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1/19 www.aefu.ch 6 Pestizide bei der Holzernte Die Holzwirtschaft macht sich den Schweizer Wald nicht nur als Rohstofflie ferant, sondern auch als GratisLagerplatz zunutze. Das geschlagene Holz liegt an den Sammelplätzen, bis Sägereien und Platten werke freie Kapazitäten haben. Die gesta pelten Baumstämme können besonders im heissen Sommer u.a. vom Borkenkäfer (Buchdrucker) befallen werden. Dagegen wurden die Holzlager auch letztes Jahr hauptsächlich im Frühling mit den äusserst giftigen Insektenmitteln der Cypermethrine (vgl. Kasten) behandelt. Die dabei verwen dete Menge Gift kennt der Bund nicht: «Eine zentrale Zusammenstellung (...) gibt es nicht», teilte das Bundesamt für Umwelt BAFU mit. OEKOSKOP führte deshalb eine Umfrage bei den Kantonen durch. Wir woll ten wissen: Welche Insektizide wurden im jeweiligen Wald von 2014 bis 2018 eingesetzt und in welchen Mengen? «Bescheidene Menge» wiegt schwer Die OEKOSKOPFragen liessen sich «schnell» beantworten, teilte der Urner Kan tonsförster Marcus Tschopp mit: In den letz ten fünf Jahren seien im «Urner Wald keine Pestizide zum Einsatz» gekommen. «Eine ganz bescheidene Menge» sei «lediglich bei den Insektiziden zur Anwendung» gelangt. Konkrete Zahlen nennt er nicht. Insektengifte sind auch Pestizide und be scheiden ist die schweizweit ausgebrachte Menge nicht: Etwa 700 Kilogramm hochto xische Insektizide wurden 2018 im Schweiz er Wald auf gefällte Baumstämme gespritzt (sogenannte Rundholzspritzung). Dies ist das Resultat einer Hochrechnung, die OEKOSKOP auf Basis der Umfrage bei den kantonalen Waldbeauftragten erstellt hat. 1 Im Wald landen somit rund zwölf Prozent der gesamten CypermethrinMenge, die in der Schweiz verkauft wurde. 2 Gift passt schlecht zum Wald-Image Alle 25 per Email angeschrieben kanto nalen Forstbehörden 3 meldeten sich zurück. «Grundsätzlich» sei «der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald nicht er laubt», beginnen die meisten Antworten, so auch die des Kantons Zürich. Erst dann kommt er – wie die andern auch – auf das Aber der Ausnahmebewilligungen für In sektengifte zu sprechen. Sie passen schlecht zum Image des ökologischen Holzlieferan ten, welches die Schweizer Wald und Holz wirtschaft ihrem Nutzwald scheinbar allzu pauschal verpasst. Auch der Bund schreibt, die Schweizer Waldbesitzer würden «ihre Wälder aufgrund eines der weltweit streng sten» Waldgesetze «bereits nachhaltig und im internationalen Vergleich auf höchstem ökologischen Niveau» bewirtschaften. 4 Tatsächlich hält das Schweizer Waldgesetz fest: «Im Wald dürfen keine umweltgefähr denden Stoffe verwendet werden» (Art. 18 WaG). Es existieren Ausnahmeregelungen, Cypermethrine (z.B. Cypermethrin, alpha und zetaCypermethrin) gelten als für den Menschen sehr giftig, reizend und organ schädigend. Einige stehen im Verdacht wie Hormone zu wirken und Krebs auszulösen. Alle Cypermethrine sind zudem starke Fischgifte. Sie stellen eine grosse Gefahr für naheliegende Gewässer dar. ZetaCyperme thrin ist ausserdem giftig für Bienen. Chlorpyrifos gilt ebenfalls als sehr giftig sowie reizend und steht im Verdacht, hor monaktiv zu sein sowie die Entwicklung des Gehirns bei Kindern zu beeinträchtigen. Auch Chlorpyrifos ist ein starkes Fischgift 1 Wo der Verbrauch in Liter InsektizidKonzentrat angegeben wurde, errechnete OEKOSKOP die effektive Wirkstoffmenge aus den Herstellerangaben. 2 2017 wurden in der Schweiz 6040 Kilogramm Cyper methrin, alpha u zetaCypermethrin an die Forst und Landwirtschaft sowie für den Zierpflanzenbau verkauft (Email BLW vom 19.2.2019). 3 Die Kantone BaselStadt und BaselLandschaft haben ein gemeinsames Amt für Wald beider Basel. 4 KBOB c/o Bundesamt für Bauten und Logistik BBL: Nachhaltig produziertes Holz beschaffen, 1/2012, S. 2. 5 Forest Stewardship Council FSC Insektizide im Schweizer Wald Im Schweizer Wald wurden 2018 rund 700 Kilogramm hochtoxische Insektizide auf gefällte Stämme gespritzt. Das wäre ganz und gar unnötig, müsste unser Wald nicht als Holzlager herhalten. Martin Forter, AefU Hochgiftige und zudem toxisch für Vögel. Für diese äusserst problematischen In sektizide will das Bundesamt für Umwelt BAFU in der Gewässerschutzverordnung (GSchV) neue Grenzwerte festschreiben. Angesichts der Giftigkeit schlug es 2018 ex trem tiefe Grenzwerte vor. Diese sind aber mit den in Labors üblichen Analysemetho den gar nicht überprüfbar (vgl. OEKOSKOP 1/18). Die Ärztinnen und Ärzte für Umwelt schutz (AefU) lehnen diese Alibiübung ab und fordern das sofortige Verbot dieser In sektizide. Die Insektizide Cypermethrin und Chlorpyrifos

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P e s t i z i d e b e i d e r H o l z e r n t e

Die Holzwirtschaft macht sich den ­Schwei­zer­ Wald­ nicht­ nur­ als­ Rohstofflie­ferant,­ sondern­ auch­ als­ Gratis­Lagerplatz­zunutze.­Das­geschlagene­Holz­liegt­an­den­Sammelplätzen,­ bis­ Sägereien­ und­ Platten­werke­ freie­ Kapazitäten­ haben.­ Die­ gesta­pelten­ Baumstämme­ können­ besonders­ im­ heissen­ Sommer­ u.a.­ vom­ Borkenkäfer­(Buchdrucker)­ befallen­ werden.­ Dagegen­wurden­ die­ Holzlager­ auch­ letztes­ Jahr­

hauptsächlich­im­Frühling­mit­den­äusserst­giftigen­Insektenmitteln­der­Cypermethrine­(vgl.­Kasten)­behandelt.­Die­dabei­verwen­dete­ Menge­ Gift­ kennt­ der­ Bund­ nicht:­«Eine­ zentrale­ Zusammenstellung­ (...)­ gibt­es­nicht»,­teilte­das­Bundesamt­für­Umwelt­BAFU­mit.­OEKOSKOP­führte­deshalb­eine­Umfrage­bei­den­Kantonen­durch.­Wir­woll­ten­ wissen:­Welche­ Insektizide­ wurden­ im­jeweiligen­Wald­von­2014­bis­2018­eingesetzt­und­in­welchen­Mengen?

«Bescheidene Menge» wiegt schwerDie­ OEKOSKOP­Fragen­ liessen­ sich­­«schnell»­beantworten,­teilte­der­Urner­Kan­tonsförster­Marcus­Tschopp­mit:­In­den­letz­ten­fünf­Jahren­seien­im­«Urner­Wald­keine­Pestizide­ zum­ Einsatz»­ gekommen.­ «Eine­ganz­bescheidene­Menge»­sei­«lediglich­bei­

den­Insektiziden­zur­Anwendung»­gelangt.­Konkrete Zahlen nennt er nicht. Insektengifte­sind­auch­Pestizide­und­be­

scheiden­ ist­ die­ schweizweit­ ausgebrachte­Menge­nicht:­Etwa­700­Kilogramm­hochto­xische­Insektizide­wurden­2018­im­Schweiz­er­Wald­auf­gefällte­Baumstämme­gespritzt­(sogenannte­ Rundholzspritzung).­ Dies­ist­ das­ Resultat­ einer­ Hochrechnung,­ die­­OEKOSKOP­auf­Basis­der­Umfrage­bei­den­kantonalen­ Waldbeauftragten­ erstellt­ hat.1 Im­Wald­ landen­ somit­ rund­ zwölf­ Prozent­der­ gesamten­ Cypermethrin­Menge,­ die­ in­der Schweiz verkauft wurde.2

Gift passt schlecht zum Wald-ImageAlle­ 25­ per­ Email­ angeschrieben­ kanto­nalen­Forstbehörden3­meldeten­sich­zurück.­«Grund­sätzlich»­ sei­ «der­ Einsatz­ von­Pflanzenschutzmitteln­ im­ Wald­ nicht­ er­laubt»,­ beginnen­ die­ meisten­ Antworten,­so­auch­die­des­Kantons­Zürich.­Erst­dann­kommt er – wie die andern auch – auf das Aber­ der­ Ausnahmebewilligungen­ für­ In­sektengifte­zu­sprechen.­Sie­passen­schlecht­zum­ Image­ des­ ökologischen­Holzlieferan­ten,­welches­die­Schweizer­Wald­­und­Holz­wirtschaft­ ihrem­Nutzwald­ scheinbar­ allzu­pauschal­verpasst.­Auch­der­Bund­schreibt,­die­ Schweizer­ Waldbesitzer­ würden­ «ihre­Wälder­aufgrund­eines­der­weltweit­streng­sten»­Waldgesetze­ «bereits­ nachhaltig­ und­im­ internationalen­ Vergleich­ auf­ höchstem­ökologischen­Niveau»­bewirtschaften.4Tatsächlich­hält­das­Schweizer­Waldgesetz­

fest:­«Im­Wald­dürfen­keine­umweltgefähr­denden­ Stoffe­ verwendet­werden»­ (Art.­ 18­WaG).­ Es­ existieren­ Ausnahmeregelungen,­

Cypermethrine­ (z.B.­ Cypermethrin,­ alpha­­und­ zeta­Cypermethrin)­ gelten­ als­ für­ den­Menschen­ sehr­ giftig,­ reizend­ und­ organ­schädigend.­Einige­stehen­ im­Verdacht­wie­Hormone­zu­wirken­und­Krebs­auszulösen.­Alle­ Cypermethrine­ sind­ zudem­ starke­Fisch­gifte.­Sie­stellen­eine­grosse­Gefahr­für­naheliegende­Gewässer­dar.­Zeta­Cyperme­thrin­ist­ausserdem­giftig­für­Bienen.

Chlorpyrifos­gilt­ebenfalls­als­sehr­giftig­sowie reizend und steht im Verdacht, hor­monaktiv­ zu­ sein­ sowie­ die­ Entwicklung­des­Gehirns­bei­Kindern­zu­beeinträchtigen.­Auch­ Chlorpyrifos­ ist­ ein­ starkes­ Fischgift­

1­ Wo­der­Verbrauch­in­Liter­Insektizid­Konzentrat­angegeben­wurde,­errechnete­OEKOSKOP­die­effektive­Wirkstoffmenge­aus­den­Herstellerangaben.

2­ 2017­wurden­in­der­Schweiz­6040­Kilogramm­Cyper­methrin,­alpha­­u­zeta­Cypermethrin­an­die­Forst­­und­Landwirtschaft­sowie­für­den­Zierpflanzenbau­verkauft­(Email­BLW­vom­19.2.2019).

3­ Die­Kantone­Basel­Stadt­und­Basel­Landschaft­haben­ein­gemeinsames­Amt­für­Wald­beider­Basel.

4­ KBOB­c/o­Bundesamt­für­Bauten­und­Logistik­BBL:­Nachhaltig­produziertes­Holz­beschaffen,­1/2012,­S.­2.

5­ Forest­Stewardship­Council­FSC

Insektizideim Schweizer Wald

Im Schweizer Wald wurden 2018 rund 700 Kilogramm

hochtoxische Insektizide auf gefällte Stämme gespritzt.

Das wäre ganz und gar unnötig, müsste unser Wald

nicht als Holzlager herhalten.

Martin­Forter,­AefU

Hochgiftige

und­zudem­toxisch­für­Vögel.Für­ diese­ äusserst­ problematischen­ In­

sektizide­ will­ das­ Bundesamt­ für­ Umwelt­BAFU­ in­ der­ Gewässerschutzverordnung­(GSchV)­ neue­ Grenzwerte­ festschreiben.­Angesichts­der­Giftigkeit­schlug­es­2018­ex­trem­ tiefe­Grenzwerte­vor.­Diese­ sind­aber­mit­den­in­Labors­üblichen­Analysemetho­den­gar­nicht­überprüfbar­(vgl.­OEKOSKOP­1/18).­Die­ Ärztinnen­ und­ Ärzte­ für­ Umwelt­

schutz­ (AefU)­ lehnen­ diese­Alibiübung­ ab­und­fordern­das­sofortige­Verbot­dieser­In­sektizide.

Die Insektizide Cypermethrin und Chlorpyrifos

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P e s t i z i d e

die­2018­scheinbar­die­Regel­waren:­Gleich­22­ der­ 25­ kantonalen­ Forstämter­ bewil­ligten­ den­ Einsatz­ hochgiftiger­ Insektizide,­um­ im­Wald­gefällte­Baumstämme­zu­ ‹im­prägnieren›.­

Schlechter Überblick?Allerdings­ erwecken­ die­ Antworten­ ge­genüber­OEKOSKOP­den­Eindruck,­als­hät­ten­ einige­ Kantone­ keinen­ Überblick­ über­die­ effektiven­ Insektizid­Einsätze­ in­ ihren­Wäldern.­ Ihre­ Auskünfte­ lassen­ offen,­ ob­Waldeigentümer­Insektenmittel­ausbrachten­bzw.­ ob­ Bewilligungen­ beantragt­ wurden.­So­ beschränken­ sich­ fünf­ Antworten­ auf­belanglose­oder­unklare­Aussagen.­Die­An­gaben­von­sieben­weiteren­Kantonen­waren­unvollständig­ und­ deshalb­ ebenfalls­ nicht­auswertbar.Hingegen­ nennen­ zehn­ Kantone­ aus­ al­

len­ Regionen­ der­ Schweiz­ konkrete­ Men­gen,­Markennamen­und­die­Wirkstoffe­der­2018­ im­ Wald­ versprühten­ Insektengifte­(vgl.­ Tabelle­ www.aefu.ch/wald).­ In­ die­sen Kantonen steht rund einen Drittel des Schweizer­ Nutzwaldes.­ Ihren­ Insektizid­Verbrauch­ rechnete­ OEKOSKOP­ auf­ die­gesamte­ ­Schweizer­ Nutzwaldfläche­ hoch­–­ abzüglich­Glarus,­ Tessin­ und­Wallis.­ Die­Glarner­verzichten­ im­Wald­seit­ Jahren­auf­Insektizide­(vgl.­Interview­S.­9).­Die­Walliser­und­Tes­siner­melden,­sie­hätten­2018­keinen­Pestizideinsatz­bewilligt.­

FSC akzeptiert Insektizid im WaldErstaunlicherweise­erlaubt­auch­das­Holzla­bel­FSC5­Schweiz­den­Einsatz­der­hochgifti­gen­ Cypermethrin­Insektenmittel.­ Das­ La­bel­ zertifiziert­ nach­ eigenen­Angaben­ über­50%­ der­ Schweizer­Waldfläche­ und­ garan­tiere­die­«Förderung­einer­umweltgerechten,­sozial­vorteilhaften­und­wirtschaftlich­trag­baren­ Waldbewirtschaftung­ im­ Schweize­rischen Kontext» .Zwar­ sei­ der­ Einsatz­ von­ Pestiziden­

im Wald­ gemäss­ FSC­Regeln­ grund­sätzlich­ verboten,­ es­ gebe­ aber­ eine­

Rundholzbehandlung mit hochtoxischem Insektengift. © Kanton Zürich

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P e s t i z i d e b e i d e r H o l z e r n t e

«Ausnahmebewilligung­ von­ FSC­ interna­tional­ zur­ Anwen­dung­ von­ Pestiziden­ in­der­Schweiz»,­schreibt­Hubertus­Schmidtke,­Geschäftsführer­ des­ Vereins­ FSC­ Schweiz.­Auf­die­Frage­von­­OEKOSKOP,­wie­FSC­den­Einsatz­ des­ extrem­ giftigen­ Cypermethrin­rechtfertige,­ antwortet­ Schmidtke:­ «Das­ ist­

eine­ gute­ Frage.»­ In­ der­ Schweiz­ «würden­die­ Waldbesitzer­ ohne­ die­ Ausnahmerege­lung­für­Cypermethrin­bei­FSC­aussteigen».­Denn­wegen­der­kleinflächigen­Eigentümer­struktur­ bleibe­ das­ Holz­ lange­ im­ Wald­liegen.­«Würde­es­entrindet­oder­permanent­abgeführt,­ dann­wäre­ der­ Einsatz­ von­ Cy­

permethrin­nicht­notwendig.»­Bei­allen­Vor­behalten­ müsse­ man­ aber­ bedenken,­ dass­der­Einsatz­nur­sehr­punktuell­auf­im­Wald­gelagertes­Holz­beschränkt­sei.­Die­Mengen­seien­ äusserst­ gering.­ Auf­ die­ Nachfrage,­wie­ gering,­ antwortet­ Schmidtke:­ Es­ gäbe­«keine­Informationen­zu­den­insgesamt­an­gewendeten­ Pestiziden».­ Diesen­ Sommer­aber­laufe­«die­Ausnahmebewilligung»­von­FSC­aus.­Es­werde­«wohl­keine­neue­geben».­Das­stünde­dem­Label­gut­an.

Im­Schweizer­Wald­wurden­2018­ sogar­be­reits­ verbotene­ Insektengifte­ ausgebracht.­Im­Aargauischen­landeten­2018­vier­Spritz­mittel,­die­seit­Juli­2017­nicht­mehr­zulässig­sind,­ auf­ den­ Baumstämmen.­ Zwei­ davon­enthalten­ das­ extrem­ toxische­ Chlorpyri­fos­ (vgl.­ Kasten­ S.­ 6).­ Auch­ Holzlager­ im­Berner­Wald­kriegten­2018­ein­Chlorpyrifos­Produkt­ sowie­ zwei­ weitere­ verbotene­ In­sektizide­ab.­In­den­Kantonen­Fribourg,­Lu­zern­und­Zug­kam­je­ein­verbotenes­Mittel­zur­Anwendung.­Mit­unseren­Fragen­zu­verbotenen­Insek­

tiziden­ und­ ihren­ Aufbrauchfristen­ wand­­ ten­wir­uns­am­10.­Februar­2019­an­die­Medi­enstelle­des­Bundesamts­für­Umwelt­(BAFU).­Tags­darauf­schreibt­Anke­Schütze­von­der­‹Koordinationsstelle­für­Pflanzenschutzmit­tel­im­Wald›6­an­die­Waldbeauftragten­aller­Kantone­ eine­ Email:­ Das­ BAFU­ sei­ «vom­

Ärztemagazin­ Oekoskop»­ zu­ den­ «im­Wald­eingesetzten­Pflanzen­schutzmittel­und­­men­gen»­angefragt­worden.­Sie­wolle­darauf­hin­weisen,­dass­die­Anwendung­eines­Pestizids­im­Wald­«zwei­Jahre­nach­Auslaufen­der­Zu­lassung»­verboten­sei.­­Erst­durch­diese­Email­realisierten­ die­ Fribourger­ Forstbehörden,­was­OEKOSKOP­schon­erkannt­hatte:­Im­dor­tigen­Wald­wurde­2018­ein­illegales­Insekten­mittel­auf­die­Holzlager­gesprüht.8

Spritzen solange es hat?Auch­ im­Kanton­Luzern­ hätten­ sie­ «nicht­ re­alisiert»,­dass­die­Aufbrauchfrist­für­ein­Insek­tenmittel­2017­abgelaufen­ist­und­«es­ver­säumt,­die­ Anwender­ explizit­ zu­ informieren».9­ Of­fensichtlich­ist­ in­einigen­Kantonen­wenig­be­kannt, was im Wald an Gift ausnahmsweise erlaubt­und­was­ganz­und­gar­verboten­ist.7Dass­ im­Kanton­Aargau­ 2018­ auch­ Insek­

Verbotene Insektizide im Schweizer Wald

6­ Anke­Schütze­von­der­Koordinationsstelle­an­die­Wald­beauftragen­der­Schweiz:­Hinweis­zu­Fristen­PSM­im­Wald,­Email­vom­11.02.2019.­Die­Hochschule­für­Agrar­,­Forst­­und­Lebensmittelwissenschaften­HAFL­betreibt­diese­schweizweite­Koordinationsstelle­im­Auftrag­des­Bundesamts­für­Umwelt­BAFU.

7­ Es­existiert­eine­«Checkliste­für­den­Einsatz­von­Pflanzen­schutzmitteln­im­Wald»­des­Bundesamts­für­Umwelt­BAFU­vom­März­2016.­Darin­verweisen­zwei­Direktlinks­auf­die­zugelassenen­Produkte.­Beide­Links­führen­ins­Leere­(letztmals­eingesehen­am­14.03.2019).

8­ Amt­für­Wald,­Wild­und­Fischerei­des­Kantons­Fribourg­an­OEKOSKOP,­Email­vom­19.02.2019.

9­ Dienststelle­Landwirtschaft­und­Wald­des­Kantons­Luzern­an­OEKOSKOP,­Email­vom­22.02.2019.

Hier gehört das geschlagene Holz hin: Auf Lagerplätzen ausserhalb des Waldes sind Insektizide überflüssig.

tizide zum Einsatz kamen, die seit Som­mer­2017­gänzlich­verboten­sind,­dazu­sagt­Ruedi­Bättig­von­der­­Abteilung­Wald:­«Da­wurden­ wohl­ alte­ Bestände­ aufgebraucht,­weil­es­bei­uns­nicht­bekannt­war»­und­sich­«niemand­ wirklich­ damit­ beschäftigt».­ Es­sei­ gut,­ dass­OEKOSKOP­darauf­ aufmerk­sam­ mache.­ «Wir­ haben­ da­ offensichtlich­ ein­Umsetzungsproblem»,­hält­Bättig­trans­pa­rent­und­ohne­zu­zögern­fest.­Isabelle­Straub­vom­Berner­Amt­für­Wald­

schreibt:­ «Sehr­ wahrscheinlich»­ hätten­«die­ fehlbaren­ Anwender»­ die­ Vorschrif­ten­«zu­wenig­beachtet»,­als­sie­2018­diese­zwei­ Insektenmittel­ spritzten.­ Sie­ seien­aber­ «darauf­ hingewiesen»­ worden,­ «dass­diese­ Pflanzenschutzmittel­ nicht­ mehr­ er­laubt»­ seien.­Ähnlich­ antwortet­ das­Zuger­Forstamt.­Ihr­Ziel­sei­es­aber,­«längerfristig­ganz»­auf­Spritzmittel­zu­verzichten.

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1/[email protected]

Dr. Martin Forter­ist­Geograf,­Buchautor­und­ Geschäftsleiter­ der­ Ärztinnen­ und­Ärzte­für­Umweltschutz­(AefU)[email protected]

9

Glarner Wald: kein Gift trotz ‹Burglind›Was­ FSC­ Schweiz­ erst­ plant,­ gilt­ im­ Kan­ton­Glarus­ seit­mindestens­ fünf­ Jahren.­ Sie­hätten­ damals­ beschlossen,­ im­Wald­ keine­Insektizide­mehr­ einzusetzen,­ sagt­Maurus­Frei,­ Leiter­ der­ Glarner­ Fachstelle­ Wald.­Dafür­muss­im­Glarnerland­das­meiste­Holz­sofort­aus­dem­Wald­geschafft­werden.­Ge­linge­das,­ seien­die­ Insektizide­überflüssig.­Das­sei­eine­organisatorische­Frage­und­habe­auch­ 2018­ trotz­ Sturm­ ‹Burglind›­ geklappt­(vgl.­Interview­unten).­Gerade­mit­den­Windwürfen­durch­‹Burg­

lind›­begründen­aber­viele­Kantone­bei­ihrem­Insektizid­Verbrauch­ «den­ grossen­ Sprung­nach­ oben»,­ wie­ es­ der­ Kanton­ Solothurn­ausdrückt.­ 2017­ verwendeten­ die­ Forst­

© zv

g

P e s t i z i d e b e i d e r H o l z e r n t e

betriebe­dort­60­Liter­Insektizid­Konzentrat.­Im­ Jahr­darauf­wegen­ ‹Burglind›­280­Liter.­Welche­Wirk­stoffe­ in­welchen­Mengen­ver­spritzt­wurden,­dazu­macht­Solothurn­keine­detaillierten­ Angaben.­ Ebenso­ wenig­ der­Kanton­ Waadt:­ Zuerst­ teilte­ das­ Forstamt­mit,­die­Menge­sei­2018­mit­«50­litres­envi­ron»­Insektizid­Konzentrat­gering­gewesen.­Auf­ genauere­ Nachfrage­ von­ OEKOSKOP­hiess­ es,­ 2017­ seien­ im­Waadtländer­Wald­125­ Liter­ Insektengift­Konzentrat­ gespritzt­worden.­Angaben­über­die­Mengen­für­das­‹Burglind­Jahr›­2018­fehlten­nun­aber.

Der Wald bezahlt Die­meisten­ Kantone­ rechtfertigen­ den­ In­sektizideinsatz­bei­den­geernteten­Stämmen­mit­ der­ Struktur­der­ Schweizer­Wald­­und­

Holzwirtschaft.­ Ebenso­ das­ Bundesamt­ für­Umwelt­BAFU.­Es­schreibt,­man­müsse­auch­«den­ Rahmenbedingungen­ der­ Holzkäu­fer­ gerecht­werden».­ Gemeint­ ist­ wohl­ die­Sparmöglichkeit­ durch­ kostenlose­ Lager­plätze­im­Wald.­Und­sogar­Beat­Forster­von­der­ Eidgenössischen­ Forschungsanstalt­ für­Wald,­ Schnee­ und­ Landschaft­ WSL­ meint:­«So­wenig­ Insektizide­wie­möglich,­ so­ viel­wie­ nötig,­ wegen­ der­ Konkurrenzfähigkeit­des­ Schweizer­ Holz».­ Diese­ Billigung­ von­Insektengift­Einsätzen­im­Wald­könnte­sich­als­Bumerang­für­das­Image­des­Schweizer­Holzes­ herausstellen.­ Das­ Beispiel­ Glarus­zeigt:­Es­geht­im­Wald­auch­ohne­Gift­–­wenn­der­Wille­da­ist,­das­«strengste­Waldgesetz»­konsequent umzusetzen.

OEKOSKOP: Im Glarner Wald werden keine Insektizide mehr versprüht. Wie kam es dazu? Maurus Frei:­ Der­ Glarner­ Forstdienst­ hat­sich­vor­einigen­Jahren­darauf­geeinigt.­Seit­mindestens­fünf­Jahren­wird­das­so­gehand­habt.­ Die­ wichtigste­ Massnahme­ ist,­ dass­das­ geerntete­ Fichten­Stammholz­ innert­nützlicher­ Frist­ aus­ dem­ Wald­ abgeführt­wird.­Das­ bedeutet,­ bevor­ es­ von­ Schadin­sekten,­ z.B.­ Borkenkäfern,­ befallen­ wird.­Dann­kann­auf­den­Einsatz­von­Insektiziden­verzichtet werden.

Riskieren Sie damit keinen Befall z.B. mit dem Borkenkäfer? Bei­Holzstämmen­von­guter­Qualität,­die­für­Schnittholz­vorgesehen­sind,­wird­ein­Befall­durch­ rechtzeitige­ Abfuhr­ aus­ dem­ Wald­verhindert.­ Bei­ Nutzholz­ von­ geringerer­Qualität,­das­in­der­Industrie­oder­als­Ener­gieholz­Verwendung­findet,­spielt­ein­Befall­durch Schad insekten keine Rolle.

War es eine grosse Umstellung, den Wald nicht

mehr als Holzlager zu verwenden?Das­ ist­ eine­ organisatorische­ Frage.­ Wenn­der­Forstdienst­die­Grundhaltung­kommu­niziert,­ dass­ das­ geerntete­Holz­ rechtzeitig­aus dem Wald muss, dann kann man Eini­ges­ erreichen.­ Trotz­ des­ Sturms­ ‹Burglind›­hat­das­ im­Kanton­Glarus­auch­letztes­Jahr­geklappt.­Das­zeigt,­dass­es­auch­in­Zukunft­ohne­den­Einsatz­von­Insektiziden­geht.

Und die Kosten? Rechnet sich das?Wirtschaftlich­ist­es­interessanter,­das­Nutz­holz­rechtzeitig­aus­dem­Wald­abzuführen,­als­ eine­ längere­ Lagerung­ und­ Behand­lung­mit­ Insektiziden­ im­Wald­ in­ Kauf­ zu­nehmen. Das Nutzholz muss ja so oder so raus.­ Den­ rechtzeitigen­Abtransport­ zu­ or­ganisieren­ist­der­kleinere­Aufwand.­

«Auf Insektizide kann verzichtet werden»

Maurus Frei ist Fachstellenleiter Wald in der Abteilung Wald

und Naturgefahren des Kantons Glarus.