitalmarktgeraden mit konstanter Steignng von
-(l+it) bei zeitlicher Verteilung von Konsumm6glichkeiten zwischen zwei beliebi-
gen Zeitpunkten t-1 und t, also in einem (Ct_l;C,)-Diagramm, vorliegt. 1 Eine Kon-
stanz der i t tiber alle Perioden wird jedoch nicht bentitigt.
Die Ein-Perioden-Zinssiitze i t lassen sich dabei in zweierlei Hinsicht interpre-
tieren. Zum einen kann man diese Zinss~itze als Terminzinss~itze auffassen. Ein
Etwas genauer ausgedrtickt, bedingt die Konstanz aller Ein-Perioden-Zins- siitze it, dass man im Rahmen einer Darstellung mit T+I verschiedenen Ach- sen, auf denen die unternehmerischen Konsumwerte C O .. . . . C T der einzelnen Zeitpunkte abgetragen werden, T-dimensionale "Hyperebenen" zur Beschrei- bung der durch Finanzinvestitionen ffir den Unternehmer errei_chbaren Kon- sumpositionen bei einer beliebigen Anfangsausstattung (C O ..... CT) erh~ilt. Von all diesen Kapitalmarktebenen ist natiJrlich die am weitesten augen liegende fiir den betreffenden Unternehmer verrn6gens- und pr~iferenzunabh~ingig am besten, und der resultierende C0-Achsenabschnitt einer Kapitalmarktebene cha- rakterisiert nach wie vor den konstanten Kapi ta lwer t aller auf der jeweiligen Ebene erreichbaren Konsumpositionen.
192
Termingesch~ift ist generell durch das zeitliche Auseinanderfallen von Verpflich-
tungs- und Verftigungsgesch~ift gekennzeichnet. 2 Im hier betrachteten Kontext
bedeutet dies, dass der Unternehmer etwa in t = 0 vereinbart (Verpflichtungs-
geschiift), seinem Vertragsparmer in einem spgteren Zeitpunkt t = z einen be-
stimmten Betrag K ftir eine Periode bis t = "c+l zu tiberlassen (Verfiigungsge-
schiift), wobei bereits heute in t = 0 der f'tir diese ktinftige einperiodige Mit-
teltiberlassung mal3gebliche Zinssatz eindeutig fixiert wird. Dieser Zinssatz ist ein
Terminzinssatz, weil er sich auf die Abwicklung eines (Zins-) Termingesch~ifts
bezieht, und wtirde im Rahmen der hier verwendeten Symbolik mit ix+ 1 be-
zeiclmet.
Neben Termingeschaften gibt es noch Kassageschiifte, bei denen Verpflichtungs-
und Verftigungsgesch~ift zeitlich (so gut wie 3) zusammenfallen. Ftir den hier be-
trachteten Unternehmer k6nnte dies etwa bedeuten, anstatt in t = 0 ein Termin-
gesch~ift per Termin t = "c abzuschliegen, bis zum Zeitpunkt t = "t ohne weitere
Handlungen zu warten und zum dann herrschenden Kassazinssatz eine einperio-
dige Mittelanlage vorzunehmen. Aus der in diesem Lehrbuch getroffenen Annah-
me der Sicherheit folgt sofort, dass sich auch der hierbei mal3gebliche Kassazins-
satz des Zeitpunktes x ftir Anlage bis "c+l auf i~+ 1 belaufen muss, also mit dem
entsprechenden Terminzinssatz identisch ist. Ware dies anders, g~ibe es die M6g-
lichkeit zu sicherer Gewinnerzielung auf dem Kapitalmarkt, Arbitragefreiheit l~ige
mithin nicht vor, und der Kapitalmarkt k6nnte nicht im Gleichgewicht sein.
Konkret wtirde sich bei einem unter dem zugeh6rigen Kassazinssatz liegenden
Terminzinssatz jeder Marktteilnehmer in t = 0 per Termin ftir den Zeitraum von
t = "c bis t = z+l verschulden, um die in t = x zufliegenden Mittel in diesem
Zeitpunkt schliel31ich zum h6heren Kassazinssatz ftir eine Periode anzulegen.
Vgl. hierzu beispielsweise Eller/Spirutler (1994), S. 312, oder auch Kruschwitz (2004), S. 58 f.
Praktisch k6nnen wenige Tage zwischen Verpflichtungs- und Verftigungsge- sch~ift liegen. Vgl. hierzu Dichtl/Issing (1993), S. 1110.
193
Weil die hieraus resultierenden Rackfl~isse die zu bedienende Verbindlichkeit
inclusive Zinsen iiberstiegen, k6nnte man auf diese Weise beliebig hohe sichere
Gewinne in t = "c+l erreichen. Nattirlich wfirde jeder Marktteilnehmer diese Gele-
genheit wahrnehmen wollen: Es g~ibe daher zum Terminzinssatz fox die Periode
von t = "c bis t = "c+l in t = 0 kein Mittelangebot, aber eine unendlich groBe Mito
telnachfrage, w~ihrend zum zugeh6rigen Kassazinssatz des Zeitpunktes t = z nur
Mittel angeboten wiirden, aber nicht nachgefragt. Aufgrund v611ig analoger Ober-
legungen kann der Terminzinssatz auch nicht gr613er als der entsprechende Kas-
sazinssatz sein.
Beispiel 5.1:
Betrachtet sei ein Drei-Zeitpunkte-Modell (t = 0, 1, 2). Der in t = 0 ftir den
Zeitraum yon t = 1 bis t = 2 maBgebliche Terminzinssatz belaufe sich auf 5 %,
w~lrend der in t = 1 f'tir Anlage/Verschuldung his t = 2 eintretende Kassazinssatz
nur 4 % betrage. Jeder Marktteilnehmer wird dann in t = 0 bereits per Termin t
= 1 Mittel in m6glichst hohem Umfang bis t = 2 zu 5 % anlegen und den in t =
1 daraus resultierenden Mittelbedarf durch einperiodige Verschuldung im Rahmen
eines Kassagesch~ifts yon t = 1 bis t -- 2 zu 4 % decken. Bei 100 GE, die auf die-
se Weise yon t = 1 bis t = 2 zu 4 % aufgenommen und zu 5 % angelegt werden,
resultiert letztlich ein positiver 0berschuss von 1 GE in t = 2 ohne eigene Mittel-
eins~itze in t = 0 oder t = 1. Durch entsprechende Erh6hung des simultan f'tir
Verschuldung und Anlage vorgesehenen Geldbetrags kann jeder Marktteilnehmer
seinen sicheren Oberschuss ftir t = 2 beliebig grol3 werden lassen. Damit einher
geht eine unbegrenzte Nachfrage nach Krediten zu 4 % und Mittelanlage zu 5 %
v o n t = 1 b i s t = 2 . []
In der Literatur ist seit langem bekannt, wie im Falle nicht-konstanter Ein-
Perioden-Zinss~itze die Formel zur Berechnung des Kapitalwertes einer Zah-
lungsreihe lautet. Zur Herleitung muss man sich nut fragen, welchen Kreditbetrag
K man in t = 0 aufnehmen kann, wenn man in t = "c genau 1 GE zurtickzuzahlen
bereit ist. Die Schulden des Zeitpunktes t = 1 belaufen sich bei Mittelaufnahme
yon t = 0 bis t = 1 in H0he yon K zu einem Zinssatz i 1 auf K-(l+il). Da (ftir "c
194
> 1) in t = 1 noch keine Rtickzahlungen erfolgen sollen, besteht Bedarf an einer
Anschlussfinanzierung bis t = 2 zu einem Zinssatz i 2 ftir den Gesamtbetrag K-
(1+il), was bis t = 2 zu welter aufgelaufenen Verbindlichkeiten in H6he von
K-(l+i0-(l+i2) f'tihrt, die (im Falle von "c > 2) wiedemm ftir eine weitere Perio-
de, dieses Mal zu i 3, zu refinanzieren sind. Augenscheinlich ergeben sich tiber
diese revolvierende einperiodige Verschuldung bis t = "c insgesamt Verbindlich-
keiten von K.(l+ia)-... "(l+i 0. Da die Verbindlichkeiten insgesamt 1 GE betragen
sollen, kann man ftir t = 0 auf einen aufzunehmenden Kreditbetrag K von 1/
[(l+i~)-....(l+i0] schliegen. Genau dies ist der Kapi ta lwer t yon 1 GE Einzah-
lung in t = x aus Sicht von t = 0. Denn um diesen Betrag ftihrt eine Einzahlung
von 1 GE in t = "c f'tir t = 0 zur M6glichkeit der Konsumausweitung ftir das be-
trachtete Wirtschaftssubjekt. 4 Die Verbindung zum Kapitalwert bei Konstanz al-
ler Ein-Perioden-Zinss~itze ist unmittelbar ersichtlich. Sofern i t = i ftir alle t = 1,
.... x gilt, vereinfacht sich das Produkt (l+il)-...-(l+i 0 n~imlich zu (l+i) ~.
Generell betr~igt der Kapitalwert ftir eine Einzahlung z~ in einem beliebigen Zeit-
punkt t = "c nattMich z~/[(l+il)-...-(l+i0]. Der m6gliche Mehrkonsum aus einer
gesamten Zahlungsreihe z 0 . . . . . z T kann nun in gleicher Weise dadurch ermittelt
werden, dass man sich ftir jede einzelne Einzahlung z~ fragt, welcher maximale
Kredit K~ im Rahmen kurzfristig revolvierender Verschuldung von t = 0 bis t =
"c hieraus finanziert werden kann, und anschliel3end die Summe fiber all diese
Einzelkredite bildet. Der Kapitalwert einer Zahlungsreihe z 0 ..... z v ist damit nach
wie vor nichts anderes als die Summe der Einzelkapitalwerte der Zahlungen z t,
Man k6nnte mutmagen, dass dieses Ergebnis doch nicht eindeutig sei, denn es wurde eine kurzfristig revolvierende Finanzierung unterstellt. Vielleicht ist der aus 1 GE in t = x ftir t = 0 finanzierbare Konsum bei mehrperiodiger Mittel- aufnahme noch h6her. In der Tat ist genau dies aber nicht der Fall, da Finanz- investitionen auf vollkommenem Kapitalmarkt kapitalwertneutral sind, unab- h~ingig davon, ob die Ein-Perioden-Zinss~itze konstant oder nicht konstant sind. W ~ e es anders, erg~iben sich emeut M6glichkeiten zur Erzielung unbe- grenzter Gewinne, indem man zinsgtinstig Mittel aufnghme und hochverzins- lich anl~ige. Hierauf wird noch zurtickzukommen sein.
195
Wertadditivit~it trotz mangelnder Konstanz der Ein-Perioden-Zinss~itze demnach
weiterhin gegeben. Aus diesem Grunde gelangt man letztlich zu der folgenden
Formel f'tir den Kapitalwert eines Investitionsprojekts mit Zahlungskonsequenzen
Z 0, . . . , ZT :5
Z 1 z 2 ---- 4 + . - t
~: Zo+ l+ia ( l+i l) ' ( l+i 2)
T = ~ t Zt
t -0 H (1+ i ) "r
Z T
(1 +i 0 �9 (1 +i2)..... (1 +iT)
(5.1)
Formel (5.1) hat den Nachteil, dass sie sich auf ktinftige Kassa- bzw. aktuelle
Terminzinss~itze bezieht. Sofern diese nicht unmittelbar gegeben sind, stellt sich
nattirlich die Frage, wie sie auf der Grundlage anderer Daten wohl berechnet wer-
den k6nnen. Konkret wird es in aller Regel einfacher sein, in praxi die ftir
verschiedene Laufzeiten t = "c zu einem bestimmten Betrachtungszeitpunkt t = 0
am Kapitalmarkt f'tir Mittelanlage und -verschuldung mit periodischer Zinszah-
lung jeweils herrschenden Ein-Per ioden-Verz insungen r~ zu ermitteln.
Beispiel 5.2: Es sei angenommen, dass man bei einer Mittelanlage von t = 0 bis t = 4 eine
periodische Verzinsung r 4 des angelegten Betrags yon 7 % erzielt. Dies bedeutet,
dass bei e inem Anlagebetrag von 100 GE jeweils 0,07.100 = 7 GE Zinsen in t
= 1 bis t = 4 sowie in t = 4 zus[itzlich eine Rtickzahlung der angelegten 100 GE
geleistet werden. Bei weiterhin gegebener Annahme eines vol lkommenen Kapi-
talmarktes gelten diese Zusammerth~inge in entsprechender Weise bei Verschul-
Es sei darauf hingewiesen, dass das Produkt H~ (.) definitionsgem~iB den Wert 1 amlimmt. Ein zu (5.1) analoger Zusammenhang gilt nattirlich auch, wenn Verzinsungen ftir Zeitr~iume von weniger als einer Periode gegeben sind. Stets steht im Nenner der Kapitalwertformel das Produkt der entspre- chenden Verzinsungsmage.
196
dung von t = 0 bis t = 4. Der Zinssatz r 3 fiir Mittelanlage/-aufnahme von t = 0
bis t = 3 kann sich aber ohne weiteres auf einen anderen Wert, etwa 6,5 %,
belaufen. Dies impliziert, dass ein Anlagebetrag von 100 GE Zinsen in H6he von
0,065-100 = 6,5 GE in den Zeitpunkten t = 1 bis t -- 3 erbringt, wobei zus~itzlich
in t -- 3 der gesamte Betrag von 100 GE zuriickgezahlt wird. Fiir eine zweiperio-
dige Anlage von t = 0 bis t = 2 belaufe sich der maggebliche Ein-Perioden-Zins-
satz r 2 auf 6 % und r~ f'tir einperiodige Anlage yon t = 0 bis t = 1 auf 4 %. Diese
Angaben sind nochmals in Tabelle 5.1 zusammengefasst.
Laufzeit t 1
Zinssatz r t 4 %
2 3
6 % 6 , 5 %
4
7 %
Tabelle 5.1: Periodenzinss~itze in Abh~ingigkeit vom Anlage-/Verschuldungs-
zeitraum []
Sofem lediglich die Zinss~itze r t bekannt sind, ist nicht ohne weiteres klar, wie
sich der Kapitalwert einer Zahlungsreihe z 0 . . . . . z T berechnet und, damit zusam-
menh~ingend, welche Ein-Perioden-Zinss~itze i t ( t - - 1 ..... T) auf dem betrachteten
Kapitalmarkt herrschen. Auf diese beiden Fragen ist im Weiteren vertieft einzuge-
hen. Vor allem von Rolfes wurde zu diesen Fragen in Deutschland eine umfang-
reiche Diskussion in Gang gesetzt, in deren Verlauf eine Reihe yon Zusammen-
h~ingen neu rekapimliert wurde und auch Eingang in Lehrbuchdarstellungen
fand. 6 Trotz allgemeiner Bekanntheit der generellen Zusammenh~inge haben sich
die Ausffihrungen zum Fall nicht-konstanter Ein-Perioden-Zinss~tze in den meis-
ten Lehrbfichem n~imlich vor Beginn der genannten Diskussion auf die bloge
Wiedergabe von (5.1) ohne tiefergehende Erl~iuterungen beschr~inkt. 7 Stattdessen
wurde fast ausschliel31ich mit der Annahme i t = i = konst. (V t) gearbeitet. Die
Vgl. insbesondere Kruschwitz (2005), S. 96 ft., sowie Schiifer (2005), S. 187 ft.
7 Beispielhaft sei auf die Darstellung in Hax (1993), S. 14, verwiesen.
197
folgende Darstellung baut deswegen auf den Ausftkhrungen von Rolfes (1992,
1993) 8 und seinen Kritikern auf . 9 Zun~ichst wird dabei im Absehnitt 5.2 dar-
gelegt, wie Rolfes bei alleiniger Bekanntheit der Zinss~itze I', (t = 1 . . . . . T) Ka-
pitalwerte tiber ein "retrogrades" Bereehnungssehema zu ermitteln sucht.
Unter einem Zero Bond versteht man eine Anlage- oder Verschuldungsform, die
nur in einem einzigen Zeitpunkt t > 0 Zahlungskonsequenzen mit sich bringt. Da
man jeden Zahlungsstrom als ein Bfindel von Zero Bonds verschiedener Fristig-
keit auffassen kann, bietet es sich an, den Kapitalwert yon Investitionsprojekten
fiber die Summe der Kapitalwerte der der Projektzahlungsreihe entsprechenden
Zero Bonds zu bestimmen. Dieser Gedanke wird im Absehnitt 5.3 pr~isentiert.
Zugleich werden dort auch die Grenzen der Anwendbarkeit der retrograden Be-
rechnungsmethode von Rolfes aufgezeigt, und es wird ein einfacheres und allge-
meineres Verfahren zur Ermittlung des Kapitalwerts von Investitionsprojekten
fiber die Formulierung und L6sung eines Systems linearer Gleiehungen pr~isen-
tiert. Im Absehnitt 5.4 wird aus der Kapitalmarktbewertung yon Zero Bonds auf
deren zugeh6rige Effektivrenditen v t (t = 1 ..... T) geschlossen und der Begriff
der Zinss t ruktur eingeffihrt. Absehnitt 5.5 dient der genaueren Analyse der Zu-
sammenh~inge zwischen den Zinss~tzen it, r t und v t auf einem vollkommenen Ka-
pitalmarkt im Gleichgewicht, und im Absehnitt 5.6 werden alle erhaltenen Resul-
tate zusammengefasst.
Mittlerweile liegt das Lehrbuch von Rolfes aus dem Jahre 1992 in dritter Auf- lage vor.
Es ist in diesem Lehrbuch nicht n6tig, im Einzelnen auf die Streitpunkte im Rahmen der geffihrten Diskussion einzugehen, zumal die Qualit~it der Beitr~ige als fiberaus heterogen einzustufen ist. Als sehr lesenswert k6nnen allerdings die Ausftthrungen von Kruschwitz/R6hrs (1994) und Hartmann-Wendels/ Gumm-Heufien (1994) bezeichnet werden. Die Daten aus Beispiel 5.2 und die hierauf aufbauenden, nachfolgenden Beispiele sind entsprechend der erst- genannten Quelle entlehnt.
198
5.2 Die retrograde Berechnungsmethode nach Rolfes
Im Weiteren sei angenommen, dass fOx alle Laufzeiten t = 1 ..... T die zugeh6ri-
gen Ein-Perioden-Verzinsungen r t einer entsprechenden t-periodigen Anlage/
Verschuldung bekannt sind. Damit kann man sich nun als Erstes ffir die letzte
Zahlungskomponente z T eines Investitionsprojekts fragen, wie hoch ein in t = 0
aufzunehmender Kredit K T mit Laufzeit bis t = T sein kann, wenn im Zeitpunkt
t = T d e r Zahlungseingang aus dem Investitionsprojekt ausreichen soll, um den
Kreditbetrag inclusive der dann f~illigen Zinsen zurtickzuzahlen. Augenscheinlich
gilt KT/(I+rT). Dabei ist nun aber zu beachten, dass auch in den Zeitpunkten t =
1 . . . . . T-1 Zinszahlungen im Umfang KT-r r anfallen. Das heigt, im Zeitpunkt t =
T-1 etwa verbleiben aus dem Investitionsprojekt unter Beachtung der gerade
genannten Zinszahlungen noch Uberschfisse von ZT_I-KT'r r. Wiederum kann aus
diesem Restbetrag eine Kreditaufnahme in t = 0, dieses Mal mit FNligkeit in t =
T-1, finanziert werden. Damit in t = T-1 Zahlungsf~ahigkeit gerade noch gew~.r-
leistet ist, darf der Kreditbetrag Kw. 1 nicht gr6ger als (ZT.1-KT'rT)/(I+rT_I) gew~ihlt
werden. In t = T-2 verffigt der Unternehmer unter Beachmng der Zinszahlungen
aus dem T- und (T-1)-periodigen Kredit noch fiber liquide Mittel von ZT_2-KT'r T-
KT_ 1 "rT. 1, aus denen ein dritter Kredit KT.2 im Zeitpunkt t = 0 aufgenommen wer-
den kann. Insgesamt kann man demnach zu jeder Einzahlung z t einen Kreditbe-
trag im Umfang K t mit gleicher Laufzeit unter Berficksichtigung der zwischen-
zeitlichen Zinszahlungen aufnehmen. Die Summe K~+...+K r der in t = 0 verffig-
baren Mittel aus den Krediten nach Abzug der Anfangsauszahlung bezeichnet den
aus dem Investitionsprojekt an den Unternehmer in t = 0 fliegenden Reichtumszu-
wachs, bestimmt also damit den Pro jektkapi ta lwer t . Die einzelnen Kreditvolu-
mina K t werden hierbei "yon hinten nach vome" ermittelt, weil der maximal
rfickzahlbare Kreditbetrag K t mit F~illigkeit im Zeitpunkt t grunds~itzlich nur be-
stimmt werden kann, wenn bekannt ist, welche Zinszahlungen aufgrund von Kre-
diten mit Fristigkeiten von t+l bis T (auch) in t anfallen. Man spricht deswegen
bei dieser Art der Ermittlung des Projektkapitalwertes v o n d e r "retrograden"
Bereehnungsmethode. Sie geht auf Rolfes (1992, 1993) zur~ck.
199
Beispiel 5.3:
Es seien ein Investitionsprojekt mit z 0 = -8.000, z~ = 2.000, z 2 = 2.100, z 3 = 2.900
sowie z 4 = 3.800 GE und die Kapitalmarktdaten gem~il3 Tabelle 5.1 vorausgesetzt.
In Tabelle 5.2 sind die Zahlungsreihen aller realisierbaren Kredite K mmit F~illig-
keiten in t = 1 bis t = 4 wiedergegeben.
0
2;
1 2 4 t
z t -8.000 2.000 2.100 2.900 3.800
K (4) 3.551,4 -248,6 -248,6 -248,6 -3.800
K (3) 2.489,58 -161,82 -161,82 -2651,4 0
K (2) 1.593,94 -95,64 - 1.689,58 0 0
K (I) 1.436,48 - 1.493,94 0 0 0
1.071,4 0 0 0 0
Tabelle 5.2: Retrograde Kapitalwertermittlung (Zahlen generell auf zwei De-
zimalstellen gertmdet)
Der Kreditbetrag K4 zum Kredit K (4) a u s Tabelle 5.2 wurde beispielsweise durch
die Rechnung 3.800/1,07 = 3.551,4 GE ermittelt. Die damit einhergehenden Zins-
zahlungen in den Zeitpunkten t = 1 ..... 4 betragen ungefiihr 0,07-3.551,4 = 248,6
GE. Aus Unternehmersicht abflieBende Zahlungen werden in Tabelle 5.2 dabei
durchg~ingig mit negativem Vorzeichen, zuflieBende Zahlungen hingegen mit po-
sit ivem Vorzeichen ausgewiesen. Unter Beachtung der Zinszahlungen von etwa
248,6 GE in t = 3 aus dem Kreditbetrag K 4 verbleiben in t = 3 noch ungef~ihr
2.900-248,6 = 2.651,4 GE zur Tilgung eines Kreditbetrags K 3 mit dreiperiodiger
Laufzeit, der sich deshalb auf n~hemngsweise 2.651,4/1,065 ~- 2.489,58 GE
belaufen kann und in t = 1, 2, 3 Zinszahlungen von ca. 0,065"2.489,58 = 161,82
GE zur Folge hat. In entsprechender Weise sind die tibrigen Zahlungsgr613en aus
Tabelle 5.2 ermittelt.
200
Insgesamt k6nnen aus den Einzahlungsfiberschfissen z I ..... z 4 des Investitionspro-
jekts damit Kredite in einem Gesammmfang von etwa 3.551,4+2.489,58+
1.593,94+1.436,48 -- 9.071,4 GE in Zukunft verzinst und getilgt werden. Nach
Abzug der 8.000 GE ffir die Anfangsauszahlung im Zusammenhang mit dem In-
vestitionsprojekt verbleibt dem Untemehmer in t = 0 eine Reichtumssteigerung
von ca. 9.071,4-8.000 = 1.071,4 GE, wodurch zugleich der Kapitalwert des
betrachteten Investitionsprojekts beschrieben wird. []
5.3 Kapitalwertberechnung mittels Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren
So anschaulich die retrograde Berechnungsmethode auch ist, so mtihselig ist sie,
wenn mehrere Projekte zur Auswahl stehen. Denn ffir jedes Investitionsprojekt ist
aufs Neue ein Tableau wie in Tabelle 5.2 zu erstellen. Aus diesem Grunde w ~ e
es hilfreich, fiber eine weniger umst~indliehe Methode zur Kapitalwertermittlung
zu verffigen.
Einen denkbaren Zugang zur Probleml6sung gewinnt man, wenn man den Begriff
des "Zero Bond" (oder der "Nullkupon-Anleihe") einffihrt. Ein Zero Bond ist ein
Finanzierungstitel, der nur in einem zuktinftigen Zeitpunkt t m i t von Null ver-
schiedenen Zahlungskonsequenzen verbunden ist. 1~ Beispielsweise ftihrt ein in
t = 0 ausgegebener dreiperiodiger Zero Bond nur in t = 3 zu Rfickzahlungen an
den Halter dieses Finanzierungstitels. Diese Rfickzahlung umfasst damit neben
der Tilgung des jeweils an den Emittenten des Zero Bond in t = 0 gezahlten Be-
trags auch die zugeh6rige gesamte Verzinsung. Man kann sich nun natfirlich ohne
weiteres einen standardisierten Zero Bond mit einem Zahlungsversprechen von 1
GE im Zeitpunkt t = "c vorstellen. Dessen Preis in t = 0 sei mit d r bezeichnet und
wird "Zero-Bond-Abzinsungsfak tor" genannt. Ein Zero-Bond mit einem Zah-
lungsversprechen von z~ in t = x verftigt dann fiber einen Preis in t = 0 von
gerade d~-z~. Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt bei Sicherheit stimmt der
Preis oder Marktwert eines Zahlungsstroms mit seinem Kapitalwert fiberein. Aus
10 Vgl. zum Begriff auch etwa Kuj3maul (1989).
201
der Wertadditivitiit der Kapitalwert- trod damit auch der Marktwertformel folgt,
dass der Preis einer Summe von Zahlungen z 0, z~ .. . . . z T der Summe der Preise
dieser Zahlungen entspricht. Da Letztere wiederum mit Hilfe der Zero-Bond-Ab-
zinsungsfaktoren bestimmt werden k6nnen, stellt sich der Kapi ta lwert eines Zah-
lungsstroms z 0, Zl . . . . . z T auch wie folgt dar:
T
K = do'zo+dl'Zl+...+dT'Zx = E dt'zt. (5.2) t=0
Inhaltlicher Hintergrund ftir Formel (5.2) ist, dass jeder Zahlungsstrom grunds~itz-
lich als ein Biindel von Zero Bonds interpretiert werden kann. Gem~if3 (5.2) sind
die Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren unmittelbar identisch mit den Diskontie-
rungsfak toren ftir die einzelnen Zahlungszeitpunkte im Rahmen yon Kapital-
wertberechnungen. Gerade dies macht ihre besondere Bedeutung aus, und deswe-
gen seien sie im Weiteren mit dem Ktirzel "d" bezeichnet.
Beispiel 5,4: Gegeben seien das Investitionsprojekt aus Beispiel 5.3 sowie Zero-Bond-Abzin-
sungsfaktoren fOx die verschiedenen Zeitpunkte t = 1 ... . . 4 gem~if; Tabelle 5.3.
t 0 1
d t 1 0,9615
2 3
0,889 0,826
4
0,7595
Tabelle 5.3: Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren d t ffir verschiedene Laufzeiten t
Wieso sich die Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren gerade auf die in Tabelle 5.3 aus-
gewiesenen Werte belaufen sollten, wird noch weiter unten n~iher erl~iutert. In
jedem Fall einleuchten dtirfte aber, dass d o = 1 GE gilt: Eine in t = 0 zu erhal-
tende Geldeinheit ist nattirlich schon definitorisch in t = 0 auch 1 GE wert. Klar
sein dfirfte auch, dass die Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren mit wachsender Lauf-
zeit t immer kleiner werden. In aller Regel ist der Zufluss yon 1 GE in einem
202
Zeitpunkt t = "~ aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 wertvoller als der Zugang von 1
GE in einem Zeitpunkt t = "c+l. Zumindest kann bei M6glichkeit zu zinsloser
Kassenhal tung von Wirtschaftssubjekten unmittelbar darauf geschlossen werden,
dass die Folge der d t mit wachsendem t monoton fallend verlaufen muss, da
ansonsten wenigstens ein Zeitpunkt t = x existiert, so dass man sich auf folgende
Weise durch Kapitalmarkttransaktionen bereichern k6nnte: Erwerb eines Zero
Bond mit F~illigkeit in t = z, Kassenhaltung der in t = "c zufliegenden Mittel und
Nutzung des damit in t = "c+l vorhandenen liquiden Bestands zur Bedienung
eines ebenfalls in t = 0 mit F~illigkeit t = ~+1 ver~iul3erten Zero Bond gleichen
Rfickzahlungsbetrags wie (aber h6heren Preises als) der in t = 0 erworbene. Dem
per Saldo verbleibenden Mittelfiberschuss in t = 0 stfinden keinerlei weitere
Zahlungskonsequenzen in Folgezeitpunkten gegentiber. Unterstellt man gar plau-
siblerweise, dass alle ktinftigen Ein-Perioden-Zinss~tze positiv sind, dann muss
die Folge der d t sogar streng monoton fallen, sofem am Kapitalmarkt keine Be-
reichemngsm6glichkeiten bestehen sollen, was wiederum im bier betrachteten
Kontext notwendige Voraussetzung ftir die Existenz eines Kapitalmarktgleichge-
wichts ist.
In jedem Fall kann man den Zahlungsstrom aus dem zu bewertenden Investitions-
projekt derart interpretieren, dass er aus 8.000 Zero Bonds fiber jeweils 1 GE
Rtickzahlung mit F~illigkeit in t = 0, 2.000 Zero Bonds tiber je 1 GE Rfickzahlung
mit F~illigkeit in t = 1, 2.100 Zero Bonds fiber je 1 GE Riickzahlung mit
F~illigkeit in t = 2, 2.900 Zero Bonds fiber je 1 GE Rtickzahlung mit F~illigkeit in
t = 3 sowie schliel31ich auch noch 3.800 Zero Bonds tiber je 1 GE Rfickzahlung
mit F~illigkeit in t = 4 besteht. Der Markt- oder Kapitalwert dieses Btindels yon
Zero Bonds bestimmt sich dabei als
-8.000 +2.000" 0,9615 +2.100" 0,889 +2.900" 0,826 +3.800' 0,7595
= 1.071,4 GE. (5.3)
Es resultiert demnach das gleiche Ergebnis wie im vorhergehenden Abschnitt 5.2.
In der Tat muss dies bei konsistenter Berechnung auch der Fall sein, wie gleich
noch erl~iutert wird. Des Weiteren sollte beachtet werden, dass jedes andere In-
203
vestitionsprojekt in ganz entsprechender Weise wie das obige mit Hilfe von Zero-
Bond-Abzinsungsfaktoren bewertet werden kann. []
Sobald man die Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren kennt, kann der Kapitalwert zu
jedem beliebigen Investitionsprojekt gem~g Formel (5.2) leicht bestimmt werden.
Damit stellt sich allerdings unmittelbar die Frage nach M6glichkeiten zur Er-
mittlung der Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren. Im Hinblick auf das im Abschnitt
5.2 pr~isentierte Vorgehen zur Berechnung des Kapitalwertes eines Investitions-
projekts bietet es sich an, auch Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren im Wege einer re-
t rograden Bereehnung zu ermitteln. Ein Zero-Bond-Abzinsungsfaktor d r ist ja
nichts anderes als der Kapitalwert aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 yon 1 GE
Einzahlung in t = '~.
Beispiel 5.5: Gegeben seien die Kapitalmarktdaten des Beispiels 5.2. Der Kapitalwert von 1
GE Einzahlung im Zeitpunkt t = 4 aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 kann dann
tiber die retrograde Berechnungsmethode von Rolfes (1992, 1993) wie folgt be-
stimmt werden.
2
Z
4 t
z t 0 0 0 0 1
K (4~ 0,9346 -0,0654 -0,0654 -0,0654 - 1
K (3) -0,0614 0,004 0,004 0,0654 0
K (2) -0,0579 0,0035 0,0614 0 0
K (~) -0,0557 0,0579 0 0 0
0,7596 0 0 0 0
Tabelle 5.4: Retrograde Ermittlung von d4 (Zahlen generell auf vier Dezimal-
stellen gerundet)
204
Der Aufbau von Tabelle 5.4 entspricht grunds~itzlich dem von Tabelle 5.2. Zu-
n~ichst fragt man sich demnach, welcher Kredit in t = 0 mit F~illigkeit in t = 4
aufgenommen werden kann, wenn eine Einzahlung von 1 GE in t = 4 zur Kredit-
rfickzahlung und Leistung yon Zinsen zur Verffigung steht. Das gesuchte Kre-
ditvolumen K 4 berechnet sich bekanntermagen als 1/1,07 = 0,9346 GE. Die in t
= 1 bis t = 4 hieraus resultierenden Zinszahlungen sind n~herungsweise 0,07"
0,9346 = 0,0654 GE. Eine kleine Modifikation im Vergleich zur Kapitalwertbe-
rechnung des Beispiels 5.3 besteht nun allerdings insofern, als in t = 3 infolge
fehlender positiver Einzahlungen zur Erbringung der gerade berechneten Zinsleis-
tung von 0,0654 GE aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 eine Anlage, also ein nega-
tiver Kredit, zu t~itigen ist. Diese Anlage muss sich in t -- 0 auf ungef'fihr
0,0654/1,065 = 0,0614 GE belaufen, damit in t = 3 hieraus Rfickflfisse von n/ihe-
rungsweise 0,0654 GE resultieren, aus denen die Zinszahlungen des Zeitpunktes
t = 3 im Zusammenhang mit dem Kredit K (4) bedient werden k6nnen. In entspre-
chender Weise erh~ilt man einen zus~itzlichen Anlagebedarf in H6he yon ca.
0,0579 GE von t = 0 bis t = 2 sowie von etwa 0,0557 GE von t = 0 bis t = 1.
Per saldo verbleiben von dem Kreditvolumen in H6he von etwa 0,9346 GE nach
Abzug der ben6tigten Anlagen von insgesamt ungef~hr 0,0614+0,0579+0,0557 =
0,175 GE noch ungef~hr 0,7596 GE in t = 0. Dies ist der letztlich fiber 1 GE
Einzahlung in t = 4 zum Zeitpunkt t = 0 finanzierbare Mehrkonsum eines
Wirtschaftssubjekts, also der Markt- oder Kapitalwert von 1 GE Einzahlung in t
= 4, mithin der gesuchte Zero-Bond-Abzinsungsfaktor d 4. Bis auf Rundungs-
differenzen stimmt er mit dem fiber Tabelle 5.3 ad hoc vorausgesetzten Wert ffir
d 4 fiberein. []
Bei einem Betrachtungszeitraum bis t = T mfisste man demnach T-mal fiber die
retrograde Berechnungsmethode Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren bestimmen. An-
schliegend kann allerdings dann jedes beliebige Investitionsprojekt fiber diese Ab-
zinsungsfaktoren bewertet werden.
Zweifellos ist aber auch dieses Vorgehen vergleichsweise aufwendig. Wesentlich
einfacher lassen sich die Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren ermitteln, wenn man sich
205
vor Augen halt, dass auch schon eine Mittelanlage yon t = 0 bis t = "cmit laufen-
den Zinszahlungen in den Zeitpunkten t = 1 . . . . . "c nichts anderes als ein ganz
spezifisches Bfindel von Zero Bonds darstellt und dementsprechend auch bewertet
werden kann. Bei einem Anlagebetrag etwa yon 1 GE erh~ilt man in t = 1 . . . . . "~-1
Zinszahlungen r~ und in t = "c eine Gesamtzahlung yon l+r~. Der Preis oder
Kapitalwert des Bfindels aus Zero Bonds mit F~illigkeit von t = 1 bis t = ~ muss
gerade der angelegten Geldeinheit entsprechen, da man ansonsten durch eine
reine Finanzinvesti t ion sein Verm6gen erh6hen k6nnte. Weil jeder eine derartige
M6glichkeit zur Reichtumssteigerung fiber Finanzinvestitionen wahrnehmen woll-
te, k6nnten andernfalls Angebot und Nachfrage nach bestimmten Finanztransakti-
onen nicht zur Deckung gebracht werden. Letztlich ist dies nichts anderes als eine
erneute Umschreibung des bekannten Sachverhalts der im Gleichgewicht eines
vol lkommenen Kapitalmarktes gegebenen Kapi ta lwer tneutra l i t~ i t yon F inanz in-
vest i t ionen. Es muss also gelten:
1 = d l ' r ~ +d2"r ~ +... +d e_l"r~ +d r �9 (1 +r~) (5.4)
f'tir alle "c = 1 . . . . . T.
Man erh~ilt denmach T Bes t immungsgle ichungen, in denen die T Zero-Bond-Ab-
zinsungsfaktoren anftreten. Diese T Best immungsgleichungen lassen sich dabei
aufgrund der spezifischen Struktur des Gleichungssystems sehr leicht 16sen. Weil
fiJr "r = 1 die Gleichung 1 = d I -(l+rl) resultiert, kann f~ir gegebenes r I hieraus d 1
sofort bereclmet werden. Ftir "~ = 2 erh~ilt man 1 = dl-r2+d2"(l+r2), woraus man
bei Kennmis yon d~ und gegebenem Wert ffir r 2 unmittelbar d 2 berechnen kann.
In entsprechender Weise kann man ffir "~ = 3 bis "c = T verfahren.
Beispiel 5.6: Gegeben seien die Kapitalmarktdaten des Beispiels 5.2. Dann mtissen die ffir die
F~illigkeiten t = 1 bis t = 4 zur Verffigung stehenden Anlage-/Verschuldungs-
m6glichkei ten mit laufender Zinszahlung den folgenden Gleichungen gentigen:
I. 1 -- d 1- 1 ,04 *.*. d I
206
1
1 ,04 '
II. 1 = d 1 "0,06+42" 1,06 ,=, 42 1 -d I - 0,06
1,06 '
III. 1 --- d 1 - 0,065 +42" 0,065 +42.1,065 ,=, 42 ---
IV. 1 = d 1 "0,07 +42" 0,07 +d s" 0,07 +d 4" 1,07 =
1 - (d 1 §
1,065
1 -(dl +42 +d3)" 0,07
1,07
(5.5)
Aus I. ergibt sich unmittelbar d~ = 1/1,04 = 0,9615 GE. Einsetzen dieses Wertes
in II. ftihrt zu d 2 = (1-0,96150,06)/1,06 = 0,889. In entsprechender Weise erh~ilt
man ohne grol3e Mtihe d 3 = 0,826 GE sowie d 4 = 0,7595 GE, also genau die im
Beispiel 5.4 zugrunde gelegten Werte. []
Die Ermittlung der Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren tiber die L6sung eines linea-
t en Gleiehungssystems mit T Variablen d 1 ..... d T ist aber nicht nut einfacher als
im Rahmen einer retrograden Berechnungsmethode der d t. Sie erweist sich fiber-
dies auch als al lgemeiner anwendbar. Um n~imlich Zero-Bond-Abzinsungsfakto-
ren oder auch direkt Kapitalwerte von Investitionsprojekten retrograd zu
bestimmen, ben6tigt man die Kenntnis der Zinss~itze ftir Anlagen mit Laufzeiten
yon t = 1 bis t = T. Bei der Ermittlung yon Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren fiber
die L6sung eines Gleichungssystems ist diese Voraussetzung nicht erforderlich.
Hier braucht man lediglich T Finanzierungsinstrumente beliebiger Laufzeiten
derart, dass die resultierenden T Bewertungsgleichungen l inear unabhiingig voneinander und damit eindeutig 16sbar sind. 11
11 Lineare Unabh~.ngigkeit der Gleichungen bedeutet, dass keine der T Bewer- tungsgleichungen redundant in dem Sinne ist, dass sie durch Umformung und Zusammenfassung der anderen Bewertungsgleichungen reproduzier t werden kann. Um T Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren fiber die L6sung eines linearen
207
Beispiel 5.7:
Gegeben sei ein Drei-Zeitpunkte-Modell bei Sicherheit (t = 0, 1, 2). Auf dem
vollkommenen Kapitalmarkt werden zwei Wertpapiere mit folgenden Zahlungs-
reihen gemgg Tabelle 5.5 gehandelt:
t 1 2
z~ 1) 6 106
2 54 z~ 2)
Tabelle 5.5: Zahlungsreihen zweier Wertpapiere
Der Preis und damit Kapitalwert des Wertpapiers 1 in t = 0 sei ~(1) = 100,14245
GE, der des Wertpapiers 2 sei ~:(2) = 50 GE. Wertpapier 1 kann als eine Anleihe
interpretiert werden, die ftir den Zeitpunkt t = 2 einen Rtickzahlungsbetrag von
100 GE verspricht. Die bei Anleihen ftir die Zinsberechnung maBgebliche Be-
zugsgrN3e wird als Nenn- oder Nominalbetrag bezeichnet. Die Zinszahlungen
ergeben sich dann als Produkt von Nennbetrag und Nominalzinssatz. FiJr Wertpa-
pier 1 etwa k6nnte ein Nennbetrag von 100 GE bei einem Nominalzinssatz von
6 % gegeben sein. Damit wtirde der Rtickzahlungsbetrag dem Nennbetrag ent-
sprechen, was typischerweise, wenngleich nicht zwingend, gilt. Das Konstrukt
eines Nennbetrags ist bei Anleihen deswegen erforderlich, weil der jeweils aktu-
elle Preis einer Anleihe keine konstante Gr6Be ist, sondern sich stS_ndig den
jeweiligen Zinsentwicklungen auf dem Kapitalmarkt anpasst. Beispielsweise mag
es sein, dass die Anleihe in einem Zeitpunkt t = -1 zu einem Preis von 100 GE
erstmalig von einem Emittenten ausgegeben werden konnte, weil in diesem Zeit-
punkt ftir dann noch dreiperiodige Anlagen gerade ein Zinssatz von 6 % bei je-
weils einperiodiger Zinszahltmg Gtiltigkeit besaB. Aus der Tatsache, dass der An-
leihepreis nunmehr in t = 0 tiber 100 GE liegt, kann man unmittelbar schliegen,
Gleichungssystems eindeutig zu bestimmen, ben6tigt man demnach T nicht redundante Bewerttmgsgleichungen.
208
dass in t -- 0 ftir zweiperiodige Mittelanlage mit jeweils einperiodiger Zinszah-
lung ein Zinssatz von weniger als 6 % gewNtrt wird, weswegen die Anleihe auch
mehr als 100 GE in t = 0 wert ist.
Das zweite Wertpapier k6nnte eine Art Sparbr ie f mit wachsender Verzinsung
beschreiben] 2 Bei einem Ausgabe- und Rtickzahlungsbetrag yon jeweils 50 GE
wird in t = 1 eine Verzinsung yon 4 % und in t = 2 eine Verzinsung yon 8 % auf
diesen "Sparbrief" gewahrt.
Es sind damit in diesem Beispiel zwei Wertpapiere gegeben, die von Wirtschafts-
subjekten in beliebiger Weise in t = 0 gekauft oder verkauft werden k6nnen. So-
fern dabei ein Marktteilnehmer einen der Titel verkauft, ohne ihn zu besitzen,
spricht man von einem Leerverkauf. Der betrachtete Marktteilnehmer tritt hierbei
gewissermagen als Emittent des betreffenden Wertpapiers auf: Vom jeweiligen
Vertragspartner erh~ilt er den Kaufpreis ftir das Wertpapier und verpflichtet sich
daftir im Gegenzug, die aus dem Wertpapier f'tir die Folgezeitpunkte fliegenden
Einzahlungen an den Vertragsparmer zu gew~hren. Es liegt somit nichts anderes
als eine spezifische Form der Kred i t au fnahme vor.
Beide Wertpapiere im Rahmen dieses Beispiels verftigen fiber eine grunds~itzlich
zweiperiodige Laufzeit. Eine unmittelbare Anwendung der retrograden Berech-
nungsmethode zur Bestimmung von Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren ist daher
nicht mtiglich. Zwar wtisste man, dass etwa durch die Ausgabe von 1/54 des Spar-
briefs in t = 0 ftir t = 2 eine Zahlungsverpflichtung von genau 1 GE resultierte,
man also in t -- 0 einen Mittelzufluss von maximal 50/54 -- 0,9259 GE aus 1 GE
Einzahltmg in t -- 2 finanzieren k6nnte. Offen bliebe aber, welcher Betrag hiervon
wieder bis t = 1 angelegt werden mtisste, um die aus der Sparbriefemission f'tir
t = 1 resultierende Zinszahlungsverpflichtung von (1/54).2 = 1/27 = 0,037 GE
abzudecken. Uber die Formulierung eines l inearen Gleichungssystems hingegen
12 Ein praktisches Beispiel waren etwa Bundesschatzbriefe des Typs A. Vgl. z.B. Dichtl/Issing (1993), S. 1958.
209
k/Snnen die beiden Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren dl und d 2 leicht bestimmt
werden.
I. 100,14245 = 6"dl+106'dz, (5.6)
II. 50 = 2 .d 1+54.d. z.
Die Rechnung 1.-3"II. ftihrt zu:
-49,85755 -- -56"d~
49,85755 ~ 0,8903 GE. '=' dz - 56
(5.7)
Mittels Aufl6sung von II. nach dl und Einsetzen des Ergebnisses ftir d 2 aus (5.7)
gelangt man zu
5 0 - 5 4 - d z _ N 0,9615 GE. dl 2
(5.8)
Mit den Werten ffir d 1 und d~ ist nun wieder die Ermittlung des Kapitalwertes
eines beliebigen Investitionsprojekts auf dem betrachteten Kapitalmarkt m6glich.
Beispielsweise erh~ilt man ftir ein Investitionsprojekt mit der Zahlungsreihe z 0 =
-30, z 1 = 15 und z 2 = 20 GE einen Kapitalwert ~: = -30+0,9615.15+0,8903.20 =
2,23 GE > 0, die Projektdurchf'tthrung ist damit also lohnenswert. []
Sofem die Ermittlung von Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren tiber die L6sung eines
linearen Gleichungssystems mit T Gleichungen nicht m6glich ist, sind die gesuch-
ten T Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren durch die gegebenen Kapitalmarktdaten
nieht eindeutig bestimmt. Wenn sich die d t ( t = 1 ..... T) demnach tiberhaupt ein-
deutig bestimmen lassen, dann fiber die L6sung eines entsprechenden linearen
Gleichungssystems.
210
Beispid 5.8:
Gegeben sei ein Kapitalmarkt fiber drei Zeitpunkte t = 0, 1, 2 hinweg, auf dem
zwei Wertpapiere 1 und 2 gem~iB Tabelle 5.6 gehandelt werden.
t 1 2
z{ 1) 4 108
2 54 z{2~
Tabelle 5.6: Zahlungsreihen zweier Wertpapiere
Der Preis oder Kapitalwert des Titels 1 sei 100 GE, der des Titels 2 belaufe sich
auf 50 GE. Damit k6nnen die folgenden beiden Bestimmungsgleichungen fox d 1
und d 2 formuliert werden:
I. 100 = 4"dl+108"d. z,
II. 50 = 2 .d 1+54.d 2. (5.9)
Sowohl aus I. wie aus II. folgt, dass d 1 = 25-27-~ gilt. Eine genauere Spezifika-
tion von dl und d2 ist jedoch nicht m6glich. Jede der beiden Bewertungsgleichun-
gen erweist sich damit in Kenntnis der jeweils anderen als r edundan t : Multipli-
kation yon I. mit 0,5 liefert II., Multiplikation yon II. mit 2 liefert I. Mit nur
einer nicht redundanten Bewermngsgleichung lassen sich aber nicht simultan zwei
Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren bestimmen. []
5.4 Effektivrenditen von Zero Bonds und Zinsstrukturcharakteri-
sierung
Da ein Zero Bond, der 1 GE Einzahlung in einem Zeitpunkt "~ liefert, in t = 0
fiber einen Kapitalwert von d~ verffigt, kann man ohne weiteres den zugeh6rigen
Ein-Perioden-KalkulationszinsfuB v~ zur Einzahlung z~ = 1 GE berechnen, so dass
211
der resultierende Kapitalwert sich auf d~ beRiufl:
! 1 (1 +v,) ~
1-1. ,~ v, = d~
(5.10)
Der Zinsfug v, ist damit nichts anderes als der zu der Zahlungsreihe z 0 = -d, und
z~ = 1 GE geh6rige interne ZinsfuB. Entsprechend der Darstellung im Abschnitt
3 dieses Kapitels kann v, folglich als die an den jeweiligen Halter des Zero Bond
von t = 0 bis t = "c auf den Kaufpreis d~ gewShrte Ein-Perioden-Verzinsung oder
Effektivrendite interpretiert werden.
Beispiel 5.9:
Ftir die Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren aus Tabelle 5.3 erNilt man folgende zuge-
h6rige Effekt ivrenditen: 13
1 v 1 ~ - - - 1 - 4 %,
0,9615
I 1 ~- 6,06 %, 1
v2 ~" 0,88---9-
1 -1 ~- 6,58 %, 1
v3 ~" 0,82-----6
(5.11)
1 -1 ~ 7,12 %. 1
v4 ~" 0,759~
~3 In der Tat ist das Ergebnis von 4 % ftir v~ sogar exakt. Die beiden "--"- Zeichen mfissen hier lediglich aufgrund der wiederholten Rundung gesetzt werden, ftihren aber zuf~illigerweise zum korrekten genauen Ergebnis.
212
GemN3 (5.11) ergibt sich damit beispielsweise ftir eine Anlage von Mitteln von
t = 0 bis t = 2 eine Verzinsung pro Periode von etwa 6,06 % am Kapitalmarkt.
Dies liegt leicht fiber dem Zinssatz von 6 %, der ftir zweiperiodige Anlage mit
Zinszahlungen in t = 1 und t = 2 Gtiltigkeit besitzt. Der Grund hierftir ist darin
zu sehen, dass im letzteren Fall genaugenommen eine Mischung aus einperiodi-
get und zweiperiodiger Anlage realisiert wird, da zum Teil Zahlungen an den
Halter des Titels bereits in t = 1 erfolgen. Insofern ware hier insgesamt eine
Anlage mit einer durchschnittlichen 14 Fristigkeit unterhalb von zwei Perioden,
abet nattirlich oberhalb von einer Periode gegeben. Aus diesem Grunde muss die
durchschnittliche Periodenverzinsung im Rahmen dieser Anlage mit 6 % auch
zwischen der Periodenverzinsung von 4 % bei einer reinen einperiodigen Anlage
und der Periodenverzinsung von etwa 6,06 % bei einer reinen zweiperiodigen An-
lage liegen. Weil der weitaus tiberwiegende Teil der Zahlungen in t = 2 anf~illt,
liegt der Zinssatz von 6 % sehr nahe bei der Effektivrendite v 2 = 6,06 %. Aus
entsprechenden Grtinden gilt v 3 ~- 6,58 % > 6,5 % sowie v 4 = 7,12 % > 7 %. []
Die Effektivrenditen von Zero Bonds geben damit die Ein-Perioden-Verzinsungen
yon Wertpapieren mit " re inen" Laufzeiten von t = 1 bis t = T an. Folglich
beschreiben die Effektivrenditen von Zero Bonds die sogenannte Zinss t ruktur .
Diese ordnet jeder Fristigkeit die jeweils am Kapitalmarkt zugeh6rige Ein-Perio-
den-Verzinsung zu. Die graphische Darstellung der Zinsstruktur bezeichnet man
als Zinskurve. 15 Sofern die Ein-Perioden-Zinss~itze v t in t streng monoton stei-
gen, spricht man von einer normalen Zinskurve und -struktur, da dieser Fall aus
empirischer Sicht die Regel ist: Je l~inger die Laufzeit einer Anlage oder Ver-
14 Nat'tirlich stellt sich hierbei die Frage, wie die durchschnittliche Fristigkeit einer Anlage-/Verschuldungsm6glichkeit konkret berechnet werden sollte. Eine sehr weitverbreitete Kennziffer zur Bestimmung dieser durchschnittlichen Fristigkeit ist die sogenannte Duration. Im Anhang zu diesem Abschnitt wird allerdings gezeigt, dass sich diese Kennziffer zumindest im hier betrachteten Kontext als wenig aussagekr~iftig erweist.
15 Vgl. auch Abbildung 5.1.
213
schuldung, umso h6her ist die Effektivrendite pro Periode. Aus theoretischer
Sicht ~6 wird die Zinsstruktur bei Sicherheit letztlich durch die Zeitpri i ferenzen
der Marktteilnehmer bestimmt. Ftir entsprechende Nutzenfunktionen w ~ e es auch
denkbar, dass die Zinskurve horizontal verl~iuft: In diesem Fall spricht man recht
anschaulich von einer flachen Zinskurve oder Zinsstruktur: Ffir alle Laufzeiten ist
die zugeh6rige Ein-Perioden-Verzinsung identisch. Man kann sich unschwer
denken, dass dies genau den Fall einheitlicher Ein-Perioden-(Termin-)Zinss~itze
i t = i = konst, beschreibt. Bis zum vorhergehenden Abschnitt wurde demnach im
Rahmen dieses Buchs stets eine flache Zinsstruktur vorausgesetzt. Erst im Laufe
dieses Abschnitts wurden auch nicht-flache Zinsstrukturen zugelassen. Sofem die
v t mit wachsendem t streng monoton fallen, spricht man von einer inversen
Zinskurve oder -struktur, da dieser Fall empirisch eher die Ausnahrne darstellt. 17
Auch fiber die Effektivrenditen von Zero Bonds lassen sich wegen der fiber die
erste Gleichung aus (5.10) gegebenen Beziehung zu den Zero-Bond-Abzinsungs-
faktoren unmittelbar Kapitalwertberechnungen durchftihren. Man erh~ilt:
Z 1 Z 2 K = Z 0 + + - - + . . . + - -
1 +v I (1 +v2) 2
1" ZT - Zt , (5.12)
(1 +VT )T ~ (1 +Vt) t
wobei v 0 = 0 und (l+v0) ~ = 1 gilt.
16
17
Auf das Gebiet der Zinsstrukturtheorien kann und soll an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden. Vgl. dazu etwa die umfassende Darstelhmg bei Sandmann (2001).
Das bedeutet aber nicht, dass inverse Zinsstrukturen fast nicht zu beobachten waren. So herrschte in Deutschland etwa zu Anfang der neunziger Jahre tiber l~ingere Zeit eine solche Situation vor. Vgl. Wolters/Hassler (1998), S. 147.
214
f
_------- normale Zinskurve
flache Zinskurve
inverse Zinskurve
It
Fristigkeit t
Abbildung 5.1: Grunds~itzliche Verlaufstypen von Zinskurven
Beispiel 5.10:
Gegeben seien die Effektivrenditen v t (t = 1 ..... 4) yon Zero Bonds gem~ii3 (5.11)
sowie das Investitionsprojekt aus Beispiel 5.3. Dessen Kapitalwert l~isst sich dann
unter anderem auch wie folgt berechnen:
~: ~. _8.000+2.0004 2 . 1 0 0 2 . 9 0 0 3.800 N 1.071,35 GE, (5.13) 1,04 1,06062 1,06583 1,07124
was, abgesehen von Rundungsdifferenzen, mit den Werten aus Tabelle 5.2 sowie
Formel (5.3) tibereinstimmt. []
5.5
215
Ein-Perioden-Terminzinss~itze und Zero-Bond-Abzinsungsfak-
toren
Mit Hilfe der Betrachtung von Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren bzw. der zugeh6ri-
gen Effektivrenditen ist es nun auch leicht, die Ein-Perioden-(Termin-)Zinssiitze
i~ . . . . . i T zu best immen. Wenn man n~n l i ch 1 GE von einem Zeitpunkt t = 0 bis
t = "c anzulegen wtinscht, dann bieten sich hierzu mehrere M6glichkeiten. Zu m
einen w ~ e es denkbar, dass man seine Mittel von t = 0 bis t = 1 zu e inem Zins-
satz i~ anlegt, anschliegend (f'ttr z > 1) den Gesamterl/Ss l+i~ von t = 1 bis t = 2
zu i 2, den hieraus result ierenden R~ckfluss (l+i~)-(l+i2) (far "~ > 2) von t = 2 bis
t -- 3 zu i 3 und so fort, bis sich schliel31ich insgesamt in t = "c Einzahlungen von
( l+i l)- . . . - ( l+i 0 ergeben. Zum anderen k6nnte man auch einen Zero Bo n d mit
F~illigkeit in t -- x erwerben. Da ein standardisierter Zero Bond bei e inem Rfick-
zahlungsbetrag von 1 GE in t = x einen Preis von d r in t = 0 hat, erhiilt man f'ttr
1 GE in t = 0 genau 1/dr standardisierte Zero Bonds und daher einen entsprechen-
den Rfickzahlungsanspruch in t = "t. Der Ausdruck 1/d r wiederum ist gem~ig
(5.10) identisch zu ( l + v 0 r, was auch unmittelbar einleuchtet: Wenn man 1 GE
fiber Zero Bonds von t = 0 bis t -- "c anlegt, dann erh~ilt man eine durchschnittl i-
che Ein-Perioden-Rendite yon v r u n d folglich einen Rtickzahlungsbetrag am Ende
der Laufzei t von ( l + v 0 *.
Es muss nun
(1 +il)....-(1 +it) = (1 +vr) r (5.14)
f'tir j eden bel iebigen Betrachtungszei t raum t = 0 bis t = "c gelten. Andemfal l s
n~imlich bestfinde einmal mehr f'ttr Markt te i lnehmer die M6glichkei t zur beliebi-
gen Reichtumsmehrung mittels Kapitalmarkttransaktionen. W ~ e etwa die linke
Seite von (5.14) kleiner als die rechte, wtirde es sich lohnen, sich kurzfristig
revolvierend von t = 0 bis t = "c zu verschulden und die in t = 0 hieraus zuflie-
genden Mittel zum Kauf yon Zero Bonds mit Fiilligkeit in t = x zu verwenden.
Wei l diese Transakt ionen ffir j eden Markt te i lnehmer vorteilhaft w ~ e n , g~ibe es
eine unbegrenzte Nachfrage nach einperiodigen Verschuldungsm6glichkeiten, aber
216
keinerlei Angebot. Ebenso existierte eine unbegrenzte Nachfrage nach Zero
Bonds mit F~illigkeit im Zeitpunkt t = "c. Niemand aber b/Ste diese Zero Bonds an.
Aus einem entsprechenden Grund kann die linke Seite von (5.14) nicht gr6f3er als
die rechte sein.
Beispiel 5.11: Gegeben sei ein Kapitalmarkt fiber drei Zeitpunkte t = 0, 1, 2 hinweg. Die Effek-
tivrendite v 2 von Zero Bonds mit F~illigkeit in t = 2 betrage 6,06 %. Der Zinssatz
i~ f'tir Mittelanlage/-aufnahme von t = 0 bis t = 1 sei 4 %, der korrespondierende
Zinssatz i 2 ftir Mittelanlage/-aufnahme yon t = 1 bis t = 2 betrage 7 %. Dann gilt:
( l+i 0.(l+iz) = 1,1128 < 1,1249 = (l+v2) 2. Unter diesen Voraussetzungen w ~ e es
daher lohnenswert, in t = 0 beispielsweise 100 GE tiber einen einperiodigen
Kredit aufzunehmen und diesen Betrag unmittelbar zum Kauf von Zero Bonds
mit F~illigkeit in t = 2 zu verwenden. Aus dem Zero-Bond-Erwerb erg~iben sich
Einzahlungen in t = 2 von 100-1,06062 = 112,49 GE. Die Kreditaufnahme in t =
0 ihrerseits bedingt ffir t = 1 eine Verbindlichkeit in H6he von 104 GE. Zu deren
Deckung ist eine erneute Kreditaufnahme von t = 1 bis t = 2 zu 7 % erforderlich,
was schliel31ich zu Verbindlichkeiten in t = 2 von 104-1,07 = 111,28 GE ftthrt.
Insgesamt verbleibt damit dem handelnden Marktteilnehmer ein 0berschuss von
etwa 112,49-111,28 = 1,21 GE > 0 in t = 2 ohne jeglichen eigenen Mitteleinsatz.
Bei gr613eren Engagements fiber 100 GE hinaus resultierten entsprechend h6here
Nettoertr~ige. Natfirlich kann eine derartige Situation kein Kapitalmarktgleichge-
wicht beschreiben. []
Mittels (5.14) lassen sich nun leicht aus den Effektivrenditen der Zero Bonds
s~imtliche Ein-Perioden-Zinss~itze i t herleiten. Weil (5.14) n~imlich ffir alle "c =
1 bis T gilt, erh~ilt man ein System von T l inearen Gleiehungen. Aufgrund der
besonderen Struktur dieses Gleichungssystems f~illt dessen L6sung nicht sehr
schwer. So erh~ilt man ffir "~ = 1 unmittelbar l+i I = l+v 1 und somit il = v v
Natfirlich entspricht der Ein-Perioden-Zinssatz i~ yon t = 0 bis t = 1 gerade der
Effektivrendite des einperiodigen Zero Bond: Im Rahmen einer Ein-Perioden-Be-
trachtung ist N~nlich jede Anlage naturgem~il3 ein Zero Bond.
217
Ftir "~ = 2 gilt ( l+ i 0 "(1+i2) = ( l + v 2 ) 2. Ftir gegebenen Wert v 2 und bereits berech-
neten Wer t i 1 l~isst sich diese Gleichung unmittelbar zur Bes t immung v o n i 2
nutzen: i 2 = [(1+v2)2/(1+i0]-1. Analog lassen sich die Werte ffir i 3, i 4 . . . . . i T der
Reihe nach ermitteln.
Beispiel 5.12: Gegeben seien die Effektivrenditen von Zero Bonds gemaB (5.11). Damit erh~ilt
man sofort i I = 4 %. Ftir i 2 ergibt sich ungef~ihr 1,06062/1,04-1 = 8,16 %. In
entsprechender Weise gelangt man zu i 3 = (1+v3)3/[(1+it).(1+i2)]-1 = 7,63 % so-
wie i 4 = (1+v4)4/[(1+i0"(1+i2)'(1+i3)]-1 = 8,76 %. Bemerkenswer terweise zeigt
sich hierbei, dass eine steigende Zinsstruktur keinesfal ls anch mit steigenden Ein-
Perioden-(Termin-)Zinss~itzen einhergehen muss. ~8 []
Statt der Effektivrenditen von Zero Bonds kann man wegen des Zusammenhangs
( l + v t ) t = 1 ] ~ auch die Z e r o - B o n d - A b z i n s u n g s f a k t o r e n zur Best immung der Ein-
Perioden-Terminzinss~itze nutzen. Dabei gilt generell:
i t - d t - 1 1. (5.15)
at
Die Richtigkeit von (5.15) ist schnell verdeutlicht. Wegen i 1 = l+vl-1 und l+v 1
= l/d1 gilt i 1 -- (1/dl)-l , wobei bereits bekannt ist, dass d o -- 1 GE ist. W e g e n i 2
= (1+v2)2/(1+i0-1, (l+v2) 2 = 1/d 2 und 1+il = 1/d I gelangt man zu i 2 = (dl/d2)-l. In
entsprechender Weise kann ftir j eden Betrachtungszeitpunkt "c verfahren werden.
J8 Der Umkehrschluss ist allerdings zutreffend: Steigende Ein-Perioden-Zinss~itze implizieren eine steigende Zinsstmktur. Dieser Zusammenhang ist Gegenstand einer als E r w a r t u n g s h y p o t h e s e bekannten Zinsstrukturtheorie. Vgl. e twa Franke/Hax (2004), S. 392 f. Das Vorl iegen einer steigenden Zinsstruktur wird hierbei fiber die Erwartung von steigenden Ein-Perioden-Zinss~itzen sei- tens der Markttei lnehmer erkl~irt. Da die Ursache dieser Erwartung nicht wei- ter ausgeffihrt wird, kann diese Zinsstrukturtheorie nur als tiberaus rudiment~ir bezeichnet werden. Ferner haben wir gerade feststellen k6nnen, dass steigende Ein-Perioden-Zinss~itze nicht notwendig ffir das Vorl iegen einer steigenden Zinsstruktur sind.
218
Bereits zu Anfang dieses Abschnitts wurde dargelegt, dass die Ein-Perioden-Zins-
s~itze i~ unter anderem auch als Terminzinss~itze interpretiert werden k6nnen.
Wenn aus den Zero-Bond-Daten die Werte der i~ berechenbar sind, dann muss
eine derartige Terminanlage auch grunds~itzlich tiber Zero Bonds konstruierbar
sein. 19 In der Tat ist dies recht einfach. Um 1 GE Auszahlung in t = "c-1 zu ge-
nerieren, muss man einen standardisierten Zero Bond mit F~illigkeit in t = x-1 im
Zeitpunkt t = 0 zu einem Preis von d~.l emittieren. In t = "~ sollen sich Einzahlun-
gen von l+i~ ergeben, was ffir t = 0 den Erwerb von l+i~ standardisierten Zero
Bonds fiber je 1 GE Rfickzahlung in t = "~ erfordert. Deren Preis in t = 0 ist
( l+ i0-d r Insgesamt wendet man in t = 0 einen Geldbetrag in H/3he von
( l+ i 0"d~-d~_ 1 = 0 GE auf, was nattirlich klar war, da i~ ansonsten kein reiner Ter-
minzinssatz gewesen w ~ e .
Beispiel 5.13:
Gem~il3 dem Ergebnis aus Beispiel 5.12 muss es m6glich sein, aus Zero Bonds
eine Terminanlage von t = 1 bis t = 2 mit einer Verzinsung von etwa 8,16 % zu
konstruieren. Dazu ist im Zeitpunkt t = 0 ein standardisierter Zero Bond mit
Fiilligkeit in t = 1 zum Preis von 0,9615 GE leerzuverkaufen. Gleichzeitig sind
1,0816 standardisierte Zero Bonds mit F~illigkeit in t = 2 ebenfalls noch in t = 0
zu einem Gesamtpreis yon 1,0816~3,889 = 0,9615 GE zu erwerben. Damit ist die
gewtinschte Terminanlage " s y n t h e t i s c h " erzeugt, wie Tabelle 5.7 belegt.
19 Im Umkehr sch lu s s bedeutet dies tibrigens, dass nicht berechenbare Zinss~itze mit nicht konstruierbaren Anlagen/Verschuldungen korrespondieren.
t
Zero Bond 1 0,9615
Zero Bond 2 -0,9615
0 E
Tabelle 5. 7:
0
219
1 2
-1 0
0 1,0816
-1 1,0816
Konstruktion einer synthetischen Terminanlage (Werte zum Teil
gerundet) []
Im Rahmen der hier pr~isentierten Herleitungen wurden auch die Zero-Bond-Ab-
zinsungsfaktoren selbst auf der Grundlage anderer Daten, konkret den Zinss~itzen
ftir Anlagen/Verschuldungen mit laufenden periodischen Zinszahlungen ennittelt.
Daher ist es sogar m6glich, auf der Grundlage dieser Daten jeden Zahlungsstrom
zu generieren, sofern Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren eindeutig ermittelt werden
k6nnen.
Beispiel 5.14:
Gegeben seien die Kapitalmarktdaten aus Tabelle 5.1. Dann muss es m6glich
sein, in t = 0 durch geschickte Kombination yon einperiodiger Verschuldung und
zweiperiodiger Anlage eine Terminanlage yon t = 1 bis t = 2 synthetisch zu
erzeugen. Zu diesem Zweck bezeichne A 2 den Betrag, der yon t = 0 bis t = 2
angelegt wird. In t = 2 sollen sich Einzahlungen von ungef~u " 1,0816 GE
ergeben, so dass unmittelbar auf A2-1,06 -- 1,0816 r A 2 -- 1,0816/1,06 = 1,0204
GE geschlossen werden kann. Aus dieser Anlage resultieren in t = 1 weitere
Einzahlungen von etwa 1,0204"0,06 = 0,06122 GE. In t = 0 ist ferner ein Kredit
im Umfang K~ mit F~illigkeit in t = 1 aufzunehmen, so dass sich per Saldo eine
Auszahlung von 1 GE ftir t = 1 ergibt. Es ist mithin K~ .1,04 = 1,06122 GE zu
verlangen. Daraus erh~ilt man K 1 = 1,0204 GE. Die synthetische Konstruktion
einer Terminanlage von 1 GE zu einem Zinssatz von etwa 8,16 % von t = 1 bis
t -- 2 erfordert demnach die Aufnahme von ungef~ihr 1,0204 GE von t = 0 bis t
= 1 zu einem Zinssatz von 4 % und die Anlage von ebenfalls etwa 1,0204 GE
220
von t = 0 bis t = 2 zu einem Zinssatz von 6 % mit Zinszahlungen in t = 1 und t
= 2. In Tabelle 5.8 sind die Zahlungskonsequenzen der beiden Kapitalmarkttrans-
aktionen nochmals zusammengefasst dargestellt.
t 0 1 2
Kredit 1,0204 -1,06122 0
Anlage - 1,0204 0,06122 1,0816
0 -1 1,0816
Tabelle 5.8: Konstruktion einer synthetischen Terminanlage (Werte zum Teil
gerundet) []
Auch mit Hilfe der Ein-Perioden-Zinss~itze i 1 . . . . . i T k6nnen Kapitalwertberech-
nungen durchgef'dhrt werden. Bereits aus (5.14) in Verbindung mit (5.12) folgt
dabei die Gtiltigkeit der zu Begilm dieses Abschnitts vorgef'tihrten Formel (5.1).
Diese stellt demnach bei Ansatz der Betrachtungen an den Zinss~itzen rl . . . . . rT
den Endpunkt der {)berlegungen und nicht ihren Anfang dar.
B e i s p i e l 5 .15 :
Gegeben seien das Investitionsprojekt und die Kapitalmarktdaten aus Beispiel 5.3.
Dann besteht auf der Grundlage der insgesamt hergeleiteten Ergebnisse auch die
folgende M6glichkeit der Kapitalwertberechnung:
2.000 2.100 2.900 K ~. - 8 . 0 0 0 + +
1,04 1,04"1,0816 1,04"1,0816"1,0763
3.800 § ~ 1071,46 GE.
1,04"1,0816"1,0763"1,0875
(5.16)
Abgesehen von Rundungsdifferenzen stimmt der Kapitalwert gem~iB (5.16) mit
den Werten aus Tabelle 5.2 sowie den Formeln (5.3) und (5.13) tiberein. []
221
Die im Rahmen dieses Abschnitts pr~isentierten vier M6glichkeiten zur Kapital-
wertberechnung bei nicht-flacher Zinsstrukmr k6nnen alle als Ausdruck einer je-
weils spezifischen Form der Finanzierung des aus der Projektrealisation ermtig-
lichten Mehrkonsums im Zeitpunkt t = 0 interpretiert werden. WS_hrend bei der
retrograden Finanzierungsweise nach Rolfes ftir jeden F~illigkeitszeitpunkt t auf
eine Verschuldung oder Anlage gleicher Fristigkeit bei periodischen Zinszahlun-
gen zurtickgegriffen wird, unterstellen die Formeln (5.2) und (5.12) die Ver~iuge-
rung oder den Erwerb yon Zero Bonds mit F~illigkeiten von t = 1 bis t = T. For-
mel (5.1) schlieBlich geht yon kurzfristig revolvierenden (jeweils einperiodigen)
VerschuldungerdAnlagen aus. Alle unterstellten Kapitalmarkttransaktionen f'tihren
zum selben Kapitalwert und belegen damit insbesondere nochmals die Kapital-
wertneutralit~it von Finanzinvestitionen, wie sie schon aus dem Fall flacher Zins-
struktur bekannt ist.
5.6 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war die Herleimng der Kapitalwertformel ftir den
Fall nicht-tlacher Zinsstruktur. Es wurde gezeigt, dass die Kapitalwertformel
dabei auf verschiedene, jeweils ~iquivalente Weise dargestellt werden kann. Lange
Zeit herrschte in den investitionsrechnerischen Lehrbtichem die Beschreibung der
Kapitalwertformel tiber die Verwendung von Ein-Perioden-Termin-Zinss~itzen
vor. Zu Recht wurde insbesondere von Rolfes kritisiert, dass typischerweise die
Zinss~itze yon Anlagen verschiedener Fristigkeit mit laufenden Zinszahlungen eher als die Terminzinss~itze zug~inglich sind. Mit Hilfe der auch von ihm vorge-
schlagenen retrograden Berechnungsmethode wurde die Kapitalwertermittlung
unmittelbar auf der Grundlage der Kapitalmarktdaten ftir unterschiedliche Fristig-
keiten der Mittelanlage/-verschuldung pr~isentiert. Anschliel3end wurden die In-
terpretation eines Zahlungsstroms als eines Biindels yon Zero Bonds und die
hierauf aufbauende Kapitalwertberechnung dargestellt. Der Kapitalwert eines Zah-
lungsstroms wird in diesem Zusammenhang als Summe der Kapitalwerte der ihn
bildenden Zero Bonds bestimmt. Die als Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren be-
zeichneten Preise standardisierter Zero Bonds konnten dabei zum einen retrograd
222
nach Rolfes oder einfacher und allgemeiner tiber die L6sung eines linearen Glei-
chungssystems ermittelt werden. Zuletzt wurden die Zusammenhiinge zwischen
Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren, Effektivrenditen von Zero Bonds sowie den Ein-
Perioden-Terminzinss~itzen dargelegt. In Tabelle 5.9 sind alle in diesem Kapitel
verwandten Gr6gen zur Kapitalwertberechnung bei nicht-flacher Zinsstruktur noch
einmal tiberblicksartig zusammengestellt.
Symbol
r t
Bedeutung
dt
Zinssatz pro Periode bei t-periodiger Anlage (mit periodischer Zinszahlung und endf~illiger Tilgung)
Zinssatz pro Periode bei Erwerb eines vt Zero Bond mit F~illigkeit in t
Ein-Perioden-Kassa- oder -Termin- it Zinssatz von t-1 bis t
Preis eines Zero Bond im Zeitpunkt 0 bei F~illigkeit in t und Rtickzahlung von 1 GE (Zero-Bond-Abszinsungsfaktor)
Tabelle 5.9: Wichtige Zinss~itze und Preise bei nicht-flacher Zinsstruktur
223
A n h a n g
W~arend die Fristigkeit yon Zero Bonds unmittelbar zu erkennen ist, ist bei allen
anderen Anlage- und Verschuldungsformen, die stets Btindel von Zero Bonds ver-
schiedener Laufzeit sind, die ad~iquate Messung der zugeh6rigen durchschnittli-
chen Laufzeit nicht so ohne weiteres klar. In der Tat gibt es hier eine als Dura-
tion bekannte Magzahl, die sich aus verschiedenen Grtinden grol3er Beliebtheit
erfreut. 2~
Unter der Duration DU einer Zahlungsreihe z0, ..., z T versteht man ein gewogenes
Mittel der Zahlungszei tpunkte t = 0 ... . . T, wobei als Gewicht qt im Zeitpunkt
t der jeweilige Anteil des Kapitalwertes der Zahlung z t am Gesamtkapitalwert
der Zahlungsreihe fungiert. 2J
T
DU - ~ t . q t (A5.1) t=l
mit
q t =
d t- z t T
E d~- z "e=l
(A5.2)
Beispiel A5.1:
Gegeben seien die Kapitalmarktdaten aus Beispiel 5.2 und damit Zero-Bond-Ab-
zinsungsfaktoren, die ungefahr denen aus Tabelle 5.3 entsprechen. Die Duration
20
21
Auf die einzelnen (vorteilhaften) Eigenschaften der Duration soll hier nicht n~iher eingegangen werden. Vgl. hierzu etwa Kruschwitz/Sch6bel (1986) oder May (1999).
Der Zeitpunkt t = 0 kann ohne weiteres im Folgenden unberticksichtigt blei- ben, da der Beitrag des zugehi3rigen Teilprodukts 0"q0 zur Gesamtsumme na- ttirlich stets Null ist.
224
DU einer Anlage von 100 GE in t = 0 bis t = 2 mit Zinszahlung in H6he von 6
GE in t = 1 und t = 2 betr~igt dann ungefNtr
DU ~- 1 .0 ,9615 .6 +2.0,889.106 = 1,94237. (A5.3) 100 100
Der Kapitalwert der aus der Anlage in t = 1 und t = 2 fliel3enden Zahlungen be-
l~iuft sich n~imlich gerade auf 100 GE, wie schon aus Beispiel 5.2 implizit 22
folgt, aber auch leicht durch die Rechnung 6.0,9615+106.0,889 = 100 GE best~i-
tigt werden kann. In der Tat erh~ilt man also eine Duration, die knapp unterhalb
von 2 liegt. Auch dies best~itigt, dass bei einer steigenden Zinskurve mit v I = 4
% und v 2 = 6,06 % die Ein-Perioden-Verzinsung bei zweiperiodiger Anlage mit
periodischer Zinszahlung zwischen v~ und v 2, aber dabei sehr nahe an v 2 liegen
wird. []
Beispiel A5.1 zeigt, wie man durch Durationsberechnung die durchschnittliche
Fristigkeit eines Zahlungsstroms absch~itzen kann. NatiJrlich mag man einwenden,
dass man auch schon ohne Bestimmung der komplexen Kennziffer "Duration"
eine durchschnittliche Laufzeit der betrachteten Anlage unterhalb yon zwei
Perioden behauptet h~itte. Die Duration oder jede andere Form der Ermittlung
einer durchschnittlichen Laufzeit k6nnte im hier betrachteten Kontext nur dann
einen zus~itzlichen Informationswert haben, wenn damit eine unmittelbare Ver-
kniapfung zur zugeh6rigen durehsehnit t l iehen Effektivverzinsung der betrachte-
ten Zahlungsreihe erreicht wird.
Beispiel A5.2: Zur Veranschaulichung sei der Zahlungsstrom z 1 = 0 , 0 5 , Z 2 = 0 und z 3 =
0,058202717 GE tinter weiterhin angenolnmener Gtiltigkeit der Kapitalmarktdaten
22 Im Beispiel 5.2 erm6glicht eine Mittelanlage in t = 0 von 100 GE Rtickfltisse in t = 1 yon 6 GE und in t = 2 von 106 GE. Da Finanzinvestitionen auf vollkommenem Kapitalmarkt einen Kapitalwert von Null aufweisen, muss der Kapitalwert der Einzahlungen des Zeitpunktes t = 1 und t = 2 aus Sicht yon t = 0 gerade 100 GE ausmachen.
225
aus Beispiel 5.2 betrachtet. Der Kapitalwert dieses Zahlungsstroms bestimmt sich
fiber d~-z~+d3-z 3 ungef~ihr als 0,09615 GE. Als Duration erh~ilt man bei An-
wendung von Formel (A5.1) in Verbindung mit (A5.2) fast genau 2. Sollten sich
Durationsberechnungen im hier interessierenden Kontext als hilfreich erweisen,
dann mfisste die zugeh6rige Effektivrendite des Zahlungsstroms gerade einen
Wert von v 2 -- 6,06 %, also wie bei einem Zero Bond mit Laufzeit von zwei Pe-
rioden, aufweisen. Tats~ichlich aber ffihrt die Rechnung z~/(1 "I-V2)"I-Z3/[(1 +v2) 3] zu
einem Kapitalwert yon etwa 0,09593 GE, wobei die Diskrepanz zum tats~ich-
lichen Kapitalwert nicht rundungsbedingt ist. Dies erkennt man daran, dass die
Duration der Zahlungsreihe unabh~ngig yon d 2 und damit v 2 ist. Das bedeutet,
dass man ceteris paribus ftir jeden anderen Effektivzinssatz v 2 eines zweiperiodi-
gen Zero Bond stets zum Ausweis einer Duration von 2 des betrachteten Zah-
lungsstroms gelangte. Nut zuf~illig wird der mit v 2 berechnete falsche Kapitalwert
dem richtigen (und von v2 unabh~ingigen) entsprechen. []
Aus Beispiel A5.2 folgt unmittelbar, dass eine Kenngr6ge zur Quantifiziertmg der
durchschnittlichen Laufzeit einer Zahlungsreihe fiber Gewichte qt der Zahlungs-
zeitpunkte verftigen m~sste, die in jedem Fall von der gesamten Zinsstruktur ab-
h~ingen. Das heil3t, auch etwa qj und q3 mtissten Funktionen von v 2 sein, selbst
wenn z 2 = 0 GE gilt. Die Duration ist damit im hier betrachteten Kontext als
grunds~itzlich ungeeignet zu qualifizieren, und es ist mehr als fraglich, ob fiber-
haupt eine ad~iquate Kenngr/3ge existiert. Insofern muss die Aussage, dass die Ef-
fektivzinss~itze der Zero Bonds im den Ausffihmngen dieses Abschnitts zugrunde-
liegenden Zahlenbeispiel wegen der steigenden Zinsstruktur und den unter T lie-
genden durchschnittlichen Fristigkeiten von T-periodigen Anlagen/Verschuldun-
gen mit periodischer Zinszahlung h6her als die Effektzinss~itze der zuletzt ge-
nannten AnlagerdVerschuldungen sind, so unscharf bleiben, wie sie formuliert
ist. 23
23 Often bleibt im Rahmen der vorliegenden f0berlegungen freilich, ob sich die genannten theoretischen Probleme bei der Nutzung der Duration zur Effektivzinsabsch~itzung praktisch in der Tat als relevant erweisen. Mit dieser Frage haben sich Knoll/Deininger (2004) nS.her beschaftigt.
226
Wiederholungsfragen
W5.1
Was versteht man unter Termin-, was unter Kassazinss~itzen?
W5.2
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Termin- und Kassazinss~itzen im Kapi-
talmarktgleichgewicht bei Sicherheit?
W5.3
Wie lautet
Zinss~itze?
die Kapitalwertformel bei Ansatz nicht-konstanter Ein-Perioden-
W5.4
Beschreiben Sie die retrograde Berechnungsmethode nach Rolfes zur Ermittlung
von Projektkapitalwerten!
W5.5
Was versteht man unter Zero Bonds und unter Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren?
W5.6
Auf welche verschiedenen Arten lassen sich Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren be-
stimmen?
W5.7
Wie l~isst sich der Kapitalwert eines Investitionsprojekts mit Hilfe von Zero-
B ond-Abzinsungsfaktoren berechnen?
W5.8
Auf welche Weise kann man die Effektivrenditen von Zero Bonds aus den Zero-
Bond-Abzinsungsfaktoren ermitteln?
227
W5.9
Welche Verl~iufe von Zinsstrukturkurven sind grunds~itzlich denkbar, und wie
sind diese inhaltlich zu interpretieren?
W5.10
Skizzieren Sie die Zusammenh~inge zwischen Zero-Bond-Abzinsungsfaktoren,
Effektivrenditen von Zero Bonds sowie Ein-Perioden-Terminzinss~itzen!
6
228
Kapitalwert und Inflation
6.1 Problemstellung
Bereits in friJheren Abschnitten wurde darauf hingewiesen, dass sowohl der
Konsum des Untemehmers als auch dessen Produktion im Rahmen yon Realin-
vestitionen grunds~itzlich in Giitereinheiten zu definieren ist. Erst durch die
Bewertung dieser Mengeneinheiten mit den zugeh6rigen Preisen gelangt man zu
monet~en Gr6gen, mit denen man vereinfacht weiterarbeiten kann. NatiJrlich
karm man sich die Frage stellen, welche Relevanz Preise ftir den Kapitalwert
eines Investitionsprojekts besitzen. Um diese Frage zu untersuchen, ist eine
Aufspaltung der Zahlungsgr6gen in eine Mengen- und eine Wertkomponente er-
forderlich. Statt auf die Bedeutung einzelner Gtiterpreise f'tir Projektkapitalwerte
abzustellen,.wird im Weiteren der Einfluss einer aggregierten Gr613e in Form des
Preisniveaus einer Volkswirtschaft im Vordergrund stehen. Im folgenden Ab-
schnitt 6.2 wird zun~ichst definiert, was ein Preisniveau und - damit zusam-
menhangend - eine Inflationsrate ist. Auf dieser Grundlage k6nnen nominale und
reale, sogenannte preisniveaubereinigte, Gr6gen voneinander unterschieden wer-
den. Abschnit t 6.3 legt dar, wie man die g~ingige Kapitalwertformel in eine
preisniveaubereinigte Form i.iberfiihren kann, unter welchen Voraussetzungen
diese Formulierung von Vorteil ist und wie plausibel diese Voraussetzungen sind.
Abschnitt 6.4 prifft n~her die Frage, wie sich Inflationsratenvariationen auf
Projektkapitalwerte und untemehmerische Endverm6genspositionen auswirken,
und im Absehnit t 6.5 werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.
6.2 Inflationsraten, nominale und reale GriiBen
Unter dem Preisniveau Pt eines Zeitpunktes t versteht man nichts anderes als
eine gewogene Summe von GiJterpreisen des betreffenden Zeitpunktes. Die Ge-
wichte ergeben sich hierbei aus dem jeweils f'tir die Preisniveauermittlung zu-
Die folgende Darstellung geht in Teilen auf Breuer (2000c) zurtick.
229
grunde gelegten Warenkorb. Damit ermittelt man nun die Inf la t ionsrate gt fiir
einen Zeitraum vom Zeitpunkt t-1 bis zum Zeitpunkt t, indem man die von t-1 bis
t eingetretene Preisniveau~inderung Pt-Pt_l durch das Ausgangspreisniveau Pt-t des
Zeitpunktes t-1 dividiert. Inflationsraten sind folglich nichts anderes als relative
Preisniveaui inderungen, deren formale Definition wie folgt lautet:
71;t - Pt-Pt a Pt
- - - 1 . (6 .1) Pt-1 Pt-1
B e i s p i e l 6 .1:
Betrachtet werde eine Volkswirtschaft tiber vier Zeitpunkte t = 0 . . . . . 3 hinweg.
Das Preisniveau belaufe sich im Zeitpunkt t = 0 auf P0 = 1,5, in t = 1 auf P~ =
1,575, in t = 2 auf P2 = 1,62225 und schliel31ich in t = 3 auf P3 = 1,68714. Damit
erh~ilt man Inflationsraten rt 1 = (1,575-1,5)/1,5 = 5 %, rt 2 = (1,62225-1,575)/1,575
= 3 % sowie zuletzt/~3 = (1,68714-1,62225)/1,62225 = 4 %. []
Gem~ii3 (6.1) gilt folglich Pt = ( l+~t) 'Pt- l" Da diese Beziehung ftir beliebige
Betrachtungszeitpunkte t Gtiltigkeit besitzt, erh~ilt man weiter Pt-1 = (l+%t-0"Pt-2
und damit durch Einsetzen in die Bestimmungsgleichung ftir Pt schliel31ich Pt =
(l+/~t)-(l+Et.1)'Pt. 2. Durch fortgesetztes rekursives Einsetzen gelangt man
schliel31ich zu der folgenden Bestimmungsgleichung ftir Pt:
t
Pt = P0"( l+ rc0 ' " " ( l+ rc t ) = P0"I - I ( l+n~ )" (6.2) v = l
Das Preisniveau Pt eines Zeitpunktes t kann also aus dem Preisniveau des Zeit-
punktes 0 berechnet werden, indem Letzteres jeweils mit den um 1 erh6hten In-
flationsraten aller Folgeperioden bis zum Betrachtungszeitpunkt t multipliziert
wird.
B e i s p i e l 6 .2:
Gegeben seien erneut die Inflationsraten aus Beispiel 6.1. Darm gilt P3 =
P0-(l+rt0.(l+rt2)-(l+Tt3) = 1,5-1,05.1,03-1,04 = 1,68714. Entsprechend erh~ilt
230
man P2 = 1,5-1,05-1,03 = 1,62225 sowie P~ = 1,5.1,05 = 1,575. []
Unter Beachtung yon Inflationsraten kann man eine Unterscheidung zwischen re-
alert und norninalen Griiflen einftihren. Ausgangspunkt sei eine Einzahlung in
H6he von z t zu einem Zeitpunkt t in Geldeinheiten. Eine derartige monet i i re Gr6-
13e wird als nominal bezeichnet. Bislang wurden im Rahmen dieses Lehrbuchs
stets nur nominale Gr613en der Best immung von Kapitalwerten zugrunde gelegt,
so dass eine genauere Kennzeichnung entbehrlich war. Im Rahmen dieses
Abschnitts wird sich dies jedoch ~tndem, weswegen im Folgenden statt z t genauer
z{ n~ geschrieben wird. Dividiert man narnlich z(t "~ durch das Preisniveau Pt des
Zeitpunktes t, so gelangt man zu der Anzahl der im Zeitpunkt t erwerbbaren
Mengeneinheiten des der Preisniveaubestimmung zugrundeliegenden Warenkorbs.
Der Quotient z(tn~ is t in dieser Hinsicht eine "reale", weil in Gi i tere inhei ten
ausgedrtickte Gr6i3e und soll deswegen als z{t rea~) bezeichnet werden.
Es sei nun angenommen, dass ein Investor einen Geldbetrag 7(n~ ~ t - 1 vont -1 b i s t
zum mal3geblichen Ein-Perioden-Zinssatz i t anlegt. Natfirlich betr~igt seine er-
zielbare Rendite mit Bezug auf sein Geldverm/Sgen gerade i t. Nun karm man sich
aber auch fragen, welche Anderung seine Konsumm6glichkeiten hinsichtlich des
der Preisniveauberechnung zugrunde gelegten Warenkorbs erfahren. Im Zeitpunkt
t-1 kann der Investor bei einem Geldbetrag "~t-7(n~ genau z{n~m)/Pt 1 _ _ Mengeneinheiten
des Warenkorbs erwerben. Im Zeitpunkt t hingegen bel~iuft sich diese Anzahl auf (norn). Zt_ 1 ( l + l t ) ] P t. Die absolute Anderung bemisst sich folglich als [z(t_"~m)'(l+it)/Pt] -
[7(n~ 1 Dividiert man diesen Betrag durch die "Ausgangskonsumm6glichkeit" ~t-I '~ t-lJ"
z{_n~m)/Pt.1, SO gelangt man zu der relativen Anderung der Konsumm6glichkeiten.
Diese relative Anderung wird als von t-1 bis t mal3geblicher Realzinssatz "ti{ren~)
bezeichnet, weil hier ein Bezug auf die Vertinderung realer Gr613en gegeben ist.
Der Zinssatz i t wird in Abgrenzung von i(t rea~) als Nominalzinssatz 2 charakterisiert
Trotz der gleichartigen Bezeichnung hat der hier als Nominalzinssatz be- zeichnete Zins gmnds~itzlich niehts mit dem Nominalzinssatz yon Anleihen zu tun, wie er im Zusammenhang mit der Diskussion nicht-flacher Zinsstrukturen eingeftihrt worden ist. Allerdings ist der Nominalzinssatz yon Anleihen wie
und soil
werden.
im Weiteren
231
zur besseren Unterscheidung dutch i(nom) t beschrieben
Es gilt nun: 3
it(r~>
z(nlm). (l +it (n~ Zt(nl m)
Pt Pt-1 (norll)
Zt-1
Pt-1
1 +i(n~ - 1
P t
Pt-1
-- 1. l + x t
(6.3)
Man erh~ilt somit den folgenden Zusammenhang zwischen Nominalzinssatz i(n~ ~t
Realzinssatz l ti(real) und Inflationsrate n t eines beliebigen Zeitraums von t-1 bis t:
(1 +it(re~))'(1 +nt) = 1 +it ("~ (6.4)
Der Realzinssatz "ti(real) kann denmach auch als derjenige Teil der gesamten nomi-
nalen Verzinsung i(n~ *t von t-1 bis t interpretiert werden, der tiber die bloge Ab-
jeder andere vertraglich vereinbarte Zinssatz zus~itzlich "nominal" im Sinne von "nicht real".
Die Herleitung der folgenden Beziehung zwischen Real- und Nominalzinss~t- zen sowie Inflationsraten geht auf Fisher (1896) zurfick. Eine sehr umfassende Analyse liefert Gebauer (1982). Vgl. aber auch etwa Richter/Schlieper/Fried- mann (1978), S. 135 ff., oder Schneider (1992), S. 389 ff.
232
geltung der Inflationsrate hinausgeht, also insofern einen echten M e h r k o n s u m
beztiglich des der Preisniveauermittlung zugrundeliegenden Warenkorbs erm6g-
licht.
Beispiel 6.3: Gegeben sei ein Kapitalmarkt mit den folgenden nominalen Ein-Perioden-Zinssat-
zen il n~ sowie Inflationsraten n t gem~ii3 Tabelle 6.1 im Rahmen einer Betrach-
tung tiber vier Zeitpunkte t = 0 . . . . . 3, das heil3t, drei Perioden.
2
~ t
t
i(nom) 0,04 0,05 0,03 t
0,02 0,04 0,01
Tabelle 6.1: Nominalzinss~itze und Inflationsraten ftir eine Drei-Perioden-Be-
trachtung von t = 0 bis t = 3
�9 ( r e a l ) Damit kann man die Realzinss~itze der einzelnen Teilperioden berechnen als 11
= i ( r e a l ) (1,03/1,01)-1 = = (1,04/1,02)-1 = 1,96 %, ;(real~ (1,05/1,04)-1 0,96 O~, *3
1,98 %. []
Eine vereinfachte (N~iherungs-) Formel ftir *ti(real) erh~ilt man durch Ausmultiplizie-
r e n d e r linken Seite von (6.4):
l+it(=l)+nt+i[r=').r~t = l+i[ n~
�9 ( n o m ) 7~ �9 ( r e a l ) �9 * it (real) = I t - t - I t " t (6.5)
it ~real~ ~. it(n~
sofem sich Zinss~itze und Inflationsraten im Bereich weniger Prozente bewegen.
Dann n~imlich liegt das Produkt aus Realzinssatz und Inflationsrate im Bereich
233
von unterhalb 1%0 und kann auf der rechten Seite der zweiten Zeile von (6.5)
vernachl~issigt werden. Approximativ l~isst sich demnach die Realverzinsung "ti(real)
von einem Zeitpunkt t-1 bis zu einem Zeitpunkt t dadurch absch~itzen, dass man
einfach vom zugeh6rigen Nominalzinssatz il n~ die Inflationsrate rt t ftir den
Zeitraum von t-1 bis t abzieht.
Beispiel 6.4: Gegeben seien die Nominalzinss~itze und Inflationsraten aus Beispiel 6.3 im Rah-
~ ( r e a l ) men einer Drei-Perioden-Betrachtung. Dann gilt i(real) 0,04-0,02 = 2 %, "2 x 1 ~ -
0,05-0,04 = 1%, i~ real) = 0,03-0,01 = 2 %. Die auftretenden Sch~itzfehler betragen
damit 0,02 bis 0,04 Prozentpunkte, also Bruchteile yon "Promillepunkten". []
6.3 Kapitalwertformel in realen Gr~gen
6.3.1 Herleitung
Schon im Kapitel II wurde darauf hingewiesen und zu Beginn dieses Abschnitts
6 daran erinnert, dass die Nutzenfunktion eines Unternehmers origin~ in den
verbrauchten Mengen der einzelnen zug~inglichen Konsumgtiter in den Betrach-
mngszeitpunkten t = 0 ..... T definiert ist und der Ansatz einer in den gesamten
jeweiligen Konsumauszahlungen der Zeitpunkte t = 0 . . . . . T definierten modi-
fizierten Nutzenfunktion bereits eine gewisse (letzten Endes ftir die Herleimng der
Fisher-Separation grunds~itzlich unkritische) Aggregation beinhaltet. Nattirlich
kann der Preis ein und desselben Konsumguts in verschiedenen Betrachtungs-
zeitpunkten t unterschiedlich sein, ohne dass dies f'tir die Fundierung der Fisher- Separation im Abschnitt 1 des vorliegenden Kapitels in irgendeiner Form von
Bedeutung ist. Entsprechendes gilt in Mehr-Perioden-Betrachtungen. Bereits dies
impliziert, dass es f'tir die Gtiltigkeit der Fisher-Separation und damit auch f'tir die
Kapitalwertberechnungen, wie sie bislang im Rahmen dieses Lehrbuchs vor-
gestellt wurden, grunds~itzlich unbedeutend ist, inwiefern in einer Volkswirtschaft
Inflation herrscht und wie sich Real- und Nominalzinss~itze in den einzelnen
Betrachtungsperioden zueinander verhalten. Man ermittelt die (nominale) Zah-
234
lungsreihe und diskontiert mit den entsprechenden nominalen Zinss~itzen. Gleich-
wohl mag man im Lichte der bislang dargestellten Zusammenh~inge unter
bestimmten Voraussetzungen zu vereinfachten Kapitalwertberechnungsm6glich-
keiten gelangen. Zu diesem Zweck soll die Kapitalwertformel zun~ichst auf reale
Gr613en zurtickgeftihrt werden. Dazu sei L t~(real) ~ Zlnom)/p t als die untemehmerischen
Konsumm6glichkeiten hinsichtlich des der Preisniveauermittlung zugrundelie-
genden Warenkorbs far Einzahlung zl n~ und Preisniveau Pt im Zeitpunkt t
definiert. Man kann bei den z(t rea~) knapp und ungenau von den realen Einzahlungs-
tiberschtissen des Untemehmers aus einem Investitionsprogramm oder -projekt
sprechen. 4 Damit gilt:
T Zt (n~
K = E t t:0 H (1 +i~ n~
'~=1
T z(re'al)" Pt --E,
t~0 [(1 + i ~ ) ) - (1 +~ ~)]
--EI t=O
t
zt~)" Po']- [ (1 + ~ ) ~=1
t
(1 +n) =I x =I
(6.6)
T Z~ r~l)
= P 0 ' E t t=0
II (1 + I x )
":=1
Der Begriff ist deswegen ungenau, weil eine "reale" Einzahlung gewisser- mal3en einen Widersprueh in sich darstellt. Zur Wahrung einer pr~ignanten Ausdrucksweise sei auf diese Ungenauigkeit aber nicht weiter eingegangen. In der Regel wird in anderen Darstellungen entsprechend verfahren. Vgl. etwa Eisenfiihr (1993), S. 77, oder auch Franke/Hax (2004), S. 216.
235
7(real) und i (real) genutzt, In der zweiten Zeile aus (6.6) wurden die Definitionen von ~t -t
in der dritten Zeile wurde Pt gem~il3 (6.2) ersetzt. Die vierte Zeile schliel31ich
ergibt sich nach Herausktirzen von FIt=l (l+nt).
Es ist demnach ohne weiteres m6glich, die Berechnung des Kapitalwertes einer
Zahlungsreihe von nominalen Gr613en in die zugeh6rigen realen Gr613en zu tiber-
ftihren.
Beispiel 6.5:
Betrachtet sei ein Investitionsprojekt tiber vier Zeitpunkte t = 0 ..... 3 hinweg, das
zu Zahlungskonsequenzen z(t "~ gem~il3 Tabelle 6.2 f'tihrt. Inflationsraten und
Nominalzinss~itze ftir die einzelnen Zeitr~iume von t-1 bis t (t = 1, 2, 3) sollen
denen aus Tabelle 6.1 entsprechen. Das Preisniveau im Zeitpunkt t = 0 belaufe
sich auf P0 = 1,5.
Z(nom) t -100
I IlI 50 60 65
Tabelle 6.2: (Nominale) Zahlungsreihe eines Projekts ffir t = 0 ... . . 3
Der Projektkapitalwert bestimmt sich in nominaler Berechnungsweise damit als
1r 100+ 50 4 60 ~ 65 - ~- 60,81 GE. (6.7) 1,04 1,04' 1,05 1,04" 1,05-1,03
Die realen "Zahlungen" aus dem Investitionsprojekt berechnen sich als Z0 (real) =
-100/1,5 = -66,6667 GE, 7(real) 50/(1,5"1,02) = 32,6797 GE, z~ re"l)
60/(1,5"1,02"1,04) = 37,7074 GE sowie ztrea~)3 = 65/(1,5"1,02"1,04"1,01)
40,4452 GE. Die Realzinss~itze sind schon aus Beispiel 6.3 bekannt. Damit l~isst
sich der Projektkapitalwert bei Abstellen auf reale Gr6gen gem~if3 der vierten
Zeile aus (6.6) auch wie folgt bestimmen:
236
~: ~- 1,5" (-66,6667 + 32,6797 1,0196
~. 60,82 GE.
_ _ + 37,7074 ~ 40,4452 /
1,0196.1,0096 1,0196"1,0096.1,0198) (6.8)
Es resultiert nattirlich in nominaler wie realer Betrachtungsweise der (bis auf
Rundungsdifferenzen) gleiche Projektkapitalwert. []
Insbesondere fOx ein Ausgangspreisniveau Po von 1 erh~ilt man den Kapitalwert
einer beliebigen Zahlungsreihe einfach dadurch, dass man die realen Einzahlun-
gen mit den entsprechenden realen Ein-Perioden-Zinss~itzen diskontiert. Im Weite-
ren sei daher zur Vereinfachung generell Po = 1 vorausgesetzt. Diese Annahme
stellt insofern keine Einschr~nkung dar, als letztlich nur relative Preisniveau-
~inderungen, also Irfflationsraten, praktisch von Interesse sind. Sofern P0 nicht
gleich 1 ist, kann man ohne weiteres neue Preisniveaus Pt = P~P0 definieren, fOx
die einerseits P; = 1 resultiert und andererseits (Pt-Pt.1)/Pt_ 1 = (Pt-Pt_0/Pt_l, also rct
= rt t fox alle Inflationsraten auf der Grundlage der beiden Preisniveaudefinitionen
gilt, weswegen auch die ausgewiesenen Realzinss~itze ceteris paribus unver~indert
blieben. Weitere Konsequenz der Normierung ware, dass alle realen Zahlungen
mit P0 zu multiplizieren waren, da a u s zl real)+ ~ z(tn~ unmittelbar z(, '~aj)+ =
Po'zl rea~) folgt. Insofern stellt die Normierung quasi nichts anderes als eine Umde-
finition der realen Zahlungen dar.
Beispiel 6.6: Es sei erneut die Situation aus Beispiel 6.5 betrachtet. Den (bis auf m6gliche
Rundungsdifferenzen) gleichen Kapitalwert wie (6.7) und (6.8) erhNt man auch
dann, wenn man die Preisniveaus Pt der einzelnen Zeitpunkte t tiber Division
dutch 1,5 neu normiert, so dass ftir den Zeitpunkt t = 0 ein Preisniveau von 1
resultiert. Konkret ergibt sich P; = P0/1,5 = 1, P~ = P1/1,5 = (1,5"1,02)/1,5 =
1,02, P~ = PJ l ,5 = (1,5"1,02-1,04)/1,5 = 1,0608 und P~ = P3/1,5 = (1,5-1,02"
1,04-1,01)/1,5 = 1,071408, weswegen sich die Inflationsraten nach wie vor auf
(1,02/1)-1 = 2 %, (1,0608/1,02)-1 = 4 % sowie (1,071408/1,0608)-1 = 1 %
237
belaufen und somit auch die Realzinss~itze unver~.rldert bleiben. Die "neuen"
realen Zahlungsgr6Ben des Projekts bestimmen sich als Quotient aus den Z(t n~
und den zugeh6rigen Preisniveaus Pt und sind damit gegentiber den "alten" realen
Gr6Ben letztlich nur mit 1,5 gestreckt: Z (real)+ -100/1 = -100 GE, 7 (real)+ (real)+ 50/(1-1,02) = 49,0196 GE, ~Z~'(real)+ = 60/(1 "1,02"1,04) ~- 56,5611 GE sowie z 3
= 65/(1-1,02-1,04-1,01) --- 60,6678 GE. Damit ergibt sich:
K -~ -100q --49'0196 q 56,5611 § 60,6678 1,0196 1,0196"1,0096 1,0196"1,0096"1,0198 (6.9)
~. 60,82 GE.
Natarlich ~indert diese Neudefinition demnach nichts am resultierenden Kapital-
wert. []
Zu fragen ist nun, unter welchen Voraussetzungen sich ein Ansatz an der letzten
Zeile yon Formel (6.6) statt an der ersten Zeile als lohnenswert erweist. Si-
cherlich stellt es keine Arbeitserleichterung dar, wenn man zun~ichst alle nomi-
nalen Gr6Ben schiitzt und sie anschliegend in reale umrechnet. Eine echte Erleich-
terung im Bereich der Datenbeschaffung resultiert vielmehr nur dann, wenn man
gewisse Zusa tzannahmen trifft. Insbesondere ist der Gedanke naheliegend, dass
der einzige Grund ftir schwankende nominale Ein-Perioden-Zinss~itze im Zeitab-
lauf in ebenfalls schwankenden Inflationsraten besteht. Unter dieser Prgmisse er-
h~ilt man einen konstanten Ein-Perioden-Realzinssatz i (re~) fiber alle Betrachtungs-
perioden. Geht man nun zus~itzlich davon aus, dass auch die EinzahlungsUber-
schtisse aus der Investition in den Zeitpunkten t = 1 bis t = T n u t wegen unter-
schiedlicher Inflationsraten nicht konstant sind, w ~ e auch ein konstanter Wert
z (real) der real ausgedrtickten Einzahlungsfiberschtisse der Unternehmung in den
Zeitpunkten t = 1 bis t = T gegeben. Mit P0 = 1 und A 0 als der in t = 0 erforder-
lichen Anfangsauszahlung k6nnte unter diesen Voraussetzungen der Kapitalwert
eines Investitionsprojekts folgendermagen ermittelt werden:
T Z (real)
= -A0+ t=l (1 +i(real)) t
= -A 0 +z (re~). RBF(i(~);T).
238
(6.1 O)
Die Kapitalwertformel wtirde sich demnach rechentechnisch und vom Datenbe-
darf her sehr stark vereinfachen, da man lediglich noch zwei Gr613en, i (re"~) und
z (rea~), zu sch~itzen h~itte. Formel (6.10) h~itte dabei f'tir beliebige Ein-Perioden-No-
minalzinss~itze, Inflationsraten und nominale Projekteinzahlungen Gtiltigkeit, so-
lange nur der hieraus resultierende Realzinssatz und die "reale" Projekteinzahlung
in jeder Periode die gleichen sind. In der Tat diirften die nominalen Gr613en sogar
stochastisch, das heil3t risikobehaftet 5, sein, sofern nur Sicherheit beztiglich i (rea~)
u n d z (real) herrscht. Die konkrete Inflationsrate h~itte damit keinerlei Einfluss auf
die H6he des ausgewiesenen Projektkapitalwertes.
B e i s p i e l 6 . 7 :
Gegeben sei ein Investitionsprojekt, das tiber drei Perioden hinweg in t = 1, 2
und 3 reale "Einzahlungen" von jeweils 50 ME 6 bei einem konstanten realen
Ein-Perioden-Zinssatz von 4 % liefert. Die Anfangsauszahlung A 0 sei 100 GE,
das Preisniveau P0 in t = 0 betrage 1. Dann gilt ftir den Projektkapitalwert:
lc = - 100+50. RBF(0,04;3)
-- -1130+50 1'043-1 (6.11) 1,043- 0,04
~- 38,75 GE.
Bei Risiko stimmen die ktinftigen (nominalen) Ein-Perioden-Kassazinss~itze nicht zwingend mit den zugeh6rigen Terminzinss~itzen tiberein. Stochastisch aus Sicht yon t = 0 k6nnen nattirlich nur die kiinftigen Kassazinssiitze sein. Auf diese bezieht sich daher hier auch die Aussage im Haupttext.
Die Einheit de r Z{ real) lautet gemag der Definition d e r Z{ real) auf Mengen- einheiten des der Preisniveauermittlung zugrundeliegenden Warenkorbs.
239
Zum gleichen Ergebnis gelangt man nattirlich auch auf der Grundlage der nomi-
nalen Gr6gen. Um diese zu ermitteln, ben6tigt man allerdings noch die Kenntnis
der Inflationsraten der einzelnen Perioden. In der nachfolgenden Tabelle 6.3 sind
exemplarisch (und willktirlich) Werte f'tir die rt t zusammen mit den hieraus resul-
tierenden nominalen Projekteinzahlungen und den nominalen Ein-Perioden-Zins-
s~itzen angegeben. Das bedeutet, dass zu den angesetzten Inflationsraten jeweils
die Werte ftir l ti(n~ und -tT(n~ berechnet wurden, so dass sich entsprechend dem
betrachteten S z e n a r i o z(t real) = 50 ME u n d i(t tea0 = 4 % ftir t = 1, 2, 3 ergibt.
0
Z(nom) t
2 t
rq 5,7692 % 3,8462 % 4,8077 %
i(nom) 10 % 8 % 9 % t
-100 52,8846 54,9186 57,5589
Tabelle 6.3: Inflationsraten, Nominalzinssatze und nominale Projekteinzahlun-
gen fur t = 0 .. . . . 3 (zum Teil gerundet)
Der Kapitalwert bei Abstellen auf nominale Gr6gen betr~igt damit:
K ~- -100+--52'8846 + 54,9186 § 57,5589 ~- 38,75 GE. (6.12) 1,1 1,1" 1,08 1,1" 1,08"1,09
Nicht nur ben6tigt man ftir die explizite Durchftihrung der nominalen Berech-
nungsweise die zus~itzliche Vorgabe von Inflationsraten, auch ist die Ermittlung
des Kapitalwertes in der Form (6.12) umst~indlicher als tiber (6.11). []
6.3.2 Diskussion
240
6.3.2.1 Konstante reale Einzahlungen
Beide der Bestimmungsgleichung f '~ den Projektkapitalwert zugrundeliegenden
PrS_missen sind nicht unproblematisch. So besteht zum einen gmnds~itzlich keine
Veranlassung, vonder Konstanz der realen Einzahlungstiberschtisse einer Unter-
nehmung auszugehen. Aus frtiheren Abschnitten ist bekannt, dass im Ein-Pro-
dukt-Fall ftix t = 1, ..., T
Zt (n~ = ( P t - k v , t ) . x t - K f , t (6.13)
geschrieben werden kann, so dass man
zt (read = (Pt-kv't)'xt-Kf't (t = 1, ..., T) (6.14) t
H (l+~z~)
erh~ilt. Schon anhand von (6.14) erkennt man, dass im Allgemeinen nicht davon
auszugehen ist, dass sich -tT(real) im Zeitablauf als konstant erweist. Nattirlich mag
dies "zufNlig" einmal der Fall sein. Der einzige systematisehe Grund dtirfte je-
doch darin bestehen, dass sich bei konstanter Absatzmenge x t = x 1 (V t = 1 . . . . .
T) die (Stiick-) Preise Pt, die variablen Sttickauszahlungen kv, t sowie die perio-
dischen Fixauszahlungen Kf, t ebenfalls entsprechend den Inflationsraten im Zeit-
raum von t = 1 bis t = T entwickeln:
t
Pt = Pl"I-I (1 +%), % =2
t
1%, t = 1%,1- H ( l+r~) , (6.15) %=2
Kf, t = K~,I" H (1 +n ~). "r=2
241
Bei Giiltigkeit von (6.15) wird (6.14) unter Beachtung von Po = 1 zu
zt(~ea,) (p,-1%,,)" x , - K r , z(n~ (,~) = ' - - z~ = konst. (t = 1, ..., T), (6.16)
l + g I l + n 1
da f'tir P0 = 1 die Gleichheit von l+rc I und P1 gegeben ist.
Zweifel los sind dies recht strenge Anforderungen zur Begrfindung konstanter
realer Investitionseinzahlungen, so dass hiervon allenfalls n~herungsweise ausge-
gangen werden kann.
Beispiel 6.8: Gegeben sei ein Investitionsprojekt tiber vier Zeitpunkte t = 0, 1, 2, 3 hinweg,
wobei in t = 0 ein Preisniveau yon P0 = 1 herrsche. Die Anfangsauszahlung in t
= 0 betrage 100 GE. FiJr t = 1 wird mit einer Produktabsatzmenge yon x~ = 70
ME zu einem Preis p~ = 3,173076 GE/ME bei variablen StiJckauszahlungen k~, 1
yon 2,115384 GE/ME gerechnet. Die fixen Auszahlungen Kf,1 des Zeitpunktes t
= 1 sollen sich auf 21,15384 GE belaufen. F~ir die Zeitpunkte t = 2 und t = 3
geht man ebenfalls yon einer Absatzmenge yon jeweils 70 ME aus. Preis, vari-
able StiJckauszahlungen und fixe Auszahlungen je Periode sollen sich jedoch je-
wells entsprechend der Inflationsrate yon t = 1 bis t = 2 bzw. yon t = 2 bis t = 3
ver~indern. Inflationsraten und Nominalzinss~itze sollen denen aus Tabelle 6.3 des
Beispiels 6.7 entsprechen. Damit erh~ilt man f'tir die Projektparameter und -ein-
zahlungen in den Zeitpunkten t = 1, 2, 3 die in Tabelle 6.4 dargestellten Werte:
242
t
Pt 3,173076 3,295119 3,453538
kv, t 2,115384 2,196746 2,302359
Kf, t 21,15384 21,967459 23,023589
52,8846 54,9187 57,5589 ZI n~
Tabelle 6.4: Absatzpreise, variable Stfickauszahlungen, fixe Auszahlungen und
resultierende Einzahlungstiberschtisse in t = 1, 2, 3 ffir das In-
vestitionsprojekt (auf vier bzw. sechs Dezimalstellen genau ge-
rundet)
Die Projektzahlungsreihe stimmt damit fast genau mit der aus Beispiel 6.7 iiber-
ein. Weil gleiches f'tir die Inflationsraten gilt, liegt bier denmach tats~ichlich eine
Investition mit nahezu konstanten realen Einzahlungen von 50 ME in t = 1, 2, 3
vor, wie schon aus Beispiel 6.7 hervorgeht. Man kann dies auch leicht nochmals
dadurch tiberprtifen, dass man die Zahlungsgr613en der zCt n~ jeweils durch
(1+7~1)'... '(1+7~t) dividiert, um so die realen Zahlungen zu erhalten. Es ergibt sich
ein annS_hernd konstanter Wert von 50 ME.
Da tiberdies auch die Nominalzinss~itze denen aus Beispiel 6.7 entsprechen, ist
der Projektkapitalwert mit dem dort berechneten faktisch identisch. []
6.3.2.2 Konstanter Realzinssatz
In entsprechender Weise ist grunds~itzlich auch nicht einzusehen, dass die reale
Verzinsung fiber alle Perioden konstant sein sollte. Schon die Konstanz des No-
minalzinssatzes bei Abstraktion von Inflation, also eine flache Zinsstruktur, l~isst
sich h6chstens als theoretischer Spezialfall interpretieren, der ganz bestimmte
Zeitpr~iferenzen der Wirtschaftssubjekte erfordert. Man k6nnte daher allenfalls die
These vertreten, dass der Realzinssatz einer (beliebigen) Periode von t-1 bis t sich
243
nicht in Abh~ingigkeit vonder Inflationsrate dieses Zeitraums 5_ndert. In diesem
Zusammenhang spricht man auch vonde r Fisher-Hypothese. 7
Selbst die Fisher-Hypothese ist aber nur sehr schwach theoretisch fundiert. Um
sie sachgerecht zu wtirdigen, ist es erforderlich, allgemeine Marktgleichgewichte
zu betrachten, in denen die Einffihrung einer exogenen Stiirung wie staatlichen
Eingriffen, Pr~iferenz- oder Produktionstechnologie~inderungen zu Preisanpassun-
gen f'tihrt. Durch Vergleich des vor und nach der St6rung jeweils herrschenden
Realzinssatzes ist sodann eine Prfifung der Fisher-Hypothese auf Gfiltigkeit m6g-
lich. 8 Dabei sollte es nicht allzu sehr verwundern, dass je nach der betrachteten
Ursache ffir die Beeinflussung von Preisen sogar schon im Ein-Gut-Fall eine
Verletzung der Fisher-Hypothese denkbar ist.
Zur Veranschaulichung sei ein Marktteilnehmer betrachtet, der im Rahmen eines
Zwei-Zeitpunkte-Ansatzes in t = 0 fiber eine liquide Mittelausstattung in H/She
von W 0 verffige, die er entweder zum Erwerb des einzig existenten Konsumgutes
gegen Zahlung eines Preises 9 P0 je Stfick oder aber zur Anlage zum Nominal-
Vgl. zur Fisher-Hypothese beispielsweise Franke/Hax (2004), S. 217 ft., so- wie die bereits in Ful3note 3 dieses Abschnitts genannten Quellen. Vor allem Gebauer (1982) gibt einen umfassenden Oberblick fiber m6gliche Modifikatio- nen der Fisher-Hypothese. Im Rahmen des internationalen Finanzmanage- ments etwa erweitert man die urspra'ngliche Fisher-Hypothese hin zur behaup- teten Gleichheit der Realzinss~itze in verschiedenen L~indem und spricht hier- bei dann vom "Nationalen Fisher-Effekt". Vgl. zu Letzterem etwa Breuer (2000a) sowie den nachfolgenden Abschnitt 7 dieses Kapitels.
Die Notwendigkeit, die Fisher-Hypothese im Rahmen einer expliziten Gleich- gewichtsbetrachtung zu untermauem, wurde in der Literatur erst recht sp~it erkarmt. Vgl. als einen frfihen Beitrag etwa Friedman (1978). Des Weiteren sei anf die Darstellung von Sargent (1987), S. 143 f., verwiesen.
Da es nu r ein Gut gibt, braucht nicht zwischen Gfiterpreis und Preisniveau unterschieden zu werden. Weil exogene St6rungen auch den Gtiterpreis des Zeitpunktes t = 0 beeinflussen k6nnen, erfolgt hier fiberdies zweckm~iger- weise keine Beschr~rdkung auf Situationen mit P0 = 1 GE/ME.
244
z i n s s a t z i (n~ bis t = 1 nutzen kann. Mit Y0 sei die Anzahl der nachgefragten
Einheiten des Konsumgutes bezeichnet, der Anlagebetrag yon t = 0 bis t = 1 sei
d u r c h A (n~ charakterisiert. In t = 1 verftige das Subjekt tiber keine liquide An-
fangsausstattung, so dass nur Mittel in H6he von A(n~ (n~ in t = 1 zum
Erwerb des Konsumgutes zum dann herrschenden Preis P~ zur Verftigung stehen.
Die Variable y~ kennzeichne die Anzahl der nachgefragten Gtitereinheiten. Unter
diesen Bedingungen sieht sich das Wirtschaftssubjekt mit den folgenden Budget-
restriktionen konfrontiert:
I. Po'Yo+A(n~ = W 0 '
II. PI" Yl = A (.ore). (1 +i("~ (6.17)
Umformung der zweiten Restriktion liefert:
P1 A (n~ (1 +i (n~
P0 "Yl = P0
A (nora). (1 +i (real))
** Yl = P0
(6.18)
In der ersten Zeile wurden hierbei beide Seiten der Gleichung durch P0 dividiert,
in der zweiten Zeile durch l+rc 1 = PIP0. Des Weiteren sei angenommen, dass so-
wohl das Gesamtangebot ~t,ges an Gtitern der Zeitpunkte t = 1 und t = 2 als auch
an M0glichkeiten ~(nom) der Mittelanlage preisunabhiingig festliege. Die M6g- ~-ges
lichkeiten der Mittelanlage sollen dabei namlich in dem Erwerb staatlicher An-
leihen in t = 0 bestehen, deren Angebot seitens des Staates in t = 0 exogen sei.
Gleichung (6.18) gilt ftir jedes Subjekt und damit auch bei der Addition der
Gtiternachfragen fiber alle Individuen. Mit Yt,ges als gesamter Gtitemachfrage und
A(nom) als gesamtem Anlagebetrag aller Individuen und unter Beachtung der ges
Gleichgewichtsanforderung Yt,ges = Yt,ges erfordert Marktr~iumung in t = 1 damit:
245
--(nom) 1 - Ages "( +i (real))
Yl,g~ = Po (6.19)
Da das Gtiterangebot ebenso wie das insgesamt m6gliche Anlagevolumen der
Subjekte gegeben sein soll, folgt aus der etwaigen Konstanz des Realzinssatzes,
dass P0 ebenfalls konstant sein muss.
In entsprechender Weise kann man die mit I. in (6.17) gekennzeichneten Budget-
restriktionen aller Subjekte addieren. Man erh~ilt hieraus unter Beachtung der
Marktr~iumungsbedingung ~o,ges = Y0,ges und mit Wo,ges als gesamter liquider An-
fangsausstattung aller Marktteilnehmer in t = 0 die folgende Gleichgewichtsanfor-
demng:
Po" - - - (nora) Y0,ges +/-~ges = W0,ges" (6.20)
Sofern von staatlicher Seite die liquide Anfangsausstattung der Subjekte in t = 0
erh6ht wird (indem etwa zus~itzliches Geld gedruckt und ausgegeben wird), muss
bei Konstanz des gesamten Gtiterangebots des Zeitpunktes t = 0 sowie des
gesamten Anlagevolumens aller Marktteilnehmer der Preis P0 steigen. Dann abet
kann der Realzinssatz g e m ~ den (Iberlegungen zu (6.19) nicht mehr konstant
sein. Die Fisher-Hypothese w ~ e hier also selbst im Rahmen dieser einfachen
Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung einer Ein-Gut-Welt schon verletzt.
Beispie l 6.9:
Es sei v o n ~O,ges ~- 10 ME sowie Y~,ges = 22 ME mit Preisen Po = P~ = 1 GE/ME
ausgegangen. Ferner gelte ~nom) = 20 GE und W0,ges = 30 GE. Wegen Po = P~ - - g e s
stimmen Nominalzinssatz und Realzinssatz in der Ausgangssituation tiberein. Im
Weiteren wird i (n~ = 10 % unterstellt. Durch Einsetzen l~isst sich leicht prtifen,
dass die Gleichgewichtsbedingungen (6.19) und (6.20) ftir diese Parameterwerte
erftillt sind. Der Staat erh6he nun jedoch ceteris paribus die monet~ire Anfangs-
ausstattung der Subjekte um 1/60 auf 30,5 GE. Gem~il3 (6.20) ist im neuen
Gleichgewicht f'tir t = 0 ein Gtiterpreis von 1,05 GE/ME statt 1 GE/ME erforder-
246
lich. Damit aber kann die Gleichgewichtsbedingung (6.19) des Zeitpunktes t = 1
nur noch ffir einen Realzinssatz von 1,1-1,05-1 = 15,5 % r 10 % erftillt werden.
Die Fisher-Hypothese ist damit augenscheinlich ungtiltig. []
Geht man fiber zu Mehr-Gii ter-Betrachtungen, dann werden Verletzungen der
Fisher-Hypothese geradezu ubiquit~ir, sofern relative Gfiterpreise im Zeitablauf
nicht konstant sind und exogene St6rungen zu ihrer Anderung ftihren. Zum Beleg
genfigt der Ansatz an einer Volkswirtschaft mit zwei Gtitern. Deren Preise in der - ( 2 ) Ausgangssituation seien ffir t = 0 mit po r und Po und ffir t = 1 entsprechend mit
pl 1) und p{2) charakterisiert. Nach Einftihrung der exogenen St6rung soll sich der
Preis eines Gutes j = l, 2 im Zeitpunkt t = 0, 1 auf pt ~ belaufen. Mit q(1) sei das
Gewicht des Gutes 1 im der Preisniveauermitflung zugrundeliegenden Warenkorb
bezeichnet. Entsprechend ist 1-q ~ Gewicht des Gutes 2. Damit kann das
Preisniveau eines Zeitpunktes t = 0, 1 in der Ausgangssimation folgendermal3en
berechnet werden:
Pt = q(1).p~l)+(l_q(1)).pt(2)" (6.21)
In analoger Weise ist das Preisniveau unter Berficksichtigung der exogenen StS-
rung definiert. Mit i (n~ und i (real) als den vor St6mng herrschenden Zinss~itzen
und i (n~ sowie i (rea~)+ als den nach St6rungseintritt maBgeblichen fordert die
Fisher-Hypothese die Gfiltigkeit der folgenden Gleichung:
1 + i (~e~) = 1 + i (real) +
Po + (l+i(n~ ~ = (1 +i(n~ p~+
q (1). po(1) +(1 -q (1)). po(/) (1 +i(n~ " = (1 +i(n~
qO).p~l)+(1 1 (2) -q( )).p~
(6.22)
q (1). po(1)+ + (1 -q (1)). po(2) +
q 0). p~a> +(1 -q (1)). p~2)+
247
Unter dem relat iven P r e i s p~rel) des Gutes 2 in Einheiten des Gutes 1 zum Zeit-
punkt t versteht man die Anzahl von Einheiten des Gutes 1, die in t den gleichen
Gesamtpreis wie eine Einheit des Gutes 2 aufweisen. Es gilt daher pl re~ = p(t2)/pl l~.
Unter Beachtung dieser Definition kann die letzte Zeile yon (6.22) in folgender
Weise umgeschrieben werden:
(1) q(1) +(1 _q(1)).po(reO (1 +i(n~ Po
p(l) q(a)+(l_q(1)).p(rel)
p(1)+ (1 +i~n~ _ _ p~a)+
qO)+(1 -qO)).po~l)+
q(1) +(1 -q(l))-p~rel)+
(6.23)
Grunds~itzlich kann (6.23) als eine in q~l) definierte Gleichung aufgefasst werden.
Die Variable q(1) ktirzt sich aus (6.23) nur heraus, wenn die relativen Gtiterpreise
der Zeitpunkte t = 0 und t = 1 sowohl vor als auch nach der St6rung identisch
= na~l)+ oder aber die St6rung die relativen sind, also fa l ls po (rel) = p~l tel) sowie po ~rel)+ vl ,
GUterpreise nicht beeinflusst, also falls p0 ~rel) = p~0 tel)+ und pl ~l) = pl r~')+. In allen
anderen F~illen ist (6.23) nur ffir maximal zwei Werte von q") erfiillt, da (6.23) in
eine quadratische Gleichung f~ir q(1) ~iberf'tihrt werden kann. Fiir alle anderen
Werte von q(1), also alle anderen denkbaren Warenk6rbe, liegt dann aber
zwingend eine Ver le tzung von (6.23) und damit der Fisher-Hypothese vor.
Beispiel 6.10: Im Rahmen einer Zwei-Zeitpunkte-Zwei-Gtiter-Betrachtung gelte po ~) = 1 GE/ME,
p~2) = 1,8 GE/ME und p{2) 2,4 GE/ME vor Eintritt einer 0 = 1,2 GE/ME, pl 1) =
exogenen St6rung. Nach St6rungseintritt sollen die GiJterpreise der Zeitpunkte t
= 0 und t = 2 die Werte p0 ")+ = 1,2 GE/ME, p~02)+ = 1,6 GE/ME, p{l)+ = 2,2
GE/ME u n d pl 2)+ = 2,8 GE/ME annehmen. Der gleichgewichtige Nominalzinssatz
werde durch die St6rung nicht beeinflusst. Aus (6.23) l~sst sich dann berechnen,
dass die Fisher-Hypothese nur fiir q~) ~- 0,902832 G~iltigkeit besitzen kann. F~ir
diesen Wert von q{l) erh~lt man vor und nach exogener St6rung eine Inflationsrate
248
von ungef'~ihr 82,29 % und damit wegen i ~n~ = i ~n~ auch den gleichen
Realzinssatz.
Zwar existiert mit q(2) ~ 4,4305 noch ein zweiter Wert, durch den (6.23) erftillt
wird. Doch liegt dieser nicht zwischen 0 und 1, wie es sich far einen Gewich-
tungsfaktor verhalten sollte. Ftir alle anderen Werte von q gilt die Fisher-Hypo- these wegen der Verletzung von (6.23) ohnehin nicht. Beispielsweise betr~igt die
Inflationsrate vor Eintritt der St6rung ffir qC~) = 0,5 etwa 90,91%, nach St6-
nmgseintritt jedoch nut noch nahemngsweise 78,57 %, so dass der gleichgewich-
tige Realzinssatz als Folge der St6rung steigt. []
Alles in allem verwundert es daher nicht, dass die Fisher-Hypothese in der Em-
pirie nur recht "durchwachsenen" Rfickhalt finden kann. 1~ Des Weiteren sei
nochmals betont, dass selbst bei Gtiltigkeit der Fisher-Hypothese die Bestim-
mungsgleichung (6.10) nieht gefolgert werden kann, da sich auch bei Gtiltigkeit
der Fisher-Hypothese keineswegs die Konstanz des Realzinssatzes fiber alle Peri-
oden ergibt. Die Fisher-Hypothese bezieht sich nur darauf, dass eine in t = 0 er-
folgende Ceteris-paribus-Variation von kiJnftigen Inflationsraten der einzelnen Be-
trachtungsperioden die jeweils resultierenden periodenbezogenen Realzinss~itze un-
beeinflusst l~isst. Nattirlich k6nnte allerdings auch diese Erkenntnis das untemeh-
merische Investitionsentscheidungsproblem bereits vereinfachen.
Zusammenfassend ist die Bestimmungsgleichung (6.10) damit jedenfalls mit Vor-
sicht zu genieBen. Unabh~ingig yon dieser Wtirdigung ihrer praktischen Bedeu-
tung kommt ihr jedoch konzeptionelle Relevanz insofern zu, als hiertiber Bedin-
gungen aufgezeigt werden, unter denen ffir verschiedene Inflationsniveaus stets
der gleiche Kapitalwert resultiert. Im Weiteren soll deshalb nun unter anderem
noch etwas naher geprtift werden, wie Projektkapitalwerte generell auf Inflations-
10 Die Fisher-Hypothese z~ihlt sicherlich mit zu den am meisten empirisch getes- teten theoretischen Zusammenh~ingen innerhalb der Wirtschaftswissenschaften. Die Diskussion halt dabei bis in die jtingere Zeit unvermindert an. Vgl. etwa Crowder/Hoffman (1996) und die dort zitierten Quellen.
ratenvariationen reagieren.
249
6.4 Monetiire Konsequenzen von Inflationsratenvariationen
Um die Konsequenzen einer Variation der f'tir die Kapitalwertberechnung zugrun-
de gelegten Inflationsraten abzusch~itzen, sind einige vereinfachende Annahmen
zu treffen. Die nominalen Einzahlungen aus dem Investitionsprojekt sollen von t
= 1 ab jede Periode um den Fak to r g wachsen, so dass
z(nOm) _ (nom) = Z 1 " (1 +g) t -1 ( 6 . 2 4 )
ftir alle t = 1 ..... T gilt. Des Weiteren werde von einem konstanten Nominalzins-
satz i ("~ und einer konstanten Inflationsrate rt tiber alle Perioden von t = 0 bis t
= T ausgegangen, womit wegen (6.4) auch ein konstanter Realzinssatz i (rea0 tiber
den gesamten Betrachtungszeitraum resultiert. Als Kapitalwertformel erh~ilt man
damit:
T Zt (n~
= - A 0 + E (nom))t t=l (1 +i
z (nora) 1
= -Ao+ l+g
�9 T [ l+g .it t ~ l ( 1 +i(~)) �9 (1 +tO
(nom) Z 1
= -Ao+ l+g
�9 RBF(t;T)
(6.25)
mit
1 = l+g 1+~ (1 +i(real)). (1 +~)
(1 +i (r~)) �9 (1 +x)-(1 +g) L ---
l+g
(6.26)
250
Die Gr613en g, i (real) und rt bilden demnach hierbei einen in spezifischer Weise zu
berechnenden, zusammengesetzten Kalkulationszinsful3 t. Des Weiteren bezeich-
net der Quotient Zl"~ gewissermagen eine fiktiv auf den Zeitpunkt t = 0
zurtickgerechnete Einzahlung "~04("~ die sich dann erg~ibe, wenn bereits in t = 0
laufende Einzahlungstiberschtisse aus der im Rahmen der Projektrealisation erfol-
genden Produkteherstellung resultierten und die konstante Wachstumsrate yon g
auch im Zeitraum von t = 0 bis t = 1 Gtiltigkeit beshl3e. Die Prg_rnisse Po -- 1 ist
zur Herleitung von (6.25) tibrigens nicht erforderlich.
Beispiel 6.11: Gegeben sei ein Investitionsprojekt mit einer Anfangsauszahlung in t = 0 yon 100
GE. In t = 1 ergeben sich Rtickfltisse von 50 GE. Die Riickfliisse der Zeitpunkte
t = 2 und t = 3 sollen jeweils 20 % fiber denen des vorhergehenden Zeitpunktes
liegen. Der Realzinssatz i ~rea~) betrage Ftir alle Teilperioden t-1 bis t (t = 1, 2, 3)
jeweils 5 %, und die Inflationsrate belaufe sich auf einheitlich rt = 3 % ftir alle
Teilperioden. Damit erh~ilt man als konstanten Nominalzinssatz i ~n~ in den
einzelnen Zeitr~iumen t-1 bis t (t = 1, 2, 3) jeweils 1,05-1,03-1 = 8,15 %. Der
Projektkapitalwert bemisst sich dementsprechend als:
~: = -100+ 50 4 - - 6 0 4 - - 7 2 ~ 54,45 GE. (6.27) 1,0815 1,08152 1,08153
Zum gleichen Ergebnis gelangt man nattirlich auch bei Verwendung der Formeln
(6.25) und (6.26). Hiemach resultiert
50 ~: -- - 100 + .RBF(-0,09875;3)
1,2
= - 100 +41,6. (1-0,09875) 3 - 1
(1-0,09875) 3. (-0,09875)
(6.28)
.~ 54,45 GE,
da
251
1,05 "1 ,03-1 ,2 = = -9,875 % (6.29) 1,2
gilt. ~ 1 []
Bestimmungsgleichung (6.25) ist augenscheinlich mit Formel (6.10) verwandt.
Selbst unter der Voraussetzung P0 = 1 ist aber keine der beiden Formeln als
Spezialfall der jeweils anderen aufzufassen. W~ihrend in (6.10) namlich durchaus
von Periode zu Periode unterschiedliche Wachstumsraten gt der (nominalen) Pro-
jekteinzahlungen und Inflationsraten nt unterstellt werden k6nnen, solange nur
stets gt = Kt Gtiltigkeit besitzt, wird in (6.25) zwar Konstanz aller gt und aller rct
angenommen, g = rr muss aber nicht zwingend gelten. Entsprechend kann man
(6.10) zu (6.25) unter der zus~tzlichen Annahme gt = g sowie n t = rt (V t = 1 .....
T) umformen, wS.hrend man aus (6.25) die Bestimmungsgleichung (6.10)
gewinnt, wenn zus~itzlich yon g = rc (bei P0 = 1) ausgegangen wird.
Je nachdem, wie sich im Zusammenhang mit (6.25) Variationen von n auf die
anderen beiden Bestimmungsgr6gen i (rea~ und g auswirken, ergeben sich unter-
schiedliche Konsequenzen ftir t und damit den resultierenden Kapitalwert ~c. In
genereller Form ist es nicht einfach, zu gehaltvollen Aussagen zu gelangen. Aus
diesem Grunde sind weitere Simplifizierungen erforderlich. Es sollen daher nur
zwei verschiedene Entscheidungssituationen betrachtet werden:
1) Unabh~ingigkeit von i (tea0 im Hinblick auf Anderungen von n
Hypothese) und
2) Unabh~ingigkeit von g im Hinblick auf Anderungen yon n.
(Fisher-
1~ Dass t negativist , spielt fttr die Anwendung der Rentenbarwertformel keine Rolle, wie man auch an den gemfig (6.27) und (6.28) resultierenden identi- schen Ergebnissen erkennt.
252
Des Weiteren sei ein konstanter Wert ftir die fiktive Einzahlung ~0~(n~ angenom-
men, so dass Variationen von g bereits ab t = 1 die Rtickfltisse aus dem Projekt
beeinflussen.
Wie sich ceteris paribus eine ErhOhung von rt auf den Kapitalwert im Szenario
1) auswirkt, h~ingt in erster Linie yon dem Einfluss der Inflationsrate auf die
Wachstumsrate der nominalen EinzahlungsiJberschtisse aus dem Investitionspro-
jekt ab. Sofern sich l+g prozentual starker als l+rc erh6ht, steigt ~c mit
wachsendem 7t und sinkt mit fallender Inflationsrate. Genau umgekehrt sind die
Konsequenzen, wenn sich l+g nur in geringerem prozentualen Umfang als l+rc
~indert. Die Intui t ion f'tir diese Resultate dtirfte auf der Hand liegen. Sofern die
Einzahlungen z~t n~ (t = 1 ..... T) relativ starker als die um 1 erh6hte Inflationsrate
ansteigen, erzielt der Unternehmer aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 mit
wachsender Inflation eine Verm6gensmehrung und mit fallender eine Verm6gens-
minderung. Dass sich f'tir g = rt ein yon rc tmabh~ingiger Kapitalwert ergibt, ist
dabei schon aus der Diskussion des vorhergehenden Abschnitts 6.3 bekannt.
In der Tat gelten entsprechende Aussagen ftir das Realvermiigen des Unterneh-
mers zu jedem beliebigen Betrachtungszeitpunkt. So ergibt sich auf der Grund-
lage von (6.25) ein untemehrnerisches Endverm6gen des Zeitpunktes t = T von
~" (1 +i (n~ T
T = -A o- [(1 +i(r~))- (1 +g)]T+Z~ n~ E {(1 +g)t. [(1 +i (r~))" (1 +g)]T-t}.
t=l
(6.30)
Dieses nominale Endverm6gen gem~ig (6.30) muss noch durch (l+rt) T dividiert
werden, um zum zugeh6rigen realen Verm6genswert zu gelangen. 12 Per saldo
wird ~c demnach nattMich mit i (real) aufgezinst, und man erh~ilt:
12 Sofem der Fall P0 ~ 1 berticksichtigt werden sollte, w ~ e - ohne Beeinflussung der Ergebnisse - durch Po-(l+rt) T zu teilen.
253
j = ~-(1 +i(~1)) T
= -A o- (1 +i (~))T (6.31)
Augenscheinlich wirkt eine Variation von n bei konstantem Realzinssatz i (real) in
Abh~ingigkeit yon der Sensitivit~it von g bei Inflationsraten~inderung auf das reale
EndvermOgen demnach in gleicher Weise wie schon auf den Kapitalwert gem~iB
(6.25). Entsprechendes gilt ffir das Realverm6gen Sz'(l+i(real)) t aus Sicht eines
beliebigen anderen Bezugszeitpunktes t = 1, ..., T-1, da Variationen von n wegen
des konstanten Realzinssatzes i (real) n u r fiber die Beeinflussung des Projekt-
kapitalwertes s: Wirkung enffalten k6nnen.
Beispiel 6.12: Gegeben seien erneut die Annahmen des Beispiels 6.11. Das zum Projektkapital-
wert aus (6.27) bzw. (6.28) geh6rige reale Endverm6gen beRiuft sich ungef'fihr auf
54,45.1,053 = 63,03 GE. Eine Erh6hung der Inflationsrate um 2 Prozentpunkte
auf rt = 5 % f'tihrt bei konstantem Realzinssatz i (real) v o n ebenfalls 5 % und
gegebenem Wert "~0~(n~ = 41,6 GE ZU einem modifizierten Projektkapitalwert ~: je
nach Beeinflussung von g gem~iB Tabelle 6.5. In der letzten Zeile der Tabelle 6.5
kann fiberdies das jeweils zugeh6rige reale Endverm6gen abgelesen werden.
19 %
254
2 1 % 22,33 % 23 % g
~; 45,912 51 54,448 56,205
�9 ( 1 +i(real)) 3 53,15 59,04 63,03 65,06
Tabelle 6.5: Konsequenzen einer Inflationsraten~inderung je nach induzierter
Variation der Wachstumsrate g (auf zwei bzw. drei Dezimalstel-
len gerundete Werte)
Die Ver~inderung der Inflationsrate um 2 Prozentpunkte ist gleichbedeutend mit
einer relativen )~nderung von l+n um 1,05/1,03-1 = 1,942 %. FOr einen auf ca.
1,2-1,01942 = 1,2233 gestiegenen Wert von l+g bleiben deswegen Projektkapi-
talwert und reales Endverm6gen konstant. Ftir geringere relative Anstiege yon
l+g fallen beide Reichtumsmal3st~ibe, F~ h6here nehmen sie zu. []
Die Diskussion im Rahmen des Szenarios 1) basierte auf der bereits als proble-
matisch dargestellten Fisher-Hypothese. Insofern dtirfte eine Auseinandersetzung
mit dem Szenario 2) unter expliziter Zulassung yon Verletzungen der Fisher-
Hypothese von besonderem Interesse sein.
Im Szenario 2) hat eine Variation von n genau dann keine Konsequenz ftir den
ausgewiesenen Projektkapitalwert, wenn das Produkt (l+i (real)) -(1 +~), also der No-
minalzinssatz i (n~ konstant bleibt. Dies ist nicht sehr iiberraschend, denn wenn
eine Anderung der Inflationsrate weder die Projektzahlungsreihe noch den (nomi-
nalen) Diskontierungsfaktor beeinflusst, spielt die H6he der Inflationsrate
augenscheinlich keine Rolle.
Sinkt der Nominalzinssatz bei wachsendem n infolge einer zu starken Abnahme
des Realzinssatzes, dann steigt der gesamte Kapitalwert. Entsprechend f~illt er fiir
eine ceteris paribus reduzierte Inflationsrate. Genau umgekehrt sind die Effekte
fiir den plausibleren Fall, dass sich der Nominalzinssatz mit wachsender Infla-
tionsrate ebenfalls erh6ht. Insbesondere also impliziert ein konstanter Realzinssatz
255
im Szenario 2) einen in n fallenden Projektkapitalwert. Auch diese Ergebnisse
sind intuitiv gut nachvollziehbar. So ftihrt eine steigende Inflationsrate bei
konstantem Realzinssatz schon deshalb zu einem fallenden Projektkapitalwert,
weil sich die hierdurch dokumentierten (durch Mittelaufnahme in t = 0 erreichba-
ren) Konsumm6glichkeiten infolge des ceteris paribus gestiegenen Nominalzins-
satzes verringert haben.
Die Konsequenzen einer Variation von n im Szenario 2) ftir das real gemessene
Endvermiigen eines Unternehmers aus der Projektrealisation sind etwas komple-
xer, da das reale Endverm6gen dutch Aufzinsung des Projektkapitalwertes mit
dem Realzinssatz auf den Zeitpunkt t = T ermittelt wird. Weil der Projektkapital-
wert bei konstantem Realzinssatz in n f~illt, verschlechtem sich damit allerdings
wenigstens in diesem Falle auch die ftir t = T erreichbaren Konsumm6glichkeiten.
Dieses Ergebnis best~itigt sich bei einem Blick auf Bestimmungsgleichung (6.31).
Entsprechendes gilt auch, wenn eine h6here Inflationsrate zwar mit wachsendem
Nominalzinssatz einhergeht, dieser aber wegen nur partieller Anpassung einen so-
gar sinkenden Realzinssatz induziert.
Im Lrbrigen sind abet durchaus sowohl Konstellationen denkbar, dass ein mit
wachsendem n steigender Projektkapitalwert mit einem fallenden realen Endver-
m6gen einhergeht, als auch solche, dass ein abnehmender Projektkapitalwert mit
zunehmendem realen Endverm6gen zusammenf~illt. Der erstgenannte Fall kann
dann auftreten, wenn eine wachsende Inflationsrate einen so deutlich fallenden
Realzinssatz bewirkt, dass sogar der Nominalzinssatz sinkt. Eine derartige
Situation dtirfte zugegebenermaBen eher theoretische, denn praktische Bedeutung
haben. Praktisch ein wenig relevanter dtirfte der letztgenannte Fall sein. Dieser
wird dann zu beobachten sein, wenn bei ceteris paribus erhtihter Inflationsrate
Nominal- und Realzinssatz anwachsen und ein hinreichend langer Betrachtungs-
zeitraum t = 0 bis t = T zugrunde gelegt wird. Diese Zusammenh~inge implizieren
insbesondere, dass die Konsequenzen einer zunehmenden Inflationsrate im Rah-
men des Szenarios 2) (beispielsweise in einer Ein-Gut-Welt) priiferenzabhiingig
zu bewerten sind. Sofern die Projektzahlungsreihe inflationsunabhLngig ist,
256
werden Unternehmer mit hoher Gegenwartspr~erenz durch zunehmende Inflation
wegen der typischerweise verteuerten Kreditaufnahme gesch~idigt. Unternehmer
mit hoher Zukunftspr~iferenz hingegen k6nnen von einer starken Inflation dann
profitieren, wenn ein hinreichend langer Betrachtungszeitraum zugrunde gelegt
wird und die durch Erh6hung von re induzierte Nominalzinssatzzunahme him'ei-
chend ausgepr~igt ist. Trotz Gfiltigkeit der Fisher-Separation fdr gegebene Infla-
tionsrate und gegebenen Nominalzinssatz ist die Beurteilung von Parameterver~in-
derungen demnach hier grunds~itzlich pr~erenzabh~ingig. Wir werden auf dieses
generelle Ph~.nomen insbesondere bei der Diskussion der Konsequenzen aus der
Besteuerung von Projektertr~igen nochmals zurtickkommen.
Beispiel 6.13: Gegeben seien einmal mehr die Annahmen aus Beispiel 6.11. Eine Erh6hung der
Inflationsrate um 2 Prozentpunkte auf re = 0,05 ffihrt bei konstanter Wachstums-
rate g = 20 % und gegebenem Wert ~(0 "~ = 41,6 GE zu einem modifizierten Pro-
jektkapitalwert • je nach Beeinflussung des Realzinssatzes i (real) gem~iB Tabelle
6.6. In der letzten Zeile der Tabelle 6.6 kann ferner das jeweils zugehSrige reale
Endverm6gen abgelesen werden.
1 % 3 % 5 % 7 %
K 60,864 54,448 48,441 42,809
62,71 59,5 56,08 52,44 K.(1 +i(real)) 3
Tabelle 6.6: Konsequenzen einer Inflationsratenanderung je nach induzierter
Variation des Realzinssatzes i (rea~ (auf zwei bzw. drei Dezimal-
stellen gerundete Werte)
Sofern sich der Realzinssatz auf 3 % verringert, bleibt der resultierende Nominal-
zinssatz mit 8,15 % trotz Inflationsratenvariation konstant. Entsprechendes gilt ffir
den Projektkapitalwert. Das zugeh6rige reale Endverm6gen hingegen t in t unter
das f'tir re = 3 % in der Ausgangssimation erreichbare Niveau. Ein Realzinssatz
257
von 1 % korrespondiert mit einem Nominalzinssatz von nur noch 6,05 %.
Aufgrund des gesunkenen Nominalzinssatzes erh~ilt man hier einen h6heren Ka-
pitalwert als in der Ausgangssituation. Wegen des gleichzeitig sehr niedrigen Re-
alzinssatzes ist aber das hiermit einhergehende reale Endverm6gen erneut niedri-
ger als ftir rt = 3 %. Ftir gleichbleibenden Realzinssatz i (real) = 5 % resultieren -
wie Tabelle 6.6 exemplarisch belegt - stets ein niedrigerer Projektkapitalwert und
ein niedrigeres reales Endverm6gen.
Unterstellt man in Abweichung yon den bisherigen Annahmen g = 0 und T = 30
~(nom) = 41,6 GE), so ergibt sich f'tir rt = 3 % und i (reab = (unter Beibehaltung yon ~0
5 % ein Projektkapitalwert in t = 0 von etwa 362,51 GE bei einem zugeh6rigen
realen Endverm6gen von ca. 1.566,76 GE. Ftir rt = 5 % und i (rea~) = 7 %, mithin
i ("~ = 12,35 %, erh~ilt man stattdessen einen niedrigeren Projektkapitalwert von
etwa 227,13 GE bei einem damit zugleich einhergehenden h6heren Endverm6gen
von NLlaemngsweise 1.728,95 GE. []
6.5 Zusammenfassung
Im Rahmen dieses Abschnitts wurden die Konsequenzen inflationarer Tendenzen
ftir Kapitalwertberechnungen dargelegt. Unter der Inflat ionsrate eines Zeitraums
yon t-1 bis t versteht man die relative Preisniveau~inderung der betreffenden
Periode. Ein Preisniveau wiederum ist nichts anderes als ein gewogenes Mittel
von Gtiterpreisen, wobei die Gewichte der einzelnen Preise tiber den jeweils be-
trachteten Warenkorb definiert werden. Unter Beachtung inflation~er Tendenzen
kann eine Unterscheidung von nominalen (monet~en) und realen (das heil3t in
Mengeneinheiten des der Preisniveauennittlung zugrtmdeliegenden Warenkorbs
ausgedrtickten) Gr6gen eingeftihrt werden. Insbesondere ergibt sich der reale
Zinssatz naherungsweise als Differenz des nominalen Zinssatzes und der jeweili-
gen Inflationsrate. Die herk6mmliche, auf nominale Gr6gen bezogene Kapital-
werfformel kann nun derart umgeformt werden, dass reale "Projekteinzahlungen"
mit realen Ein-Perioden-Zinss~itzen diskontiert werden und trotzdem der aus-
gewiesene Kapitalwert unver~indert bleibt. Auf der Grundlage der in realen
258
GrtiBen formulierten Kapitalwertformel wurden die Konsequenzen yon ceteris pa-
ribus variierenden Inflationsraten auf den ftir einen Unternehmer in t = 0 oder in
t = T erreichbaren Verm~genszuwachs aus der Projektrealisation er6rtert. Dabei
zeigte es sich insbesondere, dass nur unter vergleichsweise engen Pr~imissen
Inflationsratenvariationen ohne Bedeutung f'tir Projektkapitalwerte und korrespon-
dierende (reale) Endverm~igenspositionen sind. Sofern man unterstellt, dass vari-
ierende Inflationsraten auf den herrschenden Nominalzinssatz Einfluss nehmen,
wird in der Regel fur Inflationsunabh~ingigkeit des Projektkapitalwertes die Giil-
tigkeit der Fisher-Hypothese bentitigt. Danach sollen Inflationsratenvariationen
ohne Bedeutung fiJr die in den einzelnen Perioden herrschenden Realzinss~itze
sein. Das theoretische Fundament der Fisher-Hypothese erwies sich jedoch als
derart schwach, dass sich ihre Gi.iltigkeit nicht einmal im Rahmen einer Ein-Gut-
Welt immer nachweisen l~sst. Erst recht besteht bei Mehr-G~iter-Betrachtungen
keine Veranlassung, von ihrer Gi.iltigkeit auszugehen. Es i.iberrascht daher nicht,
dass der empirische Gehalt der Fisher-Hypothese eher als gering zu bezeichnen
ist. Schliel31ich konnte dargelegt werden, dass trotz G~iltigkeit der Fisher-Sepa- ration die Beurteilung einer ceteris paribus erh6hten Inflationsrate durchaus von
den Zeitpr~iferenzen des betrachteten Entscheiders abhangt.
259
Wiederholungsfragen
W6.1
Was versteht man unter einem Preisniveau, was unter einer Inflationsrate?
W6.2
Wie ist grunds~itzlich zwischen nominalen und realen Gr6gen zu unterscheiden?
Was versteht man konkret unter einem nominalen, was unter einem realen Zins-
satz?
W6.3
Welche Beziehung zwischen nominalem und realem Zinssatz gilt exakt, welche
n~herungsweise?
W6.4
Wie l~isst sich die herk6mmliche, auf nominale Gr6gen bezogene Kapitalwert-
formel auf reale Gr6gen zurfickffihren?
W6.5
Unter welchen Pr~imissen haben Inflationsratenvariationen keinen Einfluss auf die
real ausgedrfickte Zahlungsreihe eines Investitionsprojekts?
W6.6
Was versteht man unter der Fisher-Hypothese, und unter welchen (strengen) Vor-
aussetzungen ist sie gfiltig?
W6.7
Unter welchen Voraussetzungen ist der Kapitalwert eines Investitionsprojekts
unabh~a-~gig von Inflationsratenvariationen?
260
W6.8
Wie wirken sich Inflationsratenvariationen bei gegebenem Realzinssatz, aber
preisniveauabN~ngiger Projektzahlungsreihe auf den ausgewiesenen Projektkapital-
wert aus?
W6.9
Wie wirken sich Inflationsratenvariationen bei gegebener Projektzahlungsreihe,
aber preisniveauabh~ingigem Reatzinssatz auf den ausgewiesenen Projektkapital-
weft aus?
W6.10
Welche Wirkungen sind im Falle der in W6.8 und W6.9 betrachteten Pm'ameter-
variationen bezfiglich des (real gemessenen) unternehmerischen Endverm6gens
festzustellen, und wie sind diese im Verh~ilmis zu den simultan auftretenden Ka-
pitalwert~inderungen zu beurteilen?
261
7 Kapitalwert von Auslandsdirektinvestitionen
7.1 ProblemsteUung
Bislang wurde im Rahmen dieses Buches nicht auf den Umstand eingegangen,
dass es in verschiedenen Landem verschiedene Wiihrungen geben kann. Wenn-
gleich sich dieses Problem seit der Einftihrung des Euro als einheitlicher W~ih-
rung im Rahmen der Europ~iischen Wahrungsunion ftir alle hieran beteiligten
Staaten, zu denen auch Deutschland zghlt, entscharft hat, ist es doch nicht v611ig
verschwunden. Aus deutscher Sicht etwa sind der US-Dollar, der japanische Yen
und das britische Pfund als wichtige Fremdw~hrungen anzusehen. Im Rahmen der
Investitionstheorie interessiert nun natoxlich, welche Konsequenzen sich aus der
expliziten Berticksichtigung verschiedener Wahrungen fox investitionsrechnerische
Kalktile ergeben. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwiefern sich die
Beurteilung von Investitionen in anderen Wiihrungsgebieten yon "heimischen"
Investitionen unterscheidet.
Realinvestitionen im Ausland bezeichnet man generell als Auslandsdirektinvesti- tionen. Der vorliegende Abschnitt ist daher in erster Linie der Beurteilung von
Auslandsdirektinvestitionen gewidmet. Die Betrachtung wird dabei auf das Vor-
liegen von zwei W~ihrungen beschr~inkt, wobei die InlandswLhrung als Euro
(EUR) und die Fremdwahrung als US-Dollar (US-S) bezeichnet sei.
Im folgenden Abschnitt 7.2 wird zun~ichst kurz dargelegt, dass trotz Existenz
verschiedener WS.hrungsgebiete bei vollkommenem heimischen Kapitalmarkt und
WRhrungshandelsm6glichkeiten nach wie vor die Fisher-Separation Gtiltigkeit
besitzt und Investitionsentscheidungen weiterhin derart zu treffen sind, dass der
Kapitalwert aller untemehmerischen Einzahlungstiberschtisse maximiert wird.
Gibt es mehr als eine Wahrung, kann der Kapitalwert eines Investitionsprojekts
sowohl in Inlands- als auch in FremdwShrung ausgedrtickt werden. Im Abschnitt
7.3 werden beide Kapitalwertformeln fOx eine Auslandsdirektinvestition beschrie-
ben und in Verbindung zueinander gesetzt. Dabei offenbart sich ein als Interna-
262
tionaler Fisher-Effekt bekannter Zusammenhang, der im Abschni t t 7.4 naher
dargelegt wird. Abschnit t 7.5 diskutiert eine Reihe weitergehender Fragen, die
sich insbesondere im Zusammenhang mit der Er6rterung von Auslandsdirektin-
vestitionen stellen, die zum Teil aber auch dartiber hinausgehende Bedeutung ha-
ben. Vor allem wird geprtift, unter welchen Voraussetzungen sich vereinfaehte
Kapi ta lwerfformeln herleiten lassen. Eine wesentliche Rolle wird dabei dem Na-
t ionalen Fisher-Effekt zukommen, der daher im Detail untersucht wird. Die
Ausf'tihrungen schliel3en mit einer Zusammenfassung im Abschnit t 7.6.
7.2 Fisher-Separation und Kapitalwertkriterium
Sofern es mindestens zwei W~ihrungen gibt, ist es denkbar, dass der Unternehmer
sowohl Gtiter konsumiert, die im Inland zu einem Preis in Euro angeboten wer-
den, als auch solche, die im Ausland mit einem US-$-Preis ausgezeichnet sind.
Auf dem (vollkommenen) Devisenmarkt kann man verschiedene W~ihrungen ge-
geneinander tauschen. Mit w t sei dabei der feste Preis einer Einheit Fremdw~ih-
rung in Inlandsw~trung zum Zeitpunkt t bezeichnet, zu dem die Fremdwahrung
verkauft oder erworben werden kann. Man nennt w t dann den im Zeitpunkt t
gtiltigen Wechse lkurs zwischen Euro und US-S, und die Einheit von w t i s t
EUR/US-$. Der Preis von 1 EUR in US-$ bestimmt sich entsprechend als 1/W t.
Denn ftir 1 US-$ bekommt man w t Euro im Zeitpunkt t, ftir 1/W t U S - $ mithin
gerade wt/w t, also einen.
Beispiel 7.1:
Angenommen, es gilt w 0 = 1,5 EUR/US-$. Dann muss man 1,5 EUR am Devi-
senmarkt zahlen, um 1 US-$ zu erhalten. Entsprechend ben6tigt man ztun Erwerb
von 1 EUR nur 1/w 0 = 0,666667 US-$. Gilt weiterhin w~ = 1,2 EUR/US-$
l /w I ~ 0,833333 US-$/EUR, dann ist der Preis des US-$ in Euro von t = 0 bis t
= 1 gefallen und der des Euro in US-$ gestiegen, das heigt, der Euro ist im Ver-
h~iltnis zum US-$ wertvoller geworden. Der Euro hat sich auf-, der US-$ hat sich
abgewertet. []
263
Plant ein Unternehmer in einem bestimmten Zeitpunkt t Konsumauszahlungen
AC(t ~ in Inlandsw~ihrung und AC(t F) in Fremdwahrung, so ist der entsprechende Ge-
samtgegenwert in Inlandsw~.hrung ~ t I ' - ' ( I ) = AC}I)+wt'ACI F)" Ein US-$-Betrag von A~(F) AC(t F) kann n~nlich am Devisenmarkt im Zeitpunkt t in einen Betrag von w t. ~-t
Euro getauscht werden.
Zus~itzliche Konsumauszahlungen, gleich in welcher Wahrung, ermtiglichen cete-
ris paribus die Ausweitung der fOx Konsumzwecke beschafften Gtitermengen und
erh6hen daher in jedem Fall den resultierenden Konsumnutzen des Unternehmers.
0berdies gehen sie mit einer Erh6hung von C(t t) einher. Man kann deshalb die un-
ternehmerischen Konsumauszahlungen eines jeden Zeitpunkts einheitlich in In-
landsw~n-ung ausdrticken und den Schluss ziehen, dass der Konsumnutzen des
Unternehmers streng monoton steigt in den CCt I). Auch bei Existenz yon mehr als
einer WS]arung k6nnen wir uns deswegen auf die Betrachtung eines Unternehmers
mit einer Nutzenfunktion U beschr~inken, die in auf Inlandsw~ihrung lautenden
Konsumauszahlungen definiert ist. Existiert nun noch ein vollkommener Kapi-
talmarkt wenigstens ftir gegenwartige und ktinftige Zahlungen in Inlandswah-
rung, so Risst sich die Analyse des Abschnitts 1 dieses Kapitels ohne wesentliche
Anderungen hier wiederholen. Insbesondere folgen sofort die Gtiltigkeit der Fi-
sher-Separation und ein Unternehmer, der an der Maximierung des Kapital-
wefts seiner s~imtlichen, gegebenenfalls zu jeweils herrschenden Wechselkursen
in Inlandsw~ihrung umgerechneten Einzahlungstiberschtisse interessiert ist. Der
Kapitalwert eines Investitionsprojekts entspricht dabei weiterhin dem Marktwert
der mit dem Investitionsprojekt verbundenen Investitionsm6glichkeit und be-
schreibt die unternehmerische Reiehtumssteigerung durch die Realisation des
betreffenden Investitionsprojekts. Auf dieser Grundlage ist nun der Kapitalwert
einer Auslandsdirektinvestition n~iher zu betrachten.
264
7.3 Kapitalwertformeln
7.3.1 Kapitalwertformel in Inlandsw~ihrung
Konkret sei nun ein Untemehmer vorausgesetzt, der in einem Zeitpunkt t = 0 in
einem anderen Land eine Realinvestition mit Nutzungsdauer bis zum Zeitpunkt
t = T durchf'tthren kann. Man mag sich hierunter beispielsweise den Bau eines
Zweigwerks im Ausland vorstellen.
Sowohl die Anfangsauszahltmg ~A(n~ des Zeitpunktes t = 0 als auch die an- 7 (nora,F) schliel3enden Einzahlungstiberschtisse ZI n~ -.-, ~r aus dem Investitions-
projekt sollen in Fremdwiihrung anfallen. Das Karzel "nom" steht in diesem Zu-
sammenhang wie schon im vorhergehenden Abschnitt ftir "nominal". Auch im
vorliegenden Abschnitt brauchen wir diese Spezifikation, da wit weiter unten
erneut zur Betrachtung realer Gr6gen tibergehen.
Durch Umtausch einer Fremdw~arungszahlung ZI n~ in Inlandswfihrung zum
Wechselkurs wt ergeben sich ftir den Unternehmer Einzahlungen in Heimatw~hh-
A (nora,l) A0(nom,F) .W 0 7(hOrn,I) ~_ 7(nom,F).,tr~ In analoger Weise kann man �9 -- rtmg von -t -t ,,t. (nora,l) _A(0nom,I) definieren. Im Weiteren werde tiberdies z 0 - vereinbart. Ent-
sprechendes gilt ftir ~07(n~ Mit -ti(n~ als dem yon einem Zeitpunkt t-1 bis t am
inlfindischen Kapitalmarkt herrschenden (nominalen) Ein-Perioden-Zinssatz far
Anlage oder Aufnahme von Mitteln ergibt sich ein in In landswhhrung ausge-
driickter Kapitalwert von:
265
T K (I) = - / ~ n ~
t=l
Z(non~l)
t H (I +,~" O~om,i),) "c=l
T = -A~n~ �9 W O + Z
t=l
z{n~
t
H (1 +i~ ~~ T=I
T zt(nom,F). Wt
=~t t=0 I-I (1 +i~ n~
"r
(7.1)
Sofern dieser Kapitalwert pos i t iv i s t , wird der Unternehmer durch die Pro-
jektdurchfiihrung aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 in Inlandsw~ihrung reicher und
deswegen das Investitionsprojekt realisieren.
Beispiel 7.2" Betrachtet werde ein deutscher Unternehmer, der im Zeitpunkt t = 0 fiber die
M6glichkeit zur Realisation einer Auslandsdirektinvestition in Form der Grtin-
dung einer auslandischen Tochtergesellschaft verffigt.
Die Auslandsdirektinvestition effordert in t = 0 eine Anfangsauszahlung von 100
US-$. In den Zeitpunkten t = 1 bis t = 3 ergeben sich Einzahlungstiberschfisse in
US-$ gem~ig Tabelle 7.1. In Tabelle 7.1 sind tiberdies die Wechselkurse w tde r
Zeitpunkte t = 1, 2, 3 sowie die Ein-Perioden-Nominalzinss~itze "ti(n~ des Aus-
lands und i{ n~ des Inlands ftir die Zeitr~iume von t-1 bis t (t = 1, 2, 3)
angegeben. Der Wechselkurs w 0 des Zeitpunktes t = 0 schlieBlich soll 1,1 EUR/
US-$ sein.
266
t 2
Z(nom,F) 5 0 55 6 0 t
w t 1,14 1,18 1,2
i(nom,V) 4,2105 % 4,822 % 7,1833 % t
8 % 8 ,5% 9 % i(nom,I) t
Tabelle 7.1:
3
Zahlungsreihe in Fremdwahrung, Wechselkurse sowie In- und
Auslandszinss~itze f'tir t = 1, 2, 3
Umrechnung der Fremdw~arungseinzahlungen ~tT(n~ ZU jeweils aktuellen Wech-
selkursen w t in Inlandsw~arung und anschlief3endes Diskontieren mit den inlandi-
schen Ein-Perioden-Zinss~itzen l ti(n~ liefert den beurteilungsrelevanten Kapital-
wert n(~) der Auslandsdirektinvestition:
50' 1,14 55" 1,18 60- 1,2 K f~ -- -100" 1,1 + - - ~
1,08 1,08" 1,085 1,08" 1,085" 1,09 (7.2)
54,533236 EUR.
Aus dem positiven Kapitalwert ergibt sich sofort die Vorteilhaftigkeit der
Auslandsdirektinvestition. []
7.3.2 Kapitalwertformel in Fremdw~ihrung
Statt des Kapitalwertes in Inlandsw~xung Nitte man auch den in Fremdwiihrung berechnen k6nnen. Dieser muss sich einfach durch Wo.~: (F~ = ~:(i) ~ n~F~ = ~:~i~/w ~
bestimmen lassen, 1 weil NoB die Verm6gensmehrung des Zeitpunktes t = 0 in
Inlandsw~mmg in die in Fremdw~arung umzurechnen ist. Gilt ~:~) > 0, so (fiir w o
> 0) auch K: ~F~ > 0. Ob man den Kapitalwert des Investitionsprojekts in Inlands-
1 Vgl. etwa Stehle (1982), S. 485.
267
oder FremdwS.hrung der Projektbeurteilung mittels des Vorzeichens des Projekt-
kapitalwerts zugrunde legt, ist demnach bedeutungslos.
Statt tiber ~:a) kann man ld F) auch direkt durch Diskontierung der Fremdw~.hrungs-
einzahlungen mit den Ein-Perioden-Zinss~itzen "ti(n~ des Auslands berechnen:
T Zt (n~
K(F) = E t
t=O H (1 +i~ (n~ (7.3)
Damit ftir beliebige Projektzahlungsreihen in der Tat stets ~m = W0.~(F) gilt, muss
unter Beachtung der Gleichungen (7.1) und (7.3) zwischen Wechselkursen sowie
In- und Auslandszinssiitzen demnach folgender Zusammenhang ftir jeden Zeit-
punkt t gelten:
W t W 0
t t
I-I (l+i~ "~ 1-I (1 +i~ ("~ �9 =1 "r=l
W t
W 0
t
I-I (1 +i} n~ 1;=1
t
I I (1 +i f ~
(7.4)
Die Beziehung gem~ig (7.4) bezeichnet man auch als ungedeckte Zinsparit~iten- theorie oder Internationalen Fisher-Effekt.
Beispiel 7.3: Gegeben seien die Annahmen des Beispiels 7.2. In Kenntnis von tr (~) kann ~:(v)
ohne weiteres als ~r o = 49,575669 US-$ ermittelt werden. Zum (ann~ihernd)
gleichen Ergebnis gelangt man auch, wenn man unmittelbar die FremdwLlarungs-
268
~(nom,F) dis- einzahlungen -tT(n~ mit den ausl~indischen Ein-Perioden-Zinssatzen -t
kontierr
50 55 = - 100-~ -~ 1,042105 1,042105"1,04822
6 O
1,042105"1,04822-1,071833
(7.5)
-~ 49,575756 US-$.
Damit steht lest, dass in jedem Zeitraum 0 bis t (t = 1, 2, 3) der Internationale
Fisher-Effekt (n~iherungsweise) Gtiltigkeit besitzt. In der Tat l~isst sich dies auch
leicht direkt tiberprtifen: 2
�9 (nora I) w 1 1+11 ' 1,14 1,08 Wo 1 +i(n~ 1,1 1,042105'
w 2 (1 +i~n~ (1 +i2 (n~ 1,18 1,08"1,085
w0 (1 +i(n~ �9 (1 +i2 (n~ 1,1 1,042105" 1,04822'
W 3
W 0
(1 +i("~ �9 ( 1 +i2("~ (1 +i3 ("~
(1 +i(n~ �9 (1 +i~n~ (1 +i3 (n~
(7.6)
1 , 2 _ 1,08.1,085" 1,09 1,1 1,042105- 1,04822.1,071833
Die kleinen numerischen Diskrepanzen ergeben sich dadurch, dass genauge- nommen schon in Tabelle 7.1 gerundete Werte fiir Auslandszinss~itze ange- geben sind.
269
Die Vorteilhaftigkeit der Auslandsdirektinvestition zeigt sich folglich ebenso in
einem positiven Kapitalwert anf der Basis der Fremdw~xungseinzahlungen wie
in einem solchen auf der Basis der in Inlandswghrung umgerechneten Einzah-
lungstiberschtisse. []
7.4 Der Internationale Fisher-Effekt
In der Tat besitzt der Internationale Fisher-Effekt auf vollkommenen Miirkten bei
Sicherheit stets Gtiltigkeit, wie man sich leicht klarmachen katm. Um Mittel von
einem Zeitpunkt t-1 bis zu einem Zeitpunkt t anzulegen, stehen einem inlgandi-
schen Marktteilnehmer niimlich grundsiitzlich zwei Miigliehkeiten often. Zum
einen kann der Mittelbetrag im Inland z u i(t n~ f'ur eine Periode angelegt werden.
Aus einer Geldeinheit in Inlandswiihrung im Zeitpunkt t-1 resultieren in t dann
Rtickfltisse von l+i(t "~ Zum anderen kann abet auch eine Mittelanlage in
Fremdw~ihrung getiitigt werden zum maggeblichen Zinssatz il n~ Weil 1 Geld-
einheit in Inlandsw~hrung im Zeitpunkt t- 1 in 1]wt_ 1 Einheiten Fremdw~hrung ge-
tauscht werden kann, ergibt sich bei Einsatz einer Geldeinheit in Inlandsw~hrung
ein Fremdw~rungsrt ickfluss im Zeitpunkt t von (1/wt.1)"(l+i(tn~ Dieser wiede-
rum kann zum dann maggeblichen Wechselkurs w t in Inlandswiihrung zuriickge-
tauscht werden, so dass bei Fremdwiihrungsanlage ein Endverm6gen in Inlands-
wiihrung yon (wt]wt_i)-(l+i(t n~ resultiert.
Beide mtiglichen Formen der Mittelanlage von t-1 bis t miissen zum gleichen
Endverm6gen des betrachteten Marktteilnehmers im Zeitpunkt t f'tihren: 3
(7.7) kann in eine einpriigsamere Form gebracht werden, wenn man auf bei- den Seiten der letzten Gleichung aus (7.7) "-1" rechnet, und zwar auf der lin- ken Seite in FolTn y o n Wt_l/Wt_ 1 und auf der rechten in Form yon (l+iCtn~ ( 1 +i(tn~ und den resultierenden Ausdruck (1 t'(n~ t'(nom,F))]( 1 +1 t" (nom,F)) auf der rechten Seite unter Voraussetzung yon (l+il ~~ ~ 1 f'ur "ti(n~ im Bereich
i(n~176 absch~itzt. Dann weniger Prozente einfach als ungeffihr gleich zu -t "t namlich erhiilt m a n (wt-wt_l)/Wt_ 1 ~ lti(n~176 . Die relative Wechselkurs~nde- rung (die "Wechse lkurs rend i t e" ) yon t-1 bis t entspricht hiernach der Diffe- renz der von t-1 bis t i m In- und Ausland herrschenden Ein-Perioden-Zinssiit-
{ W t 1 +q(nom,l) =
Wt- 1
�9 (1 +i, O'~
w t 1 +it (n~
Wt-1 1 +it (n~
270
(7.7)
Ansonsten w~iren beliebig hohe sichere Endverm6genswerte allein durch Kapi-
talmarkttransaktionen erreichbar. Konkret wtirde es sich im Falle yon l+il n~ <
i (n~ f'lJr eine Periode (wJwt_l)-(l+il n~ lohnen, Mittel in InlandswS.hrung zu -t
von t-1 bis t aufzunehmen und sie sodann nach Umtausch in Fremdw~hrung ftir
den gleichen Zeitraum zu i(t n~ mit anschlief3endem Rtickwechsel in Inlands-
w~hrung anzulegen. Per saldo verblieben auch nach Rtickzahlung der Verbind-
lichkeit in t positive LIberschtisse ohne eigenen Mitteleinsatz. Nattirlich wtirde
jeder eine derartige Gelegenheit wahrnehmen wollen, weswegen hierdurch kein
Marktgleichgewicht beschrieben werden k6nnte: Der letzten Endes unbegrenzten
Nachfrage nach Krediten in Inlandswahrung und Mittelanlagen in FremdwS.hrung
sttinde kein entsprechendes Angebot gegentiber. In analoger Weise k6nnte auch
l+il n~ > (wt/wt_ 0 -(1 +i(t "~ wegen unbegrenzter Nachfrage nach Mittelanlagen
in Inlandsw~a-ung und Krediten in Fremdwahrung kein Gleichgewicht beschrei-
ben. 4 Nur wenn (7.7) Giiltigkeit besitzt, existieren keine M6glichkeiten zur siche-
ren Gewinnerzielung und sind die Kapitalm~kte arbitragefrei. Dass Arbitrage-
freiheit, also die Nichtexistenz yon Arbitragem6glichkeiten, eine notwendige Be-
dingung for das Vorliegen eines Marktgleichgewichts ist, wurde bereits im Ab-
schnitt 1 dieses Kapitels dargelegt.
ze. Vgl. fiir weitere Details etwa Breuer (2000a).
4 Vgl. hierzu auch Breuer (2000a).
271
Beispiel 7.4: Gegeben sei eine Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung (t = 0, 1) mit i} n~ = 8 % , il n~
= 5 %, w 0 = 1,1 EUR/US-$ sowie w 1 = 1,14 EUR/US-$. Dann gilt
wl 1,14 1 +i~ n~ = 1,08 < - - . (1 +i} n~ -- �9 1,05 ~- 1,088182. (7.8)
w 0 1,1
Die Aufnahme von 1 EUR z u i l n~ = 8 % mit anschliegendem Umtausch in
1/1,1 US-$ und Anlage von t = 0 bis t = 1 z u i~ n~ = 5 % resultiert in Zufltissen
des Zeitpunktes t = 1 im Umfang von (1/1,1)-1,05 ~- 0,954545 US-$. Dieser
Betrag entspricht ungef~hr 1,14-0,954545 = 1,088181 EUR. Nach Tilgung der
aus der Aufnahme von 1 EUR von t = 0 bis t = 1 resultierenden Verbindlichkeit
von 1,08 EUR des Zeitpunktes t = 1 verbleibt damit in t = 1 ein Nettotiberschuss
des betreffenden Marktteilnehmers von etwa 1,088181-1,08 = 0,008181 EUR
bzw. 0,008181/1,14 = 0,007176 US-$ ohne eigenen Mitteleinsatz. Der Markt ist
nicht arbitragefrei und daher nicht im Gleichgewicht.
Entsprechendes gilt, wenn man ceteris paribus v o n i~ n~ = 4 % ausgeht. Dann
lohnt es sich, 1 US-$ zum Fremdw~ihrungszinssatz yon 4 % in t = 0 bis t = 1 auf-
zunehmen, anschlieBend noch in t = 0 in 1,1 EUR zu tauschen und von t = 0 bis
t = 1 z u il n~ = 8 % anzulegen. Die sich hieraus ergebenden Einzahlungen in
Euro belaufen sich auf 1,1-1,08 = 1,188 EUR oder 1,188/1,14 = 1,042105 US-S,
so dass nach der Rfickzahlung der Verbindlichkeit von 1,04 US-$ aus der Mittel-
aufnahme des Zeitpunktes t = 0 noch ein Uberschuss von etwa 1,042105-1,04 =
0,002105 US-$ bzw. 0,002105"1,14 = 0,0024 EUR 5 verbleibt, abermals also
Arbitragem6glichkeiten bestehen. []
In der Tat kommt in (7.7) die bereits bekannte Kapitalwertneutral i t i i t von Fi-
nanzinvest i t ionen auf vollkommenen MS_rkten zum Ausdruck. Der Kapitalwert
Tats~ichlich ist das letzte Resultat von 0,0024 EUR sogar exakt. Das "="-Zei- chen steht hier lediglich aufgrund der mehrfachen Rundung, die zuf~illig insgesamt aber zum genauen Ergebnis ftihrt.
272
aus der Anlage von 1 GE in Inlandsw~_rung tiber Fremdw~ihrungsumtausch im
Ausland von t-1 bis t bestimmt sich aus Sicht von t-1 und unter Beachtung des
erforderlichen Mitteleinsatzes n~imlich als [(w/wt.1) "(1 +i(tn~ +i(t"~ 1 und
beliiuft sich folglich bei Gtiltigkeit des Internationalen Fisher-Effekts auf 0. Die
Kapitalwertneutralitiit von Finanzinvestitionen ist insofern Ausdruck der Arbitra-
gefreiheit der Kapitalmarkte.
Weil (7.7) ffir jede beliebige Periode gilt, kann man eine entsprechende Formel
auch ftir den Zeitraum yon t-2 bis t-1 aufstellen. Der Internationale Fisher-Effekt
verlangt hierf'tir konkret:
!
1 +it(hi re'I) ; W t-1 "(1 +i~(_n~ ~'F)) Wt-2
wt_ 1 1 + it(_n[ 'm~ o
Wt-2 1 + it(_n~ ,m'~
(7.9)
Aufl6sung von (7.9) nach wt_ ~ erm6glicht ein Einsetzen in Bestimmungsgleichung
(7.7), so dass eine Beziehung zwischen w t u n d wt_ 2 folgt:
W t (1 +it(_n~I))" (1 +it (nOm'I))
Wt- 2 (1 +it(n~m'F)) �9 (1 +i (n~ (7.10)
Auch wt_ 2 l~isst sich durch eine zu (7.7) und (7.9) analoge Beziehung auf wt_ 3
zurtickftihren und in (7.10) ersetzen. Fortgesetztes rekursives Ersetzen ftihrt
schliel31ich zur Gtiltigkeit von (7.4).
7.5 Weitergehende Fragen
Mittels der Bestimmungsgleichungen (7.1) und (7.3) ist ohne weiteres eine Beur-
teilung von Auslandsdirektinvestitionen m6glich. Gleichwohl werden im Zusam-
menhang mit Auslandsdirektinvestitionen in praktischen Anwendungen typischer-
273
weise noch einige weitergehende Fragen diskutiert. Erstens dfirfte der betrachtete
Unternehmer in aller Regel fiber weitere Investitionsprojekte auch im Inland
oder in anderen L~indern verftigen, so dass sich die Frage stellt, inwiefern dieser
Umstand bei der Entscheidung tiber die hier betrachtete Auslandsdirektinvestition
eine Rolle spielt. Zweitens wurde oben darauf hingewiesen, dass die Einzah-
lungstiberschtisse aus der Auslandsdirektinvestition diskontiert werden. Was hat
man hierunter in praktischen Fallen zu verstehen, wenn eine ausl~indische Toch-
teruntemehmung aus ihrer Gesch~iftst~itigkeit im Ausland Fremdw~ihrungseinzah-
lungen erwirtschaftet, aber nur ein Teil davon zur inlandischen Muttergesellschaft
fliel3t? 6 Drittens ben6tigt man zur Kapitalwertberechnung gem~il3 (7.1) und (7.3)
entweder die Kenntnis der ktinftigen Wechselkurse oder aber der kiJnftigen
auslS_ndischen Ein-Perioden-Zinss~itze. 7 Aus Grtinden vereinfachter Datenbeschaf-
lung (und gegebenenfalls Kapitalwertberechnung) mag es hilfreich sein, wenn
man Bedingungen nennen k6nnte, unter denen die Kapitalwertberechnung ohne
eine Sch~itzung dieser nicht rein inlgndisch orientierten Gr6gen m6glich ist.
7.5.1 M6glichkeit zur Einzelprojektbeurteilung
Schon im Abschnitt 1 dieses Kapitels wurde die Eigenschaft der Wertadditivit~it
der Kapitalwertformel hergeleitet, an die hier nur erinnert werden muss: Der Ka-
pitalwert eines Investitionsprogramms ergibt sich einfach als Summe der Kapi-
Vgl. zu dieser Frage auch Shapiro (1978, 1983).
Es sei daran erinnert, dass die kfinftigen Ein-Perioden-Kassazinss~itze mit den aus Sicht von t = 0 maggeblichen korrespondierenden Ein-Perioden-Termin- zinss~itzen fibereinstimmen. In entsprechender Weise handelt es sich bei den w t zun~ichst einmal um kiinftige Kassaweehselkurse, die aber im Gleichge- wicht den aus Sicht von t = 0 ftir die korrespondierenden Devisenterminge- sch~ifte mal3geblichen Terminweehselkursen entsprechen mfissen. Statt der Sch~itzung ktinftiger Kassagr613en genfigt im hier betrachteten Kontext in t = 0 die Bestimmung von gegenw~tigen Termingr613en. Sofern diese Termin- gr6gen allerdings in praktischen Anwendungen nicht unmittelbar beobachtbar sind, muss sich aus dieser Neuformulierung des Datenbeschaffungsproblems nicht unbedingt ein Vorteil ergeben.
274
talwerte der das Programm bildenden Einzelprojekte. Deswegen ist jedes Investi-
tionsprojekt aus Unternehmersicht vorteilhaft, das fiber einen positiven Kapital-
wert verffigt. Welche Investitionsprojekte dem Untemehmer sonst noch zur Ver-
ffigung stehen, spielt dabei keine Rolle. Eine Einzelprojektbeurteilung ist damit
ohne weiteres m6glich.
7.5.2 Alleinige Bewertungsrelevanz der durch die Investition ausgel6sten
Zahlungskonsequenzen
Um die Vorteilhaftigkeit einer Auslandsdirektinvestition gegentiber ihrer Unter-
lassung zu beurteilen, sind grunds~itzlich f'tir beide Handlungsalternativen die
beim Unternehmer insgesamt zu Konsumzwecken verbleibenden Einzahlungsfiber-
schtisse gegenfiberzustellen. GemW~ der Darstellung aus Abschnitt 3 dieses Kapi-
tels kann die Bezugspunktwahl dabei allerdings beliebig erfolgen. In Ent-
sprechung zu den Ausf'tihrungen des Abschnitts 3 dtirfte es deshalb am einfach-
sten sein, die ceteris paribus erfolgende Unterlassung der Auslandsdirekt-
investition als Bezugspunkt zu wahlen. Die Bewertung der Auslandsdirektin-
vestition kann dann unmittelbar anhand der durch die gegentiber der Nichtinves-
tition resultierenden Zahlungskonsequenzen durchgefiihrt werden. Denn nur durch
diese werden im Rahmen der Auslandsdirektinvestition die unternehmerisehen Konsumm6gliehkeiten beeinflusst. Alle sonstigen Magnahmen, die Zahlungskon-
sequenzen ausl6sen und fiber deren Umsetzung unabhangig vonder Realisation
der Auslandsdirektinvestition befunden werden kann, k6nnen demnach wegen
fehlender Entscheidungsrelevanz vernachl~issigt werden.
Teile positiver Einzahlungen aus einem Investitionsprojekt etwa, die v o n d e r
durchfiihrenden ausl~indischen Tochtergesellschaft zu Zwecken der Reinvestition
einbehalten werden, sind daher als Einzahlungsfiberschuss aus der Auslandsdirekt-
investition zu betrachten, sofem sie auch an den Untemehmer ausgeschfittet wer-
den k6nnten und ihre Einbehaltung eine vonder Realisation der Auslandsdirektin-
vestition unabhiingige weitere (Verwendungs-) Entscheidung beschreibt. Ist diese
Reinvestition hingegen indisponibler Teil der Auslandsdirektinvestition, dann sind
275
die entsprechenden Zahlungskonsequenzen nicht mehr als Einzahlungstiberschuss
aus der Auslandsdirektinvestition aufzufassen.
Sofern Mitteleinbehaltungen im Rahmen der Auslandsdirektinvestition zur Durch-
f'tthrung von Finanzinvestitionen dienen, k6nnen diese altemativ auch explizit
dem Investitionsprojekt zugerechnet werden. Urs~ichlich hierf'tir ist die bereits
erw~ihnte Kapitalwertneutralit~it von Finanzinvestitionen auf vollkommenen Kapi-
talm~kten.
In entsprechender Weise sind Zahlungskonsequenzen aus der Auslandsdirekt-
investition, die bei anderen Gesellschaften des Unternehmers anfallen, ebenfalls
dem zu beurteilenden Projekt zuzuordnen. Dies gilt unabhgngig davon, ob etwa
im Falle von verursachten Zusatzauszahlungen diese vonder ausl~xldischen Toch-
tergesellschaft der anderen Gesellschaft erstattet werden oder nicht. Andere Zah-
lungen zwischen den Gesellschaften des Unternehmers, die nicht durch die Aus-
landsdirektinvestition induziert werden, sind nicht beurteilungsrelevant.
Die Frage also, inwiefern Zahlungen effektiv v o n d e r Auslandstochter an die
Muttergesellschaft weitergeleitet werden, ist selbst htichstens yon sekund~irer
Bedeutung. MaBgeblich ist vielmehr, welche zus~itzlichen Konsumm6glichkeiten
ftir den Untemehmer aus der Auslandsdirektinvestition resultieren.
Beispiel 7.5: Betrachtet sei ein Unternehmer mit der M6glichkeit der Griindung einer ausl~in-
dischen Tochtergesellschaft, die im Zeitpunkt t = 0 eine Auszahlung von 100 US-
$ erfordert und in den Zeitpunkten t = 1 . . . . . 3 bei dieser m6glichen neuen
Tochtergesellschaft mit weiteren Zahlungskonsequenzen z(t "~ in US-$ gem~iB
der folgenden Tabelle 7.2 einhergeht. Wechselkurse sowie in- und ausl~indische
Ein-Perioden-Zinss~itze sollen denen aus Beispiel 7.2 entsprechen.
Z(nom,F)+ 5 0 t
Tabelle 7.2:
276
2
60 60
Zahlungskonsequenzen in US-$ aus einer Auslandsdirektinvesti-
tion ffir t = 1, 2, 3
Von den Rtickfltissen ZI n~ sollen 10 US-$ in den USA von t = 1 bis t = 3 zu
den dort jeweils herrschenden Ein-Perioden-Zinss~itzen angelegt werden. Die
tibrigen Zahlungen ebenso wie die RtickfRisse aus der Finanzinvestition im Aus-
land w ~ e n in den Zeitpunkten ihrer Entstehung an die inl~indische Muttergesell-
schaft auszuschtitten. Es ist geplant, dass jene die Betr~ige bis auf 15 US-$ des
Zeitpunktes t = 2 unmittelbar an den Unternehmer weiterleitet, der diese konsum-
tiv verwenden kann. Von den einbehaltenen 15 US-$ des Zeitpunktes t = 2
wtirden 5 US-$ zur Ausweitung der Kapazit~iten der Muttergesellschaft ben6tigt,
um die Belieferung der ausl~indischen Tochter mit Vorprodukten sicherzustellen.
Die Zahlungen der ausl~indischen Tochter ftir die Vorprodukte wtirden derart an
die Mutter erfolgen, dass sich hieraus per Saldo keine weiteren Zahlungswirkun-
gen im Inland ergeben. Das bedeutet, dass die durch die Herstellung der Vorpro-
dukte resultierenden zus~itzlichen Auszahlungen der Muttergesellschaft exakt
durch Ausgleichszahlungen der Tochtergesellschaft kompensiert wtirden, die be-
reits in der Zahlungsreihe gem~il3 Tabelle 7.2 berficksichtigt worden sind. Die ver-
bleibenden 10 US-$ des Zeitpunktes t = 2 sind zu einer vonde r Grtindung der
ausl~indischen Tochtergesellschaft unabh~ingigen investiven Verwendung durch die
Muttergesellschaft vorgesehen. Es stellt sich die Frage, ob die Auslandsdirektin-
vestition aus Sicht des Untemehmers von Vorteil ist.
Grunds~itzlich entscheidungsrelevant sind die aus der Projektdurchf'~rung resul-
tierenden untemehmerischen Einzahlungsfiberschtisse. Zu den Einzahlungstiber-
schfissen z~ihlen hier alle monet~en Konsequenzen auf Untemehmerebene, die
durch die betrachtete Investitionsm6glichkeit im Vergleich zu ihrer Unterlassung
ausgelSst werden. Dass die Tochtergesellschaft im Zeitpunkt t = 1 einen Betrag
277
von 10 US-$ f'tir investive Zwecke einbehalten will, ist ebenso wie die Einbehal-
tung von 10 US-$ durch die Muttergesellschaft ohne Bedeutung, da die hiermit
verbundenen Finanz- oder Realinvestitionen in keinem direkten Zusammenhang
mit der Auslandsdirektinvestition stehen. Letztere ist daher so zu bewerten, als ob
die Einbehaltung yon jeweils 10 US-$ in den Zeitpunkten t -- 1 und t -- 2 nicht
stattfindet. Man kann sich auch vorstellen, dass zun~ichst diese Betr~ige an den
Unternehmer ausgeschtittet werden, um sogleich wieder zur Anlage zu gelangen.
Ftir die kapitalwertneutralen Finanzinvestitionen kann man die hiermit verbunde-
nen Zahlungskonsequenzen nattirlich bei der Bestimmung des Kapitalwertes der
Auslandsdirektinvestition auch berticksichtigen, ohne einen Fehler zu begehen.
In der Tat nicht als Einzahlungtiberschuss aus der Auslandsdirektinvestition sind
jedoch die 5 US-$ zu werten, die vonder Muttergesellschaft in t --- 1 f'tir den er-
forderlichen Kapazit~itsausbau eingesetzt werden sollen, da sie allein durch die
Auslandsdirektinvestition induziert sind. Entsprechend sind samtliche Aus- und
Einzahlungen, die die Auslandsdirektinvestition ftir die Muttergesellschaft ausl6st,
ebenfalls im Rahmen der Kapitalwertberechnung zu berticksichtigen. Insgesamt
hat die Kapitalwertberechnung im Rahmen dieses Beispiels damit v o n z l n~ =
(.ore,F) 60 US-$ auszugehen. Die zu dieser (.om,F) 55 US-$ sowie z3 5 0 U S - S , z 2 = =
Zahlungsreihe bei einer Anfangsauszahlung von 100 US-$ geh6rigen Kapitalwerte
in In- und Auslandsw~ihrung wurden bereits im Rahmen des Beispiels 7.2
berechnet. Alternativ k6nnen auch die Konsequenzen der geplanten Finanzinvesti-
tion der Auslandstochter berticksichtigt und kann die Zahlungsreihe zl n~ -- 50-
10 = 40 US-S, ,,(nom,F) 55 US-$ sowie z (n~ 60+10"1,04822-1,071833 = "2 ~ 3 ~-"
71,235168 US-$ der Kapitalwertberechnung zugrunde gelegt werden. Man erhNt
damit
278
Kff')
-100-~ 40 1,042105
55 4
1,042105.1,04822
71,235168
1,042105"1,04822"1,071833
49,575756 US-S,
(7.11)
also das gleiche Ergebnis wie in (7.5). []
7.5.3 Vereinfachte Kapitalwertformel bei Giiltigkeit des Nationalen Fisher-
Effekts
7.5.3.1 Herleitung
Bestimmungsgleichung (7.3) l~isst sich zun~ichst ohne weitere Zusatzannahmen
von einer Darstellung in nominalen Gr6Ben in eine solche mit realen Gr6Ben
tiberftihren. Mit l tp(F) als dem auslS_ndischen Preisniveau des Zeitpunktes t und nl F)
(P(F)n:'(F)~ 1 als der zugeh6rigen Inflationsrate yon t-1 bis t erh~ilt man durch ---- ~ , ~ t ' ~ t - l P ~
eine zum Vorgehen des Abschnitts 6 v611ig entsprechende Herleitung folgenden
Zusammenhang:
279
T z:n~ F)
K(F) = E t t=0 1-I (1 +i~ (n~
"c=l
T z(real2), p(~
= E t t=0 H [(l+i~r~"F))'(l+r~ )]
t
T z[ r~'~3" Po ~'l-I (1+7:~) ---- E 1:=1
t t t=0 H (1 + i~ l '~ ) ' l~ ( 1 + ~ ? )
z =I "~=1
T z[real, F)
= P ? ' E t
(7.12)
Statt der ausl~indischen Nominalzinss~itze ben6tigt man im Zusammenhang mit
(7.12) nunmehr die ausl~indischen Realzinss~itze. Schon deswegen stellt die
Kapitalwertberechnung mittels Bestimmungsgleichung (7.12) zun~ichst einmal
keinen erkennbaren Vorteil gegentiber (7.1) und (7.3) dar. Unterstellt man
allerdings die Giiltigkeit des sogenannten Nationalen Fisher-Effekts, erfiihrt
(7.12) eine weitere Vereinfachung.
Der Nationale Fisher-Effekt behauptet konkret die Gleichheit der Realzinss~itze
;(real,I) ;(real,F) f'tir alle t. Damit aber ben6tigt in verschiedenen Landem, hier also i t = i t
man im Zusammenhang mit (7.1 2) nur noch die Prognose der inlandischen Real-
zinss~itze, so dass als einzige Fremdw~Lhrungsgr613e lediglich die realen Einzahlun-
gen =tT~real'F) verbleiben.8
280
Beispiel 7.6:
Gegeben seien die Annahmen des Beispiels 7.2. Zus~itzlich sollen nun die in- und
ausl~indischen Preisniveaus P~t ~) und P~t F) beriacksichtigt werden. Diese sind ebenso
wie die daraus resultierenden in- und ausl~indischen Inflationsraten rt~t ~) sowie r(t F)
in den Zeitr~iumen t-1 bis t (t = 1, 2, 3) der folgenden Tabelle 7.3 zu entnehmen.
2
~F~
t
p~i) 1,21 1,2705 1,331 1,3673
p~F) 1,1 1,114474 1,127966 1,139417
~I) 0,05 0,047619 0,027273
0,013158 0,012106 0,010152
Tabelle 7.3: Preisniveaus und (gerundete) Inflationsraten des In- und Auslands
Mit Kenntnis der in- und ausl~indischen Inflationsraten wiederum ist es m6glich,
die jeweiligen Realzinss~itze zu bestimmen. Damit l~isst sich zeigen, dass im Rah-
men dieses Zahlenbeispiels neben dem Internationalen auch der Nationale Fisher-
Effekt (nahenmgsweise) Gi.iltigkeit besitzt: 9
Vgl. hierzu auch die Darstellung bei Lessard (1981), S. 124.
Erneut sind die auftretenden Diskrepanzen allein dadurch bedingt, dass die in den Tabellen 7.1 und 7.3 angegebenen Ausgangsdaten genaugenommen be- reits gerundete Werte darstellen.
281
�9 ( n o m I) 1 +11 ' 1 +i(n~ 1,08 1,042105
1 + ~ l + n ~ 1,05 1,013158'
�9 (nora 1) 1 +12 ' 1 +12 (n~ 1,085
_ 1,04822 1 +~) 1 +~F) 1,047619 1,012106'
. (nora,I) 1 +i~ n~ 1,09 1,071833 + 1 3 o
1 + ~ 1 +n~F) 1,027273 1,010152
(7.13)
Infolge der Gtiltigkeit des Nationalen Fisher-Effekts kann der Kapitalwert ~:(F) der
Auslandsdirektinvestition auch dadurch ermittelt werden, dass man die "realen"
FremdwS_hrungseinzahlungen z(ff al'F) = z(tn~ n~ (t = 0 ..... 3) mit den ein-
heitlichen realen Ein-Perioden-Zinss~itzen i(t real~ des In- und Auslands diskontiert
und das Ergebnis mit P0 (F) multipliziert. Konkret erh~ilt man die reale Fremdw~ih-
rungszahlungsreihe gem~iB Tabelle 7.4. In Tabelle 7.4 sind tiberdies die einheitli-
chen Realzinss~itze il real) des In- und Auslands in den Zeitr~iumen t-1 bis t (t = 1,
2, 3) ausgewiesen.
z(real,F) t
i(real) t
Tabelle 7.4:
0
-90,909091 44,864214
2,8571%
48,760335
3,5682 %
52,658509
6,1062 %
"Reale" Fremdw~ihrungszahlungsreihe der Auslandsdirektinvesti-
tion und Realzinss~itze (auf 6 Stellen genau gerundete Werte)
282
Der Kapitalwert ~:~F) in US-$ berechnet sich damit als:
K if3 = 1 ,1-( -90,909091+ 44,864214+ 1,028571
+ 48,760335 ~ 52,658509 ) (7.14)
1,028571.1,035682.1,061062,) 1,028571.1,035682
= 49,575687 US-$.
Natttrlich entspricht das Ergebnis (ann~ihemd) dem aus (7.5). []
Sofern man die realen Einzahlungen Z(t real'F) fiber die separate Sch~itzung der nomi-
nalen Zahlungen und ausl~indischen Inflationsraten ermittelt, hat man damit also
das Problem der Sch~itzung von Wechselkursen oder ausl~indischen Zinss~itzen
eingetauscht gegen die Schwierigkeit der Prognose ausl~indischer Inflationsraten.
Eine echte Vereinfachung der Sch~itzproblematik ergibt sich daher wohl nur bei
pauschalem Ansatz der Fremdwahrungseinzahlungen.
Insbesondere gelangt man bei Gfiltigkeit des Nationalen Fisher-Effekts und der
Annahme yon ab t = 1 mit den Inflationsraten anwachsenden nominalen Fremd-
w~hrungseinzahlungen zu der folgenden Kapitalwertformel:
K(F)-- -A~n~176 "t~a= t 1 (7.15)
1+=1 II 'c=l
Die Herleitung von (7.15) aus (7.12) kann v611ig analog zu dem im vorhergehen-
den Abschnitt 6 pr~isentierten Vorgehen erfolgen. Wenn die Fremdw~arungsein-
zahlungen z{ "~ ab dem Zeitpunkt t = 1 mit den Inflationsraten anwachsen, dann
resultiert z(t real'F) = z} real'F) ffir alle t = 1 ..... T. Weiterhin bestehen die Zusammen-
h~inge P0(F)'Zl(real'F) = Zl(nom,F)/(l +7i I(F)) und~A(n~ = "'0A(real'F)'l~(F)Jt 0 aufgrund der Defini-
tion realer Gr6gen. Damit liegt bereits (7.15) vor.
283
Es verbleiben demnach neben der Projektanfangsauszahlung als einzige noch zu
sch~itzende nicht binnenwirtschaftliche Gr6i3en die auslandische Inflationsrate von
t = 0 bis t = 1 und die Fremdwahrungseinzahlungen des Zeitpunktes t = 1.
Vollends "tibersichtlich" wird die Kapitalwerfformel, falls der Realzinssatz im
Zeitablauf konstant sein sollte, also f'tir il cr = i (cea~) = konst. Dann n~imlich ergibt
sich aus (7.15)
_ (nom,~ lc (F) -- -g~ n~ + Zl "RBF(i(~eal);T).
1 + ~ (7.16)
7.5.3.2 Diskussion
Die Kapitalwertformeln aus (7.1), (7.3) und (7.12) beruhen auf den gleichen Prii-
missen und sind insofem als ~iquivalent aufzufassen. Gleichung (7.15) hingegen
basiert auf der zus~itzlichen Voraussetzung des Nationalen Fisher-Effekts, der the-
oretisch wie empirisch als recht schwach fundiert zu bezeichnen ist. In der Tat
l~isst er sich nur im Rahmen einer Ein-Gut-Wel t schltissig herleiten, wobei tiber-
dies davon ausgegangen werden muss, dass in- und ausl~indische Gtiterm~irkte
v o l l k o m m e n sind. Letzteres bedeutet generell, dass Gtiter im In- und Ausland zu
gegebenen Preisen ohne Anfall yon Transaktionskosten erworben oder veraul3ert
und auch von einem Land in ein anderes transportiert werden k6nnen.
In einer Ein-Gut-Welt kann der Preis des homogenen Konsumgutes in einem
Land unmittelbar mit dem Preisniveau dieses Landes gleichgesetzt werden. Wenn
damit jemand in einem beliebigen Zeitpunkt t tiber die M6glichkeit zum Konsum
von 1 ME des homogenen Gutes verftigt, dann f'tthrt die Anlage des korrespon-
dierenden Geldbetrags im Inland dazu, dass seine Konsumm6glichkeiten zum
Zeitpunkt t+l das AusmaB ~--~t+ll4"i(real'I) annehmen, denn so ist der inlandische Real-
zinssatz im vorhergehenden Abschnitt 6 gerade definiert worden. In entsprechen-
der Weise ftihrt die Mittelanlage in Fremdw~.hrung yon t bis t+ 1 zu Konsumm6g-
284
l~_~(real,F) Ein allgemeines Gleichgewicht erfordert unmittelbar lichkeiten yon ~--t+l �9
-4-1(real'X) 1-x-~(real'F) Ansonsten k6nnte man durch geeignete Gtiter- und - - i t + 1 ~ l ~ l t + 1 �9
Kapitalmarkttransaktionen seinen Gtiterkonsum zum Zeitpunkt t+l beliebig ver-
gr613ern. Ftir ~(reala) :(real,F) p(I) �9 t+l < it+ ~ etwa lohnt sich im Zeitpunkt t die Leihe yon ~ t
Geldeinheiten in Inlandsw~,hrung gegen ein Rtickzahlungsversprechen von 1+
i(tn~ m'l) Geldeinheiten in t+l, wahrend zugleich ein Betrag y o n p(tI)/wt Geldeinheiten
14-i(n~ im Ausland angelegt wird. Dabei gilt P(tI)/wt = p{F), in Fremdw~ihrung zu --*t+l
denn andernfalls ware der Preis des Gutes im Zeitpunkt t im In- und Ausland
(nach Umrechnung in dieselbe W~hrung) unterschiedlich hoch, weswegen es sich
f'tir jeden lohnte, in dem einen Land das Gut preiswert einzukaufen, um es in dem
anderen Land (otme Anfall von Transaktionskosten) zeitgleich teuer zu verkaufen.
Die M6glichkeit zur Erzielung beliebig hoher sicherer Gewinne fiber Arbitrage
besteht in einem Zeitpunkt t hier nut dann nicht, w e n n P(tI)/wt = P(t F) gilt. Dieser
Zusammenhang kann als weitere spezielle Auspr~igung des bereits frtiher erw~an-
ten Gesetzes des Einheitspreises angesehen werden.
Beispiel 7.7:
Gegeben sei eine Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung mit nur einem homogenen Kon-
sumgut, dessen Preis in einem Land in der jeweiligen WS.hrung daher mit dem
dort herrschenden Preisniveau identisch ist. Devisen- und GfitermSxkte seien
vollkommen. Der Preis des Konsumgutes belaufe sich in Euro zum Zeitpunkt t
= 0 anf p(I) 1,21 EUR und in US-$ auf P~0 F~ 1,12 US-$ bei einem Wechsel- x 0 ~
kurs w 0 = 1,1 EUR/US-$. Im Zeitpunkt t = 1 sollen sich die entsprechenden
Werte auf PI I) = 1,2705 EUR und auf PI F) = 1,08 US-$ sowie w~ = 1,14 EUR/US-
$ bemessen.
Wegen P0 (l) = 1,21 EUR < P0(F)-Wo = 1,232 EUR lassen sich beliebig hohe Ge-
winne im Zeitpunkt t = 0 dadurch realisieren, dass man das Konsumgut zu P0 (1) =
1,21 EUR im Inland erwirbt und zu P0 (F) = 1,12 US-$ im Ausland ver~iul3ert. Vom
US-$-Ver~iul3erungserl6s je Mengeneinheit ben6tigt man 1,21/1,1 = 1,1 US-S, um
den far den Erwerb einer Einheit des Konsumgutes im Inland ben6tigten Euro-
Betrag zu egalisieren. Es verbleibt damit ein Gewinn yon 0,02 US-$ bzw.
285
0,02-1,1 = 0,022 EUR ftir jede vom Inland ins Ausland transferierte Einheit des
Konsumgutes. Ein Gleichgewicht liegt damit unter den hier getroffenen Annah-
men zum Zeitpunkt t = 0 nicht vor.
Im Zeitpunkt t = 1 hingegen lohnt es sich infolge von PI I) = 1,2705 EUR >
PIF).w~ = 1,2312 EUR, das Gut im Ausland zu PI F) = 1,08 US-$ zu erstehen und
sofort wieder im Inland zu PI l) = 1,2705 EUR zu verkaufen. Vom Ver~iul3e-
rungserl6s je Mengeneinheit werden 1,08.1,14 = 1,2312 EUR ben6tigt, um die
Ausgaben ffir den Gtitererwerb auszugleichen. Der Restbetrag yon 0,0393 EUR
bzw. 0,0393/1,14 ~ 0,034474 US-$ je transferierter Gtitereinheit stellt abermals
einen sicheren Gewinn ffir den "H~indler" dar. Auch im Zeitpunkt t = 1 liegt hier
demnach kein Gleichgewicht vor. []
Das Gesetz des Einheitspreises bezieht sich auf die Relation der Preise eines
Gutes in Inlands- und Fremdw~ihrung. Obertr~igt man diese Beziehung auf die
Ebene der in- und ausl~ndischen Preisniveaus, was (fast nur) in einer Ein-Gut-
Welt otme weiteres m6glich ;st, dann spricht man vonde r Kaufkraftparit~iten-
theorie, l~
Im Zeitpunkt t+l besteht nun zum einen eine Verbindlichkeit in Inlandsw~ihrung D(I) .( l .a_;(nom,1)) 10(F) .( l ..t.;(n~ von x t k~t--,.t+ 1 j, zum anderen eine Forderungsh6he von - t ,---t+l ,"
p(F) .( 1 -I., ;(n~ 1 -L; (r eal'F) Letztere erm6glicht im Ausland den Erwerb von ~t ~,~--lt+l )/JVt+l . . . . t+l
Mengeneinheiten des Konsumgutes. Hinreichende Mittel zur Bedienung der lO(I) .( 1 -u~(n~ 11 D( I ) Verbindlichkeit hingegen k6nnen durch Ver~iuBerung von - t ~---t+~ J,-t+l =
;(real,F) i(real,I) l_,.~(reaU) Mengeneinheiten des Konsumgutes erl6st werden. Ftir -t+l > *t+l x--~t+ 1
verbleiben beim Untemehmer ohne eigenen Mitteleinsatz demnach M6glichkeiten
zum Konsum des homogenen Gutes, ein allgemeines Gleichgewicht kann hierbei
folglich nicht vorliegen. Analoge Lrberlegungen sind f'tir den Fall "t+l;(real'F) < "t+l;(real'l)
m6glich.
l0 Vgl. hierzu etwa Breuer (1995a).
286
Beispiel 7.8: Gegeben sei eine Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung mit einem homogenen Konsum-
gut, dessen Preis sich in InlandswS/u-ung zum Zeitpunkt t = 0 auf -0r'(~) = 1,21 EUR
und in US-$ auf P0 (F) = 1,1 US-$ bei einem Wechselkurs Wo = 1,1 EUR/US-$
bel~iuft. Im Zeitpunkt t = 1 sollen die entsprechenden Werte PI ~) = 1,2705 EUR,
PI F) = 1,1 US-$ sowie w~ = 1,14 EUR/US-$ betragen. Des Weiteren sei der
Zinssatz ftir Anlage oder Aufnahme von Mitteln in E u r o i} n~ = 8 %, und far
entsprechende Transaktionen in US-$ betrage er il n~ = 4,2105 %.
Auf der Grundlage dieser Daten ergibt sich im Inland eine Inflationsrate von re} ~)
= (1,2705/1,21)-1 = 5 % und im Ausland von rt} F) = (1,1/1,1)-1 = 0 %. Der inl~in-
dische Realzinssatz ist damit (1,08/1,05)-1 = 2 ,8571%, und der ausl~indische
entspricht mit 4,2105 % dem Nominalzinssatz i} n~ Diese Realzinssatzdifferenz
signalisiert unmittelbar die M6glichkeit zur Erzielung beliebig hoher Gewinne
durch geeignete Markttransaktionen. Am einfachsten ist es hierbei, in t = 1 das
Konsumgut im Ausland zu PI F) = 1,1 US-$ zu erwerben und sofort wieder zu PI 1)
= 1,2705 EUR im Inland zu verkaufen. 1~ Der Verkaufserl6s entspricht
1,2705/1,14 = 1,114474 US-S, so dass aus dieser Transaktion je Mengeneinheit
des Gutes ein Reinerl6s von ungefahr 0,014474 US-$ resultiert. Ein Gleich-
gewicht kann wegen dieser Arbitragem6glichkeit ftir die gegebene Parameterkon-
stellation denmach nicht vorliegen. []
Gibt es m e h r als ein Gut, dann ist die weiter oben pr~isentierte Herleitung selbst
bei vollkommenen Gtiterm~kten so nicht umsetzbar , weil der Inlandspreis eines
11 Es l~isst sich zeigen, dass der Nationale Fisher-Effekt (bei Sicherheit) aus der Gtiltigkeit des Internat ionalen Fisher-Effekts und der Kaufkraftparit~i- tentheor ie gefolgert werden kann. Vgl. Breuer (2000a). Ist der Nationate Fisher-Effekt verletzt, dann anch eine der beiden anderen Beziehungen. Ftir konkrete Verletzungen des Nationalen Fisher-Effekts sind daher nicht die weiter oben zu seiner allgemeinen Begriindung genutzten Transaktionen erfor- derlich. Man kann vielmehr direkt an der Ausnutzung der Verletzung des Internationalen Fisher-Effekts oder der Kaufkraftparit~itentheorie ansetzen, so wie es auch hier im Rahmen des Zahlenbeispiels erfolgt.
287
Gutes oder auch eines Gtiterbtindels sowie dessen Auslandspreis generell nicht
beide zugleich mit den jeweiligen Preisniveaus zusammenfallen k6nnen, werm In-
und Ausland ihre Preisniveaus auf der Grundlage verschiedener Warenk6rbe er-
mitteln.
Beispiel 7.9: Gegeben seien zwei Volkswirtschaften, "Inland" und "Ausland", in denen zwei
Gtiter 1 und 2 in einem Zeitpunkt t unter Gtiltigkeit des Gesetzes des Einheits-
preises ftir jedes von ihnen gehandelt werden. Der Preis in Inlandsw~ihrung des
Gutes 1 sei p{1,1) = 1 EUR, der des Gutes 2 betrage pCt2a) = 1,5 EUR. Die entspre-
chenden Preise in FremdwNmmg sollen p(t I'F~ = 2 US-$ und p}2,F) = 3 US-$ sein.
Mit w t = 0,5 EUR/US-$ waf t man leicht, dass das Gesetz des Einheitspreises in
der Tat Gtiltigkeit besitzt.
Das Preisniveau im Inland werde auf der Gmndlage eines Gtiterbtindets bestimmt,
das sich zu 40 % aus Gut 1 und zu 60 % aus Gut 2 zusammensetzt. Man erh~ilt
daher p~i~ = 0,4.1+0,6-1,5 = 1,3. Der maggebliche Warenkorb des Auslands er-
gebe sich zu 20 % aus Gut 1 und zu 80 % aus Gut 2. Daraus resultiert p{F~ =
0,2"2+0,8"3 = 2,8. Durch den Erwerb eines Gtiterbtindels mit der Struktur des
repr~isentativen Warenkorbs des Inlands realisiert man daher einen Preis pro
Mengeneinheit von 1,3 EUR. Der Preis dieses Gtiterbtindels in FremdwNtrung
bel~iuft sich aber nun nicht auf 2,8 US-S, sondern auf 0,4-2+0,6-3 = 2,6 US-S,
weswegen man 1,3 EUR ~ 2,8 ~3,5 = 1,4 EUR erh~ilt. Entsprechende Diskrepan-
zen ergeben sich, wenn man das repr~isentative Gtiterbtindel des Auslands nach-
bildet. Damit aber kann die Herleitung des Nationalen Fisher-Effekts, so wie sie
oben pr~isentiert wurde, nicht mehr durchgeftihrt werden. Auch im vorhergehen-
den Beispiel 7.8 k6nnte man aus der beobachteten Verletzung der Kanfkraftpari-
t~itentheorie im Mehr-Gtiter-Fall nicht mehr zwingend auf Verletzungen des Ge-
setzes des Einheitspreises und die hierdurch er6ffneten Arbitragem6glichkeiten
schliegen.12 []
12 Vgl. hierzu auch Solnik (1978) sowie Breuer (2000a).
288
Schon aus diesem Grunde ist die Bedeutung des Nationalen Fisher-Effekts eher
als gering einzustufen. Hinzu kommt tiberdies, dass gerade ftir Gtiterm~irkte die
Annahme ihrer Vollkommenheit eher als fragwtirdig anzusehen ist.13 In analoger
Weise sind die Kapitalwertformeln (7.15) und (7.16) zu beurteilen. Auch die zu-
s~itzlich zur Herleitung von (7.16) getroffenen Annahmen konstanter realer
Fremdwahrungseinzahlungen und eines tiber die Perioden hinweg konstanten Re-
alzinssatzes werden allenfalls zufallig erftillt sein. Hierauf wurde schon im
Rahmen des vorhergehenden Abschnitts 6 eingegangen. Alles in allem wird man
daher unter einigermagen plausiblen Annahmen zur Beurteilung von Auslandsdi-
rektinvestitionen nicht umhink6nnen, auch entweder ktinftige Wechselkurse oder
aber ktinftige ausl~indische Ein-Perioden-Zinss~itze zu schatzen.
7.6 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war die Beurteilung von Auslandsdirektlnvesti-
tionen. Hierbei wurde zum ersten Mal der Umstand berticksichtigt, dass Zahlun-
gen in verschiedenen Wahrungen anfallen k6nnen. Schon bei Beschr~inkung der
Betrachtung auf zwei Wahnmgsgebiete kann man zwischen Zahlungen in Inlands-
und in Fremdwahrung unterscheiden. Den Preis einer W~_hrung in Geldeinheiten
der anderen bezeichnet man dabei als einen Wechselkurs.
Die Gtiltigkeit der Fisher-Separation und die Optimalitiit kapitalwertmaximie-
render Investitionsentscheidungen werden hierdurch grunds~itzlich nicht betroffen.
Lediglich kann man nun zwischen dem Kapitalwert eines Investitionsprojekts auf
Basis der in Inlandswahrung umgerechneten Einzahlungen und dem auf Basis der
in FremdwS, hrtmg ausgedrtickten Einzahlungen unterscheiden. Beide Kapitalwerte
sind tiber den Internationalen Fisher-Effekt unmittelbar miteinander verkntipft.
Dieser beschreibt eine Beziehung zwischen den Zinss~itzen des In- und Auslands
und den Wechselkursen zwischen den beiden WLhrungen in verschiedenen Zeit-
13 Entsprechend schwach ist - wie bereits angedeutet -der empirische Beleg zur Gtiltigkeit des Nationalen Fisher-Effekts. Vgl. etwa Demirag/Goddard (1994), S. 75.
289
punkten.
Ferner wurde die Gelegenheit genutzt, etwas ausf'tihrlicher zu verdeutlichen, was
man unter der "Zahlungsreihe" eines Investitionsprojekts versteht. Diese Frage
kann insbesondere dann kompliziert werden, wenn eine Unternehmung aus meh-
reren verschiedenen Gesellschaften mit Zahlungsverflechtungen besteht. Grund-
s~itzlich umfasst die Zahlungsreihe eines Investitionsprojekts all die Zahlungskon-
sequenzen, die durch die betreffende Investition ausgel6st werden, also ohne die
betreffende Investition nicht anfielen.
Schliei31ich wurde der Nationale Fisher-Effekt vorgestellt, der die Gleichheit der
Realzinss~itze des In- und Auslands postuliert und einen Beitrag zu vereinfachten
Kapitalwertformeln leisten kann. Allerdings ist der Nationale Fisher-Effekt so-
wohl theoretisch als auch empirisch nur schwach zu sttitzen.
Generell zeigt sich, dass wenigstens ftir den Fall bei Sicherheit die Berticksich-
tigung yon Fremdw~ihrungseinzahlungen im Rahmen der Investitionstheorie keine
besondere Schwierigkeit darstellt. Dass diese Einsch~itzung bei Entscheidungen
unter Risiko nicht mehr ohne weiteres aufrechterhalten werden kann, sollte nicht
allzu seN" tiberraschen, sprengt aber den Rahmen dieser einfiJhrenden Darstellung.
Wir werden hierauf im Rahmen des Bands II zurtickkommen.
290
Wiederholungsfragen
W7.1
Was charakterisiert eine Auslandsdirektinvestition?
W7.2
Was versteht man unter einem Wechselkurs?
W7.3
Wieso ftihrt die Betrachtung von Zahlungskonsequenzen in verschiedenen Wah-
rungen bei Vollkommenheit der Devisen- trod Kapitalmarkte nicht zu einer
Revision der Fisher-Separation und der Optimalit~it kapitalwertmaximierender
Investitionsentscheidungen?
W7.4
Wie bestimmt sich der Kapitalwert einer Auslandsdirektinvestition in Inlands-
w~ihrung?
W7.5
Wie bestimmt sich der Kapitalwert einer Auslandsdirektinvestition in Fremdw~ih-
rung?
W7.6
Was versteht man unter dem Internationalen Fisher-Effekt?
W7.7
Wieso kann man bei Gtiltigkeit des Kapitalwertkriteriums eine Auslandsdirektin-
vestition unabhS_ngig von den sonstigen unternehmerischen Investitionsaktivit~iten
beurteilen?
291
W7.8
Welche monet~iren Konsequenzen sind als Zahlungsreihe einer Auslandsdirekt-
investition aufzufassen?
W7.9
Was sagt das Gesetz des Einheitspreises aus?
W7.10
Welchen Zusammenhang beschreibt der Nationale F&her-Effekt?
IV
293
Investitionsentseheidungen bei unvollkommenem Kapitalmarkt
1 Hirshleifer-Modell und Klienteleffekt
1.1 Problemstellung
Sofern man vom einftthrenden (kurzen) Kapitel II einmal absieht, wurde im Rah-
men dieses Lehrbuchs bislang stets die Pr~nisse eines vo | lkommenen Kapital-
marktes vorausgesetzt. Dies implizierte insbesondere die Gleichheit des ftir Mit-
telaufnahme und -anlage von einem Zeitpunkt t-1 bis t jeweils gtiltigen Zinssat-
zes. Zweifellos ist das ein mit realen Gegebenheiten nur schwer zu vereinbaren-
der Umstand. Typischerweise wird man davon ausgehen mtissen, dass der von t-1
bis t f'tir Anlagezwecke erreichbare Itabenzinssatz hinter dem f'ttr die gleiche Pe-
riode maggeblichen Sollzinssatz zurtickbleibt. Im folgenden Abschnitt 1.2 sollen
die Konsequenzen aus einer derartigen Situation im Rahmen einer einfachen
Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung naher analysiert werden. Weft dieses Szenario zum
ersten Mal 1958 von Jack Hirshleifer analysiert wurde,~ spricht man hierbei auch
vom "Hirshleifer-Modell". 2 Es wird sich zeigen, dass die Fisher-Separation in-
nerhalb dieses Ansatzes keine Gtiltigkeit mehr besitzt. Eine pr~erenzunabhangige
Beurteilung yon Investitionsprojekten ist damit im Allgemeinen nicht mehr m6g-
lich.
Zuweilen wird darauf hingewiesen, dass eine vertiefte Analyse des Hirshleifer-
Modells den Weg zu einem sogenannten Klienteleffekt weist, der in gewisser
Weise eine Restitution des Separationsergebnisses von Fisher erm6glicht. Im
Vgl. Hirshleifer (1958). Siehe aber auch Hirshleifer (1974).
Darstellungen des Hirshleifer-Modells finden sich auch in zahlreichen ande- ren finanzwirtschaftlichen Lehrbtichern. Vgl. insbesondere Hax (1993), S. 77 ft., Drukarczyk (1993), S. 38 ft., Franke/Hax (2004), S. 158 ft., Schiifer (2005), S. 201 ft.
294
Abschnitt 1.3 wird daher zun~ichst der Kliemeleffekt gem~iB der in der Literatur
tiblichen Form vorgestellt. Weil sich dabei allerdings eine Reihe yon Unstimmig-
keiten im Verh~ilmis zum zuvor behandelten Hirshleifer-Modell ergibt, ist im Ab-
sehnitt 1.4 die sachgerechte Einpassung des Klienteleffekts in das Hirshleifer- Modell im Detail zu problematisieren. Die Ausftihrungen schlieBen im Absehnit t
1.5 wie stets mit einer Zusammenfassung.
1.2 Das Hirshleif er-Modell
1.2.1 Die Annahmen
Abgesehen von einer entscheidenden Ausnahme, auf die wir in Ktirze zu spre-
chen kommen werden, sollen im Weiteren die gleichen Annahmen gelten, die
auch schon im Kapitel II sowie im Abschnitt 1 des vorhergehenden Kapitels bei
der Er6rtemng des Fisher-Modells zugrunde gelegt wurden. Das heigt, es wird
ein Unternehmer im Rahmen eines Zwei-Zeitpunkte-Modells yon t = 0 bis t = 1
betrachtet. Seine Nutzenfunkt ion U h~ingt positiv yon seinem (nichtnegativen)
Konsum C O im Zeitpunkt t = 0 sowie von seinem (nichtnegativen) Konsum C l im
Zeitpunkt t = 1 ab, wobei die Grenznutzenzuw~ichse aus steigendem Konsum C t
in einem Zeitpunkt t = 0, 1 jedoch ceteris paribus abnehmend verlaufen.
U - U(C0;C 1) mit 0U > 0 , o2U < 0. (1.1) OC t OCt 2
Im (C0;C0-Diagranun kann die Nutzenfunktion U tiber Indi f ferenzkurven darge-
stellt werden. Eine Indifferenzkurve stellt bekanntermagen den geometrischen Ort
aller (C0;C0-Kombinationen dar, die aus Unternehmersicht gleichen Nutzen
stiften. Je weiter auBen eine solche Indifferenzkurve liegt, desto gr6Ber ist das mit
ihr verbundene Nutzenniveau. Ziel des Unternehmers wird es deswegen sein, eine
m6glichst weit auBen gelegene Indifferenzkurve zu erreichen. Wie bisher sei an-
295
genommen, dass die Indifferenzkurven konvex verlaufen. 3
Der Unternehmer hat des Weiteren in t = 0 die M6glichkeit zur Durchftihrung
yon Realinvestitionen I, die in t=l zu Ertr~igen F(I) f'tihren. Auch im Rahmen
dieses Abschnitts sei dabei ein "stilisierter", durchgangig differenzierbarer Verlauf
der Realinvestitionsfunktion F gem~iB dem Gesetz vom abnehrnenden Grenzer-
t rag unterstellt. Das heiBt, mit steigendem Investitionsvolumen nimmt die Grenz-
rendite F'(I)-1 des Investitionsprogramms best~ndig ab. 4
Die Anfangsausstattung des Untemehmers bel~iuft sich auf W 0 Geldeinheiten
Konsumm6glichkeiten in t = 0. Ftir ein beliebiges Investitionsvolumen I realisiert
der Unternehmer damit folgende Konsumposition:
C O = Wo-I ,
C l = F(I) = F(Wo-Co). (1.2)
Die graphische Darstellung yon (1.2) im (C0;C1)-Diagramm wurde im Kapitel II
als Trans fo rmat ionskurve eingeftihrt. Sie beschreibt die M6glichkeiten des Un-
temehmers, durch Konsumverzicht in t = 0, also (Real-) Investitionen, seinen Kon-
sum in t = 1 zu steigern.
Neben der M6glichkeit zur Durchffitu'ung von Realinvestitionen habe der Unter-
nehmer auch noch Zugang zu einem Kapi ta lmarkt . Dort kann er als Mengenan-
passer Mittel zu einem Zinssatz i (s) aufnehmen bzw. zu einem niedrigeren Zins-
satz i (H) anlegen und auf diese Weise KonsummOglichkeiten yon t = 1 nach t = 0
bzw. yon t = 0 nach t = 1 transferieren. Die Diskrepanz zwischen dem Zinssatz
i (s) f'tir Mi t te laufnahme und dem Zinssatz i (H) f'tir Mittelanlage ist konstitutives
Merkmal des Hirshleifer-Modells. Begrfindet wird sie mit der Existenz yon
Transakt ionskos ten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Kapitalmarkt-
3 Vgl. zur Diskussion dieser Pr~iferenzannahmen Kapitel II dieses Buchs.
4 Vgl. auch hierzu schon Kapitel II dieses Buchs.
296
transaktionen. Generell ergeben sich Transaktionskosten schon aus dem erfor-
derlichen Zeitaufwand zur Anbahnung und Umsetzung eines Mitteliiberlassungs-
vertrags, s Hirshleifer unterstellt somit einen augenscheinlich unvollkommenen
Kapitalmarkt.
Zur Veranschaulichung der Konsequenzen aus dem Anfall von Transaktionskos-
ten sei stark vereinfacht angenommen, dass diese nur bei der Mittelrackzahlung
auftreten. Dies fiihrt dann dazu, dass der Mittelabfluss beim Kapitalnehmer zum
Zeitpunkt t = 1 tiber dem entsprechenden Mittelzufluss beim Kapitalgeber liegt.
Die Spanne zwischen i (s) und i (m gibt deswegen in diesem Zusammenhang die
H6he der Transaktionskosten in t = 1 an, die am Kapitalmarkt je urspriinglich
aufgenommener bzw. angelegter Geldeinheit anfallen.
Beispiel 1.1: Angenommen, im Rahmen der Mittelaufnahme von t = 0 bis t = 1 ist brutto, das
heiBt vor Abzug yon Transaktionskosten, eine Verzinsung von i (s) = 12 % zu
gew~hren, und es fallen Transaktionskosten von 0,04 GE je zurtickgezahlter Geld-
einheit (exclusive Zinsen) bei Rtickzahlung der aufgenommenen Mittel an. Dann
resultiert ftir den Kapitalgeber in t = 1 nut noch ein Nettozufluss yon 1,12-0,04
= 1,08 GE je in t = 0 angelegter Geldeinheit und mithin ein Habenzinssatz i (m =
8 % . []
Zweifellos ist es realit~itsngher, den wesentlichen Anfall der Transaktionskosten
im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Abwicklung eines Mitteltiberlas-
sungsvertrags auf den Zeitpunkt t = 0 zu beziehen. Dann aber kann die Spanne
i(sLi (m nicht mehr so leicht wie bei vollst~indigem Transaktionskostenanfall in t --
1 interpretiert werden.
Vgl. zu einer Systematisierung von Transaktionskosten beispielsweise Breuer (1993a), S. 60 ft. Umfassende Darstellungen yon Transaktionskosten als Quelle von Marktunvollkommenheiten finden sich insbesondere bei Rich- ter/Furubotn (2003), S. 79 ft., und Neus (2005), S. 93 ft.
297
Beispiel 1.2: Angenommen, im Rahmen der Mittelaufnahme von t = 0 bis t = 1 ist netto an
den Kapitalgeber in t = 1 eine Verzinsung yon i (m = 8 % zu gewahren. 4 % der
in t = 0 erhaltenen Mittel werden aber unmittelbar durch Transaktionskosten
aufgebraucht. Von 100 GE, die brutto in t = 0 tiberlassen werden, verbleiben dem
Kapitalnehmer folglich nach Abzug der Transaktionskosten nur 96 GE, auf die in
t = 1 insgesamt 100.1,08 = 108 GE zurtickzuzahlen sind. Dies entspricht einem
Sollzinssatz i (s~ auf die netto zugeflossenen 96 GE von (108-96)/96 = 12,5 %,
weswegen die Differenz i(s)-i (m hierbei nicht dem Transaktionskostensatz yon 4
% je aufgenommener oder von 4/96 = 4,17 % je netto erhaltener Geldeinheit ent-
spricht. []
Ausgehend von einer beliebigen Konsumposition t---orC'cs)'c'(s~,-~ j, die der Unternehmer
allein aufgrund seiner durchgeftihrten Realinvestitionen verwirklichen k6nnte,
ftihrt die Aufnahme eines Kredits in H6he von K > 0 dazu, dass der Unternehmer
in t = 0 sein Konsumniveau auf C o = Co(S)+K steigert. Daf'tir reduziert sich infolge
der erforderlichen Kreditrtickzahlung sein Konsum im Zeitpunkt t = 1 auf C~ =
c}S)-(l+i(s))-K. L6st man die Bestimmungsgleichung fur Co nach K auf und setzt
das Ergebnis in die Bestimmungsgleichung ftir C~ ein, so erh~ilt man die
Gleichung der sogenannten Kreditgeraden6:
C 1 = C(1 S) - (1 +i (sl). (C 0_~(os>), (1.3)
wobei Co-Co (s) >_ 0, also K >_ 0, gelten muss, da eine Mittelanlage, K < 0, zu i (s)
nicht m6glich ist. Die Kreditgerade beschreibt den geometrischen Ort aller
(Co;C~)-Kombinationen, die der Untemehmer durch Aufnahme von Mitteln am Ka-
pitalmarkt, ausgehend yon einer (dutch Realinvestitionen erreichten) Konsumposi-
tion tc(s)'c(sh realisieren kann. Die Steigung einer Kreditgeraden ist unabhS_ngig
vom "Startpunkt" ~'~0c~(s)'~<s)~,'--i j stets konstant -(l+i(s)). 7 Als Startpunkt kommt dabei
jeder Punkt der Transformationskurve in Frage, da jede dieser Kombinationen
6 Vgl. zum Begriff Hirshleifer (1974), S. 197.
7 Vgl. die Kreditgeraden K § und K* in Abbildung 1.1.
298
von gegenw~irtigem und zukiinftigem Konsum durch entsprechende Realinvesti-
tionen vom Unternehmer erreichbar ist. Zu beachten ist, dass die Kreditgeraden
dabei nur rechts vom jeweiligen Startpunkt verlaufen, da eine Mittelanlage zu i (s)
(also der Fall C0-C0 ~s) < 0) nicht erfolgen kann. Pr~izise formuliert, handelt es sich
hierbei demnach um "Halbgeraden".
Beispiel 1.3: Gegeben sei ein Unternehmer, der ohne die Durchfahmng von Kapitalmarkttrans-
aktionen die Konsumallokation r~(s).~(s~ (1,14;8,64) realisieren kann. Mit i (s) \ ~ - ' 0 " V l I =
= 12 % lautet die Gleichung der F~ ihn relevanten Kreditgeraden dann folgender-
maBen:
C 1 = 8,64-1,12.(Co-1,14 ) = 9,9168-1,12-Co, (1.4)
wobei Co > 1,14 GE zu beachten ist. []
Legt der Unternehmer stattdessen einen Betrag A > 0, ausgehend yon einer Kon-
sumposition (C(0H);C~H)) 8, zum daftir maBgeblichen Zinssatz i (mvon t = 0 bis t =
1 an, dann reduziert sich sein Konsumniveau in t = 0 auf C o = C~0m-A. Daftir
erh6hen sich seine Konsumm6glichkeiten des Zeitpunktes t = 1 auf C1 =
C lm+(l+i (m) "A. Durch Aufl6sung der B estimmungsgleichung fiir C o nach A und
Einsetzen des Ergebnisses in die Bestimmungsgleichung ftir C~ gelangt man zur
sogenannten Darlehnsgeradeng:
C, = Cl(m+(1 +iOn) �9 (C(o~-Co), (1.5)
wobei C(0m-Co > 0, also A > 0, gelten muss, da eine Mittelaufnahme, A < 0, zu
i (m nicht in Frage kommt. Die Darlehnsgerade beschreibt den geometrischen Ort
Die Unterscheidung der "Startpositionen" ~---0rc'~s~'c'(s)a,-~l ~ und ~"0r~(")'~(H)a,'~l ~ erfolgt bereits an dieser Stelle, weil sich schon sehr bald zeigen wird, dass der Un- ternehmer je nach angestrebten Kapitalmarkttransaktionen auch unterschiedli- che Realinvestitionsvolumina realisieren wird.
9 Vgl. zum Begriff erneut Hirshleifer (1974), S. 197.
299
aller (C0;C0-Kombinationen, die der Unternehmer durch Anlage von Mitteln am
Kapitalmarkt, ausgehend von einer (durch Realinvestitionen erreichten) Konsum- m u
position (C0~m;C}m), realisieren kann. Auch die Steigung der Darlehnsgeraden ist
startpunktunabh~_ngig stets konstant, und zwar gleich -(l+i(m). 1~ Darlehnsgeraden
verlaufen damit flacher als die entsprechenden Kreditgeraden, wobei die Stei-
gungsdifferenz mit wachsenden Transaktionskosten zunimmt. Des Weiteren ist er-
neut jeder Punkt der Transformationskurve als Startpunkt far eine Darlehnsgerade
denkbar und handelt es sich abermals nur um Halbgeraden, da eine Verschuldung
zu i (m (also der Fall C0(m-C0 < 0) nicht m6glich ist.
Beispiel 1.4: Gegeben sei ein Umernehmer, der ohne die DurchfiLhrung von Kapitalmarkttrans-
aktionen die Konsumallokation t~(m.~(i% = t'~0 ,,-q J (5,85;8,96) realisieren kann. Mit i ~m
= 8 % lautet die Gleichung der ftir ihn relevanten Darlehnsgeraden dann:
C 1 -- 8,96+1,08"(5,85-Co) = 15,278-1,08-Co, (1.6)
wobei Co < 5,85 GE zu beachten ist. []
1.2.2 Optimale Investitionsentscheidungen im Hirshleifer-ModeU
UnabhSaagig vonder konkret angenommenen Nutzenfunktion U des Untemehmers
ist fur diesen auf jeden Fall nur die am weitesten augen gelegene yon allen tiber-
haupt erreichbaren Kreditgeraden von Interesse. Denn alle Punkte auf weiter
innen gelegenen Kreditgeraden werden entweder durch Punkte auf der ~iugersten
Kreditgeraden oder durch Punkte auf der Transformationskurve derart dominiert, dass sowohl ein nichtniedrigeres heutiges als auch ein nichmiedrigeres zukiinf-
tiges Konsumniveau, also mindestens der gleiche Nutzenwert wie bei dem betref-
fenden Punkt auf der innen gelegenen Kreditgeraden, erreichbar ist. Die einzig
relevante Kreditgerade ist dabei gerade Tangente an die Transformationskurve des
Unternehmers und in Abbildung 1.1 mit K* bezeichnet. Sofern sich der Unter-
lo Vgl. die Darlehnsgeraden D + und D* in Abbildung 1.1.
300
nehmer also in t = 0 verschulden m6chte, wird er es stets auf der Grundlage des
in Abbildung 1.1 mit I (s)* bezeichneten Realinvestitionsvolumens tun.
C1
D*
F(Wo)-
U~ H )
~(s~r ..................................................... ~ ..........................................
o ~ s ) Wo Y i(s)*
J N"-
~(H),
Co
Abbildung 1.1: Transformationskurve, Darlehns- und Kreditgeraden im Hirsh- leifer-Modell
Beispiel 1.5:
Betrachtet sei ein Unternehmer mit einer Verm6gensanfangsausstattung in t = 0
in H6he von W o = 5 GE. Seine Investifionsertragsfunktion sei F(I) = 4,4-I ~ und
entspreche damit der aus Beispiel 1.6 des Kapitels II. Der Kapitalmarktzinssatz
i ~s~ fOr Mittelaufnahrne von t = 0 bis t = 1 betrage 12 %. Unter der Voraus-
setzung, dass sich der Untemehmer am Kapitalmarkt zu verschulden beabsichfigt,
muss die Steigung der Transformationskurve, -F'(I), beim optimalen untemehme-
rischen Investitionsvolumen I ~s)* gerade dem Wert -1,12 entsprechen:
301
2,2 _ -1 ,12 ** I (sl* -~ 3,86 GE. (1.7)
m
Mit I (s)* = 3,86 GE sowie W 0 = 5 GE erh~ilt man unmittelbar C(0 s~ = 1,14 GE trod
CI s) = 8,64 GE. Die Gleichung der vom Unternehmer bei optimalem Investitions-
verhalten (ungeffihr) erreichbaren Kreditgeraden stimmt folglich mit der im Bei-
spiel 1.3 berechneten tiberein. []
Auf der Grundlage der gleichen Lrberlegung ist von allen erreichbaren Darlehns-
geraden nur die am weitesten augen gelegene n~iher zu betrachten, und diese ist
ebenfalls Tangente an die Transformationskurve. In Abbildung 1.1 ist diese Dar-
lehnsgerade mit D* charakterisiert. Falls der Unternehmer demnach in t = 0 Mittel
am Kapitalmarkt anlegen m6chte, wird er dies nur auf der Grundlage des in Ab-
bildung 1.1 mit I (n)* bezeichneten Realinvestitionsvolumens ran.
Beispiel 1.6:
Betrachtet sei wieder der Unternehmer aus Beispiel 1.5, nun aber mit einem An-
fangsverm6gen von W 0 = 10 GE. Der Kapitalmarktzinssatz i ~m ftir Mittelanlage
yon t = 0 bis t -- 1 betrage 8 %. Sofern der Unternehmer in t = 0 einen Teil
seiner Anfangsausstattung bis t = 1 anzulegen gedenkt, wird er zugleich ein sol-
ches Realinvestitionsvolumen I ~ anstreben, dass die Steigung der Transforma-
tionskurve, -F'(I), gerade den Wert -1,08 annimmt:
2,2 - -1,08 ,=, I fits* ~- 4,15 GE. (1.8)
3
Mit I (m* = 4,15 GE sowie W 0 = 10 GE erh~ilt man unmittelbar C~o H) = 5,85 GE
und GI n) = 8,96 GE. Die Gleichung der vom Unternehmer bei optimalem Investi-
tionsverhalten (ungef'ahr) erreichbaren Darlehnsgeraden entspricht folglich der im
Beispiel 1.4 ermittelten. []
In der Tat kommen als nutzenmaximierende Konsumniveaus nur Punkte auf K*
oder D* sowie auf dem dazwischen liegenden Verbindungssttick T d e r Transfor-
3O2
mationskurve in Frage. Im Weiteren sei yon Randl6sungen abgesehen. Unter
dieser Voraussetzung wird die optimale untemehmerische Konsumallokation
durch einen (eindeutigen) Tangentialpunkt einer Indifferenzkurve mit K*, D* oder
T beschrieben. Wo dieser Tangentialpunkt dabei konkret liegt, kann nur einzel-
fallabh~ingig bestimmt werden. Sollte das unternehmerische Nutzenmaximum auf
der Kreditgeraden liegen, wird der Unternehmer das Realinvestitionsvolumen I (s)* ~(s)
= W0-~ 0 anstreben und sich anschlieBend auf dem Kapitalmarkt zu i ~s) verschul-
den. Die Verschuldung am Kapitalmarkt zum Zwecke der Steigerung von C o ist
besser, als das Investitionsvolumen unter das Niveau I (s)* hin einzuschr~nken, weil
die Grenzrendite der Invesfifionen ffir Volumina unterhalb yon I {s)* h6her als i (s)
ist und somit die Einbu6e an ktinftigem Konsum durch Reduktion des Realinves-
fitionsvolumens ausgepr~gter ist als durch Verschuldung zu i (s). Wie schon im
Rahmen des Fisher-Modells spricht man hier davon, dass der Unternehmer vom
Schuldner typ ist. Ein Untemehmer dieses Typs hat im Verh~iltnis zu seiner An-
fangsausstattung vergleichsweise ausgepr~gte Gegenwartspr~ferenzen. Insbeson-
dere bei sehr niedriger Anfangsausstattung wird ein Unternehmer im Allgemeinen
vom Schuldnertyp sein. Gilt etwa W 0 = 0 GE, ist der betrachtete Umernehmer ffir
jede beliebige Nutzenfunkfion U(C0;C1) (notgedrungen) als zum Schuldnertyp ge-
h6rig zu klassifizieren. Wir werden auf diesen Umstand im n~ichsten Abschnitt
noch zufiickkommen.
Der Schuldnertyp investiert so lange, bis die Grenzrendite F'(I)-1 aus Realinvesti-
tionen dem Sollzinssatz i (s) entspricht. In v611iger Analogie zu den Ausf'tihrungen
im Rahmen der Er6rterung des Fisher-Modells ist die am weitesten auf3en lie-
gende yon allen erreichbaren Kreditgeraden dadurch gekennzeichnet, dass ihr C0-
Achsenabschnitt maximal ist. Dieser wiederum entspricht der Summe aus dem
untemehmerischen Anfangsverm6gen W 0 und dem auf der Grundlage von i (s) be-
rechneten Kapitalwert der unternehmerischen Realinvestitionen. Der Schuldnertyp
maximiert also seinen Kapitalwert aus Realinvestitionen bei Ansatz eines Kal-
kulationszinsfuBes i (s).
303
Beispiel 1.7: Gegeben sei der Untemehmer aus Beispiel 1.5. Zusiitzlich sei angenommen, dass
c,o.3.c,o,7 beschrieben werden k6nne. So- seine Nutzenfunktion durch U(Co;C1) = ---o ---1
fern der Unternehmer vom Schuldnertyp ist, ist ftir ihn die in den Beispielen 1.3
und 1.5 genannte Kreditgerade maggeblich. Wenn sein Konsumoptimum in der
Tat auf der Kreditgeraden liegen sollte, dann muss es einen Wert C O > 1,14 GE
so geben, dass die folgenden beiden Bedingungen erffillt sind: 11
10 _3
I. ~ 7 .Co 7 _- 9,9168_1,12.Co '
~o _1o
II. R.U-5-.Co 7 = 1,12. 7
(1.9)
Diese beiden Bedingungen sind von ihrer Struktur her schon aus Beispiel 1.3 im
Rahmen des Abschnitts 1 des vorhergehenden Kapitels bekannt. Konkret ist eine
Indifferenzkurve mit (maximalem) Nutzenniveau U gesucht, die einen Punkt mit
der Kreditgeraden gemeinsam hat (I.) und in diesem Punkt fiber eine Grenzrate
der Substitution von 1,12 verffigt (II.). Die simultane L6sung der beiden
Gleichungen aus (1.9) liefert C o 2,66 GE sowie U* = 5,21. Durch Einsetzen von
Co = 2,66 GE in die Gleichung der Kreditgeraden ergibt sich des Weiteren C~ -~
6,94 GE. Wegen C0 ~s) = 1,14 GE < Co = 2,66 GE t~itigt der Unternehmer also
infolge von im Verh~iltnis zu seiner Anfangsausstattung recht stark ausgepr~igten
Gegenwartspr~iferenzen zur teilweisen Finanzierung seiner beabsichtigten
Realinvestitionen im Umfang I (s)* = 3,86 GE eine Mittelaufnahme von etwa 1,52
GE. []
11 Die Restriktion Co > 1,14 GE ist zu beachten, weil die hier relevante Kre- ditgerade nur ffir solche C0-Werte definiert ist. Sollte sich aus (1.9) eine L6sung mit C o < 1,14 GE ergeben, so impliziert dies schlicht, dass das Nut- zenmaximum des Unternehmers nicht auf der Kreditgeraden liegt unde r folg- lich nicht vom Schuldner typ ist.
304
Sollte sich das Nutzenmaximum des Unternehmers auf der Darlehnsgeraden be-
finden, dann impliziert dies zugleich ein Realinvestitionsvolumen von I (m* -- W o-
~(H) und die zus~itzliche Anlage eines bestimmten Betrags am Kapitalmarkt zum o Habenzinssatz i (m. Letzteres ist ertragreicher, als das Investitionsvolumen fiber
I (m* hinaus auszudehnen, da der Grenzertrag F'(I) weiterer Investitionen unterhalb
von l+i (m, die Grenzrendite F'(I)-I aus weiteren Investitionen also unterhalb des
Habenzinssatzes liegt. Im Falle der Mittelanlage am Kapitalmarkt spricht man
bekanntermagen vom Vorliegen eines Anlegertyps. Dieser Typ ist durch eine im
Verh~iltnis zu seiner Anfangsausstattung vergleichsweise geringe Gegenwartspr~i-
ferenz charakterisiert. Insbesondere bei sehr hoher Anfangsausstattung wird ein
Unternehmer im Allgemeinen vom Anlegertyp sein.
Das optimale Investitionsvolumen I (m* des Anlegertyps ist demnach durch die
Gleichheit von Grenzrendite F'(I)-1 und Habenzinssatz i (m charakterisiert. Da i (H)
< i (s) und das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag f'tir Realinvestitionen ange-
nommen wurden, folgt bereits hieraus, dass der Anlegertyp ein h6heres Investi-
tionsvolumen I (m* als der Schuldnertyp mit I (s)* realisiert. Des Weiteren l~iuft das
optimale Investitionsverhalten auch des Anlegertyps auf Kapitalwertmaximierung
hinaus, und zwar auf der Grundlage eines Kalkulationszinsfuges i (m.
Beispiel 1.8: Gegeben sei der Untemehmer aus Beispiel 1.6. Zus~itzlich sei angenommen, dass
(~0,3 .t~0,7 seine Nutzenfunktion wie schon im Beispiel 1.7 durch U(C0;C1) = ---0 -~1
beschrieben werden k6nne. Der einzige Unterschied zum Beispiel 1.7 besteht
damit in der nunmehr mit W 0 = 10 GE h6heren Anfangsausstattung.
Sofern der Unternehmer infolge seines h6heren Anfangsverm6gens vom Anleger-
typis t , ist ffir ihn die in den Beispielen 1.4 und 1.6 genannte Darlehnsgerade
mal3geblich. Wenn sein Konsumoptimum in der Tat auf der Darlehnsgerade lie-
gen sollte, dann muss es einen Wert C o < 5,85 GE so geben, dass die folgenden
beiden Bedingungen erftillt sind: ~2
10 _ 3
I. 0 7 .Co 7 = 15,278_1,08.Co '
~ 0 _ ~o II. 3 . U 7 . C o 7 = 1,08.
7
305
(1.10)
Gesucht ist eine Indifferenzkurve mit (maximalem) Nutzenniveau U, die einen
Punkt mit der Darlehnsgeraden gemeinsam hat (I.) und in diesem Punkt tiber eine
Grenzrate der Substitution von 1,08 verftigt (II.). Die simultane L6sung der
beiden Gleichungen aus (1.10) liefert C o = 4,24 GE sowie U* -- 8,1. Durch Ein-
setzen von Co -- 4,24 GE in die Gleichung der Darlehnsgeraden resultiert des
Weiteren C~ = 10,7 GE. Wegen ~ m 5,85 GE > C o ~ 4,24 GE ttitigt der Unter-
nehmer also infolge im Verhtiltnis zu seiner Anfangsausstattung recht stark aus-
geprtigter Zukunftsprtiferenzen zustitzlich zu seinen Realinvestitionen im Umfang
I ~m* = 4,15 GE noch eine Kapitalmarktanlage von etwa 1,61 GE. []
SchlieBlich ist noch denkbar, dass sich das Nutzenmaximum auf der Transfor-
mationskurve zwischen den oder auf den beiden Tangentialpunkten befindet. Un-
ter dieser Voraussetzung liegt das zugeh6rige Investitionsvolumen I (N)* zwischen
I (s)* und I (m*. Eine genauere Spezifikation von I (N)* ist nicht m6glich, da sich jedes
Investitionsvolumen aus dem (geschlossenen) Intervall [I(S)*;I (m*] aus Sicht eines
Unternehmers als optimal erweisen kann, sofern nur passende Zeitprtiferenzen
und Anfangsausstattung angenommen werden. Eine Mittelaufnahme oder -anlage
am Kapitalmarkt kommt hierbei in jedem Falle nicht zustande. Aus diesem Grun-
~(N)'~(Nh = (Co;C~): Der vom Untemehmer durch sein Realinvestitionsvo- de gilt t'-~o ,,~1
lumen erreichte Startpunkt (C0(N);CI N)) f'ttr Kapitalmarkttransaktionen ftillt mit dem
Konsumoptimum (C;;C~) zusammen. Man spricht hierbei vom "neu t r a l en" Un-
12 Die Begriindung f '~ die Berticksichtigung der Restriktion C O < 5,85 GE ist analog zu der im Zusammenhang mit der Restriktion C o > 1,14 GE aus dem vorhergehenden Beispiel 1.7.
306
ternehmertyp.
Der neutrale Typ verftigt tiber moderate Gegenwarts- und Zukunftspr~iferenzen in
Relation zu seinem Anfangsverm6gen und realisiert dabei eine Grenzrendite
F'(I(N)*) - 1, die im Optimum zwischen den Werten i (mund i (s) liegt. Nattirlich kann
man zum optimalen Konsumpunkt (C0(N),C} N)) = (C0;C~) eines Neutralen stets eine
Kapitalmarktgerade mit Steigung -[ I+F'(I(N)*) - 1 ] = -F'(I (N)*) definieren, die zur
Tangente an die Transformationskurve im Punkt ~'-'0c~(N)'~(N)~,'~I , wird. Von allen
Geraden mit dieser Steigung ist sie dann die am weitesten augen gelegene, und
um sie zu erreichen, muss der Unternehmer sein Realinvestitionsvolumen derart
wS.hlen, dass dessen Kapitalwert bei Ansetzung eines Kalkulationszinsful3es
F'(I(N)*)-I mit i (H) < F'(I(N)*)-I _< i (s) maximiert wird.
Beispiel 1.9:
Gegeben sei erneut der Unternehmer aus den Beispielen 1.7 und 1.8, dieses Mal
aber mit einem Anfangsverm6gen W 0 = 7,5 GE. Aus den Beispielen 1.5 und 1.6
ist bereits bekannt, dass I (s)* = 3,86 GE und I (m* = 4,15 GE gilt. Wenn sich der
Unternehmer ftir diese Anfangsausstattung "neutral" verh~ilt, dann muss sein opti-
males Investit ionsvolumen folglich zwischen (ungef'fihr) 3,86 GE und 4,15 GE
liegen und sein optimaler Gegenwartskonsum entsprechend einen Wert zwischen
(ungef~hr) 7,5-4,15 = 3,35 GE und 7,5-3,86 = 3,64 GE annehmen. Anders formu-
lien, muss es einen Wert C omi t 3,35 < C o < 3,64 geben, so dass die folgenden
beiden Bedingungen erftillt sind:
lo _3 I. U 7 .Co 7 -- 4,4" 7V/-~,5-C o,
10 10 (1.11)
II. " -R-UY'C, , 5- - 2,2
7
Bedingung I. in (1.11) stellt sicher, dass ein gemeinsamer Punkt von Transforma-
tionskurve und Indifferenzkurve betrachtet wird. Bedingung II. in (1.11) g e w ~ r -
307
leistet, dass es sich bei diesem gemeinsamen Punkt um einen Tangentialpunkt
handelt. Die numerische L6sung dieser beiden Gleichungen f'tthrt zu einem opti-
malen Gegenwartskonsum yon etwa 3,46 GE, einem zugeh6rigen Investitionsvo-
lumen von ca. 4,04 GE sowie Zukunftskonsum von ungef'~r 8,84 GE. Der Un-
ternehmer erreicht damit insgesamt ein Nutzenniveau in H6he yon nRherungswei-
se 6,67. Weil 3,35 < Co < 3,64 gilt, ist gewahrleistet, dass der Tangentialpunkt
aus Transformations- und Indifferenzkurve in einem Bereich liegt, der nicht von
Punkten auf der Kreditgeraden K* oder der Darlehnsgeraden D* dominiert wird,
was ansonsten dazu f'dhrte, dass sich die eingangs aufgestellte Hypothese, es mit
einem "neutralen" Unternehmer zu tun zu haben, als widersprtichlich erwiese. In
Abbildung 1.1 wurde dieser nicht dominierte Bereich der Transformationskurve
mit "T" bezeichnet.
Die Grenzrendite auf Realinvestitionen im unternehmerischen Konsumoptimtma
betr~igt ungef'ghr 9,45 %, wie sich durch Einsetzen des optimalen untemehmeri-
schen Gegenwartskonsums in die rechte Seite der Gleichung II. aus (1.11) leicht
tiberprtifen l~isst. Das heiBt, wfirde der Unternehmer bei Ansatz eines derartigen
Kalkulationszinsfui3es den Kapitalwert seines Investitionsprogramms maximieren
wollen, erhielte man erneut I (N)* -- 4,04 GE:
4 ,4 -~ K - I ~ m ~ . !
1,0945 I
l 4,4 - 1 = 0
2" v/I �9 1,0945
(1.12)
�9 ~ I (m* ~ 4,04 GE
Das Kapitalwertkriterium ist demnach bei Voraussetzung eines Kalkulationszins-
fuBes von etwa 9,45 % auch hier anwendbar. []
Auf der Grundlage der obigen Uberlegungen gelangt man damit zu einigen we-
sentlichen Erkenntnissen hinsichtlich des optimalen tmternehmerischen Realinves-
308
titionsverhaltens bei unvol lkommenem Kapitalmarkt. Zun~ichst einmal ist augen-
scheinlich, dass sich das optimale Realinvestitionsvolumen des Unternehmers als
generell pr~iferenz- und vermiigensabhiingig erweist. Die auf einem vollkomme-
nen Kapitalmarkt gtiltige Fisher-Separation kann hier demnach nicht gefolgert
werden. Anf eine genaue Kenntnis der unternehmerischen Zeitpr~iferenzen und An-
fangsausstattung kann lediglich insofern verzichtet werden, als die Information,
mit einem Anlegertyp konfrontiert zu sein, eindeutig das optimale Investitions-
volumen I* = I (m* determiniert, w~Jarend aus Kenntnis des Vorliegens eines
Schuldnertyps sofort auf I* = I (s)* geschlossen werden kann. Sofern nur bekannt
ist, dass der Untemehmer vom neutralen Typis t , kann I* lediglich auf Werte zwi-
schen I (s)* und I (H~* eingegrenzt werden. Letzteres gilt auch schon, wenn man
nichts Genaueres tiber die untemehmerischen Zeitpr~iferenzen weig.
Des Weiteren aber bleibt das Kapi ta lwer tk r i t e r ium in modifizierter Form g~iltig:
Ftir jeden Unternehmer existiert nRmlich stets ein Kalkulationszinsful3 i mit i (H~ <
i _< i (s), so dass sich auf dieser Grundlage das subjektiv-optimale Realinvestitions-
volumen des betreffenden Unternehmers zugleich als kapitalwertmaximierend er-
weist. W~hrend allerdings im Rahmen des Fisher-Modells der relevante Kalkula-
tionszinsfuB mit dem Kapitalmarktzinssatz i eindeutig und fur jeden Untemehmer
gleichermaBen a priori festliegt, erweist sich der maBgebliche KalkulationszinsfuB
im Rahmen des Hirshleifer-Modells als pr~iferenz- u n d vermiJgensabhiingig.
F/Jr sehr ausgepr~igte Gegenwartspr~iferenzen in Relation zur monet~iren
Anfangsausstattung ist i ~n) zu nutzen, ftir starke Zukunftspr~iferenzen hingegen i(s)o
Im Falle moderater (oder g~inzlich unbekannter) Zeitpr~iferenzen liegt der ad~i-
quate Kalkulationszinsful3 ("irgendwo") zwischen den beiden Extremen. Well der
anzusetzende KalkulationszinsfuB im Rahmen von Kapitalwertberechnungen hier
genaugenommen erst bekannt ist, wenn man das optimale Realinvestitionsvo-
lumen eines Unternehmers kennt, spricht man auch von einem " en d o g en en "
Kalkulat ionszinsfuB im Gegensatz zum exogenen KalkulationszinsfuB aus dem
Fisher-Modell.
309
Die Existenz endogener Kalkulationszinsf'tige ist dabei nicht an die Vorausset-
zungen des Hirshleifer-Modells gebunden. Beispielsweise existiert auch in einer
Situation wie der aus Kapitel II, also ohne jeglichen unternehmerischen Kapital-
marktzugang, stets ein passender Kalkulationszinsful3, so dass die tmternehme-
rische Realinvestitionsentscheidung als kapitalwertmaximierend interpretiert
werden kann. Dieser Umstand ergibt sich unmittelbar aus der Diskussion des
neutralen Typs im Rahmen dieses Abschnitts. Dieser n~aalich kann schon defini-
tionsgemhg so behandelt werden, als g~ibe es keinen Kapitalmarktzugang. Der an-
zusetzende relevante Kalkulationszinsfug entspricht hierbei stets der Grenzrendite
aus Realinvestitionen bei Optimalverhalten. Ad~iquate endogene Kalkulations-
zinsftil3e ftir die einzelnen Perioden gibt es des Weiteren auch dann, wenn man
eine Mehr-Perioden-Betrachtung vornimmt. Wir werden auf diesen Umstand in
einem sp~iteren Abschnitt noch n~iher eingehen. Ferner besitzt die Kapital-
wertformel auf der Grundlage der endogenen Kalkulationszinsftil3e nattirlich wei-
terhin die Eigenschaft der Wertadditivitiit. Das bedeutet unter anderem, dass bei
Ansatz der endogenen Kalkulationszinsftil3e zur Kapitalwertberechnung eine Ein-
zelprojektbeurteilung m6glich ist. 13
Augenscheinlich kommt endogenen Kalkulationszinsftigen mehr konzeptionelle
denn praktische Bedeutung zu, da sie zwar eine theoretische Begrtindung f'tir die
Anwendung des Kapitalwertkriteriums liefern, aber ihre exakte Auspr~igung
grunds~itzlich erst nach Ltisung des jeweiligen Entscheidungsproblems bekannt
ist, also dann, wenn ihre Kennmis gar nicht mehr erforderlich ist.
13 Diese Erkenntnis widerspricht nicht der Feststellung aus Abschnitt 1 des Kapitels III, dass bei fehlendem Zugang zu einem vollkommenen Kapital- markt keine Einzelprojektbeurteilung erfolgen kann. Zu beachten ist n~im- lich, dass die Auspr~igungen der endogenen Kalkulationszinsftige bei fehlen- dem oder nicht vollkommenem Kapitalmarkt von den verftigbaren Investiti- onsprojekten abhiingen werden und sich hieraus Interdependenzen bei der Beurteilung der einzelnen verftigbaren Investitionsprojekte ergeben. Nur fiir als gegeben angenommene "endogene" KalkulationszinsRige besteht demnach eine (Schein-) M6glichkeit der Einzelprojektbeurteilung.
310
Allerdings kann es schon hilfreich sein, wenigstens zu wissen, in welchen Gren-
zen der ad~iquate Kalkulationszinsful3 liegen wird. Aus der Tatsache etwa, dass i
> i (m gilt, folgt unmittelbar im Rahmen der hier relevanten Zwei-Zeitpunkte-
Betrachtung, dass alle Investitionen mit einem negativen Kapitalwert ffir i = i (m
von keinem Unternehmer realisiert werden, da der negative Kapitalwert dann
auch ffir alle h6heren Kalkulationszinsftil3e resultiert. In entsprechender Weise
verffigt ein Investitionsprojekt mit nichtnegativem Kapitalwert ffir i = i (s~ fiber
einen ebensolchen ffir jeden anderen Kalkulationszinsful3 i < i (s). Investitionen mit
~: > 0 ffir i = i (s) werden daher von jedem Untemehmer durchgeffihrt. TM Als kri-
tisch erweisen sich mithin solche Projekte, die ftir i = i (m fiber einen nichmegati-
ven Kapitalwert verftigen (ftir den Anlegertyp demnach interessant sind), gleich-
zeitig aber durch ~ < 0 ffir i = i (s) charakterisiert sind (ftir den Schuldnertyp daher
nicht in Frage kommen). Die Betrachttmg endogener Kalkulationszinsftil3e erm6g-
licht demnach zumindest in Grenzen noch eine gewisse Vorselektion yon Investi-
tionsprojekten in solche, die auf keinen Fall realisiert werden sollten, solche, die
auf jeden Fall durchgeffihrt werden sollten, und solche, deren Beurteilung pr~ife-
renz- und anfangsverm6gensabh~ingig ist.
Beispiel 1.10: Gegeben sei ein Kapitalmarkt mit i ~H) = 8 % sowie i ~s) = 12 % im Rahmen einer
Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung. Ein Unternehmer habe Zugang zu drei unabh~ingig
voneinander durchffihrbaren Projekten 1, 2 und 3 gem~ig Tabelle 1.1.
14 Unterstellt wird hierbei wie schon in frfiheren Abschnitten, dass bei einem Kapitalwert von Null ebenfalls noch Projektdurchffihrung erfolgt.
0
Zl 3)
t
Z ( 1 ) - 1 O0 120 t
zl 2) -50 53
-120 132
311
Tabelle 1.1: Zahlungsreihe dreier Investitionsprojekte 1, 2, 3
Die Kapitalwerte der drei Projekte sind ftir i (s) = 12 % sowie i (m = 8 % in Tabelle
1.2 aufgeffihrt.
i 8 % 12%
~c (~) 11,11 7,14
~c (2) -0,93 -2,68
2,22 -2,14 N(3)
Tabelle 1.2: Kapitalwerte dreier Investitionsprojekte 1, 2, 3 ftir i (H) = 8 % bzw.
i (s~ = 12 % (auf zwei Stellen genau gerundet)
Man erkennt ohne weiteres, dass Projekt 1 selbst ffir i (s) = 12 % fiber einen positi-
ven Kapitalwert verffigt. Unabhgngig von der konkreten Verm6gensanfangsaus-
stattung des Unternehmers und seinen Pr~iferenzen wird sich deshalb die Realisa-
tion von Projekt 1 als vorteilhaft erweisen. Aus einem entsprechenden Grund
wird Projekt 2 mit einem schon ffir i (m = 8 % negativen Kapitalwert auf keinen
Fall durchgeffihrt. Einzelfallabh~ingig ist hingegen die Beurteilung des Investi-
tionsprojekts 3, da es mit einem positiven Kapitalwert ffir i (m = 8 % aus Sicht
eines Anlegertyps vorteilhaft ist, wahrend ein Schuldnertyp wegen des negativen
Projektkapitalwertes ffir i (s) = 12 % auf die Investition verzichtete. Innerhalb der
Gruppe der Neutralen schlieBlich wird man sowohl Unternehmer finden, die Pro-
jekt 3 durchzuf'tihren wtinschen,
werden.
312
als auch solche, die darauf lieber verzichten []
1.2.3 Marktwert von Investitionsmiiglichkeiten
Nicht mehr m6glich ist es ferner im Allgemeinen, den Kapitalwert eines Investi-
tionsprojekts bei Zugrundelegung des "korrekten" Kalkulationszinsful3es als Ver-
miigensmehrung aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 bei Durchftihrung des Investi-
tionsprojekts zu bezeichnen. Die Verm6gensmehrung aus Sicht des Zeitpunktes
t = 0 ist vielmehr stets unter Zugrundelegung des Sollzinssatzes zu bestimmen,
da nur zu diesem eine Kreditaufnahme in t = 0 m6glich ist. In entsprechender
Weise lockert sich die Beziehung zwischen dem Kapitalwert eines Investitions-
projekts und dem Marktwer t der damit verbundenen Investitionsm6glichkeit. Zur
Veranschaulichung sei die obere Graphik aus Abbildung 1.2 betrachtet ("Situa-
tion 1"). Angenommen wurde hier, dass ein Investitionsprojekt zu Einzahlungen
C1 > 0 im Zeitpunkt t = 1 f'tihrt. Ferner gebe es einen Unternehmer, der lediglich
tiber ein Anfangsverm6gen W 0 in t = 0 ohne zus~itzliche Realinvestitionsm6g-
lichkeiten verftigt und unter diesen Voraussetzungen den intertemporalen Kon-
sumplan (Co;C ~) mit C1 > C1 anstrebt. Dieser Unternehmer w ~ e bereit, maximal
den Betrag W0-C 0 in t = 0 zum Erwerb der Einzahlung C1 des Zeitpunktes t = 1
aus dem Investitionsprojekt aufzuwenden, denn von dem damit erreichbaren
Punkt (C0;CI) aus k6nnte er sodann durch zus~itzliche Mittelanlage das gleiche
Konsumoptimum wie vor dem Erwerb von C~ realisieren. Der aufzuwendende
Betrag wiederum besteht aus dem Kaufpreis V (V f'tir engl. "value") der dem
Projekt zugrtmdeliegenden Investitionsm6glichkeit zuztiglich der Anfangsaus-
zahlung A 0. Weil die Differenz zwischen W o und C0 dem Kapitalwert von C~ bei
Ansatz von i (H) entspricht, ist der Erwerb der Investitionsm6glichkeit aus Sicht
des betrachteten Unternehmers genau dann von Vorteil] 5 wenn
Bei Gleichheit in (1.13) besteht nattirlich genaugenommen Indifferenz zwi- schen dem Erwerb der Investitionsm6glichkeit und dem Verzicht hierauf aus Sicht des Unternehrners. Insofern ist der Erwerb dann nur "schwach" vorteil- haft.
313
m
C1
1 +i ~
Cl
l+iem
_> V+A o
-A o 2 V
(1.13)
und somit der Projektkapitalwert bei Berechnung mittels i (m nicht kleiner als der
Kaufpreis V ist. Aufgrund v611ig analoger 0berlegungen wtirde der betreffende
Unternehmer beim Verkauf der Investitionsm6glichkeit mindestens einen Preis V
verlangen, der dem Projektkapitalwert ftir i -- i (m entspricht, sofem er allein durch
Realinvestitionen den Konsumpunkt (Co;C0 erreichen k6nnte, also wenn sich sein
Anfangsverm6gen W 0 nach Abzug der Anfangsauszahlung A o fiir die Real-
investition gerade noch auf C0 beliefe.
Beispiel 1.11: ( ~ 0 , 3 .(-~0,7 und Betrachtet sei ein Unternehmer mit der Nutzenfunktion U(Co;C 0 = ---0 -~l
einem Anfangsverm6gen W o = 211,11 GE in t = 0. Der am Kapitalmarkt gtiltige
Habenzinssatz ftir Mittelanlage yon t = 0 bis t = 1 belaufe sich auf i m) = 8 %, der
entsprechende Sollzinssatz sei i(s)= 12 %.
In Ermangelung einer positiven Anfangsausstattung mit Konsumm/3glichkeiten in
t = 1 ist for den betrachteten Untemehmer lediglich die in dem Punkt (211,11;0)
beginnende Darlehnsgerade relevant. Auf dieser Grundlage erh~ilt man die opti-
male untemehmerische Konsumallokation durch Bestimmung des Tangentialpunk-
tes von Darlehnsgerade und unternehmerischer Indifferenzkurvenschar. Der erfor-
derliche Ansatz entspricht unter Beachtung der nunmehr relevanten Darlehns-
geradengleichung C~ = 1,08-(211,11-Co) strukturell den beiden Gleichungen aus
(1.10) im Rahmen des Beispiels 1.8. Man erh~ilt hierbei schliel31ich C o = 63,33
GE und C 1 ~ 159,6 GE.
314
Der Unternehmer k6nne nun ein Investitionsprojekt mit Einzahlungen von 120
GE in t = 1 und einer Anfangsauszahlung von 100 GE in t -- 0 erlangen. Es han-
delt sich folglich um Projekt 1 aus Tabelle 1.1 des vorhergehenden Beispiels. Der
zu i (m -- 8 % berechnete Projektkapitalwert dieser kiinftigen Einzahlungen betr~igt
gem~g Tabelle 1.2 ungef'~hr 11,11 GE. Solange der Preis V far den Erwerb dieser
Investitionsm6glichkeit nicht fiber ungefahr 11,11 GE liegt, ist die Beschaffung
der Investitionsm6glichkeit ffir den Unternehmer nicht nachteilig. Far V = 11,11
GE ist der Unternehmer gerade indif ferent zwischen Beschaffung und Nicht-
Beschaffung des betreffenden Investitionsprojekts. Im Falle des Erwerbs der
Investitionsm6glichkeit zu V = 11,11 GE und anschliegender Projektdurchftthrung
realisiert der Unternehmer die Konsumallokation (C0;C 0 = (100;120). Durch
Anlage eines Betrags in H6he von ungef~ihr 100-63,33 = 36,67 GE von t = 0 zu
t -- 1 kann der Unternehmer ann~ihernd die gleiche (und fiberdies bei
Projekterwerb weiterhin optimale) Konsumallokation (63,33;159,6) wie im Falle
ohne Investitionsprojekt erwerben. Ffir alle fiber ca. 11,11 GE hinausgehenden
Kaufpreise stellt sich der Untemehmer schlechter, far alle geringeren hingegen
besser.
Aus entsprechenden Grfinden wt~rde der Untemehmer bei einer m o n e t ~ e n An-
fangsausstattung von 200 GE und Zugang zum besagten Investitionsprojekt min-
destens einen Preis von ungef'~ihr 11,11 GE von einem potentiellen Erwerber der
Investitionsm6glichkeit verlangen. []
Etwas komplizierter liegt der Fall f'ar einen Unternehmer mit Pr~iferenzen und
Anfangsausstattung g e m ~ der Darstellung der unteren Graphik aus Abbildung 1.2
("Si tua t ion 2"). 16 Auch hier beschreibt die Differenz W0-C 0 den maximal vom
16 Ob man ffir einen Untemehmer zur Ermittlung des maximal akzeptablen Be- trags zum Erwerb eines zukfinftigen Konsumniveaus C 1 die Situation 1 oder die Situation 2 zugrunde zu legen hat, l~isst sich leieht feststellen. Situation 1 ist maggeblich, wenn der vom Untemehmer angestrebte Optimalwert seines Zukunf_tskonsums allein auf der Grundlage seiner Anfangsausstattung minde- stens C~ betr~igt. Ansonsten ist Situation 2 relevant. Entsprechendes gilt, wenn es um die Ermittlung des mindestens zu verlangenden Verkanfspreises ffir
315
betrachteten Untemehmer aufwendbaren Betrag zum Erwerb der Konsumm6glich-
keit C1 des Zeitpunktes t = 1. Denn yon (Co;C 0 aus kann der Untemehmer durch
zus~itzliche Verschuldung die Konsumallokation (Co(1);C~ (1)) realisieren, die ihm
das Erreichen der gleichen Indifferenzkurve wie seine Anfangsausstattung W 0
erm6glicht. Llber W 0 n~imlich kann der Untemehrner durch geeignete Mittelanlage
zu (C0(2);C~ (2)) gelangen. Erneut darf sich der zum Erwerb und der anschliel3enden
Durchftihrung des Investitionsprojekts ben6tigte Betrag auf nicht mehr als die
Differenz zwischen W o und Co belaufen. Diese Differenz ist grtiger als C1/(l+i(s)),
aber kleiner als Cl/(l+i(m). Anders formuliert, ist der Absolutbetrag der Steigung
-(l+i) der (in Abbildung 1.2 nicht eingezeichneten) Verbindungsgeraden zwischen
(Co;C 0 und (Wo;0) gr6ger als 1+i (n) und kleiner als l+i (s). Es gibt demnach einen
Zinssatz i mit i (m < i < i (s), so dass Wo-C o = C~/(l+i) gilt. Weil Wo-C o > V+A o
erftillt sein muss, damit der Untemehmer mit Pr~iferenzen gem~ig der zweiten
Graphik aus Abbildung 1.2 bereit ist, die Investitionsm6glichkeit zu erwerben,
erh~lt man folgende Bedingung:
C1 _> V + A o
l+i
C 1 1 +i -A~ >- V.
(1.14)
Der Projektkapitalwert, berechnet zum Kalkulationszinsful3 i mit i (H) < i < i (s),
muss demnach mindestens dem Kaufpreis V entsprechen. In analoger Weise wird
ein Unternehmer mit Pr~iferenzen gem~ig der zweiten Graphik aus Abbildung 1.2,
der die Investitionsm6glichkeit zu verkaufen beabsichtigt und tiber ein Anfangs-
verm6gen nach Erbringung der Anfangsauszahlung von Co verftigt, mindestens
einen Kaufpreis in H6he des mittels i berechneten Projektkapitalwertes verlangen.
eine Investitionsm6glichkeit geht.
316
C1 Situation 1:
C C o
.,,... -......
"..,,. -,,,,.,
' "" . . . . . . . , .... ,.. ,
' . , . , . .... . , , . . . , , , .
- , , , , , . , ,
1
Wo I.
Co
c] Situation 2:
Cl
0 C 0 C; (1) C0(2) W 0 Co
A bbildung 1.2: Subj ektive Bewertung von Investitionsm6glichkeiten
317
Beispiel 1.12: c~o,7 ~o,3 und Betrachtet sei ein Untemehmer mit Nutzenfunktion U(C0;C1) = ---0 "~1
Anfangsverm6gen W 0 = 158,87 GE in t = 0. Der am Kapitalmarkt gtiltige Haben-
zinssatz ftir Mittelanlage yon t = 0 bis t -- 1 belaufe sich auf i (m = 8 %, der ent-
sprechende Sollzinssatz sei i (s) = 12 %. Im Vergleich zu Beispiel 1.11 wird damit
ein Unternehmer zugrunde gelegt, dessen Gegenwartspr~erenzen in Relation zur
Anfangsausstattung deutlich ausgepr~igter sind. Wie schon im Abschnitt 1 des Ka-
pitels III ausgeftihrt, erkennt man dies am grN3eren Exponenten f'ttr Co-Konsum
bei gleichzeitig geringerem Exponenten ftir C~-Konsum im Vergleich zur unter-
nehmerischen Nutzenfunktion aus Beispiel 1.11 (und einem geringeren Anfangs-
vermtigen).
Wegen fehlender positiver Anfangsausstattung mit Konsumm6glichkeiten in t =
1 ist f'tir den betrachteten Unternehmer lediglich die in dem Punkt (158,87;0)
beginnende Darlehnsgerade relevant. Emeut kann damit unter Beachtung des Zu-
sammenhangs C 1 = 1,08.(158,87-C 0) auf das Vorgehen des Beispiels 1.8 zur Er-
mittlung des Tangentialpunktes von Darlehnsgerade und untemehmerischer Indif-
ferenzkurvenschar verwiesen werden, wobei nun allerdings auch der Verlauf der
Indifferenzkurvenschar ein anderer als in Beispiel 1.8 ist. In der Tat entspricht er
hier dem Fall 2) aus Beispiel 1.3 des Abschnitts 1 im Kapitel III. Auf dieser
Grundlage erh~ilt man als optimale unternehmerische Konsumallokation Co (2) =
111,21 GE und C~ (2) -- 51,47 GE. Das dabei resultierende Nutzenniveau bel~iuft
sich auf ungef~ihr 88,26.
Der Unternehmer k6nne nun ein Investitionsprojekt mit Einzahlungen von 120
GE in t = 1 und einer Anfangsauszahlung von 100 GE in t = 0 erlangen. Bei
einem Preis von etwa 8,87 GE ftir die Investitionsm6glichkeit ist der Unter-
nehmer gerade indifferent zwischen dem Erwerb dieser M6glichkeit und dem
Verzicht hierauf. Denn im Falle der Projektdurchftihrung und unter Beachtung
eines Kaufpreises von ca. 8,87 GE erreicht der Unternehmer die Konsumposition
(C0;C 0 = (50; 120), yon der aus der optimale Konsumplan durch Verschuldung im
Umfang von etwa 60 GE realisiert wird: (C0(2);C~ (2)) = (110;52,8). Letztere Be-
318
hauptung l~isst sich verifizieren, indem der Tangentialpunkt der durch (50;120)
verlaufenden unternehmerischen Kreditgeraden C~ = 120-1,12-(C0-50 ) mit der un-
ternehmerischen Indifferenzkurvenschar gem~iB dem Vorgehen aus Beispiel 1.7
best immt wird. Das dabei letztlich erreichbare Nutzenniveau ist erneut ungef'fihr
88,26, Indifferenz (n~iherungsweise) mithin gegeben. Folglich wird der Unterneh-
mer bereit sein, die InvestitionsmOglichkeit zu Preisen bis zu ca. 8,87 GE in t =
0 zu erwerben.
Aus v611ig analogen Uberlegungen folgt, dass ein Unternehmer mit einer An-
fangsausstattung von 150 GE und Nutzenfunktion U gem~il3 diesem Beispiel min-
destens 8,87 GE ffir den Verkauf der Investitionsm6glichkeit verlangen wird.
Nach Verkauf der Investitionsm6glichkeit kann er dann nS.mlich entlang seiner
Darlehnsgeraden C1 = 1,08"(158,87-C0) das gleiche Nutzenniveau wie bei Pro-
jektdurchft~hrung und folglich mal3geblicher Kreditgeraden C1 = 120-1,12-(C0-50 )
erreichen.
Einen Kapitalwert von etwa 8,87 GE erh~ilt man ffir das betreffende Investitions-
projekt, wenn man die Einzahlungen von 120 GE in t = 1 mit einem Zinssatz von
ungef'fihr 10,226 % abzinst: ~ = -100+120/1,10226 -- 8,87 GE. []
Es ist unter den hier beschriebenen Pr~imissen ohne weiteres denkbar, dass ein
Unternehmer in der Situation 1 als K~iufer einer Investitionsm6glichkeit im
Eigentum eines Unternehmers gem~B Situation 2 in Frage kommt und sich die
Kontrahenten zu beidersei t igem Vorteil auf einen Verkaufspre is V zwischen
den zu i (mund i (s) berechneten Projektkapitalwerten verst~indigen. Die akzeptable
Pre i sobergrenze ffir den Erwerb der Investitionsm6glichkeit ist n~imlich mit C~/
(l+i(m)-A0 ffir einen Unternehmer in Situation 1 in jedem Falle griJger als die zu
beachtende Pre i sun te rgrenze C~/(1 +i)-A 0 mit i (s) > i > i (m ffir einen Unternehmer
in Situation 2 im Zusammenhang mit dem Verkauf der Investitionsm6glichkeit.
319
WNtrend demnach im Fisher-Modell der Kapitalwert eines Investitionsprojekts
den Marktwert der zugeh6rigen Investitionsm6glichkeit beschreibt, kann man im
Hirshleifer-Modell einmal mehr nur festhalten, dass der Marktwert einer Investi-
tionsm6glichkeit irgendwo zwischen den zu i (mund i (s) resultierenden Projektka-
pitalwerten liegt. Gleichzeitig erkennt man hier noch einmal die Pr~iferenz- und
Ausstattungsabh~ingigkeit der Bewertung von Realinvestitionen bei unvollkomme-
nem Kapitalmarkt.
Beispiel 1.13:
Gegeben sei der Unternehmer aus Beispiel 1.12 mit einer Anfangsausstattung yon
150 GE in t = 0 und Zugang zu dem dort beschriebenen Investitionsprojekt
(Unternehmer 2). Des Weiteren sei der Unternehmer aus Beispiel 1.11 mit An-
fangsverm6gen in t = 0 yon 211,11 GE ohne Zugang zum Investitionsprojekt be-
trachtet (Unternehmer 1).
Weil Unternehmer 2 f'tir den Verkauf der Investitionsm6glichkeit mindestens
einen Preis von ca. 8,87 GE verlangen wird und Untemehmer 1 h6chstens einen
Preis von ungef'~hr 11,11 GE zu zahlen bereit ist, besteht hier zwischen beiden
ein positiver Einigungsbereich. Ftir j eden Kaufpreis V ~ (8,87; 11,11) stellen sich
beide Vertragspartner echt bessero C2
Alles in allem zeigt sich jedenfalls, dass Separationsaussagen im Rahmen des
Hirshleifer-Modells nur noch sehr eingesehr/inkt m6glich sind. iv
1.3 Der Klienteleffekt is
Im Abschnitt 1.2 wurde verdeutlicht, dass man drei Gruppen von Wirtschaftssub-
jekten nach ihren Zeitpr~iferenzen unterscheiden kann, n~imlich
17 Vgl. hierzu auch die 0berlegungen bei von Nitzsch (1997), S. 46 ft.
18 Die Ausftihnmgen der nachfolgenden Abschnitte 1.3 und 1.4 basieren im We- sentlichen auf Breuer (1993b).
320
1) solche, die das Realinvestitionsvolumen I (m* umsetzen und Mittel z u i (H) am
Kapitalmarkt anlegen (Anleger mit relativ hoher Pr~iferenz ftir Konsum in t
= 1 ) ,
2) solche, die das Realinvestitionsvolumen I (s)* umsetzen und Mittel am Kapital-
markt zu i ~s) aufnehmen (Sehuldner mit relativ hoher Pr~iferenz f'tir Konsum
in t = 0), sowie
3) solche, die ein Realinvestitionsvolumen zwischen I (m* und I (s)* umsetzen und
keinerlei Kapitalmarkttransaktionen durchftihren (Neutrale mit "gem~igten"
Zeitpr~iferenzen).
Sofern in einer Unternehmung Gesellschafter unterschiedlichen Typs zusammen-
treffen, kann es folglich Schwierigkeiten bei der Festlegung des optimalen Real-
investitionsvolumens geben. Als Ursache ftir dieses Problem gilt gemeinhin der
gegebene Gesellschafterkreis] 9 Deswegen fragt man, wie sich die Ergebnisse
aus Abschnitt 1.2 ~indern, wenn der Gesellschafterkreis endogenisiert wird. Als
Erstes stellt sich dann in der Tat die Frage, wie die Partizipation der einzelnen
Beteiligten an Anfangsauszahlung und sp~iteren Einzahlungstiberschtissen aus der
unternehmerischen T~itigkeit genau aussehen soll. Es soll hier nicht naher auf
dieses Vertei lungsproblem eingegangen werden. Stattdessen ist von gegebenen
Teilungsregeln auszugehen und sind die einzelnen Gesellschafter nach ihrem Op-
timalverhalten far gegebene Partizipation an den Einzahlungstiberschtissen der
Untemehmung zu klassifizieren. Finanzinvestitionen werden dabei wegen ihrer
Pr~iferenzabhS_ngigkeit und infolge der aufgrund der bestehenden Spanne zwischen
Soll- und Habenzinssatz nicht kostenlos auf Gesellschafterebene rtickg~ingig zu
machenden Kapitalmarkttransaktionen auf Untemehmensebene 2~ nur durch die
Gesellschafter selbst durchgef'tihrt. Ohne weiteres ist damit klar, dass es dann kei-
ne Probleme hinsichtlich der Bestimmung des optimalen Realinvestitionsvolu-
mens gibt, wenn alle Gesellschafter zum Anlegertyp geh6ren. Entsprechendes
gilt, wenn alle vom Schuldnertyp sind. Problematisch bleiben aber die Neutralen.
19 Vgl. Franke/Hax (2004), S. 162.
20 Damit ist gemeint: vor Verteilung der Zahlungsstr6me an die Gesellschafter.
321
Auch ist unklar, wie eine Selbstorganisation der verschiedenen Gesellschafter-
typen vonstatten gehen sollte. Hier setzt der eigentliche Klienteleffekt an. Er l~isst
sich wie folgt formulieren: 21
Wenn ein Wirtschaftssubjekt Wertpapiere einer Unternehmung halt, kann es nur
vom Anlegertyp sein, denn der Schuldnertyp verschuldet sich lediglich am Kapi-
talmarkt, und der Neutrale tritt gar nicht erst am Kapitalmarkt in Erscheinung.
Daraus wird nun gefolgert, dass alle Gesellschafter einer Unternehmung vom An-
legertyp sein mtissen, wenn man die Pr~.misse eines gegebenen Gesellschafter-
kreises fallenlasst. Genau dieses Phanomen wird als Klienteleffekt bezeichnet.
Aus dem Klienteleffekt wird weiter eine wichtige Konsequenz f'tir die optimale
Investitionspolitik einer Untemehmung gezogen. Unter den Wirtschaftssubjekten
des Anlegertyps herrsche namlich Einmiitigkeit tiber das anzustrebende Realin-
vestitionsprogramm: Alle Anleger seien sich einig, dass nur Investitionen mit
einer Rendite von mindestens i (s) (vor Berticksichtigung von Transaktionskosten)
durchgeftihrt werden. Denn nur dann k6nne nach Berticksichtigung der Transak-
tionskosten eine Verzinsung von i (m ftir die Kapitalgeber sichergestellt werden.
Durch diese f2berlegung gelangt man also ebenfalls zu einem Separationsergeb-
nis. Der relevante Kalkulationszinsful3 zur Bestimmung optimaler unternehme-
rischer Realinvestitionsentscheidungen bemisst sich praferenzunabhangig als i ~s~.
1.4 Hirshleifer-Modell und Klienteleffekt
Die Aussage des Klienteleffekts grenzt an eine Tautologie. Nur Anleger werden
Wertpapiere einer Unternehmung erwerben. Auf ganz nattirliche Weise scheint
sich damit auch das optimale und praferenzunabhangige Investitionsvolumen
21 Vgl. auch hierzu Franke/Hax (2004), S. 162. Neben dem Klienteleffekt im Kontext des Hirshleifer-Modells gibt es noch andere als Klienteleffekt bezeichnete Ph~inomene, insbesondere im Zusammenhang mit der unterneh- merischen Dividendenpolitik. Siehe zu Letzterem etwa Breuer (2006). Auf derlei soll hier natfirlich nicht weiter eingegangen werden.
322
einer Unternehmung zu ergeben. Trotzdem bleibt die Argumentation unseharf ,
und es ist nicht ohne weiteres klar, wie der Klienteleffekt ins ursprtingliche
Hirshleifer-Modell alas Abschnitt 1.2 passt. Wenn dort alle Gesellschafter vom
Anlegertyp sind, wird das Investitionsprogramm I (m*, nicht abet I (s)* realisiert.
Andererseits gilt auch im ursprtinglichen Hirshleifer-Modell, dass nut Anlegerty-
pen als (externe) Kapitalgeber in Frage kommen. Gleichwohl realisiert deswegen
nicht jede Unternehmung ein Investitionsvolumen in H6he von I (s)*. Deswegen
stellt sich die Frage, wie der Klienteleffekt bzw. das auf ihm fuBende Separa-
tionsergebnis sachgerecht ins Hirshleifer-Modell einzupassen ist. Folgende Inter-
p re ta t ion liegt hierbei nahe:
Man betrachte im Hirshleifer-Modell einen Unternehmer, der tiber keinerlei Ver-
m6gensanfangsausstattung verftige. Wie in Abbildung 1.3 dargestellt, beginnt sei-
ne Transformationskurve deswegen im Ursprung. Zul~issig sind nut nichtnegative
Konsumpositionen, das heil3t, der Unternehmer muss versuchen, den posi t iven
Q u a d r a n t e n zu erreichen. Unabh~ingig von seinen Pr~iferenzen gibt es dazu nut
eine M6glichkeit: Er muss sich zu i (s~ verschulden. Damit steht aber auch fest,
dass das von ihm gewS_hlte Realinvestitionsvolumen stets I (s)* betragen wird.
Genau dies ist das Separa t ionsergebnis des Klienteleffekts.
Ein mit te l loser Unternehmer kann nur investieren, wenn er Mittel zu i (s) auf-
nimmt. Das optimale Investitionsvolumen bemisst sich diesem Fall stets als I (s)*.
Entscheidend ist also nicht, dass nur Anleger Wertpapiere einer Untemehmung
erwerben. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Unternehmer i i be rhaup t extem
Kapital aufnimmt. Wenn er dies tut, ist I (s)* das optimale Realinvestitionsvolu-
men. Beim Klienteleffekt wird nun gerade unterstellt, dass dies stets der Fall ist,
die Unternehmung sozusagen eine Hiilse ohne Mittel ist und die Bereitstellung
von Mitteln dutch den Unternehmer selbst Transaktionskosten wie bei jeder ande-
ren Kapitalaufnahme verursacht. Dann n~imlich ist jede Form der Investitions-
finanzierung externe Finanzierung, die Transaktionskosten verursacht und des-
wegen eine Bruttoverzinsung, das heil3t Verzinsung vor Transaktionskosten, yon
i (s~ erfordert.
323
AC1
~
c u wo = 0
\ J
t(s),
Co
Abbildung 1.3: Klienteleffekt als Verm6genseffekt
Im urspriJnglichen Hirshleifer-Modell gibt es zwei Arten von Kapitalgebern: Un-
ternehmer bzw. Gesellschafter, die ohne Anfall von Transaktionskosten ihre
Mittel in die Unternehmung einbringen, und externe Kapitalgeber, deren Mittel-
fiberlassung zu Transaktionskosten ffihrt. Der Klienteleffekt hebt diese Unter-
scheidung auf. Hier verursacht die Oberlassung von Mitteln dutch die Gesell-
schafter genauso hohe Transaktionskosten wie die Mittelaufnahme bei Extemen.
Der Klienteleffekt steht und f~illt mit dieser Annahrne. Mit einer etwaigen
Endogenisierung des Gesellschafterkreises hat diese Argumentation deswegen
tats~ichlich nichts gemein. Vielmehr wirkt hier ein Vermiigenseffekt, der jeden
Untemehmer bzw. Gesellschafter bei seiner Realinvestitionsentscheidung quasi in
einen Schuldnertyp (nicht in einen Anlegertyp!) verwandelt. Gerade dies dtirfte
die wesentliche Lehre sein, die man aus der Diskussion des Klienteleffekts ziehen
kann. Ob ein Wirtschaftssubjekt vom Anleger- oder Schuldnertyp ist, h~ingt nicht
nut yon seinen Pr~iferenzen, sondern (selbstverst~indlich) auch yon seiner
324
Anfangsauss ta t tung ab, wie schon im Abschnitt 1.2 exemplarisch gezeigt wurde.
Bei einer Anfangsausstattung von Null ist j ede r Unternehmer vom Schuldnertyp,
und Interessenkonflikte beztiglich des optimalen Realinvestitionsvolumens k6nnen
nicht mehr auftreten.
Beispiel 1.14: Gegeben sei eine Unternehmung mit einer Investitionsertragsfunktion F(I) =
4,4.1 ~ Jede zu investierende Geldeinheit muss extem zu i (s) = 12 % beschafft
werden. Unabh~ingig von den Pr~iferenzen der gesch~iftsfiihrenden Gesellschafter
ist deshalb so zu investieren, dass der Kapitalwert der Investitionen auf der
Grundlage eines Kalkulationszinsfuf3es i = i (s) maximiert wird. Man erh~ilt
deswegen gem~ii3 der Rechnung aus Beispiel 1.5 unmittelbar stets I* = I (s~* = 3,86
GE, woraus sich mit W o = 0 GE wei te r El ~ 8,64 GE bei G o ~- -3,86 GE ergibt.
Die Gleichung der resultierenden, einzig relevanten Kreditgeraden ist damit
C1 . 8,64-1,12.(Co+3,86 ) _- 4,3168-1,12.C0 ' (1.15)
wobei zur Sicherstellung nichmegativen Konsums in t = 0 und t = 1 (ungef'~ar)
0 < C o < 3,86 zu beachten ist. []
Pr~iferenzunabh~ingige Einmiitigkeit hinsichtlich des Ansatzes eines Kalkulati-
onszinsfuBes yon i = i (s) liegt dabei genaugenommen nicht nur vor, wenn
s~imtliche investierten Mittel einer Untemehmung nur unter An:fall yon Transak-
tionskosten beschafft werden k6nnen. Hinreichend ist vielmehr schon eine derart
geringe positive unternehmerische Anfangsausstattung W 0, class die Grenzrendite
F'(W0)-1 noch nicht kleiner als i ~s) ist.
Alles in allem jedenfalls ist der Klienteleffekt wegen seiner vergleichsweise
sonderbar anmutenden theoretischen Fundierung wohl kaum geeignet, eine iiber-
zeugende Begrtindung for die Pr~iferenzunabh~ingigkeit optimaler Realinvestitions-
volumina auf unvollkommenem Kapitalmarkt zu liefem.
325
1.5 Zusammenfassung
Gegenstand des vorliegenden Abschnitts war eine Darstellung des Hirshleifer- Modells, das durch gespaltene Soil- und Habenzinss~itze infolge von Transak-
fionskosten charakterisiert ist. Es zeigte sich, dass tinter dieser Pr~imisse die
Fisher-Separation ihre generelle Gtiltigkeit verliert. Realinvestitionsentschei-
dungen k6nnen nicht mehr unabh~qgig yon unternehmerischen Praferenzen und
Anfangsausstatttmgen getroffen werden und erweisen sich als unmittelbar ver-
kntipft mit tmtemehmerischen Kapitalmarkttransaktionen. Als Konsequenz hierans
kann auch das Kapitalwertkriterium zur Entscheidungsfindung grunds~itzlich
nieht mehr herangezogen werden. Bekannt ist lediglich, dass es zu jeder optima-
len Realinvestifionsentscheidung eines Unternehmers einen passenden ("endo-
genen") KalkulationszinsfuB derart gibt, dass sich das ausgew~alte Realinvesti-
tionsprogramm fiir diesen Zinssatz ais kapitalwertmaximierend erweist. Ohne
Kermtnis der untemehmerischen Zeitpr~erenzen kann dieser Zinssatz aber h6ch-
stens grob abgeseh/itzt werden, so dass vor L6sung des Entscheidungsproblems
ein kapitalwertorientierter Problemzugang weitgehend ausscheidet. In entspre-
chender Weise erweist sich der Marktwert einer Investitionsm6glichkeit allein
auf der Grundlage von Soil- und Habenzinssatz als nicht eindeutig bestimmbar.
Der Klienteleffekt behauptet, dass letztlich nur Subjekte mit Anlagewtinschen
und damit vergleichsweise geringen Gegenwartspr~iferenzen als Kapitalgeber fttr
Untemehmen in Frage kommen. Um diesen nach Transaktionskosten eine Verzin-
sung in H6he von i (m zu gewS_hren, ist vor Transaktionskosten eine Beschr/inkung
auf Realinvestitionen mit einer Rendite yon mindestens dem Sollzinssatz i (s)
erforderlich. Insofem liegt der ad~iquate Kalkulationszinsfug hier dann auch
wieder priiferenzunabhiingig fest.
Es wurde erl~utert, dass die Argumentation des Klienteleffekts auf der impliziten Prgmisse beruht, dass jegliche Form der Mitteltibeflassung an Untemehmen, also
auch durch die Unternehmer selbst, Transaktionskosten verursacht. Ein derarfiges
Szenario dtirfte wenig Relevanz besitzen, da wenigstens dutch Einzahlungs-
326
tiberschtisse vergangener Perioden stets Mittel in Unternehmen ohne Anfall wei-
terer Transaktionskosten vorhanden sein werden. Aus diesem Grunde l~isst sich
die Fisher-Separation letzlich nicht iiberzeugend im Rahmen des Hirshleifer- Modells restituieren.
Wiederholungsfragen
327
WI.1
Durch welches konstituierende Element ist das Hirshleifer-Modell gekennzeich-
net? Wie wird dieses gemeinhin begrfindet?
W1.2
Was versteht man unter Kreditgeraden, was unter Darlehnsgeraden, und wie lau-
ten die entsprechenden Geradengleichungen?
W1.3
Warum hat die Fisher-Separation im Hirshleifer-Modell keine Gfiltigkeit mehr?
W1.4
Was versteht man im Rahmen des Hirshleifer-Modells unter dem Anlegertyp, was
unter dem Schuldnertyp und was unter dem neutralen Typ, und wie verhalten sich
Unternehmer der verschiedenen Typen jeweils?
W1.5
In welcher Hinsicht besitzt das Kapitalwertkriterium auch noch im Rahmen des
Hirshleifer-Modells Gfiltigkeit, und was ist in diesem Zusammenhang fttr den
jeweils relevanten Kalkulationszinsfug charakteristisch?
W1.6
Inwiefern ist auch noch im Rahmen des Hirshleifer-Modells pr~iferenz- und
anfangsverm6gensunabhS.ngig eine gewisse Vorselektion von Investitionsprojekten
m6glich?
W1.7
Welcher Zusammenhang besteht im Hirshleifer-Modell zwischen Kapitalwert
eines Investitionsprojekts und dem Marktwert der zugeh6rigen Investitionsm6g-
lichkeit?
328
W1.8
Was versteht man im Kontext des Hirshleifer-Modells unter dem "Klientelef-
fekt"?
Wl.9
Welche Konsequenz wird typischerweise aus dem Klienteleffekt beztiglich des
optimalen untemehmerischen Investitionsprogramms gezogen?
Wl.10
Weshalb ist der Klienteleffekt wenig geeignet, um eine Separationsaussage im
Rahmen des Hirshleifer-Modells sinnvoll zu untermauern?
2 Das Dean-Modell
329
2.1 Problemstellung
Bereits vor Jack Hirshleifer hat sich Joel Dean im Jahre 1951 mit der Frage nach
der Ermittlung optimaler Kapitalbudgets auf unvollkommenem Kapitalmarkt aus-
einandergesetzt. Seine Oberlegtmgen mtindeten in den nach ihm als Dean-Modell
bezeichneten Probleml6sungsansatz. Im folgenden Abschnitt 2.2 soil zun~ichst die
Grtmdstruktur des Dean-Modells im Rahmen einer Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung prasentiert werden. Im Abschnitt 2.3 wird sodann geprtift, inwiefern M6glichkei-
ten zur Lockerung der recht restriktiven Annahmen des Grundmodells bestehen.
Obgleich unternehmerische Zeitpr~iferenzen im Dean-Modell nicht differenziert
abgebildet werden k6nnen, sondern stets Endverm6gensmaximierung unterstellt
wird, lassen sich grunds~itzlich die gleichen drei allgemeinen Szenarien fOr opti-
male unternehmerische Investitionsvolumina wie im Hirshleifer-Modell des vor-
hergehenden Abschnitts 1 dieses Kapitels darstellen. Der Abschnitt 2.4 kontras-
tiert daher das Dean-Modell mit dem Hirshleifer-Modell und wird die konzeptio-
nelle 0berlegenheit des letztgenannten Ansatzes belegen. Die wichtigsten Ergeb-
nisse werden im Abschnitt 2.5 nochmals zusammengefasst.
2.2 Das Dean-Modell in seiner Grundversion
2.2.1 Die Pr~imissen
In seiner Grundversion handelt es sich beim Dean-Modell um einen Zwei-Zeit-
punkte-Ansatz. 1 Alle zur Auswahl stehenden Investitionsprojekte sind beliebig
teilbar und k6nnen unabh~agig voneinander durchgeftihrt werden. Entsprechendes
gilt auch f'or alle FinanzierungsmaBnahmen. Die Zielsetzung des Unternehmers be-
Darstellungen des Dean-Modells in seiner hier zun~ichst behandelten Grundver- sion finden sich in fast jedem Lehrbuch zur Behandlung investitionstheoreti- scher Fragen. Vgl. beispielsweise Hax (1993), S. 62 ff., Schulte (1999), S. 127 ff., Gerke/Bank (2003), S. 486 ft., oder auch Schiifer (2005), S. 216 ff.
330
steht in der Maximierung seines Endvermiigens zum Zeitpunkt t = 1 bei gegebe-
ner Anfangsausstattung AW 0 in t = 0, die investiv verwendet werden soil.
Die yon Dean (1951) eingef'tihrte L6sungsmethodik zur B estimmung des opti-
malen Investitions- und Finanzierungsprogramms des Untemehmers ist graphi-
seher Art und besteht aus der Ermittlung des Schnittpunkts zweier Kurven, die
als Kapitalangebots- und -nachfragekurven bezeichnet werden. Beide Kurven
sind dabei untemehmensbezogen definiert, tragen mithin keinen gesamtwirtschaft-
lichen Charakter.
Die Kapitalnachfragefunktion ordnet jedem m6glichen Investitionsvolumen die
Rendite der letzten investierten Geldeinheit, also die jeweilige Grenzrendite, zu.
Ihre graphische Darstellung wird als Kapitalnachfragekurve (KNK) bezeichnet.
Aus dieser Definition der Kapitalnachfragefunktion ergibt sich sofort, dass sie
grunds~itzlich der um 1 reduzierten ersten Ableitung der Realinvestitionsfunktion
F(I) entspricht. Zus~itzlich zur Durchftihrung von Realinvestitionen ist es aber auch
m6glich, Mittel am Kapitalmarkt zu einem Zinssatz i (H) anzulegen. Insofern
entspricht die Kapitalnachfragefunktion der um 1 reduzierten ersten Ableitung yon
F(I) nur so lange, wie F'(I)-I gr613er als i (H) ist, also bis zum Investitionsvolumen
I (H)* des vorhergehenden Abschnitts. Ab diesem Punkt geht die Kapitalnachfrage-
kurve in eine Horizontale mit Ordinatenabschnitt i (H) tiber. Nattirlich verl~iuft die
Kapitalnachfragefunktion stets monoton fallend, da zun~ichst solche Investi-
tionsmagnahmen mit besonders hoher Grenzrendite durchgeftihrt werden, w~hrend
auf weniger ertragreiche Investitionsm6glichkeiten erst nach Aussch6pfung
gtinstigerer Projekte mit h6herer Grenzrendite zurtickgegriffen wird. Auf diesen
Umstand wurde schon im Kapitel II im Detail eingegangen. Ist die Realinvesti-
tionsfunktion stetig differenzierbar ftir alle I > 0, dann erh~ilt man auch eine
stetige Kapitalnachfragefunktion. Insbesondere ist dies der Fall, wenn man vonder
Existenz sehr vieler und sehr kleiner Investitionsprojekte mit marginal variierender
Rendite ausgeht. Sofem hingegen eine endliche Anzahl yon Investitionsprojekten
mit nicht nut marginalen maximalen Anfangsauszahlungen betrachtet wird, ist die
Realinvestitionsfunktion bekanntermaBen abschnittsweise linear und dementspre-
331
chend die zugeh6rige Kapitalnachfragefunktion ebenfalls, allerdings Letztere mit
Sprungstellen jeweils dort, wo eine weitere Erh6hung des Investitionsvolumens
die Durchftihrung eines neuen Investitionsprojekts bedingt.
Die Zusammenh~inge zwischen Realinvestitions- und Kapitalnachfragekurve sind
in Abbildung 2.1 wiedergegeben. Dabei soll die Ordinatenbezeichnung i hier fiir
die Grenzrendite aus dem jeweiligen Investitionsprogramm stehen, und KMA be-
zeichne die Kapitalmarktanlage yon Mitteln zu i (m seitens des betrachteten Unter-
nehmers. Die beiden oberen Graphiken beziehen sich auf den Fall einer stetig
differenzierbaren Realinvestitionsfunktion, w~hrend die beiden unteren Graphiken
exemplarisch Realinvestitions- und zugeh6rige Kapitalnachfragekurve bei Verfiig-
barkeit von nut zwei (beliebig teilbaren) Investitionsprojekten 1 und 2 mit (kon-
stanten) Grenzrenditen i (1) bzw. i (2~ bei nicht nur marginalen Anfangsauszahlungen
abbilden.
Die Kapitalangebotsfunktion gibt zu jedem ben6tigten Finanzierungsvolumen
(fiir investive Zwecke) die von den jeweiligen Kapitalgebern geforderte Verzin-
sung der letzten an den Unternehmer ~iberlassenen Geldeinheit an. Man spricht
hierbei auch yon dem jeweiligen marginalen Kapitalkostensatz. 2 Die graphische
Darstellung der Kapitalangebotsfunktion wird als Kapitalangebotskurve (KAK)
bezeichnet.
2 Vgl. zum Kapitalkostenbegriff z.B. Breuer (1994) oder Hax (1998), S. 213 ft.
332
F(I)
K M A / y l KM~ i(H) ................................. ~ i
' o I 'I " (H)* | (H)* I
F0)
KMA /
, / [
(H)*
i (1)
i(2).
i(H)_
P
I 0
KMA
I(H) *
KNK
I
Abbildung2.1: Zusammenhang zwischen Realinvestitionskurve und Kapital- nachfragekurve
333
Im Rahmen des dem Dean-Modell zugrundeliegenden Entscheidungsproblems exi-
stieren grunds~itzlich zwei Quellen zur Finanzierung von Investitionsprojekten.
Zum einen sind dies etwaige Fremdmit te l yon extemen Kapitalgebern. Im Weite-
ren sei zun~ichst angenommen, dass Mittel hier zu einem einheitlichen Sollzinssatz
i (s) im Rahmen der unternehmerischen Budgetrestriktion in beliebigem Umfang
beschafft werden ktinnen. Der Zinssatz i (s~ beschreibt demnach den hierbei
mal3geblichen (Fremd-) Kapitalkostensatz.
Zum anderen sind dies die eigenen Mittel des Unternehmers, die nicht ftir Kon-
sum in t = 0 vorgesehen sind. Die eigenen Mittel des Unternehmers stehen dabei
gmnds~itzlich kostenlos Far investive Zwecke zur Verftigung. Man k6nnte daher
argumentieren, dass sich der relevante Kapitalkostensatz auf 0 % bel~iuft, da keine
Zinszahlungen geleistet werden mtissen. In der Tat l~isst sich aber auch noch die
schSxfere B ehauptung rechtfertigen, dass der relevante Kapitalkostensatz -100 %
ist, da auch eine Mittelrtickzahlung des Unternehmers an sich selber nicht erfolgen
muss und somit bei Eigenfinanzierung stets eine Zahlungsverpflichtung in t = 1
yon 0 GE besteht. Weil man in diesem Kontext den relevanten Kapitalkostensatz
aus den tats~ichlich ftir den Kapitalnehmer zu erbringenden (Aus-) Zahlungen
herleiten will, sind die beiden angesprochenen Ans~itze von 0 % oder gar -100 %
far den untemehmerischen (Eigen-) Kapitalkostensatz ebenso wie der
Fremdkapitalkostensatz i (s) als "pagatoriseh" (von lateinisch "pagare" = (be-)
zahlen) zu bezeichnen.
Zumeist wird in der Literatur statt eines Eigenkapitalkostensatzes yon 0 % oder
gar -100 % ein solcher in H6he von i (H~ angesetzt. Dieser Kapitalkostensatz beruht
auf Opportunit i i tskosteniiberlegungen und ist insofern nicht als pagatorisch,
sondern vielmehr als wertmiiBig zu bezeichnen. 3 Implizit wird tiber den Ansatz
Vgl. zu diesen beiden Kostenkonzeptionen z.B. generell Kloock/Sieben/Schild- bach~Homburg (2005), S. 32 ff. Insbesondere im Zusammenhang mit Ka- pitalkostenbetrachtungen spricht man statt vom wertm~igigen auch vom Alter- nativkostenkonzept. Vgl. etwa Breuer (1994), S. 820 ff., Hax (1998), S. 215 f. Eine nS.here Charakterisierung dieses Ansatzes findet sich auch in Breuer
334
von i (m die beste Alternativverwendung der eigenen Mittel, n~imlich die Anlage
am Kapitalmarkt zum Habenzinssatz, abgebildet. Realinvestitionen kommen far
den Unternehmer niimlich nur insofern in Frage, wie mindestens eine (Grenz-)
Rendite yon i (m erreicht wird. Natfirlich ist bei einem derartigen Eigenkapital-
kostenansatz im Rahmen der Kapitalnachfragefunktion nicht mehr auf die M6g-
lichkeit der Mittelanlage zu i ~H) einzugehen. Generell besteht kein Vorteil darin,
Handlungsaltemativen implizit statt explizit abzubilden. Sachgerechter erscheint
es daher, die M/3glichkeit der Mittelanlage zu i (H) als Investitionsalternative zu
berticksichtigen. 4 Beide Ansiitze f'uhren tiberdies zum gleichen Ergebnis. Im Wei-
teren wird deshalb schwerpunktmiiBig einer Darstellung der Kapitalangebotskurve
auf der Basis des pagatorischen Kapitalkostenbegriffs der Vorzug gegeben. Hier-
bei wiederum spielt es ebenfalls keine Rolle, ob man einen Eigenkapitalkostensatz
yon -100 % oder aber 0 % ansetzt, solange eine Anlage eigener Mittel am Kapi-
talmarkt zu i (H) _> 0 % im beliebigen Umfang m6glich ist. Dieser Zusammenhang
wird weiter unten noch klarer dargelegt. Aus Vereinfachungsgrtinden wird daher
ein Eigenkapitalkostensatz von 0 % angesetzt.
Nattirlich werden ftir investive Zwecke in jedem Fall zun~ichst die "preiswerten"
eigenen Mittel und erst dann die "teuren" Fremdmittel eingesetzt. Die Kapitalan-
gebotsfunktion verl~iuft damit stets monoton steigend und - wie in Abbi ldung 2.2 -
typischerweise abschnittsweise linear. In den Graphiken aus Abbi ldung 2.2 be-
zeichnet i auf der Ordinate nun den jeweiligen marginalen Kapitalkostensatz eines
beliebigen Finanzierungsvolumens F. 5 Die Gr613e AW 0 steht hier und im Folgen-
den jeweils ftir das unternehmerische Anfangsvermtigen des Zeitpunktes t = 0,
soweit es ftir investive Zwecke vorgesehen ist.
(2001c) sowie im zweiten Band zur Investitionstheorie.
In entsprechender Weise werden ja auch die Realinvestitionsmiiglichkeiten explizit abgebildet und nicht implizit tiber Opportunit~itskostenbetrachttmgen.
Nattirlich ist das Finanzierungsvolumen F nicht mit dem unternehmerischen Einzahlungstiberschuss F(I) bei Realinvestitionsvolumen I zu verwechseln.
335
i i
i(s) KAK
AW o
i(s)
i (H)
P
F 0 AW o
KAK
D-
F
Abbildung 2.2: Kapitalangebotskurve bei pagatorischem (links) und wertm~iBi- gem (rechts) Kapitalkostenverstfindnis
2.2.2 Die Resultate
Das optimale Kapitalbudget, verstanden als die Gesamtheit aller durchzuftih-
renden Investitions- und FinanzierungsmaBnahmen, beschreibt sich im Rahmen
des Dean-Modells nun gerade durch den Schni t tpunkt yon Kapitalangebots- und
Kapitalnachfragekurve. Dies wird schnell klar, wenn man sich zur Verdeutlichung
einmal die linke obere Graphik im Rahmen von Abbildung 2.3 etwas nS_her an-
schaut. Ausgehend yon einem Investitionsvolumen I = 0 GE kann mit der ersten
investierten Geldeinheit gem~B der Kapitalnachfragekurve eine Grenzrendite
erwirtschaftet werden, die oberhalb von 0 %, also dem hier zun~ichst maBgeb-
lichen marginalen Kapitalkostensatz, liegt. Es kann daher mit der ersten Geld-
einheit mehr erwirtschaftet werden als von den Kapitalgebern, hier: dem Unter-
nehmer, verlangt wird, so dass sich die Investition dieser ersten Geldeinheit lohnt.
In der Tat gilt diese Aussage auch f'ttr alle nachfolgenden Investitionsvolumina,
solange der jeweils maBgebliche marginale Kapitalkostensatz nicht tiber der rele-
vanten marginalen Investitionsrendite liegt. Gerade dies bezeichnet aber den
Schnittpunkt der beiden Kurven. Das optimale Investitionsvolumen im Zusammen-
hang mit der linken oberen Graphik aus Abbildung 2.3 bemisst sich deshalb als
336
AW0. Zum gleichen Ergebnis ware man auch gekommen, wenn der Eigenkapital-
kostensatz mit -100 % angesetzt worden ware. Lediglich ftir den Fall, dass i (m <
0 % g~ilte, wtirde der Ansatz eines Eigenkapitalkostensatzes von 0 % zu
Fehlentscheidungen ffihren. Ftir i (m = -10 % etwa wtirde der Unternehmer bei
Zugrundelegung einer Kapitalangebotskurve wie der aus der linken oberen Gra-
phik yon Abbildung 2.3 bereits bei Erreichung einer Grenzrendite von 0 % aus
Realinvestitionen auf weitere investive Mal3nahmen verzichten wollen, auch wenn
noch nicht der gesamte Betrag AW 0 zum Einsatz gekommen ist. Tats~ichlich wtir-
den weitere Real- oder Finanzinvestitionen mit Renditen oberhalb yon -100 %
durchaus noch zum Transfer yon Mitteln von t = 0 nach t = 1 und damit zur Stei-
gerung des unternehmerischen Endverm6gens geeignet sein. In derartigen F~illen
wiJrde also die Rechnung mit einem Eigenkapitalkostensatz von 0 % zu
Fehlentscheidungen ftihren. Praktisch relevant dfirften solche Simationen allerdings
nicht sein, weswegen sich der Ansatz von 0 % als Eigenkapitalkostensatz
durchaus vertreten l~isst. Insbesondere hat dieser Ansatz den weiteren Vorteil, dass
aus der graphischen Darstellung von Kapitalnachfrage- und -angebotskurve sehr
leicht der gesamte Vermiigenszuwachs des Unternehmers von t = 0 bis t = 1 ab-
gelesen werden kann. Dieser entspricht n~imlich einfach der FRiche zwischen den
beiden Kurven ftir Werte von I zwischen 0 und dem Abszissenabschnitt AW 0 der
beiden Kurven. Der letztgenannte Vorteil besteht auch gegentiber einer Formulie-
rung der Kapitalangebotskurve auf der Grundlage des wertm~ifAigen Kostenbegriffs,
wie es bei der rechten oberen Graphik aus Abbildung 2.3 der Fall ist. Das
ablesbare optimale Realinvestitionsvolumen ist (nat'tirlich) das gleiche wie in der
oberen linken Graphik aus Abbildung 2.3. Aus der positiven Differenz zwischen
AW 0 und dem Abszissenabschnitt I (R)* des Kurvenschnittpunkts kann tiberdies das
Volumen der unternehmerischen Kapitalmarktanlage abgelesen werden. Weder die
Fl~iche zwischen der Kapitalnachfrage- und Kapitalangebotskurve ffir Werte yon
I zwischen 0 und I (m* noch die Fl~iche ftir Werte yon I zwischen 0 und AW 0 gibt
aber den unternehmerischen Endverm6genszuwachs korrekt an.
Des Weiteren verftigt der Schnittpunkt von Kapitalangebots- und -nachfragekurve
auch noch fiber einen Ordinatenabschni t t , der sich im Rahmen der linken oberen
337
Graphik gerade auf i (m bemisst: Alle Investitionsmal3nahmen mit einer Rendite
oberhalb von i (m werden realisiert, alle mit einer Rendite unterhalb von i (m
verworfen. Das impliziert, dass alle Investitionsprojekte mit einem f'ttr i = i (m
positiven Kapitalwert vorteilhaft, alle mit einem f'0r i = i (m negativen Kapitalwert
nachteilig sind. In entsprechender Weise sind alle Finanzierungsmal3nahmen von
Nachteil, deren Kapitalkostensatz tiber i (m liegt, die also zu i = i (m einen negativen
Kapitalwert aufweisen. Finanzierungsmagnahmen hingegen, deren Kapitalkosten-
satz unterhalb von i (m liegt, also solche mit positivem Kapitalwert ftir i = i (m,
werden in jedem Fall wahrgenommen. Unklar ist nur die Beurteilung von Investi-
tions- und FinanzierungsmaBnahmen mit einer Rendite bzw. einem Kapitalkosten-
satz von gerade i (m, deren Kapitalwert sich folglich auf 0 GE bel~iuft. Anders als
auf einem vol lkommenen Kapitalmarkt ist der Unternehmer hinsichtlich ihrer
Durchftihrung generell nieht indifferent. Abgesehen von Spezialf~illen, kann es
nur ein Investitions- oder Finanzierungsprojekt mit einem Kapitalwert yon 0 GE
ftir i = i ~m geben. Dieses wird in einem solchen Umfang durchgeffihrt, dass sich
Investitions- und Finanzierungsvolumen in t = 0 gerade entsprechen. In der linken
oberen Graphik aus Abbildung 2.3 etwa ist der Kapitalwert yon Kapitalmarktanla-
gen ftir i = i ~m nattirlicherweise 0 GE. Daher werden diese in einem Umfang get~i-
tigt, dass die Lticke zwischen AW 0 (dem Ausmag von Finanziemngsm6glichkeiten
mit posit ivem Kapitalwert) und I ~m* (dem AusmaB von Investitionsm6glichkeiten
mit posit ivem Kapitalwert) gerade geschlossen wird.
In der Tat ist i (m hier nichts anderes als der bereits aus der Diskussion des
Hirshleifer-Modells bekannte endogene Kalkulat ionszinsfug, so dass man auch
mittels des Dean-Modells zu einer (theoretisch interessanten, aber praktisch
bekanntermagen nur sehr eingeschrS.nkt ntitzlichen) Rechtfertigung des Kapital-
wertkriteriums for den unvol lkommenem Kapitalmarkt gelangt. Insbesondere 6 die
Darstellung des Dean-Modells verdeutlicht dabei, dass endogene Kalkulationszins-
Dieses Ergebnis gilt selbstverst~indlich auch im Hirshleifer-Modell, doch die dortige Art der Darstellung lenkt das Augenmerk nicht so unmittelbar auf die- sen Sachverhalt wie das Dean-Modell, weswegen erst im vorliegenden Ab- schnitt darauf eingegangen wird.
338
ftil3e in v611ig entsprechender Weise nicht nur zur Beurteilung von Investitions-,
sondern aueh Finanzierungsprojekten genutzt werden k6nnen. Auf dem unvoll-
kommenen Kapitalmarkt erweisen sich Finanzinvestitionen bei Zugrundelegung
des endogenen Kalkulationszinsful3es nieht mehr generell als kapitalwermeutral,
und durchgef'tihrt werden nur solche Finanzierungsmal3nahmen, deren Kapitalwert
gr613er 7 als (oder in Grenzf~illen: gleich) 0 GE ist. Zur Diskussion der Bedeutung
endogener Kalkulationszinsftil3e kann im Ubrigen auf den vorhergehenden Ab-
schnitt 1 fiber das Hirshleifer-Modell verwiesen werden.
Beispiel 2.1:
Gegeben sei ein Untemehmer, dessen Realinvestitionsfunktion F(I) = 4,4-10'5 sei
und der einen Betrag AW 0 = 5,76 GE ffir investive Zwecke vorgesehen habe. Der
H a b e n z i n s s a t z i (n) betrage 8 %, und der Sollzinssatz i (s) belaufe sich auf 12 %.
Aus Beispiel 1.6 des vorhergehenden Abschnitts ist bekannt, dass die angenom-
mene Realinvestitionsfunktion ungef'~hr his zu einem Investitionsvolumen von
4,15 GE tiber eine Grenzrendite yon mehr als i (m = 8 % verftigt. Eine Grenzrendi-
te yon 12 % wird gem~il3 dem Ergebnis des Beispiels 1.5 des vorhergehenden Ab-
schnitts bereits ab einem Realinvestitionsvolumen yon tiber 3,86 GE unterschrit-
ten. Alles in allern liegt damit eine Situation vor, die wegen AW 0 > I (m* der aus
der linken oberen Graphik yon Abbildung 2.3 mit den genannten Konkreti-
sierungen ffir die Werte i (n), i (s), I (u)*, I (s)* sowie AW 0 entspricht: Der Unternehmer
wird lediglich den Betrag AW o ohne zusgtzliche Kreditaufnahme ftir investive
Zwecke verwenden, wobei AWo-I (u)* ~- 5,76-4,15 = 1,61 GE am Kapitalmarkt
angelegt werden. Der resultierende Endverm6genszuwachs entspricht der Fl~iche
unterhalb der Kapitalnachfragekurve im Bereich yon I = 0 GE his I = AW 0 = 5,76
Zu beachten ist, dass bei Unvollkommenheit des Kapitalmarktes Arbitrage- miiglichkeiten trotz positiver Kapitalwerte yon Finanzinvestitionen nicht bestehen miissen, ohne weiteres also ein Kapitalmarktgleichgewicht gegeben sein kann. Beispielsweise wird die Finanzierung yon Investitionsprojekten durch eigene Mittel des betrachteten Unternehmers far einen oberhalb yon i (m liegenden endogenen Kalkulationszinsfug tiber einen positiven Kapitalwert verftigen. Schon die beschr~inkte Anfangsausstattung des Untemehmers setzt der Ausnutzung dieses Umstands aber natfirliche Grenzen.
339
GE und kann durch Integration ermittelt werden als:
4,15
f iF' (I) - 1]" dI + (5,76-4,15). 0,08 0
4,15
[F(I)-I] +0,1288 0
~- 4,94 GE.
(2.1)
Auch inhaltlich ist die Rechnung aus (2.1) gut zu verstehen: Gmnds~itzlich erh~ilt
man den Endverm6genszuwachs zum einen durch Rechnung F(I(r~)*)-I(m* liar den
Bereich, in dem Realinvestitionen durchgefiihrt werden, und zum anderen durch
Multiplikation des AusmaSes der Kapitalmarktanlage mit dem Habenzinssatz i (I~)
= 8 %. Das gesamte unternehmerische Endverm6gen zum Zeitpunkt t = 1 bel~iuft
sich damit auf ungef'&hr 5,76+4,94 = 10,7 GE. []
Die iibrigen beiden Zeilen mit Graphiken aus Abbildung 2.3 stellen weitere denk-
bare F~ille mit jeweils unterschiedlichem optimalen Kapitalbudget des Unterneh-
mers und unterschiedlichem endogenen Kalkulationszinsful3 dar. Im Rahmen des
Abschnitts 2.4 wird auf diese Graphiken noch explizit zuriJckzukommen sein.
Investitionsentscheidungen k6nnen demnach jedenfalls auch mit Hilfe des Dean-
Modells getroffen werden. Weil dabei die Anwendung des Dean-Modells augen-
scheinlich fiir die gleiche Entscheidungssituation wie im Rahmen des Hirshleifer-
Modells m6glich ist, stellt sich unmittelbar die Frage nach der Beziehung der
beiden Ans~itze. Bei richtiger Wiedergabe von Kapitalangebots- und -nachfrage-
funktion muss sich im Dean-Modell stets die gleiche L6sung wie im Rahmen des
Hirshleifer-Modells ergeben. Bevor auf diese Frage im Abschnitt 2.4 naher einge-
gangen wird, sollen zuvor allerdings noch einige Ans~itze zur Erwei terung der
AnalysemiJglichkeiten im Rahmen des Dean-Modells vorgestellt werden.
340
1
i s,l KAK
I I i , 01 I(S) , I(H), AWo F, i
i (s)
KNK
I I I I(S)* I(H)* AW 0
F , I
~(s)
i("
KNK
i(s), i t [I XWo (H)* F, I
i(s)
i
KNK
l(s)* I 1
aWo I(H) * p.
F, I
~(s)
i (H)
h. 1
KNK
i(S)* AW 0 I(H)* F, I
~(s)
i(H)
L 1
KNK
I I I(S) * AW 0 I(H) * F , I
Abbildung 2.3: D a s Hirshleifer-Modell im Dean-Modell
2.3
341
M6gliche Erweiterungen des Dean-Modells
)~anlich wie schon das Hirshleifer-Modell fugt auch das Dean-Modell auf Anna_h-
men, die sich als nur schwerlich mit der Realit~it vereinbar erweisen, andererseits
aber essentiell fOx die Herleitung der Modellergebnisse sind. Auf einige dieser
PrS_rnissen und die mit ihrer Lockertmg verbundenen Probleme soll im Folgenden
eingegangen werden.
2.3.1 Mangelnde Teilbarkeit von Investitionsprojekten
Auf die Problematik der Annahme beliebiger Projektteilbarkeit wurde bereits
im Kapitel II dieses Buches hingewiesen. Diese Annahme stellte dann kein Pro-
blem dar, wenn man aus dem optimalen Investitionsprogramm bei beliebiger Teil-
barkeit ohne weiteres auf die zugehSrige LSsung bei fehlender Teilbarkeit schlie-
Ben kSnnte. Genau dies ist abet im Allgemeinen nicht zutreffend. In jedem Fall
kann es in der L6sung unter der Teilbarkeitspriimisse maximal ein Investitionspro-
jekt geben, das nur teilweise durchgeftihrt werden soll. Gibt es kein Projekt mit
dieser Eigenschaft, verursacht die Annahme der mangelnden Projektteilbarkeit
nattirlich keinerlei weitere Probleme. Schwierigkeiten bereitet demnach nur der
Fall, bei dem ein bestimmtes Investitionsprojekt, nennen wir es P, lediglich zu
einem bestimmten Bruchteil durchgeftihrt werden kann. Eine derartige Situation
ist deshalb kritisch, weil sich die L6sung fOx den Fall fehlender Projektteilbarkeit
nicht einfach dadurch aus der LSsung mit Teilbarkeitsannahme ermitteln l~isst,
dass man das optimale Investitionsprogramm bei Teilbarkeitsannahme und voll-
standiger Realisation des Projekts P mit dem bei vollst~indigem Verzicht auf die
Durchftihrung von P vergleicht, also gewissermagen nur "benachbarte" Investi-
tionsprogramme gegentiberstellt. Vielmehr kann sich die L6sung bei unteilbaren
Investitionsprojekten grundlegend vonde r mit teilbaren Investitionsprojekten
unterscheiden, so dass der L6sungsvorschlag des Dean-Modells dann keinerlei
Hilfestellung zur Entscheidungsfindung bietet. Ferner existiert in diesem Fall auch
kein endogener Kalkulationszinsfug mehr, durch den eine (nachtriigliche) Pro-
blemlSsung mittels des Kapitalwertkriteriums mtiglich wiire, wie sie welter oben
342
ftir eine Situation mit beliebiger Projektteilbarkeit vorgestellt worden ist. Diese
Ph~inomene sollen anhand eines Beispiels erl~iutert werden.
Beispiel 2.2: Gegeben sei ein Unternehmer, der Zugang zu den in Tabelle 2.1 angegebenen drei
Realinvestitionsprojekten hat.
0
z(3)
t
z(, 1) -120 133,2
z~ 2) -260 287,3
-100 108,5
Tabelle 2.1: Anfangsauszahlungen und Rtickfltisse ftir Investitionsprojekte 1, 2,
3
Als interne Zinsftige der Projekte erh~ilt man i (~) = 11%, i (2) = 10,5 % sowie i (3)
= 8,5 %. Der Habenzinssatz i (m belaufe sich auf 8 % und der Sollzinssatz i Cs) auf
12 %. Vom Unternehmer sei ein Betrag AW 0 = 224 GE f'tir investive Zwecke in
t = 0 vorgesehen. Nach dem weiter oben skizzierten Vorgehen gelangt man zu
einer Kapitalangebots- und einer Kapitalnachfragekurve gem~il3 Abbildung 2.4.
Demnach wird unter der Pr~imisse beliebiger Projektteilbarkeit auf den Einsatz von
fremden Mitteln vollstS.ndig verzichtet. Allein der vom Untemehmer selbst zur
Verftigung gestellte Betrag yon AW 0 = 224 GE wird investiv verwendet, und zwar
zur vollst~indigen Durchf'tihrung des Projekts 1 und zur Realisation des Projekts
2 in einem Bruchteil von (224-120)/260 = 40 %. Das damit erzielbare unterneh-
merische Endverm6gen ftir t = 1 ist 133,2+0,4-287,3 = 248,12 GE, der zugeh6ri-
ge Endverm6genszuwachs entsprechend 248,12-224 = 24,12 GE.
343
12%
11% 10,5 %
8,5 % 8%
I 100
[ 200
I I 300 400
KAK
KMA
I 500
- - KNK
F,I
Abbildung 2. 4: Kapitalbudgetierung bei unteilbaren Investitionsprojekten
Ist die teilweise Realisation von Projekt 2 nicht m6glich, dann besteht das
optimale Investitionsprogramm weder aus der alleinigen Durchfi2hrung yon Projekt
1 noch der kompletten Realisation von 1 und 2. Vielmehr erweist es sich als am
besten, nur Projekt 2 mit teilweiser Mittelaufnahme am Kapitalmarkt zu i ~s) = 12
% durchzuftihren. Um dies zu erkennen, sind zwei F~ille zu unterscheiden.
Ers tens ist nach dem optimalen Realinvestitionsprogramm ftir den Fall zu fragen,
dass der Unternehmer weiterhin wie bei Projektteilbarkeit auf die Aufnahme von
Mitteln am Kapitalmarkt verzichtet. In dieser Situation kann Projekt 2 wegen
fehlender Mittel nicht realisiert werden. M6glich und vorteilhaft bleibt aber die
Implementierung der beiden Investitionsprojekte 1 und 3, da beide zu h6heren
Rtickfltissen je eingesetzter Geldeinheit, also h6heren Renditen, als bei Kapital-
344
marktanlage der untemehmerischen Mittel ftihren. Der verbleibende Restbetrag in
H6he von 224-120-100 = 4 GE wird dann in der Tat am Kapitalmarkt zu i (H) =
8 % bis t = 1 angelegt. Insgesamt ergibt sich damit f'tir den Untemehmer bei
Verzicht auf Mittelaufnahme am Kapitalmarkt ein Endverm6gen yon 133,2+
108,5+4-1,08 = 246,02 GE, also ein Endverm6genszuwachs von 246,02-224 =
22,02 GE.
Zweitens kann man das optimale unternehmerische Realinvestitionsprogramm f'tir
den Fall zus~itzlicher Aufnahme von Mitteln zum Sollzinssatz i (s~ = 12 % be-
stimmen. Mittel aufzunehmen, um damit die zusarzliche Durchftihrung des Pro-
jekts 2 bei Beibehaltung der Projekte 1 und 3 zu erm6glichen, kann wegen i (2) =
10,5 % < i (s) = 12 % und der fast vollst~indigen Fremdfinanzierung der Umsetzung
von 2 nicht sinnvoll sein. Auch die Kombination yon 2 und 3 erweist sich im
Vergleich zur simultanen Durchftihrung von 1 und 3 unmittelbar als suboptimal.
Das Projekt 2 liefert eine geringere Rendite als 1 und ware tiberdies zu mehr als
50 % tiber Mittel mit i (s~ = 12 % zu finanzieren. Die Kombination von 1 und 2
ist infolge des hier abermals sehr hohen Fremdfinanzierungsanteils zur Umsetzung
von 2 ebenfalls zweifellos schlechter als die Realisation von 1 und 3. In der Tat
kommt die Mittelaufnahme am Kapitalmarkt daher nur dann in Betracht, wenn
man sich auf die alleinige Durchf'tihrung yon Projekt 2 beschr~inkt. Unter dieser
Bedingung muss sich der Untemehmer im Umfang von 260-224 = 36 GE zu i (s~
= 12 % von t -- 0 bis t = 1 verschulden. Sein aus diesem Kapitalbudget
resultierendes Endverm6gen bel~iuft sich auf 287,3-36-1,12 = 246,98 GE, der
entsprechende Endverm6genszuwachs also auf 246,98-224 = 22,98 GE. Tats/ich-
lich lautet damit die optimale untemehmerische Verhaltensweise bei angenom-
mener Unteilbarkeit der verftigbaren Investitionsprojekte auf die alleinige Durch-
f'tihrung des Investitionsprojekts 2 bei Einsatz von allen verftigbaren eigenen
Mitteln des Untemehmers und zus~itzlicher Aufnahme eines Betrags yon 36 GE
am Kapitalmarkt yon t = 0 bis t = 1 zu i (s~ = 12 %. Nattirlich ist das hierbei
erreichbare Endverm6gen niedriger als bei beliebiger Projektteilbarkeit.
345
Wie man sieht, kann in diesem Beispiel nicht unmittelbar vonder L6sung unter
der Pr~imisse beliebiger Projektteilbarkeit auf die optimale unternehmerische Ver-
haltensweise unter der Annahme der Unteilbarkeit von Investitionsprojekten ge-
schlossen werden. Uberdies gibt es keinen endogenen Kalkulationszinsfug, so dass
das optimale Kapitalbudget bei mangelnder Projektteilbarkeit fiber eine Anwen-
dung des Kapitalwertkriteriums reproduziert werden k6nnte. Ffir jeden beliebigen
KalkulationszinsfuB unter 12 % ist n~imlich der Kapitalwert der Mittelaufnahme
am Kapitalmarkt zu i (s) = 12 % durch einen negativen Kapitalwert charakterisiert,
w ~ e n d jeder Zinsfug oberhalb von 10,5 % zu einem negativen Kapitalwert des
Projekts 2 ffihrt. Es gibt daher schon keinen Kalkulationszinsfug, so dass Projekt
2 und die Mittelaufnahme am Kapitalmarkt zu i (s) = 12 % simultan fiber einen
nichmegativen Kapitalwert verffigen. Gleichwohl sind beide Magnahmen Be-
standteil des optimalen Kapitalbudgets. []
2.3.2 Gegenseitiger Ausschluss von Investitionsprojekten
Hebt man die Annahme vtilliger Unabh~ingigkeit der Investitionsprojekte auf,
stellt dies ebenfalls eine deutliche Erschwerung der Analyse dar. Dies gilt selbst
dann, wenn man sich auf die Betrachtung des einfachsten Falls von Projektinterde-
pendenzen, des gegenseitigen Ausschlusses n~mlich, beschr~inkt. SchlieBen sich
zwei Projekte 1 und 2 gegenseitig aus und gelten ansonsten die Pr~rdssen des
Dean-Modells gem~iB Abschnitt 2.2.1 welter, dann sind grunds~itzlich zwei Hille
zu unterscheiden. Unproblematisch ist eine Situation, in der das Investitionspro-
jekt mit der h6heren Rendite auch fiber die h6here maximale Anfangsanszahlung
verftigt. Dann n~imlich ist dieses Projekt dem anderen infolge der Teilbarkeits-
annahme eindeufig fibeflegen: Unabh~ingig davon, wie viele Geldeinheiten der Un-
ternehmer in das Projekt mit der gefingeren Rendite auch investieren wollte, ffihrt
die Investition des gleichen Betrags in das Projekt mit der h6heren Rendite in t
= 1 zu h6heren Rtickflfissen und erweist sich deswegen als fiberlegen.
Unklar ist die Entscheidungssimation demnach nur, wenn das Investitionsprojekt
mit der geringeren Rendite, angenommen Projekt 1, zugleich fiber die h6here
346
maximale Anfangsauszahlung verfiJgt. Dann mag es n~imlich durchaus sein, dass
sich die Entscheidung ftir Projekt 1 t rotz eines geringeren Renditewertes als
sinnvoll erweist. Notwendige Voraussetzung daf'tir ist nattirlich, dass der maximal
m6gliche Rtickfluss aus Projekt 1 gr613er als beim Alternativprojekt 2 ist.
Beispiel 2.3: Gegeben sei ein Investitionsprojekt 1 mit einer Anfangsauszahlung yon 100 GE
in t = 0 und einem Rtickfluss von 120 GE in t = 1. Ein Projekt 2a liefere bei
einer Anfangsauszahlung yon 50 GE in t = 0 Einzahlungen von 55 GE in t = 1.
Weil Projekt 1 folglich mit 20 % gegenfiber 10 % von Projekt 2a sowohl fiber
eine h6here Rendite als auch tiber einen h6heren maximalen Investitionsbetrag in
t = 0 verftigt, wtirde bei beliebiger Teilbarkeit und gegenseitigem Ausschluss
Projekt 1 gegentiber 2a ftir jeden Investitionsbetrag vorgezogen.
Ein weiteres Projekt 2b gew~ihrleiste eine maximale Anfangsauszahlung von 90
GE in t = 0 bei einem Einzahlungstiberschuss yon 125 GE in t = 1. Im Vergleich
mit Projekt 1 verftigt es tiber die deutlich h6here Rendite mit etwa 38,89 %,
wenngleich Projekt 1 einen h6heren Investitionsbetrag erm6glicht. Selbst aber bei
Investition yon 100 GE in Projekt 1 k6nnen nicht so hohe Einzahlungen wie bei
Durchftihrung des Projekts 2b mit nur 90 GE erreicht werden. Daher ist 2b dem
Projekt 1 gegentiber eindeutig tiberlegen und wtirde im Rahmen einer Auswahl-
entscheidung stets vorgezogen.
Schliel31ich sei ein Projekt 2c betrachtet, das bei einer Anfangsauszahlung von 80
GE in t = 0 Rfickfltisse yon 98 GE in t = 1 in Aussicht stellt. Die Rendite ist mit
22,5 % erneut h6her als die des Projekts 1. Ftir hinreichend hohe Investitions-
volumina k6nnte sich nun aber in der Tat trotzdem die Durchffihrung des Projekts
1 gegenfiber der Implementierung des Projekts 2c als tiberlegen erweisen, da die
maximalen Rtickfltisse von Projekt 1 mit 120 GE tiber denen von Projekt 2c mit
98 GE liegen. Entscheidend ist hierbei nattirlich, wie die im Rahmen der
Durchftihrung von Projekt 2c gegentiber der Realisation von Projekt 1
gegebenenfalls eingesparten Mittel anderweitig verwendet werden k6nnen. []
347
Im Weiteren sei lediglich auf den allein interessanten Fall eingegangen, dass zwei
beliebig teilbare und sich gegenseitig ausschliel3ende Projekte 1 und 2 vorliegen,
wobei Projekt 1 mit gr613erer Anfangsauszahlung und gr613erem RiJckfluss, aber
geringerer Rendite als Projekt 2 ausgestattet ist. Fiir Investitionsvolumina, die jen-
seits der Anfangsauszahlung von Projekt 2 liegen, mag es dann von Vorteil sein,
sich far Projekt 1 zu entscheiden. Wie bereits im Beispiel 2.3 angedeutet, kommt
es dabei aber mal3geblich darauf an, fiber welche weiteren Verwendungsm6glich-
keiten der Unternehmer f'tir die bei Durchftihrung von Projekt 2 statt Projekt 1
nicht ben6tigten Mittel verfiigt.
Um im konkreten Entscheidungsproblem das optimale Kapitalbudget zu ermitteln,
bieten sich zwei Wege an. Erstens kann man zweimal eine Kapitalnachfragefunk-
tion herleiten, einmal mit Projekt 1, das andere Mal mit Projekt 2, und ffir beide
F~ille graphisch das optimale Kapitalbudget ermitteln, um anschliegend das h6here
Endverm6gen zu bestimmen. Dieses Vorgehen ist stets anwendbar, wenngleich
recht aufwendig.
Z w e i t e n s kann man aber auch versuchen, mit n u r e iner Graphik das Problem zu
16sen. Dazu bedarf es einer Betrachtung der Differenzinvestition 1-2. Aus der
Diskussion der Parameterregeln im Abschnitt 3 des Kapitels III ist bekannt, dass
der 0bergang vom Projekt 2 zum Projekt 1 dann von Vorteil ist, wenn die Rendi-
te der Differenzinvestition 1-2 gr6ger als der Kapitalmarktzinssatz i ist, well der
zus~itzliche Mitteleinsatz dann h6here Ertr~ige als Aufwendungen abwirft. Diese
0berlegung ist auch dann noch zutreffend, wenn sich der relevante Kalkulations-
zinsfug wie im Dean-Modell fiber die gesamte Anfangsauszahlung ffir 1-2 nicht
notwendig als konstant erweist: Solange jede Geldeinheit der zus~itzlichen An-
fangsauszahlung einen h6heren Ertrag als den jeweils mal3geblichen Kapitalkos-
tensatz erbringt, lohnt sich der fJbergang von 2 nach 1. Um die Gfiltigkeit dieser
Voraussetzung zu testen, wird die Kapitalnachfragefunktion daher nun unter Be-
rticksichtigung der Projekte 2 und 1-2 hergeleitet. Die Rendite der Differenzinves-
tition 1-2 ist dabei in jedem Fall geringer als die Rendite des Projekts 2, da schon
348
die Rendite von 1 geringer als die von 2 ist: 8
z 2) z l) i (2)* = 1 > i (1)* - 1
[ZOO2) I Izo~X) l
'*:* Zl(2). IZo(1)I _Z~I). izg) i> o
Z(2). jZ(1)i _Z(2)" IZ0(2)I_(Z(1). jZ0(2) I -Z1(2)" iZ0(2) l) 4m~
Izo~Z) I "(Izo~~ I - Izo <2~ I)
(2) / t (1) (2) (2) . (1) (2). zl "tlZo - Z o [) Zo I t z l -zl ) ** >
i,o(2) i.(i,o(1)1- zg)l) jzo(2) t (rzo(,, j- izg) I)
(2) (1) _Z(2) 1. i (2)* = z 1 1 > i (1-2)* - Zl
IZo(2) F IZo(') I-IZo(2) I
> 0 (2.2)
In der dritten Zeile von (2.2) wurde dabei zum einen der Ausdruck -z~ 2)- ]Zo (2) ]
-(-Zl2) ' lZ0 (2) ]) = 0 hinzuaddiert und zum anderen durch das Produkt [Z~2)['(]Z(1) I-
[z0(2)l) > 0 dividiert. 9
Je nachdem, wie der Schnittpunkt yon Kapitalangebots- und -nachfragekurve liegt,
sind damit grundsfitzlich nur drei F~ille denkbar. Entweder ergibt sich, dass weder
2 noch 1-2 durchgeffihrt werden sollen, oder man erh~ilt, dass wohl 2, nicht aber
1-2 durchzuf'tihren ist, oder es ergibt sich, dass 2 und 1-2 implementiert werden
Zu beachten ist, dass Z(o ~), Z(o 2) < 0 gilt, weswegen im Rahmen der Renditebe- rechnung jeweils die zugeh6rigen Betriige IZ(o])l und Izo(2) l (oder ebenso gut
(]) und -Z(o 2)) anzusetzen sin& die mit -1 multiplizierten Werte -Zo
Es sei daran erinnert, dass die Anfangsauszahlung des Projekts 1 annahme- gem~ig gr6ger als die des Projekts 2 ist: ]z0 ~1) ] > 1zr
349
sollen. Der letztgenannte Fall bedeutet, dass per Saldo 1 und nicht 2 gewS.hlt wird.
Denn die simultane Durchftihrung yon 2 und des Wechsels von 2 nach 1 fiber
Realisation der entsprechenden Differenzinvestition 1-2 ergibt gerade 1.
Beispiel 2.4: Gegeben sei ein Unternehmer, der einen Betrag AW 0 = 50 GE ffir investive
Zwecke vorgesehen hat. Der Habenzinssatz i (m betrage 8 %, der Sollzinssatz i (s)
belaufe sich auf 12 %. Als Realinvestitionsprojekte seien die beiden beliebig teil-
baren und sich gegenseitig ausschliegenden Projekte 1 und 2c aus Beispiel 2.3
verftigbar. Die hier relevante Differenzinvestition 1-2c erfordert eine Anfangs-
auszahhmg in t = 0 yon 100-80 = 20 GE und f'tihrt zu zus~itzlichen Einzahlungen
in t = 1 von 120-98 = 22 GE, so dass sich die Rendite von 1-2c auf 10 % be-
misst. Diese Angaben ffihren zu Abbildung 2.5, aus der ersichtlich ist, dass sich
die Durchffihrung der Differenzinvestition im Gegensatz zur Implementierung yon
2c nicht lohnt. Dem Projekt 2c wird hier also gegentiber 1 der Vorzug gegeben,
30 GE der Anfangsauszahlung von 80 GE in t = 0 werden dabei fiber Kreditauf-
nahme in t = 0 finanziert. Dieses Resultat kann auch leicht rechnerisch nachge-
priaft werden. Im Falle der Durchffihnmg des Projekts 1 mfissen 50 GE in t = 0
zu i (s) = 12 % aufgenommen werden. Das unternehmerische Endverm6gen bel~iuft
sich daher auf 120-50-1,12 = 64 GE und der zugeh6rige Endverm/Sgenszuwachs
auf 64-50 = 14 GE. Der letztgenannte Wert kann auch aus Abbildung 2.5
abgelesen werden. Der unternehmerische Endverm6genszuwachs bei Entscheidung
ffir 2c und 1-2c ergibt sich n~imlich gleichfalls fiber die Fl~ichenberechnung
50-0,225+30"(0,225-0,12)+20-(0,1-0,12) = 14 GE.
Bei Implementierung des Projekts 2c hingegen erh~ilt man unter Beachtung der
Verschuldung in H6he von 30 GE am Kapitalmarkt zu i (s) = 12 % ein untemeh-
merisches Endverm6gen yon 98-30.1,12 = 64,4 GE > 64 GE und einen zugeh6ri-
gen Endverm6genszuwachs von 64,4-50 = 14,4 GE > 14 GE.
350
22,5 %
12% 10% 8%
2c
! 1-2c KMA
KAK
KNK
50 80 100 F, I
Abbildung 2.5: Kapitalbudgetierung mittels Differenzinvestitionen bei sich ge- genseitig ausschliel3enden Investitionsprojekten
Unterstellt man, dass sich der Sollzinssatz nur auf i (s) = 9 % bel~iuft, dann ist das
optimale Investitionsprogramm durch die Realisation von 2c und 1-2c, also letzten
Endes 1, gekennzeichnet. Dieses Ergebnis best~itigt sich auch, wenn man zwei
separate Graphiken, einmal mit Projekt 1, das andere Mal mit Projekt 2c, der
Entscheidungsfindung zugrunde legt. m Die Kapitalnachfragefunktion auf der
Grundlage von 1 ftihrt mit 120-50-50-1,09 = 15,5 GE zu einem h6heren maxima-
len Endverm6genszuwachs als die Kapitalnachfragefunktion auf der Grundlage
von 2c mit 98-50-30.1,09 = 15,3 GE. []
10 Vgl. hierzu Abbildung 2.6.
351
20
50
KMA
100 I-
F,I
KAK
KNK
22,5 %
% %
0
2c
50 80
KMA
ID
F,I
KAK
KNK
Abbildung 2.6: Kapitalbudgetierung ohne Differenzinvest i t ionen bei sich gegen- seitig ausschlieBenden Investi t ionsprojekten
352
Alle drei Situationen lassen sich folglich ohne Probleme saehgereeht interpretie-
ren, weswegen man scheinbar in der Tat auf der Grundlage eines einzigen Dia-
gramms das Problem sich gegenseitig ausschliel3ender Projekte beriJcksichtigen
kann. In vielen F~illen ist dies wirklich auch mOglich, ein Problem besteht aller-
dings dann, wenn die optimale L6sung durch teilweise Realisation der Differenz-
investition charakterisiert ist. Selbst wenn man unterstellt, dass Realinvestitions-
projekte beliebig teilbar sind, gilt dies doch denknotwendig nicht ftir Differenzin-
vestitionen sich gegenseitig ausschliel3ender Projekte. Die 40 %ige Durchftihrung
einer Differenzinvestition 1-2 beispielsweise impliziert, dass im Optimum 1 zu 40
% und 2 zu 60 % durchgeftihrt werden soil, beide Projekte also in bestimmten
Bruchteilen simultan realisiert werden. Tritt eine derartige Situation auf, kann man
gem~il3 den Ausf'tihrungen des vorhergehenden Abschnitts 2.3.1 nicht einfach das
optimale Investitionsprogramm mit 100 %iger Durchftihrtmg mit dem mit 0 %iger
Durchftihrung der Differenzinvestition vergleichen. Vielmehr bleibt nun nichts
anderes tibrig, als nachtriiglieh doch die zuerst genannte Methode anzuwenden
oder in anderer Form zus~itzliche Uberlegungen anzustellen.
Beispiel 2.5: Gegeben sei die Entscheidungssituation aus Beispiel 2.4 bei zus~itzlicher Ver-
ftigbarkeit eines Projekts 2d, das bei einer Anfangsauszahlung von 10 GE in t =
0 zu einem Rtickfluss von 10,9 GE in t = 1 f'tthrt. Ferner sei AW 0 = 90 GE ange-
nommen. In Abbildung 2.7 erkennt man, dass man unter diesen modifizierten Pr~i-
missen zur (sinnlosen) Empfehlung der teilweisen Realisation der Differenzinve-
stition 1-2c gelangt. Optimal ist aber nun weder die alleinige Durchftihrung yon
2c noch die simultane DurchfiJhrung von 2c und 1-2c, also per Saldo 1. Endver-
m6gensmaximierend ist vielmehr ein aus 2c und 2d bestehendes Investitionspro-
gramm, das n~imlich hier ohne jede Fremdfinanzierung m6glich ist. []
353
22,5 %
12%
10% 9% 8%
/~ 0
2c
1-2c 2d
80 90 100 ll0
KAK
KMA KNK p.
F, i
Abbildung 2. 7: Problematische Kapitalbudgetierung mittels Differenzinvestitio- nen bei sich gegenseitig ausschlieBenden Investitionsprojekten
2.3.3 Mehr-Perioden-Betrachtung
Das Vorgehen aus dem Dean-Modell kann nattirlich ohne weiteres auch im Rah-
men von Mehr-Perioden-Problemen Anwendung finden. Zu diesem Zweck wird
far jedes Investitions- und Finanzierungsprojekt der interne Zinsfug bestimmt und
anschlieBend eine Reihung der Investitionsprojekte nach absteigenden und der
Finanzierungsprojekte nach aufsteigenden Zinsfal3en vorgenommen. Der Schnitt-
punkt yon Kapitalangebots- und -nachfragekurve beschreibt nach wie vor die
Empfehlung far das zu realisierende Kapitalbudget.
In der Tat ist ein solches Vorgehen im Falle der Betrachtung von mehr als zwei
Zeitpunkten in verschiedener Hinsicht problematisch. Zum einen ist die Zah-
lungsf~ihigkeit der Unternehmung nicht in jedem Zeitpunkt gew~thrleistet, denn
354
durch die Realisation aller Investitions- und Finanzierungsprogramme links vom
Schnittpunkt erreicht man lediglich, dass die Finanzierung aller Investitionen in
t = 0 gelingt. Ob Zahlungsf~higkeit auch in einem Zeitpunkt t > 0 gew511rleistet
ist, bleibt zun~ichst einmal v611ig often.
Beispiel 2.6:
Gegeben sei ein Untemehmer mit AW 0 = 20 GE in t = 0, der im Rahmen einer
Drei-Zeitpunkte-Betrachtung mit einem Habenzinssatz in H6he von i (m = 0 % le-
diglich Zugang zu den folgenden beiden Projekten 1 und 2 hat:
t 0 1 2
ZI 1) - 1 O0 30 130
100 -120 0 z~ 2~
Tabelle 2.2: Projekte 1 und 2 im Rahmen einer Drei-Zeitpunkte-Betrachtung
Augenscheinlich handelt es sich bei Projekt 1 um ein Investitionsprojekt mit
einem intemen Zinsful3 von 30 %, w~ihrend 2 ein Finanzierungsprojekt mit einem
internen Zinsful3 von 20 % beschreibt. Eine Betrachtung gem~il3 dem Dean-Modell
wfirde laut Abbildung 2.8 zur Empfehlung gelangen, das Projekt 1 vollst~indig zu
implementieren und die erforderliche Anfangsauszahlung von 100 GE zum einem
tiber die eigenen Mittel AW 0 = 20 GE des Unternehmers und zum anderen fiber
die Durchffihrung von Projekt 2 mit einem Bruchteil von 80 % aufzubringen. Als
Konsequenz hieraus mtisste der Unternehmer in t = 1 aber Auszahlungen von
120-0,8 = 96 GE auf das Finanzierungsprojekt leisten, die aufgrund der zu
geringen Einzahlung aus dem Investitionsprojekt in diesem Zeitpunkt nicht
erbracht werden k6nnen. Ffir die hier zugrunde gelegten Pr~imissen w~ire der Un-
ternehmer denmach im Zeitpunkt t = 1 zahlungsunfiihig. []
355
30%
20 %
1 KNK
KAK
20 100 120 F , I
Abbildung 2.8: Fehlende Berticksichtigung yon Liquidit~itsrestriktionen bei Mehr- Perioden-Betrachtungen im Dean-Modell
Ferner ist keineswegs sichergestellt, dass das realisierte Kapitalbudget in der Tat
endwer tmax imie rend ist. Daftir k6nnen mehrere Gri.inde angeftihrt werden. So
werden erst nach t > 0 realisierbare Investitions- und Finanzierungsprojekte im
Rahmen der hergeleiteten Kapitalangebots- und -nachfragekurven fiberhaupt nicht
berticksichtigt. Wfirde man sie hingegen bereits "antizipativ" doch hinzunehmen,
dann erg~ibe sich selbst schon ffir t = 0 die Gefahr von Zahlungsmitteldefiziten
oder -fiberschtissen.
Beispiel 2.7"
Gegeben sei eine Drei-Zeitpunkte-Betrachtung mit einem Untemehmer, der fiber
ein investiv zu verwendendes Verm6gen AW 0 = 20 GE verffigt und ansonsten bei
einem Habenzinssatz von i (m = 0 % nur noch Zugang zu den folgenden drei Pro-
jekten 1, 2 und 3 hat:
0
zl 3~
356
t
z~ 1) - 1 O0 30 130
(2) 100 -162,5 0 Z t
0 100 -105
2
Tabelle 2.3: Projekte 1, 2 und 3 im Rahmen einer Drei-Zeitpunkte-Betrachtung
Bei den (beliebig teilbaren) Projekten 2 und 3 handelt es sich demnach um zwei
jeweils einperiodige Finanzierungsmagnahmen von t = 0 bis t = 1 bzw. von t =
1 bis t = 2. Als interne Zinsf'tige erh~ilt man ftir Projekt 2 einen Wert yon 62,5 %
und ftir 3 einen Wert von 5 %. Projekt 1 charakterisiert eine Normalinvestition
mit intemem Zinsfug von 30 % und sei als unteilbar angenommen.
Man prtift ohne gr613ere Schwierigkeit, dass es optimal ist, das Investitionsprojekt
1 und das Finanzierungsprojekt 3 im vollen Umfang sowie das Finanzierungspro-
jekt 2 zu einem Bruchteil yon 80 % durchzuftihren. Aus der 80 %igen Durchftih-
rung von Projekt 2 ergeben sich in t = 0 Einzahlungen von 80 GE, die zusammen
mit dem unternehmerischen Verm6gen von AW 0 -- 20 GE die Finanzierung der
Anfangsauszahlung von 100 GE fur das Investitionsprojekt erm6glichen. In t =
1 realisiert der Unternehmer Einzahlungen von 30+100 = 130 GE aus den Projek-
ten 1 und 3, denen Auszahlungen von 0,8-162,5, also von ebenfalls 130 GE, ge-
genfiberstehen. Als einzige von Null verschiedene Konsequenz des optimalen un-
ternehmerischen Kapitalbudgets verbleibt damit ein Einzahlungsfiberschuss von
130-105 = 25 GE im Zeitpunkt t = 2. Dieses Endverm6gen tibertrifft dasjenige,
das sich durch Mittelanlage des Untemehmers von t = 0 bis t = 2 zu i (m = 0 %
ergibt, weswegen die behauptete Optimalit~it des betrachteten Kapitalbudgets tat-
s~ichlich vorliegt.
Erstellt man jedoch die Kapitalangebotskurve ohne Berticksichtigung des erst zu-
ktinftig verftigbaren Projekts 3, dann gelangt man zur Ablehnung der Durchftth-
357
rung von Projekt 1 gem~if5 der linken Graphik aus Abbildung 2.9. Wird Projekt 3
bei der Erstellung der Kapitalangebotskurve schon hinzugenommen, dann ergibt
sich gem~if3 der rechten Graphik I1 aus Abbildung 2.9 die unsinnige Empfehlung,
die Anfangsauszahlung des Investitionsprojekts in t = 0 allein tiber das unterneh-
merische Verm6gen von AW 0 = 20 GE sowie das Projekt 3 zu finanzieren. []
62,5 o
30%
2 KAK
1 KNK �9 3 0 %
5%-
20 100 120 F,1 0
1 KNK
3 ~KAK
20 100 120 F,I
Abbildung 2.9: Unzureichende Bert~cksichtigung zuktinftig verftigbarer Projekte im Dean-Modell
In ~ihnlicher Weise iindern sich die Renditen und Kapitalkostens~itze von Pro-
jekten von Periode zu Periode. Die vorgenommene Gegentiberstellung ist insofern
nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt t = 0. Beispielsweise ist es denkbar,
dass eine bestimmte, teure Finanzierungsform nut f'tir eine Periode yon t = 0 bis
t = 1 zur Finanzierung eines langfristig lukrativen Investitionsprojekts ben6tigt
wird. 12 Dieser Umstand kommt bei einer Betrachtung der zum Zeitpunkt t = 0
relevanten Kapitalangebots- und -nachfragekurven tiberhaupt nicht zum Ausdruck.
Aus Platzgrtinden ist in der rechten Graphik auf die komplette Darstellung der Kapitalangebotskurve unter Einbezug des Projekts 2 verzichtet worden.
12 Vgl. auch hierzu schon Beispiel 2.7.
358
Drittens schliel31ich ist darauf zu achten, dass die Reihung von Investitions- und
Finanzierungsproj ekten nach ihren internen Renditen im Rahmen einer Mehr-Peri-
oden-Betrachtung ohne jegliche theoretische Fundierung ist. In der Tat stellen
derartige Reihungen einen im Allgemeinen unzuliissigen mittelbaren Parameter-
vergleich dar, undes sind ohne Schwierigkeiten Szenarien denkbar, in denen ein
Projekt mit einem htiheren internen Zinsful3 bei Durchffihrung zu einem geringe-
ren Endverm6gen ftir den Unternehmer als ein anderes Projekt mit niedrigerem
internen Zinsful3 ffihrt.
Beispiel 2.8:
Gegeben sei ein Unternehmer, dem bei einem ffir investive Zwecke vorgesehenen
Anfangsverm6gen yon AW 0 = 100 GE im Rahmen einer Drei-Zeitpunkte-Betrach-
tung zwei Investitionsprojekte 1 und 2 mit gleicher Anfangsauszahlung gem~il3
Tabelle 2.4 zur Verffigung stehen.
z{ 2~
0 1
-100 0
-100 116
t 2
z{ 1) 132,25
0
Tabelle 2.4: Projekte 1 und 2 im Rahmen einer Drei-Zeitpunkte-Betrachtung
Man prtift leicht, dass Projekt 1 fiber einen intemen Zinsful3 von 15 % verffigt,
w~ihrend der yon Projekt 2 bei 16 % liegt. Projekt 2 wtirde deswegen im Rahmen
einer Herleitung der Kapitalnachfragekurve vor Projekt 1 abgetragen werden.
Unterstellt man aber etwa einen Habenzinssatz i (m = 8 %, dann gelangt man bei
Durchffihrung des Projekts 2 nur zu einem (Brutto -13) Endverm6gen des Zeit-
punktes t = 2 von 116-1,08 = 125,28 GE < 132,25 GE, so dass sich in der Tat
die Entscheidung fiJr Projekt 1 als vorteilhaft erwiese. []
13 Das heiBt hier: vor Abzug etwaiger Finanzierungskosten.
359
Bei einer re inen Zwei -Ze i tpunk te -Be t rach tung hingegen ist die Reihung nach
internen Zinsftigen unkri t isch, weil hier infolge der beliebigen Teilbarkeit yon In-
vestitionsprojekten grunds~itzlich standardisierte Projekte mit jeweils 1 GE An-
fangsauszahlung betrachtet werden k6nnen, f'tir die sich im Rahmen einer Zwei-
Zeitpunkte-Betrachtung auch ein mittelbarer Parametervergleich als zul~issig er-
weist.
Statt zweier Projekte 1 und 2 mit Zahlungsstrukturen (z(o~);z~ 2)) bzw. t'~(2)'7(2)~ in \ L 0 ~L 1 ]
t = 0, 1 kann man folglich ebenso gut Iz0~ Projekte la mit einer Auszahlung
von jeweils 1 GE in t = 0 und einem Rtickfluss von z~'a) - = zll)/Iz~0~)l und ]z0 ~2)]
Projekte 2a mit einer Auszahlung von ebenfalls 1 GE in t = 0 bei einer Einzah-
_~2a) = zlZ~/lz~02)[ in t = 1 betrachten. lung von z~
Ein h6herer intemer Zinsfuf3 bei dem Projekt la mit Einzahlung Z~ la) auf die zu
investierende Geldeinheit als bei dem Projekt 2a mit Einzahlung zl 2a) auf die zu
investierende Geldeinheit geht stets einher mit z~ la) > zl 2a) und damit auch einem
h6heren Endverm6gen bei Investition der betreffenden Geldeinheit ins Projekt la.
Man kann femer sagen, dass der Kapitalwert [zlla)/(l+i)]-1 der Investition in das
Projekt 1 a ftir j eden beliebigen Zinssatz i gr613er als der entsprechende Kapitalwert
[z~Zal/(l+i)]-I bei Investition in das Projekt 2a ist. Es liegt bier demnach die aus
dem Abschnitt 3 des Kapitels III bekannte Dominanzbez iehung zwischen zwei
Projekten la und 2a vor, die ihrerseits eine Reihung nach intemen Zinsftigen
rechtfertigt. Zu beachten ist hierbei, dass neben der Beschr~inkung auf die Be-
trachtung von nur zwei Zeitpunkten auch die beliebige Projektteilbarkeit erfor-
derlich ist, um eine Rangordnungsbildung auf der Grundlage von internen Zinsfti-
13en zu fundieren.
Insgesamt sind die Erweiterungs- und Anwendungsm6glichkeiten des Dean-Mo-
dells damit vergleichsweise eng. Hinzu kommt, dass man selbst an der Grundver-
sion dieses Modells noch Kri t ik tiben kann, wie der n~ichste Abschnitt anhand
eines Vergleichs von Dean- und Hirshleifer-Modell belegt.
2.4
360
D a s Verh~iltnis v o n Hirshleifer- zu Dean-ModelF 4
Im Weiteren soil das unternehmerische Entscheidungsproblem for die drei grund-
legenden F~ille des Hirshleifer-Modells einmal in einer Darstellung mittels Kapi-
talangebots- und -nachfragefunktionen, also einer Darstellung im Kontext des
Dean-Modells, veranschaulicht werden.
Ffir den Anleger typ gilt, dass er Mittel im Umfang AW 0 > I (H)* fiir investive
Zwecke zu verwenden bereit ist. Hieraus resultiert sofort die bereits ange-
sprochene linke obere Graphik aus Abbildung 2.3, denn die Kapitalangebotskurve
verl~iuft demnach ftir Finanzierungsvolumina F < AW o auf der Abszisse, fiir F >
AW 0 hingegen erh~ilt man einen Ordinatenwert von gerade i (s).
Wie ebenfalls bereits erwahnt, liefert die rechte obere Graphik aus Abbildung 2.3
eine Alternativdarstellung auf der Grundlage des wertmiiBigen Kostenbegriffs.
Nochmals hervorzuheben ist, dass die Kapitalangebotskurve bei dieser Darstellung
stets an der Stelle I = I (m* yon der Kapitalnachfragekurve geschnitten wird und
man aus der Differenz AW0-I (H)* unmittelbar den Umfang der unternehmerischen
Kapitalmarktanlage zu i (H) ablesen kann.
Handelt es sich bei dem betreffenden Untemehmer hingegen um einen Schuldner-
typ, dann stehen yon unternehmerischer Seite nur Mittel im Umfang AW 0 < I (s)*
ftir investive Zwecke zur Verftigung. Bei gleicher Kapitalnachfragekurve ver-
schiebt sich demnach im Vergleich zur Situation bei Betrachtung eines Anleger-
typs die Sprungstelle der Kapitalangebotskurve nach links, und zwar derart, dass
der Schnittpunkt der beiden Kurven nunmehr auf dem oberen der beiden Teilab-
schnitte der Kapitalangebotskurve liegt. Aus der Differenz I(S)*-AW0 kann unmit-
telbar das Ausmag der fremdfinanzierten Invesfitionen ersehen werden. Der endo-
gene Kalkulationszinsfug nimmt hierbei einen Wert von i (s) an. Ein Beispiel ftir
~4 Die Ausftihrungen dieses Abschnitts basieren im Wesentlichen auf Breuer (2000b).
361
eine derartige Situation bietet die linke mittlere Graphik aus Abbildung 2.3. Wie-
der zeigt die zugeh6rige rechte mittlere Graphik die Zusammenh~inge bei wertm~i-
gigen Kostenans~itzen.
Beispiel 2.9: Gegeben sei der Untemehmer aus Beispiel 2.1, dieses Mal aber mit einem far in-
vestive Zwecke vorgesehenen Anfangsverm6gen von nur AW o = 2,34 GE < I (s)*.
Als Konsequenz hieraus verschiebt sich die Sprungstelle seiner Kapitalangebots-
kurve so deutlich nach links, dass eine den mittleren Graphiken aus Abbildung 2.3
entsprechende Situation resultiert. Der Unternehmer wird dabei zur Realisation
von I (s)* noch einen zusi~tzlichen Kredit von I(S)*-AW0 = 3,86-2,34 = 1,52 GE
aufnehmen. []
Schliel31ich kann der Unternehmer noch vom Typ "Neut ra le r" sein. In diesem
Fall sieht der Untemehmer Mittel AW 0 im Umfang yon I (m* > AW 0 > I (s>* ftir in-
vestive Zwecke vor land resultiert ein endogener Kalkulationszinsfug i mit i (m <
i < i (s), wobei typischerweise in beiden Ungleichungsketten echte Ungleichungen
vorherrschen werden. Die linke untere Graphik aus Abbildung 2.3 beschreibt ge-
nau einen derartigen Fall. Unter Voraussetzung des wertmiiBigen Kostenver-
stiindnisses ist die rechte untere Graphik aus Abbildung 2.3 mal3geblich.
Beispid 2.10: Gegeben sei der Unternehmer aus Beispiel 2.1, dieses Mal jedoch mit einem ftir
investive Zwecke vorgesehenen Anfangsverm6gen yon AW o = 4,04 GE. Wegen
I (m* > AW 0 > I (s)* wird der Unternehmer seine Mittel AW o vollst~indig ftir Realin-
vestitionen nutzen und auf erg~inzende Kapitalmarkttransaktionen zur G~inze ver-
zichten. Der ad~iquate endogene Kalkulationszinsful3 bel~iuft sich dabei auf
F'(AWo)- 1 = 2,2-(4,04) ~ 1 ~ 9,45 %. []
362
Insgesamt zeigt sich also, dass das Entscheidungsproblem des Hirshleifer-Modells
grunds~itzlich aueh im Rahmen des Dean-Modells abgebildet werden kann, ob-
gleich im Dean-Modell differenzierte Zeitpr~iferenzen des Unternehmers explizit
gar nicht dargestellt werden. Vielmehr wird stets lediglich vonder Maximierung
des Endverm6gens des Unternehmers ausgegangen. Das Dean-Modell l~sst sich
ferner selbst in seiner Grundversion auch auf Entscheidungssituationen anwenden,
die nicht mit der aus dem Hirshleifer-Modell tibereinstimmen. Insbesondere ist an
den Fall zu denken, dass mehr als eine Art der Fremdfinanzierung m6glich ist,
also verschiedene Fremdfinanzierungsquellen mit unterschiedlichen (Soll-) Zins-
s~itzen und unterschiedlichen maximalen Volumina zur Verffigung stehen. Wie er-
6rtert, wtirden diese verschiedenartigen Finanzierungsprojekte einfach nach ihren
jeweiligen intemen Zinsftigen als Kapitalkostens~tzen aufsteigend gereiht werden.
fdberdies dtirfte die Argumentation fiber unternehmensbezogene Kapitalangebots-
und -nachfragekurven den meisten anschaulicher erscheinen als die Nutzenmaxi-
mierung im Rahmen des Hirshleifer-Modells. All dies k6nnte zu dem Sehluss ver-
leiten, dass das Hirshleifer-Modell nur ein Spezialfall des Dean-Modells und
Letzteres fiberdies auch noch deutlich "praxisorientierter" ist. Vielmehr muss man
in der Tat aber das Hirshleifer-Modell als fiberlegen ansehen.
Eine Anwendung des Dean-Modells setzt n~imlich voraus, dass der Unternehmer
bestimmt, welchen Bruchteil AW 0 seiner Anfangsausstattung W 0 er ftir investive
Zwecke verwenden m6chte. 15 Nur nach Kl~ung dieser Frage kann die Kapital-
angebotskurve angegeben werden. Aus der Diskussion des Hirshleifer-Modells im
Rahmen des vorhergehenden Abschnitts 1 dieses Kapitels ist bekannt, dass we-
nigstens ftir das hier betrachtete Entscheidungsproblem das Ausmal3 des gesamten
investiven Engagements eines Untemehmers unmittelbar auch seine optimale Kon-
sum-, Realinvestitions- sowie Finanzierungsentscheidung determiniert und um-
gekehrt. Insofern ist eine Anwendung des Dean-Modells nur m6glich, wenn die
optimale Verhaltensweise des Unternehmers in der Tat bereits feststeht. Das
15 Vgl. hierzu auch Schmidt/Terberger (2003), S. 175 f.
363
Dean-Modell abstrahiert also von den Interdependenzen zwischen Konsum- und
Investitionsentscheidungen, die im Hirshleifer-Modell im Vordergrund stehen. Aus
diesem Grunde stellt das Dean-Modell selbst im Rahmen einer reinen Zwei-
Zeitpunkte-Betrachtung genaugenommen einen generell unzul~issigen Part ia lan-
satz dar. Weil n~imlich die Teilentscheidung tiber den investiv zu verwendenden
und damit nicht bereits in t = 0 zu konsumierenden Betrag AW 0 im Dean-Modell
als bereits getroffen angenommen wird, bleibt natfirlich nur noch often, wie man
diesen Betrag derart einsetzen kann, dass er zum maximal m6glichen Rtickfluss
im Zeitpunkt t = 1 ffir den Unternehmer ffihrt. Nur mit diesem Ausschnit t aus
dem unternehmerischen Gesamtproblem setzt sich das Dean-Modell noch ausein-
ander. 16 Bestenfalls ist es demnach mit dem Dean-Modell in einer Zwei-Zeit-
punkte-Betrachtung m6glich, die durch AW o implizit bereits beschriebene optimale
unternehmerische Konsum-, Investitions- und Finanzierungsentscheidung partiell
zu reproduzieren.
Beispiel 2.11:
Betrachtet man etwa den Unternehmer aus Beispiel 2.1, so ist AW 0 = 5,76 GE
(n~iherungsweise) die Konsequenz eines Anfangsverm/Sgens von W 0 = 10 GE bei
c,0,3 ~o,7 wie aus Beispiel 1.8 des vorhergehen- einer Nutzenfunktion U(C0;C0 = ---o ---~ ,
den Abschnitts 1 bereits bekannt ist. Dort wurden auch schon das optimale Real-
investitionsvolumen I (m* -- 4,15 GE sowie der optimale Anlagebetrag f'tir den Ka-
pitalmarkt mit ca. 1,61 GE hergeleitet. Das optimale Konsumvolumen des Zeit-
punktes t = 0 kann im Dean-Modell wegen mangelnder Kenntnis des "tats~ich-
lichen" Anfangsverm6gens W o fibrigens nicht reproduziert werden.
Entsprechendes gilt ffir die Unternehmer aus den Beispielen 2.9 und 2.10. Die dort
16 Lediglich ffir den Fall, dass der Unternehmer in der Tat fiber eine n u t im Konsum des Zeitpunktes t = 1 definierte Nutzenfunktion verffigt, fallen der Partialansatz des Dean-Modells und das komplette Entscheidungsproblem des Unternehmers zusammen. Denn dann gilt AW 0 = W 0. In einer derartigen Situ- ation kann aber auch im Rahmen eines (Co;C1)-Diagramms im Kontext des Hirshleifer-Modells das maximale Endverm6gen leicht als Ordinatenabschnitt der einzig relevanten Darlehnsgeraden D* abgelesen werden.
364
angegebenen Werte AW 0 sind genaugenommen nur bekannt, weil das unternehme-
rische Entscheidungsproblem bereits in dem vorhergehenden Abschnitt 1 gel6st
worden ist. Beispiel 2.9 des vorliegenden Abschnitts korrespondiert dabei mit
Beispiel 1.7 des vorhergehenden Abschnitts, wo ein Unternehmer mit Anfangs-
verm6gen W 0 = 5 GE in t = 0 betrachtet wurde. Das Beispiel 2.10 schliel31ich
basiert auf Beispiel 1.9 des Abschnitts 1 dieses Kapitels. []
In Mehr-Per ioden-Betrachtungen treten sogar noch zus~itzliche Probleme auf,
wie oben schon dargelegt wurde. Hier ist selbst die Erreichung des endwertmaxi-
malen Kapitalbudgets mit Hilfe des Dean-Modells nicht mehr gewahrleistet, von
einer Berticksichtigung differenzierterer Zeitpr~iferenzen ganz zu schweigen.
Insofern k~ime das Dean-Modell nun nur noch als Heuristik in Frage, das zwar
keine optimalen, aber m6glicherweise doch "recht gute" Empfehlungen zur Er-
reichung eines hohen Endverm6gens ausspricht. Eine Untersuchung von Krusch-
witz und Fischer (1980) hat aber gezeigt, dass der Weft des Dean-Modells als
Heuristik eher als bescheiden einzustufen ist. Alles in allem erweist sich das
Dean-Modell daher nur als begrenzt hilfreich zum Treffen von Investitions- und
Finanzierungsentscheidungen auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt.
2.5 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war die Pr~isentation des Dean-Modells zur Er-
mittlung endwertmaximierender tmternehmerischer Kapitalbudgets. Das Dean-Mo-
dell beruht auf der graphischen Gegentiberstellung yon unternehmensbezogen
definierten Kapitalangebots- und -nachfragekurven. Im Rahmen der Kapitalange- botskurve kann man zu jedem Finanzierungsvolumen F den zugeh6rigen margi-
nalen Kapitalkostensatz ablesen, das heiBt die auf die letzte yon den Kapital-
gebern tiberlassene Geldeinheit (mindestens) zu erbringende Verzinsung. Die Ka-
pi ta lnachfragekurve wiederum ordnet jedem Investit ionsvolumen I die margi-
nale Rendite zu. Aus dem Schni t tpunkt von Kapitalangebots- und Kapitalnach-
fragekurve l~tsst sich das optimale Kapitalbudget ermitteln. Grunds~itzlich handelt
es sich bei dem Dean-Modell um einen Zwei-Zeitpunkte-Ansatz mit beliebig teil-
365
und unabh~r~gig voneinander durchffihrbaren Investitions- und Finanzierungspro-
jekten. Es konnte gezeigt werden, dass alle gerade genannten drei Pr~imissen
erforderlich sind, um optimale Handlungsempfehlungen auf der Grundlage des
Dean-Modells herzuleiten. Aber selbst bei Gtiltigkeit dieser Pr~imissen ist die Be-
deutung des Dean-Modells sehr stark eingeschr~inkt, da exogen der Betrag vorge-
geben werden muss, den ein Untemehmer flit investive Zwecke vorsieht. Aus dem
Hirshleifer-Modell jedoch ist bekannt, dass dieser Betrag erst feststeht, nachdem
das optimale Konsum-, Invesfifions- und Finanzierungsverhalten des betreffenden
Unternehmers bereits ermittelt worden ist. Insofern vemachl~issigt das Dean-
Modell die Interdependenzen zwischen untemehmerischen Konsum- und Investi-
tionsentscheidungen und leistet folglich bestenfalls die Reprodukfion der implizit
schon vorgegebenen opfimalen Kapitalbudgetierung aus dem Hirshleifer-Modell,
wodurch die theoretische Bedeutung des Dean-Modells quasi gegen Null geht.
366
Wiederholungsfragen
W2.1
Was versteht man im Rahmen des Dean-Modells unter der Kapitalnachfragefunk-
tion?
W2.2
Uber welche Eigenschaften verftigt die Kapitalnachfragefunktion? Unterscheiden
Sie dabei zwischen einer Situation mit unendlich vielen Investitionsprojekten mit
jeweils marginal variierender Rendite und einer Situation mit endlich vielen
Investitionsprojekten mit nicht nur marginalen Anfangsauszahlungen!
W2.3
Was versteht man im Rahmen des Dean-Modells unter der Kapitalangebotsfunk-
tion?
W2.4
Inwiefern l~isst sich zwischen einem pagatorischen und einem wertm~il3igen Kapi-
talkostensatz unterscheiden? Wie sieht in den beiden F~illen jeweils die resultie-
rende Kapitalangebotsfunktion aus?
W2.5
Wie bestimmt sich das optimale unternehmerische Kapitalbudget im Rahmen des
Dean-Modells?
W2.6
Welche Probleme k/Snnen sich im Rahmen des Dean-Modells ergeben, wenn man
von mangelnder Teilbarkeit der Investitionsprojekte ausgeht?
367
W2.7
Wie kann man versuchen, mit Hilfe der Konzeption von Differenzinvestitionen
die L6sung yon Kapitalbudgetierungsproblemen trotz gegenseitigen Ausschlusses
bestimmter Investitionsprojekte mit nur einer einzigen Graphik zu ermitteln?
W2.8
Welche Probleme ergeben sich bei der Anwendung des Dean-Modells im Rahmen
yon Mehr-Perioden-B etrachtungen?
W2.9
In welchem Verh~ilmis stehen Hirshleifer- und Dean-Modell zueinander?
W2.10
Wie ist das Dean-Modell insbesondere unter Beachtung der Antwort zu W2.9
abschliel3end zu wfirdigen?
3
368
Vollstiindige Finanzplanung und Ansiitze der Linearen Programmierung
3.1 Problemstellung
Der Ermittlung optimaler unternehmerischer Investitions- und Finanzierungspro-
gramme (Kapitalbudgets) unter Beachtung yon Kapitalmarktunvollkommenheiten
kommt zweifellos eine ganz erhebliche praktische Bedeumng zu. Die beiden bis-
lang f'dr derartige Situationen vorgestellten Entscheidungshilfen, das Hirshleifer- und das Dean-Modell, sind von ihren Anwendungsm6glichkeiten jedoch derart
begrenzt, dass hiermit kaum praktisch relevante Probleme gel6st werden k6nnen.
In der Tat hilft in vielen F~illen kaum mehr als eine explizite Enumeration aller
unternehmerischen Handlungsalternativen, also Kapitalbudgets. Die Probleml6-
sung geschieht sodann durch vollst~indige Auflistung der erreichbaren Investi-
tions- trod Finanzierungsprogramme und Vergleich ihrer jeweiligen monet~iren
Konsequenzen. Das zum Zwecke der Beschreibung der monet~iren Konsequenzen
von Kapitalbudgets einzusetzende Instrument wird als vollst~indiger Finanzplan
bezeichnet und soll im Rahmen dieses Abschnitts nSaher vorgestellt werden.
Zun~ichst wird im folgenden Abschnitt 3.2 die Grundstruktur vollst~indiger Fi-
nanzplane dargelegt, um im Absehnitt 3.3 deren Einsatz anhand eines konkreten
Beispiels zu pr~isentieren. Gleichzeitig wird dabei ein Brfickenschlag zu der Dis-
kussion von Parameterregeln des Abschnitts 3 aus Kapitel III und zur in den
Abschnitten 1 und 2 dieses Kapitels er6rterten Problematik endogener Kalku-
lationszinsffige auf unvollkommenem Kapitalmarkt erm6glicht.
Die L6sung von Entscheidungsproblemen mit Hilfe der vollst~ndigen Finanzpla-
nung ist nur m6glich, sofern eine iibersehaubare Alternativenanzahl ihre voll-
stSandige Auflistung ohne Schwierigkeiten erlaubt und sich damit die Komplexit~it
des Entscheidungsproblems als nicht zu grog erweist. Ist diese Voraussetzung
nicht gegeben, wird man auf andere Techniken der L6sungsfindung zurackgreifen
mt~ssen, die als Ansiitze der Linearen Programmierung (LP) seit den sechziger
369
Jahren bekannt sind und von ihrer Grundstruktur auf allgemein formulierten voll-
st~indigen Finanzpl~inen aufbauen. Auch diese werden im Folgenden im Rahmen
des Abschnitts 3.4 naher beschrieben, und es wird zugleich angesprochen, wieso
sich diese Ans~itze bislang in der Praxis kaum durchsetzen konnten. Die Ausf'tih-
rtmgen werden abgerundet durch eine kurze Zusammenfassung im Abschnitt 3.5.
3.2 Die Grundstruktur vollst~indiger Finanzpl~ine
3.2.1 Definition und Funktion vollst~indiger Finanzplanung
Unter einem vollst~indigen Finanzplan versteht man die systematische Erfas- sung aller mit einem bestimmten Kapitalbudget, das heiBt Investitions- und
Finanzierungsprogramm, verbundenen Zahlungsstr/3me. ~ Diese Zahlungsstr6me
werden dabei begrifflich in origin~e und derivative Zahlungen unterschieden.
Origin~ir sind solche Zahlungen, die unabh~ingig vom jeweiligen Finanzierungs-
programm sind, also vor allem die Zahlungsreihe der Realinvestitionen und die
vom betrachteten Unternehmer erwtinschten Entnahmen f'tir Konsumzwecke. De-
rivativ, das heiBt davon abgeleitet, sind alle tibrigen Zahlungen. 2
Die Konzeption vollst'~ndiger Finanzplanung geht in ihren Grundztigen minde- stens zurtick auf Heister (1962). Vgl. zur Begriffsbildung und Weiterentwick- lung der Konzeption insbesondere Grob (1984, 1989a, 1989b).
Inwiefem diese begriffiiche Differenzierung f'tir die L6sung von Entschei- dungsproblemen hilfreich sein kann, soll hier dahingestellt bleiben. Zumindest die H6he der m6glichen Entnahmen wird nattirlich auch durch die gew~Llalten FinanzierungsmaBnahmen bestimmt.
370
Die vollstandige Finanzplanung verfolgt zwei eng miteinander verbundene Zweck-
setzungen: 3
1) B eschreibungsfunktion
Ein vollst~ndiger Finanzplan dient der umfassenden Wiedergabe von allen
monet~en Konsequenzen eines Kapitalbudgets.
2) Entscheidungsuntersttitzungsfunktion
Durch Vergleich der mit verschiedenen Kapitalbudgets verbundenen vollst~indigen
Finanzpl~ine k6nnen unmittelbar Entseheidungen getroffen werden. Als Anwen-
dungsbereich ftir vollst~indige Finanzpl~ine bieten sich dementsprechend (ver-
gleichsweise einfache 4) Entscheidungssituationen bei unvollkommenem Kapital-
markt und damit bestehenden Interdependenzen zwischen untemehmerischen Kon-
sum-, Investitions- und Finanziemngsentscheidungen an.
Ein formalisierter vollst~indiger Finanzplan kann des Weiteren als Grundlage ftir
Ans~itze Linearer Programmierung dienen.
Vgl. hierzu etwa Grob (1989a), S. 3 f.
Im Abschnitt 3.3 wird anhand eines Zahlenbeispiels der Aufwand im Rahmen der Ltisung yon Kapitalbudgetiemngsproblemen mittels Gegentiberstellung der vollst~indigen Finanzplane verschiedener Handlungsalternativen verdeutlicht werden. Der Leser wird ohne weiteres erkennen, dass bei allzu vielen Handlungsm6glichkeiten eine derart "manuelle" Probleml6sung nieht mehr in Frage kommt.
371
3.2.2 Elemente eines vollstiindigen Finanzplans
Vollstiindige Finanzplane sind als Tabellen aufgebaut, 5 in deren Spalten die
einzelnen Zahlungszeitpunkte t = 0 ..... T abgetragen sind. In den Zeilen finden
sich die Zaldungsreihen, allen voran die Einzahlungsiibersehiisse aus dem je-
weils angenommenen Investitionsprogramm. AnschlieBend folgt eine Zeile mit
m6glichen Einlagen des Unternehmers oder seinen Entnahmen ftir Konsum-
zwecke, wobei Entnahmen einfach als negative Einlagen gedeutet werden k6imen.
Weil unternehmerische Einlagen einen Mittelzufluss auf der Untemehrnensebene
bedeuten, werden sie im Rahmen der Finanzplanung positiv erfasst, Enmahmen
als Mittelabfluss entsprechend negativ.
Sodann werden die Zahlungsreihen verschiedener Kredite g e m ~ den an den Un-
ternehmer ausgezahlten oder von diesem zurtickgeleisteten Betriigen (ohne Zins-
zahlungen) wiedergegeben. Aufgenommene Betriige fliel3en der Untemehmung zu
trod werden daher mit einem positiven Vorzeichen versehen. Kredittilgungen
lassen sich entsprechend als negative Kreditaufnahmen interpretieren.
Das Pendant zu Kreditaufnahmen und -tilgungen bilden untemehmerische Mittel-
anlagen am Kapitalmarkt oder deren Aufliisung, wieder ohne Beriicksichdgung
von Zinszahlungen. Mittelanlagen stellen liquide Abfltisse dar und werden des-
halb mit einem negativen Vorzeichen deklariert, die Aufl6sung von Mittelanlagen
ftihrt entsprechend zu Zufltissen.
Soil- und Habenzinsen verschiedener Kredite und Mittelanlagen werden separat
in verschiedenen Zeilen ausgewiesen, Sollzinsen als Abfltisse mit negativem,
Habenzinsen als Zufliisse mit positivem Vorzeichen.
5 Vgl. exemplarisch Tabelle 3.1.
372
Weitere Zeilen k6nnen bei Bedarf zur Erfassung zus~itzlicher Zahlungen, etwa
Steuerzahlungen 6, eingeftigt werden. In jedem Fall werden alle Ein- und Aus-
zahlungen eines beliebigen Zeitpunktes t i m Rahmen eines Finanzplans erfasst,
weswegen deren Summe sich stets auf Null belaufen muss: W~e die Summe al-
ler Ein- und Auszahlungen negativ, k6nnte der betreffende Untemehmer seine er-
wtinschten Auszahlungen nicht erbringen, w~ire sie positiv, stellte sich die Frage,
wie der Unternehmer mit dem tiberschtissigen Betrag verfahren sollte: Wird die-
ser entnommen oder angelegt? Immer k6nnen die aus diesen zus~itzlichen Mag-
nahmen resultierenden Zahlungskonsequenzen ebenfalls ad~iquat im Rahmen des
Finanzplans erfasst werden. Die Summe aller Ein- und Auszahlungen eines Zeit-
punktes t wird als "Finanzierungssaldo" bezeichnet und als Prtifgr613e ebenfalls
im Rahmen des Finanzplans ausgewiesen.
Alle bislang behandelten Gr6Ben sind Stromgriiflen, die zu- oder abfliel3ende
Zahlungen bezeichnen. Oberdies werden im Rahmen eines Finanzplans (gegebe-
nenfalls leicht abgesetzt) zwei weitere Kategorien erfasst, bei denen es sich um
BestandsgriiBen in einem Zeitpunkt handelt, n~imlich der Kreditstand sowie der
Guthabenstand eines Zeitpunktes t, beides m6glicherweise aufgeschltisselt nach
verschiedenen Kredit- oder Anlagearten. Diese Bestandsgr6Ben erftillen eine Hilfs-
funktion zur Ermittlung der Zahlungsstr6me der einzelnen Zeitpunkte, beispiels-
weise im Zusammenhang mit der Bestimmung yon Haben- oder Sollzinszah-
lungen. Dartiber hinaus ist es auch denkbar, dass sich weitere Nebenrechnungen
als n6tig erweisen, etwa im Zusammenhang mit der Berechnung von Steuerzah-
lungen. 7
6 Vgl. hierzu auch den nachfolgenden Abschnitt 4.
7 Auch hierauf wird im anschliel3enden Abschnitt 4 eingegangen.
Zeitpunkt t
Investitionszahlungen z t
+ Einlage
+ Kreditaufnahme
Mittelanlage
Sollzinsen
+ Habenzinsen
Steuerzahlungen
= Finanzierungssaldo
Kreditstand
Guthabenstand
373
t = 0 ]
01
t = l ... t = T
0 0 0
Tabelle 3.1: Struktur eines vollst~indigen Finanzplans
3.2.3 Miigliche Zielsetzungen im Rahmen vollst/indiger Finanzplanung
Schlieglich ist ftir einen Vergleich der verschiedenen m6glichen vollst~indigen
Finanzplane noch zu kl~en, welche Zielfunktion vom Unternehmer zugrunde ge-
legt wird. Konkret ist hierbei die unternehmerische Nutzenfunktion zu spezifi-
zieren. Damit Entscheidungsprobleme mit Hilfe vollst~indiger FinanzplS~ne 16sbar
bleiben, daft die unternehmerische Nutzenfunktion dabei nicht allzu komplizierte
Formen annehmen. In der Tat werden in der Regel im Zusammenhang mit voll-
st~indiger Finanzplanung nur vier verschiedene Zielfunktionen diskutiert: 8
8 Vgl. hierzu Grob (1989a), S. 6 ft.
374
1) Endwertmaximierung
Unterstelltes Ziel des Unternehmers ist es hierbei, ein maximales Endvermiigen
des Zeitpunktes t = T aus seinem Investitions- und Finanzierungsprogramm zu re-
alisieren. Die unternehmerische Nutzenfunktion ist folglich vonder Form U(Cv):
Konsmn zu anderen Zeitpunkten als in t = T stiftet annahmegem~il3 keinen
Nutzen.
Diese Zielsetzung kann noch insofern modifiziert werden, als ftir die Zeitpunkte
t = 0 bis t = T-1 exogen fixierte, gegebenenfalls von Null verschiedene Konsum-
niveaus vorgegeben werden. Wenngleich dies eine Verallgemeinerung zur "unres-
tringierten" Endwertmaximierung darstellt, wird eine nutzentheoretische Fundie-
rung dieses modifizierten Ansatzes problematisch sein. Anders formuliert, drirf-
ten Nutzenfunktionen, bei denen unabh~ingig vom konkret gewS_hlten Investitions-
programm und den m6glichen Finanzierungsprojekten ein bestimmter (von Null
verschiedener) Konsumstrom C O ..... CT_~ angestrebt wird, vergleichsweise unplau-
sibel sein. 9
2) Anfangswertmaximierung
Das Gegensttick zur Endwertmaximierung besteht in der Vorgabe einer Nutzen-
funktion U(C0), gem~il3 der der Unternehmer lediglich an Konsum im Zeitpunkt
t - 0 interessiert ist. Wieder kann diese Zielsetzung insofern modifiziert werden,
als (erneut ohne nutzentheoretischen Hintergrund) f'tir die Zeitpunkte t = 1 bis t
= T exogen Konsumniveaus als Restriktion vorgegeben werden.
NattMich ist auch die Vorstellung einer Nutzenfunktion U(CT) schon insofern wenig realitiitsnah, als hierbei yon Konsumbedtirfnissen in anderen Zeitpunk- ten v611ig abgesehen wird. Gerade Derartiges ist aber fast eine zwingende Begleiterscheinung aus der Annahme vereinfachter unternehmerischer Ziel- funktionen.
375
3) Entnahmemaximierung
Zielsetzung ist es ftir den Unternehmer hier, seine laufende, als konstant ange-
nommene E n t n a h m e in den Zeitpunkten t = 1 bis t = T zu maximieren. Wenn-
gleich ein derartiger Ansatz auf den ersten Blick plausibler als reine End- oder
Anfangswertmaximierung erscheint, l~isst er sich nutzentheoret isch doch k a u m
rechtfertigen. Zur Erklarung sei angenommen, dass der Unternehmer tiber eine
Nutzenftmktion der Form U(C1;...;Cv) = u(C1)+...+u(C0 mit degressiv steigendem
Verlauf von u(-) verftigt. Selbst bei derart "homogen" wirkenden ZeitprS_ferenzen
wird es sich kaum als optimal erweisen, C1 = ... = CT zu wLlalen. Beispielsweise
mtissen in diesem Zusammenhang auf einem vollkommenen Kapitalmarkt mit T
= 2 optimale positive Konsumwerte C~ und C2 so beschaffen sein, dass
IdCJdC, I = l+i und damit u'(C~)/u'(C;) = l+i gilt, ~~ was augenscheinlich ftir
i ~ 0 % nur durch C~ ~ C; erftillt werden kann. Aufgrund derartiger Probleme ist
tiberhaupt nicht abzusehen, wie eine nutzentheoretische Begrtindung fiir das Ziel
der Entnahmemaximierung aussehen k6nnte.
Dass tiberdies nur die Zeitpunkte t = 1 bis t = T ohne t = 0 zugrunde gelegt
werden, mag damit zusammenh~ingen, dass man eine gewisse Analogie zur Be-
trachtung im Zusammenhang mit iiquivalenten Annuitiiten bei kapitalwertorien-
tierten Entscheidungen gewShrleisten will. 11 Aber selbstverst~indlich kfnnte man
ohne weiteres die Entnahmemaximierung unter Einschluss des Zeitpunktes t = 0
neu definieren. Altemativ wRre die Vorgabe eines exogenen Konsunmiveaus f'tir
t = 0 denkbar, was eine nutzentheoretische Fundierung der unternehmerischen
Zielfunktion allerdings sicherlich nicht erleichtern wtirde.
10
t l
IdCJdCll ist hierbei als die Grenzrate der Substitution zwischen Konsum C2 in t = 2 und Konsum C 1 in t = 1 definiert. Vgl. zur Definition der Grenz- rate der Substitution die Ausfiihrungen im Kapitel II dieses Buches.
Der Leser sei an die zugehOrigen Ausftihrungen des Abschnitts 2 des Kapitels III dieses Buchs erinnert.
376
4) Renditemaximierung
Sofern der Untemehmer eine positive Einlage EK 12 in t = 0 tiitigt, kann man
ohne weiteres die auf den Betrag EK yon t = 0 bis t = T erzielbare Rendi te je
Periode berechnen. Diese ist niimlich nichts anderes als der interne Zinsfug v~ EK)
einer Zahlungsreihe, die in t = 0 aus einer Auszahlung in H6he yon EK und in t
= T aus einer Einzahlung in HOhe des dann f'dr den Unternehmer verffigbaren
Endwertes EW besteht:
EW ! - E K + - - 0
(1 +v~I':)) T
V~ EK) EW = _ - ~ - - 1 ,
(3.1)
was nattirlich gerade der aus Abschnitt 5 des Kapitels III bekannten Formel ftir
die Effektivrendite eines Zero Bond mit Laufzeit yon t = 0 his t = T ent-
spricht. 13
Far fest vorgegebene positive Einlage resultiert aus der zweiten Zeile von (3.1)
unmittelbar, dass eine Maximierung yon v~ EK~ stets einhergeht mit einer Maximie-
rung yon EW. Eine in diesem Sinne definierte Renditemaximierung ist damit ffir
fixierte Einlage EK stets ~iquivalent zur Endwertmaximierung und braucht des-
wegen als eigenstRndige Zielsetzung nicht weiter beachtet zu werden. 14
12
13
14
"EK" steht hierbei ffir "Eigenkapital".
Deswegen ist auch die Wahl des Symbols V(T EK) hier gerechtfertigt.
Sofern man die Einlage EK nicht vorgibt, ist die gerade angesprochene Aqui- valenz nattirlich n i c h t mehr gegeben. Aus der Diskussion der Probleme bei mi t te lbaren Parametervergle iehen sollte aber klar sein, dass bei endogenem
. (EK) merkwtirdige Ergebnisse (beispiels- Wert ffir EK die Maximierung yon Vr weise ein Investitionsvolumen von quasi Null mit gleichwohl sehr hoher
377
Aus der Fisher-Separation folgt unmittelbar, dass die Vorgabe der konkreten
Zeitpr~iferenzen eines Unternehmers bei vollkommenem Kapitalmarkt keinerlei
Bedeutung ftir die unternehmerische Investitionsentscheidung besitzt. Aus diesem
Grunde f'tihren alle oben genannten Zielfunktionen bei vollkommenem Kapital-
markt auch zum selben optimalen Investitionsprogramm. Lediglich die Finanzie-
rungsmal3nahmen werden sich unterscheiden, erweisen sich abet insofern als trivi-
al, als bei Endwertmaximierung alle frei verftigbaren Mittel bis t = T angelegt
werden, w~hrend bei Anfangswertmaximierung die maximal m6gliche Kreditauf-
nahme in t = 0 realisiert wird und bei Entnahmemaximierung Finanzierungsmal3-
nahmen zur Realisation des gleichbleibenden unternehmerischen Einkommens-
stroms zu w~ihlen sind, wobei sich dieser als ~iquivalente Annuit~it zum Kapital-
wert des angestrebten Investitionsprogramms einfach berechnen l~isst.
Auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt ftihren die genannten Zielfunktionen
jedoch nicht zwingend zum gleichen Investitionsprogramm. Erst recht werden
sich die gew~ihlten Kapitalmarkttransaktionen unterscheiden. Oberdies sind Letz-
tere auch nicht mehr so leicht wie ftir den vollkommenen Kapitalmarkt zu ermit-
teln, da gegebenenfalls eine Auswahl zwischen verschiedenen Finanzierungsfor-
men besteht, die beispielsweise trotz gleicher Fristigkeit sehr unterschiedliche
Zahlungskonsequenzen bedingen. Man spricht hier anch yon der Konditionenviel-
falt bei unvollkommenem Kapitalmarkt. Vor allem in diesem Kontext kommt der
im Rahmen der vollst~hadigen Finanzplanung zugrunde gelegten Zielsetzung eine
ganz besondere Bedeutung zu. Am einfachsten l~isst sich dabei das Ziel der End-
wertmaximierung verfolgen, da hierzu lediglich die Anlage der jeweils in einem
Zeitpunkt t noch vorhandenen tiberschtissigen Mittel bis zum Planungsende in T
berticksichtigt werden muss. Alle anderen Zielgr6f3en erfordern zus~itzlichen Be-
rechnungsaufwand und werden typischerweise auf der Grundlage der ftir end-
wertmaximierendes Verhalten resultierenden FinanzplS~ne ermittelt.
Grenz- und Durchschnittsrendite) zeitigen kann. Deshalb bieten sich derlei Be- trachtungen nicht an.
378
3.3 Ein Zahlenbeispiel
Am einfachsten l~isst sich die Kapitalbudgetierung auf der Grundlage vollstLndi-
ger Finanzplanung anhand eines Zahlenbeispiels veranschaulichen. 15
Beispiel 3.1: Ein mittelloser Unternehmer beabsichtige im Rahmen einer Zwei-Perioden-Be-
trachtung (t = 0, 1, 2) die Durchfiihamg eines Investitionsprojekts. Die erfor-
derliche Anfangsauszahlung in t = 0 belaufe sich auf 4.500 GE. In t = 1 rechnet
der Untemehmer mit Einzahlungstiberschtissen in H6he yon 2.400 GE, in t = 2
sogar mit Einzahlungstiberschtissen in H6he von 4.000 GE. Zur Finanzierung der
Anfangsauszahlung steht dem Untemehmer ein Kontokor ren tk red i t zur Verfti-
gung, der zu 15 % je Periode zu verzinsen ist und der flexibel in t = 0 und t = 1
aufgenommen sowie in t = 1 und t = 2 jeweils teilweise oder ganz zurtickgezahlt
werden kann. Nattirlich ist der Kredit dabei bis zum Ende des Planungshorizonts
in t = 2 komplett zurtickzuftihren. Etwaige tiberschtissige Mittel k6nne der
Unternehmer in den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 jeweils ftir eine Periode anlegen,
wobei sich der Habenzinssatz f'tir Betr~ige bis 1.000 GE jeweils auf 9 % belaufe.
Der Teil des gesamten Anlagebetrags, der tiber 1.000 GE hinausgeht, verzinse
sich in jeder Anlageperiode sogar zu 11%. Die Zielsetzung des Unternehmers
bestehe in der Maximierung seines Endverm6gens zum Zeitpunkt t = 2.
Auf der Grundlage dieser Prarnissen ergibt sich der in Tabelle 3.2 dargestellte
vollst~indige Finanzplan. Der Ubersichtlichkeit halber sind Eintr~ige von 0 GE
grunds~itzlich durch "- . . . . " gekennzeichnet. Lediglich die den Finanziertmgssaldo
aufweisende Zeile wird wegen ihrer prominenten Bedeumng durch explizit ausge-
schriebene Nullen gekennzeichnet.
15 Die folgenden Ausftihrungen kntipfen an Breuer (1995b) an.
379
Zeitpunkt t t = 0 t = l t = 2
Investitionszahlungen z t -4.500 2.400 4.000
+ Einlage -808,75
+ Kreditaufnahme 4.500 -1.725 -2.775
Mittelanlage zu 9 %
Mittelanlage zu 11%
Sollzinsen 675 416,25
+ Habenzinsen (9 %)
+ Habenzinsen (11%)
= Finanzierungssaldo 0 0 0
Kreditstand 4.500 2.775
Guthabenstand (9 %)
Guthabenstand (11%)
Tabelle 3.2: Vollst~ndiger Finanzplan bei Investitionsfinanzierung mittels Kon-
tokorrentkredit
Natfirlich wird der Unternehmer wegen des fiber den m6glichen Habenzinss~itzen
liegenden Sollzinssatzes in t = 0 den Kontokorrentkredit nicht st~irker in An-
spruch nehmen als zur Durchffihrung des Investitionsprojekts erforderlich ist.
Derartige triviale Teilentseheidungen k6nnen unmittelbar bei der Erstellung
eines Finanzplans gef~illt werden und erfordern nicht die Aufstellung weiterer Fi-
nanzpl~ine.
Die Kreditaufnahme in H6he von 4.500 GE in t = 0 bedingt einen ebensolchen
Kreditstand in diesem Zeitpunkt. Daraus ergeben sich f'tir t = 1 Zinszahlungsver-
380
pflichtungen von 4.500-0,15 = 675 GE. Der in t = 1 verbleibende Betrag von
2.400-675 = 1.725 GE aus dem Einzahlungstiberschuss des Investitionsprojekts
k6nnte vom Unternehmer zur partiellen Rtickzahlung des Kontokorrentkredits
oder abet zur Mittelanlage bis t = 2 verwandt werden. Erneut ist es wegen der
H6he des zu leistenden Sollzinssatzes unter dem Aspekt der Endwertmaximierung
eindeutig besser, mit den verbleibenden Einzahlungen den Kontokorrentkredit
teilweise zurtickzuf'tihren. Es kommt somit zu einer Kredittilgung in H6he von
1.725 GE, die in Tabelle 3.2 als negative Kreditaufnahme des Zeitpunktes t = 1
ausgewiesen ist. Hieraus resultiert ein Restkredit yon t = 1 his t = 2 in H6he yon
4.500-1.725 = 2.775 GE, der als Kreditstand in t = 1 wiedergegeben wird. Aus
diesem Restkreditbetrag ergibt sich ftir t = 2 eine weitere Sollzinszahlung yon
2.775~),15 = 416,25 GE. Zus~itzlich ist der Restkreditbetrag von 2.775 GE zu-
rtickzuzahlen ("negative" Kreditaufnahme in dieser H6he), so dass von dem Ein-
zahlungstiberschuss in H6he yon 4.000 GE aus dem Investitionsprojekt im Zeit-
punkt t = 2 noch 4.000-2.775-416,25 = 808,75 GE verbleiben, die als Entnahme
(das heil3t negative Einlage) im Zeitpunkt t = 2 erfasst werden. Genau dies ist das
ftir den Unternehmer bei Finanzierung des Investitionsprojekts tiber den Kontokor-
rentkredit maximal ftir Konsumzwecke zur Verftigung stehende, erreichbare End-
verm6gen des Zeitpunktes t = 2o
Fragt man start nach dem maximalen Endverm6gen bei Nutzung des Kontokor-
rentkredits nach dem maximalen zugeh6rigen Anfangsverm6gen und beschr~tnkt
man die Darstellung weiterhin auf reine Kontokorrentkreditfinanzierung, so f~illt
die Antwort nicht schwer. Der betrachtete Unternehmer kann aus dem maximalen
Endverm6gen yon 808,75 GE im Zeitpunkt t = 2 aus Sicht von t = 0 eine
zus~itzliche Kreditaufnahme von 808,75/1,152 = 611,53 GE finanzieren. Genau
dies bezeichnet deswegen den maximal erreichbaren Konsum des Zeitpunktes t
= 0 bei alleiniger Betrachtung des Kontokorrentkredits als Finanzierungsm6g-
lichkeit.
Der Finanzplan h~itte im Ubrigen al ternativ auch derart gestaltet werden k6nnen,
dass man in allen Zellen des Finanzplans Zufliisse zum Unternehmen mit einem
381
positiven Vorzeichen versieht und alle Abfltisse durch ein negatives Vorzeichen
kennzeichnet, also etwa in die Sollzinszeile "-675" und "-416,25" eintdigt. Im
obigen Finanzplan hingegen erh~ilt man die "korrekten" Vorzeichen der einzelnen
Zahlungsgr6gen erst dann, wenn man zus~itzlich zu den Vorzeichen der Zellenein-
tr~ige die Vorzeichen aus der jeweils zugeh6rigen ersten Spalte des Finanzplans
berticksichtigt, also beispielsweise zusatzlich zu den positiven Vorzeichen der
Sollzinszahlungen "675" und "416,25" das negative Vorzeichen vor "Sollzinsen"
in der ersten Spalte beachtet. []
Durch Erstellung vollst~indiger Finanzpl~ine ftir alle relevanten Kapitalbudgets ist
sodann eine Entscheidung auf der Grundlage der formulierten Zielsetzung m6g-
lich.
Beispiel 3.2:
Betrachtet sei erneut der Unternehmer aus dem Beispiel 3.1. Als alternative Fi-
nanzierungsm6glichkeit zur Nutzung eines Kontokorrentkredits ftir sein Investi-
tionsprojekt sei nun die Aufnahme eines Festkredits zu einem Nominalzinssatz
von 8 % in Erw~igung gezogen, der mit einem Disagio von 10 % in t = 0 ausge-
zahlt wird und in t = 2 zum Nelmwert zurtickzuzahlen ist. Zinszahlungen sind in
t = 1 und t = 2 zu leisten. Zus~itzliche Inanspruchnahme oder Tilgung in t = 1 sei
nicht m6glich.
Der Nennwert 16 eines Kredits ist generell Grundlage der Zinsberechnung und
entspricht in aller Regel - so wie hier - dem Rtickzahlungsbetrag. Es w ~ e abet
auch denkbar, dass sich der Rtickzahlungsbetrag durch die Berticksichtigung von
Agios, das heil3t Zuschl~igen, oder Disagios, das heigt Abschl~igen, vom Kredit-
nennbetrag unterscheidet. Hier tritt eine derartige Abweichung nur ftir den Aus-
zahlungsbetrag auf. Dieser liegt n~nlich infolge des angegebenen Disagios genau
um diesen Abschlag von 10 % unterhalb des Rtickzahlungsbetrags. Bei einem
16 Auf den Begriff "Nennwert" oder "Nennbetrag" wurde bereits im Abschnitt 5 des vorhergehenden Kapitels eingegangen.
382
Rtickzahlungsbetrag in H6he von K in t = 2 erh~ilt der Unternehmer demnach in
t -- 0 nut Mittel in H6he von 0,9-K. Um die Anfangsauszahlung des Investitions-
projekts von 4.500 GE in t -- 0 aus dem aufgenommenen Kredit erbringen zu
k6nnen, muss denmach 0,9"K = 4.500 r K = 5.000 GE gelten. Die Zinszahlun-
gen ftir t = 1 und t = 2 bestimmen sich generell als Produkt yon Nennbetrag und
Nominalzinssatz ~7 und sind daher hier nicht auf der Grundlage des Auszah-
lungsbetrags von 4.500 GE, sondem auf der Grundlage des Rtickzahlungsbetrags
yon 5.000 GE zu berechnen. Sie belaufen sich demach in t = 1 und t = 2 auf je-
weils 0,08-5.000 = 400 GE. Insgesamt gelangt man zur folgenden Zahlungsreihe
f'tir den zur Projektfinanzierung erforderlichen Festkredit:
t = O t = l t = 2
4.500 -400 -5.400
Tabelle 3.3: Zahlungsreihe des Festkredits
Aus 6konomischer Sicht zahlt der Unternehmer demnach auf einen Kreditauf-
nahmebetrag von 4.500 GE in t = 0 im Zeitpunkt t -- 1 einen Betrag von 400 GE,
also 400/4.500 -~ 8,89 %, und im Zeitpunkt t = 2 einen Betrag von 900 GE, also
20 %, Zinsen] 8 Im einfachen artihmetischen Mittel sind dies etwa 14,44 %
Zinsen auf 4.500 GE Mitteltiberlassung, und in dieser Gr613enordnung bewegt
17
18
Es wurde schon darauf hingewiesen, dass man unter "Nominalzinssatz" auch den Gegenbegriff zu "Realzinssatz" verstehen kann. Vgl. hierzu vor allem den Abschnitt 6 des vorhergehenden Kapitels. Dies ist hier nattirlich nicht ge- meint.
Natttrlich ist dies nur eine denkbare Interpretation der Zahlungsreihe aus Tabelle 3.3, die unter der impliziten Pr~imisse steht, dass die Zahlungen des Zeitpunktes t = 1 nur als Zinsen, nicht aber als partielle Kreditrt~ckzahlung zu deuten sind. Schon wegen dieser Willkiirlichkeit ist die nachfolgende Be- rechnung einer "Durchschnittsverzinsung" sicherlich nicht als Grundlage un- ternehmerischer Entscheidungen geeignet, sondem dient lediglich in gewissen Grenzen zu Veranschaulichungen.
383
sich auch der zum Festkredit gehtirige (tiber -100 % hinausgehende) interne
ZinsfuB, also die Effektivrendite, dieses Kredits:
4 ~ 5 . 4 ~ ! 4 . 5 ~ - 0
l+i t (l+i f (3.2)
~, ik, t ~- 14,08 %.
Der Kontokorrentkredit hingegen hat augenscheinlich einen internen Zinsfug von
15 %, unabhangig davon, in welchen Ausmagen K 0 bzw. K1 er vom Unternehmer
in t = 0 bis t = 1 bzw. in t = 1 bis t = 2 in Anspruch genommen wird.
1 ,15.K o K~ 1,15.K 1 ! K o - - ~ - - - 0
1 +ikrit 1 +itrit (1 +ikrit) 2 (3.3)
,= . i~ t = 15 %.
Der Unternehmer kann in t = 0 einen Kontokorrentkredit in grunds~itzlich belie-
biger H6he K 0 aufnehmen, der zu Zahlungsverpfl ichtungen f'tir t = 1 von 1,15-K 0
f'tihrt. Letztere wiederum kann der Untemehmer vollstS.ndig in t = 1 erftillen oder
aber einen neuen Kontokorrentkredit im Umfang K 1 > 0 von t = 1 bis t = 2 auf-
nehmen. Mit K 1 = 1,15.K 0 etwa wtirde der Unternehmer in t = 1 gar keine Zah-
lungen an den Kreditgeber leisten und stattdessen Verbindlichkeiten in H6he von
1,15-K 1 = 1,152.K0 erst in t = 2 erbringen. Entsprechend wtirde K~ = K 0 bedeu-
ten, dass der Unternehmer in t = 1 nur die Sollzinszahlungen effektiv erbringt.
Wie auch immer K 0 und K 1 ausgestaltet sind, der resultierende (relevante) interne
ZinsfuB ist jedenfalls ikrit = 15 %, sofern man sich auf die Betrachtung von Kal-
kulationszinsftiBen oberhalb von -100 % beschr~inkt. Man prtift die Richtigkeit
dieser Behauptung leicht durch Einsetzen von i = 15 % in die erste Zeile yon
(3.3) unter Beachtung des Umstands, dass die Zahlungsreihe f'tir Kontokorrentkre-
dite eine Normalfinanzierung ist.
Bekanntermagen werden die internen ZinsftiBe oder Effektivrenditen von Finan-
384
zierungsprojekten auch als Kapitalkostens~itze bezeichnet. Weil es sich hier um
Fremdfinanzierung handelt, spricht man genauer von Fremdkapitalkostens~itzen.
Unter dem Aspekt der Minimierung des Fremdkapitalkostensatzes wMe daher
der Festkredit als Finanzierungsalternative ftir das besagte Investitionsprojekt zu
w~ihlen. Aus den Diskussionen zum mittelbaren Parametervergleich des Ab-
schnitts 3 aus Kapitel III sowie aus dem vorhergehenden Abschnitt dieses Kapi-
tels zur Projektreihung nach internen Zinsfiigen ist aber schon gel~iufig, dass ein
derartiges Vorgehen generell zu Fehlentseheidungen ffihren kann . 19 Stattdessen
ist auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt eine Auswahl zwischen den beiden
Handlungsalternativen mittels vollstfindiger Finanzplanung m6glich. Dabei gelangt
man im Falle der Festkreditfinanzierung nur zu einem untemehmerischen End-
vermOgen von 800 GE, wie TabeUe 3.4 belegt.
In t = 0 nimmt der Unternehmer dabei den Kredit tiber 5.000 GE mit Auszah-
lungsbetrag 4.500 GE zur Finanzierung der Anfangsauszahlung des Investitions-
projekts auf. Deshalb kommt es in t = 0 zu einem positiven Eintrag in H6he von
4.500 GE in der Zeile "Kreditaufnahme" und einem solchen in H6he yon 5.000
GE in der Zeile "Kreditstand".
In t = 1 erzielt der Unternehmer aus der Projektdurchffihrung Einzahlungen in
HOhe von 2.400 GE. Einen Betrag yon 400 GE muss er an Zinsen auf den Kredit
zahlen (positiver Eintrag bei "Sollzinsen"). Demzufolge kann er 2.000 GE anle-
gen (positive Eintr~ige bei "Mittelanlage zu 9 %" und "Mittelanlage zu 11%"):
Ftir die ersten 1.000 GE erh~ilt er 9 % Zinsen (90 GE in t = 2), ftir die zweiten
1.000 GE sogar 11% (110 GE in t = 2). Entsprechend betr~igt sein Guthaben in
t = 1 insgesamt 2.000 GE (positive Eintr~ige bei "Guthabenstand (9 %)" und
"Guthabenstand (11%)").
~9 Vgl. zur Zielsetztmg der Kapitalkostenminimierung im Allgemeinen auch die Darstellung in Breuer (1998a), S. 48 ft., sowie Breuer (1998b).
385
Zeitpunkt t t = 0
Investitionszahlungen z t -4.500
t = l
2.400
+ Einlage
+ Kreditaufnahme 4.500
- Mittelanlage zu 9 % 1.000
- Mittelanlage zu 11% 1.000
- Sollzinsen 400
+ Habenzinsen (9 %)
+ Habenzinsen (11%)
= Finanzierungssaldo 0 0
Kreditstand 5.000 5.000
Guthabenstand (9 %) 1.000
Guthabenstand (11%)
t = 2
1.000
Tabelle3.4:
4.000
-800
-5.000
- 1.000
-1.000
400
90
110
0
Vollst~indiger Finanzplan bei Investitionsfinanzierung mittels Fest-
kredit
In t = 2 hat der Untemehmer 5.400 GE an Zinsen und Tilgung zu leisten. Daher
werden 5.000 GE mit negativem Vorzeichen in der Zeile "Kreditaufnahme" aus-
gewiesen und 400 GE mit positivem Vorzeichen in der Zeile "Sollzinsen". Ande-
rerseits erzielt der Unternehmer Einzahlungen in H6he yon 4.000 GE aus dem In-
vestitionsprojekt und in H6he yon 200 GE aus seinen Geldanlagen der Vorperio-
de (positive Eintr~ige bei "Habenzinsen (9 %)" und "Habenzinsen (11%)") .
Folglich muss er noch 5.400-4.000-200 = 1.200 GE seiner Anlagen der Vorperio-
de liquidieren, um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die restlichen
800 GE aus seinen Mittelanlagen werden ebenfalls liquidiert (also insgesamt ne-
386
gative Eintr~ige bei "Mittelanlage zu 9 %" und "Mittelanlage zu 11%" von je
1.000 GE), um sie als Entnahme zu konsumieren (negativer Eintrag von 800 GE
bei "Einlage" in t = 2).
~lberraschenderweise erweist sich damit hier doch die Kontokorrentkreditfinan-
zierung unter dem Aspekt der Endwertmaximierung gegenfiber einer Festkreditfi-
nanzierung als fiberlegen. Eine vollst~indige Finanzplanung kann Untemehmer da-
mit vor Fehlentscheidungen bewahren, die sich auf der Grundlage von "I-Ieuristi-
ken" wie der (Fremd-) Kapitalkostenminimierung erg~iben.
Die Vorteilhaftigkeit des Kontokorrentkredits trotz h6heren Kapitalkostensatzes
und gleicher unternehmerischer Krediteinzahlung in t --- 0 wird natfirlich durch
dessen flexible Tilgungsmiigliehkeiten begrfindet. W~ihrend der Untemehmer bei
Festkreditfinanzierung yon t = 1 bis t = 2 vergleichsweise unattraktive Mittelanla-
gen t~itigen muss, kann der Kontokorrentkredit wenigstens teilweise bereits in t =
1 zurfickgeffihrt werden. Zwar stimmt es, dass beim Kontokorrentkredit der je-
weils noch ausstehende Kreditbetrag mit 15 % zu verzinsen ist, w~ihrend beim
Festkredit nur eine durchschnittliche Periodenverzinsung von ungef~ar 14,08 %
der erhaltenen Mittel zu leisten ist, doch ist die Basis der Zinsbereehnung,
n~imlich die H6he der noch nicht zurfickgezahlten Mittel, beim Kontokorrentkredit
bereits in t = 1 drastisch auf 2.775 GE reduzierbar. Beim Festkredit hingegen
kann die Situation des Zeitpunktes t = 1 derart interpretiert werden, dass sich der
Untemehmer einer Restschuld von 2~ etwa 4.733,6 GE gegenfibersieht, die bis t
= 2 mit ca. 14,08 % zu verzinsen ist und dann zu einer Rfickzahlungsverpflich-
tung inclusive Zinsen von 5.400 GE ffihrt. Hierbei ist es nun generell besser, 15
% Zinsen auf einen sehr kleinen Kreditbetrag zu zahlen, als 14,08 % auf einen
20 Auf diesen Betrag kommt man, indem man f '~ die Mittelfiberlassung von 4.500 GE in t = 0 eine Verzinsung yon etwa 14,08 % bis t -- 1 zugrunde legt und die in t = 1 tats~ichlich erfolgende Zahlung von 400 GE an den Kre- ditgeber in Abzug bringt. Weil 400 GE weniger sind als 4.500-0,1408 -- 633,6 GE, steigt die Restschuld des Unternehmers zum Zeitpunkt t = 1 sogar fiber 4.500 GE an.
387
deutlich gr613eren, selbst wenn man im zweiten Fall die zus~itzlich erm6glichten
Mittelanlagen berficksichtigt.
W ~ e der Kontokorrentkredit aueh erst in t = 2 rtickzahlbar, das heil3t, k6nnten
in t = 1 nur die Zinsen auf den Kontokorrentkredit geleistet werden, dann erwiese
sich dieser in der Tat als schlechter als der Festkredit. Dieser Umstand kann aus
Tabelle 3.5 gemN3 der dort ftir das gerade angesprochene Szenario bestimmten
maximalen Enmahme des Zeitpunktes t = 2 in H6he von 719,75 GE abgelesen
werden.
Zeitpunkt t t = 0 t = l t = 2
Investitionszahlungen z t -4.500 2.400 4.000
+ Einlage -719,75
+ Kreditaufnahme 4.500 -4.500
- Mittelanlage zu 9 % 1.000 -1.000
- Mittelanlage zu 11% 725 -725
- Sollzinsen 675 675
+ Habenzinsen (9 %) 90
+ Habenzinsen (11%) 79,75
= Finanzierungssaldo 0 0
Kreditstand 4.500 4.500
Guthabenstand (9 %) 1.000
725 Guthabenstand (11%)
Tabelle 3.5: Vollstandiger Finanzplan bei Investitionsfinanzierung mittels Kon-
tokorrentkredit mit Verbot vorzeitiger Tilgung
388
Bemerkenswer t ist hierbei vor allem, dass der Kontokorrentkredit nattirlich auch
dann fiber einen Kapitalkostensatz von 15 % verffigt, wenn keine M6glichkeit zu
vorzeitiger Tilgung besteht. Auch hieran zeigt sich sehr anschaulich, dass ein
Abstellen auf Kapitalkostens~itze ffir Auswahlentscheidungen zwischen Finanzie-
rungsalternativen grunds~itzlich problematisch ist.
Die Ermittlung des zu einem maximalen Endverm6gen von 800 GE bei Einsatz
eines Festkredits geh6renden Anfangsverm6gens ist ein wenig schwieriger als die
entsprechende Berechnung im Falle der Finanziertmg fiber einen Kontokorrentkre-
dit. Konkret gesucht ist hierbei die maximale Festkredith6he des Zeitpunktes t =
0, die aus den kfinftigen Einzahlungen des Investitionsprojekts gerade noch finan-
ziert werden kann. Zieht man davon die ffir die Projektdurchffihrung in t = 0 er-
forderliche Anfangsauszahlung von 4.500 GE ab, so gelangt man schliel31ich zu
dem durch den Unternehmer maximal in t = 0 konsumierbaren Betrag. Da sich
der Kapitalkostensatz des Festkredits unabh~ingig yon seinem konkreten Volumen
auf etwa 14,08 % bel~iuft, k6nnte man vermuten, dass dieser maximale Anfangs-
konsum sich einfach als 800/1,14082 = 614,71 GE ergibt. Diese Vermutung ist
aber insofern unzutreffend, als der Konsum des Zeitpunktes t = 0 bei Vergleich
mit dem Kapitalbudget aus Tabelle 3.4 nicht allein durch eine Ausweitung des
Festkreditvolumens, sondern partiell auch durch eine Riiekfi ihrung der zwi-
schenzeitlichen Mittelanlagen finanziert wird. Der hierbei auftretende Entgang
von Zinsertr~igen ist vergleichsweise gering und bedingt, dass der adiiquate Kal-
kulationszinsfu6 zur Diskontierung des Endverm6gens von 800 GE etwas unter-
halb von 14,08 % liegt.
Konkret ist folgende 0berlegung anzustellen: Der Kreditbetrag K kann maximal
so hoch gew~alt werden, dass er sich inclusive Zinszahlungen in t = 2 noch be-
dienen l~isst. Zur Verffigung stehen in t = 2 zum einen die dann anfallenden Ein-
zahlungstiberschiisse von 4.000 GE aus dem Investitionsprojekt sowie der in t =
1 nicht f'tir die Erbringung der Zinszahlungen in H6he yon 0,08"K ben6tigte und
zu 9 % bzw. 1 1 % bis t = 2 angelegte Teil der Projekteinzahlungen von 2.400
GE. Sicherlich werden von den 2.400 GE in t = 1 mehr als 1.000 GE nach Leis-
389
tung der Zinszahlungen verbleiben, denn Zinszahlungen yon fiber 1.400 GE
wfirden mit einem Kreditbetrag von mehr als 1.400/0,08 -- 17.500 GE einherge-
hen, der in t = 2 nicht bedient werden k6nnte. Aus diesem Grunde ergeben sich
aus den Projekteinzahlungen des Zeitpunktes t -- 1 in Abhangigkeit des Kreditbe-
trags K ftir t = 2 zus~itzlich verffigbare Mittel von 1,09-1.000+1,11-(1.400-
0,08-K). Gesucht ist damit ein solcher Wert K, der folgende Gleichung erffillt:
T 4.000+1,09.1.000+1,11.(1.400-0,08.K) = 1,08.K
6.644 = 1,1688-K (3.4)
,~ K ~- 5.684,463 GE.
Ein Kreditbetrag von ungef'~ar 5.684,463 GE korrespondiert wiederum mit einer
unternehmerischen Einzahlung von 0,9-5.684,463 = 5.116,02 GE, weswegen ftir
den Untemehmer in t = 0 ein maximaler Konsumbetrag von ungef'~hr 5.116,02-
4.500 = 616,02 GE > 614,71 GE verbleibt. Der ko r rek te Zinsfug zur
Diskontierung des maximalen Endwertes von 800 GE ist daher 21 n~ihemngsweise
(800/616,02)~ = 13,96 % < 14,08 %. Als Nebenergebnis erh~ilt man bier
fiberdies, dass unter dem Aspekt der Anfangswertmaximierung die Festkreditfi-
nanzierung besser als die Finanzierung tiber einen Kontokorrentkredit ist. Eine
Alternative, die mit dem h6chsten unternehmerischen Endverm6gen einhergeht,
muss demnach auf unvollkommenem Kapitalmarkt anders als bei Vollkommen-
heit des Kapitalmarktes nicht notwendigerweise auch das h6chste unternehme-
rische Anfangsverm6gen implizieren.
Bei dem berechneten Zinssatz yon etwa 13,96 % handelt es sich femer in der Tat
einmal mehr um einen endogenen Kalkulationszinsfug: Nattirlich kann man den
zum Endwert yon 800 GE geh6renden Kapitalwert auch auf einem wie hier un-
21 Die genutzte Formel entspricht der ffir die Bestimmung der Effekt ivrendi te e ines Zero Bond mit Laufzeit yon t = 0 bis t = 2.
390
terstellten unvollkommenen Kapitalmarkt berechnen. Nur ist der ad~iquate Kalku-
lationszinsfug grunds~itzlich erst nach L6sung des Problems, hier nach Be-
stimmung des Anfangs- und damit Kapitalwertes von ungef~hr 616,02 GE, be-
kannt. A prior i l~isst sich lediglich festhalten, dass der ad~iquate Kalkula-
tionszinsfug sicherlich nicht unter dem geringsten auftretenden Ein-Perioden-
Zinssatz von 9 % liegen wird und nicht oberhalb des h6chsten von etwa 14,08 %.
Da fiberdies der Anteil der Konsumfinanzierung durch Anlagereduktion ohne
weiteres als vergleichsweise gering vermutet 22 werden konnte, war auch klar,
dass man einen endogenen Zinsfug nur knapp unterhalb yon 14,08 % erhalten
wtirde.
Schlieglich sollte die obige Diskussion zur fehlenden Ad~iquanz von Kapitalkos-
tenvergleichen zumindest nahelegen, dass durch eine gesehiekte Misehung yon
Fest- und Kontokorrentkrediffinanzierung ffir den Unternehmer noch ein h6heres
Endverm6gen als bei isolierter Nutzung nur einer der beiden Finanzierungsm6g-
lichkeiten erreichbar ist. Um den endwer tmaximierenden Finanzierungsmix zu
bestimmen, muss man sich als Erstes vergegenwSxtigen, dass es aufgrund der nie-
drigen Habenzinsen in jedem Fall nachteilig ist, Mittel von t = 1 bis t = 2
anzulegeno Es sei daher angenommen, dass der Nennbetrag F des Festkredits und
das Volumen K des Kontokorrentkredits in t = 0 so g e w ~ l t wurden, dass samtli-
che vorhandenen Mittel von 2.400 GE in t = 1 zum einen zur Leistung der Zins-
zahlungen auf den Festkredit und zum anderen - soweit noch verftigbar - zur
weitestgehenden Bedienung des Kontokorrentkredits genutzt werden. Wenn man
nun 1 GE Mittelaufnahme in t = 0 vom Kontokorrentkredit zum Festkredit um-
schichtet, also K um 1 GE verringert und F um 1/0,9 GE erh6ht 23, dann
resultieren f'tir den Unternehmer einerseits um 0,08/0,9 GE erh6hte Zinszahlungen
auf den Festkredit in t = 1, denen Minderauszahlungen auf den Kontokorrent-
22
23
Anlagereduktion in t = 1 kommt nur insofern in Betracht, wie vermehrte Kre- ditaufnahme in t = 0 zu h6heren Zinszahlungsverpflichtungen in t = 1 ffihrt, hier also im Umfang yon ungef~ihr (5.684,463-5.000)-0,08 = 54,76 GE.
Die Erh6hung des Nennbetrags um 1/0,9 GE ftihrt zu einer zus~itzlichen Fest- kreditauszahlung an den Unternehmer von gerade 0,9.(1/0,9) = 1 GE.
391
kredit von 1,15 GE im gleichen Zeitpunkt gegentiberstehen. Per saldo verbleiben
in t = 1 zun~ichst einmal Mittel in H6he yon 1,15-0,08/0,9 = 1,06111 GE. In
diesem Ausmag kann der Unternehmer seine noch bestehende Verbindliehkeit aus
dem Kontokorrentkredit in t = 1 zusiitzlich infolge der vorgenommenen Umschieh-
tung reduzieren. Dies impliziert einen Zuwachs an verftigbaren Mitteln zum Zeit-
punkt t = 2 yon annahemd 1,06111-1,15 = 1,2203 GE, die allerdings mit der er-
h6hten Rtickzahlungspflicht von 1,08/0,9 = 1,2 GE auf den Festkredit in t = 2 zu
verreclmen sind. Insgesamt aber erh6ht die Umschichtung vom Kontokorrentkre-
dit zum Festkredit das unternehmerische Endverm6gen ftir jede Geldeinheit der
"Umfinanz ie rung" in t = 0 zum Zeitpunkt t = 2 urn etwa 1,2203-1,2 = 0,0203
GE. Es ist daher am besten, wenn der Kontokorrentkredit in t = 0 im geringst-
m6glichen Ausmal3 aufgenommen wird. Das wiederum bedeutet, dass K so zu
w~ihlen ist, dass in t = 1 die gesamte Verbindlichkeit von 1,15 .K aus dem Konto-
korrentkredit zurtickgezahlt werden kann, da welter augenscheinlich nicht sinnvoll
umgeschichtet werden kann. 24
Aufgrund dieser (0berlegungen mtissen daher die folgenden beiden Bedingungen
simultan erfiillt sein:
I. 0,9" F+K -- 4.500,
II. O,08"F§ = 2.400. (3.5)
Bedingung I. gew~Jarleistet, dass die insgesamt in t = 0 aufgenommenen Mittel
ausreichen, um die Projektanfangsauszahlung zu erbringen. Hierbei ist natiMich
zu beachten, dass nur 90 % des Nennbetrags F des Festkredits ausgezahlt werden.
Bedingung II. stellt sicher, dass s~imtliche in t = 1 aus dem Investitionsprojekt
erreichbaren Einzahlungsiiberschiisse vollst~ndig fill" Zins- und Tilgungsleistungen
verbraucht werden und hierbei der Kontokorrentkredit des Zeitpunktes t = 0
24 Eine weitere Reduktion von K zugunsten yon F wtirde keine zus~itzliche Ent- lastung bei der Restschuld aus dem Kontokorrentkredit in t = 1 erbringen (k(Jnnen), sondern vielmehr zur Notwendigkeit der (ineffizienten) Anlage yon Mitteln seitens des Unternehmers von t = 1 bis t = 2 f'dhren.
392
g~inzlich zurtickgeffihrt werden kann. Als LiJsung des Gleichungssystems erh~ilt
man F =- 2.905,76 GE sowie K = 1.884,82 GE. Der sich hiermit in t = 2 ergeben-
de Endwert kann leicht bestimmt werden, ohne erneut einen kompletten
vollst~indigen Finanzplan aufzustellen. Die Werte yon Fund K sind so gew~ihlt,
dass im Zeitpunkt t = 1 keinerlei Anlagen get~itigt werden und in t = 2 nur noch
der Festkredit mit dann anfallenden Zinsen zurtickgezahlt werden muss. Aus die-
sere Grunde erreicht der Unternehmer hierbei einen maximalen Endwert von un-
geffihr 4.000-1,08-2.905,76 = 861,78 GE, also deutlich mehr, als fiber reine Fest-
oder reine Kontokorrentkreditfinanzierung erzielbar w~ire. []
Alles in allem sind vollstS_ndige Finanzpl~ine sicherlich schon eine groBe Hilfe zur
L6sung yon Kapitalbudgetierungsproblemen. Will man allerdings den Rechen-
aufwand in vertretbaren Grenzen halten, dann wird ein gewisses Mag an Kreativi-
t~it wie in dem hier pr~isentierten Beispiel 3.2 in der Regel erforderlich sein. Bei
komplizierteren Entscheidungssituationen hilft aber auch dies nicht mehr weiter.
Glficklicherweise lassen sich aber alle tiber vollstSaadige Finanzplanung 16sbaren
Probleme auch in verallgemeinerter formalisierter Darstellung abbilden und mit
Teehniken der Linearen Programmierung (LP) 16senY Die Grundidee dieser
Ans~itze soll im Weiteren kurz vorgestellt werden. Gleichzeitig kann hierbei er-
neut auf das Problem endogener Kalkulationszinsfiige eingegangen werden.
25 Wesentliche Beitr~ige hierzu gehen auf Weingartner (1963) sowie Hax (1964) zurfick. Vgl. zu einem tabeUarisehen Ilberbliek fiber andere wichtige Arbei- ten in diesem Bereich Kruschwitz (2005), S. 228.
393
3.4 LP-Ans~itze zur L6sung von Kapitalbudgetierungsproblemen
3.4.1 Charakterisierung des allgemeinen Budgetierungsproblems
Die G r u n d i d e e von Ans~itzen Linearer Programmierung besteht darin, die Struk-
tur eines vollst~indigen Finanzplans in Form eines linearen Gleiehungssystems abzubilden. Zu diesem Zweck bezeichne r (n) den Bruchteil eines (Investitions-
oder Finanzierungs-) Projekts n, den ein Untemehmer zu realisieren wiJnscht. Da-
bei sei ztm~ichst von beliebiger Teilbarkeit aller Projekte ausgegangen, so dass le-
diglich die Restriktionen 0 < ~(n) < 1 ftir a l l en zu beachten sind. 26 Des Weiteren
sei die Zahlungsreihe des betreffenden Projekts dutch z~ n), ..., Z(T n) beschrieben.
Das Symbol Ct stehe fiir die untemehmerische Konsumenmahme eines Zeitpunk-
test . Dartiber hinaus m6ge der Untemehmer tiber ein bestimmtes Anfangsverm6-
gen W 0 im Zeitpunkt t = 0 verftigen. Die Anforderung eines Finanzierungssaldos
von Null in einem beliebigen Zeitpunkt t = 0 .. . . . T ist dann gleichbedeutend mit
der Gfiltigkeit der folgenden Gleichung:
N
-- 0 .
n=l
(3.6)
Femer ist zu beachten, dass alle Konsumwerte C t nichtnegativ sind, das heii3t, es
gilt generell C t > 0. Unter diesen Restriktionen wird der Unternehmer im allge-
meinen Fall eine Nutzenfunktion U(C0;...;CT) maximieren. Sofern diese linear ist,
liegt ein lineares Optimierungsproblem vor, da sich sowohl die Zielfunktion als
auch alle Restriktionen als lineare Funktionen der C t erweisen. Derartige lineare Optimierungsprobleme lassen sich problemlos mit Methoden des Operations
26 Es ist durchaus denkbar, dass Finanzierungsprojekte in grundsiitzlich beliebi- gem Umfang durchgef'tthrt werden k6nnen. Dann entfallen ftir diese Projekte Restriktionen der Form o(n) < 1. Im Weiteren braucht dieser Spezialfall aber nicht weiter beachtet zu werden, da er lediglich zu einer vereinfachten Pro- blemstellung ftihrt, ohne dass sich die relevanten qualitativen Ergebnisse ~in- dem.
394
Research 27 (OR) ftir konkrete Zahlenwerte 16sen. In der Tat ist dies sogar unter
der Annahme fehlender Teilbarkeit von Investitionsprojekten der Fall, wenn also
far ein Investitionsprojekt n die Restriktion c(n) ~ {0;1} statt ~(") ~ [0;1] zu
beachten ist. In derartigen Fallen helfen Verfahren der gemischt-ganzzahligen
Linearen Programmierung weiter, z8 Deren Bezeichnung deutet an, dass sie auf
F~ille anwendbar sind, in denen ein Teil der gesuchten Variablen als ganzzahlig
vorauszusetzen isc
Beispiel 3.3: Die optimale Kombination von Festl~edit- und Kontokorrentkreditfinanziertmg im
Rahmen des vorhergehenden Beispiels 3.2 erh~ilt man (unter der a priori erfol-
genden Abstraktion von der unmittelbar als ineffizient zu erkennenden zwischen-
zeitlichen Anlage yon Mitteln) etwa als L6sung des folgenden LP-Ansatzes. Zu
maximieren ist eine Nutzenfunktion U(C-r) = CT mit Ca- -> 0 unter den Nebenbe-
dingungen
I. -4.500+4.500. act)+4.500 �9 a (2) -- 0 ,
II. 2.400-400. ~C1~-5.175" 0~(2~+5.000 �9 a (3~ = 0, (3.7)
III. 4.000-5.400. cxC1~-5.750 - ~(3~-C a, = 0,
IV. co(a), ~(2~, ~o) 2 0.
Dabei steht O(1) f'lJr das Ausmag der Inanspruchnahme des Festkredits mit der Zah-
lungsreihe (4.500;-400;-5.400) und o~ (2) entsprechend ftir den Bruchteil, zu dem in
t = 0 ein Kontokorrentkredit mit Einzahlung yon 4.500 GE bei Rtickzahlungsver-
pflichtung von 4.500-1,15 = 5.175 GE zum Zeitpunkt t = 1 vom Unternehmer in
Anspruch genommen wird. Die Variable o(3) dient zur Erfassung der Kontokor-
27
28
Zur Einftihrung in die Techniken des Operations Research sei etwa auf Ellin- ger/Beuermann/Leisten (2003) verwiesen.
Vgl. beispielsweise Domschke/Drexl (2002), S. 110 ft., oder auch Ellinger/ Beuermann/Leisten (2003), S. 149 ft.
395
rentkreditfinanzierung von t = 1 bis t = 2 bei Zugrundelegung eines vtillig
willktirlich 29 gew~hhlten Basisvolumens von 5.000 GE Einzahlung fOr den Unter-
nehmer in t = 1 mit Rtickzahlungsvolumen von 5.000-1,15 = 5.750 GE in t = 2.
Obergrenzen fOr die Aufnahme der einzelnen Kredite existieren nicht und
brauchen deshalb in (3.7) auch nicht erfasst zu werden.
Das gerade beschriebene Kapitalbudgetierungsproblem Risst sich tinter anderem
schon mit einem Tabel lenka lkula t ionsprogramm wie Excel 16sen. 3~ Man er-
halt c~ (1)* = 0,58115183, c~ (2)* --- 0,41884817 sowie a(3)* = 0. Dies bedeutet, dass
man etwa 58,12 % der in t = 0 ben6tigten Mittel tiber einen Festkredit und die
restlichen ca. 41,88 % tiber einen Kontokorrentkredit, der komplett in t = 1
bereits zurtickgezahlt wird, finanzieren sollte. In der Tat ist dies genau die
L6sung, die bereits weiter oben im Rahmen des Beispiels 3.2 hergeleitet worden
ist. Denn o( ~)* ~- 0,58115183 bedeutet in t = 0 einen Mittelerhalt ftir den Unter-
nehmer aus dem Festkredit von etwa 0,58115183"4.500 -~ 2.615,183 GE, was
einem Nominalwert F von ungef~ihr 2.615,183/0,9 = 2.905,76 GE entspricht. Ein
Anteil (x (2)* --- 0,41884817 wiederum impliziert einen Kontokorrentkredit K in t =
0 von nLlaerungsweise 0,41884817-4.500 = 1.884,82 GE. []
Auf die einzelnen numerischen L6sungsverfahren sol1 hier nicht weiter einge-
gangen werden, da es sich hierbei im Kern um Methoden handelt, die Gegenstand
des OR sind, und die Kenntnis ihrer Existenz hinreichend ist. Hervorzuheben ist
damit jedenfalls, dass sich das untemehmerische Kapitalbudgetierungsproblem
zumindest for den Fall bei Sicherheit in sehr allgemeiner Form in praktischen
Anwendungen als liisbar erweist. Wenngleich der vorgestellte Ansatz bereits seit
den sechziger Jahren bekannt ist und seine methodische Oberlegenheit etwa
gegentiber der Anwendung des einfachen Kapitalwertkriteriums auf der Basis der
29 Auch die ftir den Festkredit und den zeitlich ersten Kontokorrentkredit anzu- setzenden Volumina sind nattirlich beliebig wiihlbar. Es ~indern sich dann nur die jeweiligen Koeffizienten vor c(1) und c(2) in den einzelnen Restriktionen.
30 Vgl. hierzu etwa Braun (1999).
396
Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes oder der Nutzung des Dean-
Modells als L6sungsheuristik bei unvollkommenem Kapitalmarkt eindeutig sein
sollte, haben Methoden der Linearen Programmierung in der praktischen
Anwendung im Rahmen der Finanz- und Investitionsplanung bislang kauln grii-
gere Bedeutung erlangt. Uber die G~nde hierft~r kann nur spekuliert werden. 31
So mag eine denkbare Ursache darin zu sehen sein, dass der Datenbedarf in
Form einer explizit gemachten detaillierten Finanzplanung als zu hoch eingestuft
wird und man sich deswegen mit der einfachen Vorgabe von exogenen Ein-Perio-
den-Zinsfiigen zur Anwendung des schlichten Kapitalwertkriteriums unter der
(impliziten) Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes zufriedengibt. In die-
sem Zusammenhang mag es ferner zutreffen, dass die ad~iquate 32 zus~itzliche Be-
rficksichtigung von Risikoaspekten als wesentlicher angesehen wird als die Er-
fassung von Unvollkommenheiten eines Kapitalmarktes bei Sicherheit. Auf Risi-
koaspekte wird daher im anschliel3enden zweiten Band zur Investitionsrechnung
separat eingegangen, wobei auch darauf hinzuweisen sein wird, dass eine ge-
schlossene und operationale Theorie der optimalen unternehmerischen Kapitalbud-
getierung auf unvollkommenem Kapitalmarkt bei Risiko bislang nicht existiert.
In jedem Fall kommt der Analyse des gerade beschriebenen generellen Kapital-
budgetierungsproblems insofern konzeptionelle Bedeutung zu, als auf dieser
Grundlage eine allgemeine formale Herleitung der Relevanz endogener Kalkula-
tionszinsftige m6glich ist.
31
32
Vgl. zur Wttrdigung der LP-Ans~itze insbesondere Weingartner (1977) oder auch SchmidtRerberger (2003), S. 181 ft.
Es existieren durchaus auch LP-Ans~itze zur L6sung von Kapitalbudgetie- rungsentscheidungen bei Risiko, namentlich sogenannte Chanee-eonstrained- programming-Ansiitze. Vgl. hierzu etwa Hax (1993), S. 182 ft., und die dort angegebene Literatur. Doch k6nnen diese aus verschiedenen Grtinden nicht tiberzeugen und haben sich daher in der Praxis bislang wohl auch gar nieht durehgesetzt.
3.4.2
397
Endogene KalkulationszinsfiiBe im Rahmen des allgemeinen Bud-
getierungsproblems
Das im vorhergehenden Abschnitt 3.4.1 beschriebene Kapitalbudgetierungspro-
blem mit allgemeiner Zielfunktion U(C0;...;C~, ) kann unter der Voraussetzung
beliebiger Projektteilbarkeit grunds~itzlich mit Hilfe eines sogenannten Kuhn- Tucker-Lagrange-Ansatzes gel6st werden, 33 bei dem man zun~ichst s~imtliche
Ungleichungsrestriktionen in eine Form "f(-) _> 0" mit spezifischen Funktionen
f(-) bringt, hier also etwa tx (n) > 0 (V n), 1-ct (n~ > 0 (V n) und C t > 0 (V t). Auch
die als Gleichungen formulierten Nebenbedingungen 16st man nach Null anf.
Sodann werden die linken Seiten aller Nebenbedingungen, also etwa alle o(") und
alle l-ix ("~ mit einem Lagrange-Multiplikator malgenommen und an die eigent-
liche Zielfunktion, hier U, "angehS_ngt". Die so resultierende neue Funktion
verftigt bemerkenswerterweise tiber das gleiche Maximum wie die ursprtingliche
unter Beachtung ihrer Restriktionen. Es ist damit also folgendes Problem zu
16sen: 34
T
L -= U(Co;...;CT)+~/L t" t=0
N ) n=l
N N T (3.8) + E ~(n)" ~ ( n ) + E v ( n ) ' ( a - l x ( n ) ) + E Y t ' C t " max.!
n=l n=l t=O C0,...,CT, it (1),..., a (N) , ~.0,..., ~,T, p,(1),..., ~ (N) ,
v (1),...,v 0q),y0,...,y T
33 Man mag sich fragen, wozu dann weiter oben der M6glichkeit der Anwen- dung von Methoden der Linearen Programmierung soviel Beachtung ge- schenkt worden ist. In der Tat erh~ilt man mittels des Kuhn-Tucker-Lagrange- Ansatzes gewisse notwendige Bedingungen f'tir ein optimales Kapitalbudget, wie sich gleich zeigen wird. Diese notwendigen (und hinreichenden) Bedin- gungen explizit zur Herleitung optimaler Werte c~ (1)*, .... C N: sowie Co ..... CT ZU nutzen ist damit noch nieht gelungen. Gerade hier machen sich dann eine vereinfachte Zielfunktion und der Einsatz von Methoden des OR bezahlt.
34 Vgl. hierzu insbesondere auch Hax (1993), S. 97 ft.
398
Die Lagrange-Multiplikatoren 3~ o . . . . . L r beziehen sich demnach auf die Liquidi-
t~itsrestriktionen gem~ig (3.6), die Multiplikatoren la (1) ..... ~(N) haben Bezug zu den
Anforderungen o(n) > 0 (V n), w~arend die Lagrange-Multiplikatoren v (1) ..... v (N)
auf 1-~ (n~ > 0 (V n) abstellen. Die Variablen Y0, -.., YT schlieglich werden wegen
der Anforderungen C t > 0 (V t) ben6tigt.
Zur LOsung von (3.8) sind zun~ichst einmal die Ableitungen nach allen C t u n d
allen ~(n~ gleich Null zu setzen. Man erh~ilt hieraus:
0L 0U
OC t OC t ~ t + Y t = 0 (V t -- O, ..., T),
T 0L y, ~, �9 z (~ + ~ ("~-v(") = 0 ('v" n = 1, N ) . m
t t " ' - 0IX (n) t=0
(3.9)
Des Weiteren ist es wichtig zu wissen, dass die zu Ungleichungen geh6renden La-
grange-Mulfiplikatoren in der hier gew~Lhlten Formulierung in jedem Fall nichtne-
gativ sind und das Produkt aus Lagrange-Multiplikator und zugeh6riger Restrik-
tion stets den Wert Null annehmen muss. 35 Dies impliziert unmittelbar, dass ftir
ein Projekt n mit a(n)* ~ (0,1) sowohl ~(n~ als auch v (n) gleich Null sein mtissen. 36
Die Variable ~t (n~ kann entsprechend nur ffir a(n)* = 0 von Null verschieden sein,
die Variable v (n) nur f'tir c~ (")* = 1. Im Weiteren sei unterstellt, dass C~ > 0 f'tir alle
t = 0 . . . . . T gilt, also eine innere L6sung beztiglich der unternehmerischen Kon-
sumniveaus vorliegt. Davon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn
der Grenznutzen fiir Werte yon C t nahe bei Null hinreichend hoch ist. Unter der
Voraussetzung einer inneren LSsung beztiglich der C~ muss zwingend Yt = 0 ftir
35
36
Ffir eine ausfiihrliche Diskussion des Kuhn-Tucker-Lagrange-Ansatzes siehe beispielsweise Neus (2005), S. 513 ft., oder auch Chiang (1984), S. 722 ft.
(n) Genaugenommen sind auch die Lagrange-Multiplikatoren ta und v ~") hier mit einem ..... zu versehen, da es um deren Werte im Optimum geht. Auf diese zus~itzliche Indiziemng kann hier aber wohl ohne die Verursachung von Un- klarheiten verzichtet werden.
399
alle t = 0 . . . . . T gelten, und man erh~ilt auf der Grundlage von (3.9) folgende
Zusammenh~inge: 37
0U - ~'t ( V t = 0, ..., T),
OC t
T E /~'t " Zt(n) + g-(n)-v(n) t=0
; 0
T OU. zt(n)+ g(n)_v(n) = 0
t~O (3.io)
T 0 U / 0 C t "z, (") _ v (")- g- (") '= ~oo OUIOCo 0U/0Co
T
t=0
dCo z{n)_ V(n)-p, (n)
dC-[t" OU/0C 0 (V n = 1, ..., N).
Im Rahmen der ersten Aquivalenzumformung der zweiten Gleichung wurde der
Zusammenhang aus der ersten Gleichung genutzt.
Die Quotienten [dC0/dCtl sind nichts anderes als Grenzraten der Substitution,
wie sie bereits im Kapitel II dieses Lehrbuchs eingef'tthrt wurden) 8 Der
37
38
Daneben sind als weitere Optimalit~itsbedingungen nattirlich s~ntl iche als Gleichungen formulierten Restriktionen zu beachten. Diese spielen far die folgende Herleitung aber keine besondere Rolle.
Genaugenommen handelt es sich um Kehrwer te yon Grenzraten der Substitu- tion, wie sie im Kapitel II er6rtert worden sind. Da die inhaltliche Inter- pretation abet vol lkommen analog erfolgen kann, ist es sachgerecht, auch im Zusammenhang mit den Differentialquotienten I dC0/dCtl von Grenzraten der Substitution (zwischen C o- und Ct-Konsum) zu sprechen.
400
Ausdruck I dCo]dCt[ gibt dabei n~iherungsweise 39 an, auf wie viele Geldeinhei-
ten Gegenwartskonsum der betrachtete Entscheidungstr~iger f'tir eine weitere Geld-
einheit Zukunftskonsum ceteris paribus zu verzichten bereit ist bzw. wie viele
Geldeinheiten zus~itzlichen Gegenwartskonsums dem Entscheidungstr~ger mindes-
tens ftir die Aufgabe einer Geldeinheit Zukunftskonsum geboten werden mtissen.
Augenscheinlich stellt das Produkt I dC0/dCt[-z~t n) damit eine subjekt ive Um-
r e c h n u n g der ktinftigen Einzahlungen aus dem Projekt n i m Zeitpunkt t in ~iqui-
va lenten G e g e n w a r t s k o n s u m dar.
Insgesamt kann die linke Seite der letzten Gleichung aus (3.10) demnach als der
( "subjek t ive") Kapi ta lwer t des Projekts n gedeutet werden. Die Grenzraten der
Substitution IdC0/dCt[ beschreiben hierbei nichts anderes als Zero-Bond-Abzin-
sungs- oder Diskont ierungsfaktoren d t, die wegen ihrer Abh~ngigkeit vom unter-
nehmerischen Konsumverhalten und damit der optimalen L6sung des betreffenden
Kapitalbudgetierungsproblems als endogen zu bezeichnen sind. Es existieren
folglich auch im Rahmen des hier betrachteten allgemeinen Budgetierungspro-
blems endogene Kalkulationszinsftil3e i t = ( d t _ l ] d t ) - 1 , mit deren Hilfe Kapitalwert-
berechnungen m6glich sin& In diesem Zusammenhang lassen sich nun des Wei-
teren drei verschiedene Ffille unterscheiden:
1) t~ ~n)* = 0
Mit ~")* = 0 gilt Ftir die Lagrange-Multiplikatoren ~Cn) > 0 sowie V ~n) = 0, sO dass
die rechte Seite der letzten Gleichung aus (3.10) wegen 0U/3C 0 > 0 nichtpositiv
ist.
2) ct ~")* = 1
Mit (~(n)* = 1 gilt ftir die Lagrange-Multiplikatoren ~[(n) = 0 sowie V ~n) > 0, so dass
die rechte Seite der letzten Gleichung aus (3.10) nichtnegativ ist.
39 Exakt sind die Zusammenh~age nor ftir infinitesimale Gr6gen.
401
3) 0 < (~(n)* < 1
Mit 0 < (z (n)* < 1 gilt fur die Lagrange-Multiplikatoren p(n) = 0 sowie v (n) = 0, so
dass die rechte Seite der letzten Gleichung aus (3.10) einen Wert von Null an-
nimmt.
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass (Investitions- oder Finanzierungs -4~
Projekte mit einem positiven Kapitalwert auf der Gmndlage der im Optimum
giJltigen Grenzraten der Substitution I dCJdC01 in vollem Umfang, also o( n)* = 1,
realisiert werden. Projekte mit einem negativen Kapitalwert werden in diesem
Zusammenhang gar nieht, das heii3t mit o( n)* = 0, implementiert. Projekte mit
einem Kapitalwert von Null werden ganz, teilweise oder iiberhaupt nieht
durchgeffihrt. 4~ All diese ZusammenhKnge sollten dem Leser bekannt erscheinen.
Sie wurden bereits in den Abschnitten 1 und 2 dieses Kapitels fiber das
Hirshleifer- bzw. das Dean-Modell hergeleitet. Insofem ist die Analyse des allge-
meinen Kapitalbudgetierungsproblems eines Untemehmers fiir die theoretische
Fundierung des Kapitalwertkriteriums von grundlegender Bedeutung, wenngleich
die in den Abschnitten 1 und 2 dieses Kapitels angeffihrte Kritik an der (fehlen-
den) praktischen Relevanz endogener Kalkulationszinsffige hier ohne EinschrKn-
kung wiederholt werden kann.
40
41
Es sei darauf hingewiesen, dass alle vorhergehenden Oberlegungen nicht nach Finanzierungs- und Investitionsprojekten differenziert waren. Dies impliziert unmittelbar, dass die ffir Finanzierungsprojekte auf dem vollkommenen Kapi- talmarkt gegebene Kapitalwertneutralit~t auf unvollkommenem Kapitalmarkt (und bei Diskontierung mit den endogenen Ein-Perioden-Kalkulationszinsffi- Ben) gmnds~itzlich nieht mehr gegeben ist. Vgl. hierzu auch die Ausftthrungen im vorhergehenden Abschnitt 2 dieses Kapitels.
Zu beachten ist, dass all diese Resultate bei fehlender beliebiger Teilbarkeit yon Investitionsprojekten so nicht mehr gelten, wie schon im vorhergehenden Abschnitt 2 angedeutet wurde. In der Tat konnten Laux/Franke (1970) unter recht allgemeinen Annahmen nachweisen, dass bei bindenden Ganzzahligkeits- restriktionen tiberhaupt keine Kalkulationszinsftige existieren, mit deren Hilfe eine Rekonstruktion des optimalen Kapitalbudgets fiber Anwendung der Kapi- talwertmethode m6glich ist. Vgl. hierzu auch Hellwig (1973).
402
3.5 Zusammenfassung
Gegenstand dieses Abschnitts war die L6sung yon Kapitalbudgetierungsproble-
men unter der Pr~imisse eines unvollkommenen Kapitalmarktes, der durch "Kon-
ditionenvielfalt" auf der Finanzierungsseite gekennzeichnet ist. Zu diesem Zweck
wurde das Instrument der vollst~indigen Finanzplanung eingeftihrt, bei dem es
um die systematisehe Erfassung aller mit einem bestimmten Kapitalbudget ver-
bundenen Zahlungskonsequenzen in Tabellenform geht und nur einfache unter-
nehmerische Zielfunktionen wie etwa die Maximierung des jeweiligen Endverm6-
gens zugelassen werden. Ftir iibersehaubare Entseheidungsprobleme bei un-
vollkommenem Kapitalmarkt kann man durch direkte Gegeniiberstellung der in
Erw~igung zu ziehenden Finanzpl~ine das optimale unternehmerische Investitions-
und Finanzierungsprogramm ermitteln. Bei komplexeren Anwendungen versagt
diese Verfahrensweise, weswegen man dann auf Methoden des Operations Re-
search (OR) zuriickgreift, bei denen es um die EDV-gestiitzte L6sung in allge-
meiner Form beschriebener Kapitalbudgetierungsprobleme geht. Quasi als Neben-
ergebnis konnte auch in diesem sehr allgemeinen Modellkontext die Existenz ad~i-
quater endogener KalkulationszinsfiiBe zur (Ex-post-) Anwendung des Kapital-
wertkriteriums hergeleitet werden.
Wenngleich sich durch die M6glichkeit zur Nutzung von Methoden des OR Ka-
pitalbudgetierungsprobleme bei Sicherheit in sehr allgemeiner Form als 16sbar
erweisen, haben derlei Methoden insbesondere gegentiber der (Ad-hoc-) Anwen-
dung einfacher Kapitalwertkriterien bislang keine sonderlich groge praktisehe
Bedeutung erlangt. Dies dttrfte zum einen Folge des betr~ichtlichen Datenbedarfs zur Beschreibung aller zul~issigen Kapitalbudgets bei unvollkommenem Kapital-
markt und zum anderen durch die wohl als besonders wichtigen Aspekt wahrge-
nommene, nicht tiberzeugend zu berticksichtigende Unsicherheit ktinftiger Zah-
lungsstr6me, bedingt sein.
403
Wiederholungsfragen
W3.1
Was versteht man unter einem vollst~indigen Finanzplan, und welche beiden
Zwecke werden mit der Konzeption der vollst~indigen Finanzplanung verfolgt?
W3.2
Aus welchen Komponenten ist ein vollst~indiger Finanzplan aufgebaut?
W3.3
Welche unternehmerischen Zielsetzungen sind im Rahmen vollst~indiger Finanz-
planung zu unterscheiden?
W3.4
In welcher Beziehung stehen die in W3.3 darzulegenden unternehmerischen Ziel-
funktionen auf einem vollkommenen Kapitalmarkt?
W3.5
Wie sind die Beziehungen zwischen den in W3.3 darzulegenden unternehmeri-
schen Zielfunktionen auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt zu beurteilen?
W3.6
Wie begrtindet sich im (Ausgangs-) Zahlenbeispiel aus Abschnitt 3.3 die fJberle-
genheit des Kontokorrentkredits gegentiber dem Festkredit?
W3.7
Wie wtirde der Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen Kontokorrentkredit und Fest-
kredit im Zahlenbeispiel aus Abschnitt 3.3 auf Basis der Kapitalkostens~itze aus-
fallen, und weshalb ist ein Kapitalkostenvergleich zur Entscheidungsfindung ge-
nerell ungeeignet?
4O4
W3.8
Was versteht man allgemein unter LP-Ans~itzen zur L6sung yon Kapitalbudgetie-
rungsproblemen, und wie stellt sich die Grundstruktur dieser Ans~itze dar?
W3.9
Wie lassen sich endogene Kalkulationszinsftil3e im Rahmen eines allgemeinen
Ansatzes zur L6sung von Kapitalbudgetierungsproblemen herleiten?
W3.10
Wie sind LP-Ans~itze zur L6sung von Kapitalbudgetiemngsproblemen, insbeson-
dere auch im Vergleich zum Hirshleifer- und Dean-Modell, zu beurteilen?
4
405
Steuern in der Investitionsrechnung
4.1 Problemstellung
Im Rahmen des vorhergehenden Kapitels III wurde stets von einem vollkomme-
nen Kapitalmarkt ausgegangen. Dies impliziert unter anderem auch die Abstrak-
tion von jeglicher Art der Besteuerung yon Wirtschaftssubjekten. Zweifellos exi-
stieren aber in der Unternehmenspraxis Steuern, und insofern ist ihre Diskussion
im Rahmen eines investitionstheoretischen Lehrbuchs sicherlich geboten. Sehr ein-
fach verhielte es sich, wenn das betrachtete Steuersystem investitionsneutral w~e.
Investitionsneutralitiit ist eine bestimmte Form der Entscheidungsneutralit~it. Entscheidungsneutralit~it eines Steuersystems liegt generell dann vor, wenn die
Rangfolge von Handlungsaltemativen im Rahmen eines beliebigen, hier nicht n~i-
her zu spezifizierenden Entscheidungsproblems ceteris pafibus ohne Berticksichti-
gung der Steuern, das heiBt "vor" Steuern, mit der unter Beachtung der Besteu-
erung, das heiBt "ha th" Steuern, tibereinstimmt. Investitionsneutralit~it meint nun
den Spezialfall der Entscheidungsneutralit~it, bei der die Rangfolge m6glicher In-
vestitionsprogramme vor und nach Steuern im Rahmen von Investitionsentschei-
dungen identisch ist. Augenscheinlich kann man sich im Falle investitionsneutraler
Besteuerung zur Ermittlung optimaler Investitionsprogramme auf reine Vor-Steu-
er-Betrachtungen beschr~inken. Leider ist diese Eigenschaft bei realen Steuersy-
stemen typischerweise aber nicht gegeben, 1 so dass eine explizite Beriicksichti-
gung steuerlicher Aspekte auch in investitionsrechnerischen Kalktilen in aller Re-
Nattirlich kann man sich fragen, wie praktisch bedeutsam die fehlende Em- scheidungsneutralit~it der jeweils gtiltigen Form der Besteuerung insbesondere in Abw~igung zum durch die Berticksichtigung steuerlicher Aspekte erh6hten Rechenaufwand sein mag. Vgl. hierzu etwa die Kontroverse zwischen Mellwig (1980, 1981) und Wagner (1981). Zumindest ftir die im Folgenden betrachteten Formen der Besteuerung ist deren Berticksichtigung im Rahmen investitions- rechnerischer Kalktile derart einfach und ohne zus~itzlichen Prognoseaufwand m6glich, dass schon die bloBe M6glichkeit der Entscheidungsrelevanz der Be- steuerung eine Investitionsrechnung unter explizitem Einbezug steuerlicher Aspekte geboten erscheinen l~isst.
406
gel geboten ist. 2
Im Weiteren sollen deswegen zun~ichst im Abschnitt 4.2 einige wesentliche As-
pekte der in Deutschland relevanten steuerlichen Regelungen beschrieben und mit
den Annahmen des "Standardmodells zur Erfassung steuerlicher Aspekte in der
Investitionsrechnung" kontrastiert werden. Auf der Grundlage des Standardmodells
kann gezeigt werden, dass auch unter Zugrundelegung einer allgemeinen Gewinn-
besteuerung die Fisher-Separation und die daraus resultierende M6glichkeit pr~i-
ferenzunabh~ingiger und kapitalwertorientierter Investitionsrechnung noch Bestand
haben kann. Dies ist Gegenstand des Abschnitts 4.3. Da im Abschnitt 1 des vor-
hergehenden Kapitels III bereits eine ausftihrliche Diskussion des Fisher-Modells
ftir den Fall ohne Steuern erfolgte und die Einftihnmg von Steuern weitgehend
analoge Herleitungen erm6glicht, wird dem Leser vieles vertraut erscheinen.
Trotzdem soil die Darstellung aus didaktischen Grtinden auch unter Inkaufnahme
gelegentlicher Redundanzen - ahnlich wie bei der bereits erfolgten Diskussion des
Hirshleifer-Modells - nicht allzu knapp gehalten werden.
Je nach der konkreten Ausgestalmng eines Steuersystems kann das Ph~inomen auf-
treten, dass ein Investitionsprojekt, dessen Durchftihrung sich vor Steuern als
nachteilig f'tir einen Unternehmer erweist, nach Steuern vorteilhaft ist. Man spricht
in diesem Zusammenhang vom Vorliegen eines Steuerparadoxons. Auf dieses
Ph~inomen wird im Abschnitt 4.4 vertieft eingegangen. Wenigstens dann, wenn
Steuerparadoxa im gerade beschriebenen Sinne auftreten, erweist sich das
betrachtete Steuersystem unmittelbar als nicht investitionsneutral. Aus diesem
Grunde wird ebenfalls noch im Abschnitt 4.4 der Frage nachgegangen, wie ein
Steuersystem ausgestaltet sein sollte, um Investitionsneutralitiit zu gewS_hrleisten.
Im Abschnitt 4.5 schliel31ich werden die wichtigsten Ergebnisse nochmals zusam-
mengefasst.
Lehrbticher, die sich ausfiJhrlich mit dem Einbezug von Steuern in investitions- rechnerische Kalktile befassen, stammen unter anderem von Mellwig (1985), Schneider (1992) und KOnig/Wosnitza (2004).
4.2
407
Grundziige steuerlicher Regelungen in Deutschland und die An-
nahmen des Standardmodells
Im Weiteren ist auf steuerliche Fragen nur insoweit einzugehen, wie sie sich im
Rahmen yon Investitionsentscheidungen als besonders relevant erweisen. So be-
einflussen nattirlich auch Hunde- tend Kfz-Steuer die aus einem Investitionsprojekt
resultierenden Nach-Steuer-Einzahlungen, wenn n~imlich Wachhunde gehalten wer-
den mtissen und ein Fuhrpark Bestandteil der InvestitionsmaBnahme ist. Von zen-
traler Bedeutung im Rahmen des Treffens yon Investitionsentscheidungen dtirften
jedoch die sogenannten Ertragsteuern sein, die an Gewinn- oder Einkommensgr6-
gen ankntipfen. Zwar gab es in der Vergangenheit mit Verm6gen- und Gewerbe-
kapitalsteuer auch zwei wesentliche, an Verm6gensgr6gen ankniipfende sogenann-
te Substanzsteuern, 3 doch werden diese zumindest zurzeit 4 nicht erhoben und
brauchen daher nicht n~iher betrachtet zu werden. Es soll demnach im Folgenden
nur kurz anf K~rperschaft-, Einkommen- und Gewerbe(ertrag)steuer eingegan-
gen werden. Bei jeder Steuerart ergibt sich die Steuerzahlung grundsiitzlich aus
dem Produkt yon Bemessungsgrundlage und Steuersatz.
Unabh~qgig von ihrer Rechtsform unterliegen alle Untemehmen der Gewerbesteu-
er. Vor 1998 setzte sich die Gewerbesteuer aus den beiden Komponenten Gewer-
beertrag- und Gewerbekapitalsteuer zusammen. Seit Anfang 1998 wird nur noeh
die Gewerbeertragsteuer erhoben, so dass im Weiteren die beiden Begriffe "Ge-
werbeertragsteuer" und "Gewerbesteuer" synonym verwendet werden k6nnen. Die
Bemessungsgrundlage der Gewerbe(ertrag)steuer, also die Grundlage fttr die
Ermittlung der Steuerlast, ist der Gewerbeertrag der Unternehmung. Dieser wie-
Vgl. hierzu ngher etwa Rose (1997).
Die Behandlung steuerrechtlicher Fragen hat stets mit dem Problem zu k~anp- fen, dass jede Beschreibung des Status quo schon sehr schnell wieder iiberholt sein kann und etwaige ktinftige .~nderungen des Steuerrechts aufgrund ihrer zumeist nicht erkennbaren Systematik auch kaum vorhersehbar sind. Aus die- sem Grunde werden hier schwerpunktm~il3ig die ftir das Jahr des Erscheinens dieses Buches, 2007, geltenden steuerrechtlichen Regelungen skizziert.
408
derum ergibt sich vereinfacht als der erzielte Unternehmensgewinn zuztiglich der
H~ilfte der Zinsen auf die Dauerschulden 5 der Untemehmung und abztiglich der
Gewerbesteuer selbst. Die Gewerbesteuer mindert also ihre eigene Bemessungs-
grundlage. 6 Im Weiteren sei vereinfachend angenommen, dass sich der Gewinn
G t eines Zeitpunktes t aus dem Einzahlungstiberschuss z t dieses Zeitpunktes
zuztiglich der v o n d e r Kapitalgesellschaft vereinnahmten Habenzinsen HZ t u n d
abztiglich der geleisteten Sollzinsen SZ tund der verbuchten Abschreibungen D t
ergibt.
Beispiel 4.1:7 Es sei ein Gewerbesteuersatz von 20 % und ein unternehmerischer Gewerbeer-
trag 8 vor Abzug der Gewerbesteuer selbst von 100 GE angenommen. Die Gewer-
besteuerbelastung GS der Unternehrnung bemisst sich gem~ig fotgender Gleichung:
GS = 0,2"(100-GS)
�9 ~ GS -- 0,2.100 1,2
,=, GS --- 0,16.100
(4.1)
�9 ~ GS -- 16,6 GE.
De facto liegt damit eine (Effektiv-) Steuerbelastung des Gewerbeertrags (vor
Im Wesentlichen sind Dauerschulden typischerweise durch eine (anf~ingliche) Laufzeit von mindestens zwiilf Monaten gekennzeichnet. Vgl. zu einer aus- ffihrlicheren Begriffser6rterung etwa Rose (2004), S. 213 ff.
Welchem Zweek eine derartige Konstruktion dienen soll, vermag wohl nur der Steuergesetzgeber selbst zu offenbaren, weswegen diese Frage hier nicht be- antwortet werden kann.
7 Vgl. hierzu auch Breuer (1998a), S. 94.
s Wie sich dieser aus Gewinn (vor Gewerbeertragsteuer) und h~ilftigen Dauer- schulden zusammensetzt, spielt keine Rolle.
409
Abzug der Gewerbesteuer) von nur etwa 16,67 % statt 20 % vor. []
Ferner minder t die Gewerbesteuer die Bemessungsgrundlage der Einkommen-
und der K6rperschaftsteuer.
Ein konkre ter Gewerbe(ertrag)steuersatz l~isst sich in praxi nicht ohne weiteres
angeben, da die Gewerbesteuer eine kommunale Steuer ist und die einzelnen Ge-
meinden den erwtinschten Gewerbesteuersatz letzten Endes in gewissen Bandbrei-
ten selbst festlegen k6nnen. Eine Rechnung mit 20 % Gewerbesteuersatz dtirfte
jedoch als Durchschnit tswert vergleichsweise sachgerecht sein. 9 Wegen der M6g-
lichkeit, die Gewerbesteuer bei sich selbst abzuziehen, resultiert damit gem~il3 Bei-
spiel 4.1 ein Effektivsteuersatz von ca. 16,67 %. Im Weiteren sei dieser Effek-
tivsteuersatz eines Zeitpunktes t generell mit s~ g) bezeichnet.
Betrachtet man nun n~iher eine Kapitalgesellschaft, so hat diese als eigenst~indi-
ges Steuersubjekt auf ihren Gewinn (nach Gewerbesteuer) Kiirperschaftsteuer
zu zahlen. Mit Wirkung ab dem Jahr 2001 sind einige wesentliche Vorschriften
des deutschen Steuerrechts grundlegend neu gefasst wordenJ ~ Insbesondere exi-
stiert nunmehr nur noch ein einheitlicher Kiirperschaftsteuersatz von 25 % auf
den Gewinn einer Kapitalgesellschaft unabh~ngig yon der Frage der Gewinnver-
wendung. Vor dieser Neuregelung war zu unterscheiden zwischen einem K6rper-
schaftsteuersatz fox einbehaltene und einem solchen fiir ausgeschtittete Gewinne.
Nichts geRndert hat sich an dem Umstand, dass Unternehmungen Steuern auf die
K6rperschaftsteuer zu zahlen haben, und zwar den im Gefolge der deutschen Wie-
dervereinigung eingef'tihrten und seit 1998 in der aktuellen Form bestehenden "So-
lidarit~itszuschlag ''11 in H6he von 5,5 % der K6rperschaftsteuer. Der Solidari-
9 Vgl. Rose (2004), S. 235.
10 Vgl. hierzu etwa Bareis (2000).
11 Zweifellos handelt es sich hierbei um eine sehr wohlklingende Beschreibung des Umstands einer faktisehen Erhi ihung der K6rperschaft- und Einkommen- steuer, wenngleich kaum davon auszugehen ist, dass den Steuerzahlern die Er-
410
t~itszuschlag stellt hierbei letzten Endes nichts anderes dar als eine Erhi ihung des
untemehmerischen K6rperschaftsteuersatzes auf 0,25-1,055 = 26,375 %. Im
Weiteren werde der K6rperschaftsteuersatz inclusive des Solidarit~itszuschlags f'tir
einen Zeitpunkt t mit s(t k~ bezeichnet.
Soweit Teile des nach Gewerbe- und K6rperschaftsteuer verbleibenden Gewinns
an Anteilseigner ausgeschtittet werden, unterliegen sie dort zus~itzlich der Einkom-
mensteuer. Als Bemessungsgrundlage dient dabei die H~ilfte der vorgenommenen
Ausschtittung, weswegen auch vom Halbeinkiinfteverfahren die Rede ist. Zu-
s~itzlich gehen etwaige Habenzinsen aus Finanzinvestitionen ebenfalls in die Be-
messungsgrundlage der Einkommensteuer ein, w~ihrend von einem Anteilseigner
zu leistende Sollzinsen grunds~itzlich nicht steuerlich abzugsf~hig sind. Hieraus
kann bereits ein wichtiger Schluss gezogen werden: Im Rahmen der hier erfolgen-
den vereinfachten Betrachtung sollten etwaige Kredi taufnahmen zur zeitlichen
Transformation der Einkommensstr6me yon Anteilseignem zum Zwecke der Steu-
erersparnis sinnvollerweise im Bereich der jeweiligen Gesellsehaft und nicht in
der privaten Sph~e des jeweiligen Anteilseigners angesiedelt werden.
Der von einem Subjekt zu zahlende Einkommensteuersatz ist keine konstante
Gr6Be. Vielmehr steigt die auf die jeweils "letzte" verdiente Geldeinheit erhobene
(Grenz-) Einkommensteuer mit wachsendem Einkommen bis zu einem maximalen
"Grenzsteuersatz" von 45 % an. Da auch auf Einkommensteuer ein Solidarit~its-
zuschlag von 5,5 % erhoben wh'd, betr~igt der Spitzensteuersatz de facto
0,45-1,055 = 47,475 %. Der maggebliche (Grenz-) Einkommensteuersatz inclusi-
ve Solidarit~itszuschlag in t werde im Weiteren durch sl e) charakterisiert.
ftillung ihrer Pflichten hierdurch gr613ere Freude bereitet.
411
Mit GS t sei die Gewerbesteuer- und mit KS t die K6rperschaftsteuerbelastung der
Untemehmung in einem Zeitpunkt t bezeichnet. Entsprechend stehe E S t ftir die
Einkommensteuerbelastung des betrachteten Unternehmers in t. Der Gewinn nach
Gewerbe- und K6rperschaftsteuer im Zeitpunkt t ist somit G t - G S t - K S r Hiervon
werde der Anteil o~ ausgeschtittet. Mit diesen informationen k6nnen die dem Un-
ternehmer insgesamt zuflieBenden Zahlungen nach Steuern bestimmt werden. Die-
se belaufen sich n~imlich auf o~.(Gt-GSt-KSt)-ESt. Unterstellt man vereinfachend,
dass der Unternehmer in Zeitpunkten t > 0 keinerlei Gewinnbestandteile ftir Rein-
vestitionen thesauriert, dann gilt sofort a = 1, und man erh~ilt die dem Unter-
nehmer zufliel3enden Mittel als Gt- (GSt+KSt+ESt ) . Die Gesamtsteuerbelastung
G S t + K S t + E S t l~isst sich weiter konkretisieren:
G S t + K S t +ESt
-_ G S t + s t ( k ) . ( G t - G S t ) + s (e). ( l - s ~ k ) ) ' ( O t - G S t ) 2
= [st (k) +0,5" st(eL(1 -st(k))l" Gt+[1 -st (k) -0,5 ' st(el �9 (1 -s}k))] - GS t (4.2)
= [st (g) +0,5" st (e)" (1 -st(k))] �9 Gt +st(g)" [1 -st( k)-0,5" st(e)" (1 -st(k))] �9 (Gt+0,5" SZt)
= S t- G t+s t +' S Z t
(k) . (e). (k) . (g) (g) + _ 0,5.s{g).[l_s(tkL0,5.s{e).(l - mit st - [st +0,5 st ( 1 - S t ) ] (1 -S t )+S t sowie s t s{k))].
Die Gesamtsteuerbelastung besteht damit aus einem vom unternehmerischen Ge-
winn G t und zus~itzlich aus einem vom Ausmal3 der geleisteten Sollzinsen SZ t po-
sitiv abh~ingigen Teil. Uberdies ist sl e~ im Gegensatz zu sl g~ und s{ k) selbst ftir
gegebenen Zeitpunkt t keine Konstante.
412
Im Rahmen des Standardmodells der Investitionsrechnung zur Untersuchung
steuerlicher Fragen wird (4.2) in verschiedener Hinsicht vereinfacht] 2 Konkret
wird angenommen, dass lediglich eine allgemeine Gewinnsteuer existiert und der
zugeh6rige Gewinnsteuersatz s f/Jr alle Zeitpunkte und Auspr~igungen der Bemes-
sungsgrundlage konstant ist. Bezogen auf (4.2), bedeutet dies demnach, dass s t =
0 % f'tir alle t gilt, was wiederum eine vollst~indige Abstraktion yon der Gewer-
beertragsteuer impliziert. Schlieglich wird angenommen, dass die ennittelte Steuer
im Falle eines positiven Gewinnausweises unmittelbar in t zu zahlen ist. Ist die
errechnete Steuerzahlung des Steuersubjekts negativ, so erhalte das jeweilige Steu-
ersubjekt sofort eine Steuererstattung in der entsprechenden H6he.
Bei Personengesellschaften sind grunds~tzlich nur die Gesellschafter selbst die
Steuersubjekte, weswegen zum einen die K6rperschaftsteuer entf~illt, daftir aber
zum anderen auch der gesamte nach Gewerbesteuer verbleibende Gewinn mit Ein-
kommensteuer belegt wird. Zus~itzlich wird freilich bei Personengesellschaften die
Einkommensteuerschuld direkt dutch Abzug einer pauschal, das heigt ohne Bezug
auf die jeweiligen konkreten kommunalen Regelungen, bestimmten Gewerbesteu-
erbelastung reduziert. Auf diese Weise wird der Einfluss der Gewerbesteuer auf
den nach Steuern dem Unternehmer zufliegenden Einzahlungstiberschuss zweifel-
los reduziert, weswegen die Annahmen des Standardmodells tendenziell besser als
im Falle yon Kapitalgesellschaften zur Approximation realer steuerlicher Gege-
benheiten geeignet sein diifftenJ 3
Das Standardmodell kann zusammenfassend ganz allgemein als vereinfachte Ab-
bildung g~ingiger realer Steuersysteme aufgefasst werden und erfreut sich dem-
gemN3 in der Praxis recht groger Beliebtheit] 4 Die Vereinfachung bezieht sich
insbesondere zum einen auf Art und Anzahl der erfassten Teile der steuerlichen
lZ Vgl. hierzu etwa Wagner (1979), Wagner/Dirrigl (1980), S. 24 ft., Kruschwitz (2005), S. 140 ft.
13 Vgl. zu einer genaueren Analyse Bareis (2000) sowie Scheffler (2001).
la Vgl. z.B. Lenz (1991), S. 499.
413
Bemessungsgrundlage und zum anderen auf die Annahme eines konstanten Ge-
winnsteuersatzes. Die Approximationsgiite hinsichflich der tats~ichlich in
Deutschland maggeblichen steuerlichen Regelungen ist dabei seit der nicht mehr
erfolgenden Erhebung der frtiheren beiden Substanzsteuem, Verm6gen- und Ge-
werbekapitalsteuer, ebenso wie durch die Neuregelungen zum 1. Januar 2001
tendenziell gestiegen. Auf diese Frage wird aber noch zurtickzukommen sein.
4.3 Fisher-Separation und Kapitalwertkriterium bei Steuern 15
4.3.1 Unternehmerische Pr~iferenzen und Realinvestitionsmiiglichkeiten
Wie im Abschnitt 1 des vorhergehenden Kapitels werde ein Unternehmer mit
einem Anfangsvermtigen W 0 in t = 0 im Rahmen eines Zwei-Zeitpunkte-Ansat-
zes bei Sicherheit betrachtet. Der Unternehmer verftige tiber eine Nutzenfunktion
U = U(C0;C1), wobei C t bekanntermal3en ftir den Konsum des Unternehmers im
Zeitpunkt t = 0, 1 steht. Der Nutzen des Unternehmers nehme sowohl mit
wachsendem Gegenwartskonsum Co als auch mit wachsendem Zukunftskonsum
C1 gem~il3 dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen degressiv zu. Die aus
der unternehmerischen Nutzenfunktion herleitbaren Indifferenzkurven, verstanden
als geometrische Orte aller Kombinationen yon C o und C~, die gleichen Nutzen
stiften, sollen wie schon im Abschnitt 1 des zweiten Kapitels degressiv fallend
verlaufen.
In t = 0 habe der besagte Unternehmer Zugang zu Realinvestitionsmiiglichkeiten,
die bei einem Investitionsvolumen yon I in t = 0 zu Rtickfltissen in H6he von F(I)
zum Zeitpunkt t = 1 f'dhren. F(I) sei durchg~ingig differenzierbar und degressiv
steigend in I. Es gilt also F'(I) > 0 und F"(I) < 0.
Die unternehmerischen Ertr~ige sollen gem~il3 dem im vorhergehenden Abschnitt
4.2 vorgestellten Standardmodell besteuert werden. Unterstellt man, dass der
~5 Der folgende Abschnitt basiert im Wesentlichen auf Breuer (1999b).
414
Unternehmer im Umfang I seiner in t = 0 durchgef/Jhrten Investitionen entspre-
chende (steuerlich wirksame) Akt ivierungen yon Invesfitionsobjekten vorzuneh-
men hat, dann bel~iuft sich sein in t = 0 ausgewiesener Gewinn auf Null, da einer
Anfangsauszahlung in H6he von I eine entsprechende Zuschreibung (das heil3t
negative Abschreibung) in gerade dieser H6he gegentibersteht.
Anders verh~ilt es sich in t = 1. Hier ergeben sich zum einen die Rtickfltisse F(I)
aus der investiven T~itigkeit. Diese sind um die anfallenden Steuerzahlungen zu
ktirzen. Der ausgewiesene Gewinn des Unternehmers bel~iuft sich auf F(I)-I, da
die durchgeffihrten Investitionen bereits in t = 1 vollstiindig abzuschreiben sind:
In t = 1 endet annahmegemW3 jede wirtschaftliche T~itigkeit des Unternehmers.
Naeh Steuern verbleiben dem Unternehmer demnach in t = 1 noch Einzahlungs-
tiberschfisse in H6he von
Fs(I) -= F(I)-s. [F(I)-I] = (1-s).F(I) +s.I. (4.3)
Auch die so ermittelte Realinvestitionskurve nach Steuern verl~iuft ftir Gewinn-
steuers~itze s mit 0 < s < 1 wie die vor Steuern weiterhin degressiv steigend in
I, wie man durch Bildung der ersten (positiven) und der zweiten (negativen)
Ableitung leicht nachprtifen kann:
Fs'(I) = (1-s) . F'(I) +s > 0 f i r F'(I) > 0, (4.4)
Fs"(I) = (1-s) -F"(I ) < 0 ffir F"(I) < 0.
Die Einfiihrung einer allgemeinen Gewinnsteuer bedingt demnach auf der Seite
der Realinvestitionen keine grundlegende Anderung der Zusammenh~inge.
Wie im Abschnitt 1 des vorhergehenden Kapitels kann man die durch Realinvesti-
tionen erreichbaren unternehmerischen Konsumpositionen nattirlich auch in einem
(C0;C1)-Diagramm darstellen. Da I = W0-C 0 gilt, folgt bei alleiniger Betrachtung
der unternehmerischen Realinvestitionsm6glichkeiten
C 1 = Fs(Wo-Co) = (1-s)-F(Wo-Co)+s.(Wo-Co). (4.5)
415
Die graphische Darstellung dieser Beziehung zwischen C 1 und C O bezeichnet man
bekalmtlich als Transformat ionskurve (hier: nach Steuem). Die Transformations-
korve ist ganz allgemein der geometrische Ort aller Kombinationen yon gegenw~-
tigem und zuktinftigem Konsum, die der Untemehmer allein dorch Realinvestitio-
hen erreichen kann. Bei Abstraktion yon Finanzinvestitionen ist die Transformati-
onskorve wegen der Unm6glichkeit negativer Konsumpositionen sinnvoll nor im
ersten Quadranten definiert. Unter den hier getroffenen Armahmen verl~iuft sie
trotz der Berticksichtigung yon Steuem wie schon im Fall ohne Steuem progressiv
fallend. 16
Beispiel 4.2:
Betrachtet sei ein Unternehmer mit einer Verm6gensanfangsausstattung in t = 0
in H6he von W 0 = 10 GE. Seine Investitionsertragsfunktion vor Steuem sei F(I)
= 4,4-I ~ und der allgemeine Gewinnsteuersatz im Rahmen des Standardmodells
belaufe sich auf s = 30 %. Damit ergibt sich eine Realinvestitionsfunktion nach
Steuem der Form Fs(I) = (1-s)-F(I)+s-I = 3,08-I~ Die zugeh6rige Trans-
formationskurve nach Steuern lautet C1 = Fs(Wo-C0) = 3,08 -(10-C0)~ -(10-Co)
und ist zun~ichst einmal (also ohne Berticksichtigung von Finanzinvestitionen) nor
definiert fox Werte C O mit 0 < Co < 10. []
4.3.2 Der unternehmerische Kapitalmarktzugang
Der betrachtete Unternehmer habe neben seinen Realinvestitionsm6glichkeiten in
t = 0 Zugang zu einem (bis auf die Existenz einer allgemeinen Gewinnsteuer)
vol lkommenen Kapi ta lmarkt . GemN3 der Darstellung aus Abschnitt 1 des Kapi-
tels III bedeutet das Folgendes: Alle Subjekte auf dem Kapitalmarkt agieren
erstens rational. Von mehreren zor Auswahl stehenden Handlungsalternativen
w~ihlen sie stets nur eine solche, die fiar sie zum hiichsten Zielerreichungsgrad
f'tihrt. Weil der betrachtete Unternehmer sowohl mit wachsendem Gegenwarts- wie
16 Vgl. hierzu etwa exemplarisch die Transformationskurve nach Steuern in Ab- bildung 4.1.
416
auch wachsendem Zukunftskonsum Nutzensteigerungen erfSah_rt, impliziert dies
unter anderem, dass der Unternehmer sicherlich keine Verhaltensweise wS_hlen
wird, zu der es eine Alternative gibt, die ihm eine simultane Erh6hung yon C o
und C~ erm6glicht.
Zweitens gilt, dass alle Marktteilnehmer als Mengenanpasser handeln, also die
am Kapitalmarkt herrschenden Zinssatzkonditionen als durch sie unbeeinflussbar
annehmen. Drittens sind mit allen Handlungen (bis auf die anfallenden Steuerbela-
stungen) keinerlei Transaktionskosten verbunden. Aus diesen drei Charakteristi-
ka folgt unmittelbar, dass es fOx die Anlage und Aufnahme von Geld yon t = 0
bis t = 1 in der Nach-Steuer-Betrachtung ebenso wie schon in der Vor-Steuer-Be-
trachtung nur genau einen einheitlichen Zinssatz i s geben kann. 17
Zun~ichst einmal kann n~imlich festgehalten werden, dass die bei einem Kapitalge-
ber nach Steuem verbleibende Verzinsung mit der vom Kapitalnehmer unter Be-
achtung steuerlicher Aspekte zu erbringenden tibereinstimmt. Denn die Steuerbe-
lastung durch Zinserhalt beim Kapitalgeber entspricht wegen des konstanten Steu-
ersatzes s und der M6glichkeit negativer Gewinnbesteuerung der Steuerentlastung
beim Kapitalnehmer, und weitere Transaktionskosten existieren annahmegem~iB
nicht. Aus diesem Grunde hat jeder beliebige Nach-Steuer-Zinssatz stets simultan
ffir Kapitalgeber und -nehmer Gfiltigkeit.
Existierten unter Beachtung des gerade dargelegten Zusammenhangs wenigstens
zwei verschiedene Nach-Steuer-Zinss~itze auf dem betrachteten Kapitalmarkt,
wfirde jeder Marktteilnehmer zum g~instigeren der beiden Zinss~itze Mittel aufneh-
men und zum h6heren Mittel anlegen wollen. Sofern es auger der besagten
Gewinnsteuer keine Marktunvollkommenheit gibt, besteht keinerlei Grund zu der
Annahme, dass die erwiJnschten Transaktionen nicht friktionsfrei durchgeftihrt
17 Das Symbol i s steht demnach f'OX den einheitlichen Nach-Steuer-Kapitalmarkt- zinssatz im Zusammenhang mit Anlage oder Verschuldung auf einem bis auf die Existenz yon Steuem vollkommenen Kapitalmarkt und ist damit nattirlich nieht zu verwechseln mit dem Sollzinssatz i (s) aus dem Hirshleifer-Modell.
417
werden k6nnten. Damit aber g~ibe es zum h6heren der beiden Zinss~itze keine
Nachfrage und zum niedrigeren kein Angebot an Mitteln.
Ausgehend von einer (beliebigen) Konsumposi t ion (Co;C 0, die der Untemehmer
allein aufgrund seiner durchgeftihrten Realinvestitionen verwirklichen k6nnte,
f'tihrt die Aufnahme eines Kredites in H6he yon K dazu, dass der Untemehmer
in t = 0 sein Konsumniveau auf C O = Co+K steigert. Daf'ttr reduzier t sich infolge
der erforderlichen Kreditrtickzahlung sein Konsum im Zeitpunkt t = 1 auf C1 =
Cl-(l+is)'K.
Man kann ohne weiteres auch negative Werte ftir K zulassen: Ein negatives Kre-
ditvolumen entspricht der Anlage yon Mitteln am Kapitalmarkt zum Zinssatz i s
von t = 0 bis t = 1. Nattirlich ftihrt K < 0 dazu, dass sich das unternehmerische
Konsumniveau in t = 0 verringert, daftir aber nimmt der Konsum des Unterneh-
mers in t = 1 zu.
Unabh~ingig davon, ob K positiv oder negativist, steht der Nach-Steuer-Zinssatz
i s in folgender Beziehung zum Vor-Steuer-Zinssatz i: Der Unternehmer hat ftir
einen Kreditaufnahmebetrag in HOhe von K in t = 1 Zinsen in H6he yon i-K zu
zahlen. Weil diese Zinszahlungen seinen in t = 1 ausgewiesenen steuerpflichtigen
Gewinn mindem, reduziert sich seine Steuerbelastung um den Betrag s-i-K.
Insgesamt verbleiben demnach f'ttr den Untemehmer in der Nach-Steuer-Be-
trachtung noch Zinszahlungen yon i.K-s.i-K = i-(1-s)-K, so dass man i s =
i-(1-s) als Nach-Steuer-Zinssatz fiir die Annahmen des Standardmodells erh~ilt.
Ist K < 0, t~itigt der Untemehmer also eine Mittelanlage in t = 0, so behalten alle
Aussagen auch hierf~r ihre Gtiltigkeit. In diesem Fall reduziert sich die Nach-
Steuer-Rendite eben gerade auch auf i-(1-s). L6st man die Gleichung C O = Co+K
nach -K auf und setzt das Ergebnis in die Bestimmungsgleichung ftir C 1 ein, so
erh~ilt man unter Beachtung von i s = i'(1-s) die Gleichung der Kapi ta lmarktge-
r aden (hier: wieder naeh Steuem):
C1 = C1 +[1 +i.(1 -s)]" (Co-Co). (4.6)
418
Sie beschreibt den geometrischen Ort aller (C0;C0-Kombinationen, die der Unter-
nehmer durch Anlage oder Aufnahme von Mitteln am Kapitalmarkt, ausgehend
von einer (durch Realinvestitionen erreichten) Konsumposition (C 0;C0, realisieren
kann. Die Steigung der Kapitalmarktgeraden ist unabh~ingig vom "Startpunkt"
(C0;C0 stets konstant -[ l+i .(1-s)]# Nattirlich k6nnen erneut nur Konsumposi-
tionen vom Unternehmer angestrebt werden, fur die C 0, C1 > 0 gilt. Allerdings
mag der Startpunkt der Kapitalmarktgeraden durchaus im zweiten Quadranten lie-
gen, wie schon im Abschnitt 1 aus Kapitel III dargelegt wurde.
t c1
(2)
Co im Co
Abbildung 4.1: Die Fisher-Separation im Standardmodell
Beispiel 4.3: Es sei angenommen, der Zinssatz i ftir Anlage und Verschuldung von t = 0 bis
t = 1 belaufe sich auf 10 % bei einem konstanten Gewinnsteuersatz s von 30 %.
Hieraus resultiert sofort ein Nach-Steuer-Zinssatz i s = 0,1 "(1-0,3) = 7 %. Unter-
nehmer 1 habe eine Anfangsausstattung yon W 0 = 10 GE, aber keinen Zugang zu
18 Vgl. die Kapitalmarktgeraden G m und G* in Abbildung 4.1.
419
Realinvestitionsm6glichkeiten. Damit ist der Startpunkt der fox ihn relevanten Ka-
pitalmarktgeraden durch (Co;C1) = (10;0) festgelegt, und deren zugeh6rige Glei-
chung lautet
C a --- 0+1,07.(10-Co) = 10,7-1,07-C o. (4.7)
Unternehmer 2 hingegen plane for gegebene Verm6gensanfangsausstattung derarti-
ge Realinvestitionen, dass sich als Startpunkt der ffir ihn relevanten Kapitalmarkt-
geraden (Co;C 1) = (6;7,36) ergibt. Hieraus resultiert als Geradengleichung:
C a --- 7,36+1,07.(6-Co) --- 13,78-1,07.C o. (4.8)
In beiden Fallen erh~ilt man als Geradensteigung also -1,07. Die Kapitalmarkt-
gerade des Unternehmers 1 liegt dabei weiter innen als die des Unternehmers 2,
wie man leicht anhand des fox Unternehmer 2 maximal erreichbaren Zukunfts-
konsums von 13,78 GE im Vergleich zum entsprechenden Wert von 10,7 GE far
Unternehmer 1 erkennt. Die relative Lage der beiden Kapitalmarktgeraden zuein-
ander entspricht damit prinzipiell derjenigen der Geraden G (1) und G* aus Abbil-
dung 4.1, wenn man die Kapitalmarktgerade des Unternehmers 1 mit G (1) und die
des Unternehmers 2 mit G* bezeichnet. Da die beiden betrachteten Startpunkte der
Kapitalmarktgeraden dutch positiven Gegenwartskonsum gekennzeichnet sind, ver-
laufen die relevanten Teile der beiden Kapitalmarktgeraden hier in der Tat nicht
aul3erhalb des ersten Quadranten. []
4.3.3 Kapitalwertmaximierung als Auswahlkri terium fiir Realinvestitionen
Unabh~ingig von der konkret angenommenen Nutzenfunktion U des Untemehmers
ist es flit diesen am besten, wenn er eine m6glichst weit auBen liegende Kapital-
marktgerade erreicht. Denn eine weiter augen liegende Kapitalmarktgerade erm6g-
licht es im Vergleich zu einer weiter innen liegenden stets, sowohl den unterneh-
merischen Gegenwarts- als auch den Zukunftskonsum zu erh6hen. Sieht man im
Weiteren von Randl6sungen ab, 19 so realisiert der Unternehmer die am weitesten
augen liegende Kapitalmarktgerade, wenn er ein solches Realinvestitionsvolumen
I* umsetzt, dass die zugeh6rige Kapitalmarktgerade Tangente an die Transformati-
19 Vgl. hierzu auch schon die Ausf'dhrungen im Abschnitt 1 aus Kapitel III.
420
onskurve wird. Natfirlich gibt es noch weiter augen liegende Kapitalmarktgeraden,
doch haben diese - wie etwa G (2) in A b b i l d u n g 4 .1 - keinen Punkt mehr mit der
Transformationskurve gemein, k6nnen vom Untemehmer also durch Realinvestiti-
onen nicht erreicht werden. Alle sonst zug~inglichen Kapitalmarktgeraden - wie
etwa G m - liegen hingegen welter innen und sind aus Unternehmersicht deshalb
schlechter als die Tangente G*.
In dem Tangentialpunkt entspricht die Steigung der Transformationskurve -Fs'(W o-
Co) der (einheitlichen) Steigung -(l+is) der Kapitalmarktgeraden. Ganz analog zu
der Darstellung aus Abschnitt 1 des Kapitels III folgt daraus die Gleichheit der
Grenzrendite (nun nach Steuern) Fs'(I )- 1 yon Investitionen und des Nach-Steuer-
Zinssatzes is: Solange die Grenzrendite gr6Ber als i s ist, wird der Unternehmer
durch zus~itzliche Investitionen schon bei deren Kreditfinanzierung ceteris paribus
seine Konsumm6glichkeiten des Zeitpunktes t = 1 steigern k6nnen; sobald die
Grenzrendite geringer als i s wird, sollte der Unternehmer sinnvolterweise seine
geplanten Realinvestitionen wieder verringern und etwaige gewtinschte Mittel-
anlagen durch Finanzinvestitionen am Kapitalmarkt umsetzen.
Die Entscheidung fiber das optimale Realinvestitionsprogramm eines Unterneh-
mers kann demnach trotz der Existenz positiver Steuern auch hier unabh~ingig
yon den unternehmerischen Pr~iferenzen und seiner Anfangsausstat tung getrof-
fen werden, indem einfach das Erreichen der am weitesten auBen liegenden Kapi-
talmarktgeraden angestrebt wird. Die Pr~iferenzen und die Anfangsausstattung des
Unternehmers bestimmen lediglich, ob der Unternehmer Mittel am Kapitalmarkt
aufnimmt oder anlegt, also welehen Punkt (C0;C~) er letzten Endes auf der ein-
deutig bestimmten (Tangential-) Kapitalmarktgeraden G* (ausgehend yon (C0;C0)
anstrebt.
421
Im hier zugrunde gelegten Kontext ist nun noch folgende Umformung m6glich:
Fs ' ( I ) - I = i s
(1-s).F'(I)+s-1 = i-(1-s)
** (1 -s) .F'(I) -- i- (1 -s) +1 - s (4.9)
(1-s ) .F' (I ) = ( l - s ) . (1 +i)
,~ F ' ( I ) - I -- i.
Man erh~ilt hier damit das doch recht tiberraschende Ergebnis, dass das optimale
Investitionsvolumen nicht nur durch die Gleichheit der Nach-Steuer-Renditen yon
Real- und Finanzinvestitionen, sondern auch der entsprechenden Vor-Steuer-Ren-
diten charakterisiert ist. Das bedeutet, dass das optimale Investitionsvolumen im
Rahmen dieses Zwei-Zeitpunkte-Ansatzes in der Vor- und der Nach-Steuer-Be-
trachtung identisch ist. Es liegt hier demnach Investitionsneutralit~it des zugrunde
gelegten Steuersystems vor. Dies ist allerdings eine Implikation der Betrachtungs-
verengung auf nur zwei Zeitpunkte (bei gleichzeitiger Fixierung der Aktivierung
des Zeitpunktes t = 0 auf I). Wir werden im Abschnitt 4.4 noch anhand des
Beispiels 4.8 sehen, dass bei Mehr-Perioden-Betrachtungen im Rahmen des Stan-
dardmodells zur Erfassung steuerlicher Aspekte in der Investitionsrechnung
Investitionsneutralit~it generell nicht gegeben ist. Robust ist hingegen das Ergebnis
der Pr~iferenz- und Ausstattungsunabh~.ngigkeit des optimalen Realinvestitionsvo-
lumens.
Angemerkt werden sollte des Weiteren, dass die hier resultierende Investitions-
neutralit~t des Steuersystems nicht auch mit einer Konsumneutralit~it einhergeht.
In Analogie zur Investitionsneutralitgt kann man von Konsumneutral i t i i t im en-
geren Sinne f'tir den Fall sprechen, dass die optimalen unternehmerischen Kon-
sumauszahlungen in t = 0 und t = 1 vor Steuern die gleichen sind wie nach Steu-
ern. Da Steuem der Erzielung staatlicher Einnahmen dienen, wird Konsumneutra-
lit~it i.e.S, augenscheinlich typischerweise nicht gegeben sein. In einem weiteren
Sinne soll deswegen dann von Konsumneutralit~it gesprochen werden, wenn das
422
Verh~iltnis der optimalen Konsumauszahlungen verschiedener Zeitpunkte zueinan-
der steuersatzunabh~ngig konstant ist und somit wenigstens die Struktur der in-
tertemporalen Konsumallokation trotz Einftihrung einer Besteuerung erhalten
bleibt. Selbst im hier betrachteten Zwei-Zeitpunkte-Kontext liegt Konsumneutra-
lit~it allerdings weder im engeren noch im weiteren Sinne generell vor, da die mit
bzw. ohne Steuem resultierenden (Tangential-) Kapitalmarktgeraden trotz gleichen
optimalen Wertes fiir das Realinvestitionsvolumen auch bei gegebener (steuerun-
abh~ingiger) Anfangsausstattung durch unterschiedliche Tangentialpunkte verlaufen
und fiber unterschiedliche Steigungen verffigen. Daher wird der Untemehmer in
aller Regel trotz gleichbleibender investiver T~itigkeit sowohl absolut als auch re-
lativ unterschiedliche optimale zeitliche Konsumallokationen realisieren. 2~
Beispiel 4.4: Betrachtet sei ein Unternehmer mit einer Verm6gensanfangsausstattung in t = 0
in H6he yon W 0 = 10 GE. Seine Investitionsertragsfunktion vor Steuern sei F(I)
= 4,4.I ~ und stimme folglich mit der aus Beispiel 4.2 tiberein. Entsprechendes
gelte ffir den Gewinnsteuersatz s = 30 %. Der Kapitalmarktzinssatz i f'tir Mittelan-
lage und -aufnahme von t = 0 bis t = 1 betrage vor Steuern 10 %. Daraus resul-
tiert ein Nach-Steuer-Zinssatz yon i-(1-s) = 7 %. Fttr das optimale Investitions-
volumen muss die Steigung der Transformationskurve nach Steuern, -Fs'(I), ge-
rade dem Wert -1,07 entsprechen:
- (1 '54+0,3) = - 1 , 0 7 , ~ I * = 4 v ~ GE. (4.10)
Das optimale Realinvestitionsvolumen entspricht damit in der Tat demjenigen, das
im Beispiel 1.2 im Abschnitt 1 des dritten Kapitels ffir den Vor-Steuer-Fall herge-
leitet worden ist.
20 Vgl. hierzu nSher auch die Ausf'dhrungen im Zusammenhang mit Beispiel 4.13.
423
Mit I* = 4 GE sowie W o = 10 GE erhilt man unmittelbar C0 = 6 GE und C1 =
7,36 GE. Die Gleichung der vom Untemehmer bei optimalem Investitionsverhal-
ten erreichbaren Kapitalmarktgeraden ist folglich mit der des Unternehmers 2 aus
Beispiel 4.3 identisch. Im Vor-Steuer-Fall des Beispiels 1.2 aus Abschnitt 1 des
vorhergehenden Kapitels galt hingegen E l = 8 ,8 GE bei gleichem Wert ftir G o und
war die Steigung der resultierenden Kapitalmarktgeraden -1,1. Trotz gleichen
Realinvestitionsvolumens ergibt sich also im Vor- und im Nach-Steuer-Fall je-
weils eine unterschiedliche Tangentialkapitalmarktgerade.
Im Beispiel 1.3 aus Abschnitt 1 des Kapitels III wurde ftir den Vor-Steuer-Fall bei
Zugrundelegung einer unternehmerischen Nutzenfunktion der Form U(C0;C1) =
C ~ ~ als optimale Konsumposition (C0;C~) = (4,2;10,78) ermittelt. Der Ansatz
ftir die Bestimmung des Konsumoptimums ftir den Nach-Steuer-Fall im Rahmen
dieses Beispiels 4.4 lautet:
10 _ 3
I. ~ 5 - . C ~ 7 = 13,78_1,07.Co,
(4.11) 10 10 - _ _
II. - 3 ' U ~ - ' C o 7 = 1,07. 7
Gesucht ist eine Indifferenzkurve mit (maximalem) Nutzenniveau U, die einen
Punkt mit der Kapitalmarktgeraden gemeinsam hat (I.) und in diesem Punkt tiber
eine Grenzrate der Substitution von 1,07 verfigt (II.). Die simultane L6sung der
beiden Gleichungen aus (4.11) liefert C O 3,864 GE sowie U* = 7,331. Durch
Einsetzen von C O = 3,864 GE in die Gleichung der Kapitalmarktgeraden g e m ~
(4.8) ergibt sich des Weiteren C~ = 9,646 GE, also eine deutlich andere (und
eindeutig schlechtere) Konsumposition als im Fall ohne Steuern. Auch das Ver-
hilmis C~/C; weicht hier mit einem Wert von ungefihr 2,496 vonde r entspre-
chenden Relation 2,56 im Falle ohne Steuem abo
Wegen C0 = 6 GE > C O 3,864 GE titigt der Unternehmer in der Situation mit
Steuern dabei infolge recht stark ausgeprigter Zukunftspriferenzen zusitzlich zu
seinen Realinvestitionen im Umfang I* = 4 GE auch noch eine Kapitalmarktanlage
424
von etwa 2,136 GE. []
Das Ergebnis verm6gens- und prgferenzunabhS.ngiger Real- sowie verm6gens- und
pr~iferenzabh~ingiger Finanzinvestitionsentscheidungen ist f'tir den Fall ohne
Steuem bereits im Abschnitt 1 des vorhergehenden Kapitels hergeleitet und als
Fisher-Separation bezeichnet worden. Die gerade angestellten Uberlegungen zei-
gen, dass die Fisher-Separation grunds~itzlich aueh bei Existenz einer allgemeinen
Gewinnsteuer ihre Gfiltigkeit behalten kann. Wesentlich ist in diesem Zusammen-
hang, dass Soll- und Habenzinsen steuerlieh gleiehartig behandelt werden. Denn
nur dadurch k6nnen die jeweils m6glichen Kapitalmarkttransaktionen des betrach-
teten Unternehmers tiber eine Schar von Kapitalmarktgeraden mit einheitlieher
Steigung repr~isentiert werden.
Betrachtet man etwa die durch Gleichung (4.2) vereinfacht beschriebene steuerli-
che Situation ftir Kapitalgesellsehaften in Deutschland, dann liegt hier augen-
scheinlich keine Gleichbehandlung yon Soll- und Habenzinsen vor, und zwar
selbst dann, wenn man yon dem Problem abstrahiert, dass Sollzinsen im Rahmen
privater Verschuldung von Wirtschaftssubjekten ohnehin nicht steuerlich abzugsf~i-
hig sind. Ursache hierftir ist die Gewerbeertragsteuer, in deren Rahmen gelei-
stete Sollzinsen nur partiell die Bemessungsgrundlage mindem. De facto wirkt die-
ser Umstand in dem hier zugrunde gelegten Kontext wie eine Erhi ihung des Soll-
zinssatzes nach Steuern fiber den entsprechenden Habenzinssatz, sofern eine Si-
tuation unterstellt wird, in der Habenzinsen gewerbeertragsteuerpflichtig sind.
Konkret ftihrt die Besteuerung der Habenzinsen im Rahmen ihrer Berficksichti-
gung in G t z u einem Habenzinssatz nach Steuern yon i.(1-s), wobei s wie in (4.2)
definiert ist, w~ihrend sich der Sollzinssatz nach Steuern als i-(1-s+s +) > i-(1-s)
ergibt, da die Sollzinsen separat im Rahmen eines zweiten Summanden in (4.2)
besteuert werden. Sofern man vom zus~itzlichen Problem fehlender Konstanz yon
s absieht, gelangt man hiermit demnach zu einem Szenario, das (allerdings ohne
konkreten Bezug zu steuerlichen Fragen) als Hirshleifer-Modell in der Literatur
ebenfalls hinl~inglich bekannt ist und auch schon im Rahmen des vorliegenden
Lehrbuchs im Abschnitt 1 dieses Kapitels er6rtert worden ist. Es kann deswegen
425
m i t i {H) = i-(1-s) sowie i ~s~ - i-(1-s+s § > i ~m ohne weiteres auf die dortigen
Ausftihrungen verwiesen werden. Unmittelbare Folge hiervon ist insbesondere der
Umstand, dass nunmehr die Fisher-Separation ihre Gtiltigkeit verliert. Die
Ergebnisse des Standardmodells sind allein schon deshalb nur mit Einschr~inkung
auf die realen deutschen (Steuer-) Verh~iltnisse iibertragbar. Im Rahmen dieses
einftihrenden Lehrbuchs soil jedoch grunds~itzlich von der Gtiltigkeit der Pr~imis-
sen des Standardmodells ausgegangen werden. 21 Gerechtfertigt werden kann die-
ses Vorgehen wenigstens ansatzweise insbesondere dadurch, dass sich durch Ver-
nachl~issigung von s + bei der Bestimmung des Sollzinssatzes i ~s) grunds~itzlich ein
Fehler von nur wenigen Bruchteilen von Prozentpunkten ergibt. 22
Beispiel 4.5: Ftir s e~ = 47,475 %, s (g) = 16,67 %, S (k) • 25 % und i = 10 % resultiert i-(1-s) =
i'{1-[s(k)+0,5"S(e)'(1-s(k))]'(1-s(g~)-S (g>} ~ 4,77 % sowie i'(1-S+S +) = i'{1-
[ s ( k ) + 0 , S ' S ( e ) ' ( l - s ( k ) ) ] ' ( 1 - s ( g ) ) - 0 , 5 " s ( g L [ l + s ( k ) + 0 , 5 " s ( e ) ' ( 1 - s ( k ) ) ] } = 5,34 %. Ftir s e =
15,825 %23 ergibt sich unter sonst gleichen Voraussetzungen i.(1-s) ~ 5,76 %
und i-(1-s+s +) ~ 6,33 % []
Im Zusammenhang mit Personengesellschaften ist die resultierende Differenz
zwischen Soil- und Habenzinssatz infolge des Abzugs einer pauschalierten
Gewerbesteuerbelastung yon der Einkommensteuerschuld und der damit ceteris
paribus reduzierten Bedeutung der Gewerbesteuer tendenziell noch geringer.
21
22
23
Durch die umfassende und vollst~indig ftir die Diskussion steuerlicher Aspekte nutzbare Darstellung des Hirshleifer-Modells ist aber immerhin eine gewisse Auseinandersetzung mit den Konsequenzen eines den deutschen Verh~ilmissen etwas besser entsprechenden Steuersystems vorhanden.
Freilich hat auch schon die Annahme der Identit~it von Soll- und Habenzinssatz vor Steuern in der Empirie keine exakte Gtiltigkeit.
Im Jahre 2007 liegt der Eingangssteuersatz im Rahmen der Einkommensteuer exclusive Solidarit~itszuschlag bei 15 %, inclusive dieses Zuschlags folglich bei 15,825 %.
426
Aus der Gtiltigkeit der Fisher-Separation im Rahmen des Standardmodells folgt
nun des Weiteren ebenso wie im Abschnitt 1 des vorhergehenden Kapitels auch
die Anwendbarkeit des Kapitalwertkriteriums zur Ermittlung optimaler Realin-
vestitionsentscheidungen. Augenscheinlich ist I* n~imlich wieder so zu w~ihlen,
dass der Abszissenabschni t t Co,ma x der zugeh6rigen erreichbaren Kapitalmarktge-
raden max ima l wird. Diesen ermittelt man zu einem beliebigen Investitionsvo-
lumen I, indem man in der Gleichung der entsprechenden Kapitalmarktgeraden
C x gleich Null setzt und den Ausdruck nach C O aufl6st. Man erh~ilt:
C 1 = C 1+(1 +is)-(Co-Co) -- Fs(I)+(1 +is)" (Wo-I -C o) = 0
** Fs(I) +(1 +is)" (Wo-I) -- (1 +is)-C o
Fs(I) ,~ Co,~_~ = W o - I ,
1 +i s _ W0_i + ( 1 - s ) F ( I ) + s I
1 +i-(1 -s)
(4.12)
Mit W 0 als Konstante maximiert man in (4.12) den Wert ftir C0,max, indem man
die Differenz
( l - s )" F(I) +s. I I K S -=
1 +i. (1 -s) (4.13)
maximiert. Diese Differenz bezeichnet man als den zu einem durch das Inves-
t i t ionsvolumen I beschriebenen Investitionsprogramm geh6renden Kapi ta lwer t
nach Steuem. Die Bestimmungsgleichung (4.13) gibt konkret an, wie sich der Ka-
pitalwert eines Investitionsprogramms unter Berticksichtigung yon Steuern in einer
Zwei-Zeitpunkte-B etrachtung bestimmt.
Dass die Fisher-Separation eine Recht fe r t igung f'~" die Berechnung von Kapital-
werten zur (pr~iferenz- und anfangsverm6gensunabh~ingigen) Beurteilung der Vor-
teilhaftigkeit yon Investitionsprogrammen bei Abstraktion yon steuerlichen Fragen
liefert, ist ebenfalls bereits im Abschnitt 1 des dritten Kapitels er6rtert worden.
Ftir den hier betrachteten Ansatz zeigt sich, dass diese Implikation der Fisher-Se-
paration auch unter Einbezug yon steuerlichen ()berlegungen erhalten bleibt. An-
427
schaulich l~isst sich der Kapitalwert eines Investitionsprogramms dabei weiterhin
als die durch dieses Programm erzielbare Steigerung des gegenw~tigen Konsums
und damit letztlich als die VermiJgenssteigerung ftir den betreffenden Unterneh-
mer im Zeitpunkt t = 0 fiber den Startwert W 0 hinaus interpretieren, denn es gilt:
1( S = Co,max-W O.
Weil diese Verm6genssteigerung bei allgemein gleichartiger Besteuerung durch
jeden erreichbar ist, der Zugang zu dem betreffenden Investitionsprogramm hat,
gibt der Kapitalwert eines Investitionsprogramms auch hier noch an, welchen
Preis ein Unternehmer bei Verkauf seiner Investitionsm6glichkeit auf dem Kapi-
talmarkt erzielen kann: Der Kapitalwert eines Investitionsprogramms beschreibt
also auf einem (bis auf die Existenz einer allgemeinen Gewinnsteuer gem~iB dem
Standardmodell) vollkommenen Kapitalmarkt zugleich den bei Ver~iuBerung der
entsprechenden InvestitionsmSglichkeit erzielbaren Marktwert.
Beispiel 4.6: Gegeben sei der Unternehmer aus Beispiel 4.4. Der Kapitalwert des zum optima-
len Investitionsvolumen I* = 4 GE geh6rigen Investitionsprogramms bel~iuft sich
wegen Fs(I*) = 3,08-4~ 7,36 GE und i s = 7 % auf K s = -4+7,36/1,07 =
2,88 GE. Der maximal m6gliche unternehmerische Konsum in t = 0 bei optimaler
Realinvestition betr~igt damit etwa 10+2,88 = 12,88 GE. []
Aus (4.13) l~isst sich natfirlich erneut die Investitionsneutralitiit der Besteuerung
im Rahmen des Standardmodells bei Betrachtungsverengung auf zwei Zeitpunkte
herleiten. Es gilt n~imlich:
(1 -s) �9 F(I) +s-I-[1 +i'(1 -s)]" I Ks = 1 +i" (1 -s)
= (-I + F(I) ]. (1 -s)'(1 +i) k l+ i ) 1 ~ ' i l - -~
S
1 -s,) ~- ~]-+i] 1 +i.(1
(4.14)
428
Im Vergleich zu einer Situation ohne Steuern werden damit f'tir s > 0 die Kapital-
werte aller realisierbaren Investitionsprogramme mit dem gleichen Faktor l-s/
[l+i.(1-s)] < 1 gestaucht.
Bis auf den Umstand der Investitionsneutralitiit gelten all die ftir den Zwei-
Zeitpunkte-Fall genannten Zusammenh~inge - wie bereits angedeutet - auch bei
Betrachtung von mehr als zwei Zeitpunkten, welm also yon einem Investitions-
programm mit Einzahlungstiberschtissen z t vor Steuern in den Zeitpunkten t = 0,
1, 2 .. . . . T ausgegangen wird (wobei folglich z 0 = -I ist). Sofem der Vor-Steuer-
Zinssatz f'tir alle 24 Perioden sowie fiir Anlage und Aufnahme von Mitteln einheit-
lich i betr~igt und das Investitionsprogramm zu Absehre ibungen in H6he y o n D t
in den Zeitpunkten t = 0 ..... T f'dhrt, ermittelt sich der Kapi ta lwer t naeh Steuern
des Investitionsprogramms unter den Pr~imissen des Standardmodells wie folgt:
T Zt_S.(Zt_Dt ) @ ( l_ s ) . z t+s .D t Ks -- ~ - z.., (4.15)
t=o [1 +i-(1 -S)] t t=0 [1 +i" (1 -S)] t
Diese Formel kann ein wenig vereinfacht werden, wenn in t = 0 eine Aktivierung
des Invesfitionsobjekts in H6he der Anfangsauszahlung erfolgt, also negative
Abschreibungen D O = z 0 anfallen, so dass sich der steuerpflichtige Gewinn in t =
0 auf zo-D 0 = 0 beliiuff. Damit wird aus (4.15)
T Zt_ S.(Zt_nt ) T ( 1 - s ) ' z t + s ' D t Ks _-- Z o + ~ - Zo+ ~ (4.16)
t=l [1 +i-(1 -S)] t t=l [1 +i.(1 -S)] t
Wie im Zwei-Zeitpunkte-Fall erfolgt also eine Diskontierung der Einzahlungs-
tiberschtisse mit dem Nach-Steuer-Zinssatz i s = i'(1-s), nur dass Einzahlungen
spii terer Zeitpunkte entsprechend sti irker mit diesem Diskontierungsfaktor abge-
zinst werden. Im Zusammenhang mit der Modifikation des anzusetzenden Zinssat-
zes ftir die Diskontierung im Fall mit Steuern spricht man auch vom Zinseffekt
der Gewinnbesteuerung.
24 Auf die - unproblematische - Befiicksichtigung nicht-flacher Z inss t ruk turen werde zur Vereinfachung verzichtet.
429
Gegenstand der Abzinsung sind wie im Zwei-Zeitpunkte-Modell jeweils die Ein-
zahlungstiberschtisse aus dem Investitionsprogramm nach Steuern, aber ohne Be-
rticksichtigung der Zahlungskonsequenzen (inclusive induzierter Steuerzahlungen)
aus Finanzinvestitionen. Diese steuerlich bedingte Modifikation der Zahlungsreihe
des Investitionsprogramms nennt man auch den Volumeneffekt der Gewinnbe-
steuerung.
Dass dabei Finanzinvestitionen in der Zahlungsreihe nach Steuern nicht auftreten,
mag auf den ersten Blick tiberraschen, in der Tat ergab sich aber Entsprechendes
auch schon im Rahmen der Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung, wie man leicht anhand
von Gleichung (4.13) tiberprtift und tiberdies auch schon in der generellen Kapital-
wertdiskussion des Abschnitts 1 des Kapitels III bei Abstraktion yon Steuem be-
obachten konnte. Die Ursache ftir das Nicht-Auftreten der Zahlungskonsequenzen
aus Finanzinvestitionen in der Kapitalwertformel ist hierbei darin zu sehen, dass
Finanzinvestitionen auch unter Beriicksichtigung ihrer Steuerwirkungen nicht zu
einer Verm0gensiinderung auf Seiten des Untemehmers f'tthren. Sie bewirken nach
wie vor lediglich eine Umschichtung von Konsumm6glichkeiten zwischen den
einzelnen Zeitpunkten, also etwa zwischen t = 0 und t = 1. Graphisch zeigt sich
dies im Rahmen einer Zwei-Zeitpunkte-Darstellung erneut daran, dass Finanz-
investitionen auch im Standardmodell zur Berticksichtigung von Steuern in der
Investitionsrechnung nur eine Bewegung auf einer Kapitalmarktgeraden darstellen,
nicht aber einen Wechsel zu einer h6her gelegenen erm6glichen. Anders formu-
liert, ist der Kapitalwert von Finanzinvestitionen stets gerade Null, und deswegen
tauchen die Zahlungskonsequenzen von Finanzinvestitionen nicht explizit in den
Formeln (4.13) bis (4.16) auf.
Beispiel 4.7: Ausgangspunkt der Betrachtung sei ein Unternehmer, der in t = 0 Zugang zu
einem Investitionsprojekt mit einer Anfangsauszahlung yon 100 GE und einer
Nutzungsdauer yon vier Perioden bis t = 4 habe. Die genauen Zahlungskonsequen-
zen z t des Projekts in den einzelnen Zeitpunkten t = 0 ..... 4 sind der Tabelle 4.1
zu entnehmen.
430
t 0 1 2 3 4
z t -100 20 30 50 50
Tabelle 4.1: Zahlungsreihe eines Investitionsprojekts fiber ffinf Zeitpunkte t =
0 ... . . 4
Die Anfangsauszahlung werde (steuerlich wirksam) in t = 0 aktiviert und in vier
gleichen Betr~igen linear fiber den Nutzungszeitraum abgeschrieben. Des Weiteren
habe der Untemehmer Zugang zu einem Kapitalmarkt, auf dem zu einem Zinssatz
i vor Steuern Mittel f'tir jeweils eine Periode angelegt oder aufgenommen werden
k6nnen. Die Besteuerung erfolge gem~il3 den Pr~imissen des Standardmodells der
Investitionsrechnung zur Erfassung steuerlicher Aspekte.
Der Nutzen des Untemehmers wachse ceteris paribus in den unternehmerischen
Konsumauszahlungen C t der Zeitpunkte t (t = 0 ..... 4) an. Der Kapitalmarktzins-
satz vor Steuern sei i = 15 %, und der f'th- alle Zeitpunkte und Gewinnh6hen kon-
stante Steuersatz betrage s = 40 %. Geprtift werden soll, ob das zugrunde gelegte
Investitionsprojekt aus Sicht des Unternehmers von Vorteil ist. Gem~ig den
Ausffihrungen dieses Abschnitts kann man unter diesen Pramissen die Vorteilhaf-
tigkeit eines Investitionsprojekts unabhangig von den konkreten unternehmerischen
Zeitpr~iferenzen und dem Anfangsverm6gen des Untemehmers durch Ermittlung
des Projektkapitalwerts nach Steuern beurteilen. Ferner wurde gezeigt, dass zur
Kapitalwertberechnung die Zahlungsreihe aus dem Investitionsprojekt nach
Steuern, aber ohne explizite Berficksichtigung von Kapitalmarkttransaktionen mit
dem mal3geblichen Nach-Steuer-Zinssatz zu diskontieren ist.
In Tabelle 4.2 k6nnen neben den Einzahlungen z t des Investitionsprojekts in den
Zeitpunkten t = 0 ..... 4, die Abschreibungen D t in diesen Zeitpunkten, der jewei-
lige steuerpflichtige Gewinn G t = z t - D t unter Vernachl~issigung von Kapitalmarkt-
transaktionen sowie schlieglich noch die Steuerzahlungen S t = s-(z,-Dt) und die
Zahlungsreihe zt-S t nach Steuem abgelesen werden. Zu beachten ist, dass die
431
Aktivierung des Investitionsobjekts in t = 0 zu 100 GE als eine Zuschreibung, das
heiBt negative Abschreibung, zu interpretieren ist.
t 0 1 2 3 4
z t -100 20 30 50 50
D t -100 25 25 25 25
zt-D t 0 -5 5 25 25
S t 0 -2 2 10 10
z t - S t - 100 22 28 40 40
Tabelle 4.2: Ermittlung der Zahlungsreihe nach Steuem (t = 0 . . . . . 4)
Aus i = 15 % und s = 40 % ergibt sich ein Nach-Steuer-Zinssatz i s = 0,15-(1-0,4)
= 9 %. Der Kapitalwert ~c s des Investitionsprojekts unter Berticksichtigung yon
Steuem berechnet sich damit als
r s - - - 1 0 0 + 22 + 28 + 40 ~ - - 4 0 - 2 , 9 7 GE. (4.17) 1,09 1,09 ~ 1,093 1,094
Das bedeutet, der Untemehmer wird durch die Durchftihrung des Investitions-
projekts in t = 0 um etwa 2,97 GE reicher: Er k6nnte in t = 0 einen Kredit in
H6he von (ungefiflar) 100+2,97 = 102,97 GE aufnehmen, von diesen Mitteln 100
GE zur Bestreitung der Anfangsauszahlung ftir das Investitionsprojekt nutzen und
den Restbetrag konsumtiven Verwendungen zuf'tihren. Die Rtickzahlung dieses
Kredits k6nnte vollst~indig aus den kiLqftigen Einzahlungsiiberschtissen des Investi-
tionsprojekts erfolgen. Zum Beleg dieser Behauptung sollen s~imtliche Zahlungen
aus dem Investitionsprojekt und dem aufgenommenen Kredit in H6he von 102,97
GE mittels eines (einfachen) vollst~indigen Finanzplans in den folgenden Ta-
bellen 4.3 und 4.4 abgebildet werden.
Zeitpunkt t
Investitionszahlungen z t
+ Einlage
+ Kreditaufnahme
Sollzinsen
Steuerzahlungen
432
t = 0
-100
-2,97
102,97
t = l
20
-12,73
15,45
-8,18
t = 2
30
-19,88
13,54
-3,42
t = 3
50
-33,67
10,55
5,78
t = 4
50
-36,7
= Finanzierungssaldo 0 0 0 0 0
90,24 36,69 Kreditstand
Tabelle 4.3:
102,97 70,36
5,5
7,8
025
Vollst~indige Finanzplanung bei reiner Fremdfinanzierung (generell
auf zwei Stellen genau gemndete Werte)
Zeitpunkt t
Investitionszahlungen z t
- Abschreibungen
- Sollzinsen
= Gewinn
Steuerzahlungen
Tabelle 4.4:
t = 0
-100
-100
0
0
0
t = 1 t = 2 t = 3 t = 4
20 30 50 50
25 25 25 25
15,45 13,54 10,55 5,5
-20,45 -8,54 14,45 19,5
-8,181-3,42 5,78 7,8
Nebenrechnung zur Ermittlung der Steuerbelastungen in t = 0 .....
4 (generell auf zwei Stellen genau gerundete Werte)
25 In der Tat ergibt sich als Endwert ein Kreditstand von -0,01 GE. Auf den Ausweis dieser rundungsbedingten Abweichung yon 0 GE wurde der Einfach- heit halber in Tabelle 4.3 verzichtet.
433
In Tabelle 4.3 sind samtliche Ein- und Auszahlungen des Unternehmens ffir die
einzelnen Zeitpunkte t = 0 . . . . . 4 aufgelistet. Die Summe aller Zahlungen eines
Zeitptmktes ergibt den Finanzierungssaldo. Dieser muss sich gemN3 der Dar-
stellung aus dem vorhergehenden Abschnitt 3 stets auf Null belaufen. In der
letzten Zeile aus Tabelle 4.3 ist der jeweils noch ausstehende Kreditbetrag des
betreffenden Zeitpunktes ausgewiesen. Das Kreditvolumen reduziert sich hierbei
in jedem Zeitpunkt um die vorgenommenen Tilgungen. Diese stehen in Tabelle
4.3 als negative Kreditaufnahme. Der Wert -12,73 ftir die Kreditaufnahme in t =
1 bedeutet also, dass in t = 1 eine Kredittilgung in H6he yon 12,73 GE erfolgt.
Dadurch ver~indert sich der Bestand an liquiden Mitteln um +(-12,73) = -12,73
GE, er nimmt also ab.
Entsprechend sind die anderen Zahlen in Tabelle 4.3 zu interpretieren. So bezeich-
net die negative Einlage des Zeitpunktes t = 0 die aus Untemehmersicht m6gliche
Entnahme ftir Konsumzwecke. Negative Werte fiir die Steuerzahltmgen stehen ffir
Steuererstattungen seitens des Fiskus, die den untemehmerischen Kassenbestand
des jeweiligen Zeitpunktes t positiv ver~indern. Die Steuerzahlungen wiederum
kann man nicht unmittelbar angeben. Hierzu ist vielmehr eine Nebenrechnung zur
Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns eines Zeitpunktes t erforderlich. Diese
findet sich in Tabelle 4.4. Die Steuerbelastung in der letzten Zeile der Tabelle 4.4
ergibt sich hierbei als 40 % des ausgewiesenen Gewinns.
Zur Entwicklung der beiden Tabellen berechnet man als Erstes ffir gegebenen Kre-
ditstand eines Zeitpunktes t-1 die resultierenden Sollzinszahlungen (vor Steuern)
des Zeitpunktes t. Mit deren Hilfe lassen sich fiber Tabelle 4.4 der steuerpflichtige
Gewinn und die Steuerzahlungen im Zeitpunkt t berechnen. Letztere werden in
Tabelle 4.3 zusammen mit den Sollzinszahlungen schlieglich zur Bestimmung der
in t noch m6glichen Kredittilgung genutzt.
Die Tabellen 4.3 und 4.4 zeigen, dass ein Kredit yon 102,97 GE in der Tat bis t
= 4 quasi exakt zurtickgezahlt werden kann. Dies bedeutet aber auch, dass sich
der Unternehmer fiir beliebige Konsumpraferenzen und beliebiges Anfangsverm6-
434
gen durch die Realisation des Investitionsprojekts besserstellt als bei dessen
Unterlassung: Die ca. 2,97 GE Reichtumszuwachs in t = 0 erzielt der Unterneh-
mer narnlich auch dann, wenn er in t = 0 fiber sonstige liquide Mittel (etwa von
100 GE) verftigt, und sollte er Konsum in sp~iteren Zeitpunkten gegenfiber Kon-
sum in t = 0 pr~iferieren, darm kann er den Zugewinn yon ungef'fihr 2,97 GE in
t = 0 bis zu einem sp~iteren Zeitpunkt ohne weiteres wieder anlegen und so seinen
Zukunftskonsum entsprechend ausdehnen. []
Bei Zugrundelegung der Annahmen des Standardmodells sind Real invest i t ionen
denmach stets kap i t a lwer tmax imie rend zu treffen. Um den Kapitalwert der Ge-
samtheit aller Investitionen eines Unternehmers, also seines Investitionspro-
gramms, zu maximieren, sind alle Investitionsprojekte mit posi t ivem Kapitalwert
durchzuffihren. Die Summe der Kapitalwerte der einzelnen Projekte ergibt n~mlich
auch in der Nach-Steuer-Rechnung den Kapitalwert der Summe dieser Projekte,
das heiBt des Investitionsprogramms. Die Eigenschaft der Wertaddi t ivi t i i t der
Kapitalwertformel bleibt demnach ebenfalls im Rahmen des Standardmodells er-
halten. Zur Verdeudichung sei ein Investitionsprogramm unterstellt, das sich aus
zwei Einzelprojekten 1 und 2 zusammensetzt. Die Zahlungsreihen der beiden Pro-
jekte seien ebenfalls wie die jeweiligen Abschreibungen dutch einen hochgestell-
ten Index "(1)" bzw. "(2)" charakterisiert. Der Kapitalwert ~:s ~ des gesamten - (1 ) und - (2) Investitionsprogramms ergibt sich dann als S u m m e der Kapitalwerte r ~-s
der beiden Projekte 1 und 2:
T (1 +2)
K S = E t=O
--E
( z ( 1 ) + Z t(2)) - s" [(zt(') +zt(2)) - (Dt~ +D/2))]
[1 +i' (1 - S ) ] t
- " t " t T (l_s).z[1)+s.Dt O) § (1 s) z(2)+s 0 (25
z.~ t=o [1 +i. (1 -s)] t t=o [1 +i. (1 -s)] t
(4.18)
(1) (25 - K S + K S .
4.4
435
Steuerparadoxon und Investitionsneutralit/it
Im Rahmen des Zwei-Zeitpunkte-Ansatzes aus dem vorhergehenden Abschnitt re-
sultierte unmittelbar die Investitionsneutralit~it der Besteuemng. Allerdings wurde
bereits weiter oben darauf hingewiesen, dass es sich hierbei keinesfalls um eine
allgemeingtiltige Implikation des Standardmodells handelt. Beispiele mit fehlen-
der Investitionsneutralitiit lassen sich n~rnlich leicht auch im Kontext des Stan-
dardmodells formulieren.
Beispiel 4.8:
Gegeben seien die Annahmen aus dem vorhergehenden Beispiel 4.7. Der Kapital-
wert n des Investitionsprojekts vor Steuem bestimmt sich dann als
K - - - 1 0 0 + 20 + 30 + 50 § ~ 1,54 GE. (4.19) 1,15 1,152 1,153 1,154
Dieser liegt unterhalb des Kapitalwertes far das Investitionsprojekt bei Existenz
einer allgemeinen Gewinnsteuer. Ware die Anfangsauszahlung in t = 0 nun etwa
um 2 GE h6her als bislang angenommen, betrtige sie also 102 GE, dann erg~ibe
sich in (4.19) ein negativer Kapitalwert von ca. -0,46 GE, wahrend der Kapital-
wert nach Steuern aufgrund der durch die erh6hte Anfangsauszahlung bedingten
zus~itzlichen Abschreibungsm6glichkeiten ebenfalls nicht um mehr als 2 GE ab-
n~ihme und folglich weiterhin positiv bliebe. In der Vor-Steuer-Rechnung wtirde
das Investitionsprojekt folglich abgelehnt, in der Nach-Steuer-Rechnung hingegen
angenommen. Das Postulat der Inves'titionsneutralit~it ist hierbei demnach ver-
letzt. []
Beispiel 4.8 belegt nicht nur, dass im Rahmen des Standardmodells Investitions-
neutralit~it nicht zwingend gegeben sein muss. Es zeigt iJberdies auch, dass der
Kapitalwert eines Investitionsprojekts nach Steuem h6her sein kann als vor Steu-
ern. Man spricht in diesem Zusammenhang wegen des auf den ersten Blicks kon-
436
traintuitiven Zusammenhangs vom sogenannten Steuerparadoxon. 26
Insgesamt ist damit nun auf zwei Problemkreise einzugehen. Zum einen besteht
Kl~xungsbedarf hinsichtlich des Steuerparadoxons. Zum anderen stellt sich die
Frage, unter welchen Bedingungen im Rahmen des Standardmodells Investitions-
neutralit~it generell gegeben ist. Augenscheinlich sind beide Fragestellungen mit-
einander verkntipft. Zun~ichst soil auf die Hintergrtinde des Steuerparadoxons ein-
gegangen werden. Danach wird die Frage der Investitionsneutralit~it eines Steuer-
systems n~iher behandelt.
4.4.1 Das Steuerparadoxon 27
In der einfachsten Version wird man von einem Steuerparadoxon bereits dann spre-
chen, wenn der Nach-Steuer-Kapitalwert ~:s fiber dem Vor-Steuer-Kapitalwert ~c
liegt. Sofern nicht gerade ein Steuersystem mit ~:s - ~: vorausgesetzt wird, ist das
Steuerparadoxon in dieser Form stets beobachtbar. Zur Veranschaulichung muss
man lediglich zum einen wissen, dass man einen Kapitalwert ~c in der Vor-Steuer-
Betrachtung stets als Differenz zwischen dem Kapitalwert der Einzahlungen von
t = 1 bis t = T, also dem aus Sicht des Zeitpunktes t = 0 maBgeblichen
Ertragswert, und der Anfangsauszahlung A 0 bestimmen kann. Zum anderen ist we-
sentlich, dass sich ein Nach-Steuer-Kapitalwert ~:s als die um die Anfangsauszah-
lung A 0 verringerte Summe der unter Zugrundelegung yon Nach-Steuer-Zinss~itzen
berechneten Kapitalwerte Arl~ 1~ der Nach-Steuer-Einzahlungen ( I - s ) ' z 1 . . . . . ( 1 -
s)-z T und Arls (2~ der Steuerminderungen ftir t = 1 bis t = T infolge der Abschrei-
bung der Anfangsauszahlung ergibt: ~:s = ATls(1)+ATIs2)-A0 �9 Falls nun K s < ~c fiir
eine bestimmte zugrundeliegende Realinvestition gilt, impliziert dies AXis (1~ < A'q
wegen Arl(s 2) > 0. Durch Multiplikation der Einzahlungen zl ..... z T mit -1 resultiert
folglich -Arl(s ~ > -Arl und damit auch -~:s > -~:, das heiBt ein auf die modifizierte
26 Vgl. z.B. Grob (1989b), S. 697 ft., sowie sehr ausf'tihrlich Steiner (1980), S. 102 ff.
27 Die folgenden Ausftihrungen basieren zum Teil auf Breuer (1999c).
437
Zahlungsreihe -A 0, -z~ . . . . . -zr bezogenes Steuerparadoxon.
Weniger trivial und auch von gr6Berer Bedeumng ist das Zusammentreffen von
ns > 0 und n < 0 ftir eine Realinvestition. Im Rahmen einer Einzelentscheidung
erh~ilt man hier n~imlich, dass sich ein Investitionsprojekt unter Berticksichtigung
yon Steuerzahlungen als vorteilhaft erweisen kann, obwohl es vor Steuern von
Nachteil ist. In derartigen F~illen soll vom S tene rpa radoxon im engeren Sinne
gesprochen werden, wSJarend das erstgenannte - allgemeinere - Szenario das Sten-
erparadoxon im weiteren Sinne bezeichne. Ein Steuerparadoxon im engeren Sin-
ne i s t immer genau dann konstruierbar, wenn ein Steuersystem Simationen mit ~c s
> n bei ns > 0 impliziert: Eine ceteris paribus erfolgende Erh6hung der Pro-
jektanfangsauszahlung um n+e (mit ~ > 0, aber klein) ftihrt dann zu einem negati-
ven Projektkapitalwert vor Steuem, w~ihrend der Projektkapitalwert nach Steuern
infolge der zus~itzlichen Abschreibungsm6glichkeiten bei erh6hter Anfangsauszah-
lung um nicht mehr als n+e sinken wird und aus diesem Grunde positiv bleibt.
Das Steuerparadoxon i.e.S, hat dartiber hinaus auch Bedeutung ffir Auswahlent -
scheidungen: Wenn der (~-2) Differenzkapitalwert ~:s der Projekte 1 und 2 nach Steu-
em pos i t iv i s t bei einem negativen Differenzkapitalwert n(~-2) vor Steuern, dann
ist nach Steuern Projekt 1 gegentiber dem Projekt 2 tiberlegen, wahrend es sich
vor Steuem genau anders herum verh~ilt.
Schliel31ich ist die Abwesenheit von Steuerparadoxa i.e.S, infolge der gerade
dargelegten Zusammenh~age notwendig und hinreichend ffir die Investitionsneu-
tralit~it eines Steuersystems. Damit wiederum erfordert Investitionsneutralit~it ins-
besondere, dass ~s > ~: fiir ~:s > 0 nicht m6glich ist.
Rein formal liegt die Ursache f/Jr das Steuerparadoxon auf der Hand: Der (negati-
ve) Volumenef fek t in der Rechnung mit Steuern wird durch den (positiven) Zins-
effekt tiberkompensiert. Diese l Jbe rkompensa t ion kann derart ausgepr~igt sein,
dass sich ein negativer Kapitalwert vor Steuern nach Steuem ins Positive wandelt,
also sogar ein Steuerparadoxon i.e.S, auftreten kann.
438
Auch inhaltlich dtirfte dieses Ph~inomen bei n~Lherer Uberlegung durchaus ver-
st~indlich sein. Wie bereits mehrfach dargelegt, gibt der Kapitalwert generell den
Verm6genszuwachs oder Zusatzkonsum (in t = 0) an, den ein Investor auf einem
(bis auf die Existenz einer allgemeinen Gewinnsteuer) vollkommenen Kapital-
markt durch die Investitionsrealisation erreicht. Ftir die Entscheidungssituation aus
den Beispielen 4.7 und 4.8 ist dieser m6gliche Konsumzuwachs unter Berticksich-
tigung von Steuern tats~ichlich griiBer als ohne diese. Eine notwendige Voraus-
setzung ftir das Auftreten von Steuerparadoxa i.e.S, ist grunds~itzlich, dass die
Sollzinsen auf aufgenommene Kredite steuerlich abzugsfiihig sind. 28 Dieser Ef-
fekt kann sich derart gtinstig auswirken, dass trotz der generellen Besteuerung der
Einzahlungstiberschtisse aus dem Investitionsprojekt die Einffihrung einer allge-
meinen Gewinnbesteuerung dem Untemehmer ceteris paribus einen h6heren Kon-
sum in t = 0 als in der Vor-Steuer-Rechnung erm6glicht. Falls der betrachtete Un-
ternehmer denmach vor allem an Gegenwartskonsum interessiert ist, weil seine
Gegenwartspr~iferenz sehr ausgepriigt oder aber seine Anfangsausstattung mit Kon-
summ6glichkeiten in t = 0 sehr gering ist, wird er tats~ichlich die Einffihrung der
hier betrachteten Gewinnsteuer begriiBen.
Beispiel 4.9:
Es sei im Rahmen der Entscheidungssimation aus den Beispielen 4.7 und 4.8 von
einem v611ig mittellosen Umernehmer mit alleinigem Wunsch zu Konsum in t =
0 ausgegangen. Dieser Untemehmer wird die ceteris paribus erfolgende Einftih-
rung der Gewinnbesteuerung wegen der M6glichkeit, seinen Konsum in t = 0 yon
etwa 1,54 GE auf ca. 2,97 GE zu steigern, zweifelsfrei ftir sich als vorteilhaft
ansehen. []
28 Vgl. hierzu Anhang 1 zu diesem Abschnitt.
439
Die gerade beschriebene M6glichkeit zur Vorteilhaftigkeit der Einftihrung einer
Gewinnbesteuemng aus Sicht eines Steuersubjekts wird zuweilen tibersehen. 29
Die obigen Ausf'tihrungen implizieren allerdings nieht, dass im Rahmen des hier
betrachteten Entscheidungsproblems die Einffihrung einer Gewinnsteuer ftir den
Unternehmer stets von Vorteil ist. Zum einen wird die Einftihrung einer Gewirm-
besteuerung Einfluss nehmen auf die Real- und Finanzinvestitionsvolumina und
damit auf den am Kapitalmarkt herrschenden Zinssatz i, so dass man zum Ver-
gleich der beiden Situationen ohne und mit einer Gewinnbesteuerung nicht ein-
fach jeweils den gleichen Vor-Steuer-Zinssatz ansetzen k6nnen wird. 3~ Zum an-
deren kann es aber sogar bei Konstanz von i sein, dass sich der Unternehmer
durch die Einftihnmg einer Gewinnbesteuerung sehleehterstellt, obwohl der Kapi-
talwert des Investitionsprojekts in der Nach-Steuer-Rechnung griiBer als in der
Vor-Steuer-Rechnung isc
Beispiel 4.10:
Zur Verdeutlichung sei angenommen, dass der in den Beispielen 4.7 und 4.8 be-
trachtete Unternehmer fiber eine Anfangsausstattung von 100 GE in t = 0 verftigt
und lediglich in t = 4 Konsumausgaben t~itigen m6chte. In t = 0 bel~iuft sich sein
verbleibendes liquides Verm6gen nach Leistung der Anfangsauszahlung, aber vor
Durchfiihrung von Finanzinvestitionen sowohl bei Rechnung mit als auch ohne
Steuern stets auf 0 GE. Die jeweiligen Einzahlungstiberschtisse aus der Investition,
z t bzw. z t -S t , legt er bis t = 4 zu i = 15 % bzw. i s = 9 % an. Ohne Gewinn-
besteuemng resultiert damit ftir ihn in t = 4 ein konsumierbares Endverm6gen von
20"1,153+30'1,152+50-1,15+50 ~. 177,59 GE. (4.20)
Mit Gewinnbesteuerung hingegen kommt der Unternehmer bis t = 4 nur auf einen
Endwert in H6he von
22.1,093*28.1,092+40.1,09+40 ~- 145,36 GE. (4.21)
29
30
Vgl. etwa die Ausftihrungen zum Steuerparadoxon in Franke/Hax (2004), S. 212.
Vgl. zur Frage, inwiefern die Einf'tihrung von Steuern den gleichgewichtigen Kapitalmarktzinssatz beeinflusst, sehr ausftihrlich Sinn (1985).
440
In der Tat w/ire es nun f'tir den Unternehmer weitaus besser, wenn es keine Ge-
winnbesteuerung giibe.
177,59
145,36
l c4
I lOl,54 lO2,97 Co
Abbildung 4.2: Konsumm6glichkeiten in t = 0 und t = 4 ohne (G 0)) und mit
( G (2)) Steuern (Skizze; gerundete Werte)
Ftir die hier betrachtete Entscheidungssituation k6nnen die unterschiedl ichen
Wohlfahr tskonsequenzen aus der Einfiihrung der Gewinnbesteuerung je nach
Zielgr6Be (Gegenwartskonsum C O oder Zukunftskonsum C4) gut graphisch darge-
stellt werden. Die Kapitalmarktgerade G (1) in Abbildung 4.2 gibt alle erreichbaren
Kombinationen yon Konsum in t = 0 und t = 4 an, die der Untemehmer fiir C~
= C2 = C3 = 0 GE bei einer Verm6gensanfangsausstattung yon 100 GE in t = 0
und Fehlen einer Gewinnbesteuerung erreichen kann. Die Gerade G (2) gibt die
entsprechenden Konsumkombinadonen f'tir den Fall an, dass die bier beschriebene
Gewinnsteuer erhoben wird (und i dabei konstant bleibt). Man erkennt unmit-
telbar, dass in der Vor-Steuer-Betrachtung h6here Werte ftir C 4 und in der
Nach-Steuer-Bet rachtung h6here Werte fiir C O erreicht werden k6nnen. Letzteres
beschreibt gerade das Auftreten des Steuerparadoxons. Eine allgemeingiiltige
Beurtei lung der Wohlfahrtskonsequenzen aus der Einfiihrung der bier betrachteten
441
Gewinnsteuer ist gem~iB Abbildung 4.2 indes nicht m/3glich. Entscheidend hierftir
ist, dass sich die beiden Geraden schneiden. Als Schnittpunkt ergibt sich konkret
(ungef~tr) (C0;C1) = (95,56;10,46). Ein Unternehmer, der nach Einftihrung der
Gewinnsteuer einen Gegenwartskonsum Co unterhalb von 95,56 GE anstrebt, also
einen Punkt auf der Kapitalmarktgeraden G (z) links vom Schnittpunkt mit der Ge-
raden G (~) realisiert, hat sich durch durch die Einftihrung einer Gewinnsteuer bei
unver~indertem Kapitalmarktzinssatz i (vor Steuern) aufjeden Fall verschlechtert.
Vor Einftihrung der Gewinnsteuer w~en n~imlich f'tir ihn Konsumpositionen auf
der Geraden G (J) erreichbar gewesen, die simultan h6here Werte f'tir C O und Cj
er6ffneten, als auf G ~) ftir C O < 95,56 GE erreichbar sind. Derartige Konsumpl~ine
finden sich auf der Geraden G ~) links vom Schnittpunkt mit G (2).
Aus einer entsprechenden Uberlegung heraus ist augenscheinlich, dass ein Unter-
nehmer, der in der Situation ohne Gewinnbesteuerung einen Punkt auf der Gera-
den G (1) reehts vom Schnittpunkt mit G (2) als optimal empfindet (also C o gr6Ber
als 95,56 GE wSlalte), durch die Einfahrung der Gewinnsteuer bei konstantem Ka-
pitalmarktzinssatz i vor Steuern eine Verbesserung erf~ihrt: Auf der Geraden G (2)
befinden sich reehts vom Schnittpunkt mit G (1) immer Konsumkombinationen
(C0;C 0, die in beiden Komponenten besser sind als der vom Untemehmer auf G (1)
gew~ihlte Konsumplan (mit Co > 95,56 GE). Vereinfacht gesprochen, dominiert
die Gerade G (1~ die Gerade G (2) unter der Voraussetzung C o < 95,56 GE und wird
v o n G (2) ihrerseits fur Co > 95,56 GE dominiert. Deswegen ist nur dann ohne wei-
tere Informationen zur unternehmerischen Nutzenfunktion keine eindeutige Aus-
sage zu den Wohlfahrtskonsequenzen aus der Einftihnmg der Gewinnsteuer (bei
konstantem Kapitalmarktzinssatz i) m6glich, wenn der Untemehmer ohne Steuern
C O < 95,56 GE w~hlt und mit Steuern C O > 95,56 GE. Graphisch bedeutet dies,
dass er von einem Punkt auf dem linken TeilstUck yon G (1) zu einem Punkt auf
dem rechten Teilstfick von G (2) wechselt. Je nach genauer Lage der Indifferenz-
kurven des Unternehmers kann dies f'tir ihn eine Nutzenverbesserung oder Nut-
zenverschlechterung bedeuten. Offensichtlich ist in jedem Fall, dass die Einf'tth-
rang einer Gewinnsteuer (bei konstantem Zinssatz i) nicht yon allen Marktteilneh-
mern in gleicher Weise beurteilt wird. []
442
Die Ursache ftir das Resultat aus dem vorhergehenden Beispiel 4.10 ist often-
kundig: Ftir Subjekte, die am Kapitalrnarkt vornehmlich Anlagen t~itigen, resultiert
als Folge der Gewilmbesteuerung nicht nur ein geringerer Einzahlungstiberschuss
nach Steuern aus der Investition, sondern tiberdies ergeben sich auch noch gerin-
gere Ertr~ige aus Kapitalmarktanlagen. Insbesondere Entscheidungstr~iger mit
hoher Zukunftspr~iferenz oder hoher Vermiigensanfangsausstattung in t = 0
werden deshalb durch die Gewilmbesteuerung in der Regel Wohlfahrtseinbugen
erfahren.
4.4.2 Investitionsneutrale Besteuerung
4.4.2.1 Ertragswertabschreibung im Standardmodell
Steuerparadoxa i.e.S, k6nnen je nach Art der Besteuerung auftreten, sie miissen
es aber nicht. Letzteres gilt selbst dann, wenn die notwendige Bedingung f'tir das
Auftreten yon Steuerparadoxa i.e.S., n~nlich die steuerliche Abzugsf~ihigkeit yon
Sollzinsen, erftillt ist. Entscheidend ist hierbei n~nlich noch die Art der Ab-
sehreibung. Wir haben schon gesehen, dass im Zwei-Zeitpunkte-Fall mit D o = -I
und D~ = I Investitionsneutralit~it herrscht. Investitionsneutralit~it erhNt man tiber-
dies generell sogar im Mehr-Perioden-Fall, wenn die Abschreibung auf sogenannte
Ertragswerte effolgt. 31
Im Rahmen der Ertragswertabschreibung geht es nicht datum, die Anfangsaus-
zahlung aus einer Investition auf die Projektnutzungsdauer zu verteilen. Aus
diesem Grunde ist weder die Summe der Abschreibungen noch ihr Kapitalwert
zwingend gleich der Anfangsauszahlung. Vielmehr besteht der Ansatzpunkt in der
Betrachtung des jeweiligen Kapitalwerts der noch ausstehenden ktinftigen Einzah-
lungen aus einem Investitionsprojekt.
31 Wichtige Arbeiten zur Relevanz der Ertragswertabschreibung gehen auf Johansson (1961, 1969) und Samuelson (1964) zurtick.
443
Der Kapitalwert zum Zeitpunkt t der aus Sicht dieses Zeitpunktes kiJnftigen Pro-
jekteinzahlungen zt+ 1 ..... z v bis zum Ende des Planungshorizonts T wurde bereits
in einem frtiheren Abschnitt als Er t r agswer t Tit definiert. Dieser Ertragswert be-
schreibt, mone t~ ausgedrtickt, die noch im Projekt vorhandenen Nutzungsmiig-
l ichkeiten zum Betrachtungszeitpunkt t. In dem Mal3e, wie sich dieser Ertragswert
von Periode zu Periode verringert, verliert ein Investitionsprojekt an Wert und
sollte dementsprechend abgeschrieben werden. Statt die Anfangsauszahlung auf
die Jahre der Projektnutzung zu verteilen, geht es demnach hierbei um die Er-
fassung der monetaren Wertmindemng von Investitionsprojekten im Zeitablauf.
Beispiel 4.11:32
Betrachtet sei ein Investitionsprojekt mit der folgenden Zahlungsreihe ftir t = 0,
.... 4 gem~il3 Tabelle 4.5.
t
Zt
0 1 2 3 4
-100.000 35.157 24.764 25.735 35.491
Tabelle 4.5: Zahlungsreihe eines Investitionsprojekts (t = 0 ... . . 4)
Der Kapitalmarktzinssatz vor Steuern sei i = 8 %. Den Ertragswert des Zeitpunk-
t e s t = 0 erhalt man, indem man die Einzahlungen der Zeitpunkte t = 1 bis t = 4
auf den Zeitpunkt t = 0 abzinst. Es gilt also:
35.157 24.764 25.735 35.491 rl0 - - - ~ + + - - ~ 100.300,134 GE. (4.22)
1,08 1,08 z 1,083 1,084
In entsprechender Weise lassen sich die anderen Ertragswerte ~t (t = 1, 2, 3) be-
rechnen. Beispielsweise gilt ftir den Ertragswert TI2 des Zeitpunktes t = 2:
32 Das folgende Zahlenbeispiel ist an Wagner/Wissel (1995) angelehnt. Entspre- chendes gilt far die auf Beispiel 4.11 aufbauenden Beispiele 4.12, 4.14 sowie 4.17.
444
25.735 35.491 r12 -- - - § - - ~ 54.256,516 GE. (4.23)
1,08 1,08 z
In Tabelle 4.6 sind sgrntliche Ertragswerte ]]t (t = 0 ..... 3) zusammengefasst. Der
Ertragswert ]]4 des Zeitpunktes t = 4 bel~iuft sich nattirlich auf 0 GE, da es voll-
st~indig an zukfinftigen Einzahlungstiberschtissen mangelt. Im gleichen Mage, wie
sich der Ertragswert des betrachteten Investitionsprojekts verringert, reduziert sich
der Marktwert der mit dem Investitionsprojekt jeweils noch verbundenen ktinf-
tigen Einzahlungen. Die hieraus resultierenden Abschreibungen D t eines Zeitpunk-
tes t = 0 ..... 4 ergeben sich als Differenzen qt.~-rlt. Auch diese Werte k6nnen aus
Tabelle 4.6 abgelesen werden.
t 0 1 2 3 4
~t 100.300,134 73.167,144 54.256,516 32.862,037 0
D t -100.300,134 27.132,99 18.910,628 21.394,479 32.862,037
Tabelle 4.6: Projektertragswerte und Abschreibungenje nach Betrachtungszeit-
punkt t = 0 . . . . . 4 (generell auf drei Stellen genau gerundet)
Im Zusammenhang mit der Bestimmung von D O = rl.l-q0 ist dabei von dem fikti-
ven Wert rl_l = 0 GE auszugehen, so dass sich ffir den Zeitpunkt t = 0 eine Zu-
schreibung, also Aktivierung des Investitionsobjekts, gem~ig seinem Ertragswert,
das heil3t der Summe aus Anfangsauszahlung und Projektkapitalwert, ergibt. Ein
generelles Zeichen der Ertragswertabschreibung bei Voraussetzung eines Investiti-
onsprojekts mit positivem Kapitalwert ist, dass in t = 0 eine um den Projektkapi-
talwert fiber die Anfangsauszahlung hinausgehende Aktivierung erfolgt, insofern
also ein Verstog gegen das Anschaffungswertpr inzip vorliegt. Nach diesem sind
bilanzielle Wertausweise ffir Investitionsobjekte nur bis maximal zur H6he der
Anfangsauszahlung zul~issig. Fiir interne Rechensysteme ist dieses Prinzip natfir-
lich ohne Bedeutung. []
445
Nimmt man nun an, dass steuerrechtlich Abschreibungen trotz des Verstol3es ge-
gen das Anschaffungswertprinzip gem~il3 den Vor-Steuer-Ertragswerten anerkannt
werden, dann gelangt man zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass sich bei Aus-
schluss der Besteuerung der tiber A 0 in t = 0 hinausgehenden Zuschreibung in der
Nach-Steuer-Rechnung stets der gleiche Kapi ta lwer t wie in der Vor-Steuer-Rech-
nung ergibt. 33
Beispiel 4.12: Es sei an dem Investitionsprojekt aus Beispiel 4.11 angekntipft und altemativ ein
Steuersatz s (1~ = 40 % bzw. s (2~ = 30 % unterstellt. Mit Abschreibungen gem~il3 Ta-
belle 4. 6 gelangt man zu den in Tabelle 4. 7 dokumentierten steuerlich relevanten
Gewinnausweisen G t = z t - D t (unter zul~issiger Vemachl~issigung von Zahlungs-
str0men aus Finanzinvestitionen) und schliel31ich zu den ebenfalls in Tabelle 4. 7
abgetragenen Steuerzahlungen SI ~) = s (1) 'Gt bzw. Sl 2) = s (2)'G t.
t 1 2 3 4
G t 8.024,01 5.853,372 4.340,521 2.628,963
S~ ~ 3.209,604 2.341,349 1.736,208 1.051,585
2.407,203 1.756,012 1.302,156 788,689 SI 2~
Tabelle 4. 7: Gewinnausweise und Steuerbelastungen bei Ertragswertabschrei-
bung f'ttr s (1) = 0,4 und s (2) = 0,3 (auf drei Stellen genau gertmdete
Werte)
33 Der etwas mtihselige Nachweis dieses Umstands kann dem Anhang 2 zu die- sem Abschnitt entnommen werden.
446
Man prtift leicht, dass sich der steuerpflichtige Gewinn G t eines Zeitpunktes t
gem~il3 Tabellen 4.6 und 4.7 gerade als rlt_l .i, also als mit dem Vor-Steuer-Kapi-
talmarktzinssatz i verzinster Ertragswert der Vorperiode, ergibt. Die Gr613e tit_ 1-i
nennt man " i ikonomiseher Gewinn" . Denn solange sich Entnahmen nur auf die
H6he des 6konomischen Gewinns belaufen, bleibt der Ertragswert der untemeh-
merischen Einzahlungen konstant, es kommt zu keinem "Subs tanzver lus t" . Die-
ser Aspekt spielt im Rahmen unserer Betrachtung keinerlei Rolle. Erw~ihnenswert
ist aber, dass die Konzeption der Ertragswertabschreibung zur Besteuemng gerade
des 6konomischen Gewinns ftihrt. 34
Auf der Grundlage von Tabelle 4. 7 kann nun jedenfalls die Projektzahlungsreihe
zt-S(t 1) bzw. zt-S(t 2~ nach Steuern in Abh~ingigkeit vom unterstellten Steuersatz
best immt werden. Die resultierenden Werte sind in TabeUe 4.8 aufgefiihrt.
t 0 1 2 3 4
zcSl 1~ -100.000 31.947,396 22.422,651 23.998,792 34.439,415
zt-S(t 2~ -100.000 32.749,797 23.007,988 24.432,844 34.702,311
Tabelle 4.8: Projektzahlungsreihe nach Steuernje nach unterstelltem Steuersatz
(auf drei Stellen genau gerundete Werte)
Der Kapitalmarktzinssatz bel~iuft sich nach Steuem entweder auf i'(1-s (1)) = 4,8
% oder auf i'(1-s (2~) = 5,6 %. Damit l~isst sich nun der Projektkapitalwert nach
Steuern sowohl f'tir s (1) = 0,4 als auch s (2) = 0,3 ermitteln:
34 Vgl. zum 6konomischen Gewinn auch Neus (2005), S. 367 ft. Der Nachweis, dass bei Ertragswertabschreibung letztlich der 6konomische Gewinn Ge- genstand der Besteuerung ist, findet sich tibrigens als Nebenergebnis im An- hang 2 zu diesem Kapitel.
447
(1) 31.947,396 22.422,651 23.998,792 34.439,415 K s = - 1 0 0 . 0 0 0 + + +
1,048 1,0482 1,0483 1,0484
= 300,13 GE,
(2) 32.749,797 K s = - 1 0 0 . 0 0 0 +
1,056
= 300,13 GE.
23.007,988 24.432,844 34.702,311 + §
1,0562 1,0563 1,056 a
(4.24)
In der Tat erh~ilt man demnach ffir beide Steuers~itze den gleichen Nach-Steuer-
Kapitalwert von ungef'Lhr 300,13 GE, wobei dieser tiberdies dem Vor-Steuer-Ka-
pitalwert entspricht. Es gilt nSxnlich:
K = -100.000+ 35.157 + 24.764 + 25.735 + __35"491 ~ 300,13 GE. (4.25) 1,08 1 , 0 8 2 1 , 0 8 3 1,084
Investitionsneutralit~it ist damit wegen der Steuersatzunabh~ingigkeit von Projekt-
kapitalwerten hier unmittelbar gegeben. []
Bei steuerrechtlicher Anerkennung von Ertragswertabschreibungen ist der Kapital-
wert eines Projekts vor Steuern demnach mit dem nach Steuern identisch. Auch
der Ertragswert eines Investitionsprojekts nach Steuern entspricht in jedem Zeit-
punkt t dem vor Steuern. Insofern ist es in der Tat gerechtfertigt, unter den hier
geltenden Pr~imissen den "Wert" eines Investitionsprojekts trotz der Existenz von
Steuerzahlungen fiber den Vor-Steuer-Ertragswert zu berechnen.
Sofern die in t = 0 fiber die Anfangsauszahlung hinausgehende Zuschreibung der
Besteuerung unterliegt, ist der Nach-Steuer-Kapitalwert natarlich nicht mehr mit
dem Vor-Steuer-Kapitalwert identisch. Vielmehr kommt es zur De-facto-Besteue-
rung des Kapitalwertes und damit zu der Beziehung ~s = (1-s)-~c. Die Rangfolge
aller Investitionsprojekte bleibt freilich auch hier erhalten. Investitionsneutralit~it
ist demnach auch in diesem modifizierten Steuersystem sowohl far Einzel- als
auch Auswahlentscheidungen gegeben. Steuerparadoxa im engeren Sinne sind
ebenfalls selbst bei Z u s c h r e i b u n g s b e s t e u e r u n g nicht m/3glich. Steuerparadoxa im
448
weiteren Sinne treten im Zusammenhang mit negativen Kapitalwerten ~: von In-
vestitionsprojekten freilich auf, da dann ~:s = ( l - s ) . : > ~c gilt.
Obschon durch Ertragswertabschreibungen im Rahmen des Standardmodells zur
Investitionsrechnung Investitionsneutralit~it gew~arleistet ist, wird die inter tempo-
rale Konsumal lokat ion eines Unternehmers durch die Einftihrung der Besteue-
rung in aller Regel aber ceteris paribus sehr wohl beeinflusst.
Beispiel 4.13: Betrachtet sei einmal mehr der Unternehmer aus Beispiel 4.4. Das steuerrechtlich
zul~issige Abschreibungsverfahren sei nun aber die Ertragswertabschreibung, wobei
Zuschreibungen fiber die Anfangsauszahlung hinaus in t = 0 keine Steuerzah-
lungen ausl6sen sollen.
Der Ertragswert vor Steuern eines Investitionsprogramms mit Investitionsvolumen
I bel~iuft sich aus Sicht von t = 0 auf F(I)/(l+i). Der zu versteuernde Gewinn des
Unternehmers in t = 1 betr~igt damit F(I)-F(I)/(I+i) = i-F(I)/(l+i), da der
Ertxagswert in t = 1 vollst~aadig abzuschreiben ist. Aus diesem Gmnde ergeben
sich fur den Unternehmer in t = 1 Einzahlungen nach Steuern von Fs(I) --- F(I)-s-
[i.F(I)/(l+i)l = [ 1 +i.(1-s)] -F(I)/(1 +i).
Das optimale unternehmerische Investitionsvolumen ist weiterhin durch die
Gleichsetzung der Steigung der Transformationskurve, -Fs'(I) = -[l+i-(1-s)].
F'(I)/(l+i), mit -(l+is) = -[l+i.(1-s)] gekennzeichnet. Hieraus folgt sofort
[1 +i. (1-s)] . F' (I) ! = -[1 +i-(1 -s)]
1 +i (4.26)
'=' F'(I) -- l+i
und damit (nattirlich) Investitionsneutralit~it sowie folglich das gleiche optimale
Investitionsvotumen I* = 4 GE des Unternehmers wie schon im Beispiel 1.2 des
449
Abschnitts 1 aus dem vorhergehenden Kapitel. 35 Der Startpunkt der hieraus re-
sultierenden Kapitalmarktgeraden ist (C0;C1) = (6;8,56), die zugeh6rige Geraden-
gleichung folglich C1 - 14,98-1,07 s Sie liegt wegen der gtinstigeren Abschrei-
bungsm6glichkeiten dabei welter auBen als die ffir D 1 = I im Rahmen des Bei-
spiels 4.4 resultierende Kapitalmarktgerade. Als optimale tmternehmerische Kon-
sumentscheidung erh~ilt man schlieBlich C o = 4,2 GE sowie C~ = 10,486 GE. Bei
gleichem Wert fOx den unternehmerischen Konsum des Zeitpunktes t = 0 wie im
Fall ohne Steuern resultiert folglich (natfirlich) ein niedrigerer Wert f'ttr den
Konsum des Unternehmers im Zeitpunkt t = 1 in der Situation mit Steuern. Kon-
sumneutrali t i i t ist daher weder im engeren noch im weiteren Sinne gegeben. []
Fehlende Konsumneutralit~it im Zusammenhang mit Ertragswertabschreibungen
ist kein sehr fiberraschendes Ergebnis, wie man sich anhand der dem vorhergehen-
den B eispiel 4.13 zugrundeliegenden Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung leicht klarma-
chen kann. WS.hrend der Unternehmer im Fall ohne Steuern fiber eine relevante
Kapitalmarktgerade mit Steigung -(l+i) verft~gt, liegt die Steigung der relevanten
Kapitalmarktgeraden im Fall mit Steuem bei -[l+i.(1-s)]. Des Weiteren ist der
Abszissenabschnitt bei beiden Kapitalmarktgeraden in gleicher Weise fiber Wges
- W0+F(I)/(1 +i) gegeben, da der Kapitalwert des zum Investitionsvolumen I* geh6-
rigen Investitionsprogramms vor und nach Steuern identisch ist. Damit liegt die
aus Unternehmersicht optimale Kapitalmarktgerade im Fall mit Steuem eindeutig
weiter innen, 36 und sobald in der Vor-Steuer-Betrachtung C~ > 0 gilt, kann Kon-
sumneutralitgt i.e.S, daher schon nicht mehr gegeben sein.
Konsumneutralit~t im weiteren Sinne wiirde erfordem, dass die EinfOhrung der
Besteuerung dazu ftihrt, dass sich die optimalen unternehmerischen Konsumni-
veaus in t = 0 und t = 1 durch die Besteuerung um den gleichen Prozentsatz
35 Es sollte darauf hingewiesen werden, dass das Ergebnis g e m ~ (4.26) keines- wegs schon im Rahmen yon (4.9) vorweggenommen wurde, da die Gesamth6- he der Abschreibungen in beiden F~illen grundlegend verschieden ist.
36 Vgl. hierzu Abbildung 4.3.
450
reduzieren (oder erh6hen). Das wiederum impliziert, dass alle je nach Steuersatz
m/Sglichen Konsumoptima im Rahmen eines (C0;C1)-Diagramms auf einer Geraden
durch den Ursprung liegen, da entlang einer derartigen Geraden die Konstanz yon
C1/C0 gegeben ist. Dies k6nnte h6chstens zuf~illig der Fall sein. Far die im
vorhergehenden Beispiel 4.13 verwendete Cobb-Douglas-Nutzenfunktion etwa
ist bekannt, dass die durch die einzelnen Punkte einer Geraden aus dem Ursprung
verlaufenden Indifferenzkurven s~imtlich fiber die gleiche Steigung verffigen. 37
Dann k6nnen sie aber naturgem~ig nicht s~imtlich tangential zu Kapitalmarktge-
raden mit variierender Steigung - [ 1 +i -(1- s)] sein, wie man aus Abbildung 4.3 er-
kennt. 38 Insofern muss man sich damit begnfigen, dass wenigstens Investi-
tionsneutralit~it gew~hrleistet ist. 39
37
38
39
Vgl. hierzu etwa Varian (2004), S. 100 f. Man spricht in diesem Zusammen- hang auch vom Vorliegen homothe t i seher Pri iferenzen. Siehe hierzu des Wei- teren Varian (1994), S. 146 f., oder Mas-Colell/Whinston/Green (1995), S. 45.
Die besonderen Eigenschaften der Cobb-Douglas-Nutzenfunktion implizieren tiberdies, dass der optimale unternehmerische Konsum des Zeitpunktes t = 0 im Falle der steuerrechtlichen Zul~issigkeit der Ertragswertabschreibung unabhi ing ig vom Steuersatz s und damit vor und nach Steuern identisch ist. Auch diese "par t ie l le" Konsumneut ra l i t i i t ist also keineswegs eine allge- meingfiltige Implikation der Ertragswertabschreibung.
Die gerade dargelegten ZusammenhS_nge belegen dabei zugleich nochmals et- was ausfiihrlicher, warum auch fth" den Fall D o = -I, D l = I, wie er etwa im Beispiel 4.4 behandelt worden ist, keine Konsumneut ra l i t i i t vorliegt. Die in diesem Kontext resultierende Kapitalmarktgerade verl~iuft n~imlich zum einen wegen der ungfinstigeren Abschreibungsm6glichkeiten ffir jeden Steuersatz s weiter innen als die korrespondierende Kapitalmarktgerade bei Ertragswertab- schreibung und liegt zum anderen aber stets parallel zur letztgenannten. Erneut k6nnen die ffir variierenden Steuersatz resultierenden Konsumoptima nur zuf~il- lig alle auf einer Geraden durch den Ursprung liegen.
451
C1
G (2)
W os Y
I*
Co
A bbildung 4.3: Relevante Kapitalmarktgeraden ohne (G0)) und mit (G (2)) Steu- ern bei Ertragswertabschreibung
Wenngleich sich bei Zul~ssigkeit von Ertragswertabschreibungen generell Investi-
tionsneutralit~t im Rahmen des Standardmodells zur Erfassung steuerlicher Aspek-
te in der Investitionsrechnung nachweisen l~sst, findet diese Art der Besteuerung
steuerrechtlich in praxi keinerlei Anerkennung. Neben dem formalen Problem
eines Verstoges gegen das Anschaffungswertprinzip ist vor allem inhaltlich
bedeutsam, dass die Abschreibungen gem~ig der Sch~itzung yon Ertragswerten auf
der Grundlage kiJnftiger Einzahlungstibersch[isse erfolgen und sich der Fiskus
hierbei auf die Angaben des Steuersubjekts verlassen mtisste. Mit anderen Worten
mangelt es an der M6glichkeit der intersubjektiven Nachpriifbarkeit fiir die der
Abschreibung zugrunde gelegten Ertragswerte, so dass der unternehmerischen
Willkiir hier Ttir und Tor ge6ffnet wird. Die Summe aller Abschreibungen in den
Zeitpunkten yon t = 1 bis t = T entspricht dabei zwingend stets dem in t = 0 als
Anfangswert des jeweiligen Investitionsobjekts genutzten Ertragswert dieses
Zeitpunktes, wie er vom Untemehmer gemeldet wird. Sofern Zuschreibungen tiber
die Anfangsauszahlung in t = 0 hinaus nicht zu Steuerzahlungen ffihren k~innen,
w ~ e es f'fir den jeweiligen Unternehmer daher am besten, in t = 0 einen m6glichst
452
hohen (fiktiven) Ertragswert anzugeben und so m6glichst viel "Abschrei-
bungspotential" zu schaffen. Schon dieser Verhaltensfehlanreiz spricht daftir, auch
bereits in t = 0 Steuerzahlungen im Umfang s-(z0-D0) vorzusehen. Unter dieser
PrSanisse wiederum wS_re es ilia" den Untemehmer von Vorteil, in t = 0 einen
m6glichst niedrigen Ertragswert zu behaupten. Akzeptiert der Fiskus mit Hinweis
auf ansonsten in Kauf genommene Verm6gensverluste auf Seiten des Untemeh-
mers nur Ertragswertangaben in H6he von mindestens der Anfangsauszahlung in
t = 0, 4o dann wird der Unternehmer genau diese Angabe t~itigen. Trotz der
grunds~itzlichen Voraussetzung yon Ertragswertabschreibungen wtirde somit in t
= 0 eine generelle Aktivierung yon Investitionsobjekten gem~iB dem Anschaf-
fungswertprinzip erfolgen. Es bliebe allerdings ein Anreiz fOx den Unternehmer,
schon im Zeitpunkt t = 1 zu behaupten, dass sich der Ertragswert auf Null (oder
noch besser ins Negative) aufgrund ver~nderter Ertragsaussichten reduziert hat, um
auf diese Weise m6glichst groBe Steuerminderungen durch entsprechend hohe Ab-
schreibungen zu erreichen. Deswegen wird sich der Fiskus auch bei Besteuerung
von Zuschreibungen im Zeitpunkt t = 0 nicht auf die Angaben des Unternehmers
zur Ertragswertentwicklung einlassen k6nnen, sondern es w~e die formalisierte
Nutzung yon Fiktionen zum zeitlichen Verlauf von Ertragswerten erforderlich. Bei-
spielsweise k0nnte eine praktikable Fiktion gem~iB dem Prinzip vom unzurei-
chenden Grunde 41 darin bestehen, dass sich der mit einem Investitionsobjekt ver-
bundene Ertragswert in jeder Periode in gleicher Weise reduziert. Man k~ime da-
mit auf ganz "nattMichem" Wege zur Rechtfertigung linearer Abschreibungen auf
40
41
Der Fiskus k6nnte sich also auf den Standpunkt stellen, dass der Unternehmer freiwillig keine Projekte mit negativem Kapitalwert durchftihren wird, der Er- tragswert eines Investitionsprojekts also mindestens seiner Anfangsauszahlung entsprechen muss.
Dieses Prinzip ist auch als Laplace-Prinzip bekannt. Vgl. hierzu generell z.B. Wollenhaupt (1982), S. 85 ff. Konkret auf das hier betrachtete Problem bezo- gen, wiirde man auf der Grundlage dieses Prinzips behaupten, dass man wegen fehlender entgegenstehender Informationen yon einem gleichm~iBigen Abbau des in t = 0 angesetzten Ertragswerts bis t = T ausgehen sollte.
453
Anschaffungswerte. 42 Von der urspru'nglichen Idee der Ertragswertabschreibung
(und der damit implizierten Investitionsneutralit~it) ware allerdings nichts tibrigge-
blieben. Augenscheinlich erweisen sich Ertragswertabschreibungen damit f'tir prak-
tische Zwecke als recht wenig geeignet.
4.4.2.2 Cashflow-Besteuerung
Einfachere und auch weniger manipulationsanf'~illige Mtiglichkeiten zur GewS_hr-
leistung der Investitionsneutralit~it ergeben sich insbesondere dann, wenn man den
Kontext des Standardmodells verl~isst. 43 Im Rahmen der sogenannten Cashflow-
Steuer 44 etwa ergibt sich der Gewinn G t eines Zeitpunktes t einfach als Saldo
aller Ein- und Auszahlungen aus Real- und Finanzinvestitionen zu einem Zeit-
punkt t. Dies impliziert zum einen, dass die Anfangsauszahlung eines Investitions-
projekts unmittelbar erfolgswirksam wird und in zuktinftigen Zeitpunkten keine
Abschreibungen verrechnet werden. Man spricht hierbei auch von einer sogenann-
ten Sofortabschreibung, da das betreffende Investitionsobjekt gar nicht erst steu-
erlich wirksam aktiviert wird. Genauer formuliert wird die obligatorische Zu-
schreibung des Zeitpunktes t = 0 in H6he yon A 0 unmittelbar durch eine Abschrei-
bung in gleicher H6he kompensiert. In der Tat gilt demnach D O = D 1 . . . . . D T
= 0. Zum anderen werden im Rahmen von Finanzinvestitionen nicht nur Haben-
und Sollzinsen, sondern auch Auszahlungen zum Erwerb yon Wertpapieren und
Zufltisse aus Tilgungen und Wertpapierverk~iufen besteuert. S~imtliche im Zusam-
menhang mit Investitionen veranlassten Ein- und Auszahlungen unterliegen somit
der Besteuerung. Gerade deswegen spricht man von einer Cashflow-Steuer.
42
43
44
Vgl. zur Interpretation bilanzieller Wertans~itze unter Ertragswertaspekten etwa Ordelheide (1988, 1989, 1998).
Vgl. zu einer generellen Diskussion der Eigenschaften investi t ionsneutraler Besteuerung mit zahlreichen Literaturhinweisen insbesondere K6nig (1997).
Auf die Investitionsneutralit~it der Cashflow-Steuer wurde wohl zum ersten Mal in Brown (1948) hingewiesen.
454
Mit C t als den untemehmerischen Konsumauszahlungen, z t als dem Einzahlungs-
tiberschuss eines Zeitpunktes t aus Realinvestitionen und ft als dem Einzahlungs-
tiberschuss aus Finanzinvestitionen gilt notwendigerweise Ztq- f t -Ct -s ' (Z t ' l - f t ) = 0 in
jedem Zeitpunkt t. Die Einzahlungstiberschtisse z tund ft sind dabei in der Tat als
Salden der Einzahlungen aus Real- bzw. Finanzinvestitionen und der entspre-
chenden Auszahlungen (auch ftir neue Investitionen) zu verstehen. Eine Ausdeh-
nung des Konsums C t is t daher ceteris paribus nur mtiglich, wenn z t und/oder ft
erh6ht werden, was gleichbedeutend mit verringerten investiven Auszahlungen ist.
Diese Erh6hung von z t und/oder ft l~isst die Bemessungsgrundlage der Cashflow-
Steuer im betreffenden Zeitpunkt in entsprechender Weise ansteigen. Deswegen
mtissen die investiven Auszahlungen ftir jede Geldeinheit Mehrkonsum in t sogar
um 1/(l-s) > 1 GE zurfickgenommen werden und bedingt jede Geldeinheit Mehr-
konsum ceteris paribus eine um s/(1-s) h6here Steuerbelastung ftir den be-
trachteten Entscheidungstr~iger. Man spricht daher in diesem Zusammenhang auch
von einer re inen Konsumbes teue rung .
Wenn die Anlage eines Betrags A am Kapitalmarkt zu einem Vor-Steuer-Zinssatz
i von einem beliebigen Zeitpunkt t-1 bis t m6glich ist, dann ergibt sich nach
Steuem in t nur ein R~ickfluss von A-(l+i)-s 'A'(l+i) = (1-s)-A-(l+i), weil die
gesamte Vor-Steuer-Einzahlung A-(1 +i) der Besteuerung unterworfen ist. Anderer-
seits bedingt eine Investition in H6he von A ceteris paribus eine entsprechende
Reduktion der steuerlichen Bemessungsgrundlage, so dass die Nach-Steuer-Auszah-
lung in t-1 nur A-s 'A = (1-s)-A betr~igt. Insgesamt erzielt das betrachtete Subjekt
aus seiner einperiodigen Mittelanlage damit eine Nach-Steuer-Rendite i s von
is _- (1 -s). A- (1 +i) -(1 -s). A _- i. (4.27) (1 -s).A
Die Nach-Steuer-Rendite entspricht damit der Vor-Steuer-Rendite. Entsprechendes
gilt nattirlich im Falle der Kreditaufnahme, so dass sich Wirtschaftssubjekte im
Rahmen der Cashflow-Besteuerung grunds~itzlich den gleichen Kapitalmarktgera-
den wie vor Steuem gegentibersehen. Die Existenz von Kapitalmarktgeraden mit
einheitlicher Steigung wiederum impliziert die weiterhin bestehende Gtiltigkeit der
Fisher-Separation und - damit zusammenh~ingend - die Unm6glichkeit der Verm6-
455
gensbeeinflussung durch Finanzinvestitionen. Dies bedeutet, dass Investitionspro-
jekte auch bei Zugrundelegung einer Cashflow-Besteuemng nach ihrem Projekt-
kapitalwert nach Steuern und unter Abstraktion yon Finanzinvestitionen beurteilt
werden k6nnen.
Bei Vemachl~issigung yon Finanzinvestitionen ergibt sich der Einzahlungsfiber-
schuss eines Zeitpunktes t nach Steuern als zt-s.z t = ( 1 - S ) ' Z t. Wegen i s = i erh~ilt
man somit als Nach-Steuer-Kapitalwert:
T (1 _S).Zt K s -- ~ - - (1-s)'K. (4.28)
t=o (1 +i) t
Es resultiert folglich der gleiche Zusammenhang zwischen Vor-Steuer- und Nach-
Steuer-Kapitalwert wie im Falle der steuerrechtlichen Zul~issigkeit von Ertrags-
wertabschreibungen mit Besteuerung von Zuschreibungen fiber die Anfangsauszah-
lung in t = 0.
Beispie l 4.14:
Gegeben sei erneut das Investitionsprojekt aus Beispiel 4.11 bei Unterstellung
eines Kapitalmarktzinssatzes vor Steuern von i = 8 % und unter Zugrundelegung
einer Cashflow-Steuer mit einem Steuersatz von s (1) = 40 % bzw. s (2) = 30 %. Die
jeweilige Zahlungsreihe aus dem Investitionsprojekt nach Steuern kann dann aus
Tabelle 4.9 abgelesen werden.
t 0 1 2 3 4
(1-S (1)) "Z t -60.000 21.094,2 14.858,4 15.441 21.294,6
-70.000 24.609,9 17.334,8 18.014,5 24.843,7 (l-s(2))'Zt
Tabelle 4.9: Projektzahlungsreihe nach Steuern je nach unterstelltem Steuersatz
(Cashflow-Steuer)
Damit erh~ilt man ffir die Projektkapitalwerte:
456
K O) -- -60.000+ 21.094,2, 14.858,4 + 15.441 + 21.294,6
1,08 1,082 1,083 1,084
~- 180,08 GE
~- (1-s O)) . ~r
~:(ff) --- -70.000+ 24.609,9, 17.334,8 + 18.014,5 , 24.843,7
1,08 1,082 1,083 1,084
-~ 210,09 GE
(1 -s(2)). K,
(4.29)
wobei daran erinnert sei, dass sich der Vor-Steuer-Kapitalwert ~: des betrachteten
Investitionsprojekts auf ungefahr 300,13 GE beliiuft. []
Auch durch die Implementierung einer Cashflow-Besteuerung kann damit das
Auftreten yon Steuerparadoxa i.e.S, vermieden werden und ist Investitionsneutra-
lit~it daher gewLhrleistet. Erneut bleibt allerdings die vom jeweiligen Unternehmer
angestrebte inter temporale Konsumallokat ion durch die Besteuerung nicht unbe-
einflusst. Konsumneutralitiit i.e.S, wird nie, Konsumneutralit~it i.w.S, nut bei be-
stimmten Eigenschaften der unternehmerischen Nutzenfunktion erftillt sein. 45
Beispiel 4.15: Ein weiteres Mal sei der Unternehmer aus Beispiel 4.4 betrachtet, nun jedoch
unter der Annahme einer allgemeinen Cashflow-Besteuerung mit s = 30 %. Als
Konsequenz hieraus f'tihrt ein Investitionsvolumen yon I in t = 0 flit den Un-
45 Bemerkenswerterweise wird dies von Wagner/Wissel (1995), S. 69, nicht er- kannt, sondem das Vorliegen von Konsumneutralit~it schlicht mit der Gleich- heit von Vor- und Nach-Steuer-Kapitalmarktzinssatz identifiziert. In ahnlicher Weise ~iul3ern sich auch schon etwa Wenger (1986), S. 140 f., oder Wagner (1989), S. 271, ohne dass der Begriff der Konsumneutralit~it jedoch tiberhaupt in operationaler Weise definiert wird.
457
ternehmer nur zu Nettoabfltissen von (1-s)-I. Der nach Realinvestitionen in t =
0 im Umfang von I vor Steuern verbleibende untemehmerische Konsum bel~iuft
sich nach Steuern daher generell auf Co = W0-(1-s)'I.
Entsprechend betr~igt die unternehmerische Einzahlung nach Steuern aus der Real-
investition in t = 1 nur noch C 1 = Fs(I) --- (1-s)-F(I). Aufl6sen der Bestimmungs-
gleichung ftir C o nach I und Einsetzen in die Bestimmungsgleichung f'tir C 1 liefert
die im Rahmen der Cashflow-Steuer maggebliche funktionale Darstellung der
Transformationskurve:
Cj -- ( l - s ) . F . (4.30)
Weiterhin muss die Steigung der Transformationskurve f'tir das optimale unterneh-
merische Investitionsvolumen der Steigung der Kapitalmarktgeraden entsprechen.
Durch Ableitung von (4.30) g e m ~ Kettenregel erh~ilt man als Steigung der Trans-
formationskurve hier gerade -F'(I), und die Steigung der Kapitalmarktgeraden ist
bei der Cashflow-Steuer bekanntermagen einheitlich -(l+i). Nattirlich zeigt sich
tiber die Optimalit~itsbedingung -F'(I) = -(l+i) damit auch ftir den Spezialfall der
Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung die Investitionsneutralit~it der Cashflow-Steuer. Man
erh~ilt demnach ftir die Zahlen dieses Beispiels I* -- 4 GE. Im Gegensatz zur
Situation ohne Steuern ist der Startpunkt der relevanten Kapitalmarktgeraden nun
aber nicht (6;8,8) sondern (7,2;6,16). Denn eine Investition von 4 GE in t = 0
f'tthrt tatsiichlich nur zu Auszahlungen nach Steuem von (1-0,3)-4 = 2,8 GE,
weswegen 10-2,8 = 7,2 GE in t = 0 beim Unternehmer verbleiben. Daf'tir werden
allerdings auch die Rtickfltisse vor Steuern von 8,8 GE des Zeitpunktes t = 1 tun
30 % Steuem gektirzt auf (1-0,3)-8,8 -- 6,16 GE.
Der Kapitalmarktzinssatz bel~iuft sich vor wie nach Steuem aufgrund der spezi-
fischen Eigenschaften der Cashflow-Steuer auf i = 10 %. Die ftir den Untemeh-
mer im Fall ohne Steuern maggebliche Kapitalmarktgerade ist bereits aus Glei-
chung (1.4) des Abschnitts 1 des vorhergehenden Kapitels als C 1 = 15,4-1,1 .C o
bekannt. Die Kapitalmarktgerade im Falle mit Steuern lautet C~ = 14,08-1,1-C o
und liegt nattirlich weiter innen als die erstgenannte Kapitalmarktgerade. Die
458
Richtigkeit der Kapitalmarktgeraden ftir den Fall mit Steuern prtift man leicht,
indem man C O = 7,2 GE einsetzt und dann passend C1 = 6,16 GE erh~ilt. Augen-
scheinlich wird das vom Unternehmer angestrebte Konsumoptimum damit im Fall
mit Steuern zwingend ein anderes als im Fall ohne Steuern sein. Konsumneutrali-
t~it i.e.S, kann demnach hier nicht vorliegen. Konkret lauten die nunmehr relevan-
ten Optimumbedingungen
10 3
I. ~ 7 . C o 7 = 1 4 , 0 8 - 1 , 1 ' C o ,
10 _ 1..00
II. --3"UT'Co 7 = 1,1. 7
(4.31)
Wieder stellt die erste Gleichung sicher, dass ein gemeinsamer Punkt einer
Indifferenzkurve und der relevanten Kapitalmarktgeraden betrachtet wird. Die
zweite Bedingung gew~ihrleistet wie stets, dass es sich um einen Tangentialpunkt
der beiden Kurven handelt. Aus der L0sung des Gleichungssystems gemaB (4.31)
erh~ilt man C O = 3,84 GE sowie C~ = 9,86 GE bei einem resultierenden maximalen
Nutzenniveau von etwa 7,43. Das Verh~iltnis C~/C 0 -- 2,57 der beiden Konsum-
auszahlungen entspricht aber in der Tat dem ftir den Fall ohne Steuern. Konsum-
neutralit~it i.w.S, ist hier folglich erftillt. Bemerkenswerterweise ftihrt die
Besteuerung hierbei allerdings nicht dazu, dass der Unternehmer in t = 0 und t =
1 jeweils 30 % weniger Konsumauszahlungen t~itigt. Vielmehr erh~ilt man, dass
der Untemehmer trotz der Existenz einer Konsumsteuer lediglich eine Reduktion
seiner Konsumauszahlungen in t = 0 und t = 1 um jeweils etwa 8,57 % hinneh-
men muss. Die Ursache hierftir liegt in der nicht besteuerten Anfangsausstattung
W o = 10 GE des Unternehmers. []
Dass bei einer Cashflow-Besteuerung Konsumneutralit~it i.e.S, nicht gegeben
sein kann, ist evident, wenn man sich auf eine Zwei-Zeitpunkte-Betrachung wie
im vorhergehenden Beispiel 4.15 beschr~inkt. Die Steigung der relevanten Kapital-
marktgeraden ist hier vor Steuem wie nach Steuem identisch. Der Ordinatenab-
schnitt des Startpunkts wird jedoch um den Betrag s.F(I*) gek'tirzt. In entspre-
chender Weise wird der zugeh6rige Abszissenabschnitt um s'I* erhtiht. Der Abso-
459
lutbetrag der Steigung der Sekanten durch die beiden Startpunkte vor und nach
Steuern ist einfach [s'F(I*)]/(s-I*) = F(I*)/I* > l+i, wobei die Ungleichung eine
Folge der Eigenschaften des optimalen Realinvestitionsprogramms ist: Alle inves-
tierten Geldeinheiten liefern eine Rendite von mindestens i. Damit aber liegt die
relevante Kapitalmarktgerade nach Steuern bei gleicher Steigung weiter innen als
die relevante Kapitalmarktgerade im Falle der Existenz einer Cashflow-Steuer, wie
auch Abbildung 4.4 verdeutlicht. Konsumneutralit~it i.e.S, wird daher unm6glich.
Weil abet verschiedene Steuersiitze lediglich zur Relevanz von Kapitalmarktge-
raden mit einheitlicher Steigung bei variierenden Achsenabschnitten Ftihren, ge-
wiihrleistet eine Cobb-Douglas-Nutzenfunktion hier tatsiichlich Konsumneutrali-
flit i.w.S.: Alle Punkte, in denen Indifferenzkurven tiber eine Steigung von -(l+i)
verfiigen, liegen auf einer Geraden dutch den Ursprung und sind allein als unter-
nehmerische Konsumoptima im Falle einer Cashflow-Steuer denkbar. Genau dies
charakterisiert die Eigenschaft der Konsumneutralit~it i.w.S. Bei anderen Arten
unternehmerischer Nutzenfunktionen liegen die Punkte gleicher Steigung yon In-
differenzkurven typischerweise nicht mehr auf einer Geraden, undes ergibt sich
auch ftir die Cashflow-Steuer nicht mehr Konsumneutraliffit i.w.S.
(l_s).F(,.)
C1
Sekante
G(1)
W 0 -I* Wo -(l-s)" I* k - - )
S. I*
Co
A bbildung 4. 4: Relevante Kapitalmarktgeraden ohne (G 0) ) und mit (G (2)) Steu- em bei Cash-flow-Besteuerung (Skizze)
460
Da die Cashflow-Besteuerung lediglich an Zahlungen ansetzt, ist diese Besteu-
emngsform weit weniger manipulationsanf'fillig als etwa die Ertragswertabschrei-
bung. Sie ist fiberdies sehr einfach zu verstehen. 46 Nachteilig ist, dass es sich
hierbei um einen prinzipiellen S t ruk tu rbruch zu den in Deutschland herrschen-
den steuerlichen Regelungen handelt, weshalb die Implementiertmg eines der-
artigen Steuersystems eine erhebliche Umw~ilzung darstellte. [_)berdies wurde be-
reits weiter oben darauf hingewiesen, dass Gegenstand der Besteuerung letztlich
diejenigen Einzahlungsfiberschtisse eines Zeitpunktes t darstellen, die konsumtive
Verwendung finden. Weil in der Regel ausgefiihrt wird, dass einkommensschwa-
che Bev61kerungsgruppen grtil3ere Einkommensanteile ffir Konsumzwecke verwen-
den als einkommensstarke, trifft diese Besteuerungsform die "sozial Schwachen"
verh~ilmismSgig stark. Diese Oberlegung mag zur grunds~itzlichen Ablehnung einer
Konsumsteuer f'tihren, wenngleich durch Freibetrags- und Steuerprogressionsge-
staltungen derartigen sozialen Gesichtspunkten durchaus Rechnung getragen wer-
den k6nnte. Auf derlei Aspekte soil hier nicht weiter eingegangen werden. 47 Fest-
gehalten werden kannjedenfalls, dass eine Cashflow-Besteuerung aus investitions-
theoretischer Sicht fiber interessante Eigenschaften verffigt, aber zumindest in
Deutschland auf absehbare Zeit nicht durchsetzbar erscheint.
4.4.2.3 Residualgewinnorientierte Besteuerung
Eine tiberaus interessante dritte Variante investitionsneutraler Besteuemng macht
sich die Aussage des sogenannten Liicke-Theorems zunutze. 48 Das Liicke-Theo-
46
47
48
Aufgrund des Zusammenhangs i s = i kann man tibrigens des Weiteren eine mo- difizierte Cashflow-Steuer betrachten, bei dernur die Einzahlungsfiberschfisse z t aus Realinvestitionen Gegenstand der Besteuerung sind. Auch in diesem Fal- le gelangte man zur Kapitalwertformel (4.28) und h~itte fiberdies eine weitere technische Vereinfachung der Besteuerung erreicht.
Erwahnt werden soil lediglich, dass derartige Modifikationen allerdings durch- aus die Investitionsneutralit~it der Cashflow-Steuer beeintr~ichtigen k6nnen.
Das Liicke-Theorem geht - wie der Name schon sagt - auf Liicke (1955) zu- riick. Allerdings wurde es schon etwa zwei Jahrzehnte vorher yon Preinreich
461
rein formuliert Bedingungen, unter denen man auf der Grundlage von Kosten und
Leistungen Kapitalwerte gleicher H6he wie bei der Anknfipfung an den Einzah-
lungsfiberschUssen eines Investitionsprojekts ermittelt. Eine derartige Aquivalenz
ist wegen der unterschiedlichen zeitlichen Struktur yon Leistungen und Kosten
einerseits sowie Ein- und Auszahlungen andererseits keineswegs selbstverst~ndlich
und bedarf daher detaillierter Analyse. Aus Platzgrfinden ist eine ausffihrliche
Darstellung des Liicke-Theorems und seiner Implikationen an dieser Stelle jedoch
nicht m6glich. Unter Beibehaltung der Pr~misse, dass der einzige Unterschied
zwischen Gewinnausweisen und Einzahlungstiberschfissen aus der untemehmeri-
schen T~itigkeit in der Existenz von erst noch im Zeitablauf abzuschreibenden
Anfangsauszahlungen besteht, kann auf der Grundlage des Liicke-Theorems jeden-
falls folgender Zusammenhang hergeleitet werden:
A t Im Weiteren sei der in einem Zeitpunkt t noch nicht abgeschriebene Teil 0-Y,e=l
D e der Anfangsauszahlung 49 ftir ein Investitionsobjekt als Restbuchwert RB t in
t bezeichnet. Der Kapitalwert eines Investitionsprojekts auf der Basis seiner Ein-
zahlungstiberschfisse stimmt nun mit dem Kapitalwert dieses Projekts auf der Ba-
sis der Gewinne t~berein, wenn im Rahmen der Gewinnermittlung in Abweichung
vom Standardmodell zu einem Zeitpunkt t "kalkulatorische" Zinsen 5~ i-RBt_ 1 auf
den Restbuchwert der jeweiligen Vorperiode in Abzug gebracht werden und die
Summe aller Abschreibungen der Anfangsauszahlung entspricht. Bezeichnet man
mit G t den Gewinn gem~ig den Pr~imissen des Standardmodells und mit RG t den
"Residualgewinn" unter Berficksichtigung kalkulatorischer Zinsen, dann gilt unter
Beachtung yon RBt_ 1 = A0-~]~t-l D e demnach
49
50
(1937), S. 220 f., formuliert. Noch ~iltere Vorl~iufer werden etwa in Stotz (2004) genannt.
Im Folgenden gilt also in Ubereinstimmung mit den tatsachlichen Regelungen in Deutschland wieder das Anschaffungswertprinzip.
Kalkulatorische Zinsen fanden, wenngleich in etwas anderer Form, auch schon im Abschnitt 2 des Kapitels III Berficksichtigung.
462
RG t - Gt-i" - D~ (4.32)
far t = 1 ... . . T. Ferner sei RGo = Go = 0 GE vereinbart, da D O = -A 0 ist und keine
Zinsen auf frtthere Investitionsprojekte zu verrechnen sind. Formal behauptet das
Liicke-Theorem damit die folgende Beziehung far jede beliebige Form der Ab-
schreibung der Anfangsauszahlung:
T Zt Z RG t - ~ (4.33)
t=o (l+i) t = (l+i) t"
Der zugeh6rige Nachweis wird im Anhang 3 zu diesem Abschnitt geffihrt.
Beispiel 4.16:
Ausgangspunkt der Betrachtung sei das Investitionsprojekt mit der Zahlungsreihe
gem~il3 Tabelle 4.5 im Beispiel 4.11, wobei eine lineare Abschreibung der An-
fangsauszahlung des Zeitpunktes t = 0 in den Zeitpunkten t = 1 bis t = 4 unter-
stellt werde. In den Zeitpunkten t = 1 ..... 4 ermittelt man den jeweiligen Residual-
gewinn, indem man von den ausgewiesenen Einzahlungstiberschtissen zun~ichst die
Abschreibung in H6he von 25.000 GE und auBerdem die Zinsen auf den im vor-
hergehenden Zeitpunkt t-1 jeweils gegebenen Restbuchwert des Investitionspro-
jekts abzieht. Ftir t = 1 ftihrt dies bei i = 10 % zu einem Residualgewinn yon
35.157-25.000-0,08-100.000 = 2.157 GE. In entsprechender Weise erh~ilt man far
t = 2 einen Residualgewinn yon 24.764-25.000-0,08-75.000 = -6.236 GE. Die
Werte ftir t = 3 und t = 4 sind RG 3 = 25.735-25.000-0,08-50.000 = -3.265 GE
und RG 4 = 35.491-25.000-0,08-25.000 = 8.491 GE. Als Kapitalwert des Investiti-
onsprojekts auf der Grundlage der Residualgewinne erh~ilt man damit unter Beach-
tung von RG0 = 0 GE:
2.157 6.236 3.265 8.491 K = - - + - - - 300,13 GE (4.34)
1,08 1,082 1,083 1,084
und folglich in der Tat den gleichen Kapitalwert wie bei "zahlungsorientierter"
Rechnung.
463
H~itte man das Investitionsprojekt in t = 1 und t = 2 jeweils zu 50.000 GE
abschreiben k6nnen (mit D 3 = D 4 = 0), resultierten Residualgewinne von RG~ =
35.157-50.000-0,08-100.000 = -22.843 GE und RG 2 = 24.764-50.000-0,08-50.000
= -29.236 GE bei RG 3 = z 3 und RG4 = z4. Erneut erg~ibe sich ein Kapitalwert von
etwa 300,13 GE. Die Art der Abschreibung kann folglich den ausgewiesenen
Kapitalwert nicht beeinflussen. []
Beispiel 4.16 verdeutlicht bereits den dem Liicke-Theorem zugrundeliegenden
Mechanismus. Durch die Aktivierung der Anfangsauszahlung in t = 0 und erst
sp~itere Abschreibung ist der Kapitalwert der einfachen Gewinne G t notwendiger-
weise gr6ger als der Kapitalwert der korrespondierenden Einzahlungstiberschtisse
z t. Dieser "Zinsvor te i l" in der gewinnbasierten Kapitalwertrechnung muss durch
eine entsprechende Korrektur der Gewinne kompensiert werden. Am einfachsten
erkennt man dies bei einer reinen Zwei-Zeitpunkte-Betrachtung. Hier gilt im
Rahmen des Standardmodells mit Aktivierung der Anfangsauszahlung A o in t --
0, dass G O = 0 und G 1 = z 1 - A o wegen D o = -A o und D 1 = A o ist. Der Kapitalwert
der Gewinne betr~igt folglich einfach G~/(l+i) = ( Z l - A 0 ) / ( l + i ) . Statt A o geht also
nur die abgezinste Anfangsauszahlung in die Kapitalwertberechnung ein. Reduziert
man nun aber den Z~hler des letzten Kapitalwerts noch um i-A o, das heii3t um die
Zinsen auf das gebundene Kapital der Vorperiode, dann erh~ilt man (zl-A 0-
i.Ao)/(l+i ) = zl/(l+i)-A o, also den gleichen Kapitalwert wie bei zahlungs-
orientierter Rechnung.
Das Liicke-Theorem l~isst sich nun leicht nutzen, um die Investitionsneutralit~it
eines Steuersystems nachzuweisen, das an Residualgewinnen ansetzt. Man kann
hier von res idualgewinnorient ier ter oder zinskorr igier ter Bes teuerung spre-
chen. 51 Der einzige, aber entscheidende Unterschied zur Besteuerung im Rahmen
des Standardmodells besteht darin, dass als Steuerbemessungsgrundlage nunmehr
der Residualgewinn RG t statt des Gewinns a t gew~ihlt wird.
51 Die Grundidee hierzu findet sich bei Wenger (1983) sowie Boadway/Bruce (1979, 1984).
464
Als Konsequenz einer residualgewinnorientierten Besteuerung ist zun~ichst einmal
festzuhalten, dass die Anlage oder Aufnahme von Mitteln am Kapitalmarkt steuer-
lich neutral wirkt, weil etwa die Anlage eines Betrags A in t = 0 unter Beachtung
der kalkulatorischen Zinsen auf A in t = 1 zu einem Residualgewinn von i-A-i-A
= 0 f'tihrt. In entsprechender Weise ftihrt Verschuldung tiber die Verrechnung ne-
gativer kalkulatorischer Zinsen nicht mehr zu einer steuerlichen Entlastung. Der
Kalkulationszinsful3 nach Steuern ist bei residualgewinnorientierter Besteuerung
folglich gleich dem vor Steuem. Dies rechtfertigt zugleich, warum auch im Fall
mit Steuem der Residualgewinn unter Zugrundelegung des Vor-Steuer-Zinssatzes
berechnet wird. Des Weiteren impliziert die Existenz eines einheitlichen Nach-
Steuer-Kalkulationszinsful3es yon i for beliebige Anlage oder Aufnahme von Mit-
teln unmittelbar die nach wie vor bestehende Gtiltigkeit der Fisher-Separation
sowie die (Nach-Steuer-) Kapitalwermeutralit~it von Finanzinvestitionen. Finanzin-
vestitionen k6nnen im Rahmen von Kapitalwertberechnungen folglich weiterhin
vemachl~issigt werden.
Damit ist auf der Grundlage des Kapitalwertes ~:s nach Steuern nunmehr folgende
Umformung m6glich:
K S T z t _ s . R G t _ T Zt T
- - E E s .E RG, _ (1-s)-K. t=O (1 +i) t t=O (1+i ) t t=O (1 +i) t
(4.35)
Der letzte Umformungsschritt ist zul~issig, weil gem~iB dem Liicke-Theorem der
Kapitalwert n = Y, vt= 0 zt](l+i) tder Einzahlungstiberschtisse aus einem Investitions-
projekt dem Kapitalwert ~tv=0 RGt/(l+i) t der Residualgewinne entspricht.
Unabh~ingig yon der konkreten zeitlichen Ausgestalmng der Abschreibung der An-
fangsauszahlung ftihrt damit eine residualgewinnorientierte Besteuerung im Er-
gebnis zu der gleichen Beziehung zwischen Vor-Steuer- und Nach-Steuer-Kapital-
wert wie im Rahmen der Cashflow-Besteuerung.
465
Beispiel 4.17: Gegeben sei das Projekt aus dem vorhergehenden Beispiel 4.16 unter Zugrundele-
gung residualgewinnorientierter Besteuerung und linearer Abschreibung der An-
fangsauszahlung tiber den Nutzungszeitraum. Ftir die beiden alternativen Steuer-
s~itze s (1) = 40 % und s ~2) = 30 % sind die jeweils resultierenden Steuerzahlungen
zusammen mit den Residualgewinnen der einzelnen Zeitpunkte t = 1 ..... 4 in der
nachfolgenden Tabelle 4.10 angegeben.
(2) t
3 t ~ ~ 4
RG t 2.157 -6.236 -3.265 8.491
S~1~ 862,8 -2.494,4 -1.306 3.396,4 t
647,1 -1.870,8 -979,5 2.547,3
Tabelle 4.10: Residualgewinnausweise und Steuerbelastungen bei residualge-
winnorientierter Besteuemng f'tir s ~1~ = 0,4 und s ~2) = 0,3
Die Zahlungsreihe nach Steuern ergibt sich, indem man die Steuerzahlungen ge-
m~il3 Tabelle 4.10 von den Einzahlungstiberschtissen vor Steuern aus dem jeweili-
gen Investitionsprojekt abzieht. Das Resultat ist in Tabelle 4.11 ausgewiesen.
t 1 2 3 4
zt-Sl 1) 34.294,2 27.258,4 27.041 32.094,6
26.634,8 26.714,5 32.943,7 ,-,(2) Z t - ~ t
Tabelle 4.11:
34.509,9
Zahlungsreihen nach Steuern bei residualgewinnorientierter Be-
steuerung f'tir s (1) = 0,4 und s (2~ = 0,3
466
Auf dieser Grundlage gelangt man zu den folgenden Nach-Steuer-Kapitalwerten
~:(s 1) --- - 100.0004 34.294,2 1,08
(2) - 100.000~ 34.509,9 K S =
1,08
27.258,4 ~ 27.041 + 32.094,6 ~ 180,08 GE, 1,082 1,083 1,084
(4.36) 26.634,8 26.714,5 32.943,7
+ + -~ 210,09 GE, 1,08 l 1,083 1,084
also in der Tat zu den gleichen Kapitalwerten wie im Rahmen einer Cashflow-Be-
steuerung. Dieses Ergebnis hat auch ftir andere Formen der Abschreibung Be-
stand. Sofern man etwa erneut unterstellt, dass Abschreibungen in H6he von
50.000 GE in t = 1 und in t = 2 erfolgen, ergeben sich fiir s (~) = 0,4 Steuerzahlun-
gen von 0,4-(-22.843) = -9.137,2 GE in t = 1, 0,4-(-29.236) = -11.694,4 GE in
t = 2 sowie von 0,4-25.735 = 10.294 GE in t = 3 und 0,4.35.491 = 14.196,4 GE
in t = 4. Die Zahlungsreihe nach Steuern (ab t = 1) lautet damit gem~ig Tabelle
4.12.
t 1
Zt- S(t 1) 44.294,2
2 3
36.458,4 15.441 21.294,6
Tabelle 4.12: Zahlungsreihe nach Steuern bei residualgewinnorientierter Besteu-
erung ftir s (1) = 0,4 und im Vergleich zu Tabelle 4.11 variierter
Abschreibungsform
Erneut ergibt sich ein Kapitalwert von ungefahr 180,08 GE wie im Fall der linea-
ren Abschreibung tiber die gesamte Nutzungsdauer des Projekts. []
Nicht nur entsprechen sich ceteris paribus die Nach-Steuer-Kapitalwerte bei Zu-
grundelegung einer Cashflow-Steuer und der residualgewinnorientierten Besteu-
erung, tiberdies ist auch der Nach-Steuer-Kapitalmarktzinssatz in beiden F~illen mit
dem Vor-Steuer-Kapitalmarktzinssatz identisch. Als Konsequenz hieraus stimmt
nicht nur ceteris paribus der maximal m6gliche unternehmerische Gegenwartskon-
sum bei beiden Formen der Besteuerung tiberein, sondern gilt dies auch ftir die
467
M6glichkeiten zum Transfer von Gegenwarts- in Zukunftskonsum. Ceteris paribus
wird der Unternehmer daher bei beiden Formen der Besteuerung die gleiche in te r tempora le Konsumallokat ion anstreben. Hieraus folgt sofort, dass die re-
sidualgewinnorientierte Konsumbesteuerung ebenfalls nicht zur Konsumneutralit~it
i.e.S, f'tihrt und nur bei Voraussetzung von homothetischen Pr~erenzen wie im
Fall einer Cobb-Douglas-Nutzenfunktion Konsumneutralit~it i.w.S, bedingt.
Beispiel 4.18: Zum letzten Mal sei der Untemehmer aus Beispiel 4.4 betrachtet. Dieses Mal soll
eine residualgewinnorientierte Besteuerung mit s = 30 % zugrunde gelegt werden.
Ein Investitionsvolumen I f'tihrt damit in t = 1 zu Nach-Steuer-Einzahlungen f'tir
den Untemehmer yon Fs(I) = F(I)-s-[F(I)-I-i-I]. Das optimale Realinvestitions-
volumen ist nach wie vor durch die Gleichheit der Ableitungen von Transfor-
mationskurve, -Fs'(I) = -F'(I)+s-[F'(I)-(l+i)], und der Steigung der Kapital-
marktgeradenschar, -(l+i), charakterisiert. Leicht prfift man, dass sich aus der
Anforderung -Fs'(I ) = -(l+i) erneut F'(I) = l+i und damit Investitionsneutralit~it
ergibt. Mit i = 10 % und F(I) = 4,4-I ~ erh~ilt man wieder I* = 4 GE. Ftir W 0 =
10 GE folgt demnach G o = 6 GE sowie C1 = 8,8-0,3-(8,8-4-0,1.4) = 7,48 GE.
Die Gleichung der aus Untemehmersicht relevanten Kapitalmarktgeraden lautet
folglich C1 = 14,08-1,1 "C O und stimmt mit der aus Beispiel 4.15 ftir den Fall
einer Cashflow-Steuer tiberein. []
Residualgewinnorientierte Besteuerung und Cashflow-Besteuerung erweisen sich
somit als iiquivalent. Im Gegensatz zur Cashflow-Steuer erfordert eine residual-
gewinnorientierte Besteuerung jedoch keine gr6geren Anderungen des herrschen-
den Steuerrechts. Der fltichtige Beobachter k6nnte lediglich kritisieren, dass die
Zinseinktinfte aus Finanzinvestitionen de facto nicht besteuert werden. Nattirlich
sind daf'tir im Gegenzug Sollzinszahlungen auch nicht steuerlich abzugsf'~hig.
Wer die gerade durchgef'tihrten Herleimngen genau nachvollzogen hat, kann aus
der Aquivalenz von residualgewinnorientierter Besteuemng und Cashflow-Besteu-
erung tiberdies darauf schliegen, dass die erstgenannte Besteuerung nichts anderes
468
als eine verkappte Konsumbesteuerung ist. Auch unter diesem Blickwinkel stellt
sich erneut ein Wertungsproblem, das sicherlich nicht Gegenstand eines 6konomi-
schen und erst recht nicht betriebswirtschaftlichen Lehrbuchs sein kann. In jedem
Falle besticht die residualgewinnorientierte Besteuerung unter Effizienzaspekten
und unter dem Aspekt der einfachen M6glichkeit ihrer Implementierung in das
herrschende Steuerrecht durch ihre augenscheinliche Eleganz.
4.5 Zusammenfassung
Im Rahmen dieses Abschnitts wurde gezeigt, dass die Fisher-Separation auch un-
ter Berticksichtigung einer allgemeinen Gewinnsteuer weiterhin Bestand haben
kann und Investitionsentscheidungen damit auch unter Beachtung steuerlicher
Aspekte pr~iferenz- und ausstattungsunabh~ingig auf der Grundlage des Kapital-
wertkriteriums unter Zugrundelegung der herrschenden Marktzinss~ttze getroffen
werden k6nnen. Des Weiteren wurde gezeigt, wie sich der Kapitalwert eines In-
vestitionsprogramms generell unter Berticksichtigung yon Steuerzahlungen ermit-
telt.
Ftir die Herleitung der Fisher-Separation war neben der Annahme eines (bis auf
die Einftihrung von Steuern) vollkommenen Kapitalmarktes (bei Sicherheit) vor
allem von Bedeutung, dass Soil- und Habenzinszahlungen eines Steuersubjekts
grunds~itzlich steuerlich gleich behandelt werden. Dies trifft insbesondere f'tir das
Standardmodell der Investitionsrechnung zur Erfassung einer allgemeinen Ge-
winnbesteuerung zu. Reale Steuersysteme werden allerdings durch dieses Stan-
dardmodell nnr partiell abgebildet, weswegen f'tir solche F~ille das Kapitalwert-
kri terium als pr~iferenzunabh~ingiger Bewertungsmal3stab nieht ohne weiteres ge-
folgert werden kann.
Bei steuerlicher Ungleichbehandlung von Soll- und Habenzinszahlungen wird man
in der Regel auf einen Ansatz wie das Hirshleifer-Modell zurtickgreifen mtissen.
Eine pr~iferenzunabh~ingige Beurteilung yon Investitionsm6glichkeiten wird dann
grtmds~itzlich allerdings nicht mehr m6glich sein.
469
Je nach der konkret unterstellten Art der Besteuerung kann sich trotz weiterhin
gegebener Gtiltigkeit der Fisher-Separation ein als Steuerparadoxon bekanntes
Ph~inomen ergeben. In einem weiteren Sinne liegt ein Steuerparadoxon dann vor,
wenn der Nach-Steuer-Kapitalwert eines Investitionsprojekts tiber dem entspre-
chenden Vor-Steuer-Kapitalwert liegt. Im engeren Sinne spricht man von einem
Steuerparadoxon, wenn der Nach-Steuer-Kapitalwert positiv, der Vor-Steuer-Kapi-
talwert hingegen negativist. In diesem letzteren Falle ist zugleich Investitionsneu-
tralitiit des Steuersystems nicht mehr gegeben. Das bedeutet, dass durch die Be-
steuerung Einfluss auf das unternehmerische Investitionsverhalten genommen
wird. Notwendige Voraussetzung ffir das Auftreten von Steuerparadoxa im enge-
ren Sinne ist die steuerliche Abzugsf'~ihigkeit von Sollzinszahlungen. Relevant
ist iiberdies die Art der steuerlich zul~issigen Abschreibung. Fiir den Spezialfall
der sogenannten Ertragswertabschreibung erhiilt man das tiberraschende Ergeb-
nis, dass unabhiingig vom unterstellten Steuersatz s der im Standardmodell resultie-
rende Nach-Steuer-Kapitalwert stets mit dem Vor-Steuer-Kapitalwert tiberein-
stimmt, sofern im Zeitpunkt der Projektanfangsauszahlung keinerlei Steuern
anfallen. Auch bei einer sogenannten Cashflow-Steuer k6nnen keine Steuerparado-
xa i.e.S, auftreten und ist Investitionsneutralitiit somit gew~lrleistet. Im Rahmen
der Cashflow-Besteuerung werden alle nicht investiv verwendeten Einzahlungen,
also letztlich die Konsumauszahlungen, besteuert. Vollst~ndig iiquivalent zur
Cashflow-Besteuerung ist die residualgewinnorientierte Besteuerung, bei der in
Abweichung vom Standardmodell die der Besteuerung zugrundeliegende Gewinn-
ermittlung unter Abzug kalkulatorischer Zinsen erfolgt. Gerade die letztere Steuer
k6imte auch in Deutschland ohne gr6gere 2~nderungen der bisher geltenden Rege-
lungen implementiert werden. Die intertemporale Konsumallokation der Subjekte
wird allerdings durch die residualgewinnorientierte Besteuerung ebenso wie durch
die Cashflow-Steuer oder eine Besteuerung gem~ig dem Standardmodell im Allge-
meinen beeinflusst. Konsumneutralitiit der Besteuerung liegt hier demnach in
aller Regel nicht vor. In Tabelle 4.13 sind die genannten drei m6glichen Ans~itze
der Besteuerung, die zur Investitionsneutralitiit f'dhren, nochmals tiberblicksartig
charakterisiert.
470
Form der Be- Charakteristikum steuerung
Standardmodell mit Ertragswert-
abschreibung
Cashflow-Steuer
Residualgewinn- orientierte Be-
steuerung (inhaltlich
~iquivalent zur Cashflow-
Steuer)
Abschreibungen g e m ~ Ertragswertentwicklung
(vor Steuem)
Gewinn = Saldo aller Ein- und Auszahlungen aus
Real- und Finanzinvesti- tionen
Residualgewinn als Steuerbemessungs-
grundlage; ergibt sich aus dem Gewinn des
Standardmodells durch Abzug von (kalkula-
torischen) Zinsen auf das gebundene Kapital der je-
weiligen Vorperiode
Nach-Steu- er-Kapital- marktzins -
satz
i-(1-s)
Tabelle 4.13: Investitionsneutrale Besteuerungsformen
Nach- Steuer-
Kapitalwert Ks
Ks=K: (ohne Steu- em in t = 0)
bzw. ~Cs = ( l -s) , :
(sonst)
~:s = (1-s)-~c
~:s = (1-s)'~c
471
A n h a n g 1
U m zu zeigen, dass die s teuer l iche Abzugsf 'fihigkeit von Kred i t z insen notwendig
f'tir das Auftreten yon Steuerparadoxa i.e.S, ist, braucht nur nachgewiesen zu wer-
den, dass ohne steuerliche Abzugsf'~ihigkeit von Kreditzinsen aus ~:s > 0 stets ~c s
< ~c folgt. Darm niimlich kann augenscheinlich kein Steuerparadoxon i.e.S, mit ~c s
> 0 und n < 0 vorliegen. Im Weiteren sei deswegen ~:s > 0 vorausgesetzt .
In der Vor-Steuer-Betrachtung gilt
T ~: _- ~ zt , (A4.1)
t=o (1 +i) t
in der Nach-Steuer-Betrachtung hingegen
T ( l _ s ) . z t + s . D t Ks = ~ (A4.2)
t=0 (1 +is) t
Sofern Sollzinsen nicht steuerlich abzugsfiihig sind, ist in (A4.2) unabh~ingig von
der Behandlung der Habenzinsen mit is = i zu rechnen, und man erh~ilt:
T Dt K s = ( 1 - s ) ' K + s ' ~ (A4.3)
t--0 (1 +i) t"
In aller Regel gilt ~tX=0 D t = 0. Selbst unter Voraussetzung sogenannter Ertrags-
wer tabschreibungen 52 (und ~c s > 0) gilt h6chstens Y~tv=0 D t = 1~ s _> 0. Mit i _> 0 %
ist dann aber ftir D~, ..., D v _> 0 auch von ~xt= 0 Dt/(l+i) t < K s auszugehen. 53 Damit
erhiilt man als Obergrenze ftir den Nach-Steuer-Kapitalwert:
52
53
Vgl. hierzu auch Abschnitt 4.4.2.1.
U m genau zu sein, wird ftir die Herleitung dieses Abschnitts damit neben nichtnegativen Werten far Dj ..... DT und i auch eine Abschre ibungssumme von t = 0 bis t = T von nicht mehr als K s benStigt. Dies sind freilich keine strengen Annahmen.
~:s -< ( l - s ) ~:+s'~:s
~* KS _~ K.
472
(A4.4)
Falls K s nichtnegativ ist, ist K s folglich nicht gr6Ber als K, weswegen dann natiir-
lich auch K nicht kleiner als Null ist.
Ein Steuerparadoxon im Falle yon i s = i kann demnach nur noch fOx den ver-
gleichsweise uninteressanten Fall K s _< 0 und damit K < 0 auftreten, wenn also ein
Investitionsprojekt unabh~ingig von der Besteuerung besser gar nicht durchgeftihrt
werden sollte, ein Steuerparadoxon im engeren Sinne damit gar nicht vorliegt,
sondem nut im weiteren Sinne. Hierffir lassen sich im fibrigen leicht Beispiele
formulieren. Im Falle der im Abschnitt 4.4.2.2 er6rterten Cashflow-Besteuerung
etwa gelten D t = 0 (V t = 0 . . . . . T) und i s = i, somit also ~:s = (1-s).K > K, falls
K < 0. Insofem liegt hier eine Situation mit einem Steuerparadoxon im weiteren
Sinne (allerdings nicht im engeren Sinne) vor. Insbesondere die interessanteste
Konstellation, Wechsel yon Projektablehnung zu -annahme, also von K < 0 zu K s
> 0 und somit ein Steuerparadoxon im engeren Sinne, ist FOx i s = i nicht m6glich,
Investitionsneutralit~it hierbei daher gewahrt.
473
Anhang 2 54
Zur Herleitung der Investitionsneutralitiit der Ertragswertabschreibung im Fal-
le der Nichtbesteuerung yon fiber die Anfangsauszahlung hinausgehenden Zuschrei-
bungen des Zeitpunktes t = 0 sind zun~ichst die Formeln ftir Vor- und Nach-
Steuer-Kapitalwert zu rekapitulieren:
T K = Z0+ E Zt
t=l (1 +i) t'
T Zt_S. (zt_Dt) ~s = z~ [1 +i" ( l - s ) ] t
(A4.5)
Im Falle der Ertragswertabschreibung gilt D t = qt-l-~P woraus sich wegen T~t_l =
(Z t+ lq t ) / ( l+ i ) r162 l i t = TIM " ( l + i ) - z t schliel31ich D t = zt-ifflt_ l und damit z t -D t = iqqt_ 1
ergibtY
Die Differenz A~ - ~-~c s der beiden Kapitalwerte ist laut Behauptung f'tir jede
beliebige Parameterkonstellation stets identisch Null. Im Weiteren ist diese
Differenz daher ein wenig naher zu betrachten:
AK -- ~ z t" +s" . (A4.6) t = l +i) t [1 +i" (1 -S)] t [1 +i-(1 -S)] t
Der erste Summand lasst sich mittels einiger "Kunstgriffe" in der folgenden
modifizierten Form darstellen:
54 Der folgende Nachweis orientiert sich sehr stark am Vorgehen von Georgi (1994), S. 32 ff.
55 Gerade die letztgenannte Gleichung beschreibt die Besteuerung des iikonomi- sehen Gewinns im Rahmen des Standardmodells bei Ertragswertabschreibung, wie schon im Haupttext im Zusammenhang mit Beispiel 4.1 2 erwiihnt worden ist.
474
T{ } zt" 1 1
t=l (l~i) t [l+i- (1-s)] i
zt { i (1+i, = ~ (1 +i ) t 1- t=l 1 +i7" ( l - s ) ] J
[ +i.(l_s)]t__~ 1-[ ( 1 + i ) I t = 1 1 . z t Ll+i-(1-s)j ]71 (l+i) t 1 l+i'(I-s)
1 +i
(A4.7)
In der dritten Zeile aus (A4.7) erfolgte dabei lediglich eine Erweiterung im Z~ihler
und Nenner um den Faktor 1-{[l+i-(1-s)]/(l+i)}. Bereits im Anhang 1 des
Abschnitts 2 von Kapitel III wurde der Nachweis erbracht, dass ftir geometrische
Reihen mit q ;~ 1 der folgende Zusammenhang Gtiltigkeit besitzt:
T E q t - I _ 1-q T t=l 1 -q
t ~ - 1 _ 1 -q t
=1 1 -q
(A4.8)
Gem~iB (A4.8) erh~ilt man des Weiteren:
t t t t t 1-qt q. 1 -q 1-q 1 -q _ - - - - _ _
= q . . . . q. = _ q . s q.~-i = _ 2 q'L 1__ I q 1_! q-1 1-q "~=1 ,=1
q q
(A4.9)
Definiert man nun q - (l+i)/[l+i-(1-s)], dann ergibt sich auf der Grundlage von
(A4.9) unmittelbar:
1- l + i ' ~ - s ) ] = _ l+i '.
1 1 +i" ( l - s ) ,=1 1 +i ' (1-s) l+i
(A4.10)
475
Einsetzen des Ergebnisses aus (A4.10) in die letzte Zeile aus (A4.7) liefert somit:
+ i . ( 1 - s ) r zt . ~ l+i ]~
- ~=i 1 + i - ~ - s ) J
= -1(1 +i) -[1 +i. (1 -s)]} . ~ Z t" (1 +i) "-tq (A4.11) t:a ~:a [1 +i" (1 -s)] '
T ~ Zx.(1 +i) t - ' - I = -s- i . E
�9 =1 t=l [1 +i" ( l - s ) ] t
Im Rahmen der dritten Zeile wurden lediglich die Variablen t und x in ihren
Bedeutungen vertauscht.
Betrachtet man nun etwas naher die zu berticksichtigenden Kombinationen der
Variablen x und t in der Doppe | summe der letzten Zeile aus (A4.11), dama ent-
sprechen diese den in der folgenden Tabelle A4.1 durch "x" gekennzeichneten Zel-
len:
1 2 3 T o ~ J
1 x
2 x x
3 x x x
T x x x x x
Tabelle A4.1: Im Rahmen der Doppelsumme aus (A4.11) - letzte Zeile - zu be-
achtende Kombinationen von z und t
Summiert man statt ~]T Y~=1 (') in der Form ~]tT=l Y-~=t ('), dann kann man leicht "~=1
476
anhand von TabeUe A4.1 pfiifen, dass hierdurch die gleichen Kombinationen von
"~ und t erfasst werden. W~trend im ersten Fall f'tir jeden m6glichen Wert von "c
gewissermagen zeilenweise summiert wird, erfolgt die Addition im zweiten Fall
far jeweils gegebenen Weft yon t spaltenweise.
Daher gilt folgender Zusammenhang:
X ~.~ T z .(l+i)t-~-I -s'i" ~x=l ~t=l ZT" (1 +i)t-~-I ~'-+-~ ~ i.. ~k__ ~11 -- S" i'~t=l E.c=t [-i 't-i--~(1 - ~ (A4.12)
Der Ertragswert qt-1 eines Zeitpunktes t-1 ergibt sich als Y~T t z~-(l+i) -~+t-l, da die
Zahlungen nur auf den Zeitpunkt t-1 abgezinst werden, der Exponent yon l+i also
nicht einfach -'~ ist, sondem um t-1 wieder erh6ht werden muss.
Zusammenfassend kann unter Beachtung von (A4.12) und der Definition von rlt_l
die Bestimmungsgleichung (A4.6) ftir A~: wie folgt vereinfacht werden:
T T T
_ s . i . E 1 ' E z ' ( 1 +i)t-'-I + s ' E t=l [1 +i" ( l - s ) ] t ~=t t=l
i ' tit_ 1
[1 +i" (1 - s ) ] t
T T llt_l = - s ' i " ~ + s ' i ' ~ tit_,
t=l [1+i" ( l -s)] t t=l [1 +i. (1 -S) ] t
(A4.13)
= 0 .
In der Tat ftkhrt damit die M6glichkeit einer Ertragswertabschreibung unter den
getroffenen Annahmen zur Identit~it K s --- ~: fur beliebigen Steuersatz s und belie-
bige sonstige Parameterwerte.
477
Anhang 3 56
Um das Liicke-Theorem im hier betrachteten Kontext nachzuweisen, muss man
nur Anfangsauszahlung und zugeh6rige Abschreibungen nS.her betrachten, da an-
sonsten alle Zahlungen annahmegem~ig unmittelbar erfolgswirksam sind.
Die zahlungsorientierte Kapitalwertberechnung kann unter den hier getroffenen
Annahmen als ein Spezialfall gewinnorientierter Kapitalwertermittlung mit So-
fortabschreibung des zu A 0 bewerteten Investititionsobjekts im Zeitpunkt 0 inter-
pretiert werden. Im Rahmen der "eigentlichen" gewinnorientierten Kapitalwertbe-
rechnung werden die Abschreibungen hingegen erst zu sp~iteren Zeitpunkten vor-
genommen. Man muss sich zum Vergleich der beiden Kapitalwertberechnungs-
m6glichkeiten daher nur fragen, wie es sich ceteris paribus auf den Kapitalwert
eines Investitionsprojekts auswirkt, wenn die Anfangsauszahlung nicht komplett
bereits im Zeitpunkt 0 abgeschrieben wird, sondern im Ausmal3 D t eine Abschrei-
bung erst im Zeitpunkt t erfolgt.
Wird die Anfangsauszahlung A 0 im Betrag D t e rs t in t abgeschrieben, so bedingt
dies fOx sich, dass der Kapitalwert in gewinnorientierter Rechnung um D t-
[Dr/(1 +i ) t] tiber dem Kapitalwert bei zahlungsorientierter Rechnung liegt. Konse-
quenz aus der sp~iteren erfolgswirksamen Verrechnung yon Teilen der Anfangs-
auszahlung ist aber auch, dass der Restbuchwert des Investitionsobjekts in den
Zeitpunkten 0 bis t-1 u m D t tiber dem Restbuchwert bei erfolgswirksamer Ver-
rechnung des Betrags D t bereits im Zeitpunkt 0 liegt. Wenn man nun kalkula-
torische Zinsen in den Zeitpunkten 1 bis T auf den Restbuchwert des Investitions-
objekts im jeweils unmittelbar vorhergehenden Zeitpunkt gewinnmindemd ansetzt,
also eine Residualgewinnbetrachtung vornimmt, dann bedingt die Verschiebung
56 Der Nachweis orientiert sich an Laux/Liermann (2005), S. 600 ft. Siehe hierzu auch Knoll (1996). Das Liicke-Theorem gilt darfiber hinaus unter sehr viel ge- nerelleren Annahmen. Neben den beiden bereits genannten Quellen sei insbe- sondere auf Marusev/Pfingsten (1993) verwiesen, wo das Liicke-Theorem sogar fOx den Fall nicht-flacher Zinsstruktur belegt wird.
478
der Abschreibung D t v o m Zeitpunkt 0 zum Zeitpunkt t Gewinnreduktionen von
i.D t in den Zeitpunkten von 1 bis t. Diese Gewinnreduktionen mindern den Ka-
pitalwert in (residual-) gewinnorientierter Betrachtung im Vergleich zur zah-
lungsorientierten Kapitalwertermittlung um i -D t-~]~=~ (1 +i) -~ = i-D t-RBF(i;t). Die
resultierende Gesamtkapitalwert~indemng durch Verschiebung einer Abschreibung
D t v o m Zeitpunkt 0 zu einem Zeitpunkt t betr~igt damit:
Ot Dt (1 +i)t-1 D t i 'Dt 'RBF(i ; t ) = D t - - i ' D t ' - - - 0. (A4.14)
(1 +i) t (1 +i) t (1 +i) t" i
Genau diese Kapi ta lwer t invar ianz bei Variationen von O t i s t die Aussage des
Liicke-Theorems.
479
Wiederholungsfragen
W4.1
Wie sind die Annahmen des Standardmodells zur Erfassung steuerlicher Aspekte
in der Investitionsrechnung im Vergleich zu den tats~ichlich in Deutschland
bestehenden Regelungen zu beurteilen?
W4.2
Wieso besitzt die Fisher-Separation unter den getroffenen Annahmen des Stan-
dardmodells bei einer allgemeinen Gewinnbesteuerung weiterhin Gtiltigkeit?
W4.3
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Gtiltigkeit der Fisher-Separation im
Rahmen des Standardmodells der Investitionsrechnung bei allgemeiner Gewinnbe-
steuerung?
W4.4
Was versteht man unter dem Zins- und und was unter dem Volumeneffekt der Ge-
winnbesteuerung?
W4.5
Wie l~isst sich zeigen, dass die Kapitalwertformel im Rahmen des Standardmodells
nach wie vor tiber die Eigenschaft der Wertadditivit~it verftigt?
W4.6
Was versteht man generell unter der Investitionsneutralit~it der Besteuerung?
W4.7
Was versteht man unter dem Steuerparadoxon im engeren Sinne, was unter dem
im weiteren Sinne?
48O
W4.8
Was versteht man unter einer Ertragswertabschreibung, und welche Konsequenzen
ergeben sich aus ihrer Anwendung?
W4.9
Was versteht man unter einer Cashflow-Steuer, und welche Konsequenzen erge-
ben sich aus ihrer Anwendung?
W4.10
Was versteht man unter einer residualgewimaorientierten Besteuerung, und welche
Konsequenzen ergeben sich aus ihrer Anwendung?
V Ausblick
481
Ziel dieses ersten Bandes war, einen m6glichst umfassenden 0berblick fiber das
ad~iquate Treffen von Investitionsentscheidungen bei Sicherheit zu geben.
Alles in allem geh6rt die Investitionstheorie bei Sicherheit zweifellos zu den be-
triebswirtschaftlichen Teilgebieten, die sich durch augerordendlich groge Ge-
schlossenheit und weitestgehende Beantwommg der interessierenden FragesteUun-
gen auszeichnen. Vorausgesetzt, das Problem der Datenbeschaffung ist gel6st,
vermag die Investitionstheorie fiir so gut wie jede denkbare Entscheidungssitua-
tion bei Sicherheit ad~iquate L6sungsans~itze anzubieten. Gerade weil hier generell
keine Fragen mehr offenbleiben, fiberrascht es nicht, dass sich das finanz-
wirtschaftliche Forschungsinteresse seit einer letzten Blfitezeit in den sechziger
Jahren generell nicht mehr auf diesen Problembereich richtet. Als Kontrapunkt
dazu sind die zaldreichen Lehrbiicher auf diesem Gebiet anzusehen, die ihre Ur-
sache neben der grogen praktischen Relevanz von Investitionsentscheidungen ins-
besondere auch in der Existenz eines derart schltissigen Theoriegeb~iudes haben.
So befriedigend die Errichtung eines monolithischen Theoriegeb~iudes fiir Investi-
tionsentscheidungen bei Sicherheit auch sein mag, so unbefriedigend ist die feh-
lende Berticksichtigung von Risikoaspekten. Die Unsicherheit hinsichtlich der
kfinftigen Konsequenzen yon unternehmerischen Handlungsaltemativen d'tirfte ge-
fade f'fir Investitionsentscheidungen mit ihrer langfristigen Natur konstitutiv sein.
Aus diesem Grund widmet sich der zweite Band ausftihrlich den Fragen einer
Investitionstheorie bei Risiko. Schon unter der Pr~misse des vollkommenen Ka-
pitalmarktes erreichen die Probleme dabei eine Komplexit~it, dass unmittelbar ein-
sichtig sein wird, warum eine geschlossene Theorie f'tir Investitionsentscheidun-
gen bei Risiko nicht in gleicher Weise wie f'tir Sicherheit existiert.
Des Weiteren wurde im Rahmen des ersten Bandes stets unterstellt, dass die be-
trachteten Unternehmer s~rntliche Investitionsentscheidungen selber treffen. Typi-
scherweise werden in Unternehmen Entscheidungen auch delegiert und folglich
dezentral getroffen, um den besseren Informationsstand der unter der Unterneh-
482
menszentrale angesiedelten Stellen zu nutzen. Die Unternehmenszentrale wird
demnach in der Regel die konkreten Investitionsm6glichkeiten nicht mit Sicher-
heit kennen und in jedem Fall nicht so gut wie die untergeordneten Stellen beur-
teilen k6nnen. Im Rahmen des Investitionscontrolling wird geprfift, wie man si-
cherstellen kann, dass generell Investitionsemscheidungen im Sinne der Unterneh-
menszentrale getroffen werden. Derartige Fragen sollen zu einem spiiteren Zeit-
punkt im Rahmen eines noch zu erstellenden drit ten Bands er6rtert werden.
Wann dieser Band genau verfasst werden kann, steht indes noch "in den Stemen".
Alles in allem sollen der (bereits vorhandene) zweite und der (geplante) dritte
Band in Vertiefungsvorlesungen das weiterffihren, was fiber den ersten Band im
Rahmen einer Basisvorlesung bereits vermittelt worden ist.
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Verweisregister
In der folgenden Tabelle findet sich in der ersten Spalte die jeweilige Seitenzahl
aus "Investition II", auf der auf die erste Auflage von "Investition I" verwiesen
wird. Die zweite Spalte gibt den jeweiligen Verweis auf die erste Auflage von
"Investitition I" an, die dritte Spalte den entsprechend zu modifizierenden
Verweis auf die vorliegende dritte Auflage.
Seitenzahl aus
"Investition H"
Verweis auf
"Investition I" (2000)
Verweis auf
"Investition r' (2007)
S. 10 S. 85 S. 89
S. 62 S. 42 S. 44
S. 113 S. 356 ft. S. 360 ft.
S. 171 S. 196 ft. S. 200 ff.
S. 192 S. 329 f. S~ 333 f.
S. 266 S. 209 S. 213
S. 270 S. 188 f. S. 192 f.
S. 281 S. 225 S. 229
S. 290 S. 257 ff. S. 261 ft.
S. 292 S. 269
S. 491 S. 472
S. 492 S. 420 f.
S. 273
keine exakte Entsprechung
mehr; am ehesten noch S.
409 ff.
S. 424 f.
Stichwortregister 497
Absatzinterdependenzen 155
Abschreibung 89
lineare 93
Agio 381
Alternativkostenkonzept 333
Amortisationsdauer 123
Amortisationsrechnung, statische 83
Anfangswertmaximierung 374
Anlegertyp 53, 304
Annuit~it, ~iquivalente 85, 181 ft., 375
Annuit~itenfaktor 85
Anschaffungswertprinzip 444
Arbitrage 46
Auslandsdirektinvestition 261
Auswahlentscheidung 75 f., 160
Auszahlungsfunktion 157
Basiszahlungsreihe 116 f.
Bemessungsgrundlage 407
Berechnungsmethode, retrograde 198 ft.
Bestandsgr613e 372
Besteuerung, residualgewinnorientierte 460 ft.
Besteuerung, zinskorrigierte 463
Betrachtung, marginalanalytische 156
Break-even-Menge 121 f.
Break-even-Preis 123
Cashflow-Steuer 453 ft.
Chance-constrained-Programming-Ans~itze
396
Cobb-Douglas-Nutzenfunktion 11,450
Dar|ehnsgerade 298 f.
Dauerschulden 408
Dean-Modell 329 ft.
Differential, totales 10
Differenzinvestition 76 ft., 1t7, 137 ft., 163
ft.
Disagio 381
Diskontierungsfaktor 65, 201,400
Duration 212, 223 ft.
Einlage 371
Einkommensteuer 407 ft.
Einzelentscheidung 70
Einzelprojektbeurteilung 71,273 f.
Endwertmaximierung 374
Entnahme 371
Entnahmemaximierung 375
Entscheidungsneutralit~it 405
Enumeration, vollst~indige 168
Ersatzzeitpunkt, optimaler 158
Ertragsteuern 407
Ertragswert 89
Ertragswertabschreibung 442 ft.
Erwartungshypothese 217
Festkredit 381
Finanzierungssaldo 372
Finanzierungstheorie 1
Finanzinvestitionen 12, 62 f., 429
Finanzplan, vollst~indiger 431 ft.
Finanzwirtschaft 1
Fisher-Effekt, Internationaler 267 ft.
Fisher-Effekt, Nationaler 243, 278 ft.
Fisher-Hypothese 243 ft.
Fisher-Separation 57 f., 61, 262 f., 424, 454,
464
Fortschritt, technischer 173 ft.
Fremdkapitalkostensatz 384
Fremdw~ihrung 264
Gesetz des Einheitspreises 46, 284
Gewerbe(ertrag)steuer 407 ft.
Gewinn, 6konomischer 446, 473
Gewinnsteuer 412
Gewinnvergleich 83, 90 ft.
Grenznutzen 10
Grenzrate der Substitution 30 ft., 375, 399 f.
Grenzrate der Transformation 34
Grenzrendite 36
Grenzsteuersatz 410
Grti6e, nominale 230
Gr6ge, reale 230
Habenzinssatz 293
Halbeinktinfteverfahren 410
Hirshleifer-Modell 293 ft., 360 ft., 424 f.
Hyperebenen 191
Indifferenzkurve 28 ft.
Inflationsrate 229
Inlandsw~ihrung 264
Investitionscontrolling 482
Investitionsertragsfunktion 13 ft.
Investitionsertragskurve 17 f.
Investitionsneutralit~it 421,435 ft.
Investitionsprogramm 14
Investitionsprojekt 13
Investitionsrechnung, dynamische 83
Investitionsrechnung, statische 83
Investitionstheorie 1
Isonutzenlinie 28 ft.
Kalkulationszinsfuf3, endogener 308, 337 f.,
389 f., 397 ff.
Kapitalbedarfsrechnung, bilanzbezogene 93
Kapitalbudget 335
Kapitalgesellschaft 409
Kapitalmarkt, vollkommener 44 f.
Kapitalmarktgerade 46 ft., 417 ft.
498
Kapitalangebotsfunktion 331 ft.
Kapitalangebotskurve 331 ft.
Kapitalkostenminimierung 384
Kapitalkostensatz 331
Kapitalkostensatz, pagatorischer 333
Kapitalkostensatz, wertm~iSiger 333 f.
Kapitalnachfragefunktion 330 ft.
Kapitalnachfragekurve 330 ft.
Kapitalwert 60, 400 f., 426 ft.
Kapitalwertkriterium 63 f.
Kassagesch~ift 192
Kassawechselkurs 273
Kassazinssatz 192
Kassenhaltung 16
Kaufkraftparit~itentheorie 285 ft.
Ketteneffekt 169 f.
Klienteleffekt 319 ft.
Komplexit~itsreduktion 185
Konditionenvielfalt 377
Konsumauszahlungen 8 ft.
Konsumneutralit~it 421,449, 458 f.
Konsumbesteuerung 454
Kontokorrentkredit 378
K6rperschaftsteuer 409 f.
Kostenvergleich 83
Kreditgerade 297 f.
Kuhn-Tucker-Lagrange-Ansatz 397 ft.
Laplace-Prinzip 452
Leerverkauf 208
LP-Ans~itze 393 ft.
Liquidation 158
Liquidationserl6s 160
Liicke-Theorem 460 ft., 477 f.
Marktwert 62, 312 ff.
Marktwertmaximierung 64
Nennbetrag 207
Neutraler 53, 305 f.
Nominalbetrag 207
Nominalzinssatz 230 ff.
Normalfinanzierung 129
Normalinvestition 129
Nullkupon-Anleihe 200
Nullpunktfestlegung 116
Nullstellenbestimmung 128
Nutzungsdauer 78
optimale 158
maximale 160
Operations Research 173, 393 f.
Optimierungsprobleme, lineare 393 ff.
Ordinalit~it einer Nutzenfunktion 9 f.
Parameter 119
Parameterregeln 113 ft.
Parametervergleich, mittelbarer 146, 358, 376
f., 384
Parametervergleich, unmittelbarer 147
Periode, repr~isentative 88 f.
Personengesellschaft 412
Pr~iferenzen, homothetische 450
Preisniveau 228 f.
Prinzip der arbitragefreien Bewertung 46
Programmierung, Lineare 393 ff.
Realinvestitionsfunktion 13 ft.
Realinvestitionskurve 17 f.
Realinvestitionen 12 f.
Realzinssatz 230 ff.
Rendite 14
Renditemaximierung 376
Rentabilit~itsvergleich 83
Rente, ewige 184
Rentenbarwertfaktor 84 ff.
Residualgewinn 461 f.
499
Risikoaspekte 396, 481
Rollback-Verfahren 168
Riickw~irtsinduktion 167 f.
Schuldnertyp 53, 302
Sofortabschreibung 453 f.
Solidarit~itszuschlag 409 fo
Sollzinssatz 293
Sparbrief 208
Standardmodell 412
Steuern 405 ff.
Steuerparadoxon 435 ff.
Steuersatz 407
StromgrN~e 372
Substanzsteuern 407
Tabellenkalkulationsprogramm 395
Teilbarkeit 14, 19 ff.
Terminanlage, synthetische 218
Termingesch~ift 192
Terminwechselkurs 273
Terminzinssatz 191 f., 215 ft.
Transaktionskosten 295 f.
Transformationsfunktion 26 f.
Transformationskurve 26 f., 415
Unabh~ingigkeit 13, 22 ft'.
Verfiigungsgesch~ift 192
Verpflichmngsgesch~ift 192
Volumeneffekt der Besteuerung 429, 437 f.
Vorzeichenregel, kartesische 129 f.
Wechselkurs 262
Wechselkursrendite 269 f.
Wert, kritischer 120
Wertadditivit~it 69 f., 117, 156, 168, 195, 434
Zahlungen, derivative 369
Zahlungen, origingre 369
Zero Bond 197, 200
Zero-Bond-Abzinsungsfaktor 200
Zinseffekt der Besteuerung 428, 437 f.
Zinsen, kalkulatorische 92, 461
ZinsfuB, interner 124 ff.
Zinskurve 212
Zinsparit~itentheorie, ungedeckte 267
Zinsstruktur 212
flache 213
inverse 213
nicht-flache 213
normale 212
500