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Leben mit dem Fluss Hochwasser im Spiegel der Zeit Bayerisches Landesamt für Umwelt Umwelt Basis

Hochwasser im Spiegel der Zeit - fsperl.square7.ch

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Leben mit dem FlussHochwasser

im Spiegel der Zeit

Bayerisches Landesamt fürUmwelt

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ISBN 978-3-936385-29-8

Impressum

Leben mit dem Fluss

Hochwasser im Spiegel der Zeit

ISBN (Druck-Version): 978-3-936385-29-8 ISBN (Online-Version): 978-3-936385-31-1

Herausgeber:

Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU)Bürgermeister-Ulrich-Straße 16086179 AugsburgTel.: (08 21)9071-0Fax: (08 21)9071- 5556E-Mail: [email protected]:www.lfu.bayern.de

Bearbeitung/Text/Konzept:

Marco Bernhardt, Joerg Ernsberger,Josef Feuchtgruber, Bernd Grünwald,Karl Hafner, Karin Henning, Franz-KlemensHolle, Günter Hopf, Michael Klüpfel, Dr. Tobias Lang, Frank Pilhofer, Reinhard Prokoph, Carmen Roth, Ulrich Steigner, Hans Weber, Klaus Winklmair

Redaktion/Lektorat/Gestaltung:

Pro Natur GmbH, Frankfurt; www.pronatur.de LfU, Referat 12 u. 13StMUGV, Abteilung Wasserwirtschaft

Bildnachweis:

Siehe Seite 97

Titelbild:

Einsturz der Ludwigsbrücke bei Hochwasserin München 1813. Gemälde aus demStadtmuseum München, Künstler unbekannt.

Druck:

Kessler Druck + Medien GmbH, BobingenAuflage: 10 000 StückGedruckt auf Papier aus 100% Altpapier

Stand:

August 2008

Diese Druckschrift wurde mit großer Sorgfaltzusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennochnicht übernommen werden. Sofern in dieserDruckschrift auf Internetangebote Dritter hingewiesen wird, sind wir für deren Inhaltenicht verantwortlich.

BAYERN DIREKT ist Ihr direkter Draht zur Bayerischen Staatsregierung. Unter Tel. (01801) 20 10 10 (3,9 Cent pro Minute aus dem Festnetz der

Deutschen Telekom) oder per E-Mail unter [email protected] erhalten Sie Informationsmaterial und Broschüren, Auskunft zu aktuellen Themen undInternetquellen sowie Hinweise zu Behörden, zuständi-gen Stellen und Ansprechpartnern bei der BayerischenStaatsregierung.

Bildnachweis:

Abwasser- und Gewässerunterhaltungsverband Mittlere Regnitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 (Hr. Poprawa)Bauer, W., Obertraubling: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40lBayerisches Landesamt für Umwelt: . . . . . . . . . . . .48o, 51o + u (J. Ernsberger), 64o, 68r, 70u,

72l + r, 73mu, 90u, 92urBayerisches Landesvermessungsamt: . . . . . . . .43oBayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: . . . . . . . . . .92oFeuerwehr Kehlheim: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49luHagg, Johann: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86uHagg, Wilfried www.bayerische-gletscher.de: . .87Institut für Meteorologie: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88u (Hr. Sachweh)Landesbildstelle Südbayern: . . . . . . . . . . . . . . . .65oLeidorf, Klaus (www.leidorf.de): . . . . . . . . . . . . .42, 49o, 57MAGAZIN Bildagentur: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15, 93uMainfränkisches Museum, Würzburg: . . . . . . . . .18o, 20Markt Obernzell: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85mMuseen Stadt Regensburg: . . . . . . . . . . . . . . . . .6/7, 41o, 45m, 46Planungsreferat LHM München: . . . . . . . . . . . . .66m + uProkoph, R., Traunstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82ulRegierung von Unterfranken: . . . . . . . . . . . . . . . .14, 16o (Hansen, Würzburg)Schimpel, Christian (www.schimpel.de): . . . . . . .76Schinzler, München: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68rStadtarchiv Hof: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32o, 34u, 35ml + ulStadtarchiv Immenstadt : . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 (05-03-010), 75ol (A I 26-15),

75or (A I 26-15), 75ul (A I 26-25), 75ur (05-03-011), 77l (A I 26-15)

Stadtarchiv Passau: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52, 53uStadtbauamt Miltenberg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86oStadt Bad Kissingen, Archiv: . . . . . . . . . . . . . . . .10/11, 28o, 29or + ol + m + ur, 30o + luStadtmuseum München: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Titel, 4/5, 65m, 66oStadt Regensburg, Tiefbauamt: . . . . . . . . . . . . . .47 Stolz, Herbert, Regensburg: . . . . . . . . . . . . . . . . .37, 40r, 44WWA Aschaffenburg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17, 19 (aus Privatsammlung Dr. J. Lusin,

Würzburg), 21o, 22, 22, 23, 92 umWWA Bad Kissingen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30ur + 31ol (L. Rosentritt),

29ul (M. Rottenberger), 31or + m + u (K. Schubert), 90

WWA Deggendorf: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56, 8/9 + 84u + 85o (M. Fehrer), 84o (Schmeizl), 85ur (G. Jungbauer), 53o (H. Stolz), 54u + 55 (V. Ritter), 58 (L. Schaller)

WWA Donauwörth: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38lo + m, 41u, 60o, 61, 62, 63WWA Hof: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33o + m, 34o, 35or + urWWA Kempten: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73ol + or, 77m, 77u + 91 + 93o (A. Rieg)WWA Kronach: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92ulWWA Landshut: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13, 49mu + ruWWA Nürnberg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24o, 25, 26, 27WWA München: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65ur + ul, 67o, 67m + u (Joven)WWA Regensburg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36, 43u, 45o, 45u, 51m,

40u + 50 (Luftbildverlag Hans Bertram), WWA Rosenheim: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .78o + 79ol + 79om (H. Barnikel),

79u (M. Schaubächer),WWA Traunstein: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59o (J. Feselmeyer), 80o,

81ol + or (D. Schmid aus Archiv Markt Berchtesgaden), 81m, 81ul+ur (S. Ufertinger), 82o + ur + 83o (H. Maier), 83u (T. Dufter)

WWA Weilheim: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69, 70o, 71, 72m

Karten: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Pro Natur GmbH auf Basis der Daten des LfU, Topographische Grunddaten: Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung

Detailkarten Wildbäche: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Landesamt für Umwelt, Hof: 76, 79, 82, 85

Diese Druckschrift wird kostenlos im Rah-

men der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen

Staatsregierung herausgegeben. Sie darf

weder von den Parteien noch von Wahlwer-

bern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf

Monaten vor einer Wahl zum Zweck der

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für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- und

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Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevor-

stehenden Wahl darf die Druckschrift nicht

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einzelner politischer Gruppen verstanden

werden könnte.

Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift

zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu

verwenden.

Bayerisches Landesamt fürUmwelt

Leben mit dem FlussHochwasser

im Spiegel der Zeit

UmweltBasis

Bayerisches Landesamt für Umwelt 2

Vorworte

Liebe Leserin, lieber Leser!

Hochwasser sind Naturereignisse, diees immer gab und auch künftig immergeben wird. Sie können extreme Schä-den anrichten und sogar Menschenle-ben fordern. Nur Historiker werden dasvermutlich größte Hochwasser desletzten Jahrtausend am St. Magdalenen-tag des Jahres 1342 kennen. Die Hoch-wasser-Ereignisse der vergangenenJahre dagegen haben wir noch gut inErinnerung.

Die Menschen, darin sind sich die Fach-leute einig, haben im Lauf der Jahrhun-derte durch immer höherwertigereNutzungen am Gewässer das Ausmaßder Schäden mit verstärkt. Spätestensbei Hochwasser, wenn der Fluss mehrRaum beansprucht, werden die Konflik-te sichtbar – auf der einen Seite die Dynamik des Flusses, auf der anderenSeite die Landnutzungen durch denMenschen an scheinbar ungefährlichenUfern. Heute liegen in den Talauen –trotz der immer wiederkehrenden Hoch-wassergefahr – unsere bevorzugtenSiedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflä-chen. Die Experten prognostizieren,dass extreme Hochwasserereignisseinfolge des Klimawandels künftig sogarnoch häufiger auftreten werden. Men-schen, die sich bisher in Sicherheitwähnten, könnten auf einmal (wieder)gefährdet sein.

Sind wir den Naturgefahren schutzlosausgeliefert? Natürlich nicht! DerSchutz vor Naturgefahren ist gerade in Bayern schon seit vielen Jahren einwichtiges Anliegen, insbesondere derSchutz vor Hochwasser. Im Jahr 2001hat Bayern ein umfassendes integrier-tes Hochwasserschutz-Aktionspro-gramm 2020 mit einer Laufzeit von

20 Jahren und einem Gesamtinvesti-tionsvolumen von 2,3 Milliarden Euroaufgelegt. Hochwasserprobleme inte-gral im gesamten Flusseinzugsgebietzu betrachten und entsprechend ange-passte Lösungen – mit den Elementennatürlicher Rückhalt, technischer Hoch-wasserschutz und Hochwasservorsorge– zu erarbeiten, ist in Bayern gängigePraxis. Aufgrund des Klimawandels ha-ben wir bei Neuplanungen von Schutz-maßnahmen bereits einen zusätzlichenKlimaänderungszuschlag von 15% ein-geführt. Der Erfolg zeigt, dass das Kon-zept greift: Die Schäden beim August-hochwasser 2005 zum Beispiel warenmit 172 Millionen Euro nur halb sohoch wie bei dem von 1999 – trotz wesentlich höherer Pegelstände anIsar und Inn! Wir sind mittlerweile besser gegen Hochwasser geschützt.Dennoch müssen wir uns stets im Klaren sein, dass es nie einen hundert-prozentigen Schutz gegen diese Natur-gewalt geben kann und jeder auch per-sönlich vorsorgen muss.

Allerdings geraten die durch Hochwas-ser angerichteten Schäden und persön-liches Leid allzu schnell in Vergessen-heit. Je länger Schadensereignissezurückliegen, desto geringer ist die Rolle, die sie im gesellschaftlichen Be-wusstsein spielen. Das ist bedauerlich,weil damit der „Respekt“ vor demHochwasser verloren geht und damitdie Chance, sich rechtzeitig zu schützen.Oft genügt jedoch ein kurzer Blick indie Vergangenheit, um die Erinnerungund das Bewusstsein um die Gefahrendurch Hochwasser wach zu halten. Wider das Vergessen und für nachhalti-gen vorausschauenden Schutz unsererBürgerinnen und Bürgern – dies ist dasAnliegen der vorliegenden Broschüre.

Dr. Marcel Huber, MdLStaatssekretär

Dr. Otmar Bernhard, MdLStaatsminister

Bayerisches Landesamt für Umwelt 3

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Die Natur kennt keine Katastrophen.Katastrophen kennt allein der Mensch“– dieser Satz von Max Frisch gilt beson-ders für Hochwasser: Denn die Naturist Hochwasser gewohnt – und wichti-ge Lebensräume wie Auwälder brau-chen es sogar. Aber für den Menschensteigen die Schäden, denn er baut seineSiedlungen und Straßen immer näheran die Flüsse heran. Allein in Bayernhaben Hochwasser in den letzten Jah-ren Schäden in dreistelliger Millionen-höhe angerichtet. Weltweit verursachtHochwasser sogar rund ein Drittel allervolkswirtschaftlichen Schäden, die durchNaturkatastrophen entstehen. Dabeihat sich das Ausmaß der Schäden beiähnlichen Hochwässern in den letztendreißig Jahren verdoppelt – aus einemsimplen Grund: Wo früher Vorratskellerwaren, stehen heute hochwertige Elek-trogeräte wie Waschmaschinen undComputer oder die Keller werden alsTiefgaragen und Steuerungszentralenvon Betrieben und Unternehmen ge-nutzt.

Heute sind die Zeiten vorbei, in denenregionale Gruppen gegen den Hochwas-serschutz mobil machten, mit Sloganswie: „Wir wollen nicht 1000 Jahre ein-gemauert sein – nur um einmal nichtnass zu werden!“. Dennoch muss imBewusstsein noch mehr verankert wer-den, dass mit Hochwasser jederzeit zu rechnen ist, denn die Sicherheit derwasserarmen Zeiten ist trügerisch.Flüsse nehmen keine Rücksicht aufNutzungen in ihrem Auslaufrevier, sielassen sich nicht zähmen und Hoch-wasser ist als Extremereignis nicht vor-hersagbar. Die vielleicht größte Gefahrgeht deshalb von der „Halbwertzeitdes Vergessens“ aus: Ist das Hoch-

wasser erst einmal abgeklungen, istauch die Gefahr bald wieder vergessenund die Bauvorhaben in Überschwem-mungsgebieten sind nicht mehr tabu.Das nächste Hochwasser kann dannwieder dieselbe zerstörerische Gewaltentfalten.

Unser Anliegen ist es, das Bewusst-sein für die Hochwassergefahren aufrecht zu erhalten und zu stärken. Diese Broschüre portraitiert daher fastein Dutzend Städte im Main- und imDonaugebiet, die immer wieder über-schwemmt wurden. Historische Archiv-dokumente lassen durch Stiche, alteFotos, Pläne und Chroniken fast 1000Jahre Hochwassergeschichte wiederlebendig werden. Daneben kommtauch die Gegenwart nicht zu kurz: Die Fragen des aktuellen Hochwasser-schutzes werden ebenso angespro-chen wie die Hochwassergefahr an alpinen Wildbächen. Ein Blick auf denKlimawandel und seine Auswirkungenrundet das Thema ab.

Liebe Leserinnen und Leser, die vorge-legte Broschüre ist eine Fundgrube füralle historisch Interessierten. Zugleichist sie eine deutliche Warnung: Hoch-wasser hat es immer gegeben undwird es immer geben, denn Hochwas-ser ist ein Naturereignis und lässt sichnicht verhindern. Entscheidend ist je-doch, wie wir damit umgehen. Damitaus Naturereignissen keine Katastro-phen werden.

Prof. Dr.-Ing. Albert GöttlePräsident

Bayerisches Landesamt für Umwelt4

Hochwasser ist ein Prozess der Bio-sphäre wie Ebbe und Flut oder auchTrockenzeit und Regenzeit. Hochwas-ser sind Naturphänomene eines sichselbst regulierenden Systems, dasdurch komplexe Vernetzungen und deren Auswirkungen eine ständigeFortentwicklung des Lebens in seinerVielfalt fördert. Hochwasser haben fürdieses System in ursprünglichen Land-schaften eine entscheidende Bedeu-tung. Überschwemmungen erreichenund verändern weite Flächen, fördernihre Fruchtbarkeit und schaffen Lebens-räume für unzählige Arten, die hier ihreÜberlebensnische finden.

Flüsse sind rund um den Globus wich-tige Lebensadern der Landschaft undGeschichtsschreiber der menschlichenKultur. Lange war das Leben mit demFluss und am Fluss eine gute Symbio-se zwischen den natürlichen Bedürfnis-sen des Flusses und den Bedürfnissendes Menschen. Flüsse boten fast alles,was man brauchte: Trinkwasser undNahrung, Arbeit und Geld. Doch jemehr man dem Fluss an seine Uferrückte, desto weniger war sein Über-schwemmungsdrang willkommen.

Main und Donau sind hierfür gute Bei-spiele. Ihre Bedeutung für Handelsakti-vitäten ließ die Herrschenden aller amFluss gelegenen Territorien nach einemHafen, nach einem Standort am Flussgieren. Die Orientierung nach demFluss und nach der Macht ließ die Sied-lungen bis zum Uferrand wachsen unddamit den natürlichen Ausuferungs-drang des Flusses erheblich einschrän-ken. Vermeintlich einschränken! Denn ein Fluss kann keine Rücksichtauf Nutzungsformen in seinem ange-stammten Auslaufrevier nehmen. Er muss überschwemmen.

Leben mit dem Fluss – Schicksal oder Chance?

Einsturz der Ludwigsbrücke in München 1813.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 55

Katastrophen wie das Hochwasser amMagdalenentag 1342 oder das verhee-rende Hochwasser am Main von 1784waren Ereignisse, die viele Menschen-leben kosteten und riesige Schäden anrichteten. Die historischen Aufzeich-nungen dokumentieren, dass fast jedeGeneration schmerzhafte Erfahrungenmit Überschwemmungen machte.Dies reicht bis in die Gegenwart. Die jüngsten Hochwasserereignisse1999, 2002 und 2005 haben sich in das Gedächtnis eingeprägt.

Die Lebensspanne des Menschen istjedoch kurz im Verhältnis zu Ereignis-sen, die zwar dramatisch sind und mitviel persönlicher Betroffenheit einher-gehen, aber so selten, dass sie nurjede zweite oder dritte Generation treffen. In der Vergangenheit hat derMensch daher immer wieder versuchtam scheinbar ungefährlichen Flussuferzu siedeln. Mittlerweile ist unsereWahrnehmung durch Geschichts-schreibung und statistische Daten geschärft.

Und so erleben und verstehen wir gerade, dass mit zunehmender Erwär-mung mehr Hochwasser einhergehen,darunter einige besonders große Hoch-wasser in den letzten Jahren. Aus derGeschichte zu lernen und sie für unse-re heutigen Herausforderungen nutzbarzu machen, ist die Aufgabenstellungfür die Wasserwirtschaft und alle, dieam und mit dem Fluss leben. Die vorliegende Broschüre soll hierzuBilder, Daten und Zahlen liefern.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 6

„Da rollte der Schnee von den BergenDem Ufer entschwollen die StrömeDie Wolken zergingen im RegenDie Wiese schlug Wellen.“Heinrich von Kleist

Eishochwasser bei Regensburg, am 12. Februar 1893.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 7

Bayerisches Landesamt für Umwelt 8

„Doch die Elemente hassen das Gebild der Menschenhand.“Friedrich Schiller

Hochwasserschaden bei Obernzell, Niederbayern im August 2002.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 9

Bayerisches Landesamt für Umwelt 10

„Die Natur versteht gar keinen Spass, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge; sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer die des Menschen.“Johann Wolfgang von Goethe

Hochwasser im Kurbereich Bad Kissingens, Januar 2003.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 11

Miltenberg

Karlst

Lindau

Aschaffen-burg

Lohra. Main

Bayerisches Landesamt für Umwelt 12

Inhalt

Hochwasser an Main und Elbe

Hochwasser an der Donau

Hochwasser der Wildbäche

Bayerische Landesgrenze

Europäische Hauptwasserscheide

Einzugsgebietsgrenzen

Beispielorte für Hochwasser in Bayern

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Leben mit dem Fluss – Schicksal oder Chance? . . . . . . . . . . . . . 4

Überfluss im wasserarmen Norden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

� Würzburg – der Main als ungebetener Gast der Residenzstadt . . . . . . . . . . 18� Nürnberg – eine Stadt als Nadelöhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24� Bad Kissingen – heute gut geschützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28� Hof – Stadtgründung über dem Hochwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

An der schönen braunen Donau… . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

� Regensburg in der Traufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44� Kloster Weltenburg – Gotteshaus und Wasserhölle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48� Kallmünz – alles in trockenen Tüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50� Passau – Chronologie der Schrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52� Die Salzach – eine „rechte“ Schwester des Inns – und die Stadt Burghausen 59� Donauwörth – das „kleine Venedig“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60� München: Die Isar – schön und schrecklich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

In Minuten vom Rinnsal zur Sintflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

� Immenstadt – große Gefahr aus kleinem Einzugsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . 74� Bad Feilnbach – der Jenbach als Steinträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78� Berchtesgaden – Markt mit drei Wildbächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80� Obernzell – alpine Szenarien in Niederbayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Klimawandel und Hochwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Leben mit dem FlussHochwasser im Spiegel der Zeit

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Neustadtb. Coburg

Würzburg

BAYREUTH

ANSBACH

AUGSBURG

LANDSHUT

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München

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Bad Kissingen

Bad Neustadt a. d. Saale

Haßfurt

Lichtenfels

Forchheim

Kronach

Kulmbach

Wunsiedel

Tirschenreuth

Neustadt a. d.Waldnaab

Schwandorf

Lauf a. d.Pegnitz

Roth

Neustadta. d. Aisch

Weißenburg i. Bayern

Cham

Regen

Deggendorf

Freyung

Kelheim

Dingolfing

Pfarrkirchen

ErdingMühldorfa. Inn

Altötting

Ebersberg

Freising

Weilheim i. OB.

Starnberg

Bad Tölz

Miesbach

Traunstein

BadReichenhall

Garmisch-Partenkirchen

Eichstätt

Neuburga. d. Donau

Dillingen a. d. Donau

Günzburg

Neu- Ulm

Mindelheim

Markt-oberdorf

Landsberga. Lech

Sonthofen

Fürstenfeld-bruck

Pfaffenhofen a. d. Ilm

Aichach

Dachau

Donauwörth

Neumarkt i. d. Opf.

Hof

Weideni. d. Opf.

Passau

Kempten(Allgäu)

Memmingen

Kaufbeuren

Nürnberg

Schwabach

Fürth

Erlangen

Bamberg

Coburg

Amberg

Ingolstadt

Schweinfurt

Straubing

Selb

Marktredwitz

Sulzbach-Rosenberg

Herzogen-aurach

Nördlingen

Krumbach (Schwaben)

Moosburga.d. Isar

Burghausen

Waldkraiburg

Traunreut

Schongau

Peißenberg

Geretsried

Rosenheim

Kolbermoor Freilassing

Füssen

Stein

Zirndorf

Rothenbacha. d. Pegnitz

Feucht

Gauting

Rothenburgob. der Tauber

Weltenburg

Kallmünz

Immenstadt

Bad Feilnbach

Berchtesgaden

Obernzell

Bayerisches Landesamt für Umwelt 13

Main/Elbe Donau Wildbäche

Bayerisches Landesamt für Umwelt 13

Pegel Würzburg: Jahreshöchstabflüsse 1826 - 2007 in m3/s.

Der Schiffahrt diente der Main schonimmer als Wasserstraße. Ursprünglichwar er aber nur bedingt nutzbar, dasein natürliches Flussbett zu flach unddie durchschnittliche Wasserführung zugering waren. Erst die Mittel- und Nied-rigwasserkorrektionen ab circa 1820engten das Flussbett so weit ein, dasssich für die damalige Schifffahrt eineausreichende Wassertiefe ergab. Dieheutige Leistungsfähigkeit entstand,als von 1921 bis 1962 der bayerischeMain durchgängig von Aschaffenburgbis Bamberg für die Schifffahrt und zurNutzung der Wasserkraft ausgebautwurde. Insgesamt 34 Staustufen, da-von 28 in Bayern, machen den Mainheute auf einer Länge von 396 km zueinem Teil der internationalen Schiff-fahrtsverbindung zwischen der Nord-see und dem Schwarzen Meer.

Das Einzugsgebiet des Mains gliedertsich in drei große, recht unterschied-liche Teilgebiete (siehe Karte S. 16):

Oberer Main

mit den Haupteinzugsgebieten Roter und Weißer Main sowie Itzund Rodach (3 820 km2) und raschentstehenden steilen Hochwassern

Regnitz

mit den Haupteinzugsgebieten Rednitz, Pegnitz, Wiesent und Aisch(7536 km2) und langsam anlaufendenHochwassern von längerer Dauer

Unterer Main

unterhalb des Zusammenflussesvon Oberem Main und Regnitz beiBamberg (8 378 km2) mit Hochwas-sern, die sehr stark vom OberenMain und der Regnitz geprägt sind,und den weiteren Fließweg ohnegrößere Veränderungen durchlaufen

Das Maingebiet

Das Einzugsgebiet des Mains umfasst27 200 km2, davon 23 300 km2 in Bayern.Zusammen mit dem Roten Main be-trägt seine Gesamtlänge 527 km. Er ist nach der Mosel der zweitgrößteZufluss des Rheins und der längsteFluss, der ganz in Deutschland liegt.

Der Main und sein Tal prägen auf mehr als 300 km – von Bamberg bisAschaffenburg – das LandschaftsbildFrankens. Hier liegen die großen Sied-lungs- und Industriestandorte. Entspre-chend vielfältig sind die Aufgaben undErwartungen, die an das Tal und seinenFluss auf engem Raum gestellt werden:Schifffahrt und Energiegewinnung, Sied-lungen, Gewerbe- und Industriegebie-te, Verkehrswege, Freizeitanlagen undintensive Landwirtschaft.

Gemessen an den übrigen GebietenBayerns ist das Maingebiet ausgespro-chen wasserarm. Das natürliche Wasser-dargebot beträgt nur rund ein Dritteldes bayerischen Donaugebiets.

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Hochwasser an Main und Elbe

Überfluss im wasserarmen Norden

Der Main bei Miltenberg.

1826

1830

1834

1838

1842

1846

1850

1854

1858

1862

1866

1870

1874

1878

1882

1886

1890

1894

1898

1902

1906

1910

1914

1918

1922

1926

1930

1934

1938

1942

1946

1950

1954

1958

1962

1966

1970

1974

1978

1982

1986

1990

1994

1998

2002

2006

Abfluss in m3/s

2000

1500

1000

500

0

Bayerisches Landesamt für Umwelt 15

Main/Elbe Donau Wildbäche

Hochwasser am Main

Entstehung

Wie sich die Hochwasserwelle im Unteren Main aufbaut und wieder ab-schwächt, hat ganz wesentlich damitzu tun, was ihr der Obere Main und/oder die Regnitz zuliefern. Hochwasseraus dem Obermaingebiet ist in allerRegel eine Folge heftiger lokaler Nie-derschläge und kann sehr rasch zuFlutwellen auflaufen. Die breiten Tal-räume des Regnitzgebietes dagegenwirken dämpfend, weil sie selbst gro-ße Wassermengen aufnehmen undnur langsam wieder abgeben. Wegender Größe ihres Einzugsgebietes kanndie Regnitz größere Hochwasserfüllenmit längerer Dauer bringen.

Hochwasservorwarnzeiten

Bei langen Gewässern mit großen Ein-zugsgebieten wie dem Main bleibt biszur Überschwemmung vor Ort meistausreichend Zeit, um Schutzmaßnah-men zu treffen. Für die 126 km vom

Pegel Trunstadt (nach Einmündung der Regnitz) bis zum Pegel Würzburgbraucht ein Hochwasser etwa 1,5 bis 2 Tage, für die 286 km bis zum PegelObernau (bei Aschaffenburg) etwa 2,5 bis 3 Tage.

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Hochwasser an Main und Elbe

Am Unteren Main bleibt dem Fluss immer weniger Platz sich auszubreiten.

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Bayerische Landesgrenze

Europäische Hauptwasserscheide

Einzugsgebietsgrenzen

Pegelstandorte (Auswahl)

Hochwasserrelevante Einzugsgebieteaußerhalb der bayerischen Grenzen

Einzugsgebiet von Main und Elbe in Bayern

Regnitz

BayerischesElbegebiet

Oberer MainUnterer Main

Große Hochwasser im Maingebiet

Außergewöhnliche Hochwasser sindkeine Erscheinungen der Gegenwart.Eintragungen in Chroniken und Kirchen-büchern sowie historische Hochwas-sermarken an Gebäuden vermitteln einen guten Eindruck davon, was Wassernot über die Jahrhunderte bedeutete.

Auffällig ist, dass die alten Siedlungs-kerne selten größere Hochwasserpro-bleme hatten: Gefährdete Gebiet wur-den in der Vergangenheit erst gar nichtbesiedelt. Hochgefährdet sind heuteüberwiegend im 20. Jahrhundert be-baute Flächen, als die wachsende Bevölkerung und die Industrie immermehr Platz beanspruchten.

Im 19. Jahrhundert begann man in Bayern, die Wasserstände regelmäßigzu beobachten und zu dokumentieren.Am Unteren Main werden zum Beispieldie Pegel Würzburg und Schweinfurtseit 1900 kontinuierlich aufgezeichnet,am Oberen Main der Pegel Kemmernseit 1931 und an der Regnitz der PegelPettstadt seit 1923.

Meist sind es unterschiedliche, regionalbegrenzte Ereignisse, die in den Fluss-systemen von Main und Donau Hoch-wasser auslösen; in der Statistik findensich also häufig entweder Main- oderDonauhochwasser. Wenn allerdingsGroßwetterlagen zu Niederschlägen aufsehr großen Flächen führen, entstehenauch flächendeckende Hochwasser, diealle Einzugsgebiete betreffen und meistkatastrophale Folgen haben. So zumBeispiel die großen Hochwasser derJahre 1342 (Magdalenenhoch-

wasser), 1709 und 1784. Insbe-sondere das große Sommerhochwasservon 1342 , das vermutlich größte ge-schichtlich belegte in Mitteleuropa, hin-

terließ in allen Flussgebieten verheeren-de Spuren, gestaltete die Landschaftum, vernichtete die gesamte Ernte undlöste eine Hungersnot aus.

Das Einzugsgebiet der Elbe

Der bayerische Anteil am Elbeeinzugs-gebiet ist mit 1 850 km2 sehr klein. Daskristalline Grundgebirge, eine geologi-sche Formation, in der es sehr wenigGestein gibt, welches größere MengenWasser speichern kann, bildet den Un-tergrund dieser Mittelgebirgslandschaftim Nordosten Bayerns. Geprägt wirddie Region von Frankenwald und Fich-telgebirge und deren Talräumen. Zu-sammenhängende Waldgebiete in denhängigen Lagen wechseln sich ab mitWiesen und Äckern auf den Hochflä-chen und in den ebenen Tälern.

Die bedeutendsten Flüsse – Saale und Eger – entspringen im Fichtelgebir-ge. Östlich von Tirschenreuth im Stift-land beginnt die Wondreb ihren Lauf.Bis sie die Landesgrenze erreichen, legen die Flüsse und Bäche oft nur wenige Kilometer zurück.

Die Wasserkraft der Bäche wurde tra-ditionell in Mühlen und Hämmern undzum Flößen des Holzes genutzt. Regel-mäßig nach der Schneeschmelze, aberauch nach starken Gewitterregen, tra-ten sie über die Ufer und überflutetenmehrfach im Jahr die Talauen. Wegender kurzen und zum Teil sehr steilenFließwege liefen die Hochwasser sehrschnell an, waren aber auch in kürze-ster Zeit wieder abgeklungen.

Neben vielen kleinen Städten und Ge-meinden bilden Hof und Marktredwitzdie Siedlungsschwerpunkte. Als im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundertsder Siedlungsdruck und der Platzbedarfzunahmen, siedelten sich in den schma-len, ebenen und einfach zu erschließen-den Talauen Industrie und Gewerbe anund weiterer Wohnraum entstand. Nunwaren die Menschen dort regelmäßigmit Hochwasser und seinen Folge-schäden konfrontiert, versuchten sichgegen die Launen der Natur zu wehren.So wurden beispielsweise Flussläufeverlegt oder kleine Schutzmauern und -dämme errichtet. Erst in der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts nahmengrößere Hochwasserschutzmaßnah-men, wie in der Stadt Hof, Gestalt an.

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Historische Mainhochwasser – visualisiert am Theoderichstor in Aschaffenburg.

Main/Elbe Donau Wildbäche

te, sogar aus den Gipfeln der Berge, ...und über die Mauern der Stadt Kölnfuhr man mit Kähnen ... Donau, Rheinund Main... trugen Türme, sehr festeStadtmauern, Brücken, Häuser... unddie Bollwerke der Städte davon. ... unddie Schleusen des Himmels waren offen, und es fiel Regen auf die Erdewie im 600. Jahre von Noahs Leben, ...ereignete es sich in Würzburg, daßdort der Main mit Gewalt die Brückezertrümmerte und viele Menschenzwang, ihre Behausungen zu verlassen.“

1413 Main

„Item ze Wirczpurg (Würzburg) komdaz wasser in der nacht, do die lewtslieffent; do war der Men (=Main) alzgroz, daz all keler vol wurden,... et tetdaz wasser grossen schaden über all...item ez gedacht kein mensch in 40oder in 50 iaren keine größern wasser...

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Würzburg – der Main als ungebetener Gast der Residenzstadt

„... und hinterließ im Main-viertel einen Hauch von Lagunenstadt.“

Man muss es sich immer wieder klarmachen: Hochwasser sind keine neueErscheinung, sondern es gab sie schonimmer in der Geschichte der Mensch-heit – mit Toten und teilweise immen-sen Sachschäden an Bauwerken undGütern.

Das vermutlich größte geschichtlichbelegte Hochwasser in Mitteleuropa istdas Hochwasser am St. Magdalenen-tag (21. Juli) im Jahr 1342, das auch imMaingebiet zu großen Überschwem-mungen geführt hat. Von einigen dergroßen Hochwasserereignisse vergan-gener Jahrhunderte sind dramatischeSchilderungen überliefert (Auszüge ausden Quellentexten zur Witterungsge-schichte von Weikinn):

1342 Main

(St. Magdalenentag)

„...In diesem Sommer war eine so gro-ße Überschwemmung der Gewässerdurch den ganzen Erdkreis unsererZone, die nicht durch Regengüsse ent-stand, sondern es schien, als ob dasWasser von überall her hervorsprudel-

Hochwasser in Würzburg

Das Einzugsgebiet des Main bis Würzburg.

Hochwasser 1784 in Würzburg.

Hydrologische Daten des Mains

bei Würzburg

Einzugsgebiet 13 996 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 56,2 m3/s

Mittlerer Abfluss 122 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 696 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 2000 m3/s

Abfluss bei HW 1845 2170 m3/s

Würzburg

Pegnitz, Nürnberg: ... do ward ze Nüren-perg die Begicz alz groz, daz daz was-ser gieng gen unsser frawen auffher,...“

1546 Main

Würzburg: „ ...fing der Main an zu stei-gen und stieg so hoch, daß er bis andas Schodershaus auf dem Markteging; diese Überschwemmung that al-lenthalben villen Schaden.“

1551 Main

Würzburg, Kitzingen, Ochsenfurt,Schweinfurt: „... ist zu Wirtzburg unddaselbst umher ein sehr grosser Regenmit Donner und Blitz eingefallen, daßder Mayn zusehens gewachsen, kleineBäch dermasen angeloffen, als wannes grosse Ströhm wären, dadurch anAeckern und Wiesen, Weingärten, Gebäuden und anderen großer Schadgeschehen.“

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Hochwasser 1909 im Würzburger Mainviertel.1709 Main

Würzburg, Kitzingen, Ochsenfurt: „Es liesse die Kälte wieder nach, folge-te ein Regen-Wetter bey 4. Täg, wobeyder Mayn aufgangen, und sich also er-gossen,... Was das Wasser für Scha-den... gethan habe,... ist nicht zu be-schreiben.“

Der Verkehr in der Burkarderstraße war MitteJanuar 1920 nur mittels Schelch zu bewältigen.Das Ereignis war Fotos wert, die als Ansichts-karten in Umlauf kamen und nebenbei sonstkaum Fotografiertes wiedergeben – wie imMittelgrund das alte Haus der Fischerzunft.

An den tieferen Stellen reichte das Hoch-wasser von 1909 bis zum ersten Stock. Die Häuserzeile links endete mit dem Gast-haus „Zur Goldenen Gans“ vor dem Spitäle.

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Hochwasser in Würzburg

Städtebauliche Entwicklung inWürzburg

Würzburg wurde schon früh als guterSiedlungsplatz entdeckt; schon vor3000 Jahren gab es hier eine keltischeFliehburg. Neben dem angenehmentrocken-warmen Klima förderten natur-räumliche Faktoren die Stadtentwick-lung. Noch heute ist die Gunst des Ortes augenfällig: Im Bereich der rechts-mainischen Altstadt bildet der in einerehemaligen Mainschleife freigelegteUntere Muschelkalk einen hochwasser-freien Sockel, der seit jeher über eineFurt zugänglich war. Auf ihm liegt derzentrale und älteste Teil der Stadt.

Würzburg, 704 erstmals urkundlich er-wähnt, wurde 742 Sitz des von Bonifa-tius gegründeten Bistums. Die mittelal-terliche Stadtmauer dürfte um das Jahr1000 entstanden sein, die Burg auf demMarienberg links des Mains etwa 200Jahre später. Ab der Mitte des 13. Jahr-hunderts ist die Ummauerung des links-mainischen „Mainviertels“ dokumen-tiert. Um die gleiche Zeit wurde auchdie südliche Vorstadt in die Stadtbefes-tigung einbezogen.

In die erste Hälfte des 14. Jahrhundertsfällt die 2. Stadterweiterung mit der Um-mauerung der Vorstädte im Norden undOsten. Anfang des 15. Jahrhundertsschließlich wurde dann die innere Stadt-befestigung (um die Altstadt herum)durch den Bau der Zwingeranlagenochmals verstärkt.

Würzburg, das im Zuge der napoleoni-schen Kriege 1802 schon einmal vonbayerischen Truppen besetzt war, wur-de nach einem kurzen Zwischenspielals selbständiges Großherzogtum 1814endgültig bayerisch. In der 1. Hälftedes 19. Jahrhunderts stagnierte dieEntwicklung der Stadt.

Nach der endgültigen Aufhebung derFestungseigenschaft und nach demKrieg von 1870/71 begann eine dyna-mische Entwicklung der Bevölkerungund der Stadt, verbunden mit erhebli-chen Eingriffen in der Kernstadt. In der1. Hälfte des 20. Jahrhunderts verliefdann die bauliche Entwicklung im we-sentlichen außerhalb des Festungs-rings am Stadtrand und in den Vororten.Mit der fast vollständigen Zerstörung

der Stadt durch einen britischen Luft-angriff am 16. März 1945 begann danndie Entwicklung des heutigen moder-nen Würzburg.

Die alte historische Stadt war, soweitman das den Überlieferungen entneh-men kann, kaum vom Hochwasser betroffen. Probleme ergaben sich erstmit der Bebauung der tiefer liegendenVorstädte und der Auffüllung tiefer lie-gender Mulden in der Stadt, welcheden alten Gewässerrinnen von Plei-chach und Kürnach die Vorflut nahmen.Erst durch eine immer stärkere Veren-gung des Mains infolge von Uferaus-bau und Neubau von Kaianlagen sowiedurch Mauerdurchbrüche entlang desMains kam es zu einer Hochwasserge-fährdung der Stadt Würzburg.

Würzburg um 1550 (Bild oben) und 1750.Rekonstruktionszeichnung von Franz Seberich, Mainfränkisches Museum Würzburg.

Buhnenköpfe mit durchgehenden Leit-werken die zum Teil noch heute vorhan-denen Buhnenfelder. In den Durchsti-chen und oberhalb davon kam es auf-grund des größeren Gefälles zu teilwei-se erheblichen Sohleintiefungen. Die-se Tendenz kam erst mit dem Bau derStaustufen in den 70er Jahren des 20.Jahrhunderts zum Stillstand.

Die Korrektionsarbeiten erfuhren einenAufschwung durch den Bau des Lud-wig-Donau-Main-Kanals (um 1830) unddie Einführung der Dampfschifffahrt(um 1840). Der nächste Eingriff in dasFlussbett erfolgte 1845/46 mit demBau des Dampfschifffahrtshafens, wel-cher mit Hafenbecken, Schutzmauernund mainseitigen Dammschüttungen ein Hindernis für den Hochwasserabflussdarstellte. Bereits 1861 gab man des-halb den Hafen wieder auf und besei-tigte ihn.

Aus dieser Zeit stammen auch die er-sten Mainpegel. Als man in Würzburg1823 mit den regelmäßigen Pegelbe-obachtungen begann (der Pegel selbstist älter), umschloss noch der mächtigebarocke Befestigungsgürtel die Stadt.

Im Zuge der Entfestigung der StadtWürzburg 1871 wurden massive Ufer-auffüllungen und Vorschüttungen vor-genommen, welche sich insbesondereauf die höheren Wasserstände aus-wirkten. Unterhalb der Pleichachmün-dung entstand 1874 - 77 der heutigeAlte Hafen. Seit 1896 - 98 schützt eineweit vorgeschobene Kaimauer das lin-ke Mainufer vor Hochwasserangriffen.

Nachdem bisher nur die „Alte Main-brücke“ („Steinerne Brücke“ von 1133)als einziger Flussübergang existierte,war 1886 - 88 in Fortsetzung der neuenRingstraße zur Zellerau eine weitereBrücke über den Main notwendig ge-worden – die Luitpoldbrücke (heuteFriedensbrücke). 1896 - 98 folgte dieLudwigsbrücke (Löwenbrücke) im Süden der Stadt.

Zur Vergrößerung der Fahrwassertiefenwurden in den folgenden Jahrzehntenim Zuge des Ausbaus des Mains zurGroßschifffahrtsstraße immer wiederFahrrinnenbaggerungen vorgenommen,so 1900, 1937/38, 1948 - 54 und1988/89.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Blick von der Steinburg auf den alten Hafen von Würzburg.

Flussbauliche Entwicklung in Würzburg

In frühgeschichtlicher Zeit floss derMain noch in einem unregelmäßigenund aufgrund seiner Geschiebeführungstark veränderlichen Bett. Da die An-wohner bestrebt waren, den ursprüng-lich dynamischen Flusslauf festzulegen,bestand bereits ab dem Spätmittelalterin weiten Bereichen ein Uferschutz mitPfahlbauten, Faschinen und Dämmen.

In den 20er Jahren des 19. Jahrhun-derts ging man zur Verbesserung derSchifffahrtsverhältnisse zunächst da-ran, mit dem Bau von Durchstichen dieFlusswindungen des Mains zu beseiti-gen und an kritischen Stellen die Breitedes Flusses durch Buhnen einzuschrän-ken, um eine größere Fahrwassertiefezu erreichen. In den 1850er Jahren ent-standen dann durch die Verbindung der

Entwicklung von Naturraum und Topographie des Würzburger Siedlungsraums (aus „Geschichte der Stadt Würzburg“, KonradTheiss Verlag, Rekonstruktion: Herold 1965).

Hochwasserschutz in Würzburg

Die rechtsmainische Altstadt von Würz-burg, ein städtebaulich und denkmal-pflegerisch sehr sensibler Bereich, wirdvom Hochwasser am meisten bedroht.Betroffen sind bei einem 100-jährlichenHochwasser (HQ100), vor allem in denmainnahen Straßenzügen, Flächen von22,5 ha mit rund 3 000 Einwohnern.

Das Einzugsgebiet des Mains ist beiWürzburg zu groß, als dass Speicher-becken oberhalb der Stadt drohendeÜberflutungen abwenden könnten. Umdie Altstadt dennoch vor Hochwasserzu schützen, musste sie komplett ab-geschottet werden.

Bereits beim Wiederaufbau nach dem2. Weltkrieg wurde in zwei Abschnittendes Altstadtufers die Hochwasserge-fahr berücksichtigt: Eine teilweise be-gehbare Stützmauer von 300 m Längeund eine Häuserzeile am Unteren Main-kai, deren mainseitige Wand wasser-dicht ausgeführt ist, halten einem etwa100-jährlichen Hochwasser stand (inte-grierter Hochwasserschutz).

Ende der 70er Jahre schloss sich eine160 m große Baulücke der Altstadtoberhalb der Alten Mainbrücke – ein-schließlich der erforderlichen Schutz-maßnahmen wie Untergrundabdich-tung und Schutztore.

Bei Hochwasser wird die Binnenent-wässerung durch ein 1988 errichtetesPumpwerk sichergestellt, in dem 14Pumpen installiert sind. Sie fördern zu-sammen 4 000 l pro Sekunde. Im Jahr

1990 folgte der Hochwasserschutz imBereich des „Alten Kranen“. Im engentechnischen Zusammenspiel mit demWiederaufbau des ehemaligen Zollge-bäudes entstand eine Dichtwand ausüberschnittenen Bohrpfählen. Drei sonstoffene Torbögen werden im Hochwas-serfall mit Aluminiumdammbalken ver-schlossen.

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Hochwasser in Würzburg

Durch den Hochwasserschutz Würzburg geschützte Flächen (Poldergebiet).

Alte Mainbrücke

Alter Kranen um die Jahrhundertwende.

2001 schloss sich der letzte offene Ab-schnitt unterhalb der Alten Mainbrücke– der Hochwasserschutz am Kranenkai.Er besteht aus einer Schutzmauer, diemit Dammbalken um einen Meter er-höht werden kann. In diesem Teilstückist die Promenade vom übrigen Verkehr

getrennt. So konnten flussnahe Erleb-nis- und Verweilzonen geschaffen unddie Mainuferzone höherwertig genutztwerden. Im angestrebten Schutz klafftnur mehr eine 280 m lange Lücke. Siebefindet sich im Bau und soll noch 2008geschlossen werden. Die Schutzanla-

gen erstrecken sich über eine Gesamt-länge von 1,4 km. Sie reichen im End-ausbau bis zu einem Main-Pegelstandvon 8,35 m und schützen gegen ein100-jährliches Hochwasser, bei dem2 000 m3/s abfließen.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Mainquerschnitt des neuen Hochwasser-schutzes am Kranenkai.

Hochwasser Januar 2003 am Kranenkai.

„Mit einer unerhörten Gewalt und eineralle Voraussicht übertreffenden Steige-rung brachen die aus dem oberen Peg-nitztal abwärts stürzenden Fluten überdie innere Stadt herein. Die Chronik vonNürnberg kennt keinen Fall einer so plötz-lichen und so schweren Wasserkatas-trophe. Die ganze innere Stadt war ineinen Riesenstrom verwandelt. JedeGasse ward zu einem Kanal. Jeder Platzzu einem aufgeregten See, der schäu-mende Wellen schlug.“(Fränkische Tagespost, 5. Februar 1909)

In der Nacht vom 4. auf 5. Februar 1909

setzte ein noch nie dagewesenes Hoch-wasser die Altstadt von Nürnberg unterWasser. Nach einer langen Frostperiodewar der Boden gefroren und mit bis zu40 cm Schnee bedeckt. Ein plötzlicherWetterumschwung brachte starke Re-genfälle. Weder Regen- noch Schmelz-wasser konnte der Boden aufnehmen.Das gesamte Wasser floss auf direktemWeg der Pegnitz zu und stieg innerhalbvon 2 Stunden über 2 m an und erreich-te den bislang unerreichten Höchststandvon 4,67 m an der Museumsbrücke.

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Das Einzugsgebiet vonPegnitz bis Nürnberg.Aufgrund der Topogra-phie ist Nürnberg vomHochwasser der Red-nitz nicht betroffen.

„Die grösste denkbareWasserfluth in Nürn-berg, den 15ten Januar1849“.

Hydrologische Daten der Pegnitz

bis Nürnberg

Einzugsgebiet 1 197 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 6,19 m3/s

Mittlerer Abfluss 10,8 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 60,8 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 240 m3/s

Abfluss bei HW 1909 370 m3/s

Nürnberg – eine Stadt als Nadelöhr

Hochwasser in Nürnberg

Nürnberg

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Nürnberger „Seenlandschaft“ von 1909: (von oben) Hauptmarkt, Tucherstraße und Grübelstraße.

An den festen Wehren und Wasser-rädern lagerte sich Treibzeug an undstaute das Wasser zusätzlich auf. DieHochwasserwelle überflutete weiteBereiche der Altstadt, die Gebäude amPegnitzufer standen bis zum Oberge-schoss unter Wasser und sogar derHauptmarkt verwandelte sich in eineSeefläche. Der rasche Anstieg derHochwasserwelle ließ keine Zeit fürGegenmaßnahmen. Die Schäden wa-ren kaum überschaubar.

Das Hochwasser von 1909 war zwarein extremes, aber kein Einzelereignis.Das Leben am Wasser brachte schonimmer erhebliche Risiken mit sich. Die Stadtchronik von Nürnberg berich-tet von zahlreichen Überflutungen seitdem 14. Jahrhundert. In einem Zeit-raum von rund 600 Jahren werden 11 Katastrophenhochwasser, 44 großeHochwasser und 83 mittlere Hochwas-ser verzeichnet. Die schlimmsten Hoch-wasser traten im Winter auf. StarkeNiederschläge in Form von Schnee undRegen in Kombination mit gefrorenenBöden, die kein Wasser aufnehmenkönnen, führen zu den Überflutungender Pegnitz. Das Hochwasser erreichtein jeder Generation nur einmal katastro-phale Ausmaße, so dass grundlegendeMaßnahmen zum Hochwasserschutzlange unterblieben.

Engpass Altstadt

Der Stadtkern Nürnbergs entwickeltesich historisch betrachtet auf einer Län-ge von ca. 4 km entlang der Pegnitz.Die Lage der Nürnberger Altstadt in derVerengung des Talraumes hat einenguten Grund: Hier konnten die Handels-züge den Fluss besser überqueren alsanderswo. An dieser Stelle entwickeltesich die mittelalterliche Stadt mit ihrenBefestigungen.

Die Nutzung des Wassers und derWasserkraft war für Handel, Gewerbeund Handwerk von größter Bedeutung.Zahlreiche Mühlen und Hammerwerkewaren entlang der Pegnitz aneinander-gereiht wie Perlen auf einer Perlen-schnur und verengten den Flussquer-schnitt zusätzlich.

Nach der Katastrophe vom 1909 warschnelles Handeln gefordert. Bereitsam 18. Februar 1909 wurde das König-lich Bayerische Hydrotechnische Bureaubeauftragt, die Ursachen der Katastro-phe darzustellen und die notwendigen

baulichen Vorkehrungen zum Hoch-wasserschutz in einer Studie aufzuzei-gen. Im Oktober 1910 lag eine umfang-reiche Studie zur „Beseitigung derÜberschwemmungen im Pegnitz-gebiet“ vor.

Als Kern des Problems stellte sich dasNadelöhr im Altstadtbereich heraus.Die Bebauung, feste Wehre und Was-serräder engten den Fließquerschnittder Pegnitz stark ein. Hinzu kamenflussabwärts von Nürnberg in den Orts-teilen Doos und Schniegling gelegeneEngstellen im Gewässerlauf. Bei Hoch-wasser verursachten sie einen Rück-stau bis in die Altstadt. Der erste Vor-

schlag lautete deshalb, das Gewässer-bett in diesem Bereich zu erweiternund die Pegnitz zu begradigen, damitdas Wasser schneller abfließen konnte.

Ein weiterer Lösungsvorschlag war dieIdee, Talsperren und Überlaufpolder zuerrichten. Eine Vielzahl von Rückhaltun-gen oberhalb von Nürnberg im Pegnitz-tal und im Bereich der Zuflüsse sollteden Hochwasserabfluss verzögern unddie Abflussspitze verringern. Die dama-lige Berechnung ergab, dass die Abfluss-spitze von 370 m3/s auf etwa 200 m3/s.reduziert werden könnte. Einer weite-ren Umsetzung standen jedoch entge-gen: hoher Flächenbedarf, massive Eingriffe in die Landschaft und sehrhohe Kosten.

Die Pegnitz in Nürnberg zu verbreiternbzw. einzutiefen, wurde ausführlichdiskutiert. Nur rund 90 m3/s konnten imBereich der Altstadt schadlos abfließen.Den notwendige Abflussquerschnitt für370 m3/s hätte man nur durch Beseiti-gung der Wehranlagen und – noch vielgravierender – durch einen massivenEingriff in die Bebauung und das Stadt-bild erreichen können. Dieser Vor-schlag stieß bei der Bevölkerung aufenergischen Widerstand.

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Hochwasser in Nürnberg

Die überflutete Fläche beim Hochwasser1909. Rekonstruktion auf einem Stadtplandes gleichen Jahres.

Nägeleinsmühle um die Jahrhundertwende.

Hochwasserschutzund Wasserbau imWandel der Zeit

1914 wurde im Westen der Stadt da-mit begonnen, Engstellen zu beseiti-gen, Flussschlingen abzuschneidenund den Flusslauf zu begradigen. DieMaßnahmen verkürzten den Lauf derPegnitz um 1 200 m. Hochwasserdei-che beiderseits der Pegnitz engten denTalraum ein und ermöglichten die Anla-ge des Westfriedhofes und den Aus-bau der großen Kläranlagen. Der Rück-stau der Pegnitz in der Altstadt wurdedamit zwar beseitigt, der Talaue gingenaber gleichzeitig fast 100 ha Rückhalte-fläche verloren.

Wegen der massiven baulichen Eingriffein das historische Stadtbild und der hohen Kosten kam der Hochwasser-schutz für die Altstadt bis zum ZweitenWeltkrieg nicht voran. Nach 1945 hattesich die Situation völlig verändert. DieNürnberger Innenstadt war weitge-hend zerstört. Entlang der Pegnitz stan-den Gebäuderuinen. Wehranlagen wa-ren eingefallen, Wasserräder zerstört.Ein Wiederaufbau der Wasserkraftnut-zung rechnete sich nicht.

Die Planungen zum Hochwasserschutzwurden neu aufgerollt. Im Vergleich zurfrüheren Studie stellte sich die Lagenun völlig anders dar: Ein umfassenderAusbau der Pegnitz in der Altstadt warjetzt möglich. In den Jahren 1950 bis1962 wurden rund 11 Millionen DM fürden Hochwasserschutz in der Altstadtausgegeben (nach heutigem Kosten-stand rund 60 Millionen DM bzw. 30,5Millionen Euro). Die Finanzierung ruhteauf drei Schultern: Stadt Nürnberg, Be-zirk Mittelfranken und Freistaat Bayern.

Die wichtigsten Hochwasser-

schutzmaßnahmen waren:

� Hochwasserschutzmauern

Die Pegnitz erhielt ein breiteres Ge-wässerbett. Auf eine Länge von 2,7 kmwurden Sandsteinmauern zum Hoch-wasserschutz errichtet. Rund 90000 m3

Boden wurde bewegt.

� Wehranlagen

Die früher festen Wehre wurden durchbewegliche ersetzt. Sie halten denWasserspiegel bei niedrigen Abflüssenund geben den Abflussquerschnitt beiHochwasser frei.

� Hochwasserstollen

Im Bereich der Museumsbrücke warendie Verhältnisse sehr beengt. Die Lö-sung war ein Stollen, der parallel zurPegnitz angelegt wurde. Er kann beiHochwasser rund 130 m3/s aufnehmen.

Den letzten großen Eingriff stellte dieUmgestaltung des Pegnitztales imOsten der Stadt dar. Dort wurde diestark mäandrierende Pegnitz zu einemcirca 50 ha großen See aufgestaut.

Die Maßnahmen zum Hochwasser-schutz haben ihren Zweck voll erfüllt;die Stadt Nürnberg blieb seither vonÜberflutungen verschont. Heute wer-den jedoch die Begradigung der Peg-nitz, der technische Uferverbau mit Be-ton und Stahlträgern sowie der Verlustvon Flussauen als Mängel empfunden.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Baustelle nach dem Krieg: die Pegnitz mit demEinlauf des Hochwasserstollens.

Kinderaktion an der Pegnitz im Rahmen desEntwicklungskonzeptes „Stadt am Fluss“.

Erlebnisraum an der Pegnitz

In Zusammenarbeit mit Wasserwirt-schaft, Naturschutz und Stadtentwick-lung wurde1996 das Entwicklungskon-zept für die Pegnitz „Stadt am Fluss“erstellt. In dreijähriger Bauzeit sind imWesten der Stadt die Pegnitz und ihrTalraum auf einer Länge von 3,5 kmneu gestaltet worden. Aus einer mo-notonen Grünfläche entstand in enger Zusammenarbeit mit den Bürgern einnaturnaher Erlebnisraum am Wasserder bei der Bevölkerung großen An-klang findet.

801 erstmals urkundlich als „chizzicha“erwähnt, ist Bad Kissingen vor allemdurch seine Heilquellen bekannt. Be-reits seit 823 sind sie nachgewiesen.Im Jahre 1279 findet sich die erste Er-wähnung von Kissingen als „oppidum“(Stadt) und der erste Kurgast ist imJahr 1520 verzeichnet. Es ist die selbeZeit, in der sich der Ruf als Heilort fes-tigt. In der Regierungszeit Ludwig I. von Bayern gezielt ausgebaut, avan-ciert Kissingen im 19. Jahrhundert zum mondänen Badeort.

Nicht so romantisch sind die Beschrei-bungen von Hochwasser, das die Stadtschon immer bedrohte. Es wird berich-tet, „daß die erst im Jahre 1578 erbau-ten zwei großen Schwibbögen schonnach Verlauf von 18 Jahren, vielleichtdurch große Überschwemmung undEismassen eingestürzt, wieder neuaufgeführt werden mußten“. DasHochwasser der Saale zerstörte nichtnur den Flussübergang, sondern be-schädigte immer wieder die für Kissin-gen lebensnotwendigen Mineralquel-len, die anfangs der Herstellung von

Salz dienten, später aber für Trink- undBadekuren genutzt wurden.

1820 „Ungeheuere Überschwemmungdes Saalflusses hatte die Mineralbrun-nen und den ganzen Kurgarten tief un-ter Wasser gesetzt und beim Zurück-weichen überall starke Massen vonSchlamm und Unrath zurückgelassen.“

Die Überschwemmungen in der Alt-stadt rücken im 19. Jahrhundert im-mer mehr in den Blickpunkt. So berich-tet die Kissinger Saale-Zeitung überden 4. März 1880: „Nachmittags drei Uhr. Das Hochwasser hat bereitseinen höheren Stand erreicht als imJahre 1871. In der inneren Stadt stehtder ganze Judenhof und die Nebenstra-ßen bis zum Markte vor unter Wasser;ebenso ist der Kurgarten mit seinernächsten Umgebung vollständig über-flutet.“

Bayerisches Landesamt für Umwelt 28

Kurbereich beim Hochwasser 1920.

Bad Kissingen – heute gut geschützt

Hochwasser in Bad Kissingen

Hydrologische Daten der Fränkischen

Saale bei Bad Kissingen

Einzugsgebiet 1576 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 3,1 m3/s

Mittlerer Abfluss 12,4 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 119 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 330 m3/s

Abfluss bei HW 2003 335 m3/sBad Kissingen

Das Einzugsgebiet der Fränkischen Saalebis Bad Kissingen.

Besonders in Erinnerung ist das Ereig-nis von 1909. Eine zeitgenössischeQuelle beschrieb es folgendermaßen:„Ein Hochwasser von solcher Plötzlich-keit und Höhe, wie es gestern Nach-mittag kam, ist seit 40 Jahren, auf wel-che wir uns zurückerinnern, noch nichtdagewesen. Die ungeheuren Schnee-massen, die noch am Sonntag die ro-delnde Welt erfreuten, sind durch Tau-wetter und überaus starke zweitägigeRegengüsse so rasch zum Schmelzengekommen, dass die sonst so ruhig inihrem schmalen Bett dahinfließendeSaale urplötzlich zum reißenden Stromgeworden ist, der, Eisschollen in stattli-cher Größe mit sich führend, die wei-ten Saalewiesen, so weit das Augereicht, überschwemmt. Größerer Scha-den ist dadurch nicht allein im neuenKurpark entstanden, sondern auch deralte Kurgarten, wohin nur sehr seltenHochwasser gelangt, ist in einer Höheüberflutet, die weit über jene des Jah-res 1880 geht. Das Wasser reicht bisherauf zur Ludwigstraße. […] Beängsti-gender wurde die Situation, als abendsdas Wasser sich in die kümmerlich be-leuchtete Theresienstraße und zugleichauch in die Altstadt bis über den Markt-platz ergoß.“

Bayerisches Landesamt für Umwelt 29

Main/Elbe Donau Wildbäche

Marktplatz und Luitpoltpark beim Hochwasser 1920.

Das „100-jährliche“ Hochwasser 2003 richtetein der Stadt einen Schaden von ca. 7 MillionenEuro an und war der letzte Anstoß für den da-nach in 3 Jahren realisierten Hochwasserschutz.

Von kleinen Schrittenund kühnen Plänen

Schon früh versuchte man, der Hoch-wassergefahr Herr zu werden. 1737begannen an der Saale umfangreichewasserbauliche Arbeiten: „Nach been-digter dießjähriger Kurzeit fing man an,den sogenannten scharfen oder Bad-brunnen, welcher 370 Fuß weit vondem Trinkbrunnen entfernt ist, gegendie häufigen Ueberschwemmungendes ihm allzu nahen Saalflusses zuschützen, indem dieser 72 Fuß west-wärts weiter hinaus gegen die Wiesenabgeleitet wurde.“ Der Kurplatz „wur-de zum Schutz gegen Überschwem-mung um 7 Fuß erhöht und geebnet,dann ward auf einem mit Klee besäe-ten Raume von 200 Schritt Länge undüber 100 Schritt Breite eine Kastanien-Allee angelegt, unter deren Schattendie Kurgäste während des Wasserge-

nusses die ärztlich vorgeschriebeneBewegung machen konnten.“

Eine weitere Überlegung war, dieQuellen und den Kurgarten mit einerneuen dreibogigen Brücke, einemSaale-Durchstich und einem Dammzu schützen. Hier blieb es beim Lö-sungsansatz – er hätte auch keineRücksicht auf die oberhalb liegendeKissinger Altstadt genommen.

Die Wende nach demHochwasser 2003

Immer wieder gab es Überlegungenund Planungen für einen besserenHochwasserschutz in Bad Kissingen,keiner jedoch wurde verwirklicht. Erstdas Hochwasser am 3. Januar 2003gab den nötigen letzten Anstoß, umendlich einen wirksamen Hochwasser-schutz zu installieren. Dieses Ereigniswar an der Fränkischen Saale minde-stens ein 100-jährliches Hochwasser.Es verursachte allein in der Stadt BadKissingen einen Schaden von rund 7Millionen Euro. Soweit es sich rekon-struieren lässt, erreichte es die gleicheGrößenordnung wie das oben beschrie-bene Hochwasser von 1909.

Die meisten Überflutungen im Einzugs-gebiet der Fränkischen Saale sind Win-terhochwasser. Sie entstehen häufigdurch eine Kombination von plötzli-chem Temperaturanstieg und heftigenRegenfällen, die zu einem raschen Ab-schmelzen der Schneedecke führen.Ganz und gar untypisch war da dasHochwasser 2003, bei dem Schneekeinerlei Rolle spielte.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 30

Nicht umgesetzter Entwurf für den Ausbauder Fränkischen Saale in Bad Kissingen um1829. „Plan über die Correction der Saal beyKissingen“ (mit neuer Brücken-Anlage undSchutzdamm).

Eine besondere Herausforderung beim Baudes Hochwasserschutzes war die Begrenzungder Bautätigkeit auf die besucherschwachenHerbst- und Wintermonate.

„Prospect der Stadt Kissingen und dabey gelegenen Gesundheits-Brunnen“ Johann Balthasar Gutwein um 1770 (Ausschnitt).

Hochwasser in Bad Kissingen

Bayerisches Landesamt für Umwelt 31

Main/Elbe Donau Wildbäche

Der Hochwasserschutz in Bad Kissingen zeigtvorbildlich, wie die technische Funktionsfähig-keit des Schutzsystems mit den städtebaulichenRahmenbedingungen in Einklang gebracht wer-den kann. Oben: im Rosengarten, links: an derWandelhalle.

Kombination aus festem und mobilem Schutz im Bereich des neu gebauten Luitpoldsteges. Die neue Schweizerhausbrücke.

Unmittelbar nach dem Hochwasser be-gannen die Planungen für den Hochwas-serschutz. Dabei galt es, zwei Dinge zuverbinden: Die technische Funktions-fähigkeit des Schutzsystems und denSchutz der Heilquellen – eine sehr an-spruchsvolle Aufgabe. Die Planer er-reichten das hochgesteckte Ziel durcheine Kombination aus Eindeichung,Ufermauern, flussbaulichen Maßnah-men und mobilen Elementen. Außer-dem wurden zwei Fußgängerstegeneu errichtet und die Binnenentwässe-rung sichergestellt. Die Kosten beliefensich auf rund 14 Millionen Euro. Bereitsim Jahre 2007 konnte die Stadt die neugebauten Hochwasserschutzvorrich-tungen einweihen.

Mancher Abonnent des Hofer Anzei-gers musste am 25. November 1890länger auf seine Zeitung warten: Dreider Zeitungsausträger wurden am Morgen in ihren Wohnungen vonHochwasser überrascht und musstenzunächst ihr Hab und Gut retten.Kenner der lokalen Verhältnisse schlie-ßen daraus: Die Zeitungsausträgerwohnten in der Hofer Vorstadt oder inden neu entstandenen Arbeitervierteln- im bekannten Überschwemmungs-bereich der Sächsischen Saale. Nochüber 100 Jahre sollte es dauern, bishier die Hochwassergefahr durch auf-wändige technische Hochwasser-schutzanlagen gebannt war.

In der Chronik der Stadt Hof sind vieleHochwasser zurückliegender Jahrhun-derte dokumentiert. Für alle gilt: Derhochgelegene Stadtkern blieb stetstrocken.

1565

„Ein noch größerer Feind als das Feuerwar in diesem Zeitraum das Wasser.So verursachte ein Eisgang am 2. März

1565 großen Schaden. Das Hochwas-ser drang fast bis zum unteren Tor. Inder Vorstadt lief es in etlichen Häusernin die Stubenfenster. Die Bewohnerflüchteten auf Pferden über die Spital-brücke in die Stadt. Die so genanntenHohen Stege, ebenso sämtliche Bleich-häuser an der Saale wurden wegge-rissen.“

1582

„Noch größere Verheerungen rief einmit einem Gewitter verbundener au-ßerordentlich starker Platzregen am 15.Juli 1582 hervor. Die auf den Saalewie-sen ausgespannten „Schlör“ (Schleier),sowie viele Holzstöße wurden wegge-schwemmt. Das Haus des alten Fuhr-manns Baumann in der Nähe der stei-nernen Brücke unterhalb derLorenzkirche wurde von gewaltigenWassermassen mitsamt dem Stall unddem darin befindlichen Vieh fortgeris-sen. Auch die benachbarten Häuserund Ställe wurden schwer beschädigt,die Baumgärten verwüstet und ver-schlammt. Hans Flessa von Wölbatten-dorf, der während des starken Gewit-ters nach Hause gehen wollte, wurdevom Wasser erfasst und ertrank.“

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Hof – Stadtgründung über dem Hochwasser

Hochwasser in Hof

Hydrologische Daten der Sächsischen

Saale bei Hof

Einzugsgebiet 523 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 0,92 m3/s

Mittlerer Abfluss 5,41 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 56,8 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 180 m3/s

Abfluss bei HW 1946 149 m3/s

Einzugsgebiet der Sächsischen Saale bis Hof.

Hochwasser der Saale zwischen Hof und Unterkotzau im Juli 1954.

Hof

OberkotzauFattigau

Schwarzenbach

1609/1610

„Von Weihnachten 1609 bis zum 12.Januar 1610 verursachte RegenwasserHochwasser der Saale. Die Hofer Bür-ger hatten großen Schaden dadurch,dass ihnen „ein gut Teil“ ihres in derNähe der Saale lagernden Holzes weg-geschwemmt wurde.“

1816

„Schon am 25. und 26. Mai 1816 ereig-neten sich in Hof Wolkenbrüche vonsolchem Ausmaß, dass die Erdge-

schoss-Wohnungen der tiefer liegen-den Häuser in der Pfarr und Vorstadtvoll Wasser standen. Die Wassermas-sen fluteten mit großer Gewalt die„Chaussee“ hinab in die Pfarr wo sieeine starke Mauer umrissen. Das Hausdes Blechschmidt wurde unterspült.Durch Stützen gelang es, dasselbe vordem Einsturz zu bewahren. Das untereStockwerk des Gasthofs „Zum rotenRoß“ „wurde ganz mit Wasser ange-füllt, dass niemand ein noch aus konn-te und Keller und Gewölbe ersoffen“.

Der Schaden auf den Feldern nahmgrößte Ausmaße an. Bereits am 14.Juni folgte wiederum ein starkes Ge-witter mit wolkenbruchartigem Regen.Viele Felder wurden „verschwemmtund abgerissen“. Nun hielt das Regen-wetter wochenlang an. Viel Getreidewurde nicht reif. Was geschnitten wur-de, verfaulte zum Teil auf den Feldern.“

Über das Hochwasser vom 25. Novem-ber 1890 berichtet der Hofer Anzeiger:„In Folge mehrtägigen Regenfalles undeines förmlichen Wolkenbruches... hat-ten wir heute Vormittag großes Hoch-wasser. Der erste Schub desselbenkam gegen 8 Uhr, im Nu die Mühlstra-ße, die Vorstadt, die Gerbergasse unterWasser setzend, so dass die Erdge-schosse geräumt und zur Aufrechter-haltung des Verkehrs Notbrücken ge-baut werden mussten.“

Am 6. Februar 1909 war im Hofer Anzeiger zu lesen: „Infolge des unauf-hörlichen Regnens in die ungeheurenSchneemassen ist die Saale so starkgestiegen, dass ein Teil der an der Saa-le gelegenen Fabriken den Betrieb ein-stellen musste. Gegen früh 2 Uhr er-folgte, nachdem an der Freimachungder Eismassen bis spät abends gear-beitet worden war, der Eisgang, derüber eine Stunde dauerte und Brücken,Stege, Bäume, Gartenzäune unter don-nerähnlichem Gekrache mit sich führte.“

Der höchste Abfluss der SächsischenSaale wurde im Februar 1946 mit 149 m3/s gemessen. Auch das Juli-Hochwasser von 1954 hinterließ miteiner Durchflussmenge von 114 m3/sSchäden in den tiefliegenden Berei-chen der Stadt.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 33

Main/Elbe Donau Wildbäche

Hochwasser durch die Sächsische Saale in Oberkotzau, 1909.

Hochwasser in Hof, 15. November 2002.

Städtebauliche Entwicklung der Stadt Hof

Schon immer siedelten die Menschenin der Nähe von Flüssen, die ihnenWasser, Nahrung und Energie liefertenund gleichzeitig zum Warenverkehr perSchiff oder Floß genutzt werden konn-ten. So ist in Hof eine erste Siedlungschon im 11. Jahrhundert nachweisbar. Außerdem bot der erhöhte und von dreiSeiten umflossene Siedlungsgrund ander Saale gute Verteidigungsmöglich-keiten bei geringem Aufwand. 1230gründete Otto I. Graf von Andechs undHerzog von Meranien die Neustadt, dieheute den Namen Hof führt. Im 13. Jahr-hundert wurden die Vögte von Weidamit dem Territorium belehnt. Sie erbau-ten das Schloss und verstärkten dieStadtbefestigung, innerhalb derer Rat-haus, Kirche, Schule und Kloster errich-tet wurden, auf der Anhöhe oberhalbdes Flusses. Am Ufer der Saale selbstbefanden sich klugerweise nur solcheEinrichtungen, die die Nähe zum Was-ser brauchen: Mühlen, Badehäuser,Gerbereien, Färbereien und Abdecke-reien. Die anderen Flächen in der Saale-aue blieben wegen Hochwassergefahrunbesiedelt. Sie dienten als Viehweide,wurden ackerbaulich oder als Lagerflä-chen, zum Beispiel für Holz genutzt.

Diese Raumnutzung blieb mehrereJahrhunderte unverändert. Die einst-mals kluge Zurückhaltung wurde aufge-geben – in dem Maße, wie die indus-trielle Produktion nach stadtnahenFreiflächen gierte. Aus dem traditionel-len Tuchmacherhandwerk entwickeltesich ab 1850 eine blühende Textilindus-trie. Die für die Fabrikbauten erforderli-chen Flächen fanden sich am einfach-sten im Nahbereich der Saale, zumaldort die Wasserversorgung und auchdie Abwasserbeseitigung leicht zu ge-währleisten waren. Für die Belegschaf-ten der Betriebe wurden unmittelbarnebenan Wohnviertel errichtet. Außer-dem musste die erforderliche Infra-struktur (Straßen, Wege, Brücken überdie Saale) erstellt werden. Mehr noch:In der Saaleaue entstanden außerdemDampfziegeleien, ein Elektrizitätswerk,Brauereien, eine Zellstoff- und einePorzellanfabrik. Die rasante Entwick-

lung der Stadt im 19. Jahrhundert lässtsich an den Einwohnerzahlen ablesen;1818: circa 4 700 Einwohner, 1840: circa 8 000 Einwohner und 1900: circa33 000 Einwohner.

Schadenspotenzial

Die Menschen wussten um die Gefah-ren des Wassers, deshalb war dasSchadenspotenzial bis in das 19. Jahr-hundert hinein nach heutigen Maßstä-ben gering. Immerhin: Historische Berichte erwähnen zerstörte oder be-schädigte Brücken, Stege und Scheu-nen, Ernteausfälle und abgeschwemm-tes Gut. Auch an den am Wasser an-gesiedelten Gewerbebetrieben sowiean den Wehren entstanden Schäden.

Menschen ertranken nur selten, diewenigen Opfer hielten sich beruflich ander Saale auf oder verunglückten beimBenutzen der Stege. Die meisten Hofer Bürger waren nicht direkt vomHochwasser betroffen, da die Wohn-stadt auf hochwassersicherem Gelän-de angelegt war. Erst ab Mitte des 19.Jahrhunderts stieg das Schadenspo-tenzial sprunghaft an. Nun waren Fabri-ken, Wohnviertel und Infrastrukturein-richtungen betroffen.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 34

Handarbeit im wörtlichen Sinne: Die Schwesnitz, ein Seitengewässer der Saale (Einmündung inOberkotzau) wurde zur Verbesserung der Abflussleistung 1923/1924 ausgebaut.

Saaleregulierung in der Stadt Hof-Mitte um 1921.

Hochwasser in Hof

Flussbauliche Entwicklung in Hof

Die ersten größeren Eingriffe wurdenmit dem Bau zahlreicher Wehre undMühlkanäle, die der Nutzung der Was-serkraft und der Wasserentnahmedienten, vorgenommen. Der Bau vonBrücken und Stegen mit zu kleinenDurchflussöffnungen behinderte denHochwasserabfluss. Die Folge warenSchäden: von gering bis dramatisch.Mit der Bebauung hochwassergefähr-deter Bereiche und dem Wachstum derBevölkerung im 19. und zu Beginn des20. Jahrhunderts musste wieder ver-stärkt baulich in den Gewässerlauf ein-gegriffen werden.

Die mit Industrie und Bevölkerung zu-nehmenden Abwassermengen führtenzu einer drastischen Verschmutzungder Saale – Schlammablagerungen, Ge-ruchsschwaden, Seuchengefahren be-lasteten den Fluss und die Anwohner.

Die meisten Abwässer flossen unge-klärt direkt in die Saale und deren Mühl-kanäle. Zahlreiche Wehre in der Stadt,die einem ungehinderten Abfluss imWege standen, verschlechterten die Situation zusätzlich.

Hochwasserschutz als Gewinn für die Lebensqualität

Der Bau der innerstädtischen Hoch-wasserschutzanlagen von 1991 bis1997, der stark ökologische Belangeberücksichtigte, stellt den vorläufigenAbschluss der flussbaulichen Entwick-lung in Hof dar. Auf einer Länge von2,5 km wurden Mauern und Deiche indas Ortsbild eingepasst. Auch die Inte-gration des Saale-Radweges und dieparkähnliche Gestaltung werten denFluss nun als Naherholungsgebiet auf.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

„Modernes“ Bauverfahren 1921:Stahlbetonsohle für die Saale.

Saaleregulierung in der Stadt Hof („Saale-Durchstich“) vor Einlass des Wassers 1957.

Moderner Hochwasserschutz in Hof (oben)und Oberkotzau gliedert sich heute positiv indas Stadtbild ein. Auch in Fattigau und Schwar-zenbach wurden umfangreiche Hochwasser-schutzmaßnahmen umgesetzt.

Ab 1926 ging man daran, den städti-schen Mühlgraben aufzufüllen undan dessen Stelle einen Kanal zu ver-legen. Er nahm die Abwässer be-reichsweise auf, leitete sie jedochinnerhalb des Stadtgebietes wiederin die Saale ein. Dieser unerträglicheZustand dauerte an, bis in den 60erJahren die Kläranlage gebaut undein weiterer Abschnitt der Saaleverlegt wurde.

Innerhalb des Stadtgebietes ist dieSaale abschnittsweise reguliert undkorrigiert. So ist seit den Jahren um1925 der Saale-Durchstich ange-legt. Dabei war ein Teil des altenFlusslaufes verfüllt und durch eine „geräumige Hochflutrinne mit ei-nem schmalen Betonbett für Nor-malwasser“ ersetzt worden. Zahlreiche Brücken mit größerenÖffnungen entstanden.

Die bayerische Donauund ihre Nebenflüsseim Wandel der Zeit

Betrachtet man historische Landkarten,so wird deutlich, dass sich das urbaneLeben in erster Linie an den größerenGewässern entwickelt hat. Besondersaugenfällig wird das entlang der Donau.Sie war und ist noch heute eine derwichtigsten Lebensadern in Bayern.

Die äußerst fruchtbaren Böden der Do-nauauen und die fischreichen Gewässerluden schon in der Jungsteinzeit Men-schen zur Besiedelung und Kultivierungein. Auch die Rolle als Transport- undHandelsweg ist schon aus der Römer-zeit überliefert. Bereits im frühen Mittel-alter begann man, die Kräfte des Was-sers in Triebwerken zu nutzen. Diebescheidenen technischen Hilfsmittelauf dem flachen Land reichten jedochgerade aus, kleine Bäche und Flüsse zuzähmen. Nur die Städte konnten sichschon im Mittelalter Bau und Unterhaltvon Wehranlagen und Kanälen an Flüs-sen leisten. Augsburg errichtete im 14.Jahrhundert den Hochablass, ein großesLechwehr und leitete damit Wasser inseine Kanäle. Auch andere Städte bau-ten solche Ausleitungen: München undLandshut an der Isar, Füssen, Schon-gau und Landsberg am Lech.

Es ist daher nicht verwunderlich, dassbis Anfang des 19. Jahrhunderts dieDonau mit ihren Auen in erster Linievon der natürlichen Flussdynamik be-stimmt war. Erst ab etwa 1806 began-nen größere Flusskorrekturen zwischenUlm und Donauwörth und ab circa 1826zwischen Ingolstadt und Kelheim. Dernatürliche Flusslauf wurde auf ein ge-strecktes, etwa 75 bis 120 m breitesGerinne reduziert. Ursprüngliches Aus-bauziel war nicht der Schutz von Sied-lungen und landwirtschaftlichen Flä-chen, sondern die Verbesserung derSchifffahrtsverhältnisse. Die Landwirt-schaft strebte nur den Schutz vor schad-bringenden Hochwassern im Sommeran, die Winterhochwasser dagegen,mit ihrer düngenden Wirkung, warensogar erwünscht.

Bis 1920 folgten dann weitere Gewäs-serausbauten, Begradigungen und derBau von Hochwasserdeichen. Einmün-dungen von Zuflüssen wurden flussab-wärts verlegt. Die damit einhergehen-de Laufverkürzung erhöhte das Gefälleund die Fließgeschwindigkeit deutlichmit der Folge, dass sich die Donau ver-stärkt eintiefte und der Grundwasser-spiegel mit dem Donauspiegel sank.Die Vernetzung von Fluss und Aue unddie Abfluss- und Gewässerdynamik gingen immer mehr verloren.

Bayerisches Landesamt für Umwelt36

An der schönen braunen Donau…

Hochwasser an der Donau

Jahreshöchstabfluss in m3/s der Jahre 1861 – 2006, gemessen am Pegel Achleiten, unterhalb von Passau.Bild: Hochwasser in der Passauer Altstadt 2002.

Die „Steinerne Brücke“ in Regensburg.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 37

Main/Elbe Donau Wildbäche

Abfluss in m3/s9000

8000

7000

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5000

4000

3000

2000

1000

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1875

1900

1925

1950

1975

2000

1861

Don

au

Der Ausbau des Flusses und seine Ein-tiefung schafften die Voraussetzung fürflächige Entwässerungsmaßnahmenund führten zur Intensivierung der land-wirtschaftlichen Nutzung in den Auenund Niedermooren.

Nach den Hochwasserereignissen um1920 war durch die Zunahme des Scha-denspotenzials in den Überschwem-mungsgebieten ein größeres Schutz-bedürfnis entstanden. Nun waren durchdie aufkommende Verwendung vonKunstdünger in der Landwirtschaft dieWinterhochwasser trotz ihrer düngen-den Wirkung ebenfalls unerwünscht.Forderungen kamen auf den Tisch, einen weitergehenden Hochwasser-

schutz zu entwickeln. Die steigendeIndustrialisierung und der Fortschritt derTechnik brachten nach 1930 weitere Än-derungen: Der Ausbau der Wasserkraftwar in großem Stil an allen Gewässernmöglich geworden. An Iller, Lech, Isar,Inn und Alz setzte ein systematischerAusbau ein. Zunächst entstandenAusleitungskraftwerke, bei denenWasser über Wehranlagen in Kanäleund von dort zu den Kraftwerksanla-gen geleitet wurde. Dann setzte sichvielerorts das Konzept der Kraftwerks-ketten mit mehreren hintereinander folgenden Staustufen durch. Nahezualle großen Zuflüsse und die Donauselbst werden heute zur Energiege-winnung genutzt.

Bayerisches Landesamt für Umwelt38

Hochwasser an der Donau

Hochwasserschutz-Planung 1924 (rote Linien).Oben: Leipheim bis Höchstadt. Unten: Bertoldsheim bis Ingolstadt. Die blau eingefärbten Kartenteile zeigen die überschwemmten Flächen beim Hochwasser 1924.

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Bad Tölz

Wasserburg

Oberaudorf

Pfelling

Hofkirchen

Kelheim

Heitzenhofen Regenstauf

Münchshofen

Chamerau

Plattling

Kalteneck

Vilsbiburg

Linden

Grafenmühle

BirnbachInkofen

Burgkirchen

Seebruck

Türk-heim

Landsberg

Weilheim

Lechbruck

Kochel

Rosenheim

Staudach

Hochberg

Unterjettenberg

Landshut

Bießenhofen

Kempten

Schärding-Neuhaus

Donauwörth

Passau

Burghausen

Weltenburg

Kallmünz

Bad Feilnbach

Berchtesgaden

Obernzell

Regensburg

München

Immenstadt

Bayerisches Landesamt für Umwelt 39

Main/Elbe Donau Wildbäche

Die Bedeutung der Donau für das Le-ben in der Region spiegelt sich nichtnur in der geschichtlichen Entwicklung,sondern auch in unserer heutigen Zeitwider: Der Fluss bestimmt immer nochgroße Teile des Landschaftsbildes, dieGrundwasserstände sowie die Land-und Forstwirtschaft. Die Uferbereichesind auch gern genutzte Ziele für dieFreizeit und Erholung der Menschen.

Bayerische Landesgrenze

Europäische Hauptwasserscheide

Einzugsgebietsgrenzen

Pegelstandorte (Auswahl)

Bayerisches Donaugebiet

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Hochwasserrelevante Einzugs-gebiete außerhalb der bayerischenGrenzen

Die Hochwasser der Donau über dasJahr verteilt

Stets ein Thema war und ist die Bedro-hung der Menschen durch das Hoch-wasser. So vielgestaltig und abwechs-lungsreich wie die Donau selbst sindauch ihre Hochwasser und deren Ent-stehung. In ihrem rund 77 000 km2

großen Einzugsgebiet in Bayern durch-strömt sie die verschiedensten Land-schaften und Naturräume.

Iller, Wertach, Lech, Isar und Inn, diegrößeren südlichen Zuflüsse zur Donau,haben ihren Ursprung in den Alpen.Schmelzwasser und Stauniederschlägeführen im Sommer zu einer höherenWasserführung. Bedrohlich wird hier dieSituation, wenn so genannte Vb-Wetter-lagen (sprich: „Fünf“-B-Wetterlage) auf-treten. Im Winter ist der Niederschlagdagegen in Schnee und Eis gebunden.

Ebenso von Süden kommend habenGünz, Mindel, Zusam, Schmutter, Paarund Vils ihren Ursprung im tertiären

Hügelland und auf den Schotterflächendes Alpenvorlandes. Mit zunehmendemAbstand vom Gebirge regnet es hierweniger. Die gute Speicherfähigkeitder Böden sorgt darüber hinaus füreine gleichmäßigere Wasserführung.

Wörnitz und Altmühl entwässern dieMittelgebirgslagen der Schwäbischenund Fränkischen Alb, Naab und Regenhauptsächlich den Oberpfälzer undBayerischen Wald. Ergiebige Dauerre-gen, aber auch Schneeschmelze, füh-

ren dort zu Hochwasser. KatastrophaleHochwasser entstehen hier bei plötzli-chen Warmlufteinbrüchen mit gleich-zeitig ergiebigen Regenfällen auf eineSchneedecke bei gefrorenem Boden.Ein derartiges Ereignis verwüstete zum Beispiel im Februar 1909 dasGebiet der Fränkischen Alb zwischenAltmühl und Naab.

Zusätzlich können im Einzugsgebietdes Regens auch die bereits erwähn-ten Vb-Wetterlagen Hochwasser auslö-sen. Vom trägen Mittelgebirgsfluss biszum hochalpinen Wildbach – sie allehaben ihren spezifischen Einfluss auf dieWasserführung der Donau. Obwohl dieDonau zu den hochwasserreichstenFlüssen Europas zählt, ist selten dasganze Einzugsgebiet gleichzeitig vonHochwasser betroffen. Nur das Hoch-wasser von 1845 und die Tauflut von1882/83 bewirkten Überschwem-mungen auf fast der gesamten Fläche.

Bayerisches Landesamt für Umwelt40

Hochwasser an der Donau

Hochwasser in Regensburg 1988.

Die Donau bekommt ihr Wasser aus den Alpenund den Mittelgebirgen. Stauniederschläge undSchneeschmelze machen sie zu einem derhochwasserreichsten Flüsse Europas.

Hochwasser des „Regen“.

Aus alten Schriften geht hervor, dassauch das Hochwasser vom 28. Dezem-ber 1882 bis 3. Januar 1883 beinahedas ganze Einzugsgebiet der bayeri-schen Donau umfasste. Es wird voneinem Katastrophenhochwasser ge-sprochen. Alle linksseitigen Zuflüsse –Wörnitz, Altmühl, Naab, Regen – führ-ten Hochwasser. Zusätzlich brachtendie Alpenzuflüsse – Iller, Lech, Isar unddie Nachwelle des Inn – so beträcht-liche Wassermassen, wie sie sonst nurein- bis zweimal im Jahrzehnt und imWinter fast gar nicht vorkommen. Ursächlich für diese Katastrophe warentagelang andauernde starke Regenfällemit Schwerpunkt im Bayerischen Waldund Schneeschmelze durch einen plötz-lichen Temperaturanstieg. Hinzu kamennoch eine starke Durchfeuchtung desBodens und Eisabtrieb in Wörnitz, Alt-mühl und Naab. Dieses Hochwasserüberschwemmte insgesamt eine Flä-che von 625 km2.

In allen anderen Fällen traten und tretenHochwasserschwerpunkte auf, zumBeispiel in Donauwörth, Regensburgoder Passau. Die Donau bis oberhalbPassau ist besonders im Winter präde-stiniert für Hochwasser. Die größtenwurden in den Jahren 1845, 1850,1862 und 1882 beobachtet. Damalserreichte die Donau noch höhere Was-serstände als im März 1988. Meistlassen die hohen Zuflüsse der Wörnitz,Altmühl, Naab und Regen die Pegelsteigen. Größere Wassermengen steu-ern auch die Flüsse des Alpenvorlandesbei. Durch die großen alpinen ZuflüsseIller, Lech, Isar und Inn wird der Wasser-stand im Winter aber kaum beeinflusst.Im Sommer verursachen dagegen dieAlpenflüsse Hochwasserereignisse.Dann spielt das Wasser der nördlichenZuflüsse Wörnitz, Altmühl, Naab, Regenund Ilz meist eine untergeordnete Rolle.In den Jahr 1890, 1924 und 1954

führten nördliche und südliche Zuflüsse

aber zur selben Zeit Hochwasser. Ausder Summe beider entstanden damals extreme Sommerhochwasser. „Es warkatastrophal für die bayerische Donau,für Iller, Lech, Isar und Inn; auch dieFlüsse der bayerischen Hochebene wieGünz, Mindel, Zusam, Schmutter, Paar,Ilz, Abens, ja sogar vom nördlichen Ein-zugsgebiet die Wörnitz und Altmühl,brachten bedeutende Hochwasser-massen.“ Verantwortlich für dieses extreme Hochwasser vom 31. Juli bis6. August 1924 waren lang anhalten-de starke Regenfälle von rund 40 Stun-den, die das südliche und Teile des nörd-lichen Einzugsgebietes der bayerischenDonau von West nach Ost durchzogen.Besonders betroffen war der Chiem-gau. Hier fielen in 30 Stunden 300 mmRegen. Begleitet von einer Schnee-schmelze und bereits vorher wasserge-sättigten Böden wurde das Hochwasserzur Katastrophe. Die Donaudeiche ober-

halb von Höchstädt und kurz darauf auchunterhalb von Neustadt brachen. Dadurchwurde der Scheitel der Hochwasser-welle deutlich gekappt. In Kelheim wäreder Wasserstand sonst 14 cm höhergewesen. Insgesamt wurden 375 km2

entlang der Donau überschwemmt.

In früheren Zeiten gab es an vielenStrecken der Donau Eishochwasser, diedurch Eisstau und Eisversetzung verur-sacht wurden. Das letzte große Eishoch-wasser an der Donau war im Februar1963. Heute besteht eine solche Gefahr kaum noch: Flussregulierungen,Staustufen und die Aufheizung der Ge-wässer durch zahlreiche Einleitungenhaben die Eisgefahr stark vermindert.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 41

Main/Elbe Donau Wildbäche

Phänomen der Ver-gangenheit: Hoch-wasser durch Eisstau. Oben: Regensburg im Winter 1893, unten: Donauwörth 1963.

Der Inn – der grüneDonauzufluss

Der Inn ist auf deutschem Gebiet derbedeutendste Nebenfluss der Donau.Im eigentlichen Sinne kann man garnicht von einem „Nebenfluss“ spre-chen. Denn obwohl sein Einzugsgebietnur halb so groß ist wie das der Donau,ist der Abfluss deutlich höher. Mehrnoch, durch seinen typischen hochalpi-nen Charakter prägt der Inn mit seinemAbflussverhalten und vor allem mit sei-nem Hochwassergeschehen die Donau.Schmelzwässer aus Schnee und Glet-schern füllen den Inn im Sommer. Zu-sammen mit Regenfällen können sie zuextremen Hochwasserständen führen.Oberhalb von Passau bringen diese imInn bisweilen doppelt so hohe Abflüssewie die größten Sommerhochwasserder Donau.

Besonders stark prägt die Salzach, dergrößte Nebenfluss des Inn, das Hoch-wassergeschehen, da sie am Zusam-menfluss mit dem Inn mindestensebenso große Abflüsse hervorbringenkann wie dieser selbst. Die Hochwas-sermarken an der Salzach in Burghau-sen und Laufen aus der Zeit vor 1826

weisen darauf hin, dass die größtenAbflüsse der Salzach diejenigen desInn sogar übertreffen.

Treffen die Hochwasser aus Inn undDonau zeitlich zusammen, so bedeutetdas eine große Gefahr für Passau unddie Donauanlieger unterhalb.

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Hochwasser an der Donau

Ein Beispiel: Das Hochwasser von1954, das nahezu das gesamte Donau-gebiet heimsuchte, erreichte am Inn einen Spitzenabfluss von 6700 m3/s undan der Donau oberhalb von Passau nur3 320 m3/s!

Ähnlich wie an der Donau entstehenauch am Inn hohe Hochwasser in un-terschiedlichen Naturräumen. Deshalbkann es bei extremen Hochwassern zuÜberlagerung aus dem alpinen und vor-alpinen Bereich kommen.

Eher selten treten am Inn Winterhoch-wasser auf. Dass diese dennoch schonvorgekommen sind, zeigen alte Auf-zeichnungen. Herausragend ist dabeidas Winterhochwasser vom Februar1862. Hier lieferten die Alpen einenwesentlichen Beitrag zum Hochwas-ser. Am Pegel Neuhaus/Inn wurden damals rund 4500 m3/s gemessen.

Die Drei-Flüsse-Stadt Passau mit den Zusam-menflüssen von Inn, Donau und Ilz. Einer derneuralgischen Hochwasser-Punkte in Bayern.

Die Hochwasser derDonau über die Jahrhunderte hinweg

Auch wenn uns die Hochwasser vonPfingsten 1999 oder vom August2005 noch in guter Erinnerung sind,sollte nicht vergessen werden, dass esHochwasser schon früher gegeben hat:

Historische Hochwasserkatastrophennach alten Berichten und Chroniken –Auszüge aus den Quellentexten zurWitterungsgeschichte von Weikinn.

1012 Donau

„In jener Zeit trat die Donau in Bayernüber ihre Ufer und der Rhein ebenfalls.So kam eine unzählbare Menge Men-schen und Vieh um, und auch viele Ge-bäude und Wälder wurden durch dieGewalten der Fluten zerstört.“

1051 Donau

„Nämlich während der Sommerszeittraten infolge der Regengüsse die Gewässer außerordentlich über ihreUfer. Hierdurch kamen sowohl zahl-reiche Menschen als auch Pferde imWasser um.“

1235/36 Donau

Regensburg: Zerstörung ganzer Stadt-viertel durch Einsturz von Mauern,Häusern und Türmen im Winter, wobei„Menschen wie Tiere von den Wogenmitgerissen und in den wilden Flutenein nasses Grab fanden.“

1342 Rhein, Main, Donau

„Magdalenen-Hochwasser“

„...In diesem Sommer war eine so gro-ße Überschwemmung der Gewässerdurch den ganzen Erdkreis unsererZone, die nicht durch Regengüsse ent-stand, sondern es schien, als ob dasWasser von überall her hervorsprudel-

te, sogar aus den Gipfeln der Berge,...und über die Mauern der Stadt Kölnfuhr man mit Kähnen... Donau, Rheinund Main... trugen Türme, sehr festeStadtmauern, Brücken, Häuser... unddie Bollwerke der Städte davon. ...

und die Schleu-sen des Him-mels waren of-fen, und es fielRegen auf dieErde wie im600. Jahre vonNoahs Leben, ... ...ereignete essich in Würz-burg, daß dortder Main mitGewalt die Brücke zertrüm-merte und vieleMenschenzwang, ihre Be-hausungen zuverlassen.“

1501 Donau

Das größte bekannte Donauhochwas-ser in Passau. In Regensburg hatte esbereits eine außerordentliche Höhe er-reicht. Es wurde durch den extremenAbfluß des Inn verstärkt. Das Hochwas-ser vom 15. August 1501 vernichtetganze Felder, die Folge war eine großeTeuerung.

1709 Donau, Main

Regensburg: (Bericht) von dem Anstür-men der Eisschollen bis zur Höhe desSchwabelweiser Kirchturmes am 5. Ja-nuar 1709 und von der Zerstörung vonHäusern, Brücken, Mühlen, Würzburg,Kitzingen, Ochsenfurt: „Es liesse die Kälte wieder nach, folgete ein Regen-Wetter bey 4. Täg,wobey der Mayn aufgangen, und sichalso ergossen,... Was das Wasser fürSchaden... gethan habe,... ist nicht zu beschreiben.“

1784 Donau, Main

Regensburg: Bericht von einem Ab-schwemmen von sechs Wohnhäusernin Donaustauf durch die Tauflut desJahres 1784. Main: Das Hochwasservon 1784 im Maintal kann wie auch inanderen Flußgebieten Mitteleuropasals eines der größten Hochwasser inhistorischer Zeit angesehen werden.Die außergewöhnliche Höhe der Flut-welle war auf die Regenfälle, dieSchmelzwassermengen und auf Eisstau zurückzuführen.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Die mittelalterliche Steinerne Brücke in Regensburg. Sie hielt allen Hochwassern stand.

Historische Hochwasserständein Kelheim.

„Damm bei Niederachdorf geborsten,Hunderte in Lebensgefahr, Katastro-phen-Alarm in Regensburg und Passau,Bereits mehrere Todesopfer, Wasser-stände der Flüsse steigen unaufhör-lich“, so lauteten die Schlagzeilen derMittelbayerischen Zeitung vom Mon-tag, dem 28. März 1988. Es war derTag, an dem der Pegel in Regensburgan der Eisernen Brücke mit 659 cmden höchsten Stand seit Menschenge-denken erreichte. Aber es war nicht dieKatastrophe schlechthin, unvorherseh-bar und noch nie da gewesen, sondernnach langer Zeit wieder einmal ein gro-ßes Hochwasser, von dem man ge-hofft hatte, dass so etwas nicht mehrkommen würde.

Hochwasser sind keine Erscheinungder Neuzeit. Es gab sie immer schon.Geschichtlich belegt sind sie an derDonau ab dem 8. Jahrhundert. Vielewaren größer als die „Jahrhundertfluten“,

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Regensburg in der Traufe

Hochwasser in Regensburg

Das Einzugsgebiet von Donau, Naab und Regen bis Regensburg.

Hydrologische Daten der Donau

bei Regensburg (Pegel Schwabelweis)

Einzugsgebiet 35 450 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 190 m3/s

Mittlerer Abfluss 445 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 1 510 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 3 400 m3/s

Abfluss bei HW 1845 3 880 m3/s

Regensburg

Steinerne Brücke beim Hochwasser 2002.

die wir heute über die Medien direktins Wohnzimmer geliefert bekommen;so die Hochwasser von 1012 und1051. Im Winter 1235/36 zerstörtedie Donau ganze Stadtviertel, ließ Mau-ern, Häuser und Türme einstürzen, wobei „Menschen wie Tiere von denWogen mitgerissen und in den wildenFluten ein nasses Grab fanden.“

Bei Grabungen zum Bau der Bischofs-gruft unter dem Dom St. Peter hat dasBayerische Landesamt für Denkmal-pflege Sedimentschichten der Donaugefunden, die so hoch lagen, dass daszugehörige Hochwasser aus dem 12.Jahrhundert mehrere Meter über einemheutigen 100-jährlichen Hochwasserund in Höhe der Brüstungen der „Stei-nernen“ abgelaufen sein muss. Da hät-ten sogar die Römer hinter den 10 mhohen Mauern ihres Kastells CastraRegina nasse Füße bekommen.

Am Magdalenentag 1342 gab es so-wohl an der Donau, als auch im Main-und Rheingebiet ein besonders schlim-mes Hochwasser. Es dürfte sich umdie größte, geschichtlich belegte Flut inMitteleuropa gehandelt haben. „Als obdas Wasser von überall her hervorspru-delte, sogar aus den Gipfeln der Ber-ge...und die Schleusen des Himmelswaren offen.“ In vielen Gegenden hat-te es in vier Tagen mehr geregnet alssonst in drei Monaten.

Im Jahr 1501 lief in Regensburg einesder größten Donauhochwasser ab. DieZeit des 16. und 17. Jahrhunderts warhäufig von Hochwassern durch Eis-stöße heimgesucht. In dieser „kleinenEiszeit“ gab es in Regensburg alleinzwischen 1544 und 1618 acht MalHochwasser mit Eisstoß, zerstörtenBrücken, Mühlen und Häusern. BeimEishochwasser 1709 stauten sich dieEisschollen sogar bis zum Schwabel-weiser Kirchturm.

Eine Reihe der großen Hochwasserlassen sich an Hand heute noch vor-handener Hochwassermarken verfol-gen. So die Überflutungen von 1651,1709, 1729 und 1784 am KlosterWeltenburg, in Kelheim beim Weiß-bräu und in Regensburg in Stadtamhof.

Das Hochwasser von 1845, das vonEisabgang und Eisstoß begleitet war,erzeugte von Kelheim bis Regensburghöchste Wasserstände, während dasEishochwasser von 1893 als ein ver-gleichsweise „lokales“ Ereignis nur inRegensburg besonders in die Chronikeneinging. Beide übertrafen in Regens-burg die „Jahrhundertfluten“ von1988 und 2002 um fast einen hal-ben Meter. 1893 ist das erste Hoch-wasser, das von der noch jungen Foto-graphie mit authentischen Bildernbelegt ist (siehe Foto Seite 6).

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Eines der vielen Hochwasserereignisse in Stadtamhof (Bild unten: 22. März 1940)

Bild oben: Eishochwasser 1929. Bild unten: Hochwasser am Salzstadel 2002.

Was schon den AltenRömern nicht neu warStädtebauliche Entwicklung

Dass die Donau in unregelmäßigen Ab-ständen über die Ufer trat, war nie dieAusnahme, sondern der Normalfall, mitdem zu rechnen war. Als im Jahr 179nach Christus die III. Italische Legionauf Befehl des Kaisers Marc Aurel dasLager „Castra Regina“ - das Lager ander Regenmündung – mit den stattli-chen Ausmaßen von 542 m x 453 merrichtete, baute sie es so erhöht, dasses von den damaligen großen Hoch-wassern nicht erreicht werden konnte.Das ist bemerkenswert, denn andererömische Bauten, wie die Römerstraßein Irl bei Regenburg, waren lange Zeithochwasserfrei, liegen aber jetzt in Ge-bieten, die als gefährdet gelten.

Historisches Regens-burg und ausgehen-des Mittelalter

Als die Römer in der zweiten Hälfte des5. Jahrhunderts die Provinz Raetienaufgaben, wurde auch die Garnison inRegensburg aufgelöst. Nun begannauch innerhalb der Lagermauern die zivile Geschichte der Stadt. Ab 900 ent-wickelte sich der Regensburger Fern-handel; bis nach Paris, Venedig undKiew trieben ihre Kaufleute Handel.

Regensburgs wirtschaftliche Blütezeitlag im 12. und 13. Jahrhundert. In die-ser Zeit entstanden auch der gotischeDom St. Peter und die Steinerne Brük-ke. Die Stadt – seit 1245 Freie Reichs-

stadt – wuchs immer weiter, bis sie sichschließlich im 16. Jahrhundert auchnach Norden ausdehnte: Die von denMauern nicht geschützten Inseln, dieWöhrde, wurden besiedelt. Bis zumEnde des 18. Jahrhunderts war Hoch-wasserschutz für die befestigte Stadtkein Thema: Gegen die Naturgewaltenwar man ohnehin machtlos. Man ver-suchte ihnen nach Möglichkeit auszu-weichen.

Bauboom und Schlag ins Wasser1900 bis zum

Wirtschaftswunder

Ende des 19. Jahrhunderts hatte sichdie Situation grundsätzlich geändert.Die beginnende Industrialisierung hattezur Folge, dass immer häufiger auchpreisgünstige, aber hochwassergefähr-dete Flächen besiedelt wurden. Von einem Bau-Boom der Gründerzeit wiein anderen Städten war in Regensburgallerdings nichts zu spüren. Heute freu-en wir uns darüber, denn der mittelal-terliche Charakter der Altstadt hat sichso erhalten. Die beiden großen Hoch-wasser von 1882 und von 1893 mit Eis-stoß beeinflussten die Stadtentwick-lung nachhaltig. Noch 40 Jahre späterdokumentiert ein Plan des Stadtbau-amts, dass man für das HochwasserAbflussmulden frei halten wollte. Die-ses Risikobewusstsein geriet allerdingsnach nur weiteren 20 Jahren und demEnde des Zweiten Weltkriegs völlig inVergessenheit: Der Main-Donau-Kanalwurde mitten durch die Flutmulde vonStadtamhof, den „Protzenweiher“ ge-legt, die anderen Mulden Zug um Zugdurch eine ufernahe Stadtentwicklungmit Gewerbeflächen und Wohnbebau-ung verbaut. Man glaubte sich sicher.

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Hochwasser in Regensburg

Immer weiter dehnte sich die Stadt in hoch-wassergefährdete Gebiete aus.

Regensburg 1572, wehrhaft gegen den Feindvon außen, aber auch gegen das Hochwasser?

2. Jh

13. Jh

Doch zwischen Wettbewerb und Ver-wirklichung der Ideen liegt ein langerWeg. Den Bürgern ist nun klar: Schutzdurch Rückhaltung allein ist bei derGröße des Einzugsgebiets in Regens-burg nicht machbar. Weiterer vorbeu-gender Hochwasserschutz ist ein lang-fristiges Ziel, ohne technischen Voll-schutz geht es nicht – doch die Umset-zung braucht Zeit. Deshalb strebt dieStadt an, so schnell wie möglich einenmit dem Freistaat Bayern abgestimm-ten Grundschutz zu realisieren, um zumindest gegen 20-jährliche Hoch-wasser geschützt zu sein. Zu diesemZweck hat die Stadt eine „Schwach-stellenanalyse“ entwickelt, mit der siedie problematischen Stellen finden und mit vorgezogenen Maßnahmenverbessern will. Ein Beispiel für dieseStrategie sind bereits verwirklichteMaßnahmen in Stadtamhof.

Lieber nass als eingemauert?Seit 1954: Hochwasserschutz

– Versuch und Irrtum

Das Hochwasser von 1954 bereitetedieser trügerischen Sicherheit ein jähesEnde. Obwohl dieses Hochwasser nureine Stärke erreichte, wie sie im Schnittalle sechs Jahre auftritt, richtete es inder Stadt beträchtliche Schäden an.Der Schutz vor Hochwasser war plötz-lich wieder zu einem wichtigen Themader Stadtentwicklung geworden.

Der so genannte Vollschutz sollte Sicher-heit vor einem 100-jährlichen Hochwas-ser bieten, doch die Vorschläge für denSchutz von Stadtamhof gingen der Be-völkerung viel zu weit. Markante Slo-gans wie „Lieber einmal nass als 1000Jahre eingemauert“ machten die Run-de. Die Stadtamhofer Bürger leistetenhartnäckig Widerstand und setztendurch, dass die Planung, obwohl be-reits baureif und finanziert, nicht umge-setzt wurde. Im Herbst 1987 wurdendie Pläne nach langer Diskussion schließ-lich zurückgezogen. Doch schon imMärz 1988 wurde die Stadt wiederüberflutet; diesmal erreichte der Wasser-

stand den höchsten Wert seit fast 100Jahren. Nach einem Bericht der Mittel-bayerischen Zeitung betrugen allein dieSchäden bei der Infrastruktur in denLandkreisen um Regensburg rund 20 Millionen DM. Für Stadtamhof wur-den Schäden von 10 Millionen DM ge-nannt – der gleiche Betrag, den derHochwasserschutz dort gekostet hätte

Wie man aus (Wasser-)Schaden klug wirdNeuer Anlauf

In den sechziger Jahren erwacht die einstverschlafene Provinzstadt; sie rückt inden Kreis der sich am stärksten ent-wickelnden Regionen Bayerns auf. Dievierte bayerische Landesuniversität wirdgegründet, BMW kommt, Siemens wirderweitert, die Autobahn nach Münchenwird fertiggestellt.

Die Bürger sind nicht mehr grundsätz-lich gegen Hochwasserschutz. 1994markiert den Beginn einer neuen Ära.Die ersten Jahre dienen, von der Öffent-lichkeit fast unbemerkt, der umfang-reichen Überprüfung der über 40 Jahre alten Grundlagen des Hochwasser-schutzes. 1998 einigen sich die StadtRegensburg und der Freistaat Bayernauf einen interdisziplinären europaweitausgeschriebenen „Technisch-städte-baulich-landschaftsplanerischen Wett-bewerb“ für das ganze Stadtgebiet.Regensburg will sich Ideen, Konzepteund neue technische Möglichkeitenaus dem ganzen Kontinent holen. Einewichtige Grundlage für den Wettbewerb,die Meinung der Bürger zu „ihrem“Hochwasserschutz, wird im Herbst1999 an „Runden Tischen“ diskutiert.Nach dem Wettbewerb sind sich alleeinig: Es gibt gute Ideen und qualifizier-te Expertenteams, die sich für die wei-teren Planungen anbieten.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Durch den Einsatz von mobilen Elementen sollder Hochwasserschutz auf das einzigartige Stadt-bild und die Flusslandschaft Rücksicht nehmen.

2001

2002

2003

Die weltbekannte Benediktinerabteiliegt an den südlichen Ausläufern desFränkischen Jura, unmittelbar oberhalbder Weltenburger Enge, wo sich dieDonau vor rund einer Million Jahren einen Durchbruch durch die Kalkfelsengeschaffen hat. Die Landzunge mit einer vorgelagerten Kiesbank ist seitder Steinzeit besiedelt. Schon die Keltenund später die Römer hatten hier einHeiligtum errichtet. Die Christen tatenes ihnen gleich: Etwa um 610 n. Chr.gründeten irische Mönche hier ein Klos-ter, das zum Ausgangspunkt für dieMissionierung Bayerns wurde. Die 1050gegründete Klosterbrauerei gilt als ältes-te Brauerei der Welt – ein Titel, den aller-dings auch die Brauerei von Weihen-stephan bei Freising beansprucht.

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Kloster Weltenburg – Gotteshaus und Wasserhölle

Hochwasser in Weltenburg

Doch die barocke Klosteranlage mit derberühmten Asamkirche, die Abt MaurusBächl 1716 – 1739 errichten ließ, hateinen unsicheren Stand.

Dieser geschichtsträchtige Platz warimmer schon durch Hochwasser gefähr-det. Zahlreiche Hochwassermarken zeu-gen davon. Besonders schlimm traf esdas Kloster beim Hochwasser im März1845, als sich das Eis in der Engestaute und an Pfingsten 1999, als dieDonau bei niedrigerem Wasserstandeine nahezu gleiche Wassermengeführte. Damals stand in der Kirche dasWasser einen halben Meter hoch undim Konventsgebäude sowie dem Gas-tronomietrakt lief es über die Fenster-brüstungen in die Räume. Die Kloster-anlage erlitt Schäden in Höhe von 1,5Millionen Euro. Doch seit 2006 ist diekleinste Benediktinerabtei Bayerns voreinem Jahrhunderthochwasser ge-schützt. Mit innovativen Lösungenkonnten Hochwasserschutz und Denk-malschutz optimal verbunden werden:Die Schutzbauten bleiben dem Besu-cher verborgen. Bei drohenden Über-flutungen werden mobile Aluminium-wände und Metalltafeln passgenau inEinfahrten und Fenster eingesetzt. Unterirdisch ist das Kloster gegen dasWasser durch eine Art Beton-Palisaden-zaun geschützt und wird durch einenSammelschacht und Pumpen trockengehalten.

Das Einzugsgebiet der Donau bis Weltenburg.

Historische Hochwassermarken an der Außen-mauer des Klosters.

Hydrologische Daten der Donau

bei Weltenburg (Pegel Kelheim)

Einzugsgebiet 23 019 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 145 m3/s

Mittlerer Abfluss 332 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 1 170 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 2 200 m3/s

Abfluss bei HW 1845 2 200 m3/s

Weltenburg

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Hochwasser in der Klosteranlage 1999. Noch ist der Höchststand nicht erreicht ...

Hochwasserbekämpfung durch die KelheimerFeuerwehr 1999.

Damit es bei Hochwasser klappt, probt dieFeuerwehr den Aufbau einer mobilen Hoch-wasserschutzwand.Hochwasserschutzmaßnahmen 2006:

Mit Hochdruck wird der Boden gegen das unter-irdische Wasser abgedichtet.

Historie

Kallmünz, ein malerischer Markt, lebteseit alters her mit seinen Flüssen undprofitierte davon. Im „Ruhrgebiet desMittelalters“, wie die Oberpfalz auchgenannt wird, war die Vils eine wichti-ge Schifffahrtsstraße, auf der mit Last-kähnen Eisen flussab nach Regensburgund Salz flussauf transportiert wurde.Die Leipziger Malerin Elsa Boyensschrieb über den Marktflecken: „DieKünstler können sich nichts Schöneresdenken. Da fehlen nicht die bunten malerischen Häuschen mit den Terras-sen und Treppchen, die sich im Flussespiegeln und einen fast italienischenEindruck machen – nicht die seltsamenFelsformationen, die steil zum Wasserabfallen, so dass der Beschauer sichmanchmal beinahe nach Norwegenversetzt glaubt.“ Unter den Malern, die sich um die Wende des 20. Jahr-hunderts von Kallmünz und der schönenLandschaft inspirieren ließen, warenauch Berühmtheiten wie Wassily Kandinsky und Gabriele Münter.

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Hochwasser in Kallmünz

Kallmünz – alles in trocknen Tüchern

Das Einzugsgebiet der Naab bis Kallmünz.

Hydrologische Daten der Naab

bei Kallmünz (Pegel Münchshofen)

Einzugsgebiet 4 008 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 10,3 m3/s

Mittlerer Abfluss 37,5 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 260 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 750 m3/s

Abfluss bei HW 1947 635 m3/s

Hochwasser März 1988. Kallmünz mussteschon immer mit dem Wasser leben.

Kallmünz

Hochwasser heute

Doch die Lage zwischen Naab, Vils unddem steil aufragenden Burgberg, vonder die Gäste und Künstler so begeis-tert waren, bescherte dem Ort auch regelmäßige Überflutungen. Ein Hoch-wasserschutz für den gesamten Marktwürde massiv in das gewachsene Orts-bild eingreifen und kommt vor allemaus städtebaulichen Gründen nicht inFrage. Stattdessen haben die Einwoh-ner sich entschieden, selbst vorzusor-gen und ihre Häuser gegen Schäden zu sichern.

Auch im Abflussbereich unterhalb desMarktes hat sich etwas getan. Eine bestehende moderne Straßenbrückebekam zusätzliche Öffnungen, groß-flächige Anlandungen wurden wegge-baggert und grüne Flutmulden, die nurbei Hochwasser durchflossen werden,leiten den Abfluss direkt durch die neuenÖffnungen. All dies senkt die Wasser-stände erheblich – bei extremen Hoch-wassern sogar um mehrere Dezimeterund hilft, dass eine Reihe von Bürgernkeine nassen Füße mehr bekommen.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Flutmulden unterhalb der mittelalterlichen Steinernen Naab-Brücke.

Malerisches Kallmünz. Auch Kandinsky und Münter waren hier.

Eis an der historischen Naabbrücke im Januar2002. Seit das Braunkohlekraftwerk in Schwan-dorf vom Netz gegangen ist, nimmt die Verei-sung der Naab wieder zu.

Das „Jahrhundert-Hochwasser 1954“

Genau die Regenfront, die Deutschlandbei der Fussballweltmeisterschaft am4. Juli 1954 mit Hilfe des „Fritz Wal-ter-Wetters“ das „Wunder von Bern“beschert hatte, führte in Bayern zurgrößten Naturkatastrophe des 20. Jahr-hunderts. Durch einen ergiebigen Land-regen waren die Böden bereits wasser-gesättigt, dann fielen vom 7. bis 11.Juli noch einmal extrem hohe Nieder-schläge (bis zu 400 mm), die eine aus-geprägte Vb-Wetterlage mitbrachte.

In Passau erreichte der Wasserspiegelin den Morgenstunden des 10. Juli sei-nen Höchststand – nur noch einen Me-ter unter dem Rekordwasserstand desberüchtigten Hochwassers von 1501:Am Inn (Pegel Marienbrücke) stand dasWasser bei 10,10 m und an der Donau(Pegel Maxbrücke, heute Pegel Schanzl-brücke) bei 12,20 m. Die UferstraßenPassaus lagen zu diesem Zeitpunkt be-reits 5 - 6 m unter Wasser; im Inn flos-sen dabei 6 700 m3/s ab (neunmal

mehr als beim Mittelwasserabfluss von740 m3/s); in der Donau nach dem Zu-sammenfluss 9 100 m3/s (Mittelwasser-abfluss 1 430 m3/s). Dieses Hochwasser,

das zu Recht als „Jahrhundertereignis“bezeichnet wird, überflutete in Bayerneine Fläche von 1 500 km2, davon 580km2 in Niederbayern, und kostete 12Menschen das Leben – allein sieben inNiederbayern. Die Hochwasserschä-den von 120 Millionen DM (das ent-spricht einer heutigen Kaufkraft vonetwa 450 Millionen Euro) machten da-mals, kurz nach Kriegsende, die erstenFrüchte des Wiederaufbaus teilweisewieder zunichte.

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Hochwasser in Passau

Passau – Chronologie der Schrecken

Das Einzugsgebiet der Donau bis Passau.

Hydrologische Daten der Donau

bei Passau (Pegel Achleiten)

Einzugsgebiet 76 660 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 615 m3/s

Mittlerer Abfluss 1 430 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 4 110 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 8 800 m3/s

Abfluss bei HW 1954 9 100 m3/s

Altstadt mit Dom beim Hochwasser im Juli 1954.

Passau

Main/Elbe Donau Wildbäche

„Alle paar Jahre einhundertjährlichesHochwasser ...?“

Die Vermutung liegt nahe, dass dieHäufung großer Hochwasser im RaumPassau in den letzten Jahrzehnten(1988, 1999, 2002) ein Hinweisoder gar ein Beweis sei für eine grund-legende Änderung des Abflussgesche-hens in unseren Flüssen. Versiegelungder Landschaft, Ausbau der Flüsse, er-ste Folgen des Klimawandels sind dienaheliegenden Begründungen.

Ein Blick in die Hochwasserchronik derStadt Passau zeigt aber, dass das Wetterund die Abflussbildung als hoch komple-xes System mit vielen sich gegenseitigbeeinflussenden Faktoren noch nie

zur statistischen Mittelwertbildung ge-neigt haben. Nach Jahrzehnten mit nur moderat erhöhten Sommerabflüssenfolgten immer wieder im Abstand vonnur wenigen Jahren mehrere große,Schaden bringende Hochwasser hinter-einander.

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Überflutung durch Inn und Donau beim Hochwasser 2002.

Überflutung in der Ilzstadt im September 1899.

Historische Hoch-wasser in Passau biszum 19. Jahrhundert

...dargestellt in historischen

Zitaten und Auszügen aus

alten Chroniken

Im Jahr 1020

„Am 29.5.1020 wurde die Erde somächtig erschüttert, daß in allen Städ-ten Deutschlands viele Häuser zusam-menstürzten. Alle Flüsse traten aus ih-ren Ufern.“

Im Jahr 1060

„Dieser Winter war über das Reich derDeutschen hinweg sehr scharf, so daßdurch die Fülle und Frühzeitigkeit desSchnees u. des Frostes sie des Tages-lichtes beraubt wurden. Bald darauffolgte eine derartige Ausschüttung vonWasser, wie es kaum je vorher in jenemReich berichtet wurde.“

Im Jahr 1173

„Darauf folgte ein strenger Winter, inwelchem viele Menschen im Nordwal-de von wüthenden Wölfen zerrissenworden sein sollen, worauf dann imFebruar eine bisher unerhörte Über-schwemmung durch die Donau erfolg-te, durch welche viele Menschen, Thie-re und Ortschaften zu Grunde gingen.“

Im Jahr 1272

„Im folgenden Herbst entstand einederartige Überschwemmung durch Re-gen, daß die kleinen Bäche urplötzlichin so große Flüsse anschwollen, daßviele Häuser weggerissen wurden unddie in den Tälern wohnenden Leutedurch Untergehen von Vieh, Fortführenvon Heu und Getreide die größtenSchäden erlitten.“

mein dickem Eis belegt wurden, daßam 7ten März das Treibeis hier nichtnur die ganze Donaubrücke, sondernauch von der Innbrücke 9 Joch wegge-rissen, dabei die Donau eine ungemeineHöhe erreichte.“

Im Jahr 1786

„Am 16. und 17. Juni 1786 schwolleninfolge anhaltender Regengüsse dieFluthen des Inns zu einer außerordent-lichen Höhe an, wie eine am Waisen-haus befindliche Marmortafel anzeigt.Die Häuser an der Promenade, oberenund unteren Sandgasse und am Ortewurden bis an den ersten Stock unterWasser gesetzt.“

Am 26ten Tag Juny aber stieg hier (sowie in Tyrol, Innviertl und Baiern) derInnstrom mit unbeschreiblichen (Schu-derschaden?), zu einer Höhe, welche25 und ein halben Schuh die gewöhnli-che Höhe dieses Flußes übertraf unddenen in Jahren 1501 und 1558 hier fürgewesenen Überschwemmungen fastgleich kam.

Die ganze Innbrücke wird fortgenom-men, der Ilzfluß erreichte durch An-schwellung der Inn- und Donauströmenebenfalls eine unerhörte Höhe, undstand die Donau an niederen Orten zuPassau 9 Schuh hoch. Die größte Über-

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Hochwasser in Passau

Blick auf die Altstadt, wie ihn die Ilzer Bäcker 1501 vor sich gehabt haben müssten.

Im Jahr 1342

„Magdalenen-Hochwasser“

„... dass es alle Brücken von Straubingbis Passau ... fortriss ...“

Im Jahr 1344

„... unaussprechlicher Schaden, ...Men-schen und Vieh gingen zahllos zu Grun-de ...“

Im Jahr 1374

„Der herbst was nas und warm, die wei-bernächt windig, und ward eine grossegiß bis auf den obersten die wasserwurden gar groß besunder die Thunawwas unmassen groß und vil und großschaden, die weg wurdn allenthalben sotieff und so das man wol in fünf wuchenniemand zu den andern mocht kummen,es geschah den leuten gar wee.“

Im Jahr 1648

„Darauf ging der Feind sowohl Franzosenals Sachsen über den Lech und kamendurch ganz Bayern bis an den Inn, wel-ches vorhie in dem ganzen Krieg niemalsgesehen war. Gottes- und des ange-loffenen Wassers Gewalt aber hält ihnauf und ging wieder des Wegs, wo erhergekommen war.“

Im Jahr 1784

„Das Jahr 1784 brachte überaus großeKälte, wodurch die Flüsse mit so unge-

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Rekonstruktion überfluteter Flächen beim Passauer Jahrtausend-Hochwasser 1501.

Die „schröcklichen Wassergüß“ des 15. August 1501

Ein Rekordhochwasser traf die Pas-sauer anno 1501. Am Fest MariäHimmelfahrt (15. August) werden„schröckliche Wassergüß zu Pas-sau“ geschildert, „desgleichen vorherund nachher niemals ein größerer ge-wesen“. Tatsächlich wurde damalsder höchste bis heute bekannteWasserstand erreicht; er überstiegden Höchststand des Jahrhundert-hochwassers von 1954 sogar nochum einen Meter, und wird zu Rechtals Jahrtausend-Hochwasser be-zeichnet. Donau und Inn trafen da-mals schon in der Heiliggeistgasseund Brunngasse, dem damaligenwestlichen Stadtrand (in der Abbil-dung: rechts), aufeinander, schnitten

so den Landspitz vom Festland ab undmachten Passau für zehn Tage zur In-sel. Den alten Chronisten nach „wardas angerichtete Unheil furchtbar, Häu-ser wurden untergraben und stürztenein, Bäume und Geräte trieben auf denentfesselten Wassern. Kein Menschwagte in die unglückliche Stadt zu kom-men, nur die Bäcker von Hals hatten al-lein den Mut, unter augenscheinlicherLebensgefahr mit größeren Schiffenüber die unter Wasser stehendenStadtmauern in die Stadt zu fahren unddie bedrängten Einwohner mit Brot zuversorgen. Dafür erhielten sie auf ewi-ge Zeiten die Erlaubnis, in der StadtBrot in beliebiger Menge abgabenfreiverkaufen zu dürfen“.

Von diesen „Wassergüß“ zeugt nocheine große Anzahl von Merktafeln ausSolnhofer Stein an verschiedenen Stel-len der Stadt.

Eine Marmortafel trägt folgende In-schrift: „anno 1501 assumptionis ma-rie (am Mariahimmelfahrtstage) istdie wasserguess gangen an mitteldes chraitz.“ Und die gotische Inschrift am städti-schen Krankenhause nächst der Hl.Geistkirche berichtet: „Was das viel ein große KlagAn unser frawen schiedung tagAls sie in himel wird empfangenIst die güß daher gangenAls man zahlt 15 hundert und 1 jarMügt ihr all glauben – für war.“

„Anno 1501 Jahres hat die Wasser-güß um unser Frau Himmelfahrtstagbis an den derhalb eingemauertenMurmelstein am Rathhaus bis an dieMitte des Kreuzes dasselben gereicht,waren auch hoch bei der Donaubrük-ken, beim Heiligen Geist, im Ort undander Orten bezeichnet worden.“

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schwemmung währte 3 Tage und wardin Kellern Donauhäusern auch Mitte imNeumarkt ... und bey stiller Nacht hörteman das schaudervolle brausen desInnstromes auf eine halbe Meile desWeges von hier. Worauf an der so tiefgelegenen an diesen Strömen befindli-chen Häusern noch nicht abgetrocknetwaren, am 18ten und 19ten August-monats dieser erschröcklichen Wasser-flut, wie ein arger und grimmig zurück-kehrender Feind uns mehrmalsüberfiel.“

Im Jahr 1787

„Am Waisenhause, am oberen und un-teren Sand, am Eckhause der Brunn-gasse und an der Hellbrauerei bei derDonaulände sind Zeichen angebrachtnach denen die außerordentliche Höhedes Wassers vom 30. Weinmonat 1787 jener von 1501 fast gleichkam,merkwürdig ist, daß sogar an der Donaulände (Hellbrauerei und Brunn-gasse) die „Wassergüß“ des Innstro-mes besonders betont ist, sei es, daßder Inn die Donau so stark zurück…(staute).“

Passau – die Dreiflüssestadt

Die Chroniken belegen es überdeut-lich: Die Lage Passaus an seinenFlüssen war nicht selten mit Gefahrfür Leib und Leben verknüpft. Dochdas Leben am Wasser hatte auchunbestreitbare Vorzüge. Die Nähezum Ufer bot in gleicher Weise stra-tegischen Schutz wie Versorgungssi-cherheit; die Wasserstraßen ließenWohlstand durch Handel und Verkehrerwarten. Hier, am Zusammenflussvon Inn, Donau und Ilz, finden sichneben keltischen vor allem römischeNachweise einer über 2000-jährigenSiedlungsgeschichte: Auf dem hoch-wasserfrei gelegenen Gneisrücken zwischen Inn und Donau – dem heu-tigen Domberg – errichteten die Kel-ten um 450 v. Chr. ein Oppidum. Am Fuß dieser Anhöhe bauten dieRömer um 160 n. Chr. das Kastell„Castra Batava“, das der Stadt ihrenNamen gab. Gegenüber, am südli-chen Ufer des Inns, der damals dieGrenze zwischen den römischenProvinzen Noricum (heute etwaÖsterreich) und Rätien (heute etwaBayern südlich der Donau) darstellte,lag das römische Kastell „Boiotro“.

Nach Abzug der Römer wurde ausder Garnisonsstadt nach und nacheine Handelsstadt, die dem Salzhan-del zwischen dem Salzburger Landund Böhmen ihren Wohlstand ver-dankte. Schon Alexander von Hum-boldt, der weitgereiste Forscher, sollPassau zu den sieben schönstenStädten der Welt gezählt haben. Ihrsüdländisches Flair, das ihr italieni-sche Barockbaumeister verliehen ha-ben, und ihre unvergleichliche Lagean drei Flüssen locken auch heute

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Hochwasser in Passau

Historische Hochwassermarken am Rathaus in Passau.

Jahr für Jahr Tausende von Besuchernin die Dreiflüssestadt. Das bayerischeVenedig wird sie genannt, der stattlichenBauten und der vielen Gewässer wegen,die nur wenige Gehminuten auseinan-der liegen.

Die Altstadt mit dem Domberg, die Inn-stadt und die Ilzstadt – alle unmittelbaran einem oder zwei der drei PassauerFlüsse gelegen – bilden seit dem Mit-telalter die Konturen des historischenwie neuzeitlichen Passau. Dieser Stand-ort hatte zwar in wirtschaftlicher undlandschaftlicher Hinsicht unbestreit-bare Vorzüge, barg allerdings auch ein hohes Risiko in sich: Die Stadtchronikberichtet seit Beginn der schriftlichenAufzeichnungen um 1020 bis zum Be-ginn des 19. Jahrhunderts allein 34malvon „großer Wassernot“.

Passauer, die es sich leisten konnten,wohnten in hochwassersicheren Lagen.Wem das nicht möglich war oder werberufsbedingt ans Wasser gebundenwar, der musste sich den Unbilden im-mer wiederkehrender Hochwasserflu-

ten aussetzen. Noch im letzten Jahr-hundert gab es in Altstadtnähe an derDonau Hafenanlagen mit Lagerhallenund Gleisanlagen, die regelmäßig über-schwemmt wurden.

Drei Flüsse – ein Hochwasser?

Mit den drei Flüssen Donau, Inn undIlz, die sich in Passau vereinigen, tref-fen drei hydrografisch höchst unter-schiedliche Welten aufeinander: DieDonau kommt als vergleichsweise be-häbiger Strom daher; ihr Gefälle (Strau-bing – Passau) beträgt gut 0,2 ‰. Knapp50 000 km2 groß ist ihr Einzugsgebiet,das sie bis dahin entwässert hat. Imlangjährigen Mittel führt sie rund 850Kubikmeter m3/s zu Tal, das mittlereHochwasser beträgt 1780 m3/s, das100-jährliche Hochwasser 3 970 m3/s.

Der Inn dagegen ist trotz der fast voll-ständigen Stauregelung in seinem Ab-flussverhalten ein Gebirgsfluss geblie-

ben, was sich in der übers Jahr starkschwankenden Wasserführung zeigt.Zwar ist sein Einzugsgebiet mit knapp27 000 km2 nur wenig mehr als halb sogroß wie das Einzugsgebiet der Donau,dennoch transportiert er bei Hochwas-ser weit mehr Wasser als die Donau: der Mittelabfluss des Inns in Passaubeträgt 740 m3/s, das durchschnittlicheHochwasser knapp 3 000 m3/s und das100-jährliche sogar 6 700 m3/s. Auchdas Gefälle des unteren Inns ist mitknapp 0,8 ‰ fast viermal so steil wiedas der Donau, was bei Hochwasserzu Fließgeschwindigkeiten bis zu 3,8m/s (~14 km/h) führt. Die Ilz, die„schwarze Perle“ des BayerischenWaldes, ist ein Mittelgebirgsfluss mit850 km2 Einzugsgebiet und einem Ge-fälle von knapp 2 ‰ im Unterlauf. Ihr Abflussanteil ist im Vergleich zu Inn undDonau marginal und für die Hochwas-sersituation Passaus nicht maßgebend.

Die Untersuchung abgelaufener Hoch-wasserereignisse zeigt, dass die Hoch-wasserscheitel von Inn und Donau inder Regel nacheinander eintreffen: erst der Inn, dann die Donau. Dies liegtnicht nur am „schnelleren“ Inn, sondernauch an der üblichen Route der hoch-wasserträchtigen Regenfront, der so-genannten „Vb-Wetterlage“, die dasInn-Einzugsgebiet meist früher beschickt.Aber das muss nicht immer so sein: Es sind auch Wetterverläufe möglich –wenn auch weniger wahrscheinlich –bei denen die Donauspitze zuerst inPassau ankommt. Wenn der unwahr-scheinliche, aber nicht unmögliche Falleintritt, dass beide (entsprechend gro-ßen) Hochwasserscheitel zeitlich auf-einandertreffen, erreichen die Wasser-stände Rekordwerte. Das könnte 1501der Fall gewesen sein.

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Die drei Flüsse der Stadt Passau (von unten nach oben): Inn, Donau und Ilz.

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Schutz des Scharfrichterhauses in der Passauer Innenstadt nach Ablauf des Hochwassers 2002.

Hochwasser in Passau und Burghausen

Leben mit dem Hochwasser heute

Dass die Passauer mit dem Hochwasser„zu leben gelernt haben“, mag richtigsein; gleichwohl verursachen auch die alljährlich auftretenden „kleinen“ Hochwasser bis zum heutigen Tage derStadtverwaltung und den Anwohnernerhebliche Unannehmlichkeiten wieStraßensperrungen, Räumungen derUntergeschosse und feuchte Grund-mauern. Nur in der Ilzstadt konnte mandie Bürger durch hohe Betonmauernvor einem 100-jährlichen Hochwasserschützen.

Ansonsten kommen übliche Hochwas-serschutzmaßnahmen, wie das Errich-ten von Deichen und Mauern in derStadt Passau, wegen der beengten ört-lichen Verhältnisse, insbesondere aberwegen des sensiblen Stadtbildes nichtin Frage. Deshalb wurde ein alternativerWeg beschritten, das „Ausweichen nachoben“, in der Wasserwirtschaft als pas-siver Hochwasserschutz bezeichnet. AlsGrundsatz gilt dabei, die hochwasserge-fährdeten Geschosse nur für unterge-ordnete Zwecke zum Beispiel als Gara-ge oder Lagerraum und nur die höherangeordneten Räume uneingeschränktals Wohnräume und Büros zu nutzen.Die Strategie des passiven Schutzessetzt ein zuverlässiges Frühwarnsystemvoraus, um bei anlaufender Hochwasser-welle die bedrohten Räume noch recht-zeitig räumen zu können. Der Hochwas-sernachrichtendienst der bayerischenWasserwirtschaftsverwaltung kanndas gewährleisten.

nochmals in diesem Jahre ein Schrek-ken über die Stadt, ... In der Woche vorBartlmä (24.8.) wurde sie von der größ-ten aller Ueberschwemmungen heim-gesucht, wie auch das Wahrzeichenam Bäckerhause der Mauth gegenüberanzeigt. Die an der Salzach am tiefstenstehenden Häuser der Schiffgassenstanden bis an´s Dach im Wasser; vieleMenschen und Thiere gingen zu Grun-de. Im städtischen Tanzhause (amBichl) wurde das in den untern Räu-men liegende fürstliche Salz gänzlichertränkt; der Schaden, den das Hoch-wasser an Salz allein anrichtete, betrugmit Hinzuschlagung der Rettungskos-

ten in Burghausen 192 Gulden, 3 Kreu-zer und 1/2 Pfennig. Sogar das Rath-haus mußte gepölzt werden. Daß dieBrücke mit sammt den darauf stehen-den Fleischbänken weggeführt wurde, versteht sich so zu sagen von selbst. In der Bartlmä-Woche wurde am Färber-haus jenseits der Salzach der Haspelzur Ueberfahrt errichtet; in der Wochenach Thomas konnte das Quell-Wasserwieder über die Brücke in die Stadt ge-leitet werden. Am 21. August verschriebdie Regierung Bauern aus den nächst-gelegenen Landgerichten, welche zurHinwegschaffung des vom Hochwas-ser zurückgelassenen Schlammes bei-helfen mußten; noch in der Galli-Wochewurde Schlamm aus der Stadt geführt.Die Reinigung der Stadt erforderte alsovolle zwei Monate.“

Heute wird die Burghauser Altstadtvon einer Mauer geschützt, die 1971fertig gestellt wurde. Zwar kam es seit-dem zu keinen größeren Hochwasser-schäden mehr, aber 1598 wäre auchdiese Mauer überspült worden, dennaus Rücksicht auf das Stadtbild konntesie nur 9,28 m hoch gebaut werden.

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Die Salzach – eine „rechte“ Schwester desInns – und die Stadt Burghausen

Das Einzugsgebiet der Salzach bis Burghausen.

Hydrologische Daten der Salzach

bei Burghausen

Einzugsgebiet 6 700 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 80,3 m3/s

Mittlerer Abfluss 250 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 1 390 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 3 300 m3/s

Abfluss bei HW 1899 3 350 m3/s

Burghausen

Schlammablagerung nach Hochwasser in der Altstadt von Burghausen 1899.

Wie der Inn ist auch die Salzach einGebirgsfluss – mit 6 700 km2 Einzugs-gebiet und mit einem mittleren Abflussvon 250 m3/s der größte Nebenflussdes Inns, in den sie nach Burghausenmündet. Über Jahrhunderte hinwegwar sie für die Stadt Burghausen immerwieder eine Gefahr für Hab und Gut,bisweilen sogar für Leib und Leben.Das größte Hochwasser in historischerZeit dürfte am 17. August 1598 abge-laufen sein. Die Abflussmenge betrugdamals rund 4 600 m3/s. Zum Vergleich:das mittlere Hochwasser beträgt 1 390m3/s, das 100-jährliche 3 300 m3/s unddas 1000-jährliche Hochwasser 4 400m3/s. Der Wasserspiegel der Salzachstieg damals auf weit über 12 m. Alle tiefer liegenden Straßen der Altstadt,in den Grüben, der Spitalvorstadt undauch der Stadtplatz der heutigen Alt-stadt waren überflutet, die Salzach-brücke nach Österreich unpassierbar.

1862 hat Johann Georg Bonifaz Huberan Hand historischer Quellen seine„Geschichte der Stadt Burghausen“geschrieben; darin heißt es zu obigemEreignis (Nachdruck 1993): „Da kam

In und um Donauwörth lebt man schonseit jeher mit den Flüssen. Und mit eini-gem Stolz trägt Donauwörth, das alteStädtchen am Rande der SchwäbischenAlb, den Namen „das kleine Venedig“.Die Flüsse Donau und Wörnitz, aberauch Schmutter, Zusam und der Kaibachsetzten sozusagen feuchte Leitlinienfür die städtebauliche Entwicklung Donauwörths bis in das 20. Jahrhundert.

Zahlreiche Hochwasser, wie etwa dasEishochwasser von 1963 oder auchdas Hochwasser vom Februar 1970

sind noch gegenwärtige Erinnerungenin der Stadt. Doch auch in früherer Zeitbedrohten Hochwasser die Ansiedlung.Besonders prekär waren die Hochwas-ser für den Stadtteil Ried, einer kleinenInsel zwischen der Wörnitz und der„Kleinen Wörnitz“. Nicht immer konntedie Stadtmauer die Wassermassen ab-halten.

In den Chroniken der Stadt wird immerwieder eindringlich von Hochwassernberichtet, die zweifellos häufiger warenals in jüngster Vergangenheit. So sollzum Beispiel im Jahr 1501 ein vomHochwasser begleiteter Eisstau die

Donaubrücke weggerissen haben. Leiderkein einmaliger Schlag ins Wasser!1658 wurde die bereits durch Kriegs-wirren (Dreißigjähriger Krieg 1618-1648)baufällig gewordene Donaubrückedurch die „im Monath Februarij ausge-gangene große Eisguß dermaßen zer-scheittert und übel zuegerichtet …,dass solche zur Verbietung großen Un-hails und Schadens notwendig abgetra-gen und gannz von neuem vom Was-ser herauß gebaut werden“ musste.Und diese Brücke brach nach einem erneuten Eisstoß im Jahre 1740 zu-sammen und wurde: „mit allen Ge-waldt unter erschöckhlichen Knallenund Krachen uf einmahl und fasst in einem Vatterunser Lang völlig weckh-gerissen“.

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Hochwasser in Donauwörth

Das Einzugsgebiet der Donau bis Donauwörth.

Hydrologische Daten der Donau

bei Donauwörth

Einzugsgebiet 10 092 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 76,1 m3/s

Mittlerer Abfluss 191 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 756 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 1 450 m3/s

Abfluss bei HW 1994 1 340 m3/s

Donauwörth – das „kleine Venedig“

Überschwemmte Gebiete um Donauwörth beim Hochwasser 1882.

Donauwörth

Zwischen 1831 und 1850 gibt eskaum ein Jahr ohne Hochwassermel-dung. Besonders schlimm und verhee-rend muss das Hochwasser vom 28.März 1845 gewesen sein. Tauwetterund starke Regenfälle drückten zusam-men mit der Eis- und Schneeschmelzeso große Wassermassen in die Flüsseund Niederungen, dass in kurzer Zeitdie Gewässer anschwollen und die In-sel Ried überschwemmten.

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Main/Elbe Donau Wildbäche

Eisbruch bei Dillingen 1929.

Rekonstruktion derüberschwemmten Flächen beim großenHochwasser des Jahres 1893.

„Seenlandschaft“ süd-westlich von Donau-wörth mit Eisenbahn-brücke der BahnlinieAugsburg-Donauwörthbeim Hochwasser des Jahres 1926.

Doch nicht nur die gefürchteten undgewaltigen Winterhochwasser mit ihren Eistrieben richteten erheblichenSchaden an. Auch kurze Gewitter undStarkregen füllten vor allem in denSommermonaten die kleineren Gewäs-ser. So auch im Juni 1853. Ein starkesGewitter mit Regen und Hagel zerstör-te die Ernte. Weitere Folge war einmalmehr ein Hochwasser: 11 Schuh hoch.Erneut kam die Bürgerschaft in der

Stadtpfarrkirche zusammen und betete„Der Himmel wolle das Flehen derzahlreich versammelten Einwohnergnädigst erhören und baldigst erquicken-den Sonnenschein für Menschen, Pflan-zen und Tiere wiederkehren lassen“.

Doch auch im 20. Jahrhundert, als sichdie Stadt immer weiter in die Über-schwemmungsgebiete der Donau undder Wörnitz ausdehnte, richteten die

Hochwasser immer wieder erheblichenSchaden an Mensch und Tier an. Daswohl verheerendste Hochwasser wardas vom Juni 1926. „Haupt-Akteure“waren damals die südlichen Donauzu-flüsse Zusam und Schmutter. Die ge-samte Getreideernte wurde durch dieWassermassen zerstört, da die Deicheoberhalb der Stadt den Wassermassen

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Hochwasser in Donauwörth

Hochwasser in Donauwörth 1965.

Blick von der Donaubrücke beim letzten Eishochwasser 1963.

nachgaben. Donau- und Wörnitztal gli-chen einem einzigen See. Dieses Bildsollte sich noch mehrmals wiederholen.

Besonders dramatisch spitzte sich dieSituation im Februar 1970 zu. Dauer-regen führte am 21. Februar 1970 zumdritten Mal im selben Monat zu Hoch-wasser. Die Donau, die Wörnitz undauch der Kaibach stiegen bedrohlich an.Das nicht mehr in die Donau abfließendeHochwasser der Wörnitz überschwem-mte das gesamte Tal zwischen Donau-wörth und Harburg. Der Stadtteil Riedstand über einen Meter unter Wasser.Der Ortsteil Riedlingen und die Neu-degger Siedlung waren vollkommenvon der Außenwelt abgeschnitten. Auchdie Produktion bei der Firma WMD –heute Eurocopter – musste eingestelltwerden. Dieses seit Jahrzehnten größ-te Hochwasser in Donauwörth richteteeinen Schaden von fast 5 Millionen DMan. Allein im Februar flossen 180 Millio-

bestand der aus Deichen und Mauernbestehende Hochwasserschutz derStadt Donauwörth noch kurz vor seinereigentlichen Fertigstellung: Das Hoch-wasser vom April 1994, das bis datogrößte Hochwasser in Donauwörth,konnte den Bewohnern der Insel Riednichts mehr anhaben. Die Insel bliebtrocken.

Seitdem konnten alle folgenden Hoch-wasser – auch das Hochwasser vonPfingsten 1999 – nahezu schadlos abgeführt werden.

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Hochwasser in Donauwörth 2005.

Der Hochwasser-schutz in Donauwörthbewahrt bebaute Ge-biete auch vor Sicker-wasser aus demFlussbett. Nieder-schlags- und Grund-wasser kann beiHochwasser aus dengeschützten Gebietenabgeleitet werden.

nen Kubikmeter Wasser die Wörnitz hin-unter, eine Wassermenge, die sonst ineinem halben Jahr zum Abfluss kommt.Dieses Hochwasser, das als Jahrhundert-hochwasser in die Geschichte Donau-wörths einging, veranlasste die Bürger,Planungen für einen effektiven Hoch-wasserschutz zu beginnen. Doch zwi-schen Plan und Verwirklichung musstenoch viel Wasser fließen: WeitereHochfluten mussten erduldet werden. Seine erste wirkliche Bewährungsprobe

„Die Gründung der Isar“ – Hochwas-servorhersage nach Karl Valentin:„Punkt vier Uhr sollte der grüne Flusseintreffen, aber es wurde später undspäter, und kein Tropfen Isar war zu se-hen. Es wurden sofort Extrablätter ver-teilt mit der Inschrift: „Isar noch nichteingetroffen, eine Stunde Verspätung!“

Große Bestürzung unter der Bevölke-rung, aber das Volksgemurmel wurdedurch ein eigenartiges, unleises Rau-schen unterbrochen – ein kurzes Hor-chen der Menge, und aus tausendKehlen schallt es durch die Auen: Die Isar kommt, die Isar kommt, dieIsar ist schon da.“

Ansprache des Bürgermeisters (Auszug):„Willkommen, edler Gebirgsfluss, will-kommen in deiner Heimat, in der Haupt-und Residenzstadt München. Endlichhaben deine Wogen unsere Stadt be-rührt, und wir alle freuen uns, des großenNutzens und Schadens wegen, den wirdurch dich bekommen. Du wirst in Zu-kunft unsere Mühlen treiben, du gibstuns einen großartigen Aufenthaltsort fürunsere armen Fische, wir können in dirbaden. Geheimrat Pettenkofer wird diretwas Gruseliges (nämlich die Fort-schwemmung der Fäkalien) anvertrauen.

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Die Isar – schön und schrecklich

Hochwasser in München

Das Einzugsgebiet derIsar bis München.

Hydrologische Daten der Isar

bei München

Einzugsgebiet 2 814 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 16,5 m3/s

Mittlerer Abfluss 64 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 393 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 1050 m3/s

Abfluss bei HW 1999 830 m3/s

Einsturz der Ludwigs-brücke beim Hoch-wasser 1813.

München

Aber Gott lässt seiner nicht spotten,nach dem letzten „Hoch“ stieg der Pegel auf ein – zwei – drei – vier – fünfund gar sechs Meter, die gutmütigeIsar schäumte gelb vor Wut, die haus-hohen Wellen waren mindestens einbis zwei Meter hoch, die am Ufer ste-henden Menschen flohen in die Stadt –ins Hofbräuhaus, welches bald über-füllt war, der Rest zog traurig von dan-nen – in die Kirche.“ (Auszüge aus Karl Valentin, Monologe und Dialoge, Piper-Verlag.)

Überliefert sind große Hochwasser mitstarken Verwüstungen aus den Jahren1400, 1401, 1404, 1418, 1462,1463, 1477, 1485 und 1491,1589, 1624, 1633. 1729 standendas ganze Lehel und die Au unter Was-ser. 1739 wiederum, aber viel höher –bis Thalkirchen bildete die Isar einenSee. Weitere Hochwasser gab es1778, 1783, 1786 drei, 1795 und1802. 1807 riss das Hochwasserein Achtel Grund der Au fort. 1813 er-tranken hundert Schaulustige, als dasHochwasser die Ludwigsbrücke zumEinstürzen brachte. Weitere Hochwas-ser waren 1865, 1873 – Einsturz derMax-Joseph-Brücke – und 1875.1899 riss ein Jahrhunderthochwasserdie Prinzregentenbrücke und die Max-Joseph-Brücke ein – nur sechs Jahrenach ihrer Fertigstellung.

Im 20. Jahrhundert suchten Münchengroße Hochwasser 1924, 1930,1940, 1954 und 1999 (Pfingsthoch-wasser) heim. Das Augusthochwasser2005 ist mit den großen Hochwassernder vergangenen Jahrhunderte ver-gleichbar.

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Hochwasser beim Maximilianeum 1899. Der Einsturz der Prinzregentenbrücke (Bild darunter)beim gleichen Hochwasser wurde sogar auf einer Postkarte veröffentlicht.

Wie sich die Bilder gleichen: Hochwasser amDeutschen Museum 1940 und 2005.

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Hochwasser in München

„Ohne die Isar gäbe es München nicht“

Flüsse brauchen keine Menschen,Menschen aber seit jeher die Flüsse. Die Münchner und die Isar – das ist eineuralte, ziemlich einseitige Beziehung.

Das München Heinrichs des Löwen1158 lag wegen der sumpfigen, immerwieder überfluteten Niederungen 1 kmvon der Isar entfernt auf dem westli-chen Isarhochufer. Mit anwachsenderBevölkerung entstand nach Osten,Richtung Isar, die „Talstadt“. Bei derfolgenden 2. Stadtbefestigung ab 1285unter Ludwig dem Strengen wurde dieStadtmauer nach Südosten gar nichterst geschlossen, da dort lediglichÜberschwemmungsgebiet war.

Die Bevölkerung rückte näher an die Isarund begab sich in Gefahr. In der land-wirtschaftlich nicht nutzbaren Au ent-standen im Laufe der Zeit so genannteHerbergen für die ärmsten Bevölkerungs-schichten, denen es gesetzlich verbotenwar, landwirtschaftlich nutzbares Landzu beanspruchen. Da die Isar selbst zuwild war, wurden schon im 14. Jahr-hundert in München Stadtbäche gebaut:

mit so genannten Senkbäumen, einfa-chen Holzwehren, wurde Wasser vonder Isar aus- und in ein Netz vielfachverzweigter Stadtbäche im Stadtgebieteingeleitet. Die Stadtbäche waren Lebensadern und Verkehrswege derStadt, wurden für Gewerbe, Wäsche,Abfall- und Abwasserentsorgung be-nutzt. Außerdem trieben die Stadtbä-che Mühlen, Trieb- und Hammerwerkean. (Auszüge aus der Facharbeit imFach Erdkunde „Hochwasserschutz ander Isar in und für München ...“ vonRoland Beyerle, München 2003.)

Die Menschen verändern die Isar

Bis zu ihrer Regulierung Mitte des 19.Jahrhunderts floss die Isar auch imMünchner Stadtgebiet in einem breitensich ständig verlagernden Flussbett mitausgedehnten Kiesbänken und ver-zweigten Flussarmen, also in einer typi-schen voralpinen Wildflusslandschaft.Schneeschmelze und starke Sommer-regen ließen den Gebirgsfluss, der schonvon den Kelten als „die Reißende“ be-zeichnet wurde, gewaltig anschwellen.Die rasch ansteigenden und heftigen

München um 1832, historischer Blick von Bogenhausen auf die Isar und die Stadt, bevor ein festes Bett mit geometrischem Querschnitt gebaut wurde.

… und 1908-1933.Quelle: Baugeschichtlicher Atlas der LH München, Max Megele 1951

Die baulichen Entwicklung der Stadt München1833-1858 (Ausschnitt)…

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Hochwasser, die große Mengen an Geröll und Kies aus den Alpen mit sichbrachten, gestalteten die Flusslandschaftregelmäßig um. Tiefer liegende Stadt-teile Münchens, wie das Tal, das Lehelund die Au wurden immer wieder vomHochwasser überflutet.

Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundertgriff der Mensch in das natürliche Kräf-tespiel ein und bestimmte maßgeblichdas Bild der Isar, wie es sich uns heutebietet. Das beginnende Industriezeital-ter und die wachsende Bevölkerungbrachten vielseitige Nutzungsinteressenan den Fluss mit sich. Um die Isar alsTransportweg und ihre Überschwem-mungsgebiete als Siedlungsraum nut-zen sowie Energie durch Wasserkraftgewinnen zu können, wurden vielseiti-ge Ausbau- und Korrekturmaßnahmenvorgenommen. Diese Eingriffe habenaber auch das natürliche Flusssystemstark verändert. Der ursprüngliche Cha-rakter der reißenden Isar mit hoher Ge-schiebedynamik und enger Verknüpfungzwischen Fluss und Aue ist weitgehendverschwunden.

Der systematische Ausbau des Fluss-bettes Mitte des 19. Jahrhunderts unddie Ausnutzung der Wasserkraft in denKraftwerken des Werkkanals, der An-fang des 20. Jahrhunderts angelegtwurde, gaben der Entwicklung Mün-chens einen kräftigen Schub. Die Isar erhielt ein festes Bett von circa 150 mBreite mit geometrischem Querschnitt,bestehend aus Mittelwassergerinne,Hochwasserwiesen und Hochwasser-deichen. Gott sei Dank haben unsereVorfahren der Isar bis zum DeutschenMuseum mehr Platz gelassen als in anderen Großstädten üblich. Ab demDeutschen Museum, Richtung Norden,wurden hohe senkrechte Ufermauernund mehrere Wehre gebaut.

Sylvenstein und „Isarplan“ – Hochwasserschutzfür München

Mit der Inbetriebnahme des Sylven-steinspeichers 1959 und mit der Damm-erhöhung 1999 verbesserte sich derHochwasserschutz erheblich. Ohne denRückhalt von rund 52 Millionen Kubik-meter im Sylvensteinspeicher und denVerbesserungen der Hochwasser-schutzanlagen (Deichverstärkung und -erhöhung sowie Mittelwasserbettauf-weitung) beim Projekt „Isarplan“ hättedie Isar beim Pfingsthochwasser 1999

und insbesondere beim Augusthoch-wasser 2005, ähnlich wie beim Hoch-wasser 1940, die tief liegenden Be-reiche Münchens überschwemmt.

Hochwasser führender Sylvensteinspeicher im August 2005.

Der im Rahmen des „Isarplanes“ erhöhte undverstärkte Deich südlich des Marienklausen-stegs. Vor und während des Augusthochwas-sers 2005.

Besonderheiten anWildbächen

Ein Wildbach ist ein steiles Fließgewäs-ser, das manchmal stark anschwillt unddann große Mengen an Gesteinsschutt,Geschiebe, Erdreich, Holz oder ganzeBaumstämme mit sich führt. Haupt-kennzeichen von Wildbächen im Alpen-raum sind das starke Gefälle und durchSchneeschmelze oder heftige Gewitterin Minuten sich extrem ändernde Ab-flusswerte. Die starken Erosionskräfte,die dabei auftreten, können das Bach-bett in kürzester Zeit aufweiten, ver-schütten oder in andere Abflussberei-che verlagern. An trockenen Sommer-tagen plätschern Wildbäche harmlosund beschaulich zu Tal.

Erosion und Geschiebe

Extreme Abflüsse in Wildbächen ent-stehen bei Schneeschmelze und durchheftige Gewitter. Wo aber haben dieBäche das Geschiebe her?

Seit der Entstehung der Alpen wurdendie unterschiedlichsten Gesteinsschich-ten aufgefaltet und übereinander ge-schoben. Die gewaltigen Kräfte zerleg-ten das Gestein, es entstanden Spaltendurch den Bruch des Gesteins und Störungen.

Solche stark beanspruchten Zonen wer-den als geologisch labile Zonen bezeich-net. Hier ist die Gefahr von Abtragungam größten. Denn je brüchiger und lok-kerer der Untergrund, desto anfälligerist er für Erosion und Abtragung.

Neben diesen geologischen labilen Zonen gibt es in den Alpen ausgedehn-te Bereiche mit Lockergesteinen – Ge-stein also, das schon einmal abgetra-gen und dann wieder abgelagert wurde.Aus geologisch jüngerer Zeit stammenHang- und Verwitterungsschutt sowiedie Schwemmfächer der Bäche an Tal-ausgängen; aus einer geologisch etwasfrüheren Zeit die Schuttmassen dereiszeitlichen Gletscher. Sie bestehenaus einem unsortierten Gemisch dervom Gletschergewicht zerkleinertenFelsen.

Häufig haben Gletscher, die sich durchdas Haupttal schoben, kleinere Seiten-täler abgeriegelt. Es entstanden dort

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In Minuten vom Rinnsal zur Sintflut

Hochwasser der Wildbäche

Erosionserscheinungen am Oberjoch im Oberallgäu.

Ein natürlicher Wildbach fasziniert durch seine Dynamik und Vielfalt.

Hochwasserabflüsse der Wildbäche entwickelngewaltige Kräfte (Partnach, August 2005).

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Main/Elbe Donau Wildbäche

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natürliche Rückhaltebecken, in denensich das Wasser staute und mitgeführ-te Feststoffe ablagert. Man spricht hiervon Stausedimenten, die zum Teil heu-te noch vorhanden sind. Diese Locker-gesteine können relativ leicht wieder inBewegung geraten. Besonders gefähr-lich sind sie im Bereich von Wildbächen,denn das Hochwasser kann das locke-re Material mitreißen und bachabwärtswieder ablagern. Wie stabil ein Hangist und wie groß folglich seine „Abtrags-bereitschaft“, hängt stark davon ab,was er – erdgeschichtlich gesehen –„erlebt“ hat.

Was wir heute in den Alpen sehen, istnur ein Zwischenstand dieser geologi-schen Entwicklung. Die Alpen hebensich auch heute noch um einige Milli-meter pro Jahr, gleichzeitig werden siedurch Bewegungen von Wasser undLösungsvorgängen im Wasser wiederabgetragen. Die Gestalt der Hänge än-dert sich also – natürlichen Prozessenfolgend – ständig. Motor dieser Mas-senbewegungen ist das Wasser ge-meinsam mit der Schwerkraft.

Die natürlichen Veränderungen im Ge-birge bekommen erst dann etwas Be-drohliches, wenn sich Siedler in ihremLebensraum zu nahe an die Gefahren-stellen heranwagen. Aus dem geologi-schen Alltag, der sich immer schon hef-tig und sprunghaft entwickeln konnte,wird dann Notstand und Drama.

Abtragung und Wildbachereignissehängen oft eng zusammen. GelangtMaterial aus Hang-Rutschungen inWildbäche, kann das Muren (Schlamm-lawinen) auslösen. Unterspült ein Wild-bachhochwasser den Hangfuß, kanndas die Abtragung am gesamten Hangwieder in Gang bringen.

Muren

Wildbäche können unter besonderenBedingungen Muren gebären. Als Murebezeichnet man ein Gemisch aus Was-ser, Erde, feinen und groben Gesteins-teilchen, Schutt, Geröll und Holz. DamitMuren entstehen, muss erodierbaresMaterial in „Griffweite“ des Baches liegen, Material das bei Hochwasserund ausreichend großem Gefälle losge-löst und in Bewegung gesetzt wird.Auslöser einer Mure können Starknie-derschläge, intensive Schneeschmelze,starke Durchfeuchtung oder der Durch-bruch gestauter Wassermassen sein.Muren können mit wenigen Meternpro Tag zu Tal kriechen, aber auch biszu 50 km/h erreichen. Noch schnellerwerden sie, wenn Wildbäche selbst errichtete Barrieren (so genannte „Ver-klausungen“) durchbrechen. Die dannauftretenden Kräfte richten mituntergroße Schäden in besiedelten Gebie-ten und deren Infrastruktur an.

Wildholz

Holz in den Bachläufen legt sich an na-türlichen oder künstlichen Engstellenund Hindernissen quer, wie zum Bei-spiel an Brücken oder Rohrleitungen.Das Wasser staut sich dort und suchteinen neuen Abfluss – immer wiederauch in bebaute Gebiete.

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Mure am Fuß des Brechries nach dem Pfingst-hochwasser des Jenbach 1999.

Fangzäune im Oberlauf schützen die Bewohneram Unterlauf vor Wildholz.

Hochwasser der Wildbäche

Oberflächenabfluss

Zwei Faktoren sind es, die wesentlichbestimmen, wieviel Wasser an derOberfläche abfließt: Vegetation und dieBeschaffenheit des Bodens. Zerstö-rung der Vegetation und Veränderungder Bodenstruktur führen zu höherenAbflüssen und verstärkter Erosion.Meist sind es heftige Gewitter imSommer mit starken Niederschlägen,die ein Hochwasser in Wildbächen aus-lösen. Gewitterregen sind kurz, aberextrem heftig. So wurden schon bis zu knapp 90 l/m2 in nur 30 Minuten

gemessen. Das kann der Boden nichtmehr aufnehmen. Entsprechend ex-trem steigen die Wildbäche an. Wegendes steilen Gefälles erreicht das Was-ser sehr hohe Geschwindigkeiten: 20 km/h und mehr sind keine Selten-heit. Dadurch werden die Kräfte, dieauf die Bachsohle und die Ufer wirken,sehr hoch.

Landnutzungen imEinzugsgebiet

Schon in der Steinzeit wurde das Berg-land besiedelt – als erstes die Täler unddie Terrassen am Rande der Alpen. Alsman dort Kupfer, Zinn und Eisen fand,stieg die Bevölkerungsdichte und Nut-zung stark an. Zwischen dem 11. unddem 14. Jahrhundert rodeten die Men-schen große Flächen des Bergwaldes,um Siedlungsraum zu schaffen. Nachverheerenden Bränden im 14. und 15.Jahrhundert trat das Steinhaus seinenSiegeszug an. Nun brauchte man Holzzum Brennen von Ziegelsteinen und Kalk.

Bis zum ausgehenden Mittelalter ver-schwanden in den Alpen viele bewal-dete Flächen. Nur rund zwei Drittel des ursprünglichen Bestandes sind bisheute erhalten. Wenn der Waldanteil in den Einzugsgebieten zurückgeht,kommt es zu erhöhten Abflüssen. Niederschlagsmengen, die sonst dergut durchwurzelte Waldboden aufneh-men kann und erst langsam wieder abgibt, fließen dann direkt ab.

Im 18. Jahrhundert nahm der Siedlungs-druck auf die Alpen weiter zu. Die ex-tremste Zunahme ist aber seit Endedes zweiten Weltkrieg festzustellen.Das betrifft den Einzelnen als Wande-rer, Skifahrer oder Autofahrer, aberauch ganze Industriezweige. Allein dersich entwickelnde Fremdenverkehrzog immer mehr Menschen in ehemalsdünn besiedelte Gebiete. In der Folgeentstanden Hotels, Gaststätten, Kur-einrichtungen. Fast zwangsläufig rück-te deshalb die Bebauung immer näheran die Wildbäche heran. Man bauteauch dort, wo die Vorfahren, in Kennt-nis der Naturgewalten, sich nie undnimmer hingewagt hätten.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 71

Selbst aus kleinsten Einzugsgebieten könnenbei Starkregenereignissen extreme Wasser-mengen abfließen (Hochwasser der Partnach23. August 2005).

Main/Elbe Donau Wildbäche

Mit zunehmender Besiedlung der Alpenentstanden zahlreiche Verkehrswegeund andere Infrastruktureinrichtungen.Sie erschlossen den Alpenraum, ermög-lichten erst den Warenverkehr zwischenbenachbarten Ländern und waren Vor-aussetzung für die Entwicklung desFremdenverkehrs in der heutigen Form.Selbst schmale Täler sind inzwischendurch verhältnismäßig breite Straßen,Wege oder Eisenbahntrassen erreich-bar. Wenn aber bei großen Hochwas-sern der Raum für die andrängendenWassermassen nicht mehr ausreicht,sind Unterspülungen und Beschädigun-gen dieser Verkehrswege vorprogram-miert. Besonders gefährdet sind Brük-ken durch Verlegen (Verklausen) mitTreibholz. Staut sich das Wasser hier,sucht es sich seinen Weg außerhalbdes Bachbettes.

Selbst das liebe Vieh kann schuldig wer-den: Die sommerliche Weidewirtschaftist vermutlich die älteste Form derlandwirtschaftlichen Nutzung im Alpen-raum. Noch heute grasen TausendeKühe und Schafe auf Weiden und Berg-almen. Anders als noch vor Jahren istdas „moderne“ Almvieh deutlich ge-wichtiger. So wog eine Kuh der Rasse„Tiroler Grauvieh“ – eine sehr alte Rasse – bis 600 kg, eine moderne

der Rasse „Braunvieh“ aber bis 750 kg.Vor allem in nassen Sommern kann esso zu erheblichen Trittschäden und Bo-denverdichtungen kommen, die wieder-um zu einem erhöhten Oberflächenab-fluss und flächenhafter Erosion führen.Wo Waldweidewirtschaft betriebenwird, schädigt das Vieh in vielen Fällenden Bergwald direkt durch Verbiss anJungbäumen.

Wanderer und Spaziergänger erklim-men nicht nur verlockende Berggipfel,sondern bewegen sich auch entlanglandschaftlich reizvoller Routen wieWildbächen. Wo sie die Wege verlas-sen, etwa um abzukürzen, wird diePflanzendecke geschädigt. Das jetztungeschützte Erdreich wird vom Re-gen weggespült, Erosionsrinnen fres-sen sich in die Hänge. Ähnliche Folgenbringt auch das Mountainbike-Fahrenmit sich, das in den letzten 15 Jahrenso beliebt geworden ist. Im Wildbachselbst bewegen sich die Kajakfahrer

und „Canyoning-Sportler“. Die ökologi-schen Auswirkungen dieser Sportartensind kritisch zu bewerten. Gerade dieschwer zugänglichen Schluchtstreckender Wildbäche sind letzte Rückzugsge-biete für seltene Tiere und Pflanzen.

In den Skiorten bestehen heute vielePisten, Liftanlagen und andere Infra-struktureinrichtungen. Auf den breitenAbfahrten wird der Boden häufig durchschwere Pistenraupen stark verdichtet.Da die Niederschläge dort schwererversickern, fließt ein Großteil des Was-sers auf der Oberfläche ab und mussvon den Bergbächen statt vom Bodenaufgenommen werden. Schneisen imWald, die für den Bau der Liftanlagenund Bergbahnen geschlagen wurden,beschleunigen den Abfluss zusätzlich.

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Hochwasser der Wildbäche

Die intensive Nutzung des Alpenraumes muss auch unter Hochwasser-Gesichtspunktenkritisch bewertet werden.

Die Entwicklung derWildbachverbauung

Bei den ersten Schutzverbauungenstanden technische und hydraulischeAnforderungen im Vordergrund; Ökolo-gie war kein Thema. Da Wildbächeaber relativ kleine Einzugsgebiete ha-ben, war von Beginn an der integraleDenkansatz – sowohl am Bachlauf alsauch in der Fläche des Einzugsgebieteszu arbeiten – Teil von Planungen undAusführungen. Schon im 19. Jahrhun-dert war bekannt, dass Schutzmaßnah-men nahe bei den Ursachen, also imOberlauf der Wildbäche und deren Ein-zugsgebieten, oft effektiver sind alsaufwändige Verbauungen im Unterlauf.Die Pflege oder Aufforstung des Wal-des im Wassereinzugsgebiet beispiels-weise ist eine besonders wirksameMaßnahme, um Erosion schon im Entstehen zu bekämpfen.

Auch ingenieurbiologische Bauweisen– die Verwendung der Pflanze als Bau-stoff – wurden seit Beginn der techni-schen Verbauung angewandt, insbe-sondere um Rutschhänge in Locker-gesteinen zu sichern. Doch stand überJahrzehnte das technische Schutzkon-zept bei Bauwerken absolut im Vorder-grund, und den Wunsch nach anspre-chender Gestaltung und Einbindung indie Landschaft beachtete man wenig.

Erst in den 70er Jahren entstanden erste Ansätze, die über den reinenSchutzwasserbau hinausgingen undstärker Aspekte des Natur- und Land-schaftsschutzes berücksichtigten.

Für die Ingenieure ergab sich damiteine völlig neue Herausforderung. Beider Planung betrachtete man nicht mehrnur den eigentlichen Bachlauf, sondernauch die Uferbereiche und den gesam-ten Talraum. Es sollten sowohl die Floraund Fauna des Baches geschützt, alsauch die Freizeit- und Erholungsbedürf-nisse der Menschen angemessen be-rücksichtigt werden.

Heute ist es für alle Beteiligten – Bürger, Gemeinden und Verwaltung –selbstverständlich geworden, bei jederPlanung besonderes Gewicht auf Öko-logie und Naturschutz zu legen. Seit2000 ist auch die EG-Wasserrahmen-richtlinie in Kraft mit dem Ziel, einenguten ökologischen Zustand der Ge-wässer zu erreichen. Die Umsetzungder Richtlinie erfolgt schrittweise.

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An extremen Gefahrenpunkten müssen massive Bauwerke die Kraft des Wassers unddes „Geschiebes“ bremsen.

Wo sich noch vor wenigen Jahrzehnten viele Arbeiter mit einfachsten Mitteln behelfen mussten, erledigen heute bei der Wildbachverbauung 2-3 Personen die gleiche Arbeit mit modernem Gerät.

Main/Elbe Donau Wildbäche

Schon im Jahre 1826 weist das Forst-amt Immenstadt darauf hin, dass imSteigbach „Erdrutsche und Steinge-rölle“ beobachtet wurden.

Das älteste registrierte Hochwasserwurde für den 21. Juli 1813 verzeich-net als „der in der verflossenen Nachtdurch heftige Regengüsse angeschwol-lenen Steigbach in und bey Immenstadtbeträchtliche Beschädigungen verur-sacht habe“.

Am 23. August 1846 wurde in Folgeeines Wolkenbruches der obere Teildes Städtchens unter Wasser gesetzt.Der Steigbach trat aus seinem Bett,das Wasser drang bis auf den Markt-platz und brachte alles mit, was ihm imWege lag: Holz und Steine. Brückenund Stege wurden bedeutend beschä-digt. Diese Katastrophe wiederholtesich am 30. und 31. August.

Im Jahre 1873 erreichte der Hochwas-serabfluss 300 m3/s und bildete überder Straße eine Fluthöhe von 2,70 m.Durch die enorme Flutwelle wurden im

Verlauf des Steigbaches Murgänge aus-gelöst und große Mengen an Geschiebe-material („haushohe Trümmermasse“)durch den Klammbereich in RichtungImmenstadt transportiert. Die Stadtselbst wird durch eine Ablenkung derTrümmermassen an einer Eisenbahn-brücke gerettet, doch die Folgen desHochwassers sind erschreckend: 11Menschen starben, 10 Wohngebäude,

6 Nebengebäude und 10 Brücken wur-den total zerstört, 100 weitere Gebäudebeschädigt.

Aus einer zeitgenössischen Quelle istbekannt, dass „man dem Heranziehender Wolkenmassen am Abende des28. Juli mit ruhigem Gemüthe entge-gen sah, denn die nahezu tropischeHitze machte den Wunsch nach denwolthätigen Wirkungen eines Gewitter-regens allenthalben rege.

Anfänglich zeigte das aufsteigende Ge-witter keine Spuren von seiner gefährli-chen Natur und langsam zog es vomWesten her ins Thal. Allmählich änder-te sich jedoch die ganze Szene undnahm eine bedrohende Gestalt an;denn auch im Nordosten, sowie imSüdwesten in der Richtung gegen denStuiben zeigten sich gefahrkündendeGäste. Blitze flammten von allen Seitenauf, die hinter den Bergen Horn und

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Immenstadt – große Gefahr aus kleinem Einzugsgebiet

Hochwasser in Immenstadt

Das Einzugsgebiet des Steigbach südlich von Immenstadt (siehe Pfeil).

Hydrologische Daten des Steigbachs

Einzugsgebiet 10 km2

Mittlerer Niedrigwassere-Abfluss 0,1 m3/s

Mittlerer Abfluss 0,6 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 18 m3/s

Abfluss bei HW 1873 300 m3/s

Der Marktplatz 1873 nach einer Lithographie von Xaver Glötzle.

Immenstadt

Steineberg sichtbaren Wolken zeigteneine tiefgraue Färbung, die Tageshellesank zur Abenddämmerung herab undjetzt fing es an in Strömen zu regnen,wozu sich ein nicht unbedeutender Hagel mischte…

Tosend wälzte sich eine ungeheureWassermenge aus dem obern Thaleherab; der Steigbachtobel mit seinenriesigen Felswänden zwängte die stür-mende Fluth nochmals in seine giganti-schen Fesseln, brüllend entwand sichdie unbändige Masse diesen Schrankenund nun gab es kein Hindernis mehrfür das wüthende Element. Die Spreuzerstiebte vor seinem Anprall das Wehr

bei der Bindfadenfabrik, in Stücke zer-rissen sank die große eiserne Brücke in die wirbelnden Wogen; Bäume undungeheure Felsblöcke tanzten in fürch-terlichen Sprüngen auf den rasenden Wellen, die sich bis zur Höhe des Fabrik-territoriums hoben und von dem ent-setzlichen Schwunge den sie durch einso bedeutendes Gefäll erhielten, wur-den sie mit vernichtender Gewalt ge-gen die Stadt geschleudert“.

Kurz darauf berichtet der AllgäuerAmts-Bote: „Am 1. September 1873

drohte eine Ueberfluthung von dem soverhängnisvollen Steigbache. Der fort-währende Regen der letzten Tage ließ

eine wiederholte Unglücks-Katastrophebefürchten, umsomehr als die Herstel-lung des Bachbettes aus Mangel an Arbeitskräften kaum beginnen konnte.Was bis jetzt von der sehr fleißigenPionier-Mannschaft in der Wiederauf-deckung der alten Bachmutter geleis-tet wurde, hat das wilde Gewässerneuerdings vernichtet“.

Weitere bekannte Hochwässer mach-ten in den Jahren 1965, 1966,

2002 und 2005 Schlagzeilen.

In der Nacht vom 14. auf 15. März2006 löste sich ein Erdrutsch mit einem Volumen von 150 000 m3 undversetzte Immenstadt in Angst undSchrecken. Dabei wurden Schutzwaldund Forststraßen zerstört, die Wasser-versorgungsanlagen der Stadt und eineFernwasserleitung bedroht.

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Zerstörungen im oberen Stadtgebiet.Nach der Flut 1873. Oben: der Immenstädter Marktplatz; unten: Blick von Norden ins Steigbachtal.

Main/Elbe Donau Wildbäche

Das Einzugsgebietdes Steigbachs

Immenstadt liegt auf dem riesigenSchwemmfächer am unteren Ende desSteigbachs. Der Bach befindet sichkomplett auf Gemeindegebiet derStadt und gehört zum Naturraum All-gäuer Hochalpen im südlichen Teil desLandkreises Oberallgäu. Sein lang ge-strecktes Tal verläuft überwiegend in

südwest-nordöstlicher Richtung undliegt zwischen 780 m (Stadt Immen-stadt) und 1749 m (Gipfel des Stuiben)hoch. Bei 6 km Länge bedeckt es eineFläche von 9,67 km2 und gehört geolo-gisch vollständig der Molassezone an.Man findet dort in wechselnder Zusam-mensetzung die typischen Konglome-rate, Mergel, Tonmergel und Sandstei-ne der Unteren Süßwassermolasse.Auch Blockschutt aus Bergsturz- undMoränenmaterial kommt häufig vor. An fast allen steileren Hängen tretenSchuttbildungen verschiedener Art undZusammensetzung auf. Auf geologischälteren Gesteinen lagert sich Verwitte-rungsschutt ab. Blockschutt und Berg-sturzmaterial häuft sich unter den stei-len Felswänden der Nagelfluhkettensowie an tektonisch vorgezeichnetenStellen mit Faltungen und Störungen.

Wegen des Gesteinsaufbaus sind dieHänge des gesamten Einzugsgebietsäußerst instabil und damit anfällig fürAbtragsprozesse. Auch oberhalb deraktuellen Waldgrenze finden sich zahl-reiche Ansammlungen von Gestein,Geröll und anderem Festmaterial, vorallem Schnee- und Lawinenschurf, die zum Teil im Einflussbereich der Bäche liegen.

Die hoch gelegenen Quellzuflüsse desSteigbachs kommen aus dem Süd-westteil des Einzugsgebiets. Weiteregrößere Zuflüsse wie Alpbach, der

Brennesser- und Wasserriß-Tobel ausdem Nordwestteil und mehrere Bächebei der Ornachalpe aus dem Südosten.Im oberen Einzugsgebiet hat das Haupt-gewässer noch ein mäßiges Gefälle,reguliert durch die Stauanlage Hoch-ried. Danach folgt eine tief eingegrabe-ne, mit Felsstufen durchsetzte Tobel-strecke bis südlich von Immenstadt.Anschließend durchfließt der Bach dieStadt – 360 m davon in einem über-deckten Gerinne – und mündet schließ-lich in die Konstanzer Aach.

Das Gewässernetz im Südosten desGebietes ist sehr dicht, im Nordwest-teil dagegen extrem dünn. Etwa zweiDrittel der Fläche ist mit Wald bedeckt.Abgesehen von wenigen größerenLücken sind es geschlossene, dichteBestände. Der gesamte Wald steht auf wenig standsicheren Hängen. Trotz des hohen Bewaldungsgradeskann es wegen der Verbreitung merge-liger Schichten zu hohen Abflüssen beikurzen Starkregen oder zu großräumi-gen Hangvernässungen bei längerenStarkregen kommen.

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Hochwasser in Immenstadt

Der Steigbachtobel – friedliche Idylle oberhalbvon Immenstadt.

Immenstadt

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Massive Schutz-maßnahmen unter-halb der noch akti-ven Rutschung.

Blick ins Steigbachtal mit den 1874 „neu“ errichteten Wildbachverbauungsarbeiten.

Vorsorge durch Verbauung

Die Wildbachverbauung begann nacheinem verheerenden Hochwasser imJahre 1873 im natürlichen Bachverlaufdurch Verbauung und Korrektion – vonBeginn an in der Fläche begleitet vonumfangreichen ingenieurbiologischenMaßnahmen wie Aufforstungen undBepflanzungen. Die dafür verwendetenFlächen wurden erworben und liegenauf waldfreien Hängen im Einzugsge-biet des Steigbaches, aber auch aufbachbett- und tobelnahen Einhängendes Steigbaches und seiner Zuflüsse.

Ausblick

Bei dem 2006 entstandenen Erdrutschgalt es, das Gleitmittel Wasser vomHang fernzuhalten. Es wurden zu bei-den Seiten Entwässerungsgräben aus-gehoben. Die Rutschung ist nach wievor aktiv und in Bewegung. Sie mussüberwacht werden. Um Veränderun-gen sofort zu erkennen, werden an ihrem Fuß nach einem festgelegtenProgramm Messungen vorgenommen.Unterhalb des Rutschungsfußes ent-stehen im Steigbach massive Konsoli-dierungssperren.

Main/Elbe Donau Wildbäche

Schon um 1200 heißt es in einer Auf-zeichnung des Klosters Scheyern, dassder Jenbach ein schlimmer Nachbarsei, der nicht selten große Verheerun-gen anrichte. Achatius Pruckmayr, dervon 1600 bis 1617 Pfarrer zu Au war,berichtet, dass 1608 die ganze Ge-meinde von einem sehr schlimmenHochwasser wegen Schnee und war-mer Winde heimgesucht wurde.

Im Jahre 1679 klagt die GemeindeFeilnbach über Schäden der Feilnba-cher „Pergpäch“, die große Steine her-ab tragen und die Felder und Wiesenverkiesen. In einem Bericht aus demJahre 1881 wird die Lage in Feilnbachso beschrieben: „Die GemeindeflurFeilenbach wird von 3 wilden Gebirgs-bächen durchflossen, welche mit gro-ßem Gefälle von den Nordabhängendes Wendelstein- und Breitensteinge-birges und deren Vorberge herabkom-men. Bei starken Gewitterregen raschanschwellend führen sie in reißendemLauf massenhaft schwere Geschiebeaus ihren tief eingeschnittenen Bettennach abwärts, lagern sie beim Austritt

aus dem Gebirge ab, verschütten oftdas ganze Bachbett, treten dann überihre Ufer und verheeren die fruchtbarenFelder, indem sie zeitweise nicht nurdie Früchte zerstören, sondern auch dieHumusdecke abschwemmen und denBoden mit Sand und Geröll überdecken.Die Gemeinde Feilenbach hat hierdurchalljährlich bei Hochwasser bedeutendenSchaden, sei es durch Überschwem-mung selbst, sei es durch mühsameArbeiten zur Räumung der Wildbächeund zum Schutz der zerrissenen Uferund Bachsohle durch Talsperren“.

Der Jenbach war erstmals 1897 durcheine „Große Correction“ mit 30 Sper-ren ausgebaut worden. Wasser undGeschiebe zerstörten diese Bauwerke.Sie sind seit den 80er Jahren durch 7bis 8 m hohe Sperren ersetzt. WeitereEntwässerungs- und Stützmaßnahmenan seitlichen Rutschungen ergänzen sie.

Ende der 80er Jahre zeigte sich, dassdie örtlich begrenzten Hangbewegun-gen von einem Talzuschub östlich desJenbach überlagert wurden. Seit1998 stürzten im Bereich des Talzu-schubs Brechries mehrere 10 000 m3

Fels und Schlamm in den Jenbach undverschütteten ihn. Der Abfluss bis zumMittelwasser läuft unterirdisch ab, beihöheren Wassermengen wird die Rut-schung überströmt.

Seit dem Jahre 1920 sind mehrere„Ausbrüche“ des Wildbachs bekanntgeworden. Am 19. August 1929 gingüber das Wendelsteingebiet ein Kata-strophenregen nieder, der großesHochwasser auslöste. Die Fluten stie-gen so rasch an, dass die Bewohner

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Bad Feilnbach – der Jenbach als Steinträger

Hochwasser in Bad Feilnbach

Das Einzugsgebiet des Jenbach bei Bad Feilnbach.

Hydrologische Daten des Jenbach

Einzugsgebiet 27 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 0,06 m3/s

Mittlerer Abfluss 0,57 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 12,2 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 35 m3/s

Abfluss bei HW 1995 26,8 m3/s

1903: Verbauung im Ortsbereich nach Hochwasserereignissen im 19. Jahrhundert.

Bad Feilnbach

die Behörden um Hilfe baten. DiesesHochwasser und ein kleineres vom 8. Juni haben die älteren Hochwasser-schäden (1924), soweit sie bis dahinnicht ausgebessert werden konnten,nicht nur erheblich verschlimmert, son-dern eine ganze Reihe neuer Schädenhinterlassen. Es führte eine Wasser-menge von 40 m3/s und überschritt da-mit die Katastrophenwassermenge, dieder Verbauung zugrunde lag. Die Flutenstürzten mit unheimlicher Wucht zu Talund zerstörten dabei fünf Sperren oderSchwellen.

Bei einem Hochwasser im Mai 1940

wurde ein Teil der Sperren ganz zer-stört, ein anderer schwer beschädigt.Am auffälligsten zeigten sich die Fol-

gen im Unterlauf, wo nicht nur dasBachbett selbst, sondern auch dessenUmgebung von den Kiesmassen be-deckt war. Wolkenbrüche in den Ber-gen ließen den Jenbach Anfang Juni1960 weit über die Ufer treten undüberfluteten die Staatsstraße 2089 auf150 m, so dass der Verkehr gesperrtwerden musste. Schwere Gewitter inder Nacht vom 29. auf 30. Mai 1995

ließen mit sehr starken Regenfällenden Osterbach im Einzugsgebiet desJenbachs zur reißenden Flut werden.Sie richtete große Schäden an – dieschwersten seit Menschengedenken.Seine Zuflüsse führten unglaublicheMengen an Kies, Steinen, Schwemm-holz und ausgerissenen Bäume zu Tal.

Beschreibung desEinzugsgebietes

Bad Feilnbach liegt südlich von Rosen-heim an den Voralpen auf einer Höhevon 500 bis 700 m über dem Meeres-spiegel in subalpiner Lage. Der Jen-bach, der durch Bad Feilnbach fließt,ist ein Wildbachund wird bereits in alten Schriftenals „große SteineherabtragenderBach“ genannt.Insbesondere dieveränderlich fes-ten Gesteine derBuntmergel- undZementmergel-serie erodierenleicht und kom-men dann schnellins Rutschen. Er entspringt mit meh-reren Qellbächen im Wendelstein-Breitensteinkessel, verläuft nach Nor-den durch die alpine Schluchtstrecke,den Schuttkegel mit dem Ort BadFeilnbach und wird nach 10 km am Beginn des Auer Weihmooses zumGewässer II. Ordnung.

Das Einzugsgebiet von rund 28,9 km2

liegt im Randbereich des Mangfallge-birges. Die mittleren jährlichen Nieder-schläge liegen zwischen 1200 mm imTalbereich und 2500 mm im Quellge-biet. Bei 100-jährlichen Hochwassernfließen 64 m3/s ab. Der Jenbach ent-springt im Kalkalpin des Wendelsteinund Breitenstein und bildet mit demJenbachwasserfall die Grenze zurFlyschzone. Auf rund 3 km Fließstreckestehen mächtige Ton- und Mergel-schichten mit unterschiedlichen Rutschungen an. Im Einzugsgebietüberwiegt der Waldanteil.

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Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser 1979.

Hochwasser des Jenbach 1995. Darunter: Bergsturz und Murgang am Brechries 1998.

Bad Feilnbach

Main/Elbe Donau Wildbäche

Im Berchtesgadener Talkessel sind vie-le historische Hochwässer dokumen-tiert. Besonders große Hochwässerherrschten 1269, 1386, 1403, im

Juli 1508 und Oktober 1567,

1569, 1572, 1598, 1618/19,

1622, 1649, 1661, 1734,

1736, 1747, 1759, 1764,

1786, 1787, 1807, 1830,

1864, 1876, 1897, 1899,

1918 und 1920.

„In demselben Sommer (1386) trateine verheerende Flut ein … – es reg-nete fast drei Wochen ununterbrochenvom 24. Juni bis 12. Juli 1386.“

„Gräusliche Überschwemmungen füg-ten im Julius und Oktober 1567 demLande Salzburg und Berchtesgadengroßen Schaden zu.“

1876 ließen sintflutartige Regen Bäche und Flüsse zu reißendem Hoch-wasser anschwellen. An der so ge-nannten „Glocke“ bei Schellenbergwurde die Berchtesgadener Achedurch eine Vermurung abgeschnitten

und zu einem See aufgestaut, der 5Monate bestand. Dabei starben siebenMenschen.1

Im September 1920 berichtet der„Berchtesgadener Anzeiger“ über dieHochwasserschäden in Berchtesga-den. Bemerkenswert ist jedoch eineBeilage: „Gedanken über die Ursachen

der zunehmenden Hochwasserverhee-rungen“. Liest man diesen Artikel,kann man kaum glauben, dass er be-reits 1920 geschrieben wurde. Die Ur-sachen werden ähnlich wie zu unsererjetzigen Zeit aufgeführt.

1931 wurde in Schellenberg eine Pegelanlage eingerichtet. Nach den Pegelaufzeichnungen sind die Hoch-wässer 1954 und 1959 eindeutigmit Hochwasserspitzen von 3,50 mbzw. 3,59 m nachgewiesen.

1965 ließ man den Pegel in Schellen-berg wieder auf und nahm einen neuenPegel in Berchtesgaden in Betrieb.Markante Wasserstände zeigen sichhier 1977, 1995, 2002 und2005. 2002 wurde der Höchstwertvon 2,95 m gemessen.

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Berchtesgaden – Markt mit drei Wildbächen

Hochwasser in Berchtesgaden

Das Einzugsgebiet von Königsseer, Ramsauer,und Bischofswieser Ache bei Berchtesgaden.

Hydrologische Daten der

Berchtesgadener Ache in Berchtesgaden

Einzugsgebiet 368 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 4,83 m3/s

Mittlerer Abfluss 16,3 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 129 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 275 m3/s

Abfluss bei HW 1977 247 m3/s

Hochwasser der Berchtesgadener Ache 1920. Die ehemalige Bahnlinie Salzburg - Berchtesgaden -Königssee ist bei der „Bayerischen Gams“ unterbrochen.

Berchtesgaden

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Die Berchtesgadener Ache 1959 unterhalb von Berchtesgaden – ein Lkw sucht die Straße im Hochwasser.

Die zerstörte Hundsreitbrücke in Marktschellenberg beim Hochwasser1959 - die Pegelanlage steht noch.

Ablaufendes Hochwasser am Unterlauf desKasperngraben, September 2005. Das rechteBild zeigt einen durch Holz „verklausten“ Brückendurchlass. Das Wasser bahnt sich jetzt seinen Weg über die Brücke.

1 Quellen: „Das Berchtesgadener Land imWandel der Zeit“ von A. Helm, 1929, Reprint1974; und „Geschichte des FürstenthumsBerchtesgaden und seiner Salzwerke“ von Ritter Ernst von Koch-Sternfeld, 1815)

Hochwasser am Gerner Bach 1998, am Tagnach dem Schadensereignis im Klammweg.

Schon in einem kleinen Teil des Ein-zugsgebietes können starke Nieder-schläge Wildbäche zu gefährlich rei-ßenden Flüssen anschwellen lassen.Diese lokalen Starkniederschläge füh-ren dazu, dass ein Teil des Einzugsge-bietes völlig verwüstet wird, in unmit-telbarer Nähe aber fast keine Schädenauftreten und die größeren Gewässerim Talgrund kaum die Hochwasser-grenzen erreichen. Ein Beispiel dafürist der Bereich des Gerner-, Alm- undRottmannbaches (linksseitige Zuflüsseder Berchtesgadener Ache): In einemkleinen Gebiet ging dort am Freitag,26. Juni 1998 zwischen 19:00 und20:00 Uhr ein schweres Gewitter nie-der mit Niederschlagsmengen von 70mm in 50 Minuten; die Folgen warenverheerend.

Main/Elbe Donau Wildbäche

Beschreibung desEinzugsgebietes

Die wichtigsten Gewässer im Berch-tesgadener Talkessel sind KönigsseerAche, Ramsauer Ache und Bischofs-wieser Ache, die bei, beziehungsweisein Berchtesgaden zusammenfließenund als Berchtesgadener Ache denTalkessel bei Marktschellenberg Rich-tung Österreich verlassen. SämtlicheFließgewässer im BerchtesgadenerTalkessel sind als Wildbach eingestuft.

Das Einzugsgebiet der Berchtesgade-ner Ache – sie wird von den Österrei-chern auch Königsseer Ache genannt– ist bis zur Landesgrenze größtenteilshochalpin. Charakteristisch für das Ein-zugsgebiet sind Moor- und Moosge-biete und die Verkarstung weiter Teile.Für den Wasserabfluss hat dies zurFolge, dass zu Beginn einer Regenpe-riode viel Wasser gespeichert werdenkann und der Abfluss im Bachbett sichkaum ändert. Sind jedoch die Hohlräu-me gefüllt und das Moor gesättigt,

steigen die Abflüsse rasch an. Dieszeigt sich an den Pegelaufzeichnungenmit einem extrem steilen Anstieg. Ge-nauso plötzlich wie die Wasserständeangestiegen sind, gehen sie in der Re-gel auch wieder zurück. Die Vorwarn-zeiten sind daher extrem kurz.

Berchtesgaden selbst war bis zur Säku-larisation 1803 eine selbstständigeFürstprobstei, die sich durch geschick-te Politik zwischen den benachbartenStaaten Bayern und Salzburg haltenkonnte. Bereits 1802 hatten österrei-chische Truppen Berchtesgaden be-setzt, es wurde dem neu gegründetenKurfürstentum Salzburg zugeschlagen.Schon 1805 wurde es dem Kaiserreich

Österreich zugeordnet, 1809 geriet eskurzfristig unter französische Herrschaftund erst 1810 kam Berchtesgaden zuBayern.

Auch heute noch ist die Marktgemein-de geprägt vom Salz; das SalzbergwerkBerchtesgaden ist bekannt und be-rühmt. In ihm wird heute in Sinkwer-ken Salz abgebaut, die anfallende Solewird jedoch zwischenzeitlich mit einerSoleleitung zur weiteren Verarbeitungin die Saline Bad Reichenhall gebracht.Berchtesgaden hatte früher eine eige-ne Saline, Reichenhall lag ja im Aus-land. Diese Saline befand sich in Frauenreuth, am Zusammenfluß vonKönigsseer und der Ramsauer Ache.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 82

Wildbäche unterschiedlichster Charakteristik prägen das Einzugsgebiet von Berchtesgaden.Bilder von oben: Larosbach, Almbach, Gerner Bach.

Berchtesgaden

Hochwasser in Berchtesgaden

Maßnahmen

Nach dem Hochwasser 1954, das er-hebliche Schäden anrichtete, musstenviele Bereiche der Wildbäche im Berch-tesgadener Talkessel neu ausgebautwerden. 1998 waren nach einem Un-wetter die Ufersicherungen des GernerBaches auf großen Strecken so zerstört,dass auch dieser Bach weitgehend sa-niert wurde. Ein Schwachpunkt bliebsowohl aus wasserwirtschaftlicher alsauch aus verkehrstechnischer Sicht bisvor kurzem die Frauenreuthbrücke amZusammenfluss von Königsseer Acheund Ramsauer Ache. Ein Kreisverkehrmit je einer Brücke über Königsseer,Ramsauer und Berchtesgadener Achebrachte die Lösung des Verkehrspro-blems und verbesserte die Hochwas-sersituation deutlich. Für ein 100-jährli-ches Hochwasser reichte es aber nochnicht. Erst in enger Zusammenarbeitzwischen Straßenbauamt Traunstein(jetzt Bauamt Traunstein), Wasserwirt-schaftsamt Traunstein und der Versuchs-anstalt für Wasserbau und Wasserwirt-schaft der TU München in Obernachkonnten sowohl Anströmung und Quer-schnitt der Brücken als auch der Zusam-menfluss der Gewässer so optimiertwerden, dass der ursprünglich geforder-te Freibord von 1 m jetzt fast eingehal-ten werden kann. Der fehlende Freibordkann aber durch einen vorgeschaltetenWildholzrechen kompensiert werden.Der Kreisverkehr mit den drei Brückenist inzwischen unter Verkehr, der Wild-holzrechen soll 2008 errichtet werden.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 83

Wildholzrechen am Larosbach.

Die neue hochwassersichere Verkehrsführung am Zusammenfluss von Königsseer und Ramsauer Ache.

Main/Elbe Donau Wildbäche

Obernzell – alpine Szenarien in Niederbayern

Hochwasser in Obernzell

Das Einzugsgebiet des Eckerbachsystems bei Obernzell.

Hydrologische Daten des Eckerbach

bei Obernzell

Einzugsgebiet 28 km2

Mittlerer Niedrigwasser-Abfluss 0,2 m3/s

Mittlerer Abfluss 0,6 m3/s

Mittlerer Hochwasser-Abfluss 9 m3/s

Abfluss bei 100-jährlichem HW 41 m3/s

Abfluss bei HW 2002 120 m3/s

August-Hochwasser 2002 in Obernzell, welches selbst die Helfer in Not brachte.

ObernzellPassau

Die jüngste Hochwasserkatastropheereignete sich am 12. August 2002

an den „Obernzeller Wildbächen“.Ausgelöst wurde sie wieder durchStarkniederschläge und den Bruchzweier Straßendämme im oberen Ein-zugsgebiet der Zuflüsse des Ecker-bachs. Zusätzlich zu dem etwa 100-jährlichen Hochwasserabfluss (ca. 41m3/s) kam noch die Flutwelle des zwei-ten Dammbruchs, so dass sich für das28 km2 große Einzugsgebiet ein Schei-telabfluss von ca. 120 m3/s ergab. Diehohe Zerstörungskraft wirkte sich be-sonders verheerend im Markt Obern-zell aus, wo sich die Sachschäden aufrund 4,6 Millionen Euro summierten. Wenigstens gab es dank rechtzeitigerEvakuierungen keine Toten. Die ca.100Jahre alten Konsolidierungssperren amGriesenbach überstanden das Ereigniserstaunlicherweise ohne Schaden.

Das Gebiet der „Obernzeller Wildbä-che“ wurde in den Jahren 1898,

1904, 1910 und 1912 von schwe-ren Wolkenbrüchen heimgesucht. ImUnterlauf dieser Bäche kam es zu gro-

ßen Schäden durch Überschwemmun-gen und Schuttablagerungen. EnormeGeröllmassen wurden bei dem ‚Hagel-wetter’ im Jahre 1898 im Griesen-bachtal bewegt. Es gab Tote undschwere Verluste an Vieh, Mahlgut,Triebwerken, Gebäuden und der Infra-struktur. Die Schäden im Markt Obern-zell betrugen insgesamt mehrere hun-derttausend Goldmark. Bis 1922 wurde

für den Wildbachausbau die stattlicheSumme von 200 000 Mark aufgewen-det. Allein die Böschungspflasterungund die 62 Konsolidierungssperren amGriesenbach kosteten etwa 175 000 Mark.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 84

Geologie Grundsätzlich entstand der Bayeri-sche Wald aus erosionsstabilen Ge-steinen wie Gneis und Granit. Nie-mand würde hier Wildbäche vermu-ten. Vorherrschende Gesteine imBereich des Passauer Engtales sindjedoch Pfahlschiefer, Gneise undZonen der ’Bunten Gruppe’. In derRegion zwischen Passau und Jo-chenstein entstanden aus vormali-gen Ton-, Sand-, und Kalksteinen Paragneise mit Amphiboliten, Mar-mor und Graphiteinlagerungen. DieEinzugsgebiete der Gewässer, diedie höchsten Schuttfrachten trans-portieren, liegen im Bereich dieser Paragneiseinschaltung. Heftige Niederschläge, die lokale Paragneis-ausprägung sowie die Kombinationaus geologischen Störzonen, starkertektonischer Hebung und Gewäs-sereintiefung – erkennbar an denbis zu 400 m steil aufragenden Tal-flanken der Donauleiten – schaffenhier die Voraussetzungen für in Nie-derbayern ungewöhnliche „alpine“wasserbauliche Projekte.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 85

Bau der Konsolidierungssperren am Griesen-bach nach dem Hochwasser im Jahr 1898.

In Obernzell münden Griesenbach und Hoflei-tenbach in den Eckerbach.

Schuttfrachten am Reitercamp im Eckerbachtal (2002).

Aktuelle Baumaßnahmen

Da in den 50er Jahren durch den Bauder Staustufe Jochenstein der Wasser-spiegel der Donau um 6 m angehobenwurde, musste der Eckerbach im Mün-dungsbereich auf einer Länge von circa450 m verrohrt werden. Die Brückenund das Einlaufbauwerk dieser Verroh-rung sind kritische Stellen, an denenHochwasserschäden entstehen kön-nen. Der Hochwasserschutz umfasstdie erforderliche Gerinneaufweitungund Ufersicherung sowie die Erneue-rung von acht Brücken und circa 1200 mStraße. Mit dem Bau der drei Schwemm-holzrechen und der Geschiebeablage-rungsstrecke vor dem Siedlungsbe-reich sind seit dem Sommer 2006 diewesentlichen Schritte zur Reduzierungdes bis dahin unverändert hohen Ge-fahrenpotenzials geleistet. Ein Ausuferndes Eckerbaches in Obernzell wärewegen der Bedeichung zur Donau be-sonders folgenschwer, da der gesamtePolder Obernzell geflutet würde. Ins-gesamt werden 23 ha Gewerbefläche,etwa 250 Arbeitsplätze in ca. 70 Betrie-ben und mehr als 700 Einwohner ge-schützt. Die Gesamtkosten der Hoch-wasserschutzmaßnahme am Ecker-bach betrugen 3,6 Millionen Euro.

Zyklopenmauerwerk und neue Straßenführung.

Obernzell

Main/Elbe Donau Wildbäche

Das Klima stellt die mittleren Verhältnis-se des Wetters, insbesondere beschrie-ben durch die Kenngrößen Lufttempe-ratur und Niederschlag, im langjährigenMittel dar. Als meteorologische Refe-renzperiode dient derzeit der Zeitraumvon 1961 bis 1990. Ein Vergleich zeigt,dass die klimatischen Verhältnisse inder Vergangenheit eine natürliche Varia-bilität aufwiesen, sowohl im globalenals auch im regionalen Maßstab. Dieslässt sich sehr gut an der globalen Mit-teltemperatur über die letzten 1000Jahre erkennen, die gewisse zyklischeSchwankungen mit längeren Kalt- undWarmperioden aufgewiesen haben.Die Entwicklung der mittleren boden-nahen Lufttemperatur zeigt allerdingsin den letzten Jahrzehnten einen dramatischen Anstieg, der über denSchwankungsbereich der zurückliegen-den Jahrhunderte bereits deutlich hin-ausgeht (siehe Grafik Seite 87).

Diese Erwärmung wird in einem kausa-len Zusammenhang mit der etwa zeit-gleich angestiegenen Konzentration vonTreibhausgasen, insbesondere des Koh-lendioxids, in der Atmosphäre gesehen.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 86

Klimawandel und Hochwasser

Hochwasser im Spiegel der Zeit

Auch wenn sich viele Menschen an den Flüssen auf die wiederkehrenden Hochwasser einge-stellt haben, kommt es immer wieder zu Schäden in Millionenhöhe.

Besonders deutlich wird der Klimawandel am Abschmelzen der Gletscher, wie hier amNördlichen Schneeferner im Zugspitzgebiet.Die Grafik rechts zeigt die Schwankung der mittleren globalen Erdtemperatur im Vergleichzur Mitteltemperatur der Klimaperiode 1961 -1990 (= Nulllinie). Quelle: Allianz Umweltstif-tung, vereinfacht nach IPCC (2001/2007).

Klimaprogramm Bayern 2020

Um den Herausforderungen des Klima-wandels wirkungsvoll zu begegnen, be-schloss die Bayerische Staatsregierungim November 2007 das „Klimapro-gramm Bayern 2020“. Mit einem aufdie spezifischen Verhältnisse in Bayernzugeschnittenen Maßnahmenpaketwerden die Aktivitäten im Bereich

1942

Klimaschutz in den Jahren 2008 - 2011um weitere 350 Millionen Euro verstärkt.Ziel ist es, Treibhausgase zu verringern,sich an die unvermeidlichen Folgen desKlimawandels anzupassen und durchForschung eine fundierte Datenbasisfür weitergehende strategische Ent-scheidungen vorzuhalten.

Das Programm erhalten Sie kostenlosals pdf unter: www.klima.bayern.de

Bayerisches Landesamt für Umwelt 87

I I I I I I I I I I IJahr 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 2000

Unsicherheitszone

oC 1,0

0,5

0

-0,5

-1,0

2006

nisse, zur Folge haben. Eine Verschie-bung statistischer Mittelwerte und Ver-teilungen der Klimakenngrößen bedeu-tet auch eine Zunahme der Häufigkeitbisheriger Extremwerte. Eine Zunahmevon Trockenperioden, aber auch vonStarkniederschlägen, wird zwangsläu-fig eine Veränderung des Abflussge-schehens unserer Gewässer bewirken.

Dieses „Global Warming“ zeigt sichauch regional und Bayern bleibt davonnicht verschont. Die allgemeine Erwär-mung wird nach heutigem Kenntnis-stand die Wechselwirkungen in der Atmosphäre intensivieren und die Ver-änderung von Großwetterlagen, desWasserdampfgehalts in der Atmosphä-re und auch der Niederschlagsverhält-

Ausmaß des künftigenKlimawandels

Die Zunahme der Treibhausgaskonzen-trationen in der Atmosphäre wird sichin den nächsten Jahrzehnten als Folgedes bisher global noch nicht rückläufi-gen Verbrauchs fossiler Energieträgerweiter fortsetzen. Es steht damit außerZweifel, dass sich das Klima global unddeshalb auch regional weiter erwärmenwird. Durch die Arbeiten des Weltklima-rates (IPCC), zuletzt durch den in 2007veröffentlichten Sachstandsbericht, sinddie Thematik Klimawandel und die damitverbundenen Probleme und Gefahrendeutlich aufgezeigt worden. Globalwird für die verschiedenen Emissions-szenarien bis Ende des Jahrhundertsein Anstieg der globalen Mitteltempe-ratur in der Größenordnung von 1,4 bis4 °C erwartet (siehe Grafik oben).

Bayerisches Landesamt für Umwelt 88

Temperatur Maximaler

in °C Feuchtegehalt in g/m3

30 30,30 28 27,20 26 24,40 24 21,80 22 19,40 20 17,30 18 15,40 16 13,70 14 12,10 10 9,40 6 7,28 2 5,590 4,84- 2 4,14

Klimawandel und Hochwasser

Die Emissions-Szenarien des IPCC-Sonderbe-

richtes über Emissions-Szenarien (SRES )

Die A1-Szenarien-Familie beschreibt eine Welt mitschnellem Wirtschaftswachstum und schnellerEinführung neuer und effizienter Technologien.Die A2-Szenarien-Familie beschreibt eine hetero-gene Welt mit einem Schwerpunkt auf traditionel-len Werten. Die B1-Szenarien-Familie beschreibteine sich vom Materialismus abkehrende Welt mitder Einführung sauberer Technologien. Die B2-Szenarien-Familie beschreibt eine Welt mit Schwerpunkt auf lokalen Lösungen für ökonomi-sche und ökologische Nachhaltigkeit.

Aus den physikalischen Gesetzen ergibt sich,dass eine höhere Lufttemperatur zu einer erhöh-ten Aufnahmekapazität von Feuchtigkeit der erwärmten Luft führt.

Bei 30 °C nimmt die Luft maximal 30,3 g Feuch-tigkeit pro m3 Luft auf, bei 22 °C ist die maximaleAufnahmekapazität bei 19,4 g pro m3 erreicht.

Kommt es in der Atmosphäre zu einer Abkühlungvon 30°C auf 22°C, kann die Differenz bis zu 10,9 g pro m3 Luft als Regen fallen.

© IPCC, 2007

Temperatur und Luftfeuchtigkeit

Multimodell-Mittel und geschätzte Bandbreiten für globale Erwärmung der Erdoberfläche bis 2100

Auswirkungen aufdas Hochwasser

Eine Häufung außergewöhnlicher Hoch-wasser in den vergangenen zwei Jahr-zehnten war für die Fachwelt, aber auchfür die betroffene Öffentlichkeit ein An-lass, verstärkt die Frage nach den Ursa-chen zu stellen. Die Bayerische Wasser-wirtschaftsverwaltung untersucht alsAntwort darauf seit 1999 zusammenmit den Fachleuten aus Baden-Württem-berg und des Deutschen Wetterdiens-tes die Thematik „Klimawandel undKonsequenzen für die Wasserwirtschaft“(KLIWA). In diesem Kooperationsvorha-ben konnte für Bayern bereits gezeigtwerden, dass sich einzelne klimatischeKenngrößen trendhaft in einem Umfangverändert haben, der über die bekannteVariabilität hinausgeht. Diese Verände-rungen werden als erste Auswirkungendes Klimawandels gedeutet. Der linea-re Trend der mittleren jährlichen Luft-temperatur in Bayern ist mit 0,8 °Czwischen 2001-2006 (DWD 2007) etwasgrößer als der entsprechende globaleTrend für das letzte Jahrhundert.

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Die Zunahme lokaler Starkregenereignisse ist mittlerweile statistisch erwiesen.Das Bild zeigt die Auswirkungen eines Unwetters im Juli 2007 im Landkreis Forchheim.

Auch wenn der mittlere Jahresnieder-schlag an vielen Messstationen nureine geringe Veränderung zeigt, weisendie Starkniederschläge mit Andauernvon 24 bis 240 Stunden eine erkennba-re Zunahme im Winterhalbjahr auf.

Hinsichtlich der Jahreshöchstabflüsseder Beobachtungsdauer 1932 bis 2005zeigen 48 der 60 untersuchten Jahres-serien eine mit gewissen Unsicherhei-ten behaftete Zunahme. Die Häufigkeitvon Hochwasserereignissen, bisher untersucht für den Zeitraum 1932 bis1998, nahm ebenfalls zu.

Trendverhalten der Trendverhalten der

Hochwasserabflüsse Hochwasserhäufigkeiten

Anzahl Pegel Anzahl Pegel Bezugszeitraum 1932 - 2005 1932 - 1998

Hydrologisches

Gesamtjahr (01.11. - 31.10.)

abnehmender Trend 12 14

zunehmender Trend 48 46

Hydrologisches

Winterhalbjahr (01.11. – 30.04.)

abnehmender Trend 11 5

zunehmender Trend 49 55

Hydrologisches

Sommerhalbjahr (01.05. – 31.10.)

abnehmender Trend 21 29

zunehmender Trend 39 31

Trendverhalten der Hochwasser

Hochwasserabflüsse– der Blick in einemögliche Zukunft

Die in die Zukunft gerichtete Fragestel-lung, ob infolge des Klimawandels all-gemein und in welchem Ausmaß miteiner Verschärfung des Hochwasserge-schehens zu rechnen sein wird, ist mitSimulationsrechnungen untersucht wor-den. Dazu mussten zunächst die Sze-narienergebnisse einer globalen Klima-modellierung über Regionalisierungs-verfahren für einen nutzbaren Maßstabberechnet und daraus künftig möglicheAbflussganglinien simuliert und statis-tisch bewertet werden.

Die Berechnungsergebnisse lassen einedeutliche Zunahme der mittleren Hoch-wasserabflüsse, aber auch seltenererHochwasser, erwarten. Auch wenn dieAuswertungen und die Modellannah-men mit Unsicherheiten behaftet sind,bestätigen verschiedene regionale Mo-dellberechnungen diese Aussage. Alleinaus Vorsorgegesichtspunkten ist dahervon einer Hochwasserverschärfungdurch die Klimaveränderung für die Zukunft auszugehen. Die Ergebnisseder Simulationsberechnungen für einregionales Klimaszenario sind exempla-risch für den Pegel Wolfsmünster ander Fränkischen Saale dargestellt (sieheGrafik oben). Insbesondere für die Win-termonate wird eine deutliche Zunah-me der mittleren Hochwasserabflüsseberechnet.

Bayerisches Landesamt für Umwelt 90

Klimawandel und Hochwasser

70

65

60

55

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt

Mo

MH

Q (

m3/s

)

Ist-Zustand 1971-2000Szenario Zukunft 2021-2050

Szenariensimulationen können nie hundertpro-zentig genau sein. Trotz aller Unsicherheiten sollten wir uns aber – schon aus Vorsorgege-sichtspunkten – auf Hochwasserverschärfungeneinstellen. Im Bild: Der neue Hochwasserschutzin Bad Kissingen bei einem Hochwasser derFränkischen Saale.

Szenario Zunahme der Mittleren Monatlichen Höchstabflüsse in m3/s

Fränkische Saale (Pegel Wolfsmünster)

Bayerisches Landesamt für Umwelt 91

Hochwasser wird es immer wieder geben –besonders vor dem Szenario der sich ändern-den klimatischen Rahmenbedingungen. In Zukunft wird es deshalb mehr denn je darumgehen, die Folgeschäden durch entsprechendeVorsorgemaßnahmen zu minimieren.Im Bild: August-Hochwasser 2005 der Iller undder Stillach (unten).

Bayerisches Landesamt für Umwelt 92

Klimawandel und Hochwasser

Hochwasserabflüsseund Anpassungs-strategie

Das Naturereignis Hochwasser lässtsich nicht verhindern. Doch wir könnenviel dafür tun, dass es möglichst nichtzur Katastrophe kommt. Im Hochwas-serschutz geht es in erster Linie dar-um, Schäden zu vermeiden oder we-nigstens zu begrenzen, eine Zunahmedes Schadenspotenzials in gefährdetenBereichen zu vermeiden und ein ange-messenes Gefahrenbewusstsein zuentwickeln. Diese Zielsetzungen erfor-dern eine ganzheitliche Strategie undaus Vorsorgegesichtspunkten auch dieBerücksichtigung des Klimawandels inder Hochwasserschutzplanung. Seit2004 wird daher in Bayern der LastfallKlimaänderung bei der Neuplanung vonHochwasserschutzmaßnahmen berück-sichtigt. Dies erfolgt im Planungsverfah-ren durch einen Zuschlag („Klimaände-rungsfaktor“) von 15 Prozent zur statis-tischen Bemessungsgrundlage (in derRegel das 100-jährliche Hochwasser).

Der Klimawandel wird bei der Bemessung von Hochwasserschutzanlagen durch einen Zuschlag von 15 Prozent auf die Bemessungsgrundlage (= 100-jährliches Hochwasser) berücksichtigt.

Klimaänderungszuschlag

HQ 100

Wasserstand bei einem

100-jährlichem Abfluss

Hochwasserschutz erfordert eineganzheitliche Strategie: IsolierteSchutzkonzepte reichen nicht aus,weil sie im Zweifelsfall nur das Pro-blem flussabwärts verlagern. Des-halb funktioniert moderner Hoch-wasserschutz nur in Kombination seiner drei Handlungsfelder:

Umfang gehandelt werden musste.Im Mai 2001 beschloss die BayerischeStaatsregierung daher das „Hoch-wasseraktionsprogramm 2020 fürDonau- und Maingebiet": Bis zumJahr 2020 will der Freistaat mit die-sem Programm 2,3 Milliarden Euro inden Hochwasserschutz investieren.

1. Natürlicher Rückhalt

2. Technischer Hochwasserschutz

3. Hochwasservorsorge

In Bayern hat sich diese Strategie schonseit längerem bewährt. Nach demPfingsthochwasser 1999 war jedochklar, dass schneller und in größerem

Hochwasseraktionsprogramm 2020

Bayerisches Landesamt für Umwelt 93

Ausblick

Mit den Erkenntnissen der Klimafor-schung und der Verbesserung der Mo-dellierungsinstrumente wird sich dasWissen über die Auswirkungen des Klimawandels erweitern. Anpassungs-strategien an den Klimawandel werdendaher bei Vorliegen neuer Ergebnissedurch die Wasserwirtschaft laufend optimiert werden müssen. Letztlichwird aber der Klimawandel eine großegesellschaftliche Herausforderung derZukunft werden, bei der neben der Entwicklung von Anpassungsstrategienfür die betroffenen Bereiche auch derKlimaschutz mit dem Ziel der Vermin-derung von Treibhausgasemissionenund die Forschung hierzu im Vorder-grund stehen.

Leben mit dem Fluss – immer ein Gewinn, wenn wir die Jahrtausende alten Rhythmen der Naturrespektieren und die entsprechenden „Weichen“ stellen.

100-jährlicher Abfluss (HQ100 )

Abfluss, der an einem Standort im Mittel allehundert Jahre überschritten wird. Da es sichum einen Mittelwert handelt, kann dieser Abfluss innerhalb von hundert Jahren auchmehrfach auftreten. Wenn Messzeiträume an Flüssen weniger als 100 Jahre umfassen,wird dieser Abfluss statistisch berechnet.

100-jährliches Hochwasser (HQ100 )

�100-jährlicher Abfluss

Abfluss

Der Teil des gefallenen Niederschlags, der inBächen und Flüssen abfließt. Er wird gemes-sen als Wassermenge pro Zeiteinheit und inKubikmeter pro Sekunde (m3/s) angegeben.Der Abfluss wird indirekt über die Geschwin-digkeit des Wassers gemessen. Die mittlere Fließgeschwindigkeit wird multi-pliziert mit der durchflossenen Querschnitts-fläche (m2 x m/s=m3/s). Diese Messungenwerden in größeren zeitlichen Abständen beiunterschiedlichen Wasserständen durchge-führt. Daraus wird eine Abflusskurve erstellt.Jedem gemessenen Wasserstand kann überdiese Abflusskurve ein zugehöriger Abflusszugeordnet werden. �GewässerkundlicheHauptzahlen

Aue

Das von der Gewässerdynamik geprägte Ge-biet eines Fließgewässers. Umfasst die Flä-chen, die natürlicherweise vom Hochwasserbeeinflusst werden, direkt durch Überflutungoder indirekt durch steigende Grundwasser-stände. Oft identisch mit dem Talboden.

Bodenfrost

Bei anhaltend tiefen Lufttemperaturen ge-friert das Wasser im Boden zu Eis. Bei star-ken Regenfällen lässt gefrorener Bodenkaum Wasser versickern. Es entsteht hoherOberflächenabfluss, der zu Hochwasser füh-ren kann. Bekanntestes Beispiel für ein Hoch-wasser, bei dem der Bodenfrost in Teilen der Einzugsgebiete einen wesentlichen Aus-schlag gab, ist das Hochwasser im Jahre1909. Eine hohe Schneedecke kann tiefenBodenfrost verhindern.

Deich

Künstlich aufgeschütteter Damm an einemFlussufer zum Schutz des dahinter liegendenLandes (Hinterland) vor Überflutung. DieDeichkrone ist die ebene oder schwach ge-wölbte obere Fläche eines Deiches. Sie istmeist 3 bis 5 m breit und befahrbar. BeiHochwasser sind die Deiche durch anhalten-den Wasserdruck gefährdet. Zum Schutz undzur Verteidigung der Deiche bei Hochwasserhaben die Gemeinden Deichwehren zu stel-len. In der Regel werden die Aufgaben derDeichwehr von den örtlichen freiwilligen Feuerwehren übernommen.

Einzugsgebiet

Für jede Stelle eines Gewässers lässt sichdas Gebiet angeben, aus dem alles oberirdi-sche Wasser dieser Stelle zufließt. Das Ein-zugsgebiet eines �Pegels ist zum Beispieldie Summe aller Gebiete, die dem Gewässerbis zu dieser Stelle Wasser zuführen. Für Un-tersuchungen des Wasserhaushaltes wird zu-sätzlich zwischen oberirdischem Einzugsge-biet und unterirdischem Einzugsgebietunterschieden. Oft stimmen beide nicht über-ein. Extreme Unterschiede treten im Karstauf. Die Grenze des Einzugsgebietes wirddurch die �Wasserscheide markiert.

Eishochwasser

Eis entwickelt sich an Gewässern bereitsdann, wenn die Temperaturen einige Tage un-ter null Grad liegen. Zuerst vereisen Bereichemit geringer Fließgeschwindigkeit; bei fort-schreitender Eisbildung engt sich der Fließ-querschnitt immer mehr ein und die Wasser-stände beginnen zu steigen. Große Gefahrenkann der Abgang der Eisdecke erzeugen. DasEis kann sich dabei an Engstellen zu Eisbar-rieren aufstauen und damit den Abfluss desWassers behindern. Wenn die Eisbarierreaufgrund des Wasserdruckes bricht, werdenähnlich einem Dammbruch plötzlich großeWassermassen freigesetzt. An den großenFlüssen ist die Hochwassergefahr durch Eissehr zurückgegangen, seitdem es Stauhaltun-gen gibt. Wegen der Aufwärmung durch Kühl-wasser bildet sich großteils gar kein Eis mehr.

Feststofftransport

Fließendes Wasser führt feste Stoffe mit sichund transportiert sie flussabwärts. Bei star-kem Gefälle und hoher Fließgeschwindigkeitkönnen Gesteinsblöcke bis zu Durchmessernvon mehreren Dezimetern bewegt werden.Das an der Flusssohle wandernde oder sprin-gende Geröll ist das Geschiebe. Im Wasserschwebende Feststoffe werden als Schweb-stoff bezeichnet. Bei durchschnittlicher Fließ-geschwindigkeit werden Feststoffe bis zurGröße feinen Sandes mitgeführt. Als Ge-

schiebestoß wird der stoßweise Eintrag vonGeschiebe aus Seitenbächen bei Hochwas-ser bezeichnet. Geschiebe- und Schwebstoff-mengen sind stark von der Wasserführung,den Fließgeschwindigkeiten und der Fest-stoffzufuhr durch Verwitterung und Massen-bewegung abhängig. Geschiebemengen umdie 6 000 Tonnen pro Jahr werden zum Bei-spiel dem Sylvensteinsee durch die Isar zu-geführt. 4000 Tonnen pro Jahr erreichen im Mittel jährlich den Chiemsee über die TirolerAchen. Der Schwebstoffgehalt von lnn undSalzach kann im Mittel 100 bis 300 Grammpro Kubikmeter Wasser betragen, während inDonau und Main deutlich weniger als 100Gramm gemessen wurden.

Flurbereinigung

In den ländlichen Gebieten wird der Land-schaftswandel durch die Flurbereinigung ge-prägt. Die wichtigsten Maßnahmen mit Aus-wirkungen auf den Wasserhaushalt sind:• Neueinteilung der Grundstücke, das heißt,

kleine Parzellen werden zusammengelegt,• Rodung bzw. Aufforstung von Wald,• Umwandlung von Grünland in Acker,• Gestaltung der Wege und

Wegseitengräben,• Ausbau und Verlegung von Bachläufen,• Räumung der Gräben und Bäche,• Ent- und Bewässerung,• Planierung und Terrassierung.Heute werden außerdem Wasserrückhalte-maßnahmen geplant. Rückhaltebecken undKleinspeicherräume sowie die Neuanpflan-zungen von Hecken und Bäumen tragen zumWasserrückhalt auf der Fläche bei. Mithilfeder Extensiven Bewirtschaftung oder Neuan-lage von ökologischen Flächen wird die �Retention wieder verbessert.

Flussregulierung

Korrektur eines Flusslaufes zu Gunsten Land-wirtschaft, Schifffahrt, Siedlungsbau undWasserkraftnutzung durch Flussbegradigun-gen, Uferbefestigungen und Sohlenverbau.Mit Hilfe von Querbauwerken, Sohlschwellen,Abstürzen, Wehren oder Staustufen wirdeine zu starke Tiefenerosion verhindert.

Flutmulde

Künstlich angelegtes Flussbett, das nur beiHochwasser durchflossen wird. Damit wird zum Beispiel in Landshut ein Teil des Ab-flusses bei Hochwasser um den Ortskernherumgeführt. Überschwemmungen der Altstadt lassen sich durch diese Flutmuldenvermeiden.

Flutpolder

Eingedeichte Flussniederung oder Senke, diebei Hochwasser gezielt geflutet wird (� Polder).

Bayerisches Landesamt für Umwelt 94

Hochwasser im Spiegel der Zeit

Glossar

Fronten

Fronten markieren Luftmassen unterschiedli-cher Herkunft und Eigenschaften. Bei einerWarmfront rückt warme gegen kalte Luft vor.Gleitet Warmluft auf Kaltluft auf, entstehtSchichtbewölkung mit länger anhaltendenNiederschlägen. Ist dagegen bei einer Kalt-front kalte Luft auf dem Vormarsch, dannschiebt sich die kalte Luft unter die warmeund hebt sie hoch. Die entstehenden Haufen-wolken, so genannte Cumuluswolken, entla-den sich mit heftigen Niederschlägen. EineKombination aus Warm- und Kaltfront ist dieOkklusionsfront. Sie bildet sich, wenn dieKaltfront die vorauseilende Warmfront einholtund sie in die Höhe hebt.

Geschiebe

Der Feststoffanteil beim �Feststofftransport,der sich an der Sohle rollend und hüpfendfortbewegt.

Gewässerkundliche Hauptzahlen

Aus den kontinuierlichen Messungen vonWasserstand (W) und Abfluss (Q) werden eineReihe von Hauptwerten abgeleitet, die für dieWasserwirtschaft wichtig sind:• NNW, NNQ niedrigstes Tagesmittel aller Jahre, • NW, NQ niedrigstes Tagesmittel eines Jahres,• MNW, MNQ Mittel der NW, NQ aller Jahre,• MW, MQ Mittel eines oder aller Jahre,• MHW, MHQ Mittel der HW, HQ aller Jahre,• HW, HQ höchster Wert eines Jahres,• HHW, HHQ höchster Wert aller Jahre.

Gewässer II. Ordnung

Kleinere, wasserwirtschaftlich bedeutsameFlüsse. Nach Bayerischem Wassergesetz ob-liegt den Bezirken der Unterhalt und der Aus-bau dieser Gewässer.

Hochwasserentlastung

Talsperren und Hochwasserrückhaltebeckenhaben aus Sicherheitsgründen eine Hoch-wasserentlastung. Eine Bewirtschaftung derTalsperren und Rückhaltebecken, das heißteine Steuerung der Abgabe, ist in der Regelbis zu einem 100-jährlichen Hochwasser ge-geben. Bei selteneren Hochwassern, bei de-nen das Stauziel überschritten wird, wird derzusätzliche Zufluss über die Hochwasserent-lastungsanlage so abgeführt, dass das „Bau-werk“ Talsperre keinen Schaden nimmt.

Hochwasserfreilegung

Frühere Bezeichnung für die Gesamtheit allerMaßnahmen zum Schutz einer Stadt vorÜberschwemmungen. Da die Bezeichnung„Freilegung“ einen absoluten Schutz sugge-riert, wird sie heute nicht mehr verwandt.

Stattdessen spricht man vom Hochwasser-schutzsystem.

Hochwasserwelle

Der Wasserstand während eines Hoch-wassers wird über Tage hinweg kontinuierlichaufgezeichnet. Es entsteht die so genannteHochwasserganglinie mit ihrer spezifischenWellenform. Den gesamten Prozess von An-stieg und Rückgang des Hochwassers nenntman Hochwasserwelle.

Hundertjährlicher Abfluss (HQ100)

�100-jährlicher Abfluss

Hydrologisches Jahr

Das hydrologische Jahr dauert in Deutsch-land jeweils vom 1. November eines Jahresbis zum 31. Oktober des folgenden. Das Win-terhalbjahr umfaßt die Monate November bisApril, das Sommerhalbjahr die Monate Maibis Oktober. Diese Einteilung wählt man, um in der Jahresbilanz die Niederschläge er-fassen zu können, die bereits im Novemberund Dezember als Schnee oder Eis gespei-chert wurden und erst im folgenden Jahr ab-fließen. Bei einer klassisch kalendarischenEinteilung blieben sie in der Bilanz unberück-sichtigt.

Klima

Der charakteristische Zustand der Erdatmos-phäre über einer bestimmten Region wird alsKlima bezeichnet, wobei die Witterung eineseinzelnen Jahres sich erheblich vom Normal-klima unterscheiden kann. Je länger die Son-ne über dem Horizont steht und je höher imZenit, desto mehr Strahlungsenergie ist zurErwärmung der Erdoberfläche verfügbar.Deshalb lassen sich die Klimazonen mit dergeografischen Breite einteilen. Zusätzlichwird das Klima durch die Beschaffenheit derErdoberfläche beeinflusst. Abhängig vonWasseroberflächen oder Festland, von Flach-land oder Gebirge ändern sich Temperatur,Wind, Niederschlag und Feuchte.

Klimaänderung

�Klima

Klimaschwankungen

Die Temperatur der bodennahen Luftschich-ten beträgt über die gesamte Erdoberflächeund übers Jahr gemittelt derzeit etwa +15Grad. Durch natürliche Klimaschwankungenim Laufe eines Jahrhunderts kann dieserWert um 0,5 Grad variieren. Über längereZeiträume gesehen, zum Beispiel währendder Eiszeiten, haben sich die Mitteltempera-turen sogar um mehrere Grad geändert.

Laufzeit der Hochwasserwelle

Zeit, die eine Hochwasserwelle von einemPegel bis zum nächsten flussabwärts gelege-nen Pegel benötigt. Vereinfacht wird meistder zeitliche Abstand der Hochwasserscheitelherangezogen. Dieser kann aber stark vonder Laufzeit abweichen, wenn es an Einmün-dungen größerer Nebenflüsse zur �Wellen-überlagerung kommt und sich dadurch einneuer Hochwasserscheitel bildet.

Meldestufen

Im Hochwassernachrichtendienst in Bayernwird das Ausmaß der Überflutung durch vierMeldestufen beschrieben. Für jeden Pegel imHochwassernachrichtendienst werden ent-sprechende Wasserstände angegeben.• Meldestufe 1: Stellenweise kleinere Aus-uferungen.• Meldestufe 2: Land- und forstwirtschaftli-che Flächen überflutet oder leichte Verkehrs-behinderungen auf Hauptverkehrs- und Ge-meindestraßen.• Meldestufe 3: Einzelne bebaute Grundstü-cke überflutet oder Sperrung überörtlicherVerkehrsverbindungen oder vereinzelter Ein-satz der Wasser- oder Dammwehr.• Meldestufe 4: Bebaute Gebiete in größe-rem Umfang überflutet oder Einsatz der Was-ser- oder Dammwehr in großem Umfang er-forderlich.

Mure

Im Gebirge kann Gesteinsmaterial aus Hang-rutschen, Schutthalden, Geschiebe und Ge-röllmassen bei Hochwasser in Bewegung ge-raten. In Wildbächen fließt es mit großerGeschwindigkeit zu Tal. Durch die Hangrut-sche oder nach Felsstürzen kann der Flussaufgestaut werden, weil sein ursprünglicherFließweg versperrt wurde. Muren können un-vorstellbare Verheerungen anrichten. GanzeOrtschaften versanken schon in Schlammund Geröll.

Niederschlag

Kann als Regen, Schnee, Graupel oder Hagelden Boden erreichen. Nach Art der Entste-hung unterscheidet man:• zyklonalen Niederschlag, der mit �Fronten einhergeht,• konvektiven Niederschlag, der sich durch Thermik bildet, zum Beispiel sommer-liche Wärmegewitter,• orographischer Niederschlag, der durch ge-ländebedingte Hebung von Luftmassen erfolgt.Zur Messung wird der Regen in Gefäßen auf-gefangen. Ein Trichter mit einer Fläche von200 cm2 ist in 1,5 m Höhe über dem Bodenangebracht und leitet den Niederschlag in einMeßröhrchen. Die Niederschlagsmenge wirdmeist in Millimetern angegeben. Das bedeu-

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tet: So hoch wäre der Boden an der Mess-stelle mit Wasser bedeckt, wenn nichts ab-flösse oder verdunstete. Eine Niederschlags-höhe von 1 mm entspricht der Wassermengevon 1 Liter pro Quadratmeter (l/m2).

Will man aus der Niederschlagshöhe den Ab-fluss bestimmen, so braucht man den so ge-nannten Gebietsniederschlag. Dieser kanndurch Mittelung der Niederschlagshöhenmehrerer Messstellen im � Einzuggebiet er-mittelt werden.

Pegel

Ein Pegel ist eine Messstelle für den Wasser-stand. Der einfachste Pegel besteht aus einerPegellatte mit Zentimetereinteilung am Ufer.An ihr läßt sich die Höhe des Wasserspiegelsablesen. Bis auf wenige Ausnahmen besitzenalle Pegel eine Schreibregistrierung. Bei derSchreibregistrierung wird die senkrechteBewegung eines Schwimmkörpers automa-tisch auf ein Diagramm übertragen (Schwim-merschachtpegel). Bei einem anderen Mess-prinzip wird der Wasserdruck, der von derWassertiefe abhängig ist, an der Gewässer-sohle gemessen und kontinuierlich registriert(Druckpegel). Zusätzlich können die registrier-ten Wasserstände über entsprechende Gerätedigital erfasst werden und über ein Modemper Datenfernübertragung direkt in den Com-puter eingelesen werden. Ein Messwert-ansagegerät kann Wasserstände in Spracheumwandeln. Sie können dann über das öf-fentliche Telefonnetz direkt abgehört werden.

Polder

Flussniederung oder Senke, die durch Deichekünstlich vor (Hoch-)Wasser geschützt wirdund deren Wasserstand reguliert werdenkann. (� Flutpolder)

Renaturierung

Rückbau von Flussbegradigungen oder Neu-verlegung des Flussbettes mit dem Ziel, na-türliche Fließverhältnisse wieder herzustellenund die Eigenentwicklung zu fördern.

Retention

Im Seitenbereich des Flussbettes und in derFlussaue wird bei Überflutungen ein Teil desWassers zwischengespeichert. Dies führtdazu, dass das Wasser flussabwärts langsa-mer steigt. Die Hochwasserwelle wird verzö-gert und verläuft flacher. Die Retention istumso größer, je geringer das Gefälle ist.

Rückhalteraum

Rückhalteräume dienen der Zwischen-speicherung von Hochwasser. Sie werdendurch Aufstauen bzw. Überfluten aktiviert.

Sturzflut

Eine Sturzflut ist ein spezielles Hochwasservon kurzer Dauer und steilem Anstieg mit ei-ner relativ hohen Hochwasserspitze. Sie wirdvon einem Regen hoher Intensität erzeugt,der über einem kleinen Einzugsgebiet nieder-geht.

Tiefdruckgebiet oder Tief

Ein Gebiet niedrigen Luftdrucks, das auch Zy-klone oder Depression genannt wird. Auf derNordhalbkugel drehen sich Tiefdruckgebietegegen den Uhrzeigersinn, auf der Südhalbku-gel umgekehrt. Oft bilden sich Tiefdruckge-biete immer wieder an den selben Stellen desGlobus. Sie werden deshalb zum Beispiel Island-Tief oder Nordsee-Tief genannt. DasAdria-Tief – ein ganz typischer Tiefdruckwirbel– führt an seiner Ostflanke warme und feuch-te Mittelmeerluft in unsere Breiten. �Vb-Wetterlage.

Tiefenerosion

Durch die Kraft des Wassers werden amGrund der Flüsse Bodenteilchen, Steine undGeröll bewegt, �Feststofftransport. Je höherein Hochwasser steigt, desto mehr Feststof-fe kann es bewegen. Fällt der Wasserstand,dann lagert sich das Material wieder ab. Wird mehr abgetragen, als sich anlagert, sovertieft sich auf Dauer das Flussbett. Diesen Vorgang nennt man Tiefenerosion.

Überschwemmungsgebiet

Flächen, die bei Hochwasser überschwemmtwerden. Rechtlich festgesetzte Über-schwemmungsgebiete müssen von den Ge-meinden in der Bauleitplanung berücksichtigtwerden.

Vb-Wetterlage

Im Jahre 1891 hat der Meteorologe Van Bebbers die Tiefdruckzugbahnen bezeichnet.„Vb“ (sprich: fünf B) ist der Name einer Tief-druckbahn dieser Klassifikation. Eine „Vb“-Wetterlage kann im Sommer zu gefürchte-tem Hochwasser führen. Bei Nord- oderNordwestlagen kommt kalte und feuchte Luftvon Norden her. Werden gleichzeitig mit demAdria-Tief über die „Zugstraße Vb“ sehr war-me und feuchte Luftmassen aus dem Mittel-meerraum herangeführt, dann entstehen ta-gelang anhaltende ergiebige Niederschläge.Die warm-feuchte Adrialuft gleitet auf die kal-te Polarluft. So entstehen mächtige Wolkenmit bis zu 7 km Höhe. Vom bayerischen Al-penrand bis nach Thüringen und Ostpreußenkann sich diese Wetterlage erstrecken. Häu-fig bezieht sie sogar das Warthe- und Weich-selgebiet ein.

Verklausung

Meist durch Schwemmholz verursachte Ver-stopfung im Wasserlauf an natürlichen oderkünstlichen Engstellen.

Vorland

Fläche zwischen Gewässer und Deich

Wasseräquivalent

Für die Schneeschmelze ist der Wassergehaltder Schneedecke wesentlich. Er wird alsWasseräquivalent bezeichnet und zum Ver-gleich mit dem Niederschlag in MillimeterWasserhöhe angegeben.

Wasserscheide

Grenze zwischen den �Einzugsgebieten

Wasserstand

Die Höhe des Wasserspiegels eines stehen-den oder fließenden Gewässers über oderunter einem angenommenen Nullpunkt, demPegelnullpunkt. Der Wasserstand wird inZentimetern angegeben. �Gewässerkundli-che Hauptzahlen

Wellenüberlagerung

Zur Wellenüberlagerung kommt es, wenn die�Hochwasserwelle eines Nebenflusses mitder Hochwasserwelle im Hauptfluss annä-hernd zeitgleich zusammentrifft. Durch Wel-lenüberlagerung addieren sich die Abflüssebeider Flüsse und der Wasserstand kann er-heblich höher ausfallen.

Wildbäche

Wildbäche sind die charakteristischen Fließ-gewässer kleiner �Einzugsgebiete im Hoch-gebirge. Sie weisen meist ein sehr starkesGefälle auf und sind durch einen rasch undstark wechselnden Abfluss und zeitweisehohe Feststofführung gekennzeichnet.

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www.bestellen.bayern.de

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Glossar

Impressum

Leben mit dem Fluss

Hochwasser im Spiegel der Zeit

ISBN (Druck-Version): 978-3-936385-29-8 ISBN (Online-Version): 978-3-936385-31-1

Herausgeber:

Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU)Bürgermeister-Ulrich-Straße 16086179 AugsburgTel.: (08 21)9071-0Fax: (08 21)9071- 5556E-Mail: [email protected]:www.lfu.bayern.de

Bearbeitung/Text/Konzept:

Marco Bernhardt, Joerg Ernsberger,Josef Feuchtgruber, Bernd Grünwald,Karl Hafner, Karin Henning, Franz-KlemensHolle, Günter Hopf, Michael Klüpfel, Dr. Tobias Lang, Frank Pilhofer, Reinhard Prokoph, Carmen Roth, Ulrich Steigner, Hans Weber, Klaus Winklmair

Redaktion/Lektorat/Gestaltung:

Pro Natur GmbH, Frankfurt; www.pronatur.de LfU, Referat 12 u. 13StMUGV, Abteilung Wasserwirtschaft

Bildnachweis:

Siehe Seite 97

Titelbild:

Einsturz der Ludwigsbrücke bei Hochwasserin München 1813. Gemälde aus demStadtmuseum München, Künstler unbekannt.

Druck:

Kessler Druck + Medien GmbH, BobingenAuflage: 10 000 StückGedruckt auf Papier aus 100% Altpapier

Stand:

August 2008

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72l + r, 73mu, 90u, 92urBayerisches Landesvermessungsamt: . . . . . . . .43oBayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: . . . . . . . . . .92oFeuerwehr Kehlheim: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49luHagg, Johann: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86uHagg, Wilfried www.bayerische-gletscher.de: . .87Institut für Meteorologie: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88u (Hr. Sachweh)Landesbildstelle Südbayern: . . . . . . . . . . . . . . . .65oLeidorf, Klaus (www.leidorf.de): . . . . . . . . . . . . .42, 49o, 57MAGAZIN Bildagentur: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15, 93uMainfränkisches Museum, Würzburg: . . . . . . . . .18o, 20Markt Obernzell: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85mMuseen Stadt Regensburg: . . . . . . . . . . . . . . . . .6/7, 41o, 45m, 46Planungsreferat LHM München: . . . . . . . . . . . . .66m + uProkoph, R., Traunstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82ulRegierung von Unterfranken: . . . . . . . . . . . . . . . .14, 16o (Hansen, Würzburg)Schimpel, Christian (www.schimpel.de): . . . . . . .76Schinzler, München: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68rStadtarchiv Hof: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32o, 34u, 35ml + ulStadtarchiv Immenstadt : . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 (05-03-010), 75ol (A I 26-15),

75or (A I 26-15), 75ul (A I 26-25), 75ur (05-03-011), 77l (A I 26-15)

Stadtarchiv Passau: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52, 53uStadtbauamt Miltenberg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86oStadt Bad Kissingen, Archiv: . . . . . . . . . . . . . . . .10/11, 28o, 29or + ol + m + ur, 30o + luStadtmuseum München: . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Titel, 4/5, 65m, 66oStadt Regensburg, Tiefbauamt: . . . . . . . . . . . . . .47 Stolz, Herbert, Regensburg: . . . . . . . . . . . . . . . . .37, 40r, 44WWA Aschaffenburg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17, 19 (aus Privatsammlung Dr. J. Lusin,

Würzburg), 21o, 22, 22, 23, 92 umWWA Bad Kissingen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30ur + 31ol (L. Rosentritt),

29ul (M. Rottenberger), 31or + m + u (K. Schubert), 90

WWA Deggendorf: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56, 8/9 + 84u + 85o (M. Fehrer), 84o (Schmeizl), 85ur (G. Jungbauer), 53o (H. Stolz), 54u + 55 (V. Ritter), 58 (L. Schaller)

WWA Donauwörth: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38lo + m, 41u, 60o, 61, 62, 63WWA Hof: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33o + m, 34o, 35or + urWWA Kempten: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73ol + or, 77m, 77u + 91 + 93o (A. Rieg)WWA Kronach: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92ulWWA Landshut: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13, 49mu + ruWWA Nürnberg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24o, 25, 26, 27WWA München: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65ur + ul, 67o, 67m + u (Joven)WWA Regensburg: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36, 43u, 45o, 45u, 51m,

40u + 50 (Luftbildverlag Hans Bertram), WWA Rosenheim: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .78o + 79ol + 79om (H. Barnikel),

79u (M. Schaubächer),WWA Traunstein: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59o (J. Feselmeyer), 80o,

81ol + or (D. Schmid aus Archiv Markt Berchtesgaden), 81m, 81ul+ur (S. Ufertinger), 82o + ur + 83o (H. Maier), 83u (T. Dufter)

WWA Weilheim: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69, 70o, 71, 72m

Karten: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Pro Natur GmbH auf Basis der Daten des LfU, Topographische Grunddaten: Geobasisdaten © Bayerische Vermessungsverwaltung

Detailkarten Wildbäche: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Landesamt für Umwelt, Hof: 76, 79, 82, 85

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Leben mit dem FlussHochwasser

im Spiegel der Zeit

Bayerisches Landesamt fürUmwelt

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ISBN 978-3-936385-29-8