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Universität Salzburg, Institut für Geschichte, Wintersemester 2003/2004 Seminar:Geschichte der Globalisierung: Univ. Prof. Dr. Reinhold Wagnleitner Die Globalisierung Russlands: vorgelegt von Liselotte Douschan 1 Inhaltsverzeichnis Seite Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 1. Vorgeschichte – Rückblick 3 1.1 Aufbau einer autonomen russischen Wirtschaft 3 1.2 Staat und Gesellschaft – Leibeigenschaft 3 1.3. Städte und Märkte 5 1.4. Abhängigkeiten und Schwächen der russischen Wirtschaft im 7 18. und 19. Jahrhundert 2. Übergang-Planwirtschaft 8 3 Globalisierung Russlands 9 3.1 Der schwierige Übergang zur Marktwirtschaft 9 3.2 Demokratisierungsprozess 10 3.2.1 Die soziale Lage 10 3.3 Steuerhinterziehung und Geldwäsche 12 3.4 Landwirtschaft 13 3.5 Rüstungswirtschaft 14 4. Politische Reformen 15 4.1 Gesellschaftliche Umbrüche 15 4.2 Politische Machtstrukturen, Parteien 15 5. Außenpolitik 17 5.1 Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GUS 18 5.2 Russlands Stellung zur EU 19 5.3 Russlands Stellung zur NATO 20 5.4 Ausblick 21 Zusammenfassung 23 Literatur/Quellen 24 Anhang

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Die Globalisierung Russlands: vorgelegt von Liselotte Douschan

1

Inhaltsverzeichnis Seite

Inhaltsverzeichnis 1

Einleitung 2

1. Vorgeschichte – Rückblick 3

1.1 Aufbau einer autonomen russischen Wirtschaft 3

1.2 Staat und Gesellschaft – Leibeigenschaft 3

1.3. Städte und Märkte 5

1.4. Abhängigkeiten und Schwächen der russischen Wirtschaft im 7

18. und 19. Jahrhundert

2. Übergang-Planwirtschaft 8

3 Globalisierung Russlands 9

3.1 Der schwierige Übergang zur Marktwirtschaft 9

3.2 Demokratisierungsprozess 10

3.2.1 Die soziale Lage 10

3.3 Steuerhinterziehung und Geldwäsche 12

3.4 Landwirtschaft 13

3.5 Rüstungswirtschaft 14

4. Politische Reformen 15

4.1 Gesellschaftliche Umbrüche 15

4.2 Politische Machtstrukturen, Parteien 15

5. Außenpolitik 17 5.1 Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GUS 18

5.2 Russlands Stellung zur EU 19

5.3 Russlands Stellung zur NATO 20

5.4 Ausblick 21

Zusammenfassung 23

Literatur/Quellen 24

Anhang

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Die Globalisierung Russlands: vorgelegt von Liselotte Douschan

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Einleitung

Ich habe mir in der vorliegenden Arbeit die Frage gestellt: „Wie hat Russland den Übergang

zur Marktwirtschaft verkraftet?

Wie weit ist Russland heute auf dem Weg zur Globalisierung?“

Die „Initialzündung“ für dieses Thema war das Buch von Braudel „Sozialgeschichte des

15.bis 18. Jahrhunderts“ in dem mich besonders die Entwicklung Russlands und seiner

Märkte faszinierte . Ich beginne deshalb meine Arbeit mit einem Rückblick auf die Anfänge

einer autonomen russischen Wirtschaft im 16. Jahrhundert, da ich der Überzeugung bin, dass

man die Entstehung der russischen Wirtschaft kennen sollte, um die späteren Probleme auf

dem Weg zur Globalisierung besser verstehen zu können.

Für die Zeit nach 1989 habe ich mich vor allem auf die Bücher russischer Autoren gestützt,

wie Ljuba Trautmann und Andrej Gurkow.

Anhand der Literatur versuchte ich strukturelle, politische und wirtschaftliche

Wandlungsprozesse aufzuzeigen.

Wie sehr Russland weiterhin Wandlungen unterworfen sein wird, zeigen die Ereignisse

während des Abfassens meiner Arbeit. ( Sturz des Yukos Konzern Chefs, unblutiger Umsturz

in Georgien).

Die im Folgenden sinngemäß wiedergegebenen Textpassagen zitiere ich jeweils am Anfang.

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1. Vorgeschichte – Rückblick

1.1. Aufbau einer autonomen russischen Wirtschaft

Bis zum Beginn der Herrschaft Peters des Großen stand laut Immanuel Wallerstein

„Moskowien“ außerhalb des europäischen Europa, war aber wirtschaftlich nie gänzlich gegen

die europäische Weltwirtschaft abgekapselt. Über Reval und Riga fand bereits im 16. Jh. ein

reger Handelsaustausch statt. Holländische Händler kauften Getreide- und Hanflager auf, was

den Russen Gold und Silber einbrachte.1Trotzdem blieb Russland bis zu einem gewissen Grad

verschlossen. Das liegt nicht an einer gewollten Abkapselung gegen Europa oder an einer

feindseligen Ablehnung, sondern an der Weiträumigkeit und der zu geringen

Bevölkerungsdichte. Das Interesse für den Westen war sehr mäßig, das lag auch daran, dass

Russland erhebliche Schwierigkeiten hatte, das innere Gleichgewicht zu stabilisieren. Aus

diesen Gründen entwickelte sich Russland als eigenständige Weltwirtschaft am Rande

Europas.

Der wichtigste Auslandsmarkt war zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Türkei. Die

Güterbeförderung erfolgte über das Schwarze Meer, das damals ein scharf bewachtes

türkisches Hoheitsgewässer war. „Kaufmannszüge reisten nach Zentralasien, China und den

Iran. Die Russen führten ungegerbte Häute, Pelze. Eisenwaren Schmiedeeisen, Waffen und

Nahrungsmittel aus und importierten Gewürze (Pfeffer), Seide aus China, Brokate aus Persien

Zucker, Trockenfrüchte, Perlen und Goldschmiedewaren aus der Türkei. Der gesamte

Handelsverkehr wurde vom Staat überwacht.“2 Der Austausch mit dem Süden und Osten wies

mit Sicherheit ein größeres Volumen auf als der mit dem Westen.

1.2 Staat und Gesellschaft – Leibeigenschaft

In Russland zwang der allgewaltige Staat , mit Hilfe einer starken Polizei allen seine

Willkürherrschaft auf. Er kontrollierte auch die wichtigsten Handelszweige. Obwohl Betrug

und Schleichhandel an der Tagesordnung waren, konnten sie der Willkür des Zaren keinen

Abbruch tun. Dadurch unterschied sich das politische Klima Russlands, laut Braudel,

angeblich vom Westen.

1 Braudel, Fernand, Sozialgeschichte des 15. bis 18. Jhdts. Band 3. .München: Kindler, 1990 S. 493 2 Braudel, S. 494

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Dem starken Staat entsprach auf der anderen Seite eine unterdrückte, gegängelte Gesellschaft.

Die Bauern gerieten in immer drückendere Abhängigkeit vom Grundherrn, das Los der

Landbevölkerung verschlechterte sich vom 15. Jahrhundert an laufend. Die Sklaverei hielt

sich in der russischen Bauernschaft länger als vermutet. Ebenso wie bei den ersten

europäischen Siedlern Amerikas war nicht der Erwerb von Grund und Boden ( an dem kein

Mangel herrschte) das Hauptproblem, sondern die Beschaffung von Arbeitskräften. Hier liegt

der Grund für die Einführung und laufende Verschärfung der Leibeigenschaft. Wie sollte der

Adel seine Ländereien bewirtschaften, wenn die Bauern in neueroberte Gebiete aussiedeln?

Auf dem Gut wurden Sklaven beschäftigt, vor allem aber verschuldete Bauern, die sich

freiwillig in Abhängigkeit begaben, um sich ihrer Schulden zu entledigen. Nach einem Erlass

von 1649 war es den Bauern nicht erlaubt, ihren Ort zu verlassen ohne Einwilligung des

Grundherrn. Bei einem Fluchtversuch konnte er zur Rückkehr zu seinem Herrn gezwungen

werden. Theoretisch bedeutete dieser Erlass die vollständige Versklavung der Bauern.

Diese Entwicklung war möglich, weil der Zar vollständig hinter seinem Adel stand, dessen

Rückhalt er brauchte um Flotte, Heer und Verwaltung aufzubauen.

Die Leibeigenen hatten Geld – oder Naturalabgaben zu leisten. Das wieder setzte einen Markt

voraus, zu dem der Bauer freien Zugang hatte. „ Dieser Markt erklärt im Übrigen auch die

direkte Bewirtschaftung des Gutes durch den Grundherrn ( der seine Produktion verkaufen

möchte ) und die Entwicklung des von den Steuereinnahmen abhängigen Staates. Umgekehrt

hing die frühe Herausbildung der russischen Marktwirtschaft auch mit der Öffnung der

ländlichen Wirtschaft zusammen bzw. führte diese Öffnung ihrerseits herbei.“3

Aus diesem grundsätzlich freien Zugang zum Markt ergaben sich einige Widersprüche.

Einerseits waren die russischen Leibeigenen Sklaven, die verkauft werden konnten, der

grundherrlichen Gerichtsbarkeit wehrlos ausgeliefert waren und außerdem Militärdienst

leisten mussten. Sie konnten als Matrosen auf Kriegs- oder Handelsschiffe geschickt werden,

oder als Arbeiter in Manufakturen. Aus diesem Grund gab es immer wieder Bauernaufstände,

die blutig unterdrückt wurden.

Andererseits gab es auch fast wohlhabende Leibeigene, da sie oft die Erlaubnis erhielten

nebenberuflich eine Handwerkstätigkeit auszuüben und das Produkt ihrer Arbeit zu

verkaufen. Teilweise erhielten die Bauern von ihrem Herrn einen Pass, damit sie auch fern der

Heimat ihre Gewerbetätigkeit ausüben konnten. Auch wenn sie dadurch reich wurden, blieben

sie Leibeigene, d.h. sie mussten die entsprechenden Abgaben entrichten. Die Leibeigenen

3 Braudel, S. 499

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trugen zum Ausbau der Manufakturen bei, manchen glückte ein Aufstieg im Großhandel,

unterstützt durch den Grundherrn.

Tragisch wurde es für die dem Gesetz nach leibeigenen Neureichen, wenn sie sich freikaufen

wollten. „Dieses Ansinnen stieß beim Herrn im Allgemeinen auf taube Ohren, sei es, dass er

auf die gewohnten ansehnlichen Zinszahlungen nicht verzichten mochte, sei es, dass es seiner

Eitelkeit schmeichelte, Millionäre in Abhängigkeit zu halten, oder dass er den Preis für den

Freikauf wucherisch in die Höhe treiben wollte. Der Leibeigene wiederum verheimlichte, um

möglichst billig weg zu kommen, nach Kräften sein Vermögen.“4So konnten sich die

Leibeigenen am landesweiten Wirtschaftsleben beteiligen, das ihnen unternehmerische

Möglichkeiten eröffnete. Das galt allerdings nur für eine Minderheit unter den Leibeigenen,

der Großteil fristete ein schweres und entbehrungsreiches Leben.

1.3 Städte und Märkte

Im 17. und 18. Jahrhundert war die Entwicklung der russischen Städte im Vergleich zum

westlichen Europa noch sehr rückständig. Das zeigte sich unter anderem auch am Fehlen

einer neuzeitlichen Kreditwirtschaft und dem in Stadt und Land herrschenden Wucher, der

mit großer Härte betrieben wurde. „Alles geht auf Borg und Pump, Geld, Lebensmittel,

Kleidung, Rohstoffe, Saatgut; alles wird verpfändet: Werkstatt, Laden, Verkaufsbude,

Holzhaus, Garten, Feld oder Parzelle, selbst die Rohrleitungen in einem Salzbergwerk.

Unglaubliche Zinssätze sind gang und gäbe.“5Es ging bei diesen Wucherzinsen nicht sosehr

um den Gewinn, sondern darum, das Pfand ( Grundstück, Werkstatt ) zu beschlagnahmen.

Alles war darauf ausgerichtet, dass der Vertrag nicht erfüllt werden konnte und der

Darlehensgeber große Beute machte. Trotz dieser altertümlichen Formen stellte Russland eine

Weltwirtschaft dar, die in Moskau ihren Mittelpunkt hatte und sich weit in fast menschenleere

Randgebiete ausdehnte. Ausländische Beobachter verwiesen immer wieder auf die riesigen

Dimensionen Russlands. Handelsreisen zogen sich endlos in die Länge manche kamen erst

nach Jahren zum Abschluss. 6“So sind die offiziellen Karawanen von Moskau nach Peking

insgesamt drei Jahre unterwegs- schließlich müssen die Teilnehmer die Wüste Gobi

durchqueren d.h. ca 4000 km zurücklegen“. Dieselben Schwierigkeiten gab es auf der Nord-

4 Braudel, S. 502 5 Braudel, S. 506 6 Braudel, S. 507

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Süd-Route vom Weißen zum Kaspischen Meer. Diese Weiträumigkeit, die typisch für

Russland war, verlieh der russischen Weltwirtschaft die Sicherheit vor fremder Einmischung.

Schon im 17.Jahrhundert bemächtigten sich die Russen auf der Jagd nach Pelzen der Weiten

Sibiriens. Der Hauptvorstoß erfolgte jedoch um 1730. Anfangs wurde dieses weiträumige

Gebiet von Pionieren erobert: Jäger, Fischer, Trapper, Handwerker und Bauern und viele

Abenteurer. Ende des 17. Jahrhunderts kamen Verbannte dazu. Sie gründeten kleine

Siedlungen, ein großer Vorteil war, dass die Bauern nahezu frei waren und die lockeren

Böden mit einfachen Mitteln zu bestellen waren. Die Ureinwohner wurden in die

Wüstensteppen des Südens oder in die dichten Wälder des Nordens abgedrängt. Laut Braudel

zählte Sibirien gegen Ende des 18. Jahrhunderts knapp 600.000 Einwohner, einschließlich der

Einheimischen, die oft zur Schwerarbeit herangezogen wurden. Z.B. Treideln der Schiffe,

Güterbeförderung und Bergbau. Sklaven gab es nur wenige.

Große Probleme bereitete die Güterbeförderung, da das Land verkehrsmäßig kaum

erschlossen war.

Bis 1704 war der Handel auf Pelze beschränkt, die häufig im Schleichhandel verkauft

wurden. Von 50 Handelskarawanen trugen laut Braudel nur rund zehn offiziellen Charakter.

Die russische Regierung tolerierte diesen Schmuggel stillschweigend, um die Sibirier nicht zu

Aufständen zu reizen.

Die Städte und Messen Sibiriens wurden von einem doppelten Handelsstrom gespeist:

1. dem Fernhandel, der russische und europäische Waren gegen Güter aus China, Indien

und Persien umschlug.

2. dem Austausch lokaler Produkte, vor allem Felle, gegen Versorgungsgüter wie

Fleisch, Mehl und vor allem Wodka.

Ab den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts machten die nordamerikanischen Felle denen

aus Sibirien Konkurrenz. Damit begann der Bergbau, für den in Sibirien, anders als in

Amerika, keine Sklaven zur Verfügung standen. Russische und sibirische Arbeitskräfte

mussten die Arbeit hauptsächlich unter Zwang bewältigen. In der ersten Hälfte des 19.

Jahrhunderts setzte der Goldrausch ein.

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1.4. Abhängigkeiten und Schwächen der russischen Wirtschaft im 18. und

19. Jahrhundert.

Die russische Weltwirtschaft stellte kein gesichertes System dar, sondern wies viele

Schwächen auf. Die traten im Umgang mit den Ländern Nord- und Westeuropas auf, aber

auch im Verhältnis zur muslimischen und chinesischen Welt. „ Die moskowitischen

Kaufleute hatten in Moskau und in St. Petersburg neben den Ausländern im Allgemeinen

nicht viel zu vermelden. In den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts war der reichste

Kaufmann Sibiriens, der später Vizegouverneur von Irkutsk wurde, Lorents Lange,

vermutlich ein Däne.“7Peter der Große hatte durch die Gründung von St. Petersburg Russland

das Tor zum Westen geöffnet, aber gleichzeitig auch Europa leichteren Zutritt nach Russland

ermöglicht, und damit auch die Möglichkeit den russischen Markt zu erobern. Der russische

Markt geriet zunehmend in Abhängigkeit des europäischen Handelssystems, das Rohstoffe

importierte. Der eigentliche Gewinn fiel erst bei der Weiterverteilung der Waren im Westen

ab. Dabei zog Russland den Kürzeren.

Andererseits gewöhnte sich das Zarenreich an die Gewerbeerzeugnisse und Luxuswaren aus

dem Westen Europas und kam aus diesem Reigen, an dem es sich erst spät beteiligt hatte,

nicht mehr so schnell heraus. Viele Adelige förderten diese Entwicklung, andere forderten,

dass sich Russland gegen den Vorstoß aus dem Ausland abschirmen und die Grenzen

weitgehend schließen solle. „Die Luxusgüter aus dem Ausland würden den wenigen Fabriken

und Manufakturen des Landes zum Verhängnis werden.

Letztendlich befand sich Russland trotz allem in keinem Abhängigkeitsverhältnis, das sich

etwa mit der Situation Polens vergleichen ließe, da es seinen Inlandsmarkt die Entwicklung

seines eigenen Gewerbes zu schützen wusste.“8 Während der Industriellen Revolution im 19.

Jahrhundert allerdings fiel Russland immer weiter zurück, während es im 18. Jahrhundert in

der industriellen Entwicklung dem übrigen Europa durchaus gleichgestellt war.

Gleichzeitig exportierte Russland ( Hanf, Flachs) und Nahrungsmittel (Weizen). Das ging so

weit,“ dass es im Jahre 1775 Weizen ausführte, obwohl in einem Teil des Reiches eine

Hungersnot wütete.“9 Auch im 19. Jahrhundert setzte Russland seine Politik der Öffnung fort

und lieferte steigende Rohstoffmengen nach Europa.

7 Braudel, S. 515 8 Braudel, S. 518 9 Braudel, S. 520

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2. Übergang – Planwirtschaft

Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde versucht, auch in Russland eine, , mit dem Westen

konkurrenzfähige Industriegesellschaft zu entwickeln. Der Freihandelsära auf dem Weg zu

einer Globalisierung Russlands bis zum Ersten Weltkrieg folgte die Gegenbewegung der

nationalstaatlichen Steuerung in Form einer strikten Zentralplanung. „ In jener Zeit wurde

Politik in den existierenden und zum Teil protektionistisch befestigten Grenzen des

Nationalstaates gemacht.“10Dadurch kam es zur Abkehr vom Weltmarkt und Kontraktion des

Handels vorwiegend innerhalb der Comecon Länder. Es war dies eine Phase der

Abschließung der nationalen Ökonomie und Gesellschaft.

Wie schon die geschichtliche Betrachtung zeigte, führte jede Änderung in der Staatsführung

Russlands auch zu Versuchen, die Wirtschaftspolitik zu reformieren. Im 20. Jahrhundert war

der einzige Reformer, der versucht hatte, für Russland innovative, globalisierende und

marktwirtschaftliche Elemente einzusetzen, Lenin gewesen.11

Die Bolschewiki waren zwar Sieger des Bürgerkrieges, das Land lag aber wirtschaftlich

völlig darnieder. In der Periode der „Neuen Ökonomischen Politik“ (NEP, 1921 – 1928)

verzichtete die Regierung auf die Zwangseintreibung von Agrarprodukten, wie das zur Zeit

des „Kriegskommunismus“ üblich war. Die Bauern hatten eine Naturalsteuer zu leisten, die

später in eine Geldsteuer umgewandelt wurde. Alles was sie darüber hinaus erzeugten, durften

sie frei verkaufen. Dadurch stabilisierte sich die Ernährungslage und die Agrarproduktion

stieg auf den Vorkriegsstand. Der private Handel, auch im Bereich von Handwerk und

Kleinindustrie erreichte schnell wieder alle Regionen des Landes. Das führte allerdings auch

wieder zu einer steigenden Differenzierung der Gesellschaft und die konnte nicht im Sinne

der Politik der Revolutionäre sein. Stalin setzte dieser Periode ein Ende, zerschlug die NEP

und setzte die Kollektivierung der Landwirtschaft durch. Seit 1928 wurde die gesamte

sowjetische Volkswirtschaft im Rahmen von Jahresplänen zentral gesteuert. „ Tatsächlich

hatte Lenin , unter dem Druck des Kriegskommunismus , seine planwirtschaftlichen

Vorstellungen weitgehend der deutschen Kriegswirtschaft der Jahre 1914-1918 entliehen.“12

10 Elmar Altvater, Grenzen der Globalisierung: Ökonomie, Ökologie u. Politik in der Weltgesellschaft. Münster: Westfälisches Dampfboot, 2002, S 55 11Vgl. Aigner, Dietmar Josef, Reformbestrebungen u. Zerfall des sozio- ökonomischen Systems der Sowjetunion(1980-1994) Linz:Trauner, 1999, S. 37 ff 12 Hobsbawm ,E.: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jhts. ,München 1995, S. 471

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3. Globalisierung Russlands

3.1 Der schwierige Übergang zur Marktwirtschaft

Durch den Zusammenbruch des Ostblocks und im Verlauf des sich anschließenden

Transformationsprozesses wandelten sich nach 1989 die bis dahin gegenüber dem Weltmarkt

weitgehend abgeschotteten Planwirtschaften Mittel – und Osteuropas zu offenen

Marktwirtschaften.13Seit Beginn der neunziger Jahre ist also von globalen Finanzmärkten zu

sprechen, zumal die Informations- und Kommunikationstechnologien gerade in dieser Zeit

die Globalisierung der Märkte beschleunigt haben. Seit der Integration Mittel- und Osteuropas

ist laut der Enquete – Kommission des Deutschen Bundestages „alle Welt“ den gleichen

Tendenzen der finanziellen Globalisierung ausgesetzt .Die lokalen und nationalen

Ausprägungen der Globalisierung können allerdings sehr unterschiedlich sein. 14Am 15. 3. 1990 versprach Gorbatschow radikale Wirtschaftsreformen. Kurze Zeit später

kündigte er in einer Rede einen baldigen kontrollierten Übergang zur Marktwirtschaft an. In

den folgenden Monaten wurde immer wieder versucht, ein Programm zur Stabilisierung der

Volkswirtschaft und zur Einführung der Marktwirtschaft zu erarbeiten, ohne großen Erfolg.

1991 erkannte man allgemein, dass der Übergang zur Marktwirtschaft der einzige Ausweg

sein könnte, aus der ökonomischen Katastrophe herauszukommen. Am 1. Juli 1991 wurde das

Gesetz verabschiedet über die „Grundsätze der Entstaatlichung und Privatisierung von

Betrieben“. Im selben Jahr wurde noch ein Gesetz erlassen, das zum ersten Mal gestattete,

dass ein sowjetischer Betrieb zu 100% in ausländischer Hand sein durfte. 15Russland musste in dem Transformationsprozess ( Transformation = Übergang zur

Marktwirtschaft mit allen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Strukturbrüchen )

die Erfahrung machen, dass Entwicklung kein linearer Prozess ist und zu jeder Entwicklung

auch Brüche gehören, die dazu veranlassen, die Bahn zu wechseln. Die technischen

Standards, die soziale Organisation der Arbeit, Qualifikationen, soziale und politische Formen

der Regulation Normen des Alltagslebens sind allesamt mit dem Übergang zur

Marktwirtschaft – und das ist gleichbedeutend mit der Integration in den Weltmarkt, der

Globalisierung – entwertet worden.

13Vgl. Deutscher Bundestag, Hrsg.:Schlussbericht der Enquete- Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft, Opladen, Leske u. Budrich, 2002, S. 65 ff 14 Vgl. Aigner, Dietmar,J., S. 219 ff 15Vgl. Altvater, Elmar. Grenzen der Globalisierung, Münster, Westfälisches Dampfboot 1999, S. 134 ff

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Der Übergang vom Plan zum Markt erfordert also über die wirtschaftlichen Änderungen

hinaus auch Anpassungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen. In den ersten Jahren des

Übergangs hat man erwartet, dass man schnell mit den alten Standards brechen könne, doch

das ist nicht so einfach. Man hat nicht damit gerechnet, dass ganz neue Formen der

Gesellschaft entstehen können und es plötzlich Gewinner und Verlierer geben kann. Dazu

komme ich später noch, wenn ich von der sozialen Lage im heutigen Russland sprechen

werde.

3.2 Demokratisierungsprozess

Es stellt sich nun die Frage, wie stabil ist Russland auf seinem Weg zu Marktwirtschaft und

Demokratie?

Der Demokratisierungsprozess in Russland begann von oben. Gorbatschow wollte mit der

Perestroika dem Sozialismus nur einige marktwirtschaftliche und demokratische Züge

verleihen. Die Bevölkerung verhielt sich passiv und Gorbatschow wurde für die

wirtschaftliche Misere und den Zerfall der Sowjetunion verantwortlich gemacht. Die ehemals

faschistischen Länder Deutschland, Österreich, Italien konnten sich beim Aufbau der

Demokratie auf den Marshall- Plan und ein Wirtschaftswunder stützen. In Russland fiel die

Einführung der Demokratie mit einer tiefen Strukturkrise zusammen. 161994 wurden 70% aller klein- und mittelständischen Unternehmen in Aktiengesellschaften

umgewandelt. 1992 waren das nur 3,8 %. Das Staatsvermögen wurde an Besitzer verteilt, die

den Betrieben kein Kapital brachten. Gerade das wäre für die Sanierung dringend notwendig

gewesen. Die Betriebe wurden zwar privatisiert, aber nicht umstrukturiert. In den meisten

Betrieben sicherten sich die Betriebsleitungen die Mehrheit der Aktien und behielten dadurch

nach wie vor die Kontrolle. Diese Kontrolle schreckte in- und ausländische Investoren ab und

verhinderte den Zufluss des dringend benötigten Kapitals.

3.2.1Die soziale Lage

Es gab auch hier Gewinner und Verlierer. Diejenigen, die bei diesem beschleunigten

Strukturwandel nicht mithalten konnten, zählten zu den Verlierern.

16 Vgl. Trautmann, Ljuba. Russland zwischen Diktatur und Demokratie, Baden-Baden: Nomos Verl 1995, S. 33 f

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17Gewinner sind die, die sich nicht nur schnell anpassen können, sondern womöglich zu ihren

Gunsten bestimmen oder mitbestimmen können. Anlass zur Besorgnis und zu politischem

Handeln resultiert daraus, dass in diesem Prozess allgemeine Werte und Prinzipien

geschwächt oder unterminiert zu werden drohen z. B. das demokratische Prinzip in Wirtschaft

und Gesellschaft, das ökologische Prinzip und die kulturelle Vielfalt.

Laut Ljuba Trautmann in ihrem Buch: Russland zwischen Diktatur und Demokratie sind die

Ursachen für die soziale Unterentwicklung in folgenden Faktoren zu suchen:

1. In den autoritären Staatstraditionen Russlands und dem Fehlen einer aktiven

Zivilgesellschaft.

2. In der radikalen Verstaatlichung der Sowjetgesellschaft durch Stalin.

3. Im Erbe einer staatsabhängigen Gesellschaft, die keine individuelle Initiative zulässt.

( Dieses Erbe ist bis heute nicht überwunden).

18 In den Zeiten des Kommunismus waren die Einkommensunterschiede trotz einiger

Privilegierter relativ gering. Seit dem Ende der UdSSR ist die Kluft zwischen Arm und Reich

ständig gewachsen.

Die neureichen Russen führen ein ausschweifendes Leben mit Luxuskarossen und

palastartigen Residenzen. Ihre Kinder gehen in private Schulen und sie beanspruchen private

Gesundheitsdienste. Das bedeutet, dass Milliarden Dollar illegal ins Ausland geschafft

werden. Es entstand plötzlich eine Zwei - Klassen – Gesellschaft.

Auf der anderen Seite brachte die abrupte Freigabe der Preise, die Währungsreform 1992 und

die darauffolgende hohe Inflation die kleinen Leute um ihre Ersparnisse. Die Wirtschaftskrise

und die damit verbundenen verspäteten Auszahlungen von Löhnen und Renten haben ganze

Bevölkerungsgruppen in die Armut getrieben. Der Anteil der Menschen, die unter der

Armutsgrenze leben, hat sich zwischen 1988 und 1999 verdoppelt, in Georgien und

Moldawien sogar vervierfacht. Auch die Sterblichkeitsrate bei Männern und Kindern ist

angestiegen.

Der wirtschaftliche Aufschwung ist eine entscheidende Voraussetzung für die politische

Stabilität Russlands. Seit 1992 kennzeichnen starke wirtschaftliche, soziale und politische

Defizite den Transformationsprozess in Russland. Es fehlte ein starker Rechts- und

Sozialstaat, der die Rahmenbedingungen für diesen Übergang bilden hätte können.

17 Vgl. Schlussbericht der Enquete Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft, S. 53 ff 18Vgl. Le Monde diplomatique Hg. Atlas der Globalisierung. Berlin: Taz 2003 S. 141

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Die wirtschaftliche, soziale und politische Systemveränderung ist ein komplizierter und

langandauernder Prozess.

Wie Benoist schreibt: „Kapitalismus nimmt sich vor, dort erfolgreich zu sein, wo der

Kommunismus gescheitert ist ohne die soziale Gerechtigkeit.“19

3.3 Steuerhinterziehung und Geldwäsche „ Steuerhinterziehung ist in Russland ein Massenphänomen. Ein russisches Gericht stellte

1994 insgesamt 150 Varianten von Steuerhinterziehung fest. Um der schlechten Steuermoral

entgegenzuwirken, bereitete das Ministerium für Finanzen 1995 einen Entwurf vor, der eine

Senkung der Steuersätze für Betriebe um 3 bis 5% vorsah. Ob damit das Heer der

Steuerhinterzieher bekämpft werden konnte, ist fraglich. Etwa eine Milliarde US-Dollar wird

von russischen Firmen monatlich in den Westen transferiert. Diese Gelder fließen

überwiegend nach Großbritannien. Dort werden sie von Russen in Besitzkapital

umgewandelt. Ein Teil des Geldes fließt nach Zypern, wo sich etwa 2000 russische Firmen ,

Gesellschaften und Banken befinden.“20

Die im letzten Kapitel erwähnten Unterschiede zwischen einer kleinen Schicht Reicher und

einer immer größer werdenden Schicht Armer ist eine der zentralen Ursachen für die immense

Steuerhinterziehung. Ein großer Teil der Bevölkerung steht dem Staat und seinen Vertretern

misstrauisch gegenüber, bedingt durch Korruptionsfälle, die in die Öffentlichkeit gedrungen

sind.

21 1994 wurde öffentlich dokumentiert, dass bestochene Beamte die Machenschaften

dubioser Firmen decken, die Naturressourcen zu Schleuderpreisen verkaufen und sich so auf

Kosten der Allgemeinheit bereichern.

Die Korruption in Russland hat gewaltig zugenommen und durchzieht alle

Wirtschaftsbereiche und das Verwaltungssystem. Sie verhindert die Herausbildung einer

demokratischen Kultur und das Vertrauen ausländischer Investoren. Auch das Vertrauen der

Bevölkerung in den Staat wird dadurch nicht besser. 22 Mit der Liberalisierung, Deregulierung und Globalisierung der Finanzmärkte ist auch die

Geldwäsche zu einem Problem mit anderen Dimensionen geworden. Zunächst ging es vor

allem um die Geldwäsche von Drogeneinkünften, inzwischen sind andere Delikte wie

19 Bonoist,Alain de. Schöne vernetzte Welt. Tübingen, Hohenrain 2001, S 73 20 Trautmann, Ljuba. Russland zwischen Diktatur und Demokratie. S. 42/43 21 Vgl.Trautmann, S. 149 ff 22 Vgl. Schlussbericht der Enquete- Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft. S. 79ff

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Waffenhandel, Korruption, Betrug mit Finanzanlagen mindestens so wichtig. Die Wäsche von

„schmutzigem Geld“ ist kein speziell russisches , sondern ein globales Übel, das mehrere

Gefahren mit sich bringt:

1. Kriminelle Kreise erhalten zusätzliche Macht. Das gewaschene Geld ist eine

Ressource, die frei eingesetzt werden kann.

2. Straftaten werden durch Geldwäsche nicht nur vertuscht, sondern finanziell belohnt.

Das ist den Normen, die das Zusammenleben der Bürger regeln, entgegengesetzt.

3. Die Steuern, die hinterzogen worden sind und durch Geldwäsche auf private Konten

umgeleitet worden sind, fehlen der öffentlichen Hand bei der Bereitstellung

öffentlicher Güter.

4. Durch illegalen Handel mit Rohstoffen können ganze Nationen verarmen

( Entwicklung in GUS Staaten) Geldwäsche kann somit negative Wirkungen auf den

globalen Umweltschutz haben.

Der Kampf gegen Geldwäsche, gegen Steuerhinterziehung und gegen Kapitalflucht war

bisher nicht erfolgreich. Erfolg kann dieser Kampf nur in internationaler Zusammenarbeit

haben.

3.4 Landwirtschaft

Der Großteil der ländlichen Bevölkerung , die Jahrzehntelang unter reglementierten

Verhältnissen gelebt hat, ist nicht motiviert, sich selbständig zu machen, eigene

Verantwortung für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen. 23 Nur 4% des Bodens

gehören Einzelbauern und wird von ihnen selbständig bewirtschaftet. Der Rest wird nach wie

vor in Kolchosen und Sowchosen erwirtschaftet. Das System verhindert effizientes

Wirtschaften, sichert dem Bauern aber einen garantierten Mindestlebensstandard, unabhängig

von seiner Leistung.

Dieses System der sozialen Garantien einerseits, der völligen Unterordnung unter den Staat

andererseits, nahm den Menschen die Arbeitsmotivation und die wirtschaftliche

Selbständigkeit. Viele Bewohner auf dem Land, denen Grund und Boden zugeteilt wurde,

belassen ihn nach wie vor im Besitz ehemaliger Kolchosen und Sowchosen. Es fehlen auch

23 Vgl. Trautmann. S. 37ff

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günstige staatliche Kredite. Das alles wirkt sich in Russland, stärker als im übrigen Osteuropa,

äußerst negativ für die Landwirtschaft aus.

3.5. Rüstungswirtschaft

Eine umgehende Stilllegung rüstungsproduzierender Großbetriebe hätte in Russland viele

Millionen Arbeitslose zur Folge. 24Dieses militärwirtschaftliche Erbe grenzt die

wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten Russlands wesentlich ein. 1994 waren noch die

Hälfte der Betriebe in Moskau und etwa drei Viertel in St. Petersburg Militärbetriebe. Die

überdimensionale Militarisierung der Wirtschaft hatte die Struktur der sowjetischen

Gesellschaft grundlegend verändert. Die militärisch- industriellen Betriebe verfügten über

eine weitverzweigte soziale Infrastruktur. Ihnen gehörten Kindergärten, Polykliniken,

Krankenhäuser, Fachschulen, Sport – und Kulturzentren. Nach dem Konversionsprogramm

sollen schrittweise die Militärbetriebe geschlossen werden. Russland erklärt öffentlich seine

Bereitschaft zur Konversion, tut aber wenig, sie praktisch voranzutreiben. Es fehlen die

ausreichenden Mittel die sozialen Netze zu übernehmen.

Auch die Waffenproduktion wurde nicht entscheidend gekürzt. Waffenexport ist nach wie vor

bedeutend zur Devisenbeschaffung und für den militärpolitischen Einfluss Russlands im

Ausland. Der Preis der russischen Waffen am Weltmarkt ist sehr niedrig, da es riesige

Waffenarsenale zu leeren hat. Russland verkauft heute an fast alle Länder.

24Vgl Trautmann, S. 66ff

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4. Politische Reformen

4.1 Gesellschaftliche Umbrüche

Die gesellschaftlichen Veränderungen seit 1999 wurden vom Großteil der Bevölkerung

negativ erlebt. Wie schon erwähnt besteht heute ein großer Unterschied zwischen Arm und

Reich. Die allgemeine Verarmung und die sozialen Unterschiede werden als große Nachteile

gesehen. Ein neues Privilegiertensystem ist entstanden. Früher waren die kommunistischen

Apparatschiki privilegiert, heute sind es die Neureichen, die ihren Reichtum oft provokativ

zur Schau stellen. Es existiert keine neue Schicht mittelständischer Unternehmer, die

wirtschaftliche und politische Reformen vorantreiben könnte, wie es im Europa des 19.

Jahrhunderts geschah. Im Gegenteil, der neue Reichtum entsteht nicht durch produktive

Arbeit, sondern durch dubiosen Handel und Schiebereien.

Diese Entwicklung, dass eine große Mehrheit Gefahr läuft zu verarmen, wird durch die

falsche Einkommens- und Kreditpolitik der Regierung verstärkt.25Wenig junge Leute

studieren, da Akademikergehälter sehr niedrig sind. Russland liegt heute bei der Zahl der

Studenten hinter den lateinamerikanischen Ländern. Man trifft vielfach auf eine rückwärts

gewandte Nostalgie, bedingt durch steigende Gewalt, Verbrechen auf offener Straße,

wirtschaftliche Korruption und die allgegenwärtige Mafia. Vielen Russen erscheint die

Zukunft als hoffnungslos. Sie besinnen sich zunehmend auf Familie und Religion.

Nur ein russisches Wirtschaftswunder könnte den demokratischen und marktwirtschaftlichen

Werten die notwendige soziale Basis geben, das sieht man am Beispiel Polens. Seit es dort

erste wirtschaftliche Erfolge gibt, ist die demokratische Kultur, wegen der vorzeigbaren

Erfolge, glaubwürdiger und gesellschaftlich fester verankert.

4.2 Die politischen Machtstrukturen, Parteien

„ Russland ist heute kein halbwegs funktionierender Rechtsstaat, sondern ein politischer

Maßnahmenstaat, in dem ein mit Verfassungsmacht ( Verfassung von 1993) reichlich

ausgestatteter Präsident überwiegend durch Dekrete regiert. Im Vergleich zu ihm spielen die

Regierung, das Parlament und das Verfassungsgericht eine untergeordnete Rolle.

25 Vgl. Trautmann, S. 80ff

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An die Stelle der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative, wie die

Verfassung das vorsieht, sind 1994 zentralistisch- vertikale Machtstrukturen getreten, die

auch den Entscheidungsspielraum der Regionen deutlich einschränken.“26

Die Bevölkerung ist wegen der wirtschaftlichen und politischen Dauerkrise enttäuscht,

Korruptionsfälle, die seit 1994 zunahmen und die Öffentlichkeit schockierten, tragen zum

Misstrauen bei.

1994 waren in Russland laut Ljuba Trautmann mehr als 1000 Parteien, Vereinigungen und

gesellschaftliche Organisationen registriert. Allerdings waren diese nicht vergleichbar mit

westlichen Parteien. Sie waren gesellschaftlich nicht verankert, organisatorisch schwach, ohne

klares Profil und ohne qualifiziertes Führungspersonal. Deshalb konnten sie ihre Ziele in

politischen Institutionen nicht durchsetzen. In der Bevölkerung war die Bereitschaft gering,

einer Partei beizutreten. Der Ausdruck Partei war durch die Kommunistische Partei und das

totalitäre System negativ besetzt. In einigen Hauptpunkten waren sich alle Parteien einig: Den

inneren Frieden, soziale Gerechtigkeit und Recht und Ordnung Aufrecht zu erhalten. 27Die Verfassung von 1993 garantiert auch Rede- und Pressefreiheit, die Zensur wurde

verboten. Es gab schnell viele, relativ unabhängige Tages – und Wochenzeitungen, doch das

Vertriebssystem war so schlecht organisiert, dass es auch in den Städten wie St. Petersburg

manchmal tagelang keine Zeitung gab.

Das Fernsehen blieb nach wie vor unter staatlicher Kontrolle. 1994 gab es unter den sechs

Kanälen einen privaten mit geringer Reichweite. Im Hörfunk war die Situation besser, da gab

es viele private Sender, die ähnlich viele Hörer hatten, wie das staatliche Fernsehen. Durch

Attentate auf Journalisten im Laufe des Jahres 1994 wurde der Versuch unternommen, die

Journalisten einzuschüchtern und die Presse vom Kurs einer kritischen Berichterstattung

abzubringen. Die Medien sind auch ökonomisch entweder vom Staat oder von

Privatsponsoren abhängig. Dadurch besteht die Berichterstattung häufig aus der unkritischen

Wiedergabe von Standpunkten einzelner Persönlichkeiten. Das sehe ich allerdings nicht

ausschließlich als russisches Phänomen. 28Mitte der neunziger Jahre kam es zur großen Finanzkrise in Russland. Die meisten

Unternehmen waren nicht exportfähig. Diejenigen, die Exportfähiges verkauften, zahlten

kaum, oder keine Steuern. Der Kreml war hoch verschuldet. 1998 kehrte die Bevölkerung

26 Trautmann, S. 141 27 Vgl. Trautmann, S. 184 ff 28 Vgl. www.globalisierung-online.de

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zum Tauschhandel zurück, weil zu wenig Geld im Umlauf war. Mitte August 1998 wertete

Russland den Rubel ab. 29 Seit 1999 erholte sich die russische Wirtschaft. Das ist bedingt durch die Steigerung der

Exporte von Erdöl und Erdgas, sowie durch ein Wachstum in den Bereichen Maschinenbau,

Chemie, Petrochemie und Papier. Russland hat sich aus seinem wirtschaftlichen Notstand

befreit, dadurch stabilisiert sich auch das innere Gleichgewicht der russischen Gesellschaft.

International kann Russland wieder als zuverlässiger Finanzpartner auftreten, weil es Kredite

zurückzahlen kann.

Nach wie vor fraglich ist, wie sich das politische System in Russland weiter entwickeln wird,

das auch im Augenblick laut Emmanuel Todd keineswegs demokratisch und liberal ist. Die

Medien werden heute wie 1994 gleichgeschaltet. Das Fernsehmonopol besteht nach wie vor

und was in den Zeitungen geschrieben wird, bestimmt die Staatsmacht.

5. Außenpolitik

Russland wurde 1992 Nachfolger der UdSSR und neuer Akteur im internationalen System. 30Die plötzliche Auflösung des sowjetischen Systems und der jähe Übergang der ehemals

kommunistischen Staaten in das System des Kapitalismus bedeutete das Hereinbrechen von

2,5 Milliarden Menschen in den Weltmarkt. Das verbreitete gleichzeitig das Bild (Trugbild)

eines einheitlichen Planeten, auf dem es nur noch einen Block gebe. Früher (noch vor einigen

Jahrzehnten) waren die Handelnden die Staaten, der Wettbewerb fand zwischen ihnen statt,

auch der Markt war vor allen Dingen national. Heute beherrschen die multinationalen

Konzerne den Handel über Territorien hinweg, das ist ja das Merkmal der Globalisierung.

33% des Welthandels finden zwischen Tochtergesellschaften ein und derselben Firma statt.

Dem Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus ist das Verdienst anzurechnen, die

politische Landschaft gelichtet zu haben. Bis zuletzt war die Welt von einer doppelten

Hegemonie bedrückt, die von Moskau und die von Washington. Die meisten begünstigten die

eine, um der Bedrohung der anderen stand zu halten. Einige Völker der Dritten Welt

erwarteten von der Sowjetunion, dass sie ihnen zur Unabhängigkeit verhelfe, die der Westen

ihnen verwehrte. In Europa dachten manche, dass sie das Bündnis mit den USA vor der

Gefahr aus Russland schütze. Die Situation ist nun zu Ende. Es gibt nur mehr eine

Vormachtstellung in der Welt, die amerikanische. 29Vgl. Todd, Emmanuel, Weltmacht USA Ein Nachruf, München: Piper 2003, S. 188 ff

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Die RF (Russische Föderation) will allerdings in Europa und in anderen Regionen der Welt

ein entscheidendes Wort mitreden. „Der erfolgreiche Versuch, als Vermittler im Iran – Irak –

USA – Konflikt aufzutreten, oder die Bemühungen, eine friedliche Lösung des

Balkankonfliktes zu finden, sind Beispiele für den Willen der politischen Führung, außerhalb

der engeren Interessenssphäre als europäische und globale Ordnungsmacht aufzutreten.“31

Russland will keine von den USA dominierte Weltordnung, sondern ein internationales

System, in dem beide Weltmächte als gleichberechtigte Partner Krisen in allen Regionen der

Welt mit Hilfe der UNO und der KSZE einvernehmlich lösen. Russland meldet sich als

gleichrangige Weltmacht auf die internationale Bühne zurück und will auch Mitspracherecht

bei allen Entscheidungsprozessen der internationalen Politik.

5.1 Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GUS

32Nach dem Putsch vom 24. August 1991 trat Gorbatschow als Generalsekretär der KPdSU

zurück. Noch im selben Monat unterzeichneten Vertreter der Ukraine und Russlands ein

Acht – Punkte – Abkommen, das ein unkontrolliertes Auseinanderfallen der ehemaligen

UdSSR verhindern sollte. Beide Republiken schufen damit einen Staatenbund, der vor allem

die Wirtschaft und die Sicherheit regeln sollte. Alle anderen Republiken wurden zum Beitritt

aufgefordert. Im September wurde mit 13 der 15 Republiken über die Bildung einer

Wirtschaftsgemeinschaft diskutiert, die der EU ähnelte (gemeinsame Zoll- und Steuerpolitik,

keine gemeinsame Währung). Kurz darauf wurde das formale Ende der Sowjetunion

besiegelt. Es sollte die Schaffung einer neuen Union souveräner Staaten angestrebt werden.

Einige Republiken, vor allem die Ukraine fürchteten, dass Russland auch in einem neuen

Republikenbund die Führungs – und Bevormundungsrolle ausüben würde. Trotzdem bildeten

am 8. Dezember 1991 Russland, Ukraine und Weißrussland die GUS und erklärten die

UdSSR für aufgelöst. Am 21. Dezember traten die anderen früheren Sowjetrepubliken der

GUS bei.

Um die nachbarlichen Beziehungen zu stabilisieren, haben einige der Staaten ihre alten

Streitigkeiten beigelegt z. B. Ukraine und Moldawien, die lange um die Grenze an der Donau

verhandelten. Durch die Unabhängigkeit der Republiken stellten viele Minderheiten neue

30Vgl. Bonoist, Alain de. S. 35 31 Trautmann, S.219 32 Vgl. Aigner, Dietmar Josef,S.230ff

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Forderungen, die teilweise zu blutigen Auseinandersetzungen führten z. B. im Kaukasus

(Tschetschenien, Georgien..).

Das Auseinanderbrechen der UdSSR ist kein Einzelfall, weltweit brachen Vielvölkerstaaten

auseinander (Beispiel Jugoslawien). Eine erfolgreiche Politik Russlands mit den GUS Staaten

könnte zeigen, dass Probleme von Vielvölkerstaaten und Staatengemeinschaften auch

konstruktiv zu lösen sind. 33Eine Integration zwischen Russland und den GUS – Staaten hätte für beide Seiten

wirtschaftliche und politische Vorteile. Die Chancen auf ein friedliches Zusammenleben der

Völker in einer kooperativen Weltgesellschaft würden sich verbessern. Die Entwicklung kann

in zwei unterschiedlichen Bahnen verlaufen:

1. Entweder die GUS Staaten sind gleichberechtigt mit Russland, oder

2. Funktion und Struktur der GUS werden von Russland dominiert.

In beiden Konzepten ist die Anerkennung der politischen Souveränität jedes

Teilnehmerstaates die Voraussetzung.

Dietmar Aigner behauptet, dass die Sowjetunion nicht zuletzt deshalb auseinandergefallen

war, weil ihre Teile nicht zusammengehörten.

Ohne die starke Klammer der Partei und ihrer Diktatur fielen sie auseinander. Nun müssen

sich die einzelnen Staaten neu orientieren und es bereitet große Schwierigkeiten,

demokratische Institutionen in Staaten zu etablieren, die jahrzehntelang von Staat und Partei

kontrolliert worden sind und deren wirtschaftliche Schwierigkeiten den Ausbau sozialer

Einrichtungen verhindern.

5.2 Russlands Stellung zur EU

1994 unterzeichnete Jelzin das Abkommen über „Partnerschaft und Zusammenarbeit

zwischen Russland und der EU“. 83% der Bevölkerung Russlands hätten zu diesem Zeitpunkt

einen Eintritt in die EU begrüßt. Ein EU Eintritt steht allerdings kurz – oder mittelfristig nicht

zur Diskussion. Langfristiges Ziel des Abkommens ist die Erleichterung der Integration

Russlands in die Weltwirtschaft und die künftige Öffnung der Weltmärkte für russische

Waren. Nach wie vor werden mehr Waren nach Russland exportiert als von dort in die EU

importiert. Der wirtschaftliche Aufschwung Russlands hängt stark davon ab, wieweit

westliche Investoren bereit sind, ihr Kapital dort einzubringen und neue Technologien zu

33 Vgl. Trautmann, S. 241/242 ff

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liefern. Dazu bedarf es der politischen Stabilität und Demokratisierung. Die wiederum hängt

von den wirtschaftlichen Erfolgen ab. In Russland wird weniger investiert als in Polen und

Ungarn. Die bestehenden Gesetze und Regelungen und das organisierte Verbrechen schrecken

ausländische Investoren ab. „Wladimir Putin verkündete in Berlin: Europa wird seinen Ruf

als selbständiger und mächtiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen, wenn es

seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und

Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotentialen Russlands

vereinigen wird.“34

5.3 Russlands Stellung zur NATO

351993 wurden die Grundsätze der russischen Militärdoktrin veröffentlicht. Darin sind

folgende Feststellungen enthalten:

1. Die Hauptbedrohung kommt für Russland heute nicht mehr aus dem Westen.

2. Russland betrachtet keinen einzigen Staat mehr als seinen grundsätzlichen Gegner.

3. Zur Abwehr von Bedrohung des Friedens sollen vorrangig nichtmilitärische Mittel

eingesetzt werden.

4. Ein großer nuklear oder konventionell geführter Krieg zwischen dem östlichen und

westlichen Machtblock ist nicht mehr wahrscheinlich.

5. Russische Truppen können als Teil von Friedenstruppen im Rahmen von Beschlüssen

der KSZE oder der UNO eingesetzt werden.

6. Die Armee kann bei inneren Konflikten und im Kampf gegen Terroristen als

Ordnungsmacht im Inneren der Russländischen Föderation eingesetzt werden.

Durch diese Militärdoktrin wurde Russland als Sicherheitsgarant der GUS legitimiert.

Seit 1991 war die NATO ein Hauptproblem der russischen Außenpolitik, vor allem als Polen

Ungarn und die Tschechische Republik aufgenommen werden wollten. Russland wurde zu

einer „Partnerschaft für den Frieden“ mit Sonderkonditionen eingeladen und dadurch in den

europäischen Friedensprozess eingebaut. Am 22. Juni 1994 wurde das Abkommen

unterzeichnet und damit das Angebot der NATO zu einer engen politischen und militärischen

Zusammenarbeit akzeptiert. Der russische Außenminister Kosyrev schloss aber die

Möglichkeit nicht aus, der NATO beizutreten. Der Tschetschenienkrieg seit 1994 und erneut

seit 1999 wirft die Frage auf, ob die Menschenrechtsverletzungen dort ausschließlich eine 34 Todd, Emmanuel, S. 209

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russische Angelegenheit sind. Das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren

Angelegenheiten von Staaten wird dadurch relativiert, dass Russland zur OSZE gehört und

sich zur Einhaltung gewisser Regeln verpflichtet hat.

Bis heute, 2003 benützen die westlichen Regierungen alle Vorwände um jeden Anschein zu

vermeiden, sich in die inneren Angelegenheiten dieser nuklearen Supermacht einmischen zu

wollen.

George W. Bush hat in einer Rede Anfang November 2003 Putins Tschetschenien Krieg

sogar zum Teil des Feldzuges gegen den internationalen Terrorismus umgedeutet.

5.4 Ausblick

Wladimir Putin, der im Jahr 2000 Präsident wurde, schlug nach außen hin einen

prowestlichen Kurs ein, im Inneren ist Russland aber auf dem Weg, zu einem autoritären

Staat zurückzukehren. 36Der Westen schweigt zur Entdemokratisierung Russlands, dafür

garantiert Putin die Stabilität im Land. Europa und Amerika verkneifen sich die Kritik am

Tschetschenien- Krieg und glätten Russland den Weg in die globalen

Wirtschaftsinstitutionen. Dafür können sie russische Rohstoffe importieren.

Doch der Deal mit Putin ist nicht aufgegangen, die Vorgänge um den Yukos Konzern haben

gezeigt, dass Russland weder stabiler noch verlässlicher geworden ist und ein Rechtsstaat

schon gar nicht. Michail Chodorkowski war dabei, den US Konzern Exxon Mobil zum

Teilhaber zu machen und sich so der Kreml Kontrolle zu entziehen. Da schnappte sich der

Staat 40% des Aktienpaketes – und damit den privaten Weltkonzern mit dem Argument, dass

Öl und Gasproduktion Schlüsselindustrien sind, da Russland eben nur Rohstoffe hat.

Chodorkowski wurde nicht verhaftet für die Art, wie er sein Geld gemacht hat (Handel mit

illegal genähten Jeans usw.), sondern dafür, wie er es in jüngster Zeit ausgegeben hat. Er

unterstützte die liberale Oppositionspartei, Studenten, Schulen, Krankenhäuser und gründete

die Stiftung Offenes Russland. Da Putins Devise lautet: Alle Macht dem Staat, sind

unabhängige Machtzentren jeder Art gefährlich. 37Für russische Zeitungskommentatoren ist klar, dass die Machtministerien den Kampf

zwischen privater Wirtschaft und den Eigeninteressen der politischen Machthaber entschieden

haben. Nun kommt der Kapitalismus mit stalinistischem Gesicht.

35 Vgl. Trautmann, S. 221 u. 248 ff 36 Vgl. Die Zeit ,Nr. 46, 6. Nov.2003 S. 1 37 Vgl. Salzburger Nachrichten, Freitag 31. Okt. S. 9

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In der selben Zeitung schreibt Viktor Herrmann im Leitartikel: “Putin ist kein wirklicher

Demokrat, bestenfalls ein sanfter Diktator in einem Land, dem die Reife für die Demokratie

noch fehlt. Putin stellt politische Gegner mit Methoden aus dem Rezeptbuch seines früheren

Arbeitgebers KGB kalt, er manipuliert das Parlament und kontrolliert die Medien mit harter

Hand.“38

Mittlerweile ist es wieder ruhig geworden um diese Vorgänge. Trotzdem bleibt die Gefahr,

dass durch solche Ereignisse die westlichen Investoren davon abgehalten werden, die

Globalisierung der russischen Wirtschaft voranzutreiben.

38 Salzburger Nachrichten v. Sa. 8. Nov. S. 1

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Zusammenfassung

Ich stellte mir eingangs die Frage, wie Russland den Übergang zur Marktwirtschaft verkraftet

hat.

Dieses Land hat ein umfassendes totalitäres System aus eigener Kraft abgeschüttelt. Es

musste in einem Zug den Bankrott eines Systems, den Zerfall eines Imperiums und den

verspäteten Einstieg in das High – Tech – Zeitalter verkraften. Millionen Menschen dort

haben bis heute den Computer bestenfalls auf dem Bildschirm gesehen.

Kein demokratisches System musste das alles gleichzeitig bewältigen.

Es ist Russland gelungen, die osteuropäischen Staaten und die Baltenstaaten ohne

Gewaltanwendung in die Unabhängigkeit zu entlassen, das gelang auch mit den meisten

Ländern Mittelasiens. Das Auseinanderbrechen zweier anderer Vielvölkerstaaten im 20.

Jahrhundert , Österreich-Ungarn und Jugoslawien, war mit blutigen Kriegen verbunden.

Russland zeigte sich hier als eine große Nation, die sich von kühlen Überlegungen und

Verantwortung leiten ließ.

Wie weit sich der Umbau von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft auf das Land und seine

Menschen ausgewirkt hat, habe ich versucht, in den einzelnen Kapiteln darzustellen.

Die Globalisierung hat den Gesellschaftsvertrag gebrochen, das gilt allerdings nicht nur für

Russland. Alle ohne Qualifikation werden ausgeschlossen. Die Folgen sind Arbeitslosigkeit,

Wettbewerb und Personalabbau, Auflösung des Mittelstandes. Traditionelle Schutzapparate

werden in Frage gestellt. Ich sehe das eigentlich als Rückschritt. Die Ausbeutung, gegen die

die Arbeiterbewegung gekämpft hat, nimmt wieder zu. Die soziale Pyramide ändert sich,

Reiche werden immer reicher und Arme immer ärmer.

Ich möchte meine Arbeit mit einem Zitat des deutschen Außenministers Fischer, das ich den

Salzburger Nachrichten entnommen habe, beenden: “Die Sicherheit des Westens hängt nicht

mehr von der Globalisierung eines freien Wirtschaftsverkehrs ab. Vielmehr hängt sie ab von

der Globalisierung der Grundwerte der Menschenrechte, von Toleranz, Rechtsstaat und

Demokratie.“39 Fischer prägte den Begriff der positiven Globalisierung und meinte damit den

Respekt der Demokratien vor einer internationalen Ordnung.

39 Salzburger Nachrichten. 22. Nov.2003 S.9

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Literatur/Quellen

1. Aigner, Dietmar, Josef. Reformbestrebungen und Zerfall des sozio-ökonomischen

Systems der Sowjetunion (1980-1994), Linz: Universitätsverlag R. Trauner 1999

2. Altvater, Elmar, Mahnkopf, Birgit.. Grenzen der Globalisierung, Ökonomie,

Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, Münster: Westfälisches Dampfboot

2002

3. Bonoist, Alain de. Schöne vernetzte Welt : Eine Antwort auf die Globalisierung,

Tübingen: Hohenrain Verlag 2001

4. Braudel, Fernand. Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, Band 3, München:

Kindler 1990

5. Gurkow, Andrej. Russland hat Zukunft. Die Wiedergeburt einer Weltmacht,

Frankfurt: Eichborn 1993

6. Hobsbawm, E. Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts,

München 1995

7. Le Monde diplomatique, Atlas der Globalisierung. Berlin: Taz 2003

8. Michel, Aglietta u.a.- Umbau der Märkte, Hamburg: VSA 2002

9. Schlussbericht der Enquete Kommission. Globalisierung der Weltwirtschaft, Hrsg.

Deutscher Bundestag, Opladen: Leske+Budrich 2002

10. Steffen, Olaf. Die Einführung des Kapitalismus in Russland. Ursachen,

Programme und Krise der Transformationspolitik. Hamburg: LIT 1997

11. Stökl, Günther. Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart,

Stuttgart: Alfred Kröner 1997

12. Todd, Emmanuel. Weltmacht USA. Ein Nachruf, München: Piper 2002

13. Trautmann, Ljuba. Russland zwischen Diktatur und Demokratie. Die Krise der

Reformpolitik seit 1993, Baden-Baden: Nomos 1995

14. Wallerstein, Immanuel Maurice. Das moderne Weltsystem, Wien: Promedia 1986

15. www.oegj.at

16. www.globalisierung-online.de

17. Salzburger Nachrichten vom 31. Oktober, 4. und 22. November 2003

18. Die Zeit Nr.46 vom 6. Nov. 2003