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Interkulturelle Kompetenz und KommunikationDie interkulturelle Kommunikation und Kompetenzentwicklung kann in fünf Pha-sen erfolgen: 1.Phase:Bereits junge Rekruten sollen sich mit

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    Walter Sauer.Auslandseinsätze in anderenKulturkreisen, aber auch der Wehrdienstunterschiedlich sozialisierter, in anderenKulturen aufgewachsener oder in emigrier-ten Volksgruppen überwiegend lebenderdeutscher Soldaten sowie die enge Zu-sammenarbeit von Streitkräften auf interna-tionaler Ebene zeigen, wie wichtig es ist,über den eigenen Tellerrand hinauszusehen.

    Größte Bedeutung haben interkulturelleKommunikation und der Erwerb interkul-tureller Kompetenz jedoch in Bezug aufden Umgang mit Menschen in einem frem-den Einsatzland. Während bei Soldaten na-tional wie international durch gezielte Aus-bildung rasch ein grundlegendes Maß anVerständnis erzeugt werden kann und das

    Berufsbild des deutschen Soldaten ohnehinein allen gemeinsames Grundverständnisvon Achtung und Anerkennung kulturellerUnterschiede beinhaltet, so gilt für die Be-völkerung im Einsatzland,dass sie jede auchnoch so geringe Einmischung in die vor-herrschende Kultur, jedes Anzeichen vonVeralberung ihrer Sprache, ihrer Werte undNormen, jede auch nur andeutungsweiseverstandene Missachtung ihrer Sitten undGebräuche als Erniedrigung oder als echteBedrohung empfindet und einen noch sowichtigen friedensichernden Einsatz inGänze ablehnt oder gar boykottiert.

    Dies kann dazu führen,dass die Toleranz-grenze bei der Bevölkerung für kulturellesFehlverhalten von Soldaten oder deren

    Interkulturelle Kompetenz und Kommunikation

    Koblenz. Die offene Kommunikation unddas friedvolle Zusammenleben von Men-schen aus verschiedensten Kulturen ist einzentrales Thema unserer globalisiertenWelt.Vor dem Hintergrund der wachsen-den Zahl von Auslandseinsätzen der Streit-kräfte und der damit verbundenen multi-nationalen Zusammenarbeit erlangt dieinterkulturelle Kompetenz jedes einzelnenSoldaten zunehmend an Bedeutung für dieerfolgreiche Durchführung der unter-schiedlichsten Missionen.

    Oberst Walter Sauer, Bereichsleiter Men-schenführung am Zentrum Innere Führung(ZInFü) in Koblenz, befasst sich nachfol-gend mit der Bedeutung von interkulturel-ler Kompetenz für militärische Ausbildungund Einsätze.

    Oberleutnant Dominik Schellenberger,Student der Pädagogik an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bun-deswehr Hamburg (HSU), schreibt auf Sei-te 12/13 über „Interkulturelle Führungsbe-gleitung als zukünftige Herausforderung“.

    Hemmschwelle zur Aggression wesentlichniedriger sind, als dieses – auch bei noch soumfassender Aufklärung – von den Einsatz-kräften vermutet wird. Hinzu kommt, dassdie Soldaten im Einsatzland permanent un-ter Beobachtung der Einheimischen stehenund auch kleinste Fehltritte sofort regis-triert und interpretiert werden.Auch dieseskann zu Verwicklungen,Missverständnissenund unerwarteten Reaktionen führen.

    Das ZInFü in Koblenz hat aus diesen Er-kenntnissen ein eigenes Projekt, das „Drei-Phasen/Fünf-Ebenen-Modell“ zur Erlan-gung interkultureller Kompetenz entwik-kelt. Die Vorgeschichte dieses Projektes hatbereits im Sommer des Jahres 2003 ihrenUrsprung.

    Zu diesem Zeitpunkt hatte ZInFü/Be-reich 2 im Rahmen des Belastungsmanage-ments hinreichend Erkenntnisse gewon-nen, dass einer der Hauptstressoren deut-scher Soldaten im Auslandseinsatz durchunzureichende Vorbereitung auf das Zu-sammentreffen und den Umgang mit Sol-daten anderer Nationen oder vor allem mitder Bevölkerung des Einsatzlandes hervor-gerufen wurde.

    Entweder wurden auf deutscher Seitesehr häufig andere und damit fremde kultu-relle Werte und Normen als nachrangig an-gesehen oder unreflektiert strikt abgelehntoder teilweise auch derart fehlinterpretiertund missverstanden,dass sowohl das GefühlStehen permanent unter Beobachtung: Soldaten im Einsatzland.

    Unzureichende Vorbereitungen

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    vermeintlicher eigener Überlegenheit oderstark ausgeprägte Empathie sehr verbreitetzu individuellem Stress führten.

    Im Rahmen der Prävention individuel-len Belastungserlebens, besonders aber imLichte des „Rahmenkonzept zur Bewälti-gung psychischer Belastungen von Solda-ten“, war es also geboten, sich grundlegendund konzeptionell,vorrangig aber präventivmit dieser Thematik auseinander zu setzen.

    In einem entsprechenden Arbeitskreis wur-de am ZInFÜ mit bundeswehrinterner undexterner Fachkompetenz die Notwendig-keit interkultureller Kommunikation unddie Entwicklung und Förderung adäquaterFähigkeiten und Fertigkeiten bei Soldatin-nen und Soldaten sehr schnell zielorientiertdiskutiert.

    Dabei wurde unbestritten deutlich, dasses eines einheitlich ausgeprägten, auf unse-rem Menschenbild und unserer Werteord-nung beruhenden kulturellen Fundamentesbedarf, das zur interkulturellen Kommuni-kation erst befähigen kann. Aber auch dieKernfrage „Was bestimmt denn überhaupteine Kultur?“ trat dabei sehr deutlich in denVordergrund.

    Mit Kultur ist ein in einer Volksgruppe ver-breitetes und anerkanntes Orientierungs-system gemeint, das von den Menschen ge-achtete und angewandte Symbole,Normenund Werte sowie Wahrnehmungs- undHandlungsmuster umfasst, die – durchausmit geringen Abwandlungen – von Gene-ration zu Generation überliefert werden.

    Diese Kultur bestimmt Ess- und Trink-gewohnheiten ebenso wie z.B. traditionelleöffentliche Veranstaltungen, die zum Teilauch religiösen Hintergrund haben, oderprivate Feiern, Begrüßungs- und Verab-

    schiedungsrituale oder die Art, wie mansich zu verschiedenen Anlässen kleidet.

    Neben diesen offensichtlichen Kultur-merkmalen ist eine Kultur aber auch durchviele Bereiche geprägt, die häufig nichtsichtbar sind und in der Regel auch unbe-wusst bleiben – etwa, wie wir es mit Zeitoder Pünktlichkeit oder der Verbindlichkeitvon Absprachen halten, oder was wir unterWahrheit, Freundschaft oder Gerechtigkeit

    verstehen. Umfassendes interkulturellesWissen, das heißt Wissen um offene oderverdeckte Unterschiede zwischen Kultu-ren, aber insbesondere auch das Wissen umderen Gemeinsamkeiten, trägt grundlegend

    dazu bei, die Ursprünge und Komplexitäteiner Kultur zu verstehen.

    Um interkulturelle Kommunikation zuverstehen oder interkulturelle Kontakte zudurchschauen und eventuell auftretendeProbleme als kulturbedingt zu erkennen,sind Eigenschaften wie Bereitschaft zugegenseitiger Achtung, zu unvoreingenom-

    mener Offenheit, zu Toleranz und Geduldvon zentraler Bedeutung. InterkulturelleKompetenz darf sich nicht in einem Be-wusstsein für die Schwierigkeiten interkul-tureller Interaktionen erschöpfen,das meis-tens zu Hilflosigkeit und Frustration, angst-besetzten Kontakten und letztlich zurHandlungsunfähigkeit führt.

    Interkulturelles Wissen und interkultu-relle Sensibilität bedürfen einer Ergänzungum Fähigkeiten und Fertigkeiten auf derkommunikativen und auf der Verhaltens-ebene, um effektiv mit Menschen einer an-deren Kultur interagieren und Problemeund Konflikte bewältigen oder von vorn-herein vermeiden zu können, die aus kul-turellen Unterschieden resultieren.

    Sämtliche Überlegungen zum interkultu-rellen Lernen und zur Entwicklung inter-kultureller Kommunikation und Kompe-tenz gehen implizit davon aus, dass Kulturlernbar und der Mensch anpassungsbereit,lernfähig und damit nach der primären So-zialisation in der eigenen Kultur zur sekun-dären Aneignung einer anderen Kultur inder Lage ist.

    Hiermit spreche ich ein Feld an,das deut-schen Streitkräften schon seit Jahren imma-nent ist: Bereits in seiner Einheit trifft derjunge Soldat auf Kameraden mit Migra-tionshintergrund, deren Eltern aus einemanderen Kulturkreis eingewandert sind.

    Mag auch vordergründig die gleiche Sozi-alisation in unserer Gesellschaft stattgefun-den haben, die familiären Bindungen, derUmgang mit Problemen, Emotionen,Macht, Wahrheit, Ehre und Gerechtigkeitwird oft anders gesehen. Daher erscheint esaus hiesiger Sicht geboten, unter besonde-

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    Kultur – ein Orientierungssystem

    Am Zentrum Innere Führung befasst man sich intensiv mit dem Thema „Kultur“.

    In der Bundeswehr dienen auch Kameraden mit anderem kulturellem Hintergrund.

    Anpassungsbereit und lernfähig

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    Dominik Schellenberger. Vom Balkanüber Djibouti bis Afghanistan, und von derBeobachtermission bis zum Kampf gegenden internationalen Terrorismus befindensich derzeit rund 6500 Bundeswehrangehöri-ge auf drei Kontinenten im Auslandseinsatz.Diese unaufhaltsam voranschreitende Inter-nationalisierung der militärischen Arbeitsweltführt dazu, dass deutsche Soldatinnen undSoldaten tagtäglich in ihren eigenen Einhei-ten, im Rahmen internationaler Zusammen-arbeit von Streitkräften sowie im Verbundinternationaler Streitkräfte in Krisengebietenauf Menschen anderer Herkunft und andererKulturen treffen.

    Vor diesem Hintergrund quantitativ zu-nehmender internationaler und interkulturel-ler Begegnungen weist die besondere Qua-lität interkulturellen Fehlverhaltens aus mili-tärischer Sicht auf ein Handlungspotentialhin: „Während mangelnde interkulturelleKompetenz für viele Unternehmen, auf-grund von gescheiterten Verträgen oder Fu-sionen, zu hohen finanziellen Verlusten füh-ren kann, besteht bei Einsätzen der Bundes-wehr in Krisengebieten die Gefahr, dass

    kulturelle Missverständnisse schnell in einebedrohliche Eskalation einer Situation mün-den“ (Boot 2004).

    Kulturelle Spannungsfelder und Unter-schiede können – wie gerade skizziert – sehrschnell zu Missverständnissen führen, Miss-trauen hervorrufen,Vorurteile festigen undRassismus begünstigen.

    Hieran ansetzend verfolgt der Bereich 2des Zentrums Innere Führung die Absicht, inErgänzung zur „Führungsbegleitung in mili-tärischen Organisationen“ (FmO) im Sinneeines Coachings eine „Interkulturelle Füh-rungsbegleitung in militärischen Organisatio-nen“ (iFmO) zu initiieren,um auf diese Weisevor allem militärischen Verbands-, Einheits-und Teileinheitsführern ein adäquates undzielführendes Handeln in interkulturellen Si-tuationen zu ermöglichen.

    Die Notwendigkeit für eine solch gezielteEntwicklung interkultureller (Handlungs-)Kompetenz speist sich sowohl aus den ak-tuellen verteidigungs- und sicherheitspoliti-schen Rahmenbedingungen als auch aus denErkenntnissen und Erfahrungen bisherigerEinsätze (ganz abgesehen von den Maßnah-

    men, die aus wirtschaftlicher Sicht indiziertsind).Während die dem Transformationspro-zess der Bundeswehr zugrunde liegendenverteidigungs- und sicherheitspolitischenRichtlinien die Stabilisierungskräfte wegenihres in erster Linie friedensstabilisierendenAuftrages (mittlerer Intensität) in den Fokusinterkultureller Führungsbegleitung rücken,kann die seit 2000 durchgeführte „Befragungeinsatzerfahrener Soldaten“ (BES) helfen, aufdiese politischen Voraussetzungen aufbauend,grundlegende Rückschlüsse bezüglich orga-nisatorischer und inhaltlicher Schwerpunkteeiner interkulturellen Führungsbegleitung zuziehen.

    Das zentrale Ziel des interkulturellen Coa-chings ist es, interkulturelle Kompetenz zuentwickeln und zu fördern,um so zukünftigeinterkulturelle Begegnungen im Rahmen desGesamtaufgabenspektrums nicht nur kon-fliktarm, sondern vor allem zur beidseitigenZufriedenheit der Beteiligten lösen zu kön-nen. Demzufolge erfordert interkulturelleKompetenz einen Komplex von analytisch-

    Krisen, Konflikte und fremde Kulturen

    Warum als Coaching?

    rer Berücksichtigung der Unterschiede undVorbehalte, aber auch der bereits bestehen-den Gemeinsamkeiten verschiedener Kul-turkreise in Deutschland bei allen deut-schen Soldaten ein gemeinsames Verständ-nis von Kultur, kulturellen Werten undNormen zu entwickeln,das auch unter denEindrücken anderer kultureller Ausprägun-gen, Besonderheiten und vermeintlichenEigenarten in besonderen Auslandseinsät-zen Bestand haben wird.

    Danach ist es erst möglich, sich einerweiteren, der zweiten Ebene zuzuwenden:der Zusammenarbeit deutscher Kontingen-te mit oder deren Einbindung in multina-tionale Einheiten und Verbände.

    Diese Ebene berücksichtigt die ethnolo-gisch und gesellschaftlich bedingten Be-sonderheiten anderer Armeen, ihre unter-

    schiedlichen Führungsgrundsätze und re-flektiert die Rolle deutscher Streitkräfte inder internationalen Zusammenarbeit. Ins-besondere berücksichtigt sie auch die Be-deutung der Grundsätze der Inneren Füh-rung im multinationalen Kontext.

    Die dritte Ebene beinhaltet die Refle-xion des Einsatzes verschieden sozialisierterdeutscher Soldaten in multinationalen Ein-heiten und Verbänden in einem fremdenLand mit weitgehend unbekannter Kultur.

    Die interkulturelle Kommunikation undKompetenzentwicklung kann in fünf Pha-sen erfolgen:

    1. Phase: Bereits junge Rekruten sollen sichmit ethnologisch bedingten Unterschiedenvon Volksgruppen in Deutschland befassen,besonders aber mit deren Gemeinsamkeiten.

    Die Vorgesetzten sind angehalten, das gegen-seitige vorbehaltlose Kennenlernen zu initi-ieren,Verständnis füreinander aufzubringenund eine solide Basis für das Heranwachsenvon Vertrauen zu schaffen.

    2. Phase: Die Thematik wird den angehen-den und jungen Vorgesetzten intensiv in allenAusbildungsgängen, besonders an den Trup-penschulen und in vergleichbaren Ausbil-dungs- und Weiterbildungseinrichtungen ver-mittelt. Ältere Vorgesetzte und solche, die ab-sehbar keine Lehrgänge an Truppenschulenoder vergleichbare Weiterbildungsmaßnah-men durchlaufen, werden durch das Projekt„Dimension Kulturen“, das in den Standor-ten präsentiert wird, in Weiterbildungsveran-staltungen in der Truppe sensibilisiert und ge-schult.

    3. Phase: In der vorbereitenden Ausbildungfür Auslandseinsätze werden Vorgesetzte alsMultiplikatoren weitergebildet und geschult.Dabei werden Spezialisten wie Landeskund-

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    Schritt für Schritt zum Erfolg

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    strategischen Fähigkeiten, die das Interpreta-tions- und Handlungsspektrum des betreffen-den Individuums in interpersonaler Interak-tion mit Mitgliedern anderer Kulturen er-weitern (vgl. Knapp & Knapp-Potthoff 1990).

    Angesichts eines solchen Grundverständ-nisses kann interkulturelles Coaching dazubeitragen, Kenntnisse über andersartige Kul-turen zu vermitteln, für Kulturunterschiedezu sensibilisieren und andersartige Sicht- undDenkweisen nicht nur zu verstehen, sondernauch zu akzeptieren und schließlich kritischin die eigene Persönlichkeitsbildung zu inte-grieren.

    Besondere Bedeutung muss im Rahmeneines interkulturellen Coachings den militä-rischen Erfordernissen zukommen. Der Sol-dat, welcher sowohl im In- als auch im Aus-land als „deutscher Staatsbürger in Uniform“auftritt, agiert über industrielle und wirt-schaftliche Anforderungen hinaus im Span-nungsfeld seines Auftrages und einer womög-lich lebensbedrohlichen Lage.

    Daraus resultiert nicht nur ein Spannungs-feld (Abbildung 1/angelehnt an Backhausen undThommen 2004), in welchem die interkultu-relle Führungsbegleitung verankert ist, son-dern es ist auch eine deutlich andere Qualitätinterkultureller Handlungsfelder erkennbar,als dies bisher durch interkulturelle Trainings-projekte und/oder Coachings auf dem so ge-nannten zivilen Markt abgedeckt wird.

    Da – anders als in industriellen Arbeits- undProjektgruppen – im Zuge der Einsatzvor-ausbildung einzig mononationale Führungs-begleitungen von Verbands-, Einheits- oderTeileinheitsführern möglich sind, ist es zu-gleich umso wichtiger, das Synergiepotentialinterkultureller Handlungssituationen durcheine Einsatzbegleitung „on-the-job“ zu nut-zen. Somit erlangt die Coaching-Konstella-tion eine wichtige Bedeutung.

    Es erscheint sinnvoll, neben den militäri-schen Führern vorhandene Strukturen wiedas psychosoziale Netzwerk mit in die Füh-rungsbegleitung einzubeziehen.

    Außerdem muss interkulturelle Führungsbe-gleitung zwei weiteren Aspekten Rechnungtragen, die typisch militärisch sind: Das Mili-tär weist vor allem in Krisen- und Konfliktsi-tuationen im Gegensatz zum voranschreiten-den „Lean Management“ in der Wirtschafteine steile und zentralistische Organisations-struktur auf und birgt mit der leiblichen Be-drohung des einzelnen Soldaten ein qualita-tiv anderes Gefährdungspotential.

    Diese Besonderheiten und Unterschiedebeeinflussen zusätzlich die Komplexität undDynamik, durch welche sich das Aufein-andertreffen des militärischen Führers undseiner Herkunftskultur mit der Zielkultur desEinsatzlandes auszeichnet.

    Ist der militärische Führer nicht in der Lage,die Divergenz zwischen beiden Kulturen aus-zuhalten und auszubalancieren, kann dies dra-matische Konsequenzen für die Gesundheitdes Soldaten, die affektive Dimension seinerinterkulturellen Kompetenz und letztlich denAuftragserfolg haben (Abbildung 2).

    Es bleibt am Schluss festzuhalten, dassinterkulturelle Führungsbegleitung trotz der

    besonderen militärischen Herausforderungeneine auftragsbezogene Selbstreflexion nach-haltig fördern, in dialogischer Form auf spe-zifische Bedürfnisse und Fragen der militäri-schen Führer eingehen, eine unabhängigeSicht der Dinge, Denkanstöße und Lösungs-ansätze geben und auch unbewusste Deu-tungs- und Handlungsweisen offensichtlichmachen kann (vgl. Barmeyer 2002).

    Auf diese Weise kann interkulturelle Füh-rungsbegleitung durch die Entwicklung undFörderung interkultureller Kompetenz einenwesentlichen Beitrag zum zukünftigen Ge-samtaufgabenspektrum der Bundeswehr undzu erfolgreicher Führung militärischer Vorge-setzter auch außerhalb des gewohnten Um-feldes leisten.

    Als ein erster Schritt in diese Richtungkann die derzeit am Zentrum Innere Füh-rung in der Erarbeitung befindliche digitaleUnterrichtshilfe zum Thema „InterkulturelleKompetenz“ gesehen werden.

    Dominik Schellenberger studiert Pädagogik an derUniversität der Bundeswehr in Hamburg. 2005 warer als Austauschstudent in den USA. Im Rahmenseines Studiums und Projektpraktikums befasste ersich intensiv mit den Grundlagen einer interkultu-rellen Führungsbegleitung in militärischen Orga-nisationen.

    Besonderheiten des Militärs

    ler und Ethnologen herangezogen, die einezielorientierte und praxisbezogene Ausbil-dung durchführen.

    4. Phase: Besonders Vorgesetzte sind gefragt,während des Auslandseinsatzes Demotiva-tionstendenzen oder nachhaltigen psychi-schen Störungen durch fehlendes oder unzu-reichendes interkulturelles Verständnis präventiventgegenzuwirken. Dabei sollen auch Lan-deskundler/Ethnologen, Psychologen/Theo-logen unterstützen.Wesentliches Element derMotivation ist dabei umfassende Kommuni-kation durch politische Bildung und Vermitt-lung der Sinnhaftigkeit des Dienstes.

    5. Phase: Der Nachbereitung eines Einsatzeskommt ebenfalls eine Schlüsselrolle zu. Des-halb ist es wichtig, auch in dieser Phase dessoldatischen Dienstes Konflikte im interkul-turellen Umgang aufzuarbeiten und mögli-che präventive Handlungsmuster zu entwi-ckeln. Andererseits ist es in dieser Phase oftwichtig, den Einzelnen bei der Wiederauf-

    nahme in das eigene soziale Umfeld zuunterstützen, das ihm nach seinen Erfahrun-gen im Auslandseinsatz in anderem Blick-winkel und mit neuen Wertmaßstäben oftfremd erscheint.Der Bereich 2 des ZInFü hat ein Arbeitspapier„Interkulturelle Kompetenz in Vorbereitungauf internationale Einsätze“ entwickelt undden neuen Ausbildungsfilm „InterkulturelleKommunikation“ an die Truppe verteilt.

    Auch eine derzeit entstehende digitaleUnterrichtshilfe mit einem Selbstlernteilund Unterrichtsbausteinen wird eine Hilfebei der Ausbildung sein. Der Film „Inter-kulturelle Kommunikation“ soll den Ein-stieg in das Thema erleichtern.Vor allem soller dazu dienen, über Führungsverhaltenvon Vorgesetzten im interkulturellen Kon-text zu reflektieren und Rückschlüsse für

    die Praxis zu ziehen. Je größer die subjektivwahrgenommene Diskrepanz zwischen an-gewendetem und erwartetem Führungsver-halten ist, desto höher ist die Wahrschein-lichkeit von Konflikten und Effektivitäts-wie auch Effizienzverlusten und desto ge-ringer sind Zufriedenheit, Motivation undLeistungsbereitschaft der Unterstellten.

    Die Effektivität eines auftragsorientier-ten Führungsstils hängt somit auch maß-geblich von den kulturell geprägten Erwar-tungen der Untergebenen ab. Bereitschaftund Fähigkeit zur Flexibilität und Lernbe-reitschaft bei Führern wie bei Unterstelltenerhöhen die Chancen einer erfolgreicheninterkulturellen Zusammenarbeit. Bei derEntwicklung dieser Kompetenzen kann dasZInFü-Konzept „Führungsbegleitung inmilitärischen Organisationen“ helfen, überdas in der letzten Ausgabe berichtet wurde.

    Führungsverhalten reflektieren

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