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ZUMA-Arbeitsbericht 98/02 Im Vorfeld der Befragung: Planung, Fragebogenentwicklung, Pretesting Rolf Porst Mai 1998 ZUMA Quadrat B2,1 Postfach 12 21 55 D-68072 Mannheim Telefon: (0621) 12 46 - 228 Telefax: (0621) 12 46 - 100 E-mail: [email protected]

Im Vorfeld der Befragung: Planung, … · Ein sozialwissenschaftliches empirisches Forschungsprojekt (im folgenden nur noch mit „Projekt“ bezeichnet), durchläuft idealerweise

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  • ZUMA-Arbeitsbericht 98/02

    Im Vorfeld der Befragung:Planung, Fragebogenentwicklung, Pretesting

    Rolf PorstMai 1998

    ZUMAQuadrat B2,1Postfach 12 21 55D-68072 Mannheim

    Telefon: (0621) 12 46 - 228Telefax: (0621) 12 46 - 100E-mail: [email protected]

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 2

    Inhalt

    Seite

    1. Vorbemerkung: Warum dieser Bericht geschriebenwurde und was er soll ................................................................ 3

    2. Projektplanung und Projektdurchfhrung ................................... 4

    2.1 Theoretische Vorarbeiten..................................................... 52.2 Planung und Durchfhrung der Datenerhebung ................... 72.3 Datenerfassung und Datenaufbereitung................................ 102.4 Auswertung ......................................................................... 11

    3. Befragungen als Verfahren zur Erhebung sozialwissen-schaftlicher Daten ...................................................................... 12

    4. Fragebogenerstellung ................................................................. 17

    4.1 Zielsetzungen eines Fragebogens......................................... 214.2 Kognitionspsychologische Grundlagen der Befragung......... 224.3 Arten von Fragen................................................................. 234.4 Fragen- und Antwortformulierungen.................................... 274.5 Skalen.................................................................................. 284.6 Aufbau des Fragebogens und Fragensukzession................... 304.7 Befragungshilfen, Filter, Layout .......................................... 33

    5. Pretesting................................................................................... 34

    5.1 Stellenwert und Ziel eines Pretests....................................... 345.2 Pretestverfahren................................................................... 36

    6. Literatur..................................................................................... 41

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 3

    1. Warum dieser Bericht geschrieben wurde und was er soll

    Am 30. und 31. November 1995 fhrte der Autor dieses Berichts bei derKooperationsstelle Arbeitswelt und Wissenschaft der Siegerland Consult Gesell-schaft zur Frderung eines sozial- und umweltvertrglichen Strukturwandels in Siegeneinen Workshop zum Thema Entwicklung und Design von Fragebogen durch. Auf-gabe des Workshops sollte es sein, Basisinformationen zur Konstruktion von Fragebo-gen sowie neuere Erkenntnisse und Erfahrungen in diesem Bereich vorzustellen. DerSchwerpunkt des Workshops sollte auf der Vorbereitung eines Fragebogens fr einesozialwissenschaftliche Umfrage liegen, sich also mit Fragebogenerstellung und Pre-testing beschftigen. Es sollte aber auch Wert gelegt werden auf die Einordnung desProzesses der Fragebogenentwicklung in die gesamte Projektplanung und Projekt-durchfhrung.

    Diesem Anspruch zufolge gliederte sich der Workshop in einzelne Lektionen zu denThemen

    Projektplanung und Projektdurchfhrung Datenerhebungsverfahren Fragebogenerstellung Pretesting

    und fand selbstverstndlich seine Abrundung in einem Abschlugesprch der Teilneh-merInnen.

    Bei diesem Abschlugesprch wurde der fr Veranstaltungen dieser Art nicht unge-whnliche Wunsch geuert, eine Kopie der Folien erhalten zu drfen, die die einzel-nen Lektionen illustriert htten. Die Frage, ob man nicht vielleicht gleich auch nochdie entsprechenden Vortragsmanuskripte erhalten knne, fhrte dann zu der Idee, mansollte am besten doch alles einmal zusammenstellen und zusammenkopieren, so daman es spter auch verwenden knnte fr eigene Lehrveranstaltungen insbesondere inder Methodenausbildung des Grundstudiums, oder auch bei anderen Gelegenheiten,bei denen man sich mit dem Thema zu beschftigen habe.

    In dem vorliegenden Bericht wird diese Idee aufgenommen und materialisiert. Er inte-griert die berarbeiteten (und um neuere Entwicklungen seit 1995 erweiterten) Fassun-gen der damals verwandten Vortragsskizzen mit den Folien, die zum Einsatz gekom-men sind. Die Folien knnen als WinWORD-Dateien auf Diskette beim Verfasser an-gefordert und fr Zwecke der Methodenausbildung oder fr welche Zwecke auch im-mer verwendet werden (sofern die Nutzerin/der Nutzer ihre Herkunft preisgibt).

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 4

    2. Projektplanung und Projektdurchfhrung

    Wre es nur darum gegangen, einen berblick zu geben ber die Planung und Durch-fhrung eines sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekts, htte man sich die Mhemit diesem Bericht sparen knnen; es gibt eine ganze Reihe guter und sehr guter Dar-stellungen der Phasen, die ein empirisches Forschungsprojekt in den Sozialwissen-schaften (idealerweise) zu durchlaufen htte (von Alemann 1984; Porst 1985; Fried-richs 1990; Schnell, Hill & Esser 1992; Diekmann 1995). Da es uns hier aber um eine- sogar auf Folie gebannte - berblickartige Kurzdarstellung geht, haben wir uns zu-nchst auch hier mit Projektplanung und Projektdurchfhrung zu beschftigen.

    Ein sozialwissenschaftliches empirisches Forschungsprojekt (im folgenden nur nochmit Projekt bezeichnet), durchluft idealerweise vier Phasen:

    Folie Pro_1: Phasen der Projektdurchfhrung

    1. Theoretische Vorarbeiten

    Definition des Erkenntnisinteresses Bearbeitung der Literatur Formulierung des theoretischen Bezugsrahmens Generierung der Hypothesen 2. Planung und Durchfhrung der Datenerhebung (Umfrage) Operationalisierung der Forschungsfragen Planung der Durchfhrung der Umfrage Population, Stichprobe fr den Pretest Pretesting Stichprobe fr die Hauptstudie Durchfhrung der Hauptstudie 3. Datenerfassung und Datenaufbereitung Datenerfassung und Verkodung offener Fragen Datenbereinigung 4. Auswertung Analysen Publikation der Ergebnisse

    Merke:Nicht alle empirischen Studien laufen nach dem gleichen Schema ab!

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 5

    Die vier Phasen

    theoretische Vorarbeiten Planung und Durchfhrung der Datenerhebung1

    Datenerfassung und Datenaufbereitung Auswertung

    lassen sich jeweils (auch wieder idealtypisch) in einzelne Arbeitsschritte untergliedern.Am Anfang steht das Erkenntnisinteresse, am Ende die Publikation der Ergebnisse ingeeigneter Form.

    Soweit der erste berblick ber die Planung und Durchfhrung eines empirischen so-zialwissenschaftlichen Forschungsprojekts. Wir werden uns mit den einzelnen Phasengleich nher beschftigen.

    Bei dem berblick nicht bercksichtigt werden Aspekte, die fr ein Forschungsprojektzwar von existentieller Bedeutung sind, aber eigentlich nicht unbedingt aufgrund me-thodischer berlegungen. Gemeint sind Fragen der Forschungsfrderung, der For-schungsfinanzierung, der Beantragung von Mitteln, usw.

    Abschlieend soll darauf hingewiesen werden, da der vorgestellte berblick ber diePlanung und Durchfhrung eines empirischen sozialwissenschaftlichen Forschungspro-jekts als idealtypische Darstellung durchaus verallgemeinert werden kann, da aber inder Praxis selbstverstndlich nicht alle Studien nach dem gleichen Schema ablaufen.

    2.1 Theoretische Vorarbeiten

    Neugierde ist aller Forschung Anfang. Ganz zu Beginn jedes Forschungsvorhabenssteht deshalb (s. Folie Pro_2 auf Seite 6) die Definition des Erkenntnisinteresses.

    Es ist zu fragen, was denn eigentlich das Ziel der geplanten Forschungsarbeit sein soll,was den Forscher oder die Forscherin interessiert, was er oder sie rauskriegen will.Dabei ist es vollkommen beliebig, wodurch das Erkenntnisinteresse des Forschers/derForscherin ausgelst werden mag. Auslser knnen z.B. sein:

    wissenschaftliches Interesse an einer Thematik eigene frhere oder rezipierte Forschungsarbeiten Vorantreiben der eigenen Karriere die Wahrnehmung eines sozialpolitischen Problems in den Medien die Aufforderung des Professors, sich mal mit dem Thema xxx zu beschftigen ein entsprechender Auftrag eines beliebigen Geldgebers.

    So unterschiedlich diese Motive auch sein knnen, eines ist ihnen gemeinsam: Siestellen legitime Auslser fr die Definition eines Erkenntnisinteresses dar.

    1 Wobei wir im folgenden Datenerhebung mit (persnlich-mndlicher) Befragung gleichsetzen wollen.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 6

    Folie Pro_2: Theoretische Vorarbeiten

    Theoretische Vorarbeiten

    Definition des Erkenntnisinteresses Was ist das Ziel meiner geplanten Forschungsarbeit? Was interessiert mich? Was will ich rauskriegen? Auslser fr das Erkenntnisinteresse: beliebig. Bearbeitung der Literatur Einstieg in die Problematik berblick ber den Stand der Forschung Angebote theoretischer Bezugsrahmen Hilfestellung bei der Formulierung der Hypothesen Anregungen Formulierung des theoretischen Bezugsrahmens Auswahl und Darstellung des allgemeinen theoretischen Rahmens fr die Erklrung

    und/oder Prognose Definition der zentralen (abhngigen und unabhngigen) Variablen Generierung der Hypothesen Explikation der aus dem theoretischen Rahmen ableitbaren Zusammenhnge

    Nachdem wir - auf welchem Wege auch immer - festgelegt haben, was unser Erkennt-nisinteresse sei, haben wir damit zu beginnen, uns mit dem Thema nher zu beschfti-gen. Da es nur wenig wirklich Neues in der Welt gibt, knnen wir grundstzlich davonausgehen, da zu jedem Thema, das wir bearbeiten wollen, bereits gedrucktes - neu-erdings digitalisiertes und via Internet zu empfangendes - Material vorliegt. Die Bear-beitung der vorhandenen Literatur (der konventionellen wie der digitalisierten) stelltgrundstzlich einen guten Einstieg in die von uns zu behandelnde Problematik dar.Vermittels der wissenschaftlichen Literatur zum Thema verschaffen wir uns einenberblick ber den Stand der Forschung, wir finden Angebote fr die Auswahl einestheoretischen Bezugsrahmens und Hilfestellung bei der Formulierung unserer Hypo-thesen. Ganz allgemein erhalten wir aus der Literatur vielfltige Anregungen, die frunsere weitere Forschungsarbeit von groer Bedeutung sein knnen.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 7

    Der nchste Schritt (der zeitlich auch parallel zum Literaturstudium stehen kann)2 be-steht in der Formulierung eines theoretischen Bezugsrahmens fr unsere Fragestellung.Wir haben - oft unter konkurrierenden Anstzen - einen allgemeinen theoretischenRahmen auszuwhlen, der als Grundlage fr Erklrung oder Prognose dienen kann (beieiner Erklrung liegt ein bestimmter sozialer Tatbestand vor, und man sucht nach denAnfangsbedingungen und Ursachen dieses Tatbestandes sowie nach einer Theoriebzw. nach Gesetzesaussagen zu seiner Erklrung; bei der Prognose sind Anfangsbe-dingungen und Theorie gegeben, und man sucht nach einem zuknftigen Tatbestand).Neben der Entscheidung zwischen Erklrung und Prognose steht die inhaltliche Defi-nition der zentralen unabhngigen und abhngigen Variablen an.

    Am Ende der theoretischen Vorarbeiten ist schlielich die Generierung der Hypothe-sen zu leisten, also die Explikation der aus dem theoretischen Rahmen und der Litera-tur ableitbaren Zusammenhnge. Da wir diese dann spter auch in empirischen Studienermitteln und berprfen wollen, mssen wir uns nun mit der Planung und Durchfh-rung der Datenerhebung beschftigen, und wir tun dies am Beispiel der persnlich-mndlichen Befragung.

    2. 2 Planung und Durchfhrung der Datenerhebung

    Die Entscheidung fr das Beispiel der persnlich-mndlichen Befragung ist dabei imPrinzip willkrlich gefallen; viele der einzelnen Schritte, die wir im folgenden erwh-nen werden (z. B. die Notwendigkeit, die Zielpopulation zu bestimmen), treffen auchauf andere Befragungsformen zu.

    Folie Pro_3: Planung und Durchfhrung der Datenerhebung (Umfrage)

    Planung und Durchfhrung der Datenerhebung (Umfrage)

    Auswahl der Erhebungstechnik und Entwicklung des Erhebungsinstruments Planung der Durchfhrung der Datenerhebung (Umfrage) Bestimmung der Population Art und Realisierung der Stichprobe fr den Pretest Pretesting Art und Realisierung der Stichprobe fr die Hauptstudie Durchfhrung der Hauptstudie

    2 Die meisten der hier beschriebenen Schritte knnen zeitlich hintereinander, aber ebenso gut auch zeitlich

    parallel ablaufen.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 8

    Zunchst einmal aber mu diese Entscheidung im Forschungsproze getroffen werden.Wir haben also unter einer greren Zahl anerkannter Datenerhebungsverfahren das-jenige auszuwhlen, das zum Beantworten unserer Forschungsfrage am geeignetstenerscheint: Entscheiden wir uns fr ein Beobachtungsverfahren oder fr eine Befra-gung? Fhren wir die Befragung persnlich-mndlich durch oder am Telefon? Ver-wenden wir einen weitgehend offenen Leitfaden, oder basiert unsere Datenerhebungauf einem standardisierten Fragebogen?

    Egal, wie wir uns auch entscheiden, der nchste Schritt besteht in der Entwicklungeines Erhebungsinstrumentes, sei es nun ein Beobachtungsbogen, ein Leitfaden oderein standardisierter Fragebogen.

    In gewisser Abhngigkeit von der Auswahl der Erhebungstechnik und der damit ver-bundenen Entwicklung eines Erhebungsinstruments stellt sich die Frage, wer denn dieDatenerhebung letztendlich durchfhren soll. Die Antwort auf diese Frage ist sicher-lich nicht unabhngig vom gesamten Forschungsdesign: Will ich nur wenige Personenmit einem Leitfaden befragen, kann ich das durchaus selbst tun. Plane ich eine telefo-nische Befragung von 500 Personen, kann ich das - vielleicht mit Untersttzung vonStudenten - ebenfalls noch selbst in Angriff nehmen. Will ich aber z.B. 5.000 erwach-sene Deutsche in Privathaushalten in einer bundesweiten Studie persnlich-mndlichbefragen, werde ich die Grenzen meiner Kapazitten sicherlich nicht zu diskutierenhaben.

    Grundstzlich stellt sich also die Frage: Kann und will ich meine Daten selbst erheben(eventuell mit Untersttzung weiterer Personen), oder vergebe ich die Datenerhebungan ein kommerzielles Datenerhebungsinstitut?

    Entscheide ich mich fr ein Datenerhebungsinstitut, sollte ich zwischen mehrerenwhlen knnen. Dazu schreibe ich mein Projekt bzw. meine Datenerhebung an mehre-re Institute aus und bitte um deren Angebote. Ich prfe die eingehenden Angebote undwge deren jeweilige Vor- und Nachteile und vor allem die Kosten gegeneinander ab(das Billigste ist nicht immer das Gnstigste!). Auf der Basis der so zustande gekom-menen Informationen (und ggfs. weiterer direkter Kontakte mit den Instituten) whleich das Institut aus, das die Datenerhebung meines Projektes durchfhren soll.

    Entscheide ich mich dafr, die Datenerhebung selbst zu organisieren, mu ich Vorbe-reitung und Durchfhrung des Feldes planen; dies beinhaltet so banal erscheinendeFragen wie den Druck des Fragebogens, aber auch weniger banale Fragen wie Aus-wahl und Schulung von Interviewern, Mglichkeiten der Feldkontrolle usw. Vor allembeim persnlich-mndlichen Interview stellt sich dabei oft schnell das Gefhl ein,berfordert zu sein, wenn man sich mit Fragen beschftigen mu wie: woher bekommeich dreiig Interviewer, und wer schult sie mir so, da sie einigermaen erfolgreicharbeiten knnen? oder: habe ich berhaupt die Kapazitt, 400 persnlich-mndlicheInterviews in Baden-Wrttemberg in Eigenregie durchzufhren?

    Eine weitere Frage, die ich bei der Planung meiner Datenerhebung zu beantworten ha-be, ist die nach der Population, die ich befragen und ber die ich Aussagen treffenwill: Interessieren mich alle erwachsenen deutschen Staatsangehrigen, die zum Zeit-

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 9

    punkt xyz in Deutschland einen festen Wohnsitz haben, alle erwachsenen Einwohnerder Stadt Mannheim, alle weiblichen Mitarbeiter ZUMAs?

    Und: wie viele davon gehen in meine Befragung ein und auf welche Art und Weise?Plane ich die Befragung aller Einheiten der Population (Vollerhebung), oder beschrn-ke ich mich auf eine Stichprobe aus dieser Population? Beim Stichprobenansatz httenwir uns zu entscheiden zwischen einer einfachen Zufallsstichprobe (address random,random route) oder einer geschichteten Zufallsstichprobe. Oder vielleicht eine Quo-tenstichprobe? Oder gar eine Vollerhebung? Was sind die Vor-, was sind die Nachtei-le?

    Whrend die Entscheidung zwischen einer Vollerhebung und einer Stichprobenerhe-bung vor allem durch die Gre der Population determiniert wird, hngt die Art derStichprobe eher von stichprobentheoretischen Argumenten und der Intention der zutreffenden Aussagen ab. Alleine Zufallsstichproben, aber nicht Quotenstichproben las-sen den Schlu von den Stichprobenparametern auf die Populationsparameter, damitVerallgemeinerung der gewonnenen Ergebnisse zu. Die Gre der Stichprobe, damitletztendlich auch die Anzahl der Flle, die man auswerten kann, ist zum Teil abhngigvon den verfgbaren finanziellen Ressourcen, sie wird vor allem aber bestimmt durchdie gewnschte Tiefengliederung der vorgesehenen Auswertungen: will man die Ant-wort auf eine bestimmte Frage nur nach dem Geschlecht der Antworter auswerten,braucht man natrlich nicht annhernd so viele Flle wie bei einer Auswertung nachKombinationen von Geschlecht, Alter, Schulbildung und Krpergre.

    Ein wichtiger Schritt vor Beginn der Datenerhebung ist schlielich die Durchfhrungeines Pretests, der von allen Experten als unabdingbare Voraussetzung einer erfolgrei-chen Hauptbefragung angesehen wird. Im Pretest werden die Art und die Qualitt derMeinstrumente berprft, ihre Eignung fr die Fragestellung, ihre Verstndlichkeitund Handhabbarkeit.

    Wird die Hauptbefragung von einem kommerziellen Datenerhebungsinstitut durchge-fhrt, kann ich mich nicht unbedingt zurcklehnen und der Dinge harren, die da kom-men werden; es ist zu empfehlen, in der Feldphase einen intensiven Kontakt zum Insti-tut zu pflegen, vielleicht auch direkt vor Ort vorbeizuschauen (und sei es auch nur, umhinreichend glaubhaft und berzeugend Kontrolle zu signalisieren). Fhre ich meineUmfrage selbst durch, mu ich mich mit Feldproblemen beschftigen (ein Interviewerwird krank, Zielpersonen beschweren sich), die Feldsteuerung durchfhren, die Inter-viewer kontrollieren etc. Dabei ist nicht immer eindeutig, welche der beiden Varianten- Institut oder Eigenregie - dem Forscher weniger Sorgen und Mhen bereitet.

    Aber selbst wenn es manchmal etwas lnger dauert: Irgendwann ist das Feld abge-schlossen und die Bauchschmerzen verklungen, und man freut sich auf die ersten Er-gebnisse. Bevor man allerdings dorthin gelangt, mu man erst noch die Phase der Da-tenerfassung und Datenaufbereitung absolvieren.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 10

    2.3 Datenerfassung und Datenaufbereitung

    Wenn man nicht ohnehin computergesttzt befragt, hat man nmlich am Ende seinesFeldes nur einen mehr oder weniger groen Stapel ausgefllter Papierfragebogen vorsich liegen. Eine effiziente Auswertung der Fragebogen setzt aber voraus, da die Da-ten maschinenlesbar vorliegen, so da gngige Auswertungsverfahren (SPSS, SAS,NSDstat usw.) zum Einsatz kommen knnen. Bevor es aber soweit ist, mssen dieDaten erfat werden, die offenen Fragen verkodet, die Daten bereinigt und in einen mitdem vorhandenen Auswertungsprogramm zu bearbeitenden Systemfile bersetzt wer-den.

    Der erste Schritt der Datenaufnahme besteht in der EDV-Umsetzung (Erfassung) dergeschlossenen Fragen, also der Fragen, zu denen es im Fragebogen nur Kreuze zu ma-chen oder Ziffern einzutragen gilt.

    Folie Pro_4: Datenerfassung und Datenaufbereitung

    Datenerfassung und Datenaufbereitung

    Erfassung der geschlossenen Daten Per Dateneingabemaske Per CAI-Programm Verkodung und Erfassung der offenen Fragen Erstellen des Codeplans Verkodung Erfassung der verkodeten Daten Datenbereinigung

    Fehlende Werte Wild codes Filterprfungen Formale Inkonsistenzen Inhaltliche Inkonsistenzen

    Die Datenerfassung kann erfolgen durch direkte Eingabe der Codeziffern in Datenein-gabemasken, durch Simulation einer computergesttzten Befragung, bei der jeder ein-zelne Fragebogen ber das CAI-Programm erfat wird, oder auch automatisch per Be-legleser.

    Die offenen Fragen, zu denen es freie Antworttexte im Fragebogen gibt, mssen zu-nchst verkodet werden, bevor sie - wie die geschlossenen Fragen - erfat werdenknnen. Dazu mu zu jeder offenen Frage ein Codeplan entwickelt werden, der die

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 11

    wichtigsten Dimensionen enthlt, die aus den Antworten auf die Frage abgeleitet wer-den knnen. Die Texte werden dann den durchnumerierten Dimensionen (dem Code-plan) zugeordnet, dadurch mit Ziffern versehen und danach wie geschlossene Fragenin den Datensatz aufgenommen.

    Sind alle Daten aufgenommen, mssen sie bereinigt werden. Fehlende Werte mssengekennzeichnet, wild codes (unzulssige Werte) ebenso korrigiert werden wie Filter-fehler oder formale Inkonsistenzen (der Vierzehnjhrige mit Ehepartner).

    Der so bereinigte Datensatz wird dann - sofern Datenaufnahme und Datenauswertungnicht ohnehin mit dem gleichen Programm geleistet werden - in die Sprache des vor-handenen Auswertungsprogramms bersetzt (z. B. vom ASCII- zum SPSS-Systemfile), so da er analysiert werden kann. Jetzt gibt es Grund, sich auf die erstenAuswertungen zu freuen.

    2.4 Auswertung

    Je nach Kenntnissen und Fhigkeiten, je nach eigenen Ansprchen und der Zielgruppe,der man seine Ergebnisse kommunizieren mchte, kann man Analysen unterschiedli-cher Komplexitt durchfhren:

    Folie Pro_5: Auswertung

    Auswertung und Interpretation

    Analysen Univariate Analysen: Randverteilungen, Hufigkeitsauszhlungen von Fragen ber

    alle Personen Bivariate Analysen (z. B. Tabellenanalyse, bivariate Kovarianzen, bivariate Korrela-

    tionen) = Betrachtung von Zusammenhngen zwischen zwei mebaren Variablen Multivariate Analysen (z. B. Faktorenanalyse, Clusteranalyse, multiple Regressionen)

    = Erklrung der Zusammenhnge zwischen zwei und mehr mebaren oder latentenVariablen

    Interpretation der Ergebnisse. Publikation der Ergebnisse Forschungsbericht Arbeitsberichte Vortrge und Kongresse Beitrge in einschlgigen Fachzeitschriften Beitrge in Sammlungen Monographien

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 12

    Beginnen sollte man die Auswertung auf alle Flle mit univariaten Analysen, also mitder Betrachtung von Randverteilungen oder Hufigkeitsauszhlungen. Im nchstenSchritt knnen dann bivariate Analysen folgen, bei denen nach den Zusammenhngenzwischen zwei mebaren Variablen gefragt wird (z.B. Tabellenanalyse, bivariate Kor-relationen). Bei multivariaten Analysen (z.B. Faktorenanalysen, Clusteranalysen, mul-tiple Regressionen) schlielich wird nach Zusammenhngen zwischen mehr als zweimebaren oder latenten Variablen gefragt.

    Da Wissenschaft als System absolut undenkbar ist ohne Kommunikation und Diskus-sion von Forschungsergebnissen - aber auch aus anderen, eher materiellen Grnden -mu der letzte Schritt des Forschungsprozesses in der Publikation der Analysen undErgebnisse bestehen.

    Neben den auf Folie Pro_5 aufgefhrten traditionellen Publikationsforen gewinnt neu-erdings auch das Internet als Publikationforum an Bedeutung, wobei hier mehr alssonstwo daran zu denken ist, da Beitrge im Internet nicht unbedingt irgendeine Formder wissenschaftlichen, nicht einmal der redaktionellen Begutachtung durchlaufen ha-ben mssen.

    3. Befragungen als Verfahren zur Erhebung sozialwissenschaftlicher Da-ten

    Um Informationen zu erhalten, die man dazu verwenden kann, Aussagen zur Beschrei-bung und Erklrung sozialer Sachverhalte zu treffen, kann man auf ein relativ breitesSpektrum bewhrter Verfahren zurckgreifen. Fr welches man sich letztendlich ent-scheidet, sollte davon abhngig gemacht werden, welches der vorhandenen Verfahrenam besten geeignet und angemessen erscheint, die jeweils mit dem spezifischen For-schungsinteresse verbundenen spezifischen Forschungsfragen zu beantworten.

    Man kann die vorhandenen Verfahren nach unterschiedlichen Kriterien systematischverorten, wobei allerdings darauf zu achten ist, da man die eigentlichen Verfahrenselbst von den zugrundeliegenden Forschungsdesigns unterscheidet.3

    Ein wichtiges Differenzierungskriterium ist die Art der Einbeziehung des Untersu-chungsobjektes in den Ablauf der Datenerhebung. Wir unterscheiden zwischen

    Verfahren, in denen das Untersuchungsobjekt aktiv und bewut mit dem Untersu-cher (oder dessen Reprsentanten) interagiert

    Verfahren, in denen das Untersuchungsobjekt bewut oder unbewut Objekt imeigentlichen Sinne ist, also passiver Gegenstand von Handlungen des Untersuchersund

    Verfahren, in denen nicht das Untersuchungsobjekt selbst, sondern von ihm oderber ihn erstellte Daten das Interesse des Untersuchers sind.

    3 Eine Panelbefragung z. B., also die wiederholte Befragung der gleichen Person in gewissen Abstnden, ist

    vom Forschungdesign her wesentlich von einer Einmal-Befragung verschieden, vom Verfahren her aber nunmal nichts anderes als eine Befragung.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 13

    Anders ausgedrckt sprechen wir (vgl. Schnell u.a. 1992:325) von Befragung, Beob-achtung und Inhaltsanalyse.

    Folie Dat_1: Datenerhebungsverfahren

    Datenerhebungsverfahren

    Befragungen

    Umfragen allgemein

    Gruppendiskussionen Soziometrische Verfahren

    Beobachtung

    strukturiert/unstrukturiert

    teilnehmend/nichtteilnehmend registrierend/kategorisierend usw.

    Inhaltsanalyse

    Frequenzanalyse

    Valenzanalyse Intensittsanalyse Kontingenzanalyse

    Neben Befragung, Beobachtung und Inhaltsanalyse gibt es einige Verfahren, die imProze der Gewinnung sozialwissenschaftlicher Daten eine gewisse Sonderrolle ein-nehmen, z. B. nicht-reaktive Datenerhebungsverfahren (vgl. z. B. Milgram u.a. 1965;Webb u.a. 1966; Bungard & Lck 1982) oder Experimente (vgl. z. B. Zimmermann1972; Holzkamp 1981; Atteslander 1993).

    Unter der berschrift Entwicklung und Design von Fragebogen knnen wir alle Da-tenerhebungsverfahren, die nicht unter die Befragungen fallen, ignorieren. Nur bei Be-fragungen braucht man, so trivial das klingt, Fragebogen im eigentlichen Sinne. ber-springen wir deshalb die Bereiche Beobachtung und Inhaltsanalyse, und wenden wiruns direkt den Befragungen zu.

    Wir knnen Befragungen unterscheiden nach dem Grad ihrer Strukturiertheit und nachihrer Kommunikationsform.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 14

    Folie Dat_2: Arten von Befragungen

    Befragungen nach dem Grad ihrer Strukturiertheit

    Narrative, explorative oder Tiefeninterviews

    Leitfadeninterviews

    Standardisierte Interviews

    Befragungen nach der Kommunikationsform

    Persnlich-mndliche Befragung

    Telefonische Befragung

    Schriftliche Befragung

    Computergesttzte Befragung

    Nach dem Grad der Strukturiertheit unterscheiden wir Befragungen in

    narrative, explorative oder Tiefeninterviews Leitfadeninterviews standardisierte Interviews

    Narrative, explorative oder Tiefeninterviews (vgl. z. B. Karakalos 1979; Schtze 1983;Wiedemann 1986; Lamnek 1989; Sphring 1989) zeichnen sich durch geringe Stan-dardisierung des angesonnenen Interviewer- wie auch des Befragtenverhaltens aus. Siehneln am meisten einem normalen Gesprch, bei dem ein neugieriger Frager einemauskunftswilligen Antworter gegenbersitzt und bei dem es zwar um ein bestimmtesThema, aber ansonsten um Gott und die Welt geht. Die Vorgehensweise bei derErmittlung der bentigten Informationen obliegt dem Befrager mehr oder weniger al-leine, der Antworter kann alle Informationen in der ihm genehmen Form geben.

    Leitfadeninterviews (vgl. z. B. Hopf 1978; Atteslander 1993) schrnken die Freiheitdes Befragers insofern ein, als er nicht nur ein bestimmtes Thema, sondern vorgegebe-ne und das Thema differenzierende Themenbereiche abfragen mu. Dabei hilft ihm einKatalog von vorformulierten Stichworten oder Globalfragen, der sogenannte Leitfaden,den er im Prinzip in jeder beliebigen Form und Reihenfolge abarbeiten kann; er muaber sicherstellen, da alle Fragenbereiche behandelt worden sind. In manchen Fllenwird auch Wert darauf gelegt, da die Fragen des Leitfadens wrtlich vorgelesen wer-den.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 15

    Das standardisierte Interview (vgl. z. B. Payne 1951; Erbslh 1972; Scheuch 1973;Schuman & Presser 1981; Sudman & Bradburn 1983; Converse & Presser 1986; Fow-ler & Mangione 1990; Converse & Presser 1986) unterscheidet sich von den vorhergenannten Formen dadurch, da sowohl dem Interviewer als auch der befragten Personauerordentlich eng vorgegeben ist, wie das Interview-Gesprch ablaufen soll. DerInterviewer mu alle Vorgaben des Fragebogens nach Anweisung erfllen, mu Fragenund Antwortkategorien wrtlich vorlesen, Listen oder Kartenspiele vorlegen usw., diebefragte Person mu ihr Antwortverhalten an den Erwartungen des Interviewers aus-richten, das heit in der Regel ihre Antwort in vorgegebene Antwortkategorien einord-nen. Das standardisierte Interview fordert fr alle Befragte gleiche Befragungsbedin-gungen; sofern ein Interviewer auftritt, beschrnkt sich seine Aufgabe idealerweise aufdas reine Vorlesen der Fragen und das kommentarlose Registrieren der Antworten.

    Nach der Kommunikationsform, in der eine Befragung durchgefhrt wird, kann manBefragungen unterteilen in

    persnlich-mndliche Befragungen schriftliche Befragungen und telefonische Befragungen.

    Das computergesttzte Interview stellt, sieht man von allerneuesten Entwicklungen ab,nur eine technologisch verbesserte Form der genannten Befragungsverfahren dar, aberkeine neue Datenerhebungsmethode.

    Die persnlich-mndliche Befragung galt lange Zeit als der Knigsweg der sozi-alwissenschaftlichen Datenerhebung. Man glaubte - und gelegentlich wird das heutenoch geglaubt - da durch persnlich-mndliche Befragungen gltigere und verlli-chere Daten gewonnen werden knnten, als dies bei schriftlichen oder telefonischenUmfragen der Fall sei. Diese Bewertung verschaffte der persnlich-mndlichen Be-fragung in den empirischen Sozialwissenschaften eine lange Zeit uneingeschrnkteSonderstellung, die bis heute nachwirkt.

    Die schriftliche Befragung (vgl. z. B. Hafermalz 1976; Dillman 1978; Berdie, Ander-son & Niebuhr 1986), die in Form der postalischen Befragung zur Zeit eine gewisseRenaissance erlebt, profitierte, wie die telefonische, von den Problemen der persn-lich-mndlichen Befragung. Postalische Interviews sind in der Regel billiger als per-snlich-mndliche; sie erfordern weniger organisatorischen Aufwand als jene, es gibtkeine mhsame Interviewer-Verwaltung, und die Anforderungen an die Feldsteuerungsind begrenzt. Die Zielperson kann selbst bestimmen, wann sie den Fragebogen ausfl-len will. Der Druck des Interviewers, der gerade zur denkbar schlechtesten Zeit oderunter denkbar ungnstigen Umstnden vor der Tr steht, entfllt. Die Zielperson kanndie Bearbeitung des Fragebogens beliebig unterbrechen, nachdenken, ggfs. in Unterla-gen nachsehen. Sowohl die Selbstbestimmtheit als auch die Anonymitt der Befra-gungssituation fhren dazu, da die Antworten bei der postalischen Befragung alsehrlicher gelten, als berlegter und durchdachter. Auf der anderen Seite bestehtdie Gefahr einer Verzerrung der Stichprobe durch Selbstselektion: Personen, die ge-wohnt sind, schriftlich zu arbeiten oder Formulare auszufllen, nehmen eher teil alssolche, die mit dieser Art der Kommunikation weniger vertraut sind. Die Datenerhe-

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 16

    bungssituation ist, weil kein Interviewer involviert ist, nicht kontrollierbar und mankann deshalb nicht sicher sein, ob diejenige Person, die den Fragebogen ausgefllt hat,auch wirklich die Zielperson war und unter welchen Bedingungen der Fragebogenausgefllt worden ist. Schlielich knnen im postalischen Interview keine spontanenReaktionen der Zielpersonen erfat werden. Ein letzter Nachteil der postalischen Be-fragung schlielich ist die auerordentlich groe Schwankungsbreite der Rcksendera-te (Hippler 1988:244).

    Die telefonische Befragung (vgl. z. B. Lucas & Adams 1977; Lavrakas 1987; Grovesu. a., Hrsg, 1988; Frey 1989; Frey u. a. 1990) hat nach langer Anlaufzeit in den Sozi-alwissenschaften ihr quick-and-dirty-Image ablegen knnen. Grnde dafr sind vorallem die Vollversorgung mit Telefonen zumindest in den westlichen Lndern und dieFortschritte in der Computertechnologie, dadurch die Mglichkeit computergesttzterTelefonbefragungen. Telefonbefragungen knnen unter bestimmten Umstnden, ms-sen aber nicht billiger sein als persnlich-mndliche Befragungen. Eindeutig fr dieTelefonbefragungen sprechen krzere Feldzeiten; dadurch liegen die Daten schnellervor als bei allen anderen Datenerhebungsverfahren. Bei der Stichprobenrealisierung istwichtig, da beim Telefoninterview regionale Klumpungen vermieden werden knnen.In der Befragungssituation selbst zeichnet sich das Telefoninterview durch leichtereKontaktmglichkeiten zu den Zielpersonen, die Mglichkeiten zu einer besseren Kon-trolle der Interviewer und eine grere Anonymitt der Befragungssituation aus.

    Computergesttzte Verfahren der Datenerhebung haben einen beraus schnellen undeindrucksvollen Siegeszug in der Umfrage- und empirischen Sozialforschung genom-men. Sie stellen aber, sieht man von allerneuesten Entwicklungen ab, nur eine tech-nologisch verbesserte Form der genannten Befragungsverfahren dar, aber keine neueDatenerhebungsmethode. Mit dem Einsatz fortgeschrittener Programme zum computerassisted interviewing (CAI) ergeben sich eine Reihe methodisch wichtiger und interes-santer Mglichkeiten, wie z.B. die Abarbeitung auch extrem komplexer Befragungs-muster durch differenzierte Filterfhrungen und weitgehend individualisiertem, d.h.der jeweiligen Befragungsperson und ihren Antworten angepatem Befragungsverlauf.Darber hinaus ermglicht der Einsatz entsprechender CAI-Programme, da man injeder Phase der Befragung schnell Randverteilungen oder Tabellen zur Beobachtungdes bisherigen Feldverlaufes erstellen kann. Ebenso knnen zu jedem Zeitpunkt wh-rend der Befragung auch inhaltliche Auswertungen vorgenommen werden. Der fertigeDatensatz kann direkt und unmittelbar nach Feldende erstellt und bearbeitet werden.Die Daten selbst weisen eine grere Genauigkeit und eine bessere formale Qualittauf als Daten, die nicht computergesttzt erhoben worden sind (keine Filterfehler, kei-ne ungltigen Werte, usw.).

    Ein Vergleich der Befragungsverfahren aus technischer und methodischer Sicht(Hippler & Schwarz 1990) zeigt die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Verfah-ren (s. Seite 17):

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 17

    Folie Dat_3: Vergleich der Datenerhebungsverfahren unter technisch-methodischen Aspekten

    Vergleich der Verfahren unter technisch-methodische Aspekten

    Telefonisch Persnl.-mndlich schriftlich

    Kosten mittel bis hoch hoch niedrigStichprobengre gro mittel sehr groAblaufsteuerung sehr hoch (CATI) mittel keineDatengenauigkeit hoch mittel mittelInterviewereinfl. mittel hoch keinAnonymitt hoch? mittel bis gering hochStichprobe teilw. beschrnkt ohne Beschrnkung beschrnktFragenkomplexitt gering? hoch geringAusschpfung hoch? hoch mittelLnge mittel/lang? lang kurz/mittel

    Zu hnlichen Ergebnissen kommen auch andere Autoren, z. B. de Leeuw und Van derZouwen (1988).

    4. Fragebogenerstellung

    Kommen wir nun zum eigentlichen Schwerpunkt dieses Berichts, nmlich der Frage-bogenerstellung. Im einzelnen wollen wir uns dabei mit folgenden Fragen beschfti-gen:

    Folie Fb_1: Fragebogenerstellung

    Fragebogenerstellung

    1. Zielsetzungen eines Fragebogens

    2. Kognitionspsychologische Grundlagen der Befragung

    3. Arten von Fragen

    4. Fragen- und Antwortformulierungen

    5. Skalen

    6. Aufbau des Fragebogens und Fragensukzession

    7. Befragungshilfen, Filter und Layout

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 18

    Trotz dieser umfangreichen Gliederung, die uns auf die Vielzahl der Aspekte verweist,die fr die Fragebogenerstellung wichtig sind, knnte alles ganz einfach sein, nmlichso:

    Folie Fb_2: Nicht der Interviewer...

    Nicht der Interviewer,der Fragebogen mu

    schlau seinJJ

    Gerhard Schmidtchen,Der Anwendungsbereich betriebssoziologischer Umfragen,

    Bern 1962, S. 9

    Damit wre alles gesagt, und wir knnten zum nchsten Thema bergehen. Dennochsollten wir uns doch etwas detaillierter mit der Fragebogenerstellung beschftigen.Beginnen wir mit einem Beispiel (Schwarz 1991):

    Bei einer Befragung sollte unter anderem auch gemessen werden, was die Befrag-ten so ganz allgemein von der CDU hielten. Gefragt wurde: Alles in allem, washalten Sie ganz allgemein von der CDU?. Vorgelegt wurde eine Skala von1=berhaupt nichts bis 11=sehr viel. Der Mittelwert (arithmetisches Mittel)lag bei - fr die CDU wenig schmeichelhaften - 3,4.

    Damit war die CDU natrlich ganz und gar nicht zufrieden, und natrlich war derCDU zu helfen. Man befragte eine vergleichbare Stichprobe mit der selben Frage,und der Mittelwert lag - schon besser - bei 5,2.

    Auf die Frage, ob es nicht auch etwas oberhalb des Skalenmittelwertes ginge,wurde eine dritte Befragung durchgefhrt, gleiche Frage, vergleichbare Stichpro-be, nur da der Wert jetzt mit 6,5 doch deutlich Positiveres verhie. Also, manwars zufrieden.

    Selbstverstndlich ist die Geschichte fiktiv und frei erfunden.4 Nicht fiktiv und freierfunden sind allerdings die in dieser Geschichte berichteten Werte; sie sind Ergebniseiner Studie, die bereits vor lngerem bei ZUMA durchgefhrt worden ist (Schwarz1991). Sehen wir uns das noch einmal in der bersicht an:

    4 Die CDU mge mir diesen Einstieg in das Thema Fragebogenentwicklung bitte nachsehen; an spterer

    Stelle wird deutlich werden, warum hier die CDU herhalten mute und keine andere bestehende oder fiktivePartei.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 19

    Folie Fb_3: Bewertung der CDU

    Alles in allem: Was halten Sie ganz allgemein von der CDU?

    11 = sehr viel

    10

    9 erster Mittelwert: 3,4 (A)

    8

    7

    6 zweiter Mittelwert: 5,2 (B)

    5

    4

    3 dritter Mittelwert: 6,5 (C)

    2

    1 = berhaupt nichts

    Wohlgemerkt: immer die gleiche Fragestellung, immer vergleichbare Stichproben, diebefragt worden sind, aber: deutlich unterschiedliche Skalenwerte. Des Rtsels Lsung- ich bitte noch um etwas Geduld - wird spter preisgegeben. Hier ist nur wichtig, datrotz offensichtlich gleicher Voraussetzungen deutlich unterschiedliche Ergebnissezustandegekommen sind.

    Selbst wenn man sich Umfrageergebnisse wie dieses genlich vor Augen hlt - diegrundstzliche Bedeutung der Befragung als Methode zur Erfassung sozialwissen-schaftlich relevanter Informationen steht auer Zweifel (Phillips 1971; Kaase, Ott undScheuch 1983).

    In einem gewissen Widerspruch dazu befindet sich die relativ geringe Aufmerksam-keit, die man in der methodischen Forschung dem Fragebogen als dem zentralen In-strumentarium der Befragung gewidmet hat.

    Wer sich mit Fragebogen und der Konstruktion von Fragebogen beschftigt, findetdenn auch in der Literatur hufig zwar teilweise recht bemhte (vgl. z. B. Karmasin &Karmasin 1977), aber oft sehr empiristische, sehr punktuelle, nicht verallgemeinerbareund schlielich auch von Fall zu Fall schlicht banale "Ratschlge": Fragen sollten kurzsein, konkret, eindeutig, sie sollten den Befragten nicht berfordern, usw. usw.

    Mit solcherart wertvollen Hinweisen ausgestattet ist demzufolge ganz einfach auch dieAufgabe des Fragebogengestalters. Nach einer hnlich allgemeinen Auflistung vonRatschlgen zur Frageentwicklung schreiben Karmasin & Karmasin (1977:174):

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 20

    Dieser eher weite und sich nur auf die zentralen Prinzipien beschrnkende Ra-ster, der naturgem eine Flle von Variationen zult, mu durch das Sprachge-fhl des Forschers ergnzt werden, der intuitiv und aus seiner Erfahrung alskompetenter Sprecher der zugrunde liegenden Sprache zu entscheiden hat, wel-che Formulierung adquat ist, um fr einfache Sprachstile verstndlich zu sein,fr alle Befragten eindeutig interpretierbar und geeignet, genau den fraglichenSachverhalt zu erfassen. (Sic!)

    Ratschlge wie diese tragen zur Aufrechterhaltung der irrigen Meinung bei, da dieFragebogengestaltung eine auf individueller Erfahrung basierende Kunstlehre sei -der Begriff ist entnommen aus dem Buch von Payne (1951) The Art of Asking Que-stions. Da ltere Publikationen wie Noelle (1963), Mayntz u.a. (1971) oder Scheuch(1973) den Begriff Kunstlehre dem Wort oder dem Sinn nach verwenden, kann nochentschuldigt werden; die Entwicklung von Fragebogen bis in die jngste Zeit hinein alsKunstlehre zu verstehen, halte ich allerdings fr problematisch. Denn:

    Anfang der Achtziger Jahre begannen systematische Versuche, Fragebogengestaltungals integrierten Bestandteil innerhalb eines theoretischen Konzepts der Befragung zuverstehen (z. B. Schuman & Presser 1981; Dijkstra & Van der Zouwen 1982; Sudman& Bradburn 1983). Sozialpsychologen und Psychologen arbeiten gemeinsam mit Um-frageforschern verstrkt an der Erforschung der kognitiven und kommunikativen Pro-zesse, die der Befragungssituation zugrunde liegen (z. B. Jabine u.a., Hrsg, 1984;Hippler, Schwarz & Sudman, Hrsg, 1987; Jobe & Loftus, Hrsg, 1991; Schwarz &Sudman, Hrsg, 1992; Schwarz & Sudman, Hrsg, 1996), und sie leiten aus ihrer For-schung auch konkrete Empfehlungen fr die Gestaltung von Fragebogen ab (Schwarz& Strack 1988; Schwarz 1990; Schwarz 1991).

    Auf solcherart Bemhungen werde ich nachher noch kurz zurckkommen, wenn ichdie kognitionspsychologischen Grundlagen der Befragung beschreibe. Zunchstmchte ich mich mit den Zielsetzungen eines Fragebogens beschftigen, danach - alsHauptteil - mit praktischen Aspekten der Fragebogenerstellung.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 21

    4.1 Zielsetzungen eines Fragebogens

    Was ist eigentlich ein Fragebogen? Versuchen wir eine Definition (Porst 1996:738):

    Folie Fb_4: Definition Fragebogen

    Definition Fragebogen:

    Ein Fragebogen ist eine mehr oder weniger standardisierte Zusammen-stellung von Fragen, die Personen zur Beantwortung vorgelegt werden mitdem Ziel, deren Antworten zur berprfung der den Fragen zugrunde lie-genden theoretischen Konzepte und Zusammenhnge zu verwenden. Somitstellt ein Fragebogen das zentrale Verbindungsstck zwischen Theorie undAnalyse dar.

    Bei der Erstellung eines Fragebogens ist zunchst auf die qualitative und quantitativebereinstimmung des Instrumentariums mit dem Forschungsziel zu achten. Unterquantitativer bereinstimmung des Fragebogens mit dem Forschungsziel verstehe ichdie vollstndige, unter qualitativer bereinstimmung die inhaltlich angemessene Ope-rationalisierung aller Hypothesen bzw. Variablen des zugrunde liegenden theoretischenKonzepts: alle theoretischen Begriffe mssen im Fragebogen enthalten sein; die Frage-formulierungen, die Antwortkategorien und die Art der Frage mssen geeignet sein,die angezielten Informationen valide (d. h. gltig) und reliabel (d. h. zuverlssig) zuerfassen. Bereits bei der Entwicklung des Fragebogens ist darauf zu achten, da zuerwartende (auch unerwnschte) Verhaltensweisen und Reaktionen der Zielpersonen(man nennt das response set) wenn schon nicht ausgeschaltet, so doch mglichst kon-trolliert werden knnen. Dazu ist es wichtig, die kognitiven und kommunikativen Pro-zesse zu kennen, die der Befragungssituation zugrunde liegen (vgl. z. B. Tourangeau1987; Strack & Martin 1987; Strack & Schwarz 1992) und sie bereits bei der Fragebo-genentwicklung zu bercksichtigen. Ich will dazu nur einen kurze bersicht geben,sozusagen ein Ansto, sich intensiver mit der Literatur zu beschftigen.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 22

    4.2 Kognitionspsychologische Grundlagen der Befragung

    Die Teilnehmer an einer Befragung mssen mehrere Aufgaben lsen:

    Folie Fb_5: Aufgaben des Befragten

    Die Teilnehmer an einer Befragung mssen ...

    1) die gestellte Frage verstehen

    2) relevante Informationen aus dem Gedchtnis abrufen bei Einstellungsfragen: eine bereits gebildete Meinung aus der Erinnerung abrufen

    oder relevante Informationen abrufen, die es erlauben, ein Urteil zum Befragungs-gegenstand zu bilden

    bei Verhaltensfragen: relevante Ereignisse erinnern, sie gegebenenfalls zu datieren,eventuell die Zahl der relevanten Ereignisse zu bestimmenoder sie zu schtzen.

    3) auf der Basis dieser Informationen ein Urteil bilden

    4) dieses Urteil gegebenenfalls in ein Antwortformat einpassen

    5) gegebenenfalls ihr "privates" Urteil vor Weitergabe an den Interviewer"editieren"

    Vgl. Strack und Martin (1987)

    Die Suche nach Information ist natrlich nicht grenzenlos. Personen hren auf zu su-chen, wenn sie genug Informationen erinnert haben, um sich mit hinreichender subjek-tiver Sicherheit ein Urteil bilden zu knnen. Dieses Urteil beruht primr auf der Infor-mation, die dem Befragten zuerst in den Sinn kommt.

    Information kann chronisch oder situativ verfgbar sein. Chronisch bedeutet, die In-formation ist im Gedchtnis leicht verfgbar, weil man zum Beispiel bereits fters berden gefragten Sachverhalt nachgedacht hat; situativ bedeutet, die Information kommtnur unter bestimmten Bedingungen in Erinnerung, etwa durch das Interview selbst (z.B. aufgrund von Vorfragen).

    Befragungen gelten als eine spezielle Form der Konversation. Warum? Sie sind"conversation at random" und weichen in vielen Fllen von der normalen Gesprchs-fhrung ab. Einige dieser Abweichungen werden normalerweise problemlos umgesetzt,z. B. das konzentrierte Fragen und Antworten. Andere Regeln der Alltagskonversationbleiben nicht ohne Einflu auf das Interview und sein Ergebnis. So glauben Befra-gungspersonen im Einklang mit den Grundregeln der kooperativen Kommunikation (s.Seite 23; vgl. Grice 1975), der Interviewer bzw. der Forscher tue alles, um informativ,der Wahrheit folgend, bedeutungsvoll und zielgerichtet sowie eindeutig, oder besser:unzweideutig zu sein.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 23

    Folie Fb_6: Grundregeln der kooperativen Kommunikation

    Grundregeln der (kooperativen) Kommunikation:

    Maxim of Quantity: Make your contribution as informative as is required, but not

    more informative than is required.

    Maxim of Quality: Try to make your contribution one that is true. That is, do notsay anything you believe to be false or lack adequate evidencefor.

    Maxim of Relation: Make your contribution relevant to the aims of the ongoingconversation.

    Maxim of Manner: Be clear. Try to avoid obscurity, ambiguity, wordiness, anddisorderliness in your use of language.

    Nach H. P. Grice (1975)

    Weicht der Interviewer von diesen Regeln ab, versucht die Person, der gestellten Frageeinen subjektiven Sinn zu geben, indem sie den Kontext der Frage auszuloten und ihreBedeutung festzulegen versucht. Dies hat natrlich Einflu auf das Antwortverhalten.

    Damit genug zu den kognitionspsychologischen Grundlagen der Befragung. Ich kom-me bei Gelegenheit darauf zurck, will mich aber jetzt mit den praktischeren Pro-blemen der Fragebogenerstellung beschftigen. Dabei will ich auf folgende Aspektekurz eingehen: Arten von Fragen, Fragen- und Antwortformulierungen, Skalen, Frage-bogenaufbau und Fragenabfolge, Befragungshilfen, Filter und Layout.

    4.3 Arten von Fragen

    Beginnen wir mit den Arten von Fragen. Fragen knnen nach ihrem Inhalt bzw. ihrerZielrichtung und nach ihrer Form unterschieden werden. Die Aufteilung nach inhaltli-chen Gesichtspunkten ist (relativ) beliebig; eine einfache Unterteilung ergibt sich z. B.in Fragen nach Einstellungen oder Meinungen, Fragen nach berzeugungen undWertorientierungen, Fragen nach Wissen und Verhalten und Fragen nach Eigenschaf-ten der Befragungsperson (andere Einteilungen finden sich z. B. bei Dillman 1978;Davis 1980; Porst 1985).

    Nach ihrer Form knnen Fragen ebenfalls differenziert werden; wichtig ist vor allemdie Unterscheidung von Fragen aufgrund des Grades ihrer Strukturiertheit in offene,halboffene und geschlossene Fragen (s. Seite 24).

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 24

    Folie Fb_7: Arten von Fragen

    38. Wie stark interessieren Sie sich fr Politik: sehr stark, stark, mittel, wenig oderberhaupt nicht?

    Sehr stark.............................................................o Stark ....................................................................o Mittel ...................................................................o Wenig ..................................................................o berhaupt nicht ...................................................o

    ___________________________________________________________________________16. Welche Staatsbrgerschaft haben Sie? Wenn Sie die Staatsbrgerschaft mehrerer Lnder

    besitzen, nennen Sie mir bitte alle.

    Interviewer: Mehrfachnennungen mglich

    Staatsbrgerschaft von:Deutschland ........................................................... oDnemark............................................................... oFrankreich.............................................................. oItalien..................................................................... oAnderes Land ......................................................... o

    ___________________________________________________________________________

    S9 Welche berufliche Ttigkeit ben Sie in Ihrem Hauptberuf aus?Bitte beschreiben Sie mir Ihre berufliche Ttigkeit genau.

    Interviewer: Bitte genau nachfragen:

    Hat dieser Beruf, diese Ttigkeit noch einen besonderen Namen?

    _____________________________________________________

    ___________________________________________________________________________

    Interviewer: Bitte Liste S2 vorlegen!

    S2 Als nchstes kommen jetzt Fragen zu Ihrer Ausbildung, Ihrem Beruf und IhrerFamilie. Beginnen wir mit Ihrer Ausbildung: Welchen allgemeinbildenden Schul-abschlu haben Sie?

    Interviewer: Nur e i n e Nennung mglich. Nur hchsten Schulabschlu angeben lassen!

    A Noch Schler................................................................................................o S4

    B Schule beendet ohne Abschlu .....................................................................o

    C Volks-/Hauptschulabschlu bzw. Polytechnische Oberschulemit Abschlu 8. oder 9. Klasse .....................................................................o

    D Mittlere Reife, Realschulabschlu bzw. PolytechnischeOberschule mit Abschlu 10. Klasse.............................................................o

    E Fachhochschulreife (Abschlu einer Fachoberschule etc.).............................o

    F Abitur bzw. Erweiterte Oberschulemit Abschlu 12. Klasse (Hochschulreife) ....................................................o

    G Anderen Schulabschlu, und zwar:

    _____________________________________________________________

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 25

    Bei der offenen Frage (auf Seite 24 Frage S9) wird nur die Frage vorgelesen; es gibtkeine Antwortkategorien, die Befragungsperson antwortet in ihren eigenen Worten,und der Interviewer protokolliert ihre Aussage mglichst wrtlich.

    Bei geschlossenen Fragen gibt es dagegen eine begrenzte und definierte Anzahl vonmglichen Antwortkategorien, in welche die Befragungsperson ihre Antwort einpassenmu; dabei ist zu unterscheiden zwischen Fragen mit nur einer zulssigen Antwort(Einfachnennung), bei der sich die Befragungsperson fr eine der vorgegebenen Alter-nativen entscheiden mu (auf Seite 24 Frage 38) und Fragen mit mehr als einer zuls-sigen Antwort (Mehrfachnennung), bei denen sie mehrere der vorgegebenen Kategori-en auswhlen kann (auf Seite 24 Frage 16).

    Offene Fragen haben den Vorteil, da sie den Befragungspersonen die Mglichkeitbieten, so zu sprechen, wie sie es gewohnt sind; der Nachteil liegt u. a. darin, da dieErgebnisse sehr stark von der Verbalisierungsfhigkeit des Befragten abhngen undnicht unbedingt von seiner tatschlichen Einstellung zu dem gefragten Sachverhalt. Einweiterer zentraler Nachteil der offenen Frage ist der immense Verkodungsaufwand, dermit ihrer Auswertung verbunden ist.

    Geschlossene Fragen sind schneller abzuarbeiten, haben aber u. a. den Nachteil, dasich Befragungspersonen hufig nicht in den vorgegebenen Kategorien wiederfindenknnen.

    Halboffene Fragen (auf Seite 24 Frage S 2) schlielich sind eher ein Ergebnis von Ent-scheidungsschwierigkeiten des Fragebogenentwicklers, kommen aber in der Praxissehr hufig vor: einer an sich geschlossenen Frage wird eine zustzliche Kategorie (z.B.: "Sonstiges, bitte nennen") angehngt, die wie eine offene Frage beantwortet wer-den kann. Eine halboffene Frage bietet sich immer dann an, wenn das tatschlicheUniversum mglicher Antworten auf eine Frage zwar gut abgeschtzt (geschlosseneFrage), aber nicht definitiv bestimmt werden kann (offene Frage).

    Die Diskussion um offene oder geschlossene Fragen ist wohl fast so alt wie die mo-derne Umfrageforschung selbst (Lazarsfeld 1944; Krech und Crutchfield 1948); aller-dings ist eine Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Fragenform langeZeit wohl eher durch Erfahrung, common sense, Institutsroutinen und forschungsprak-tische berlegungen bestimmt worden als durch systematische Forschung (Converse1984).

    Aufgrund kognitionspsychologischer Arbeiten wei man heute allerdings, da die Ent-scheidung fr eine offene oder fr eine geschlossene Frage nicht alleine das Registrie-ren der Antwort und den Aufwand bei der Auswertung beeinflut, sondern bedeutendeinhaltliche Auswirkungen auf das Ergebnis zu dieser Frage haben kann, weil offeneund geschlossene Fragen unterschiedliche kognitive Anforderungen an die Befra-gungsperson stellen (Schuman & Presser 1977; Bishop u.a. 1988).

    Kognitionspsychologische Forschungen haben weiterhin gezeigt, da auch die bei ei-ner geschlossenen Frage vorgegebenen Antwortkategorien groen Einflu auf das Er-gebnis einer Frage haben knnen. Antwortkategorien haben nmlich nicht nur die vom

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 26

    Forscher intendierte Funktion, die Reaktion der Befragungsperson auf einen bestimm-ten Stimulus zu protokollieren; der Befragungsperson dienen sie vielmehr auch dazu,den Kontext einer Frage zu erkennen, ihren Sinn zu interpretieren und den Spielraumfr angemessene Reaktionen auf die Frage abzugrenzen (Schwarz 1990; Schwarz &Hippler 1991; Clark & Schober 1992). Ich will auch hier ein Beispiel vorstellen, wiedie Bandbreite der vorgegebenen Antwortskala das Antwortverhalten beeinflut(Schwarz u.a. 1985):

    Die gestellte Frage lautete: Wie viele Stunden sehen Sie an einem normalen Werktagfern? Bei den Antwortkategorien

    bis 1/2 Stunde 1/2 bis 1 Stunde 1 bis 1 1/2 Stunden 1 1/2 bis 2 Stunden 2 bis 2 1/2 Stunden mehr als 2 1/2 Stunden

    gaben 16,2% der Befragten an, mehr als 2 1/2 Stunden tglich fernzusehen. DieserAnteil nderte sich dramatisch, wenn man folgende Antwortkategorien vorgab:

    bis 2 1/2 Stunden 2 1/2 bis 3 Stunden 3 bis 3 1/2 Stunden 3 1/2 bis 4 Stunden 4 bis 4 1/2 Stunden mehr als 4 1/2 Stunden

    Jetzt hatte man pltzlich 37,5% Befragte, die angaben, mehr als 2 1/2 Stunden tglichfernzusehen. Die Ergebnisse insgesamt finden sich auf der folgenden Folie:

    Folie Pro_8: Fernsehbeispiel

    Wie viele Stunden sehen Sie an einem normalen Werktag fern?

    Bis 1/2 Stunde 7,4%1/2 bis 1 Stunde 17,7%1 bis 1 1/2 Stunde 26,5%1 1/2 bis 2 Stunden 14,7%2 bis 2 1/2 Stunden 17,7% Bis 2 1/2 Stunden 62,5%--------------------------------------------------------------------------------------------------------

    mehr als 2 1/2 Stunden 16,2% 2 1/2 bis 3 Stunden 23,4% 3 bis 3 1/2 Stunden 7,8%

    3 1/2 bis 4 Stunden 4,7%4 bis 4 1/2 Stunden 1,6%mehr als 4 1/2 Stunden 0,0%

    37,5%

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 27

    Wie ist das Ergebnis zu erklren? Aufgrund der Regeln der kooperativen Kommunika-tion unterstellen Befragte, da die Ihnen vorgelegte Skala einen Sinn macht, und derSinn kann nur darin bestehen, da die Skala real vorhandene oder als real vorhandenangenommene Verteilungen reprsentiert. Bei einer sehr starken Differenzierung imunteren Bereich der Skala (linke Seite der Folie) gehen die Befragten demzufolge da-von aus, da die meisten Leute wohl weniger als 2 Stunden fernsehen - warum sonsthtte man gerade diese starke Differenzierung im unteren Bereich gewhlt? Sie stufensich also da ein, wo sie sich mit vielen anderen in guter Gesellschaft whnen. Das glei-che machen sie aber auch bei der anderen Skala (rechte Seite der Folie), nur da dieDifferenzierung im oberen Bereich ihnen ein Volk von Vielsehern suggeriert - auchhier stuft man sich eher da ein, wo mutmalich auch die meisten anderen sein werden.

    Das heit verallgemeinert: Befragungspersonen gehen davon aus, da die ihnen vorge-legte Skala sinnhaft konstruiert ist, und sie nehmen an, da sie in ihren Ausprgungentatschliche Verteilungen der Population widerspiegeln. Die Informationen, die sie ausdem Wertebereich einer Skala erschlieen, nutzen sie gleich mehrfach: zum einen zie-hen sie den Wertebereich als Bezugsrahmen fr ihre eigene Verhaltenshufigkeit heran(und geben zum Beispiel hhere Frequenzen fr ihr eigenes Verhalten an, wenn dieSkala hhere Hufigkeiten vorgibt), zum zweiten entnehmen sie ihrer eigenen Plazie-rung auf der Skala Informationen ber die relative Hufigkeit ihres Verhaltens vergli-chen mit dem Verhalten anderer und bercksichtigen dies, wenn sie komparative Urtei-le bilden; und schlielich ziehen sie bei nicht eindeutigen Fragen die Skalen als Inter-pretationshilfen fr den vermeintlichen Sinn der Frage heran.

    Auswirkungen auf das Antwortverhalten knnen sich auch aus der Reihenfolge erge-ben, in der Antwortkategorien prsentiert werden, insbesondere wenn eine grereAnzahl mglicher Antwortkategorien vorgegeben wird: Befragte tendieren entwederdazu, zuerst genannte Kategorien auszuwhlen ("primacy effect"), oder sie entscheidensich eher fr zuletzt genannte Kategorien ("recency effect"). Welcher der Effekte zumWirken kommt, hngt von der Art der Prsentation ab: werden Listen mit einer gre-ren Anzahl von Antwortkategorien optisch prsentiert, kommt es eher zum primacyeffect, werden die Antwortkategorien vorgelesen, ist eher mit einem recency effect zurechnen.

    4.4 Fragen- und Antwortformulierungen

    Kommen wir zu den Frage- und Antwortformulierungen. Es gibt eine Reihe von"Faustregeln" zur Verbalisierung von Fragen und Antwortkategorien in einem Frage-bogen; sie finden sich in jedem Lehrbuch der empirischen Sozialforschung und gehenexplizit oder implizit zumeist auf Payne (1951) zurck. Wir lesen dort (und spter z.B. bei Karmasin & Karmasin 1977; Dillman 1978; Converse & Presser 1986; Schnellu.a. 1992), da Fragen und Antworten einfach, kurz und konkret formuliert sein, keineFremdworte und keine unverstndlichen Begriffe enthalten sollen; sie sollen nicht sug-gestiv, semantisch nicht positiv oder negativ befrachtet sein, nicht hypothetisch; siesollen die Befragungsperson nicht berfordern, aber auch nicht trivial klingen; Fragensollten eindeutig sein, nicht mehrere Stimuli oder doppelte Verneinungen enthalten.

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 28

    Diese und hnliche Regeln haben natrlich eine gewisse Berechtigung und machenSinn, allerdings wird man bei nherer Beschftigung damit schnell feststellen, da siewirklich nur als sehr grobe Faustregeln zu verwenden sind (whrend die eine Zielper-son durch eine Frage berlastet ist, erscheint sie der nchsten schon als trivial).

    4.5 Skalen

    Wenden wir uns den Skalen zu. Der Beantwortung einer Frage liegt technisch betrach-tet grundstzlich der Proze des Messens zugrunde, worunter wir jegliche regelhafteund kodifizierte Benennung bestimmter Aspekte oder Ausprgungen einer manifesten(z. B. Verhalten) oder latenten (z. B. Einstellungen) Variablen mit Hilfe von Symbolenoder Zahlen verstehen. Das dem Mevorgang zugrunde gelegte Bezugssystem be-zeichnen wir als Skala. Einige Skalen finden sich auf dieser Folie:

    Folie Fb_9: Skalentypen

    Skalentypen

    trifft vollund ganz zu

    trifft eherzu

    trifft ehernicht zu

    trifft berhauptnicht zu

    o o o o

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------

    unwichtig o o o o o o o sehr wichtig

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------

    unwichtig o o o o o o sehr wichtig

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------

    links 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 rechts

    rechts 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 links

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------

    sehrunsympathisch

    -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 sehrsympathisch

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------

  • Rolf Porst: Im Vorfeld der Befragung Seite 29

    Zunchst einmal unterscheidet man verbalisierte von numerischen Skalen, wobei erste-re sich dadurch kennzeichnen, da jedem Skalenpunkt eine verbale Benennung ein-deutig zugeordnet ist, whrend bei der numerischen Skala nur die Endpunkte verbali-siert, die Skalenwerte ansonsten durch Ziffern reprsentiert oder leer sind.

    Skalen mit einer ungeraden Anzahl von Skalenpunkten und einer formalen Mittelkate-gorie (ungerade Skalen) stehen Skalen mit einer geraden Anzahl von Skalenpunktenohne formale Mittelkategorie (gerade Skalen) gegenber; die optimale Anzahl derSkalenpunkte ist ebenso von Bedeutung (und strittig) wie die Frage, ob man Skalen-werte von rechts nach links oder von links nach rechts auf- oder absteigen lt, ob maneindimensionale (z. B. von 1 nach 7) oder zweidimensionale (z. B. von -3 bis +3)Skalen einsetzt, und anderes mehr. Die Diskussion um die richtige" Skala kann hiernicht wiedergegeben werden; sie reicht nachweislich zurck bis ins Jahr 1915.

    In der Praxis haben sich unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierungsfhigkeit nu-merische Skalen mit sieben plus/minus zwei Skalenpunkten bewhrt (Cox 1980; empi-risch berzeugend Stadtler 1983). Unter Auswertungsgesichtspunkten ist dabei wich-tig, da solche Skalen den Charakter intervallskalierter Variablen besitzen oder zumin-dest zu besitzen glaubhaft machen.

    Die Frage, ob man eine Mittelkategorie zulassen will oder nicht, ist kein rein techni-sches Problem. Bietet man eine Mittelkategorie an, so luft man Gefahr, da Personensie als Ausweichmglichkeit nutzen, weil sie sich nicht auf die eine oder andere Seiteder Skala einstufen wollen (mit Einfhrung der Mittelkategorie reduziert sich der An-teil der "wei nicht"-Antworten - sofern eine solche Kategorie vorgegeben war - deut-lich; vgl. Molenaar 1982). Zwingt man sie zu einer Einordnung, indem man die Mittel-kategorie weglt, nimmt man ihnen die Chance, sich bewut in der Mitte einzustufen,wobei diese bewute Einstufung kein Ausweichen darzustellen braucht, sondern dietatschliche und inhaltliche korrekte Plazierung in der Mitte der Skala.

    Unabhngig von der Art der Skala ist es grundstzlich wichtig zu wissen, da auchSkalen (selbst die relativ neutral erscheinenden numerischen Skalen) keineswegs denCharakter eines formalen, sachlichen Meinstruments aufweisen. In Experimentenkonnte vielmehr nachgewiesen werden, da Skalen, die formal quivalent, aber unter-schiedlich beziffert oder benannt sind, das Antwortverhalten von Personen deutlichunterschiedlich beeinflussen knnen (s. Seite 30):

  • Folie FB_10: Beispiel Erfolg im Leben

    Wie erfolgreich waren Sie bisher in Ihrem Leben? Sagen Sie es bittenach dieser Leiter hier .

    auerordentlich 10 + 59 + 48 + 37 + 26 + 15 0

    ---------------------------------------------------------------------------------------4 - 13 - 22 - 31 - 4

    berhaupt nicht 0 - 5

    Nennungen von 4 bis 0: Nennungen von - 1 bis - 534 % 13 %Mittelwert: 6,4 Mittelwert: 7,3

    Die Differenz der Mittelwerte ist hoch signifikant.

    Institut fr Demoskopie Allensbach, IfD-Studie 5.007, Juli 1988, bundesweite Re-prsentativbefragung, N = 1.032

    Bei diesem Beispiel sind es schlicht die Minuszeichen vor den Ziffern, die den unterenSkalenwerten einen negativen Anstrich vermitteln und von daher nicht gerne gewhltwerden. Der Wert 0 auf der linken Seite wird als nicht erfolgreich interpretiert, nichtals negativ erfolgreich und ist von daher lange nicht so deprimierend wie der Wert -5auf der rechten Seite, der als negativ erfolgreich interpretiert wird.

    4.6 Aufbau des Fragebogens und Fragensukzession

    Neben Skalen und Frageformulierungen spielt die Fragensukzession eine wichtigeRolle bei der Entwicklung von Fragebogen. Unter Fragensukzession versteht man dieReihenfolge, mit der Fragen im Fragebogen angeordnet und der Befragungsperson imVerlaufe der Befragung vorgelegt werden. Sie spielt vorrangig bei der persnlich-mndlichen und bei der telefonischen Befragung eine Rolle; bei der schriftlichen Be-

  • fragung dagegen knnte die Sukzession irrelevant werden, weil nicht ausgeschlossenwerden kann, da die Befragungsperson den Fragebogen entgegen der Intention desForschers nicht sukzessive, sondern in beliebiger Abfolge bearbeitet, also beim Ausfl-len vor- und zurckblttert.

    Auch fr die Fragensukzession gibt es eine Vielzahl technischer Regeln, die mehr oderweniger "intuitiv" definiert sind (vgl. z. B. Karmasin & Karmasin 1977:197ff); auf deranderen Seite haben kognitionspsychologische Forschungen auch hier eine Reihe em-pirischer Hinweise fr die Fragebogengestaltung geliefert.

    Zu den eher intuitiven Regeln zhlt, da eine Befragung mit spannenden, themenbezo-genen und die Befragungsperson persnlich betreffenden, aber technisch einfach zubearbeitenden Fragen beginnen sollte, um die Motivation der Befragungsperson zurweiteren Teilnahme aufrechtzuerhalten oder sogar noch zu erhhen (Eisbrecher-oder Aufwrmfragen). Einstiegsfragen sollten so konstruiert sein, da sie von allenBefragten zu beantworten sind, damit bei einer Befragungsperson nicht von vornhereinder Eindruck entsteht, sie sei fr den Interviewer und die Befragung uninteressant.

    Die Logik des Befragungsablaufes sollte fr die Befragungsperson gut nachvollziehbarsein; Fragen zum gleichen Thema sollten zu Fragenblocks zusammengefat werden.Schwierige oder heikle Fragen sollten eher am Ende der Befragung gestellt werden,damit der Schaden im Falle eines durch die Frage bedingten Interview-Abbruches be-grenzt bleibt.

    Besondere Aufmerksamkeit ist in der methodischen Forschung der Frage gewidmetworden, welchen Einflu die Anordnung von Fragen im Fragebogen auf das Antwort-verhalten habe. Da vorausgehende Fragen die Antworten auf nachfolgende beeinflus-sen knnen, gehrt zu den Gemeinpltzen der Fragebogenkonstruktion. SolcheSukzessions-, Reihenfolge- oder Plazierungseffekte - allgemein alsKontexteffekte bezeichnet (vgl. z. B. Schuman & Presser 1981; Bradburn 1983;Hippler & Schwarz 1987; Schwarz & Sudman 1992) - stellen auch fr die kognition-spsychologische Forschung einen Schwerpunkt dar. Wir erinnern uns an das Beispielmit Weizscker zu Beginn. Ich will erklren, was passiert ist (s. Seite 32).

  • Folie Fb_11: Bewertung der CDU die Zweite

    Alles in allem: Was halten Sie ganz allgemein von der CDU?

    11 = sehr viel

    10

    9 erster Mittelwert: 3,4 (A)

    8

    7

    6 zweiter Mittelwert: 5,2 (B)

    5

    4

    3 dritter Mittelwert: 6,5 (C)

    2

    1 = berhaupt nichts

    (A) Wissen Sie zufllig, welches Amt Richard von Weizscker ausbt,

    das ihn auerhalb des Parteigeschehens stellt?

    (B) Ohne Vorfrage im gleichen Kontext

    (C) Vorfrage: Wissen Sie zufllig, welcher Partei Richard von Weizsk-

    ker seit mehr als 20 Jahren angehrt?

    Norbert Schwarz und Herbert Bless, Assimilation and Contrast Effects inAttitude Measurement. Advances in Consumer Research 19, 1992, S. 72ff

    Grundstzlich variiert das Ergebnis der CDU-Bewertung in Abhngigkeit von der vor-angehenden Frage, die auf der Folie jeweils nachzulesen ist. In Variante A mit demMittelwert von 3,4 wurde von Weizscker in der Vorfrage explizit (auerhalb desParteiengeschehens) aus der CDU herausdefiniert; da von Weizscker zweifelsohnein allen politischen Lagern als uerst integre Persnlichkeit mit hoher Reputation an-gesehen wird, geht mit seiner Exklusion die Bewertung der CDU nach unten. In Vari-ante C mit dem Mittelwert von 6,5 passiert genau das Gegenteil: durch die expliziteInklusion von Weizsckers in die CDU geht dessen Reputation und Integritt in die

  • Bewertung der Partei mit ein und wirkt sich deutlich positiv aus. Folgerichtig liegt derMittelwert der Variante B ohne einschlgige, kontextgebundene Vorfrage zwischenden Werten fr Inklusion und Exklusion.

    4.7 Befragungshilfen, Filter, Layout

    Kommen wir zum Ende des Abschnittes ber Fragebogenerstellung, und schlieen wirmit einigen wenigen berlegungen zu Befragungshilfen, Filtern und Layout:

    Befragungshilfen untersttzen die Arbeit des Interviewers, indem sie der Befragungs-person Informationen optisch prsentieren, die ohne entsprechende Prsentation nichtoder nur schlecht zu verarbeiten wren: lange Itemlisten, Skalen, Bilder, Skizzen, etc.Gelufige Formen der Befragungshilfen sind Listen(hefte) und Krtchen.

    Befragungshilfen sind insbesondere im persnlich-mndlichen Interview von Bedeu-tung. Beim schriftlichen Fragebogen sind sie ohnehin Bestandteil des Fragebogens,beim telefonischen Interview sind sie praktisch nicht einsetzbar bzw. mssen grund-stzlich neu an die Methode angepat werden. Der Wegfall visueller Befragungshilfenwird bei der telefonischen Befragung viel eher durch andere Erhebungstechniken wett-zumachen gesucht, als durch Befragungshilfen im engeren Sinne: z. B. unfolding tactic(Groves 1979), bei der komplexere Fragen in Stufen abgefragt werden: Sind Sie eherfr oder eher gegen...?. Falls eher fr: Sind Sie voll und ganz fr..., einigermaenoder gerade noch fr...?. Falls eher dagegen: Sind Sie nur wenig dagegen, einiger-maen oder voll und ganz dagegen?.

    Bestimmte Fragen des Fragebogens sind nicht oder nicht sinnvoll von allen Befragtenzu beantworten (z. B. von Unverheirateten Fragen nach Merkmalen des Ehepartners).Um zu vermeiden, da Befragte mit sie nicht betreffenden Fragen konfrontiert werden,werden im Fragebogen an den entsprechenden Stellen sogenannte "Filter" eingebaut.Durch einen Filter erhlt der Interviewer (beim Selbstausfller: die Befragungsperson)die Anweisung, die folgenden Fragen zu berspringen und die Befragung an einerspteren, durch den Filter exakt definierten Stelle des Fragebogens weiterzufhren.

    Unter Layout eines Fragebogens schlielich versteht man alle Manahmen, die seineformale und uere Gestaltung betreffen. Generell ist dazu zu sagen, da die Gestal-tung eines Fragebogens so sein mu, da sie dem Interviewer die Arbeit mglichstleicht und ihm keine formalen Schwierigkeiten macht. Als hilfreich und wichtig geltenein einheitliches Prsentationsbild fr Frageformulierungen, fr Antwortkategorien, frInterviewerhinweise etc., wobei zumindest bei persnlich-mndlichen und telefoni-schen Interviews weniger die sthetische Qualitt als die leichte Handhabbarkeit desFragebogens durch den Interviewer (Institutsroutinen) im Vordergrund steht.

    Bei schriftlichen Befragungen kommt dem Layout ber die leichte Handhabbarkeit desInstruments durch die ausfllende Person hinausgehende Funktion zu: es soll helfen,Kooperationsbereitschaft herzustellen und den Eindruck von Wichtigkeit und Seriosittder Befragung ebenso vermitteln wie die leichte Lsbarkeit der Aufgabe; deshalb muein schriftlicher Fragebogen attraktiv gestaltet, bersichtlich gedruckt und gut lesbar

  • sein, eingngig und leicht zu bearbeiten. Attraktive Deckbltter, die einen Bezug zumThema haben, haben sich in der Praxis ebenso bewhrt wie ausformulierte Hinweisezum Ausfllen des Fragebogens, eine Dankesfloskel und freier Platz am Ende des Fra-gebogens, den die ausfllende Person nutzen kann, um eigene Anmerkungen zu demFragebogen zu machen.

    Einen allgemein anerkannten Ansatz zur Durchfhrung einer postalischen Befragung,der neben einer Anzahl zentraler Aspekte ihrer Abwicklung auch eine Vielzahl vonHinweisen zur Layout-Gestaltung eines schriftlichen Fragebogens liefert, stellt diegrundlegende Arbeit von Dillman (1978) zur Total Design Method dar, in der selbstAnregungen fr die Gre und Farbe des zu verwendenden Papiers nicht fehlen.

    5. Pretesting

    Die Durchfhrung eines oder auch mehrerer Pretests gilt gemeinhin als unabdingbareVoraussetzung fr die erfolgreiche Entwicklung eines Fragebogens. Wir wollen unszunchst mit Stellenwert und Ziel eines Pretests beschftigen und dann unterschiedli-che Pretestverfahren vorstellen (vgl. Mohler & Porst 1996).

    5.1 Stellenwert und Ziel eines Pretests

    Wo immer man auch hinschaut und nachliest: In der gesamten einschlgigen Literaturwerden Pretests in allen Projekten der empirischen Sozialforschung als unabdingbareVoraussetzung zur Vorbereitung einer Hauptstudie bezeichnet (Porst 1985:50; Prfer& Rexroth 1996), zumindest in all jenen Projekten, die zur Datengewinnung Fragebo-gen einsetzen wollen.

    An dieser Stelle immer wieder zitiert: Sudman und Bradburn (1983):

    If you dont have the resources to pilot test your questionnaire, dont do the study.

    Dieses Zitat, so eindringlich es wirkt, hat allerdings eine ganz zentrale Schwche,nmlich: es setzt Pretesting sehr einschrnkend gleich mit berprfung eines Fragebo-gens.

    Eigentlich sollte es aber anders sein, nmlich: Pretests sollten die Aufgabe haben,Hinweise zu liefern ber die Funktionsfhigkeit des gesamten Studiendesigns sowieeinzelner Bestandteile dieses Designs, und dazu gehrt, neben Stichprobenziehung undStichprobenrealisierung, neben Fragen des Feldes und sogar der Auswertung, ebenauch das Befragungsinstrument, der Fragebogen.

    Praktisch ist dies aber nicht der Fall: Meistens werden alle anderen Aspekte vernach-lssigt, und allein der Fragebogen steht im Mittelpunkt des Pretestinteresses.

    Das heit also: Praktisch handelt es sich beim Pretest um einen Testlauf einesFragebogen-Prototyps, d.h. eines mutmalich noch nicht vollstndig ausgereiften

  • Fragebogens. Damit wird auch deutlich, in welchen bergeordneten ZusammenhangPretests einzuordnen sind: Sie sind ein wesentliches Element im Proze der Fragebo-gen-Entwicklung. Warum wird gerade das Pretesten des Fragebogens immer wieder inden Vordergrund gestellt? Zum einen sicherlich deshalb, weil der Fragebogen bekann-termaen eine der zentralen potentiellen Fehlerquellen in Umfragen ist. Und zumzweiten: weil wir alle wissen, da ein perfekter Fragebogen - wenn es denn einen per-fekten Fragebogen berhaupt gibt - nicht am Schreibtisch konstruiert werden kann.Wir stimmen Sudman und Bradburn (1983) erneut zu: Even after years of experience,no expert can write a perfect questionnaire.

    Wir stimmen auch Klaus Allerbeck und Wendy Hoag (1985) zu, die im Zusammen-hang mit der Konstruktion der Fragebogen ihrer Jugendstudie sagen: Erfahrene Um-frageforscher kennen die hier gltige Variante des Murphyschen Gesetzes, da alles,was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird, schon lange.

    Nun, da wir alle wissen, wie wichtig ein Pretest ist, suchen wir nach einer Definitionund - oh Wunder - wir finden keine. Trotz des hohen Stellenwerts, der Pretests ge-meinhin zugeschrieben wird, gibt es zumindest in der uns bekannten Literatur wedereine allgemein anerkannte Definition noch konkrete und przise Regeln zur prakti-schen Durchfhrung eines Pretests (eine Feststellung, die sich im brigen mhelos aufandere zentrale Begriffe der empirischen Umfrageforschung bertragen liee). Trauenwir uns, eine eigene Definition vorzustellen, so sagen wir:

    Pretests sind nichts anderes als die Miniaturausgabe einer beliebigen Form sozialwis-senschaftlicher Datenerhebung, wobei sich in der Regel die Konzentration auf dieQualitt des Erhebungsinstrumentes richtet. Das heit:

    Folie Pret_1: Aufgaben eines Pretests

    Im allgemeinen sollte ein Pretest Auskunft geben ber...(in Anlehnung an Converse und Presser 1986):

    Verstndlichkeit der Fragen Probleme des Befragten mit seiner Aufgabe Interesse und Aufmerksamkeit des Befragten bei einzelnen Fragen Interesse und Aufmerksamkeit des Befragten whrend des gesamten In-

    terviews Wohlbefinden des Befragten (respondent well-being) Hufigkeitsverteilung der Antworten Reihenfolge der Fragen Kontexteffekte Probleme des Interviewers Technische Probleme mit Fragebogen/Befragungshilfen Zeitdauer der Befragung

  • Sptestens nach dieser Aufzhlung merkt man, da es ab jetzt vorrangig um Pretestsfr mehr oder weniger standardisierte Fragebogen geht.

    5.2 Pretestverfahren

    Wenden wir uns der Frage zu, welche unterschiedlichen Pretestverfahren zur Verf-gung stehen. Auf der einen Seite haben wir den sog. klassischen Pretest, der sich vorallem dadurch kennzeichnet - ich verkrze das - da er im Feld durchgefhrt wird undder Interviewer die eher passive Funktion eines Beobachters innehat. Auf der ande-ren Seite haben wir Pretestverfahren, die eher und vorrangig in Labors oder inhousedurchgefhrt werden, bei denen sowohl Befragte wie auch Interviewer aktive Rollenbeim Pretesten bernehmen (wir fassen sie hier unter kognitive und Labor-Methodenzusammen). Daneben gibt es Verfahren, die theoretisch oder praktisch ganz ohneMitwirkung einer Zielperson ablaufen (z. B. Expertenratings, Fragebogenkonferen-zen).

    Irgendwo zwischen dem klassischen Pretest und dem kognitiven Laborpretest istschlielich das Behavior Coding angesiedelt, das bei ZUMA zum Einsatz kommt.

    Wenden wir uns zunchst dem klassischen Pretest zu, der auch bezeichnet wird als

    konventioneller Pretest (conventional pretest: Presser & Blair 1994) Standard-Pretest (standard pretest: Oksenberg, Cannell & Kalton 1991) Beobachtungspretest (ZUMA), oder, schon eher etwas respektlos als old-style-pretest (Fowler 1992)

    Die Bezeichnungen klassisch, konventionell und old-style lassen vermuten, dadiese Attribute dem traditionellen Beobachtungspretest erst in jngster Zeit - genauerseit der Entwicklung alternativer Verfahren - verliehen worden sind.

    Auch fr die Durchfhrung eines klassischen Pretests existieren keine verbindlichenbzw. allgemein akzeptierten Regeln. Zwar findet sich in jedem sozialwissenschaftli-chen Methodenlehrbuch ein Kapitel zum Thema Pretest, im Vergleich miteinanderwerden jedoch hchst unterschiedliche und zum Teil auch widersprchliche Empfeh-lungen bezglich der Durchfhrung eines Pretests gegeben. Blttert man die Metho-denliteratur durch, so stt man auf Uneinigkeit zum Beispiel bei

    der notwendigen Fallzahl (variiert von N = 10 bis 200), dem Einsatz der Interviewer (erfahrene, speziell ausgebildete Pretestinterviewer oder Querschnitt aller Interviewer), der Informiertheit der Befragten (participating pretest = Befragter ist ber Test-

    charakter informiert im Gegensatz dazu undeclared pretest = Befragter nicht in-formiert, reagiert unter realistischen Bedingungen), ja sogar bei der

    der Terminologie an sich (Pretest, Vortest, Testbefragung, pilot study, questiontesting, trial run etc.)

  • Obwohl es nirgendwo explizit hingeschrieben steht, gibt es doch zumindest aber eineArt bereinstimmung darber, wie das Grundgerst eines klassischen Pretests be-schaffen ist bzw. sein sollte:

    Folie Pret_2: Der klassische Pretest

    Der klassische Pretest

    Einmaliges Testen des Fragebogens unter mglichst realistischen Haupt-studie-Bedingungen

    Durchfhrung von 20 bis 70 Interviews (Quota oder Random)

    Interviewer haben die Aufgabe, Probleme und Aufflligkeiten bei derDurchfhrung der Interviews zu beobachten und zu berichten.

    In der Regel passives Verfahren, d. h. der Interviewer beobachtet nur(Beobachtungspretest), ohne aktiv zu hinterfragen.

    Zugrundeliegendes Prinzip: Man versucht, aus der Reaktion/Antwort desBefragten Rckschlsse auf sein Fragenverstndnis zu ziehen.

    Im Laufe der 80er Jahre wurde von Kognitionspsychologen in den USA eine Reihevon Techniken zur Untersuchung des Frage-Antwort-Prozesses entweder neu entwik-kelt, oder bereits vorhandene Techniken wurden zu neuem Leben erweckt (vgl. Akker-boom 1996; Wnke 1996). Dabei ging es zunchst einmal nicht um Pretests. Die Eig-nung dieser Techniken zu Pretest-Zwecken wurde im Grunde genommen erst sptererkannt.

    Zu den kognitiven Techniken im einzelnen zhlen wir (s. Seite 38):

  • Folie Pret_3: Kognitive und Labor-Methoden

    Kognitive und Labor-Methoden

    Think-aloud-Technik mit zwei Varianten: Concurrent Think Aloud Retrospective Think Aloud

    Probing-Technik mit den wichtigsten Varianten: Follow-Up-Probing Post-Interview-Probing Comprehension Probing Information Retrieval Probing

    Memory Cues

    Confidence Ratings

    Paraphrasing

    Sorting Free Sort Dimensional Sort

    Think-aloud ist eine Neuentwicklung, bei der die Befragungsperson aufgefordert wird,laut zu denken. Die Think-aloud-Technik entstammt der stark kognitionspsycholo-gisch orientierten Gedchtnisforschung und ist vor allem bei retrospektiven Fakt-Fragen sinnvoll einsetzbar.

    Es gibt zwei wichtige Varianten:

    Bei der Concurrent Think Aloud denkt die Befragungsperson laut, whrend sie ihreAntwort formuliert.

    Bei der Retrospective Think Aloud denkt die Befragungsperson nach der Beantwor-tung der Frage laut darber nach, wie ihre Antwort zustande gekommen ist.

    Eine eher alte Technik ist das Probing: Darunter verstehen wir das explizite Nachfra-gen, um mehr ber die Antwortstrategien der Befragungsperson zu erfahren.

  • Die wichtigsten Varianten des Probing sind:

    Follow-Up-Probing: Nachfrage sofort nach der Antwort Post-Interview-Probing: Nachfragen im Anschlu an das Interview Comprehension Probing: Nachfrage zum Fragenverstndnis Information Retrieval Probing: Nachfrage zur Informationsbeschaffung

    Vier weitere Neuentwicklungen im Bereich kognitiver Labormethoden zur Durchfh-rung von Pretests sind

    Memory Cues: Erinnerungshilfen fr die Befragungsperson Confidence Ratings: Befragungsperson bewertet den Grad der Verllichkeit ihrer

    Antwort. Paraphrasing: Befragungsperson soll die Frage mit eigenen Worten formulieren. Free/Dimensional Sort: Befragungsperson gruppiert vorgegebene Items entweder

    nach eigenen (Free Sort) oder vorgebenden Kriterien (Dimensional Sort) anhandvorgegebener Skalen.

    Schlielich haben wir hier noch das Focus Interview, das im Grunde eine alte Technikist, nmlich die relativ unstrukturierte Diskussion ber das Befragungsinstrument mitGruppen von Befragungspersonen oder mit einzelnen Befragten. Die focus group istsozusagen das quivalent zur Gruppendiskussion mit dem Ziel, in der Diskussionnicht Informationen ber Inhalte, sondern ber das Befragungsinstrument selbst zuermitteln.

    Kennzeichnend fr alle diese Techniken ist, da sie einerseits Test-Charakter besitzen,andererseits aber auch gleichzeitig Instrumente zur Fragebogenentwicklung darstellen.Weiterhin ist festzuhalten, da sich diese Techniken vorwiegend auf den Test einzelnerFragen beschrnken und nicht auf den Fragebogen als Ganzes.

    Dies bedeutet, da wir Labor-Techniken zwar zur Vorbereitung einer Befragung emp-fehlen und einsetzen, da sie aber unserer Ansicht nach nicht den Test des gesamtenInstruments - in welcher Form auch immer - ersetzen knnen.

    Zumindest einige dieser Labor-Methoden sind auch im normalen Interview einsetz-bar, z.B. wurde die Think-Aloud-Methode von ZUMA bereits in Pretest-Interviews imFeld erfolgreich angewandt.

    Bei den Verfahren, die im Prinzip ohne Befragungsperson auskommen, ist vor allemdas Expertenrating zu nennen: Mehrere Experten stellen zunchst unabhngig vonein-ander die ihrer Ansicht nach vorhandenen Probleme eines Fragebogens fest und disku-tieren anschlieend gemeinsam darber. Eine prominente Form des Expertenratingsfinden wir in der Fragebogenkonferenz des Instituts fr Demoskopie (vgl. Noelle-Neumann 1996).

    Bliebt schlielich das Behavior Coding. Grundlegendes Prinzip dieses Verfahrens istdie Klassifizierung von Verhalten.

  • Behavior Coding wurde ursprnglich eingesetzt, um Interviewerverhalten zu bewerten,z.B. bei Cannell, Lawson & Hausser (1975). In spteren Arbeiten wurde es dann auchauf Befragtenverhalten angewandt (z. B. bei Morton-Williams & Sykes 1984; Cannell,Kalton & Fowler 1985; Prfer & Rexroth 1985).

    Beim traditionellen Behavior Coding bewerten Coder nach dem Interview das Befrag-tenverhalten mittels eines Codesystems, das mehr oder weniger umfangreich sein kann,d.h. mehr oder weniger differenziert Verhalten erfassen kann. Der quantitative Hufig-keitswert adquater und inadquater Befragtenverhaltensweisen bei einer Frage wirdals Qualittsindikator dieser Frage gewertet, weil man davon ausgeht, da beiinadquatem Befragtenverhalten die Frage irgendeine Schwierigkeit, irgendein Pro-blem aufweist.

    In der ZUMA-Feldabteilung wird das Verfahren seit Jahren modifiziert eingesetzt (vgl.Prfer & Rexroth 1985). Die Modifikation besteht in einer Verbindung zwischen tra-ditionellem Behaviour Coding und Beobachtungspretest. Wie sieht das aus?

    Die Bewertung wird nicht vom Coder nach dem Interview, sondern vom Interviewerwhrend des Interviews vorgenommen. Bedingung ist, da das Codesystem auf dasNotwendigste reduziert ist. Das heit, das Befragtenverhalten wird mittels einerCodeziffer nur im Hinblick darauf bewertet, ob es im Sinne der Fragestellung adquatoder nicht adquat ist. Zustzlich beschreibt der Interviewer fr jede inadquate Ver-haltensweise in einem Interviewererfahrungsbericht nach dem Interview mglichst de-tailliert das Befragtenverhalten.

    Der Vorteil dieses Vorgehens besteht darin, da man neben dem quantitativen Hufig-keitswert als Qualittsindikator auch die konkrete Ursache fr den Qualittsmangeleiner Frage kennt. Also: Quantifizierung von Verhaltensweisen plus qualitative Be-schreibung des Problems (Prfer & Rexroth 1985).

    In der Literatur wird auf diese Art der Anwendung des Behaviour Codings nicht ver-wiesen, und unseres Wissens wird es auch auer bei ZUMA in der Praxis so nicht an-gewendet. Fr den Interviewer bedeutet es eine hohe Anforderung, die nur durch ent-sprechende Schulungsmanahmen erfllt werden kann. Das Verfahren hat sich beiZUMA als sinnvolle Variante des Pretesting bewhrt.5

    5 Informationen zum aktuellen Stand des pretesting bei ZUMA finden sich bei Prfer & Rexroth (1998)

  • 6. Literatur

    Akkerboom, H. (1996): Labor fr die Entwicklung und den Test von Erhebungsinstrumenten.S. 66 - 71 in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Pretest und Weiterentwicklung von Fra-gebogen. Band 9 der Schriftenreihe Spektrum Bundesstatistik, Stuttgart: Metzler-Poeschel

    Alemann, H. v. (1984): Der Forschungsproze. Eine Einfhrung in die Praxis der empirischenSozialforschung. 2. Auflage, Stuttgart: Teubner

    Allerbeck, K. und W. Hoag (1985): Zur Methodik der Umfragen. Frankfurt am Main: JohannWolfgang von Goethe-Universitt

    Atteslander, P. (1993): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin, New York: DeGruyter

    Bungard, W. und H.E. Lck (1982): Nicht-reaktive Meverfahren. S. 317-340 in: Patry, J.L.(Hrsg.): Feldforschung. Bern: Huber

    Berdie, D.R., Anderson, J.F. und M.A. Niebuhr (1986): Questionnaire: Design and Use. Metu-chen, N.J.: The Scarecrow Press

    Bishop, G.F., Hippler, H.-J., Schwarz, N. und F. Strack (1988): A Comparison of ResponseEffects in Self-administered and Telephone Surveys. S. 321 - 340 in: Groves, R.M.,Biemer, P.P., Lyberg, L.E., Massey, J.T., Nicholls W.L. und J. Waksberg (Hrsg.): Te-lephone Survey Methodology. New York: Wiley

    Bradburn, N.M. (1983): Response Effects. S. 289 - 328 in: Rossi, P.H. und J.D. Wright(Hrsg.): The Handbook of Survey Research. New York: Academic Press

    Cannell, C., Kalton, G. und F. Fowler (1985): Techniques for Diagnosing Cognitive and Af-fective Problems in Survey Questions. Ann Arbor: The University of Michigan; SurveyResearch Center; Institute for Social Research

    Cannell, C., Lawson, S.und D. Hausser (1975): A Technique for Evaluating Interviewer Per-formance. Ann Arbor: The University of Michigan; Survey Research Center; Institutefor Social Research

    Clark, H.H. und M. Schober (1992): Asking Questions and Influencing Answers. S. 15 - 48 in:Tanur, J.M. (Hrsg.): Questions about Questions. New York: Russell Sage

    Converse, J.M. (1984): St