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ABGEHOBEN JUNI 2010 UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM CAREERCENTER AUF DER ILA BERLIN AIR SHOW. HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND

ILA 2010 - politikorange

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Ich entwickelte zusammen mit Martin Knorr die Fotoideen dieser Ausgabe von politikorange. Zusätzlich layoutete ich das Magazin innerhalb von drei Tagen. Hintergrund: politikorange ist ein offenes Jugendmedienprojekt der Jugendpresse Deutschland und der Servicestelle Jugendbeteiligung. Jugendliche erstellen unter dem Dach des Projektes Veranstaltungszeitungen und Magazine zu verschiedenen Themen. Mehr unter http://www.politikorange.de

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ABGEHOBEN

JUNI 2010 UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM CAREERCENTER AUF DER ILA BERLIN AIR SHOW. HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND

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INHALT

DER NACH DENSTERNEN GREIFT…S.06THOMAS REITER SCHWEBTE IM WELTALL, FLOG KAMPFJETS UND IST HEUTE IM VORSTAND DES DEUTSCHEN ZENTRUMS FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR). MIT UNS SPRACH ER ÜBERTRAUMBERUFE, MÖGLICHE MARSMISSIONEN UND WELTALLTOURISMUS.

KONJUNKTUR AUFBRANDENBURGISCH…S.09DER WIRTSCHAFTSMINISTER BRANDENBURGS IST BEGEISTERT: FÜR RALFCHRISTOFFERS (DIE LINKE) IST DER BBI DIE JOBMASCHINE DER REGION. DA SEI ES FAST EGAL, WIE WAVIELE PASSAGIERE LETZTENDLICH DEN FLUGHAFEN NUTZEN.

ZUSAMMENSETZENUND DURCHSTARTEN…S.10 ERST DIE LÄNDER, DANN DIE LUFT: 20 JAHRE NACH DEM MAUERFALL VEREINT DER NEUE HAUPTSTADTFLUGHAFEN BBI BERLINS LUFTRAUM. ER IST EIN LOGISTISCHES MAMMUTPROJEKT.

ALLESIM BLICK...S.18BEI MEHREREN HUNDERT STARTS UND LANDUNGEN PRO TAG KANN ESSCHON MAL ENG WERDEN AUF DEN ROLLBAHNEN. FLUGLOTSEN SORGEN DAFÜR, DASS SICH DIE FLIEGER NICHT INS GEHEGE KOMMEN.

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SCHALLMAUERSEGLER,NOCH NICHT GANZ FLÜGGE...S.20IN DEN KAMPFJET KOMMEN EIGENTLICH NUR GUT AUSGEBILDETE SOLDATEN DER LUFTWAFFE. AUF DER ILA DURFTEN AUCH LAIEN EINEN FLUG WAGEN – NATÜRLICH NUR IN EINER SIMULATION

AUTOMATISCHSYMPATHISCH...S.21DER MENSCHENÄHNLICHE ROBOTER EROBERT VIELLEICHT SCHON BALD DEN ORBIT – BIS DAHIN ABER ERST EINMAL DIE HERZEN DER ILA-BESUCHER.

DER NEUEÜBERFLIEGER…S.22WO AUCH IMMER ER AUFTAUCHT, BLEIBEN DIE MENSCHEN STEHEN, RECKEN DIE HÄLSE UND ZEIGEN STAUNEND ZUM HIMMEL. KEIN ANDERES FLUGZEUG BEGEISTERT DIE MASSEN SO WIE DER A380.

„WIR SIND NICHT DIE EINZIGEN MIT EINEM GEFÄHRLICHEM JOB”...S.27KOSOVO, AFGHANISTAN, PAKISTAN: JÖRN OBERNDÖRFER HAT SCHON VIEL GESEHEN. MEISTENS VON OBEN. ER FLIEGT SEIT ZWANZIG JAHREN FÜR DIE BUNDESWEHR.

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FLUGREISE DURCH DIE ZEIT 101 JAHRE UND DOCH KEIN BISSCHEN ÜBERHOLT: DIE INTERNATIONALE LUFT- UND RAUMFAHRTAUSSTELLUNG IST SEIT ÜBER EINEM JAHRHUNDERT DIE BESTE ADRESSE FÜR FLUGZEUGINNOVATIONEN. IN DIESEM JAHR MIT EINEM REKORDERGEBNIS. EINE CHRONOLOGIE VON NICOLE WEHR UND JAN GIÖRTZ

Es waren nur 25 Meter. Weiter kam Otto Lilienthal nicht, als er im Sommer 1891 mit seinem Gleitflieger den Wind-mühlenberg im brandenburgischen Der-witz heruntersegelte. Doch sein selbst-gebasteltes Flugzeug sollte zum Urtyp für die Entwicklung der Luftfahrt werden – ein mit gewachstem Baumwollstoff be-spannter Weidenholzrahmen mit einer Spannweite von 6,60 Metern.

Seitdem haben sich die Dimensio-

nen verändert: Auf der Berliner Luft- und Raumfahrtausstellung 2010 ist mit dem Verkauf von 32 Exemplaren des fliegen-den Kolosses Airbus A380 an die Flug-gesellschaft Emirates der größte Deal der Branche besiegelt worden. Insgesamt wurden Geschäftsabschlüsse in Höhe von rund 14 Milliarden Euro verkündet.

Nicht ganz zwanzig Jahre nach Li-

lienthals Bruchlandung feierte 1909 die erste „Internationale Luftschifffahrt Aus-stellung“ auf deutschem Boden Premiere. Rund 100 Tage lang bestaunten Besucher in Frankfurt am Main Zeppeline und Ballone, diskutierten Experten über alle möglichen Arten von Flugzeugen. Damals lockten 500 Aussteller ganze 1,5 Millio-nen Menschen auf das Messegelände. Die Faszination vom Fliegen hatte die Massen erreicht.

Das Flugzeug, so wie wir es kennen,

stand dann drei Jahre später bei der All-gemeinen Luftfahrtausstellung in Berlin zum ersten Mal im Mittelpunkt des Inte-

resses. Nach der ersten geglückten Atlan-tiküberquerung 1919 konnten bald auch viele Amerikaner zu der Messe in der Bundesrepublik Deutschland kommen.

Nachdem Deutschland die Luftho-

heit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück-bekommen hatte, begann 1957 mit der „Internationalen Reiseflugzeugschau“ eine insgesamt 35-jährige Ausstellungsä-ra am Flughafen Hannover-Langenhagen, der die Ausstellung ab 1960 im Zweijah-restakt veranstaltete. Seit 1978 heißt sie Internationale Luft- und Raumfahrtaus-stellung, oder kurz: ILA. 1992 zog die ILA zurück nach Berlin, auf das Südgelände des Flughafens Schönefeld.

SCHLAGZEILEN SORGEN FÜR POPULARITÄT

Viele Innovationen und Sensationen

später startet die ILA, die älteste Luft-fahrtmesse der Welt, im Jahr 2010 mit ihrer bisher stärksten Beteiligung: 1153 Aussteller aus 47 Ländern präsentieren auf dem 250.000 Quadratmeter großen Gelände aktuelle und geplante Produkte und Dienstleistungen rund um die Luft- und Raumfahrttechnologie. Mehr als 300 Fluggeräte sind ausgestellt. Besonders der Militärtransporter A400M und das welt-weit größte Passagierflugzeug, der A380, der Firma Airbus sorgen für Aufregung. Mit dem Großeinkauf der Fluggesellschaft Emirates ist der besondere Coup gelungen. Gleich zu Beginn der Ausstellung im 101. Jahr ist der Großauftrag über 32 Maschi-

nen des Typs A380 im Wert von rund elf Milliarden Dollar unterschrieben worden. Erfolgversprechend ist auch das Career-Center zur Nachwuchsförderung: In einer eigenen Halle stellen sich mehr als 60 Unternehmen und Institutionen vor und suchen den Dialog mit Schülern, Studen-ten, Berufseinsteigern oder Fachkräften. Zudem gibt es Vorträge von Repräsentan-ten aus Wirtschaft, Politik, Verteidigung und Forschung. Bewerbungsschulungen, Konferenzen und Workshops ergänzen das Programm. Damit reagieren die Veran-stalter, der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie und die Messe Berlin, auf den Fachkräftemangel: In Deutschland fehlen nach Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) 1.200 Ingenieure der Luft- und Raumfahrttech-nik. In Lilienthals Pionierstiefeln ist also trotz Wirtschaftskrise noch viel Platz.

EDITORIAL

Fußball, Wetter, Lena Meyer-Landrut – es gibt Themen, zu denen wirklich jeder seinen Senf zugeben kann. So ist das auch mit dem Fliegen. Der Durchstarter beim Landeanflug auf Mallorca, die Nacht im Luxushotel, als der Flug überbucht war, und natürlich das Chaos nach dem Ausbruch des unaussprechlichen Vulkans – alles Geschichten, die immer gerne erzählt und gehört werden. Fast jeder ist schon geflogen. Und Fliegen, das hat oft noch den Geschmack von Aben-teuerlust, von Freiheit und Fremde. Es sei denn, man hat sich in den 7-Uhr-Flieger von Frankfurt nach Berlin verirrt.

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin wird der Fluglust jedenfalls ordentlich Tri-but gezollt. Zur Messe ist die Promi-nenz der Lüfte angeflogen. Majestä-tisch steht der A380 auf dem Rollfeld. Wenn er sich behäbig wie eine dicke Hummel in die Luft hebt, sind sich die Besucher einig: ein Wunderding. Und um das zu sehen, nehmen sie gerne die widrigen Bedingungen der ILA in Kauf. Es ist laut, die Sonne knallt, der Staub brennt in den Augen. Selbst vor den Männerklos bilden sich lan-ge Schlangen. Die ILA, sie ist nichts für Weicheier. Und manchmal auch schwierig für solche, die geistige Schwerstarbeit leisten müssen. Die politikorange-Redaktion wünscht sich schnell einen schalldichten Redak- tionsraum – oder zumindest Ohropax. Unsere Redaktionssitzungen finden vor einer Geräuschkulisse von durch-schnittlich 120 Dezibel statt. Beinahe im Sekundentakt brausen Jagdflug-zeuge, Helikopter und Doppeldecker viel zu knapp über unseren Köpfen vorbei.

Aber daran können wir uns gewöh-nen. Trotzdem rennen immer wieder Redakteure aus der Redaktion in Richtung Rollfeld, weil sie sehen wol-len, welches der vielen Flugzeuge ih-nen gerade in den Ohren dröhnt. Der A380 und der Eurofighter haben es letztendlich sogar bis in unser Heft geschafft. Außerdem sprachen wir mit dem Astronauten Thomas Reiter über die Rolle der deutschen Forschung in der europäischen Raumfahrt und fragten, warum er immer noch faszi-niert vom Weltall ist. Um das Myste-rium Luftfahrt noch besser zu verste-hen, besuchten wir einen Lotsen im Schönefelder Tower, erkundeten die BBI-Baustelle und interviewten einen Piloten der Bundeswehr, der Einsät-ze in Krisengebieten fliegt. Zu guter Letzt lösten wir das Rätsel, warum Tomatensaft so beliebt bei Fluggäs-ten ist. Und wenn ihr in der nächs-ten Halbzeitpause wieder Sehnsucht nach Flugzeugen bekommt, aber ge-rade keines zur Hand habt, könnt ihr euch aus der politikorange selbst eins basteln. Wie das geht, könnt ihr auf der Mittelseite nachlesen. Na dann: Ready for takeoff!

Die politikorange-Redaktion

DIE ILA IM JAHR 2010: HIER IST VIEL LOS.

Foto: Martin Knorr

Jan GiörtzDarmstadt, 16 Jahre

Ist Realschüler und wartet auf den Anschlussflug aufs Gymnasium.

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Dröhnender Lärm. Der Eurofighter fliegt seine Runden über das Messegelän-de – wieder und wieder. In Halle 6 auf dem Gelände der ILA Berlin Air Show kann man das eigene Wort kaum verste-hen. In einem Stuhlkreis haben sich 15 interessierte Zuhörer zum Thema „Sti-pendien für Ingenieure“ mit Luft- und Raumfahrtexperten zusammengefunden. Sie sind in der Mitte vor dem Podium zu-sammengerückt, um besser diskutieren zu können. Gerade werden die Bedin-gungen für eine finanzielle Unterstützung während des Studiums diskutiert. Das interessiert auch den ehemaligen Bundes-wehrsoldaten Thorsten Schick. Drei Stun-den Autofahrt hat er heute schon hinter sich, aus Celle bei Hannover ist er ange-reist. Im ILA CareerCenter möchte er sich nun über Ausbildungsmöglichkeiten und Studiengänge in der Luft- und Raumfahrt-technik informieren.

STANDGERECHT DEN HOF MACHEN

„Die Idee des ILA CareerCenters ist, der jungen Generation die Luft- und Raumfahrt näher zu bringen“, sagt Tim E. Brand vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) und Projektleiter des ILA CareerCenters. Und das gilt eigentlich nicht nur für Hoch-schulabsolventen. Brand zeigt sich zufrie-den: Von den Ausstellern habe er durch-weg positives Feedback bekommen, sagt Brand. Seine Hauptaufgabe auf der Messe ist es, Gäste aus Wirtschaft, Politik, Mili-tär und von der Presse zu betreuen. Die Resonanz in den Medien sei dieses Jahr richtig gut. Brand zählt auf: „Zwei Fern-sehteams, Printmedien und Hörfunk be-richten über das CareerCenter.“ Auch bei den Ausstellern aus der Wirtschaft komme das Angebot gut an. Die Luft- und Raum-fahrtindustrie sucht händeringend nach qualifizierten jungen Nachwuchskräften, auf der Messe kann sie diese finden. Nicht alle Unternehmen waren schnell genug. Einigen musste Brand absagen, die Nach-frage nach den Ausstellerständen war größer als das Angebot. Da hilft auch ein großer Name nicht: Zehn Tage vor Beginn der Messe hatte eine große deutsche Luft-fahrtgesellschaft noch um einen Stand ge-beten. Doch Brand konnte nichts machen. Er sagt: „First comes, first sells“.

Ein ähnliches Motto haben auch Nico Ludovikova und ihre Mutter Lotte: Sie sind gleich am ersten Tag des Care-erCenters gekommen und haben sich schon kräftig mit Infomaterial eingedeckt. Die Tüten können sie kaum noch tragen, aus ihnen ragen Mappen, Broschüren, Poster. „Ich möchte gern nach dem Abi-tur eine Ausbildung zur Pilotin machen“, sagt Nico, die in die zwölfte Klasse eines Berliner Gymnasiums geht. Wo, weiß sie noch nicht. Deswegen ist sie auf die Mes-se gekommen. Und die gefällt ihr: Überall

habe sie tolle Hinweise bekommen. Und Gummibärchen. Nico und ihre Mutter schätzen vor allem die Vielzahl an Aus-stellern im CareerCenter. Damit sie vor Ort nicht den Überblick verlieren, haben sie sich schon im Vorfeld im Internet über das Angebot, die Vorträge und Aussteller informiert.

Nicht nur die offizielle Internetsei-te des CareerCenters, auch die sozialen Netzwerke bieten Infos zur Messe: Twit-ter, Facebook und Blogs seien heutzutage ebenfalls sehr gute Kommunikationswe-ge, um die junge Zielgruppe zu erreichen, sagt Gregor Scheppan, Vorstandsmitglied der politikfabrik. Die studentische Agen-tur für politische Kommunikation wurde im Vorfeld vom BDLI und der Messe Ber-lin mit der Organisation betraut. Bereits beim letzten Mal vor zwei Jahren waren die politikfabrik an der Planung des Ca-reerCenters beteiligt. Über den neuen Auftrag für 2010 haben sie sich gefreut. „Bei diesem Projekt können wir sehr viele Erfahrungen sammeln und einen Einblick in die Branche gewinnen“, erklärt Mirko Sticht, Student der Luft- und Raumfahrt-technik an der TU Berlin. Bereits seit ein-einhalb Jahren arbeitet er bei dem Projekt „CareerCenter 2010“ mit – ehrenamtlich. In den letzten Tagen hat er kaum geschla-fen. „Pro Nacht vielleicht vier Stunden“, sagt Sticht. Trotz der enormen Organisati-onsflut und auch der einen oder anderen kleinen Unstimmigkeit zwischen den be-teiligten Organisationen mache die Arbeit Spaß. Daneben sieht Sticht auch einen Vorteil für die eigene Karriere: Auf der ILA habe er tolle Möglichkeiten, selbst neue Kontakte zu knüpfen und interessante Menschen aus der Branche kennenzuler-nen. Plötzlich klingelt sein Handy, er has-tet los. Irgendwo in Halle 6 wird wieder einmal seine Hilfe gebraucht.

„ICH HÄTTE MIR EIN BISSCHEN MEHR VOM CAREERCENTER ERWARTET“

Von der ganzen Arbeit hinter den Kulissen bekommt Thorsten Schick in der Podiumsdiskussion wenig mit. Der hoch-gewachsene Mann wird in einer Woche seine Fachhochschulreife in der Tasche haben. Anschließend möchte er sich an der FH Hannover bewerben. „Ich hätte mir ein bisschen mehr vom CareerCenter erwartet“, sagt der 32-Jährige, der erst eine Ausbildung bei der Bundeswehr ge-macht hat und deswegen später als an-dere an die Hochschule gehen wird. Die meisten Aussteller würden sich mit ihrem Angebot und Informationen nur an Uni-Absolventen richten, sagt Schick. Soweit ist er derzeit aber noch nicht ganz. Ledig-lich drei Fachhochschulen würden sich hier in Berlin-Schönefeld vorstellen, be-dauert er. Dennoch findet er die Idee des CareerCenters gut. Vielleicht kommt er in zwei Jahren wieder - dann ja auch schon fast als Hochschulabsolvent.

STARTKLAR FÜR DEN KARRIEREFLUG IRGENDETWAS MIT FLIEGEN SOLL ES SEIN? IM CAREERCENTER AUF DER ILA BUHLEN ARBEITGEBER UND HOCHSCHULEN AUS DER LUFT- UND RAUMFAHRT UM DIE KOSTBAREN NACHWUCHSKRÄFTE – UND LOCKEN DABEI NICHT NUR MIT GUMMIBÄRCHEN. VON ANTJE CLEMENS

Foto: Martin Knorr

GANZ SCHÖN BEPACKT. IM CAREERCENTER FINDET MAN JEDE MENGE INFORMATIONEN UND WERBEGESCHENKE.

EINIGE DAVON SIND NÜTZLICH, ANDERE NICHT.

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Herr Reiter, Astronaut ist der Traumberuf-Klassi-ker schlechthin. Haben auch Sie davon schon als klei-ner Junge geträumt?Ja, in der Tat. Von klein auf habe ich alle wichtigen Ereig-nisse in der Raumfahrt mit großem Interesse verfolgt: die Apollo- und die Gemini-Flüge – und natürlich mit elf Jah-ren die Mondlandung. In der Zeit ist auch der Wunsch entstanden, selbst Astronaut zu werden.

Mittlerweile ist der Mond schon lange besucht, als nächstes steht der Mars an. Ist das realistisch oder vielleicht doch ein bisschen zu weit nach den Sternen gegriffen?Keineswegs. Ich bin mir sicher, dass Menschen irgend-wann zum Mars fliegen werden. Bis dahin wird aber sicherlich noch etwas Zeit vergehen, mindestens zwei Jahrzehnte. Dazu müssen auch erst einmal die Weichen entsprechend gestellt werden. So gibt es zum Beispiel noch einige technische Probleme zu lösen. Aber insbe-sondere durch die internationale Zusammenarbeit er-warte ich mir eine Beschleunigung der Missionsvorbe-reitungen.

In Moskau simulieren gerade sechs Probanden einen Flug zum Mars. 520 Tage sind sie dafür von der Außenwelt abgeschottet. Was wird das Ergebnis die-ses Testlaufes sein?Ich erwarte, dass es hier spannende Antworten nicht nur auf medizinische, sondern vor allem auch auf psycholo-gische Fragen der Raumfahrt geben wird. Diese Unter-suchungen können da wesentliche Erkenntnisse liefern, was passiert, wenn Menschen für so lange Zeit isoliert sind. Eine Marsmission wird so in der Größenordnung von zwei, zweieinhalb Jahren liegen. Und neben all den technischen Aspekten, die mit so einer Mission zusam-menhängen, sind insbesondere die Auswirkungen auf die Psyche und die Art und Weise, wie die Menschen miteinander agieren, zu bedenken.

Zwei Jahre auf so engem Raum. Wie können Menschen das denn aushalten?Man muss sich darüber im Klaren sein, dass so eine Mis-

sion nur als Team gemeistert werden kann. Im Raum-schiff ist kein Platz für Einzelkämpfer. Man muss sich selbst zurücknehmen und für das Team arbeiten können, das ist eine sehr wichtige Voraussetzung. Bei meinen Missionen, die mit einem halben Jahr bei weitem nicht so lang waren, habe ich festgestellt, dass es immer Pha-sen gibt, in denen einer mal einen Durchhänger hat. Da ist es wichtig, dass man sich gegenseitig unterstützt.

Zurück auf der Erde sind Sie seit 2007 im Vor-stand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raum-fahrttechnik und kümmern sich dort um den Bereich Forschung und Entwicklung. Wie steht es denn um die deutsche Raumfahrt?Wir sind in Deutschland sehr gut aufgestellt. Weltweit gibt es ein großes Interesse an Technologie „Made in Ger-many“, beispielsweise im Bereich der Erdbeobachtung. Es ist allerdings auch klar, dass wir in der Raumfahrt alleine nur begrenzte Möglichkeiten haben. Da sind wir auf die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Part-nern, bei größeren Missionen auch im internationalen Rahmen, angewiesen. Zwar hat die NASA mit 20 Milliar-den Dollar ein wesentlich höheres Jahresbudget als die europäische Raumfahrtagentur ESA mit drei Milliarden Euro. Aber trotzdem kann Europa auch damit unheim-lich viel leisten. Das basiert auf den Kompetenzen der verschiedenen Mitgliedsländer. Deutschland ist einer der stärksten Partner, sei es im Bereich der Erdbeobachtung, der Telekommunikation, der Satellitennavigation bis hin zu bemannten Weltallexpeditionen.

Daran könnten vielleicht bald auch normale Menschen teilnehmen. Etwa solche, die ihren frühe-ren Traumberuf Astronaut nicht ergriffen haben. In New Mexico entsteht gerade der erste kommerzielle Raumfahrtbahnhof. Was halten Sie davon?Das finde ich toll! Ich wünsche mir, dass es vielen Men-schen möglich ist, in den Weltraum zu fliegen. Am bes-ten schon morgen und nicht erst übermorgen. Meine Hoffnung ist, dass sich daraus eine Industrie entwickelt und es damit für mehr Menschen erschwingliche wird. Vielleicht können die Leute dann ja irgendwann sogar

überlegen, statt zum Mittelmeer zu fliegen einfach ein paar Tage im Erdorbit zu verbringen. Diese Erfahrung ist faszinierend und ich bin sicher, es würde uns allen sehr gut tun.

Aber warum sollten wir das überhaupt tun? Ist im Weltall nicht sowieso alles schwarz?Im Gegenteil: Es gibt unglaublich viel zu sehen. Zualler-erst den Blick auf unseren eigenen Planeten. Aber auch der Blick in die Atmosphäre, in den Sternenhimmel, der dort oben nämlich glasklar ist. Die Sterne funkeln da oben nicht so wie von hier unten betrachtet, sie sind gestochen scharf zu sehen. Ich habe insgesamt fast ein Jahr im Erdorbit verbracht und es war keine Sekunde langweilig.

Mal sehen, ob der nächste deutsche Raumfah-rer, Alexander Gerst, die selben Erfahrungen macht. Was raten Sie ihm für seinen Trip zur internationalen Raumstation ISS?Er sollte sich jetzt auf die Ausbildung konzentrieren, da-mit er, wenn es soweit ist, gut genug darauf vorbereitet ist, Deutschland tatsächlich bei dieser Mission zu vertre-ten. Ich wünsche ihm jedenfalls viel Glück und würde mich freuen, wenn ich erleben könnte, dass ein deut-scher Astronaut – oder ich will es mal anders formulie-ren: ein europäischer Astronaut deutscher Abstammung – bei der ersten Marsumrundung oder sogar bei der ers-ten Marslandung dabei ist.

DER NACH DEN STERNEN GREIFT THOMAS REITER SCHWEBTE IM WELTALL, FLOG KAMPFJETS UND IST HEUTE IM VORSTAND DES DEUTSCHEN ZENTRUMS FÜR LUFT- UND RAUMFAHRT (DLR). MIT UNS SPRACH ER ÜBER TRAUMBERUFE, MÖGLICHE MARSMISSIONEN UND WELTALLTOURISMUS. EIN INTERVIEW VON KARL-HEINZ LÖSER

„IM RAUMSCHIFF ISTKEIN PLATZ FÜR

EINZELKÄMPFER.“

Fotos: Martin Knorr und ESA. Montage: Sebastian Wenzel

Karl-Heinz LöserRosenheim, 24 Jahre

Hat seine große Liebe schon ge-funden: sämtliche Flugzeuge auf der ILA.

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DER DGB-VORSITZENDE MICHAEL SOMMER SIEHT ROT. AUF DEM BUNDESKONGRESS FORDERTE ER, DASS DIE REGIERUNG IHRE

ANKÜNDIGUNGEN ENDLICH IN DIE TAT UMSETZT.

Fotos: Martin Knorr und ESA. Montage: Sebastian Wenzel

THOMAS REITER IST GANZ SCHÖN GELASSEN. SOWOHL IM INTERVIEW ALS AUCH IM ALL.

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FRUCHTFLEISCH WO WÜRDEST DU GERNE IRGENDWANN MAL LANDEN?

CONSTANZE SACHS

19 JAHRE, ABITURIENTIN

„NOCH TIEFER IM HERZEN MEINES FREUNDES – WIR

SIND ERST SEIT EINEINHALB MONATEN ZUSAMMEN.“

„ANSCHMIEGEN“

JONAS KEPPLER

22 JAHRE, AUSZUBILDENDER

„IN EINEM JOB, DER FÜR MICH NICHT NUR ARBEIT

IST, SONDERN DER MICH AUCH ERFÜLLT.“

„ANKOMMEN“

MOM RUDRA,

29 JAHRE, BIOTECHNOLOGIE-STUDENTIN

„HOFFENTLICH IM CHEFSESSEL MEINER EIGENEN

FIRMA, AM LIEBSTEN IN DEUTSCHLAND.“

„ANSAGEN“

SCHALLMAUERSEGLER, NOCH NICHT GANZ FLÜGGE IN DEN KAMPFJET KOMMEN EIGENTLICH NUR GUT AUSGEBILDETE SOLDATEN DER LUFTWAFFE. AUF DER ILA DURFTEN AUCH LAIEN EINEN FLUG WAGEN – NATÜRLICH NUR IN EINER SIMULATION.EIN ERLEBNISBERICHT VON THOMAS SACHS

Mit 300 Stundenkilometern schieße ich in die Luft – und beschleunige weiter. Meine rechte Hand umschließt den Steuerknüppel, die linke hält den Gashebel fest. Kon-zentriert richte ich den Blick nach vorn. In meinem Sicht-feld wandern grüne Zahlen, Pfeile, Linien und Formen, die mir anzeigen, auf welcher Höhe und mit welcher Neigung ich fliege. Auch wenn ich die Schallmauer noch nicht durchbrochen habe, ist es ein ehrwürdiges Gefühl, den kraftvollen Eurofighter unter meiner Kontrolle zu ha-ben. Gleichzeitig kommt aber auch Ehrfurcht auf. Zum ersten Mal steuere ich den Kampfjet. Ich weiß, dass ein paar meiner Vorgänger abgestürzt sind. Die zwei Schilder im Cockpit, die in Rot vor „GEFAHR“ warnen, machen es auch nicht besser.

Direkt neben mir steht Pilotenausbilder Major Keppler. Steht? Ja, steht! Ich sitze in einem Flugsimu-lator auf der ILA. Normalerweise trainieren angehende Bundeswehrpiloten darin. Durch das Visier schaue ich auf eine Projektion eines virtuellen Luftraums. Mein Cockpit ist nach oben geöffnet, zwei Meter unter mir

Thomas SachsBayreuth, 22 Jahre

Studiert in Bayreuth Betriebswirt-schaftslehre. Auf Zahlen fliegt er genauso ab wie auf den Sommer und (Flug-)Reisen.

liegt schon der Boden der Messehallen. Auch wenn mich keine Beschleunigungskraft zurück in den festen Ledersitz presst, fühlt sich der Flug real an. Blicke ich an den unteren Rand des Simulationsbildes, zieht etwa fünf Kilometer unter mir eine grüne Wiesenlandschaft vorbei. Am Horizont erkenne ich Seen. Plötzlich durch-bricht Major Kepplers Stimme die Idylle: Ich soll nach rechts drehen, also drücke ich den Steuerknüppel leicht in diese Richtung. Der Eurofighter reagiert sensibel auf die kleinste Bewegung. Der Horizont verläuft nun dia-gonal zur Frontscheibe – von der linken unteren in die rechte obere Ecke. Dann liege ich wieder waagerecht in der Luft und erhalte schon gleich die nächsten Aufträge: Zuerst drehe ich mich um die eigene Längsachse, dann mache ich mich zum Looping bereit.

„Jetzt ist Koordination gefragt“, sagt Pilotenausbil-der Keppler. Ich soll die Geschwindigkeit konstant hal-ten, die Neigung in beide Richtungen steuern und nach draußen schauen – alles gleichzeitg. Vor dem Flug habe ich Reaktionsvermögen und Koordination an zwei Test-geräten unter Beweis gestellt. Dort musste ich möglichst schnell Farbreize, Lampenleuchten und Tonsignale verar-beiten und entsprechend reagieren. Ein Naturtalent beim Fliegen bin ich nicht, hat sich gezeigt, aber immerhin lag ich über dem Durchschnitt. Werde ich den Looping bewältigen?

Ich ziehe den Steuerknüppel zu mir heran. Trotz hoher Konzentration gelingt es mir nicht, ihn ganz ge-rade zu halten. Der Looping wird zum Harakiri-Versuch: Im schräg gestellten Jet verliere ich kurzzeitig die Ori-entierung und bin mir nicht sicher, wie ich zurück in die Waagerechte gelangen soll. Zum Glück bekomme ich Hilfe vom Ausbilder.

Unzufrieden mit dem misslungenen Looping, mag ich mir gar nicht vorstellen, ein schwierigeres Manöver anzugehen. Luftbetankung fällt mir beispielsweise ein – zum Glück steht die nicht auf meinem Plan. Piloten in der Ausbildung können und müssen sie natürlich üben. Nähert sich der Kampfjet, dann fahren größere Flieger – zum Beispiel der neue Militärtransporter Airbus A400M

– ein Auslegerrohr zum Tankstutzen des Kampfjets und befüllen diesen mit Kerosin. Ich schätze, dass der A400M im Simulationsprogramm, das ich bewältige, noch nicht aufgenommen ist. Vor erst sechs Monaten hat er sei-nen Jungfernflug bewältigt. Eines der ersten Exemplare wurde in diesen Tagen ebenfalls auf der ILA präsentiert. Doch bis die ersten Transporter der deutschen Luftwaffe und sieben weiteren Abnehmerländern, darunter Frank-reich, Spanien, Großbritannien und die Türkei, zur Ver-fügung stehen, dauert es aufgrund knapper Kassen noch mindestens bis Ende 2012.

Also kein Tankmanöver für mich heute, Major Keppler ruft meinen Eurofighter zur Basis zurück. Ich schaue mich um und entdecke die Landebahn. Der Pi-lotenausbilder erklärt mir, in welchem Bogen ich sie an-fliegen muss. Mir gelingt es, die Mitte der Landebahn anzusteuern. Ein bisschen stolz bin ich darauf – auch, weil ich nicht zu denen gehöre, die abgestürzt sind. Mit dem Geräusch quietschender Reifen setze ich auf. Jetzt muss ich in die Bremsen steigen.

Mit den Füßen, die sich während des Fluges aus-ruhen konnten, kippe ich entschlossen die Pedale nach vorn. Zurück auf dem Boden, dient die Wippe unter meinen Füßen nun auch zum Lenken. Langsam kom-me ich zum Stehen und steige aus dem Cockpit. Mission abgeschlossen! Obwohl ich nie richtig abgehoben bin, freue ich mich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

KLAR FÜR DEN START? THOMAS MUSS ERST DEN KOORDINATIONSTEST BESTEHEN.

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Fotos: Nicole Wehr

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Herr Christoffers, soll der BBI auf jeden Fall bis zum geplanten Eröff-nungstermin am 30. Oktober 2011 fertig gestellt werden?Nein, nicht um jeden Preis. Wir müssen prüfen, inwiefern es zu Bauverzögerun-gen kommen kann. Die Insolvenz eines Planungsunternehmens spielt dabei eine geringe Rolle. Was eher zu Verzögerun-gen führen kann, sind die neuen Richtli-nien, nach denen wieder Flüssigkeiten im Handgepäck mitgenommen werden dür-fen. Dadurch muss der komplette Check-in-Bereich nachgebessert werden. Jetzt müssen wir Kosten und Nutzen abwägen, um zu entscheiden, ob wir ein Provisori-um pünktlich eröffnen wollen oder einen voll funktionsfähigen Flughafen eben et-was später. Ich bevorzuge Letzteres. Fest steht: Wir können den Eröffnungstermin höchstens einmal verschieben.

Inwiefern ist der Bau des BBI eine Jobmaschine für die Region?Der Bau des BBI ist wie ein eigenes Kon-junkturprogramm für die Region Berlin-Brandenburg. Er ist einer der Gründe dafür, dass die Wirtschaftskrise hier nicht so stark eingeschlagen hat wie in ande-ren Bundesländern. Knapp 70 Prozent des Bauvolumens wird derzeit von mittel-ständischen Unternehmen aus der Region bestritten. Der BBI ist definitiv eine Job-maschine.

Wenn der BBI fertiggestellt ist: Wie kann man die Jobs erhalten?Wir versuchen gerade, Unternehmen aus verschiedenen Branchen in das Umfeld des Flughafens zu locken, unter anderem durch den bundesweit geringsten Gewer-besteuerhebesatz. Ob in der Logistik, dem Service oder im Bereich Maschinen-bau: Die Standortvorteile des BBI sollen vielen Unternehmen schmackhaft ge-macht werden. Berlin ist nun einmal die Hauptstadt. Die Nähe zu politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern ist ein unschlagbarer Anziehungsfaktor. Das schafft auch nach der Fertigstellung des BBI viele Arbeitsplätze.

Aber es sind doch gar nicht genü-gend Fachkräfte da, um diese Arbeits-plätze zu besetzen ...

Das ist in der Tat ein Problem. Trotz-dem bin ich optimistisch. Gerade auf der ILA sollen Fachkräfte angeworben und Ausbildungsinteressierte gefunden werden. Natürlich kommen technologie-begeisterte Jugendliche, die sich in dem Bereich eine Ausbildung vorstellen kön-nen, hier hin und Unternehmen bearbei-ten von hier aus den Markt. Eine ideale Kombination.

Welche Bedeutung hat der BBI für Deutschland? Der BBI macht die Region Berlin-Bran-denburg zur wirtschaftsstärksten und dynamischsten Region Ostdeutschlands, die ständig an Ausstrahlungskraft dazuge-winnt, und das weltweit. Kaum jemand weiß, dass die Technologie zur Wasser-versorgung des A380 aus Brandenburg kommt. Das ist Technologie auf Welt-marktniveau.

Glauben Sie, dass der BBI es schafft, den bisher größten Flughäfen Deutschlands, Frankfurt und München, den Rang abzulaufen?Ob das Passagiervolumen das von Frank-furt oder München übertreffen wird, kann ich nicht sagen. Das ist aber auch nicht das oberste Ziel. Natürlich wollen wir den BBI möglichst schnell möglichst gut auslasten. Aber ob wir jetzt 25, 30 oder 35 Millionen Fluggäste im Jahr haben, ist eigentlich egal.

Also wird es in Zukunft keinen Kampf um die meisten Starts und Lan-dungen geben?Natürlich will ich ganz viele Verbindun-gen aus dem BBI in alle Teile der Welt. Dass man dafür den Wettbewerb mit den Konkurrenten eingehen muss, liegt in der Natur der Sache.

Wagen wir einen Blick in die Kris-tallkugel: Wie sieht der neue Flugha-fen Ihrer Meinung nach in fünf Jahren aus? Er hat sich in fünf Jahren natürlich inter-national etabliert und kann seine Stand-ortvorteile gegenüber den Konkurrenz-flughäfen geltend machen. In fünf Jahren werden wir noch mehr über die Potentiale des BBI wissen, die wir dann weiter ent-wickeln können um eine optimale Wirt-schaftlichkeit zu erzielen.

Auf was legen Sie persönlich be-sonderen Wert beim künftigen Betrieb des BBI?Mir ist besonders wichtig, dass die Flug-gäste, die hier landen, das Gefühl haben, willkommen zu sein. Das Serviceangebot soll so gut sein, dass sie gerne zurück-kommen. Gleichzeitig soll der BBI einer der schnellsten Flughäfen werden, das heißt, er soll möglichst geringe Umsteige-zeiten haben.

Karibik oder Kasachstan: Wohin soll denn Ihr erster Flug vom eröffneten BBI gehen? Ich fürchte, er geht nicht in den Urlaub. Eher nach Brüssel, wo ich beruflich sehr viel zu tun habe.

KONJUNKTUR AUFBRANDENBURGISCH DER WIRTSCHAFTSMINISTER BRANDENBURGS IST BEGEISTERT: FÜR RALF CHRISTOFFERS (DIE LINKE) IST DER BBI DIE JOBMASCHINE DER REGION. DA SEI ES FAST EGAL, WIE WIEVIELE PASSAGIERE LETZTENDLICH DEN FLUGHAFEN NUTZEN. EIN INTERVIEW VON BARBARA ENGELS

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Ein kleiner Tümpel mitten auf der Baustelle. Zwi-schen Sandbergen und Grasbüscheln sieht er etwas trost-los aus. Mehr ist nicht übrig geblieben von der Gemein-de Diepensee. Doch kleine Idyllen müssen manchmal großen Visionen weichen. 2004 wurden 335 Menschen 15 Kilometer nach Süden umgesiedelt, um die Erweite-rung des Flughafens Berlin-Schönefeld zu ermöglichen. Das 1996 beschlossene Projekt des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) hat Form ange-nommen.

BAUSTELLE ALS SCHAUSTELLE: DER BBI IST SCHON JETZT BESUCHERFREUNDLICH

60.000 Gäste haben die Baustelle bereits erkundet, aus der der Großflughafen entstehen soll. Per Bus – denn das Gelände ist riesig: 1.470 Hektar. 2.000 Fußballfelder hätten darauf Platz. Allein das Hauptterminal mit 112 Check-In-Schaltern ist so groß wie das Olympiastadion. 2,5 Milliarden Euro kostet der komplexe Flughafen im Südosten Berlins. Viel Geld, um den Luftverkehr der Hauptstadt endlich zu bündeln. 21 Jahre nach der Wie-dervereinigung, am 30. Oktober 2011, soll der BBI den Betrieb aufnehmen – wenn es nicht noch zu Bauverzö-gerungen kommt. Für die alten Berliner Flughäfen be-deutet der BBI das Aus: Tempelhof ist bereits dicht, Tegel schließt mit der Eröffnung, Schönefeld wird erweitert und in den BBI integriert.

2.500 Arbeiter sorgen derzeit täglich für Fortschritte

auf der Baustelle. „Diese Reihe von Laternen war ges-tern noch nicht da“, sagt Leif Erichsen, Pressesprecher der Berliner Flughäfen. Er steht mit Fliegerbrille auf dem BBI-Infotower und überblickt den riesigen Bauplatz. Der Turm ist mit seinen 32 Metern genauso hoch wie das neue Terminal, das nach dem so genannten „One Roof-

Konzept“ gebaut wurde. Das heißt, alle Fluggäste passie-ren das gleiche Terminal – egal, mit welcher Gesellschaft sie fliegen.

„Der Reisekomfort stand für uns an erster Stelle“,

sagt Erichsen. „Gleichzeitig wollen wir den Passagier-fluss optimieren.“ Auch der Weg zum Flughafen soll möglichst einfach sein. Dem kommt der BBI mit seinem sechsgleisigen Bahnhof direkt unter dem Terminal, Au-tobahnanschluss, einem Express-Shuttle und der mit voraussichtlich 35 Minuten deutschlandweit kürzesten Umsteigezeit schon ziemlich nahe. „Ziel war ein redun-dantes Verkehrssystem“, erklärt Erichsen. Der Passagier müsse immer zwischen mindestens zwei Verkehrsmit-teln wählen können.

Die Wege innerhalb des Flughafens bleiben kurz:

Das Terminalgebäude, die Gates und die Parkplätze be-finden sich zwischen den beiden parallel angelegten Start- und Landebahnen. Bei der Konzeption der Wege ist es wichtig, dem eiligen Fluggast den direkten Weg zum Gate zu ermöglichen und gleichzeitig dem müßi-gen Reisenden ein vielfältiges Angebot zu liefern. Der Flughafen startet 2011 mit einer Kapazität von bis zu 27 Millionen Passagieren im Jahr. Diese kann je nach Be-darf durch Aufbaumodule auf rund 45 Millionen erhöht werden.

Passend zum immensen Passagiervolumen ist auch der Non-Aviation-Bereich, der alles umfasst, was aus-schließlich am Boden passiert, riesig. In Zeiten von Pi-lotenstreiks, Billigfliegern und Aschewolken sind Flugha-fenbetreiber auf große Gewerbeflächen angewiesen. Das Kerngeschäft allein bringt nicht genügend Geld ein, um wirtschaftlich handeln zu können. So zieht zum Beispiel die Fraport AG, Betreiberin des Frankfurter Flughafens,

mehr als 60 Prozent ihres Gewinns aus Mieteinnah-men, Parkgebühren und vor allem ihren Beteiligungen an Einzelhandels- und Gastronomieumsätzen. Beson-ders die Gewerbeflächen auf der „airside“, also hinter den Sicherheitskontrollen, sind lukrativ – denn dort sind die Passagiere entspannter und spendierfreudiger. Eine simple Rechnung für die Betreiber: Mit dem Umsatz der Geschäfte steigt auch die Miete, die sie zahlen müssen.

BBI BEDEUTET MEHR VERKEHR, MEHR ABGASE UND MEHR LÄRM

Das weiß auch das BBI-Management. Der Großteil der auf 20.000 Quadratmeter angesiedelten Verkaufs- und Gastroflächen befindet sich auf der „Luftseite“. Im Zentrum des Hauptterminals entsteht ein 9.000 Quadrat-meter großes Geschäftsareal. Raum für weitere Gewerbe bietet die vor dem Terminal angelegte Airport City – laut Erichsen das „Filetstück des BBI“ – sowie der im Nordos-ten des BBI enstehende Business Park. „Wir wollen uns vom Wachstumskuchen ein ordentliches Stück abschnei-den“, sagt Erichsen. Die bisherige Fläche könne sich bei Erfolg über die Jahre verdoppeln. Die Gewerbesteuer ist gesenkt worden, um Unternehmen anzulocken. Lang-fristig soll der BBI zum Ost-West-Kreuz werden und ver-mehrt Langstrecken- und Umsteigeflüge akquirieren. Bei aller Wirtschaftlichkeit achtet das BBI-Management nach eigenen Angaben darauf, die Region Berlin-Brandenburg zu fördern. Von den 300 am Bau involvierten Unterneh-men seien zwei Drittel aus der Region. Das Mammut-projekt BBI schaffe 40.000 Arbeitsplätze und habe eine positive ökologische Bilanz. Trotz aller guten Absichten wird der BBI bei den Anwohnern sicher nicht nur auf Ge-genliebe stoßen. Er bedeutet mehr Verkehr, mehr Abgase und mehr Lärm. Die Annäherung wird dauern – ähnlich wie die zwischen Ost- und Westdeutschland.

ZUSAMMENSETZEN UND DURCHSTARTEN ERST DIE LÄNDER, DANN DIE LUFT: 20 JAHRE NACH DEM MAUERFALL VEREINT DER NEUE HAUPTSTADTFLUGHAFEN BBI BERLINS LUFTRAUM. ER IST EIN LOGISTISCHES MAMMUTPROJEKT. VON NICOLE WEHR

„WIR WOLLEN DEN PASSAGIERFLUSS

OPTIMIEREN.“

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ES IST FAST WIE BEI EINEM PUZZLE. STÜCK FÜR STÜCK WÄCHST DER LUFTRAUM ÜBER

BERLIN ZUSAMMEN. ERST AUF DEM PAPIER, DANN IN DER REALITÄT.

Foto: Martin Knorr

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\\ 12Foto: michanolimit/fotolia.de. Montage: Sebastian Wenzel

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DAS LEHRSTÜCK VOM EYJAFJALLAJÖKULL GEGEN DAS FLUGVERBOT NACH DEM VULKANAUSBRUCH AUF ISLAND WAR NICHTS ZU MACHEN – GEGEN DIE VORANSCHREITENDE UMWELTVERSCHMUTZUNG HINGEGEN SCHON.EIN KOMMENTAR VON STEPHAN HAAKE

Auf einmal bricht alles heraus – im wahrsten Sinne des Wortes. Als hätte Mut-ter Natur die Nase einfach mal gestrichen voll. Nach dem jüngsten Vulkanausbruch auf Island ging allerdings erst einmal we-nig in die Luft, bis auf die Ascheteilchen eben. Flugpassagiere und Fracht blieben am Boden. Eine bisher nicht gekannte Situation in unserer hochindustrialisier-ten Welt. Viele Leute mussten feststellen, dass der Urlaubsflug in den Süden oder die Geschäftsreise doch nicht so selbst-verständlich sind, wie die Entwicklung der vergangenen Jahre vorspielte. Auch die Wirtschaft musste leiden: Produzen-ten auf allen Kontinenten konnten den europäischen Absatzmarkt plötzlich nicht mehr mit dem Flugzeug erreichen. So ver-dorrten Rosen in Afrika, Bananen faulten in Südamerika und Reissäcke blieben in Asien liegen. Gut, dann müssen wir eben ein paar Wochen auf den Luxus verzich-ten, früher hatten wir ihn ja auch nicht. Aber auch dringend benötigte Rettungs-flüge oder Organtransporte konnten nicht starten.

Der kapriziöse Vulkan Eyjafjallajö-kull hat uns gezeigt: Wir Menschen kön-nen die Umwelt eben doch nicht ganz bezwingen. Und wir brauchen den Luft-verkehr – heute mehr als je zuvor. Selbst wenn die Umwelt leidet. Sie zu schützen und Luftverschmutzung zu vermeiden, sollte uns dennoch aus vielen Gründen am Herzen liegen. Denn sie ist unser Lebens-raum. Nur so können wir dazu beitragen, dass wir selbst und unsere Kinder und En-kel auch in Zukunft noch auf diesem Pla-neten leben können. Wir befinden uns auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft: Das Öl wird stetig knapper und trotzdem ver-

brauchen wir immer mehr davon – weil wir es wollen, weil wir es brauchen. Auch unsere alltägliche Umwelt beeinflusst der weltweit zunehmende Flugverkehr: Wenn zu Hause zum Beispiel mal die Gläser in der Schrankwand wackeln.

Nun sind die Flugzeuge ja nicht die alleinigen Übeltäter: Da der Kohlenstoff-dioxidausstoß des Luftverkehrs nur einen Anteil an der Verschmutzung ausmacht, müssen wir auch in anderen Branchen Schutzmaßnahmen für die Umwelt ergrei-fen. Außerdem können wir hierbei sogar auf Erfolge in der Forschung der Luft-fahrtbranche zurückgreifen und diese für andere Industrien einsetzen. Nur welches Unternehmen macht das freiwillig? Eine politische Auflage muss schon sein. Nun wirken Umweltschutzauflagen nicht nur auf den einzelnen Menschen, der viel-

leicht wegen höherer Steuern und anderer Abgaben weniger fliegen kann und sich so in seiner Freiheit beschränkt fühlt. Auch die Wirtschaft dürfte wenig begeistert sein: Umweltschutzauflagen verursachen Kosten und schmälern so den Gewinn. Außerdem führen sie in unserer globali-sierten Welt zu Wettbewerbsnachteilen. Das kann ja auch nicht im Interesse der Gesetzgeber sein.

Es bleibt also die Frage, wie wir ein gerechtes und ausgewogenes Miteinander von Umwelt und Wirtschaft finden kön-nen. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Es fängt an bei Flugplatzbetreibern, die das Gespräch mit ihren Nachbarn su-chen, bis hin zu steuerlichen Anreizen bei Unternehmens-Investitionen in grüne Projekte. Ab 2012 beteiligt sich die Luft-verkehrsbranche auch endlich am Emissi-

onshandel. Airlines müssen dann je nach eigenem Kohlenstoffdioxidausstoß Zertifi-kate kaufen. Erzeugen sie nicht so viele Treibhausgase wie sie Zertifikate besitzen, so dürfen sie diese an andere Airlines ver-kaufen, die mehr Abgase ausstoßen. Das System hat allerdings einen Haken: Die Gesamtmenge des Kohlenstoffdioxidaus-stoßes wird dadurch nicht weniger, son-dern nur anders verteilt.

Dennoch: Es geht voran! Wir entwi-ckeln Programme und verwenden Maß-nahmen zum Schutz der Umwelt und zur Verbesserung unserer Lebensbedingun-gen. Diese Aktivitäten konsequent umzu-setzen und weiterzuentwickeln, wird un-ser aller Aufgabe bleiben. Einen kleinen Beitrag können wir selbst schon heute leisten: Indem wir zum Beispiel unseren Reiseveranstalter fragen, ob für die Reise ein Programm zum Kohlenstoffdioxidaus-gleich angeboten wird. Hier bleibt nur zu hoffen, dass keine neue Aschewolke den Horizont verdunkelt und der Flieger über-haupt abhebt.

Stephan HaakeDresden, 23 Jahre

Studiert Verkehrsingenieurwesen, und fliegt auf Sonnenbaden auf den Elbwiesen.

IM MODELL FUNKTIONIERT‘S, IN DER WIRKLICHKEIT LEIDER NOCH NICHT. FLUGVERKEHR UND UMWELT HARMONISIEREN IM RICHTIGEN LEBEN NICHT SO GUT WIE AUF UNSEREM FOTO

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DER STREIT UM DIE LUFTHOHEIT FAST DIE GESAMTE PASSAGIERFLUGZEUG-FLOTTE DER WELT STAMMT AUS DEN EUROPÄISCHEN AIRBUS- UND DEN US-AMERIKANISCHEN BOEING-WERKEN. NOCH. IN CHINA MACHT SICH DIE KONKURRENZ SCHON WARM. VON THOMAS SACHS

Auf dem Rollfeld am Berlin-Schö-nefelder Flughafen. Airbus-Flugzeug reiht sich an Boeing-Jet, wieder eine Air-bus-Maschine, Boeing, Boeing, Airbus. Andere Flugzeugfabrikate sind selten. Den Weltmarkt für Passagierjets teilen die Airbus-Gruppe und der Boeing-Kon-zern unter sich auf. Noch. Bald könnte diese Ära vorbei sein.

KONKURRENZ BELEBTDAS GESCHÄFT?

In China, Kanada, Brasilien und Indien arbeiten lokale Luftfahrtunter-nehmen an eigenen Modellen. „Diese Konkurrenten entwickeln gute Flugzeu-ge“, sagt Airbus-Sprecher Tore Prang. Experten beobachten vor allem die chi-nesische Commercial Aircraft Corporati-on (Comac), die die Staatsregierung vor drei Jahren im Rahmen eines umfassen-den Luftfahrtprogramms ins Leben rief. Mit Hochdruck arbeitet Comac an einem Jet mittlerer Größe namens C919. Damit werden die Chinesen in Konkurrenz zu den Mittelstreckenmodellen Airbus A320 und Boeing 737 treten.

„Wir beobachten diese Aktivitäten ganz genau, jedoch nicht mit Sorge“, sagt Prang. Airbus habe einen Vorsprung gegenüber den aufkommenden Konkur-renten, was Technologie und Effizienz angehe, und investiere jährlich erheb-liche Summen in Forschung und Ent-wicklung. „Außerdem ist es nicht damit getan, ein Flugzeug zu bauen.“ Die Her-steller müssten Wartung und Versorgung der Flugzeuge gewährleisten. Dennoch: Geht alles nach Plan, wird das chinesi-sche Flugzeug 2014 erstmals abheben.

Heute liefern sowohl Boeing als

auch Airbus jährlich je 400 bis 500 Passa-gierflugzeuge aus. Gemeinsam könnten die Unternehmen theoretisch innerhalb eines Jahres alle Flugzeuge von Lufthan-sa und Air Berlin durch neue ersetzen. Wer von Berlin-Schönefeld oder einem anderen Flughafen abhebt, sitzt also mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Ma-schine, die aus einer der Werke der zwei Flugzeugriesen stammt.

Unter den Mächtigen gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Boeing lag bis vor sieben Jahren klar vorn, baute zeit-weise bis zu 600 Maschinen pro Jahr. Dann holte Airbus auf. „Heute liefert mal Airbus ein paar Monate die meisten Flugzeuge aus, dann ist einige Monate lang Boeing der Spitzenreiter“, sagt Tore Prang. „Ziel für Airbus ist ein langfristi-ger Marktanteil von etwas über 50 Pro-zent.“ Insgesamt bringt der europäische Konzern heutzutage ein paar Flugzeuge mehr in die Luft als Boeing. Im letzten Jahr waren es fast 500 Stück – Rekord für den damit weltgrößten Flugzeug-

hersteller. „Und das obwohl wir in den letzten zwei Jahren die schlimmste Fi-nanz- und Wirtschaftskrise in neuerer Zeit erleben“, sagt Prang.

Jetzt setzen die beiden Flugzeug-

konzerne selbst auf Fernost. In China se-hen sie die größten Verkaufschancen für die Zukunft. „Lufttransport ist ein we-sentlicher Bestandteil der Wirtschafts-logistik in China. Auch weil die einzel-nen Städte so weit voneinander entfernt sind, wächst der Luftverkehr“, erklärt Airbus-Sprecher Prang. Die Branche er-wartet, dass schon in diesem Jahr jedes fünfte Flugzeug an chinesische Flugge-sellschaften geht.

Die Reaktion von Airbus auf die steigende Nachfrage: „Unsere Strate-gie ist es, in China in Partnerschaft mit dortigen Firmen vertreten zu sein“, sagt Prang. In Tianjin, einer wirtschaftlich wichtigen Hafenstadt nahe Peking, hat der Flugzeugriese bereits ein Ersatzteil- und Trainingszentrum sowie ein Werk zur Endmontage von A320-Fliegern auf-gebaut. Bis Ende 2011 sollen pro Monat vier Flugzeuge das Werk verlassen. Bo-eing zeigt sich auf andere Weise im Reich der Mitte: Das Unternehmen bezieht eine Menge Flugzeugteile von chinesi-schen Zulieferern. Es bezeichnet sich als den größten ausländischen Kunden der chinesischen Luftfahrtindustrie.

GROSSTEIL DER WELTFLIEGT MIT BOEING

Boeing produziert hauptsächlich in Everett bei Seattle an der Pazifikküste der Vereinigten Staaten. Dort wurde das Unternehmen 1916 gegründet. Seitdem ist es gewachsen: Es übernahm Firmen wie den früheren Konkurrenten McDon-nell Douglas. Heute stammen drei von vier Passagierjets weltweit – das sind etwa 12.000 Stück – aus den Boeing-Werken.

Die europäische Flugzeugproduk-tion unter dem Dach von Airbus ist jünger als ihr amerikanisches Pendant. Vor 40 Jahren schlossen sich deutsche und französische, später spanische und britische Hersteller zu einem Konsorti-um zusammen, um Verkehrsflugzeuge zu bauen, die es mit denen von Boeing aufnehmen konnten. Heute befindet sich der Hauptsitz im französischen Toulouse. An Airbus-Fliegern gearbeitet wird an 20 weiteren Standorten, un-ter anderem in Hamburg und Bremen. Neben der Produktion sind die beiden Hersteller damit beschäftigt, Funktionen ihrer Maschinentypen zu verbessern. Zu Komplett-Neuentwicklungen wie Airbus A380, A350 und Boeing 787 kommt es nur etwa einmal im Jahrzehnt – sie kos-ten einfach zu viel.

CHINA ALS NEUES SCHRECKGESPENST? NOCH SIND AIRBUS UND BOEING DIE MARKTFÜHRER IN DER LUFTFAHRT- INDUSTRIE. DOCH DAS KÖNNTE SICH BALD ÄNDERN.

Foto: michanolimit/fotolia.de. Montage: Sebastian Wenzel

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3Die linke und die rechte obere Ecke nach innen klappen,sodass eine Spitze entsteht.

2Das Blatt drehen, wieder falzen

und auseinanderklappen.

4Die Spitze bis zu dem Kreu-zungspunkt der beiden Falten nach unten legen.

FLUGBLATT VON WEGEN A380: UNSER FLIEGER SCHONT UMWELT, OHREN UND DEN GELDBEUTEL. FÜR DEN BAU BENÖTIGT IHR EIN DIN-A4-PAPIER UND FINGERSPITZENGEFÜHL. VIEL SPASS BEIM DURCHSTARTEN! VOM POLITIKORANGE-TEAM

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1Das Blatt in der Mitte falten, falzen und wieder auseinanderklappen.

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6 An der Mittellinie

zusammenfalten.

5Die linke und die rechte obere Kante zur senkrechten Mittellinie falten.

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Fotos: altec5/fotolia.de/www.air-united.de

7Den Teil für die Tragfläche parallel zur Innenfalte nach unten klappen. An den beiden Außenkanten der Flügel das Papier nach oben falten.

8Die hintere Spitze für die Brems-falte nach innen bringen.

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STEINIGER WEG ZUM ZIEL DER WEG IN DIE SELBST- STÄNDIGKEIT IST SCHWER. BESONDERS IN DER LUFT- UND RAUMFAHRT- BRANCHE. DORT MÜSSEN UNTERNEHMENSGRÜNDER DIE OPTIMALE MISCHUNG AUS ERFAHRUNG UND INNOVATION VORWEISEN.VON LAURA FRICKE

In der eigenen Eisdiele hinter dem Tresen stehen, die Lieblingsklamotten im großen Stil verkaufen, eine Galerie eröffnen: Viele Menschen möchten sich verwirk-lichen und machen sich selbstständig. Ein steiniger Weg, besonders in Branchen, in denen Existenzgründungen selten sind, wie in der Luftfahrt. Oft führt der Weg in die Luftfahrt über andere Industriezweige – ein Kaltstart in den Bereich ist nahezu unmöglich. Der Bauingenieur Gre-gor Groß hat mit seinem Elektronikdesign-Unternehmen alpha-board jahrelang Messtechnik und Industrie-elek-tronik außerhalb der Luftfahrtbranche produziert, bis er den Schritt wagte und Mitglied beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie wurde. Knapp 20 Prozent der Aufträge von alpha-board kommen zehn Jahre nach dem Einstieg in die Luftfahrt aus diesem Be-reich. Aber die Tendenz sei steigend, wenn auch lang-sam, so Groß. „Die Leute arbeiten sehr eng zusammen in diesem Industriezweig, da wird viel Vertrauen verlangt, das man sich erst erkämpfen muss“, sagt Groß. Es dau-ere eine Weile, bis man in der Branche akzeptiert sei. Inzwischen hat alpha-board sich bei kleinen und mittel-ständischen Airbus-Zulieferern einen Namen gemacht.

VIELE NACHFRAGER SETZEN AUF ALTBEKANNTES

Für Existenzgründungen und das Stopfen von Marktlücken in der Luft- und Raumfahrt braucht man langjährige Erfahrung, hohe Investitionen und Spezial-maschinen. „Da reinzukommen ist nicht einfach“, sagt Florian Seiff, Geschäftsführer des Innovations- und Grün-derzentrums Berlin. Man müsse erst in den „erwählten Zirkel“ aufgenommen werden. Daran arbeitet Tom Segert noch. Mit seinem Unternehmen Dobson Space Telesco-pes, entstanden aus einem Forschungsprojekt an der TU Berlin, hat er sich auf die Produktion von Kleinsatelliten spezialisiert. „Das war nicht so schwierig“, sagt Segert. Schwierigkeiten würden erst dann auftreten, wenn Grün-der erwarteten, ihr Geld nur mit dem Unternehmen zu verdienen. Innovative Produkte seien in der Raumfahrt-branche eher schwierig an den Mann zu bringen. „Des-halb braucht man viel Erfahrung.“ Anstatt das Risiko ein-zugehen, auf eine neue Technologie zu setzen, würden viele Nachfrager lieber auf Altbekanntes zurückgreifen. „Die sind dann zwar nicht so leistungsfähig, wie man es gerne hätte, aber sie funktionieren“, sagt Segert. „Das macht es für neue Firmen, die noch keine eigenen Pro-jekte in den Weltraum geschickt haben, sehr schwierig.“

Die Nachfrager auf dem europäischen Markt scheu-ten typischerweise das Risiko. „Zum Glück gibt es aber Märkte außerhalb der EU, die risikobereit sind“, sagt Se-gert. Einer der wichtigsten Kunden von Dobson Space Telescopes ist die indonesische Raumfahrtagentur Lapan. Zukünftig müsse man sich sowieso vor allem internatio-nal orientieren. Das gelte für die Entdeckung von Markt-nischen. „Davon gibt es genug“, meint Unternehmer Gregor Groß. „Die sind alle heiß auf nachhaltige Ener-gienutzung.“ Auch könne man sich als junges Unterneh-men auf die Flughafenorganisation und -konstruktion spezialisieren. „Da gibt es Handlungsbedarf. Man kann die Umsteigezeiten verringern, wenn man die Gepäck-beförderungssysteme, optimiert.“ Wichtig sei vor allem eines: Eine Idee zu haben, bevor sie andere haben. „In der Raumfahrt ist es unerlässlich, zukünftigen Bedarf vorherzusagen und entsprechend Produkte zu entwi-ckeln“, sagt Tom Segert. Wer Ideen, Geld, Kontakte und Erfahrung mitbringt und ein starkes Team im Rücken hat, kann zum Höhenflug in der Luftfahrtbranche anset-zen – wenn denn der Treibstoff so lange reicht.

Laura FrickeBerlin, 25 Jahre

Ist Fremdsprachenkorresponden-tin und fliegt beim Naschen total auf Gummibärchen.

Foto: Martin Knorr

EXISTENZGRÜNDER IN DER LUFT- UND RAUMFAHRTBRANCHE MÜSSEN ÜBER

BESONDERS VIELE STEINE GEHEN.

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„HÖHENANGST, DIE KENNE ICH NICHT“ ALLES ANDERE ALS EIN LUFTIKUS: STUDENTIN ELENA IST EINE VON WENIGEN FRAUEN IHRES FACHES UND KÄMPFT MIT SO EINIGEN KLISCHEES IN DER MÄNNERDOMÄNE LUFT- UND RAUMFAHRTECHNIK.EIN PROTOKOLL VON ANTJE CLEMENS

Du, als Frau? In einem klassischen Männerberuf? Ja, es stimmt, die Branche der Luft- und Raumfahrttech-nik wird von Männern dominiert. Aber was soll’s. Es gibt immer mehr Frauen in diesem Berufsfeld. Ich bin eine von ihnen. Seit September letzten Jahres studiere ich Aircraft & Flight Engineering in Osnabrück. In dem Studiengang werde ich zur Pilotin und gleichzeitig auch zur Ingenieurin im Bereich Luftfahrttechnik ausgebildet. Damit mache ich mein Hobby zum Beruf.

Höhenangst kenne ich nicht. Mit 15 Jahren bin ich das erste Mal einen Segelflieger geflogen – alleine. Mein Opa war Segelfluglehrer. Die Leidenschaft zum Fliegen liegt mir wohl in den Genen. Kurz nach meinem ersten eigenmächtigen Höhenflug fing ich meine Ausbildung zur Mechatronikerin an. Auf einer Abendschule habe ich parallel dazu mein Fachabitur gemacht. Das war ganz

Name:

Elena Rothschild

Alter:

21 Jahre

Studienfach:

Aircraft &

Flight Engineering

Ausbildungsort:

Fachhochschule Osnabrück

schön anstrengend! In der Berufsschule war ich damals das einzige Mädchen in der Klasse. Jetzt im Studium ist es ähnlich.

Benachteiligt fühle ich mich nicht, weder von mei-nen Kommilitonen noch von meinen Dozenten und Pro-fessoren. Zum Glück. Trotzdem sind eine extra Portion Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen gerade für Frauen in diesem Fach ziemlich wichtig, glaube ich. Wer aner-kannt werden möchte, muss sehr gut sein. Aber Vorsicht: Man kann leicht den Stempel „Zicke“ aufgedrückt be-kommen oder als arrogant gelten.

Andererseits: Ist das in anderen Berufsfeldern nicht ähnlich? Dass es zu wenige Frauen in Führungspositi-onen gibt, halte ich für ein gesamtgesellschaftliches Problem, da ist meine Branche keine Ausnahme. Ob in der freien Wirtschaft oder Politik und Medien: Von der Gleichberechtigung beider Geschlechter sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Ich bin aber optimistisch und hoffe, dass in Zukunft auch immer mehr Frauen was zu sagen haben werden. Eine Bundeskanzlerin haben wir ja immerhin schon.

Hin und wieder werde ich auch gefragt, ob ich spä-ter denn auch eine Familie haben möchte und ob sich das mit dem Beruf als Pilotin überhaupt vereinbaren ließe. Ich bin erst 21 Jahre jung, aber ich weiß schon jetzt, dass ich irgendwann eine Familie gründen möchte. Warum sollte ich das als Pilotin nicht wollen oder gar können?

Antje ClemensBerlin, 25 Jahre

Finanziert sich ihren Lebens- unterhalt mit journalistischenProjekten und würde gerne mal bei ihrem Nachbarn landen.

Auch wenn es manchmal sicherlich nicht einfach sein wird, weil Piloten – und Pilotinnen - auch immer mal ein bis zwei Wochen lang unterwegs sind. Männliche Piloten machen das ja auch schon seit Jahrzehnten.

Bevor ich mir aber konkret über das Familienma-nagement Gedanken machen muss, strebe ich erst ein-mal meinen Studienabschluss an. Den möchte ich am liebsten im englischen Bristol machen. Und danach sehe ich mal weiter. Jetzt stehen demnächst Klausuren an. Sechs Prüfungen insgesamt, da bleibt kaum Zeit für Hob-bies. Ich freue mich schon auf die Zeit danach, da fahre ich in meine Heimatstadt Bielefeld. Besonders auf mei-nen Freund freue ich mich – und auf meine Freundinnen. Denn manches fehlt mir ja bei all den Männern an mei-ner Uni schon: Kaffee trinken und stundenlang mit den Mädels quatschen, ganz auf dem Boden geblieben.

Foto: Martin Knorr

ELENA ROTHSCHILD WILL HOCH HINAUS.

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Er meldet sich spontan. Bringt den Plan durchei-nander. Doch der Ambulanzflieger hat Vorrang. Immer. Dafür sorgen die Fluglotsen. Im Tower des Flughafens Berlin-Schönefeld geben sieben Stimmen Anweisungen – untereinander, ins Telefon, über Funk. Schnell, sach-lich, im Stakkato. Und schon steht ein neuer Plan.

Gut, dass Andreas Pelzl sowieso selten langfristig plant. Mit seinen 30 Jahren ist er der zweitjüngste Flug-lotse der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Berlin. Mit seinen Kollegen sorgt er für einen störungsfreien Flugver-kehr. „Dass ich Lotse bin, hat sich eher zufällig ergeben“, sagt er. In Jeans, Streifenhemd und Sneakers sitzt Pelzl auf einem blauen Stuhl im 14. Stock des Schönefelder Towers und schaut auf Monitore mit Zahlen. Sehr vielen Zahlen. Eine Bekannte hatte ihn auf die Idee gebracht, Lotse zu werden. Sie hatte selber an einer Fluglostenprü-fung teilgenommen und ihm davon erzählt.

GLÜCK GEHABT: IM ZWEITEN ANLAUF SCHAFFT ES PELZL AN DIE FLUGAKAKADEMIE

Im Sommer 2000 machte Pelzl den Aufnahmetest. Er bestand alle Lotsenprüfungen – bis auf den Englisch-test. „Ich habe dann noch mal einen zweiwöchigen In-tensiv-Sprachkurs absolviert. Beim zweiten Mal hat’s ge-klappt“, sagte der große blonde Lotse. „Da war mir sofort klar, dass ich nichts anderes machen möchte.“ Im Januar 2001 begann er seine Ausbildung zum Towerlotsen an der Flugsicherungsakademie in Langen bei Frankfurt am Main.

Der junge Lotse hatte Glück: Der Sprachteil ist der einzige, den die Lotsenanwärter wiederholen dürfen. Die Durchfallquote der Prüfungen, die sich über eine Woche erstrecken, liegt bei 90 Prozent. Denn die Anforderungen sind hoch: Nervenstärke, räumliches Vorstellungsvermö-gen, sehr gutes Zahlenverständnis, sicherer Umgang mit

Technik, überdurchschnittliches Konzentrationsvermö-gen, Team- aber auch schnelle Entscheidungsfähigkeit, hohes Verantwortungsbewusstsein – und damit ist der Katalog noch nicht zu Ende. Ohne ein gutes Gehör und gute Augen, die bei der fliegerärztlichen Untersuchung geprüft werden, ist der Lotsentraum schnell zerplatzt.

Die DFS braucht dringend Nachwuchs. Die derzeit 5.200 Mitarbeiter der DFS – 1.800 von ihnen sind Lotsen – werden schon bald nicht mehr ausreichen. Experten gehen davon aus, dass sich der Luftverkehr in den kom-menden Jahren verdoppeln wird. Aktuell kontrolliert die DFS jährlich etwa drei Millionen Flüge.

Die Towerlotsen koordinieren per Sprechfunk den Flugverkehr den Roll-, Start- und Landebahnen sowie in Flughafennähe. Sie haben direkten Sichtkontakt zu den Maschinen. Sobald ein Flugzeug in der Luft ist, überneh-men die Centerlotsen, die in einem der deutschlandweit vier Radarkontrollzentralen sitzen. Sie teilen den Piloten die richtige Flughöhe auf den festgelegten Luftstraßen zu und sorgen dafür, dass sie genügend Sicherheitsabstand einhalten.

Andreas Pelzl wollte kein Centerlotse werden. Sei-nen Platz sah er von Anfang an im Tower. „Dort hat man einfach mehr Einsatzmöglichkeiten.“ 16 Tower gibt es in Deutschland, nach der Zusammenlegung der Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld zum neuen Hauptstadt-Airport BBI im kommenden Jahr werden es 15 sein. Dann wechselt auch Pelzl in den BBI-Tower.

Während der ILA ist besonders viel los. Statt der üblichen drei sitzen jetzt sieben Lotsen im Tower. Sie be-dienen neun Bildschirme und noch viel mehr Knöpfe. Es blinkt, es rauscht, es piept. Neben dem Regelverkehr müssen die Lotsen die Vorführungsflüge der Messe ko-ordinieren. Mindestens zwei Lotsen betreuen einen Flie-

ger. Etwa 300 gibt es davon allein schon an „normalen“ Tagen. Um die Lotsen bei Laune zu halten, hat die DFS Schnittchen und Kuchen bereitgestellt.

EIN SPRACHE FÜR SICH: NUR LOTSEN VERSTEHEN LOTSEN

Die Lotsen sprechen mit den Piloten Englisch. „Das ist Pflicht“, sagt Andreas, „alle Gespräche werden aufgezeichnet.“ Als Laie versteht man allerdings nichts – weder auf Englisch, noch auf Deutsch. „Habt ihr die KingStar schon drin?“ – „Piste frei!“. „Ist da eben noch ein Fax reingekommen?“ – „Wetterwarnung!“. „Du hast noch einen Start, oder, Matze?“ – „Jetzt kommen vier Flieger rein.“ – „Die sind zu früh!“. Das sind die ver-ständlichsten Fragmente, die sich die Kollegen zurufen. Trotz des Wirrwarrs an Informationen verlieren sie nicht den Überblick. Sie sind konzentriert, aber entspannt.

Andreas Pelzl steht mit einer Flasche Apfelsaft draußen auf der Reling. Er hat Pause. Alle zweieinhalb Stunden dürfen die Lotsen während der insgesamt acht-stündigen Schicht vom Platz. Pelzl mag seinen Job, nach wie vor. „Das Tolle an meinem Beruf ist, dass nichts lie-gen bleibt. Am Ende des Tages ist alle Arbeit erledigt.“

ALLES IM BLICK BEI MEHREREN HUNDERT STARTS UND LANDUNGEN PRO TAG KANN ES SCHON MAL ENG WERDEN AUF DEN ROLLBAHNEN. FLUGLOTSEN SORGEN DAFÜR, DASS SICH DIE FLIEGER NICHT INS GEHEGE KOMMEN. EIN BESUCH IM TOWER VON NICOLE WEHR

Nicole WehrHannover, 26 Jahre

Ist im März aus der Uni geflo-gen, aber mit ihrem Bachelor in Amerikanistik und Sport in der Tasche.

„IM TOWER BLEIBT KEINE ARBEIT

LIEGEN.“

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ANDREAS PELZL HAT ALLES UNTER KONTROLLE: ER WEISS, WIE MAN GROSSE FLUGZEUGE AUF KLEINSTEM RAUM KOORDINIERT.

Foto: Martin Knorr

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1.) „Ladies and Gentleman ... on board“a.) welcomeb.) helloc.) greetingsd.) see you

2.) We are trying ... to leave on time.a.) hardlyb.) hardc.) mostlyd.) well

3.) Our last passengers ...a.) have just arrivedb.) will arrivedc.) do arrivingd.) was arrived

4.) Mit welcher Geschwindigkeit fliegt ein Passagierjet im Reise-flug?a.) Mach 3/4b.) Mach 1/3c.) Mach 1d.) Mach 1/2

5.) Wie wird das Flugzeug am Bo-den in Bewegung gesetzt?a.) Elektrischer Radantriebb.) Triebwerkskraftc.) Hydraulischer Radantriebd.) Mechanischer Radantrieb

6.) Der Kerosinverbrauch eines Flugzeugs beträgt 60 Kilogramm pro Minute. Wie lange fliegt man mit 2.400 Kilogramm Kerosin?a) 2 Stunden und 40 Minuten b) 400 Minutenc) 144 Minuten d) 40 Minuten

7.) Womit werden Jetflugzeuge betankt?a.) Dieselb.) Flüssiggasc.) Wasserstoffd.) Kerosin

8.) Wie ist das Druckverhältnis zwischen Außendruck und Kabinen-druck im Reiseflug?a.) Gleicher Druck innen und außenb.) Kabinendruck höher als Außendruckc.) Kabinendruck kleiner als Außendruckd.) Außendruck doppelt so hoch wie Kabinendruck

9.) Das spezifische Gewicht von Kerosin beträgt 0,8 Kilogramm pro Liter. Wie viele Liter ergeben 4.000 Kilogramm Kerosin?4.800 Liter3.200 Liter5.000 Liter4.000 Liter

10.) Um 1000 Fuß zu sinken, brauchen Sie 3 Nautical Miles (NM). Sie befinden sich in 38.000 Fuß Höhe. Wieviel Distanz benöti-gen Sie, um in Madrid zu landen. Madrid liegt 2000 Fuß über dem Meeresspiegel?a.) 108 NMb.) 360 NMc.) 120 NMd.) 190 NM

Lösung:

WÜRDEST DU DEN PILOTENTEST BESTEHEN?

1a, 2b, 3a, 4a, 5b, 6d, 7d, 8b, 9c, 10a

Foto: picsfive/fotolia.de

Julian Gog will Pilot werden. Er steht kurz vor dem Abitur und will seinen Traum vom Fliegen möglichst bald danach wahrmachen. Am liebsten bei der Lufthan-sa. Ein tougher Plan: Nur etwa ein Drittel derer, die sich bei Lufthansa um eine Ausbildung bewerben, bestehen die Eignungstests. Doch Julian ist motiviert und glaubt an sich.

Julian ist Mitglied der „Young Pilots“. Engagierte Jugendliche zwischen 16 und 23 Jahren haben sich in diesem Verein zusammengeschlossen, um ihr gemeinsa-mes Ziel zu erreichen: Beruf Flugzeugführer. Im ILA Ca-reerCenter informieren die passionierten Jungflieger an ihrem Stand und in einem Vortrag über ihr Programm. Beispielsweise darüber, dass sie schon jetzt mit dem erfahrenen Piloten Thomas Kärger trainieren. „Seit ich zum ersten Mal geflogen bin, war mir klar, dass das mein Traum ist“, sagt „Young Pilot“ Julian Gog. „Für dieses Ziel setze ich mich ein und opfere viel Zeit und Kraft.“ Die Sicherheitsrisiken des Fliegens kennt er. Angst vor der Verantwortung hat er nicht.

Wer die Verantwortung eines Piloten potentiell tra-gen könnte, soll der Test des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigen. „Der Job bringt hohe Geschwindigkeiten und immer neue Herauforderungen“, sagt Gerry K., Pilot der Bundeswehr. „Belastbarkeit,

DAS BÜRO ÜBER DEN WOLKEN TRAUMBERUF PILOT: VIELE WOLLEN ES, WENIGE KÖNNEN ES SEIN. DIE ZULASSUNGSVORAUSSETZUNGEN SIND STRENG.DIE ETAPPEN ZUM ZIEL VON STEPHANIE ROTH

Stephanie RothGroßheubach, 16 Jahre

Stephanie Roth besucht die 11. Klasse. Momentan geht es im Steigflug Richtung Abitur.

Durchhaltevermögen und Motivation sind für die Ausbil-dung und natürlich später für den Job extrem wichtig.“ Genau diese Eigenschaften sollen im DLR-Test geprüft werden.

UNTERSCHIEDE IN DER AUSBILDUNG:LEHRGANG ODER STUDIUM

Besteht er den Test, kann Julian entweder den zwei-jährigen „Nachwuchsflugzeugführer-Lehrgang“ oder ein vierjähriges Studium absolvieren. Beim kürzeren Lehr-gang besucht der Auszubildende den Theorieunterricht an der Verkehrsfliegerschule in Bremen. Der Praxisteil findet im „Airline Training Center Arizona“ in Phoenix, sowie in Bremen und Frankfurt statt. „Für die Ausbildung in den USA ist gutes Englisch unbedingt erforderlich“, sagt Bundeswehrpilot Gerry K. Bei dem umfangreicheren Studium kann die berufliche Ausbildung auf eine breite ingenieurswissenschaftliche Basis gestellt werden. Die angehenden Piloten machen dann neben der Ausbildung ein Bachelorstudium. Am Ende beider Ausbildungen er-hält man die Multi-Crew Pilot Licence – die Lizenz zum Fliegen.

„So weit bin ich leider noch lange nicht“, sagt Ju-lian. Erstmal müsse er nach dem Abitur den gefürchte-ten Eignungstest bestehen. Der besteht aus drei Stufen

– nach jeder Stufe werden Bewerber ausgesiebt. In der ersten Etappe werden technisches Wissen und Eng-lischkenntnisse abgefragt, in der zweiten muss Julian in Gruppenprojekten zeigen, dass er zum Unternehmen Lufthansa passt und sein Können im Flugsimulator unter Beweis stellen. Als finalen Schritt muss er die medizi-nische Eignung beweisen: Topfit muss er sein und darf keine Sehschwäche haben.

Bis er endlich zum Test antreten darf, übt Julian weiterhin das Fliegen im Simulator. Das CareerCenter möchte er nutzen, um Kontakte in seiner künftigen Be-rufswelt zu knüpfen. Julian Gog: „Praktika nehme ich übrigens immer gerne an.“

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AUTOMATISCHSYMPATHISCH DER MENSCHENÄHNLICHE ROBOTER EROBERT VIELLEICHT SCHON BALD DEN ORBIT – BIS DAHIN ABER ERST EINMAL DIE HERZEN DER ILA-BESUCHER. VON JULIA KUNZE

Einzigartig: Hut ab! Seit über 15 Jahren schon arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik am menschenähnlichen Roboter. Auf der ILA 2010 sorgt „Space Justin“ oder auch „Rollin Justin“ bei den Besuchern für Erstaunen und gute Stimmung.

Eingespielt: Mit seinen zwei Fünf-Finger-Händen kann Justin wie ein Mensch handeln – gesteuert wird er dabei allerdings von einer Person aus der Ferne. Dennoch sind auch komplexe Aufgaben kein Problem: Auch Reparaturen im All soll er präzise erledigen können.

Einsatzbereit: Justin ist als so genannter Serviceroboter gedacht, der nicht nur auf der Erde funktioniert – sondern eben auch im Weltall. Dort könnte er für Menschen gefährliche Einsätze übernehmen. Mit einer Art Augenpaar kann sich Justin sogar ein dreidimensionales Bild von seiner Umgebung machen.

Einfühlsam: Die menschlichen Formen sollen mögliche Berührungsängste abbau-en - im Gegensatz zu einem formlosen Industrieroboter. Nicht zuletzt seine runden, blauen Augen sollen Justin besonders freundlich erscheinen lassen und den Menschen die Angst vor dem Mythos der denkenden Maschine nehmen.

Fotos: Martin Knorr/Danilo Bretschneider

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\\ 22Foto: Danilo Bretschneider

Das Phänomen A380 begann schon in den 1990er Jahren. Damals wurden bei Airbus Pläne entworfen, aus denen ein Flugzeug der Superlative entstehen sollte. 2000 schließlich begann Airbus, das größte Verkehrsflug-zeug der Welt zu produzieren und weiterzuentwickeln, im Oktober 2007 schließlich fand der Jungfernflug des A380 statt. Airbus gelang ein Paukenschlag in der Luft-fahrtgeschichte.

Zu Beginn der ILA der nächste Coup: Airbus-Chef

Thomas Enders und Emirates-Chef Scheich Ahmed bin Said al-Maktum unterzeichneten einen Vertrag, den es so in der Luftfahrtgeschichte noch nie gegeben hat: den größten Einzelauftrag aller Zeiten über 32 Maschinen im Wert von rund 9,66 Milliarden Euro. „Wir sind eine sehr umweltbewusste Airline. Da der A380 ökonomischer fliegt als andere Flugzeuge und gleichzeitig mehr Passa-giere transportieren kann, haben wir uns zum Kauf wei-terer Exemplare entschieden“, begründete eine Mitarbei-terin von Emirates auf der ILA die Kaufentscheidung.

FLIEGENDES SPAMIT EINER KABINENLÄNGE VON 50 METERN

Für viele Experten kam dies überraschend – war Airbus doch in den vergangenen Jahren oft aufgrund von Lieferungsverzögerungen und Engpässen in der Produk-tion negativ aufgefallen. Auch scheint der A380 auf den ersten Blick durch hohe Entwicklungskosten und Scha-densersatzzahlungen an wartende Airlines wirtschaftlich nicht rentabel zu sein. Der Megaauftrag von Emirates kommt da gerade zur richtigen Zeit.

„Es gibt sicher viele Faktoren, die den A380 zu ei-

nem außergewöhnlichen Flugzeug machen”, meint die Emirates-Mitarbeiterin. Sein relativ geringer Kerosinver-

brauch bei einem Passagiervolumen von bis zu 863 Per-sonen sei nur ein Grund von vielen. Beispielsweise bietet der A380 Raum für Luxus: Ob ein fliegendes Spa oder eine Bar – auf einer Länge von etwa 50 Metern und einer Höhe von etwa 24 Metern ist vieles möglich.

DIE VISION:PLATZ FÜR BIS ZU TAUSEND PERSONEN

Emirates möchte die A380-Modelle schick ausstat-ten lassen. Auf einer Pressekonferenz bestätigte Emira-tes-Präsident Tim Clark sein Interesse an einer 900er-Ver-sion des A380. In dem könnten dann sogar bis zu 1000 Passagiere Platz nehmen. Doch das ist Zukunftsmusik.

Für den Moment gilt es, die Airbus-Erfolgsstory zu besiegeln. Weltweit liegen derzeit 234 Bestellungen von 17 Kunden für den A380 vor. Bis 2015 will Airbus wieder schwarze Zahlen schreiben. Die Prognosen für die Lufttfahrtbranche sind positiv. „Wir befinden uns in einem Wachstumsmarkt, der Weltflugverkehr wird sich alle 15 Jahre verdoppeln”, sagte Airbus-Chefverkäufer John Leahy auf der ILA.

DER NEUE ÜBERFLIEGER WO AUCH IMMER ER AUFTAUCHT, BLEIBEN DIE MENSCHEN STEHEN, RECKEN DIE HÄLSE UND ZEIGEN STAUNEND ZUM HIMMEL. KEIN ANDERES FLUGZEUG BEGEISTERT DIE MASSEN SO WIE DER A380. VON JULIA KUNZE

Julia KunzeRoth, 19 Jahre

Hat gerade ihr Abitur bestanden und fliegt auf Sonne, Sommer, Strand und Meer.

„DER A380 IST DAS FLAGGSCHIFF UNSERES

UNTERNEHMENS.“

Jan Giörtz und Thomas Sachs haben einen Blick in das Innere des Riesenvogels geworfen. Kilometerlang ziehen sich bunte Kabelstränge durch den Rumpf des Airbus A380. Fehlt die Verkleidung und liegen die Wände offen, offenbart sich dem fremden Auge ein undurchsichtiges System, das alle Teile des Flugzeugs mit dem Cockpit verknüpft. Das auf der ILA ausgestellte Flugzeug ist das dritte, das je gebaut wurde. Jeder möchte den A380 von Innen sehen, doch nur wenige bekommen die Chance. Diejenigen, die es geschafft haben, stehen staunend in der Kabine. Sie bietet den Passagieren an-derthalbmal so viel Fläche wie der Jumbojet Boeing 747.

Auf einer Testkonsole in der Mitte des Fliegers überwa-chen Ingenieure die Manöver, die der A380 während Test-flügen absolviert. Große graue Wassertanks simulieren mögliche Auslastungsvarianten. Einige Meter in Richtung Heck führt eine Wendeltreppe zum oberen Deck. Allein deren Entwicklung dauerte Monate. Genauso durchdacht ist das Evakuierungssystem über die 16 Türen: In einem Notfall gelangen alle Passagiere in weniger als 80 Sekun-den ins Freie.

Auf dem oberen Deck angelangt, sehen wir das Kugel-segment, das den Innenraum abschließt. Es dient dazu, den hohen Kabinendruck zu halten und die Passagiere von der Hilfsturbine abzuschotten. Diese versorgt das Cockpit mit Strom und betreibt die Klimaanlage, wenn das Flug-zeug steht. Prompt purzeln von oben kleine Eisstückchen aus den Belüftungsrohren. Endlich finden wir im Oberdeck auch einige Sitze. Am liebsten wollen wir uns niederlassen und noch etwas im Flugzeug bleiben.

ZU BESUCH IM A380

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Foto: Danilo Bretschneider

HAT DIE NASE VORN: DER A380 BEGEISTERTE AUF DER ILA DIE MASSEN.

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DEN MOTOR AM LAUFEN HALTEN IN DER ILA-WOCHE STRÖMEN RUND 250.000 FLUGBEGEISTERTE NACH BERLIN-SCHÖNEFELD. DAFÜR, DASS DIE GROSSMESSE REIBUNGSLOS VERLÄUFT, SORGEN 15.000 BESCHÄFTIGTE. VIER VON IHNEN MÖCHTEN WIR VORSTELLEN. VON PATRICIA SCHULZE

Absichern: 250.000 Besucher auf 250.000 Quadratmetern, 1153 Aussteller aus 49 Ländern, mehr als hundert Flugshows: Ohne Menschen, die hier für Sicherheit und Ordnung sorgen, könnte sicherlich schnell das Chaos ausbrechen. Kontrollinspektor Jürgen Fitzke, 62, aus Berlin-Charlottenburg schaut auf der ILA nach dem Rechten. Seit sechs Jahren hilft er den Gästen der ILA-Messe. Dank neongelber Warnweste ist er gut erkennbar. Mit 150 bis 300 Gästen hat er jeden Tag Kontakt. Besonders den Orientierungslosen greift er gerne unter die Arme. Rund ums Rollfeld muss er beson-ders aufmerksam sein: Bei vielen Luftfahrtbegeisterten ist der Wunsch, dem A380 mög-lichst nahe zu kommen, größer als der Respekt vor den Absperrungen.

Abfahren: Aussteller, Besucher und Medienvertreter haben oft nicht viel Zeit und mögen es bequem. Um sie schnell von A nach B zu bringen, wurde für die ILA ein eigenes Verkehrssystem entwickelt. Auf dem Gelände fahren mehrere Shuttlebusse. Ei-nen davon fährt Karola Seilz aus Berlin. „Der Zusammenhalt unter den Busfahrern ist hier ganz toll.“ Deshalb arbeitet sie gerne hier. Das gute Wetter der ersten Tage aber findet sie schrecklich. „Es gibt keine Klimaanlage im Bus. Schwitzende Fahrgäste sind meistens sehr gereizt.“ Auf die ILA verzichten möchte Seilz trotzdem nicht: Denn Bus-fahrerkumpane Hanfried Vogel ist Flugzeugfanatiker. Er hängt an der ILA. Allein schon wegen des Teamgeistes macht das Karola Seilz jetzt auch.

Abschmecken: Die Stimmung in der 24-Quadratmeter-Küche ist angespannt. Ob-wohl die Mitarbeiter des ILA-Caterers per Walkie-Talkie in ständigem Kontakt stehen, ist ihnen etwas durch das Raster gefallen. Das Putencurry ist weg, jetzt müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um es wiederzufinden. „Auch hier passieren Fehler – das ist menschlich”, erklärt Andreas Wernicke, Küchenchef der ILA. Er pendelt mit seinem City-Roller zwischen den drei Küchenstandorten auf der Messe. Der logistische Aufwand, der hinter den Speisen für mehrere hunderttausend Besucher steckt, ist im-mens. Sogar nachts wird für die ILA gekocht, was das Zeug hält.

Abführen: Für Bianca Nugel, eine echte Schönefelderin, ist die Messe ein Muss: Schon seit 1998 arbeitet die Polizistin immer wieder auf der ILA. Sie meldet sich frei-willig. „Solche Großeinsätze sind ein enormer Kraftaufwand und erfordern die Zusam-menarbeit verschiedenster Unterabschnitte der Polizei“, sagt sie. Dieses Jahr verlaufe recht entspannt. Trotz der Menschenmassen auf der ILA 2010 habe es noch keine grö-ßeren Vorfälle gegeben. „Wir Polizisten sind hier sehr präsent“, sagt Nugel. Das trage natürlich dazu bei, dass sich die Menschen ordentlich verhalten. Außerdem hätten die Besucher ja nur eines im Sinn: Flugzeuge.

Fotos: Martin Knorr

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FRISCH, FRUCHTIG, SELBSTGEPRESST

Als Veranstaltungszeitung, Maga-zin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politik-orange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwer-punkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.

POLITIKORANGE – DAS MULTIMEDIUM

politikorange wurde 2002 als Ver-anstaltungsmagazin ins Leben gerufen. Seit den Politiktagen gehören Kongres-se, Festivals und Jugendmedienevents zum Print- und Online-Programm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazi-ne: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Ham-burg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausge-strahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.

WIE KOMM’ ICH DA RAN?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland und als Beilagen in Ta-geszeitungen verteilt. Radiosendungen strahlen wir mit wechselnden Sende-partnern aus. Auf www.politikorange.de berichten wir live von Kongressen und Großveranstaltungen. Dort stehen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen im Archiv zum Download bereit.

WARUM EIGENTLICH POLITIKORANGE?

In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Ju-gendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Engagement – denn politiko-range ist frisch, fruchtig und selbstge-presst.

WER MACHT POLITIKORANGE?

Junge Journalisten – sie recher-chieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Rich-tung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfah-rene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Wer heiß auf‘s Schreiben, Foto-grafieren oder Mitschneiden ist, fin-det Informationen zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet unter der Adresse www.politikorange.de oder schreibt an [email protected]. Die fri-schesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.

IMPRESSUM

Diese Ausgabe von politikorange entstand auf dem ILA CareerCenter während der ILA Berlin Air Show 2010, die vom 8. bis 13. Juni 2010 in Berlin statt fand.

Herausgeber und Redaktion: politikorange - Netzwerk Demokratieoffensive, c/o Jugend-presse Deutschland e.V.,Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.deChefredaktion (V.i.S.d.P.): Barbara Engels ([email protected]), Kim Bode ([email protected])Redaktion: Nicole Wehr, Stephanie Roth, Patricia Schulze, Antje Clemens, Julia Kunze, Kristine Arndt, Laura Fricke, Stephan Haake, Thomas Sachs, Karl-Heinz Löser und Jan GiörtzBildredaktion: Martin Knorr (www.martin knorr.de), Danilo Bretschneider ([email protected])Layout: Sebastian Wenzel (www.sebastian wenzel.de)Projektleitung: Sebastian Serafin (s.serafin @jugendpressse.de)Auflage: 50.000 ExemplareDruck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH, Am Wasserwerk 11, 10365 Berlin

Besonderer Dank für die Unterstützung geht an den Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. und die Politikfabrik.

Das Titelbild machte heizmann-workfashion.de möglich. Vielen Dank.

Foto: Martin Knorr

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„WIR SIND NICHT DIE EINZIGEN MIT EINEM GEFÄHRLICHEM JOB” KOSOVO, AFGHANISTAN, PA-KISTAN: JÖRN OBERNDÖRFER HAT SCHON VIEL GESEHEN. MEISTENS VON OBEN. ER FLIEGT SEIT ZWANZIG JAHREN FÜR DIE BUNDESWEHR. EIN INTERVIEW VON KARL-HEINZ LÖSER

Herr Oberndörfer, Sie sind jahre-

lang in Afghanistan geflogen, zum Bei-spiel mit Transporthubschraubern. Wie haben Sie die Zeit dort empfunden? Es ist eine wahnsinnige Herausforde-rung, dort zu fliegen. Ob Tiefflüge über die Wüste oder Flüge über Hochgebirge, bei denen man Sauerstoffmasken anzie-hen muss – in Afghanistan wurden mir sämtliche fliegerischen Fähigkeiten abver-langt. Die Zeit war mit Sicherheit eine der ereignisreichsten, die ich erlebt habe.

Sind Sie auf einem Ihre Flüge mal

beschossen worden? Nein, zum Glück nicht. Aber die Situati-on in Afghanistan ist in den letzten Jah-ren sicherlich um einiges brenzliger ge-worden. Wir müssen bei Einsätzen immer damit rechnen, beschossen zu werden. Wir bewerten vor jedem Flug, wie viel Ri-siko wir mit diesem eingehen. Dann ent-wickeln wir Handlungsoptionen für alle möglichen Situationen, um das Risiko zu minimieren.

Sie sind nicht nur in Afghanistan unterwegs gewesen. Nach dem Erdbe-ben in Pakistan 2008 sind Sie humani-täre Einsätze geflogen. Ja, das war ein herausragendes Erlebnis für mich. In Pakistan waren wir in einer völlig anderen Situation als in Afghanis-tan. Wir sind nicht unter kriegsähnlichen Bedingungen geflogen. Das war ein rein humanitärer Einsatz. Da ist die Motivati-on eine ganz andere.

Was hat Sie in Pakistan besonders

beeindruckt? In vielen Dörfern waren wir die ersten, die nach dem Beben geholfen haben. Und das, obwohl wir teilweise erst zwei Wo-chen später eingetroffen sind. Die Men-schen dort haben eine wahnsinnige Dis-ziplin. Trotz des Elends, das sie erlebten, wirkten sie ehrgeizig und konzentriert. Auch wenn sie alle mindestens einen Fa-milienangehörigen verloren hatten – sie wollten ihr Leben wieder in den Griff krie-gen. Irgendwie konnten wir ihnen auch ein wenig dabei helfen. Das Schönste für mich, das war die Dankbarkeit in ihren Augen.

In Auslandseinsätzen riskieren Sie oft Ihr Leben – und das auf Befehl. Machen Sie immer das, was von Ihnen erwartet wird? Natürlich habe ich eine klare Position zu bestimmten Auslandseinsätzen. Die-se unterscheidet sich manchmal auch von dem, was ich machen muss. Aber für mich steht fest: Beruflich mache ich das, was mir aufgetragen wird. Wir sind nicht die einzigen, die einen gefährlichen Job machen. Ein Polizist in Deutschland, der morgens seinen Dienst beginnt, weiß ebenfalls nicht, was ihm im Laufe des Ta-ges erwartet. Das Risiko tragen sie immer mit – ähnlich wie wir.

SO ENTSPANNT KANN JÖRN OBERNDÖRFER AUF SEINEN AUSLANDSEINSÄTZEN NICHT IMMER LÄCHELN.

Foto: Martin Knorr

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MYTHOS TOMATENSAFT: EIN ÜBERIRDISCHES GETRÄNK ERDIG, MUFFIG, ABGESTANDEN: SO SCHMECKT TOMATENSAFT. ABER NUR AUF DEM BODEN. AN BORD WIRD DER ROTE BREI ZUM KULTGETRÄNK. VON DORIT KRISTINE ARNDT UND BARBARA ENGELS

Was wird nicht alles spekuliert: Tomatensaft helfe gegen Flugangst. Das Rühren und Stochern vertreibe die Langeweile bei einem Transatlantikflug, seine Aromen unterdrückten Übelkeit. Alles Humbug, wie das Fraun-hofer Institut für Bauphysik in Holzkirchen bei München herausgefunden hat. Tomatensaft schmeckt einfach rich-tig gut – zumindest an Bord. „In luftigen Höhen, wenn der Sauerstoffdruck gering ist, entfalten sich viele Aro-men des Tomatensaftes, die sonst maskiert sind,“ erklärt Andrea Burdack-Freitag, Aromachemikerin am Holzkir-chener Fraunhofer Institut. Was am Boden noch abge-standen und muffig schmecke, werde auf 10 000 Metern Reiseflughöhe als angenehm fruchtig und süß empfun-den.

WENIGER SÜSS,WENIGER SALZIG

Frau Burdack-Freitag muss es wissen: Sie unter-sucht seit zwei Jahren, wie sich die Geschmacks- und Geruchswahrnehmung bei niedrigerem Luftdruck in der Kabine verändert. In einem ausrangierten Flugzeugrumpf eines A310 der Armenian Airlines werden Flugbedingun-gen simuliert. Beim „Start“ ertönen passende Geräusche, die Sitze vibrieren und die Temperatur und Luftfeuch-tigkeit werden reguliert. Dann wird gegessen. Gewürzt oder weniger gewürzt, unter Normal- oder Unterdruck. 20 verschiedene Speisen seien auf diese Weise bereits getestet worden, sagte Burdack-Freitag. Das Ergebnis: „Zucker und Salz werden bei niedrigem Druck deutlich weniger wahrgenommen“, erklärte Burdack-Freitag. Das liege daran, dass die Rezeptoren, die Gerüche und Geschmacke empfangen sollen, wegen der niedrigeren Sauerstoffkonzentration im Blut nicht so leistungsfähig seien. „Deshalb schmecken die Gerichte, als seien sie rund 20 Prozent weniger gesalzen oder gesüßt, als dies wirklich der Fall ist.“ Nur Säure werde immer gleich ge-schmeckt. „Deshalb wirkt der Kaffee im Flugzeug auch immer bitterer als am Boden.“ Die süßen Elemente, die der schwarze Muntermacher normalerweise hat, schme-cken weniger süß, während die bitteren Elemente gleich bitter schmecken. Das heißt: Es braucht von allem etwas mehr – außer von Säure.

Eine wichtige Erkenntnis für den Chef des Luft-hansa Bord-Catering Ingo Bülow. „Das Phänomen, dass es an Bord anders schmeckt als am Boden, kennen wir bereits.“ In der Studie sollten Gesetzmäßigkeiten geprüft werden. „So können wir unsere Bordmenüs optimieren und sozusagen geschmacklich die letzte Kurve auch noch ausfahren”, sagt Bülow. Die Gerichte sollen so Schritt für Schritt ihre ideale Würze erhalten. Die Ergebnisse zeig-ten: „Durch das nuancierte Spiel mit Gewürzen können wir tatsächlich den Geschmack der Mehrheit der Passa-giere treffen”, so Bülow.

„TOMATENSAFT GEHÖRTZUM LIFESTYLE“

Aromachemikerin Burdack-Freitag warnt aber da-vor, das Konsumverhalten von Passagieren nur mit der veränderten Wahrnehmungsfähigkeit zu begründen. „Besonders die Beliebtheit von Tomatensaft lässt sich gerade auch durch einen bestimmten Lifestyle begrün-den.” Tomatensaft gehört einfach zum Fliegen dazu. Hat erst einmal ein Feinschmecker den roten Gemüsesaft auf seinem Ausklapptisch stehen, kommen auch andere Passagiere auf die Idee, mal wieder einen Tomatensaft zu trinken. Schließlich fliegt man ja nicht alle Tage. Und übrigens ist Tomatensaft auch nicht so harntreibend wie beispielsweise Bier.

AM BODEN VERSCHMÄHT, IN DER LUFT GELIEBT:

TOMATENSAFT SCHMECKT VOR ALLEM IN DER HÖHE

BESONDERS GUT.Foto: Martin Knorr