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1 Gregor Schönborn (Hrsg.) / Dagmar Wiebusch Public Affairs Agenda Politikkommunikation als Erfolgsfaktor

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Gregor Schönborn (Hrsg.) / Dagmar Wiebusch

Public Affairs Agenda Politikkommunikation als Erfolgsfaktor

wiebusch
Copyright Luchterhand Verlag GmbH, Neuwied, Kriftel
wiebusch
Copyright Luchterhand Verlag GmbH, Neuwied, Kriftel

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Gregor Schönborn (Hrsg.) / Dagmar Wiebusch

Public Affairs Agenda

Politikkommunikation als Erfolgsfaktor

Herausgegeben von Gregor Schönborn, CEO ECC

Kohtes Klewes und Dagmar Wiebusch, ECC Public Affairs

unter Mitwirkung von Dr. Dirk Manthey, Anke Lehmann,

Stefan von der Heiden, Florian Eisele, Detlev Samland,

Cornelius Winter und Tobias Cottmann

3

Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung: Public Affairs: Unentbehrliche Managementtechnik für den Erfolg I. Public Affairs als Teil der Unternehmenskommunikation 1. Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft 2. Wissen und Politik: Das politische System und der Fluss der Informationen 3. Managementaufgabe Kommunikation: Public Affairs als strategischer

Erfolgsfaktor II. Begriffe und Definitionen 1. Was ist Public Affairs? Eine Disziplin wirft Fragen auf 2. Public Affairs und Public Relations: Partner für den Erfolg 3. Public Affairs ist mehr als Lobbying: Klärung der Begriffe 4. Public Affairs: Dach für strategische Kommunikation III. Rahmenbedingungen von Public Affairs 1. Die Wahlen fest im Blick: Legitimations- und Entscheidungsstrukturen der Politik 2. Berlin ist nicht Bonn: Deutschlands gewandelte Politiklandschaft 3. Gestaltungsmacht organisierter Interessen: Verbände im Wandel 4. Public Affairs-Agenturen: Ein neuer Markt entsteht 5. Das 1x1 der Gesetzgebung: Rüstzeug für den politischen Alltag IV. Interessenvertretung in der Europäischen Union 1. Brüssel: Public Affairs-Hauptstadt in Europa 2. Rüstzeug für Brüssel: EU-Institutionen im Überblick 3. Ansatz zur Freiheit: Freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie V. Public Affairs in der Praxis 1. Das Handwerkszeug: Die Grundlegenden PA-Instrumente 2. Politik als Lehrmeister: Ohne Kampagnen kommt auch die Wirtschaft nicht mehr

aus 3. Wirtschaft als Lehrmeister: Politik kommt ohne Werbung nicht mehr aus 4. Technologischer Wandel: Das Internet als Instrument für politische

Kommunikation VI. Fallbeispiele 1. Stop The Clock: Der Feldzug für die Flatrate 2. E-mission-55: Business For Climate

4

VII. Anhang 1. Literaturverzeichnis 2. Internet-Ressourcen 3. Abbildungen

5

Vorwort

6

Vorwort

#Text fehlt; Autor: Schönborn#

7

Einleitung

#Motto#

Ein Geheimnis des Erfolgs ist es,

den Standpunkt des Anderen zu verstehen.

Henry Ford, Unternehmer

#Ende Motto#

Public Affairs: Unentbehrliche Managementtechnik für den Erfolg

Von Dagmar Wiebusch

Was in Deutschland oft fälschlicherweise mit Lobbying gleichgesetzt wird, gilt im

anglo-amerikanischen Raum seit Jahrzehnten als unentbehrliche

Managementtechnik: Public Affairs. Doch auch hier zu Lande findet die Idee, dass

Unternehmen und Institutionen den Dialog zwischen den für sie wichtigen politischen

Organisationen und Gesellschaftsgruppen aktiv und zielgerichtet steuern, immer

mehr Anhänger.

Zu den ersten Klienten der vielfach noch jungen deutschen Public Affairs-Agenturen

und Politikberatern zählen viele anglo-amerikanische Unternehmen, die nun auch

hier die Beratung und Dienstleistung suchen, die ihnen von ihrem Heimatmarkt

geläufig und vertraut ist. Sie lassen beispielsweise die für sie relevanten politischen

Informationen durch systematisches Monitoring ermitteln oder über nachhaltiges

Kontaktmanagement Verbindung zu wichtigen Entscheidern herstellen.

8

Eigene Interessen erfordern eigenes Engagement

Inzwischen bringen auch deutsche Unternehmen und Organisationen Public Affairs

mehr und mehr Aufmerksamkeit entgegen. Die Beziehung zwischen Wirtschaft,

Politik und Gesellschaft hat sich durch Globalisierung und Informationstechnologie

fundamental gewandelt. Die Wettbewerbsparameter haben sich verändert,

wirtschaftspolitische Prozesse sind komplexer geworden – und internationaler. So

hat etwa der europäische Einigungsprozess – mit EU-Binnenmarkt und

Währungsunion – die Gesetzgebung inzwischen so sehr auf die europäische Ebene

verlagert, dass deutsche Unternehmen heute in nahezu 50 Prozent aller Fälle nicht

länger von nationalem, sondern von europäischem Recht mittelbar oder unmittelbar

beeinflusst werden.

Veränderungsprozesse dieser Art müssen Unternehmen aktiv mitgestalten, um ihr

Wachstum und ihre Existenz zu sichern. Traditionell hat die deutsche Wirtschaft den

dafür notwendigen Dialog mit der Politik an die Verbände delegiert. Doch die eigenen

Interessen durchzusetzen erfordert in Sachen politischer Kommunikation häufig auch

eigenes Engagement. Vorbei sind die Zeiten, in denen Konzernchefs ihre Anliegen in

Hintergrundgesprächen anbrachten und durchsetzten. Statt dessen werden über die

Medien offene Feldschlachten ausgetragen – die Altautoverordnung, die

Verpackungsverordnung und der Kampf um die Kabelnetze der Deutschen Telekom

seien stellvertretend dafür genannt. Zudem trägt die wachsende öffentliche

Aufmerksamkeit in Wirtschaftsfragen erheblich dazu bei, dass in den

Führungsetagen auch von Unternehmen ein schärferer Wind weht.

Offene Türen in der Politik

9

Mehr und mehr sind Unternehmen dazu gezwungen, ihre Kommunikation politischer

und kampagnenorientierter zu gestalten. Die Wirtschaft kann und wird von der Politik

lernen müssen, sich die strategische politische Kommunikation zunutze zu machen.

Die eigenen Interessen im politischen Raum zur richtigen Zeit, den richtigen

Personen, in der richtigen Form und mit den richtigen Argumenten zu vermitteln,

setzt ein hohes Maß an Erfahrung und Know-how voraus. Dazu gehören Kenntnisse

über politische Denkmuster und Entscheidungswege, über administrative Abläufe,

über den Einfluss relevanter Nichtregierungsorganisationen sowie über Erwartungen

und Arbeitsweisen politischer Journalisten.

Unternehmen können dieses politische Know-how selbst aufbauen oder sich von

einer Public Affairs-Agentur beraten lassen. Wie auch immer sie diese

organisatorische Frage für sich klären: Strategisch operierende Public Affairs trifft auf

offene Türen. In einer Befragung, die Emnid im Auftrag von Kohtes Klewes im

Sommer 2000 unter Meinungsführern in Politik, Verwaltung, Medien und Wirtschaft

durchführte, gab die überwältigende Mehrheit der Befragten (über 90 Prozent) an,

dass sie einen sehr intensiven Informationsaustausch zwischen Politik und Wirtschaft

für geboten halten. Die politische Szene in Deutschland hat also erkannt, dass der

Dialog mit Unternehmen, Verbänden und sonstigen Interessensvertretern hilft,

Entscheidungen zu treffen, die von der Gesellschaft akzeptiert werden.

Was dieses Buch will

Wenn von Public Affairs die Rede ist, schwingt nicht selten Argwohn mit, ist gar von

„Einflüsterern“ und dunklen Mächten die Rede. In gewissem Maße ist das

verständlich. Schließlich liegt Public Affairs – und dabei insbesondere alle Formen

des direkten und indirekten Lobbyings – im intermediären Bereich zwischen Politik

und Wirtschaft. Public Affairs ist immer eine Gratwanderung zwischen Transparenz

und Diskretion. Die richtige Mischung entscheidet hier über Erfolg und Einfluss.

10

Das Buch will Licht ins Dickicht der Begriffe und Definitionen rund um die neue

Kommunikationsdisziplin Public Affairs bringen. Denn nicht immer, wenn von Public

Affairs die Rede ist, wird es auch so benannt. Eine verbindliche Begriffsbestimmung

hat es im deutschsprachigen Raum bislang noch nicht gegeben. Begriffe wie

Politikkommunikation, Governmental Relations, Public Policy oder auch External

Affairs werden oft gleichermaßen zur Beschreibung von Public-Affairs-Aufgaben

benutzt.

Das Buch ist anwendungsorientiert geschrieben und beleuchtet das gesamte

Spektrum der Public Affairs. Es beschreibt die Aufgaben von Public Affairs, erläutert

die sich wandelnden Rahmenbedingungen von politischem Interessenmanagement

und stellt die elementaren kommunikativen Instrumente der Public Affairs vor:

Politisches Monitoring, Early Warning System, Politisches Audit, Analyse,

Strategieentwicklung, Lobbying, Presse- und Medienarbeit sowie Krisen-PR. Und

schließlich wird das Zusammenspiel dieser Instrumente im Rahmen von komplexen

Public Affairs Kampagnen an Hand von praktischen Beispielen dargelegt.

Dieses Buch ist eine Teamarbeit. Dank gebührt daher den Expertinnen und Experten

von ECC Public Affairs, die am Buch mitgewirkt haben. Mit ihren Ideen, Erfahrungen

und konstruktiven Anstöße haben sie ganz wesentlich zum Gelingen beigetragen.

Besonderer Dank gilt zudem den zahlreichen Public Affairs-Praktikern in Politik und

Wirtschaft, die als Gesprächspartner zur Verfügung standen. Sie haben wertvolle

Hilfe und Anregungen gegeben, um die Vielfalt und Breite von Public Affairs

angemessen darstellen zu können. Dank gebührt auch Silke Goedereis, Julia Lutter,

Mortimer Treichel und Dr. Jörg Hackeschmidt für technischen Support. Und

schließlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Luchterhand Verlag zu

nennen, deren Unterstützung das Buch den letzten Schliff verdankt.

Berlin, den 1. März 2002

11

12

I. Public Affairs als Teil der Unternehmenskommunikation

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I. Public Affairs als Teil der Unternehmenskommunikation

#Motto#

Im digitalen Kapitalismus sind Informationsmanagement, Informationsqualität und

Informationsübertragungs-geschwindigkeit mitentscheidend für die

Wettbewerbsfähigkeit.

Peter Glotz, Kommunikationswissenschaftler

#Ende Motto#

1. Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft

Wissen ist Macht. Informationen sind die Basis von Wissen. Sie zu sammeln,

auszuwerten und anzuwenden wird heute gern als Wissensmanagement bezeichnet.

Entscheidet demnach in der Informationsgesellschaft die Qualität von

Wissensmanagement genauso über die Marktmacht von Unternehmen und ihre

Innovationsfähigkeit wie über die Innovationsfähigkeit von Politik und die Ausübung

politischer Herrschaft? Führungskräfte jedenfalls betonen immer wieder, wie wichtig

das Management von Wissen für den Erfolg ist. Allerdings klafft zwischen Anspruch

und Wirklichkeit eine große Lücke. In einer Untersuchung der Universität Hohenheim

bestätigen 80 Prozent der befragten Unternehmen, dass Wissensmanagement

Einfluss auf den Unternehmenswert hat, aber nur 30 Prozent gaben an, aktives

Management auf diesem Gebiet zu betreiben.1

#Marginalie1#

Wissensmanagement:

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Wissensmanagement ist der bewusste Umgang mit der Ressource Wissen und

deren zielgerichteter Einsatz im Unternehmen. Ziel ist die Entstehung eines

unternehmensinternen Wissensmarktes durch Maßnahmen der Personal- und

Organisationsentwicklung. Durch die systematische Beschaffung, Aufbereitung,

Verteilung und Anwendung von Wissen sollen eine höhere Entscheidungssicherheit

und ein Innovationsvorsprung für das jeweilige Unternehmen erlangt werden.

#Ende Marginalie 1#

Dieses Buch stellt eine spezifische Variante des Wissensmanagements in seiner

praktischen Relevanz vor: Public Affairs als Kommunikationsdienstleistung im Dialog

zwischen Politik und Gesellschaft. Dabei dreht es sich zunächst um die Frage, wie

die Nachfrage nach dieser neuen Kommunikationsdienstleistung überhaupt zustande

kommt. Davon handelt dieses Kapitel. In den sich anschließenden Abschnitten des

Buches werden dann die Instrumente beschrieben, mit denen Public Affairs seine

spezifischen Kommunikationsleistungen erbringt und in welcher Weise die

Spezialisierungen einer jungen Branche vorangebracht werden.

#Kapitel 1.1#

Von Informationen kann man kaum genug bekommen

Um die Nachfrageseite der Kommunikationsdienstleistung Public Affairs zu

beschreiben, lässt sich auf das Wissensbedürfnis und Wissensmanagement von

Unternehmen, Verbänden oder anderen gesellschaftlich aktiven Akteuren

zurückgreifen. Eigentlich kann ein Unternehmen hinsichtlich seiner Markt- und

Geschäftsbeziehungen gar nicht genug Informationen bekommen. Wo sind die

besten Standortbedingungen? Wie werden die Produktionsverfahren besser?

Welche Steuergesetze, Einfuhrgesetze, Verbrauchergesetze etc. gelten, wenn ich

1 Vgl. FAZ Nr. 35 v. 11.02.2002: Wissensmanagement wird viel diskutiert und wenig praktiziert.

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meine Produkte im Ausland verkaufen, produzieren oder verschenken will? Was

muss wann, von wem unter welchen Bedingungen genehmigt werden? Produziert

eigentlich jemand vergleichbare Produkte besser oder günstiger? Ein

Informationsvorsprung kann leicht über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Jede

unternehmerische Entscheidung wird auf der Basis von Informationen getroffen.

Hinzu kommt, dass Unternehmen im Rahmen einer „Corporate Citizenship“ direkt als

Einflussgröße in der Gesellschaft aufgefasst werden.

Viele dieser unternehmensrelevanten Informationen betreffen die Beziehung

zwischen Unternehmen und den Institutionen des Staates. Verwaltungen bearbeiten

Anträge, Parlamente entscheiden über Steuern, Ministerien erlassen

Hygieneverordnungen oder Vorschriften über die Sicherheit am Arbeitsplatz. Und die

Zahl der Vorschriften wächst – trotz gegenteiliger Beteuerung der Politik – ständig.

So sorgt allein die Europäische Kommission in Brüssel dafür, dass an gesetzlichem

Regelungsbedarf kein Mangel herrscht, gleichzeitig verweben sich die politischen

Ebenen, mit denen man es im Einzelfall zu tun hat. Als Politikverflechtung

bezeichnen Politikwissenschaftler das Phänomen, dass Verwaltungen oder politische

Institutionen unterschiedlicher staatlicher Hierarchien gleichzeitig zuständig sind.2

Wer schon einmal staatliche Fördergelder beantragt hat oder darauf warten musste,

dass die für einen Auftrag notwendigen Genehmigungen vorliegen, weiß, wie viele

Kenntnisse über politische Institutionen und Prozesse notwendig sind, um sich im

bürokratischen Dickicht durchzuschlagen.

#Marginalie2#

Politikverflechtung:

Der Vollzug öffentlicher Aufgaben erfolgt in Deutschland überwiegend durch das

Zusammenwirken der unterschiedlichen föderalen Ebenen Stadt, Land und Bund.

Durch finanzielle, politische oder verwaltungsmäßige Parallelzuständigkeiten sind die

föderalen Instanzen gezwungen, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Dies führt

schnell zu politischen Blockaden oder Verzögerungen und konterkariert die im

Grundgesetz vorgesehene Aufgabenverteilung.

2 Rainer, Olaf: Politikverflechtung, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München 2001, S. 383-384.

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#Ende Marginalie2#

Von den Zielsetzungen der Gesetze und Verordnungen aus betrachtet, will es unsere

Gesellschaft aber oft auch gar nicht anders. Selbstverständlich sollen

Wettbewerbsnachteile gegenüber niederländischen oder französischen Speditionen

ausgeglichen werden. Die Herstellung von Chancengleichheit im europäischen

Binnenmarkt ist schließlich ein weithin akzeptiertes Ziel. Die meisten Verbraucher

halten es für ihr gutes Recht zu erfahren, wann Konservierungsstoffe in

Lebensmitteln enthalten sind, was in der Wurst ist und unter welchen

Arbeitsbedingungen Teppiche handgeknüpft wurden.

Der gesetzliche Regelungsbedarf ist groß, und er wird ständig größer. Daran sind

nicht zuletzt wieder die Informationen schuld. Mehr Informationen über

Produktionsmethoden in der Landwirtschaft wecken das Bedürfnis nach mehr

Tierschutz, nach mehr Lebensmittelsicherheit, nach mehr Umweltschutz, nach mehr

oder weniger oder anderen Subventionen, nach neuen europäischen Gesetzen, nach

Abschaffung alter nationaler Gesetze, nach Bewahrung traditioneller und

landschaftlich einmaliger Produktionsverfahren. Informationen und deren

Management führen zur stetigen Differenzierung politischer und wirtschaftlicher

Interessen, die wiederum die Gesetzgeber auf den Plan rufen, das gestörte

Gleichgewicht politischer, wirtschaftlicher, sozialer, ethnischer oder kultureller

Gerechtigkeit wieder herzustellen. Einseitige Schuldzuweisungen an die Politiker, die

Medien oder unser politisches System sind da fehl am Platz. Die vielfältig

gebrochenen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interessen, die Symptome

der Politikverdrossenheit und ein zuweilen widersprüchliches kollektives

Gerechtigkeitsempfinden sorgen dafür, dass unser politisches System

„Steuerungsprobleme“ hat.3

#Marginalie 3#

Steuerungsprobleme:

3 Walter, Franz/Dürr, Tobias: Die Heimatlosigkeit der Macht. Wie die Politik in Deutschland ihren Boden verlor, Berlin 2000, bes. S. 7 ff. u. S. 313ff.

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Als Steuerungsprobleme bezeichnen Politikwissenschaft und politische Soziologie

das Versagen oder das Fehlen von politischen Verfahren und Strukturen, die für

einen selbstregulativen Prozess zwischen den Akteuren des politischen Systems

sorgen. Steuerungsprobleme können auf Dauerkonflikte und Reformblockaden oder

Verfassungskonflikte hinweisen. Der Begriff stammt aus dem Kontext der

Systemtheorie.

#Ende Marginalie 3#

In der Vielfalt der artikulierten Interessen gilt es nun, das eigene

Wissensmanagement so zu verbessern, dass entweder Einfluss auf die

Wirkungsweise von Gesetzen möglich wird oder zumindest die Folgen von Politik

und Gesetzgebung frühzeitig abgeschätzt werden können. Public Affairs versucht

genau dies: Informationen so zu sammeln, zu verarbeiten und zu verteilen, dass

politische Entscheidungen in ihrer Wirkung auf das eigene Unternehmen oder die

eigene Situation möglichst positiv genutzt werden können. Lassen sich

Negativeffekte nicht vermeiden, so kann im Informationsvorsprung immer noch ein

entscheidender Wettbewerbsvorteil liegen.

2. Wissen und Politik: Das Politische System und der Fluss von Informationen

# Kapitel 2.1.#

Die weltweite Verflechtung erhöht die Komplexität

Es ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden, worin letztlich die Ursachen dafür liegen,

dass sich Wirtschaft und Politik unter den Bedingungen einer globalisierten Medien-

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und Informationsgesellschaft zusehends verändern. Die fortschreitende europäische

Integration und die zunehmende weltweite Verflechtung der Wirtschaft führen zu

einer steten Verlagerung von Entscheidungsprozessen: von der nationalen auf die

supranationale beziehungsweise internationale Ebene. Das macht Abläufe

intransparent, erhöht den Informations- und Kommunikationsbedarf und erweitert den

Kreis derjenigen, die auf Entscheidungen Einfluss nehmen können und wollen. Die

öffentlichen Kreditanstalten in Deutschland haben das erst jüngst in der

Auseinandersetzung mit der EU-Kommission um die sogenannte Anstaltslast und die

Gewährsträgerhaftung schmerzlich erfahren müssen. Wer sich in die politische

Arena begibt, tut daher gut daran seine Informationskanäle und

Kommunikationsformen den gewandelten Strukturen anzupassen.

#Kapitel 2.2.#

Speed kills – Informationen sind heute schneller als der Schall

Zusätzlich spielen die technischen Möglichkeiten der Übertragung, Vervielfältigung

und Verteilung von Informationen und Meinungen eine große Rolle. Heute sind

Informationen praktisch zeitgleich an fast jedem Ort der Erde verfügbar. Auch hier

spielen nationale Grenzen keine Rolle mehr. Die Nachricht aus den USA von

Todesfällen durch ein bestimmtes Arzneimittel eines deutschen Pharmakonzerns hat

unmittelbar Auswirkungen auf die internationalen Börsen, auf Arbeitsplätze in

Leverkusen und auf staatliche Gesundheitsbehörden rund um den Globus. Das zeigt:

Information und Kommunikation werden immer wichtiger für den wirtschaftlichen

Erfolg. Nicht von ungefähr bezeichnet der amerikanische Unternehmensberater

Peter F. Drucker daher Information als „Skelett“ jeden modernen Unternehmens.4

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#Kapitel 2.3#

Medien mischen immer mit

Hinzu kommen schließlich noch die Interessen der gesellschaftlich relevanten

Akteure, die sich der modernen Kommunikationstechniken bedienen. Mit Medien

lassen sich einerseits Informationen als Nachrichten oder Unterhaltung verkaufen.

So wird ein Gerücht schnell zum Ereignis, vom Ereignis zum Thema und vom Thema

zum Skandal. Andererseits sind Medien ein legitimer Transmissionsriemen für

berechtigte Interessen. Vor der Stellungnahme zum Gesetz steht die Stellungnahme

zum Entwurf, davor der Protest zum politischen Programm und am Anfang der

wöchentliche Umfragewert.

Die in unserer politischen Verfassung formal festgelegten Entscheidungswege – egal

ob turnusmäßige Wahlen oder Gesetzgebungsprozess – werden vielfach medial

gebrochen. Wir halten mehrheitlich an der Idee eines repräsentativen

demokratischen Systems fest und wissen doch, dass es längst diesen Urzustand

hinter sich gelassen hat.5 Dieser Widerspruch wird erträglich, wenn man hinzufügt,

dass bislang weitgehend offen ist, wie unser westliches demokratisches System

tiefgreifende Veränderung (z. B. plebiszitärer Elemente) überhaupt verkraften würde.

Bereits heute ist feststellbar, dass die veränderte Art der öffentlichen Debatte und

des politischen Dialogs den Politikerinnen und Politikern sukzessive ihre Legitimation

wieder entziehen kann, obwohl sie durch demokratische Wahlen erworben ist. Die

Medien lösen die „Zustimmung auf Zeit“ durch Protest oder Demoskopie in

Sachfragen wieder auf. Stattdessen wird mediengewandten Akteuren und durch die

öffentliche Meinung legitimierten Kommissionen (zum Beispiel dem „Bündnis für

Arbeit“) faktisch Entscheidungskompetenz zugesprochen. Legitimität diffundiert,

politische Autorität vagabundiert. Allein die Androhung einer politischen Quittung mit

4 Drucker, Peter F.: The Information Executives Truly Need, New York 1995. 5 Vgl. Meyer, Thomas: Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien, Frankfurt a. M. 2001;Sarcinelli, Ulrich (Hrsg): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft, Bonn 1998, S. 77ff.

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Blick auf die nächsten Wahl reicht häufig aus, um die politische Debatte aus dem

Parlament hinaus in die Medienlandschaft zu verlegen.6

# Kapitel 2.4#

Einmischung erwünscht – Politik braucht den Austausch

In der freiheitlichen Demokratie ist der Konsens keine feste Größe, sondern etwas,

das zu jedem Thema immer wieder neu herzustellen ist. Das geht nicht ohne Mühen,

Diskussionen, Streit und zuweilen auch Kampf ab. Daher haben sich entlang des

gesamten politischen Prozesses Formen politischer Intervention etabliert. Deren

Träger sind mannigfaltig. Angefangen bei den etablierten Interessenverbänden, den

Kirchen und politischen Medien haben Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen,

Net-Communities und schließlich auch professionell operierende

Kommunikationsagenturen und Politikberater zu den politischen Entscheidern und

Meinungsbildnern aufgeschlossen.

Angesichts der immer komplexer werdenden gesellschaftspolitischen

Herausforderungen – wie Genforschung, Massenarbeitslosigkeit, Integration und

Klimaveränderung – kann nicht erwartet werden, dass Politikerinnen und Politiker in

der Lage sind, vor Entscheidungen in Parlament oder Regierung per se über alle

notwendigen Informationen – und deren Interpretationen – zu verfügen. Kein

Parlament und keine Regierung besitzt heutzutage das notwendige

Steuerungswissen, um aus sich heraus adäquat zu handeln. Von einem

Wissensvorsprung kann erst recht keine Rede sein. Kanzleramtsminister Frank

Walter Steinmeier erklärt diesen Sachverhalt mit einem Beispiel: „Das Maß an

Sachverstand, das Sie brauchen, um in der Biotechnologie einen Sachverhalt zu

beschreiben, für den Sie Lösungen suchen, können die Ministerien gar nicht

6 Vgl. Frey, Rainer/Manthey, Dirk: Kommunikative Vernetzung und politische Steuerung. Politik und Verwaltung in der Kommunikationsrevolution, In: Stolorz, Christian/Göhner, Reinhard (Hrsg.): Globalisierung und Informationsgesellschaft. Herausforderungen unserer Zeit, Münster 2000, S. 36-48.

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bereithalten. Und wenn sie ihn denn hätten, dann wäre er nach fünf Jahren veraltet

und müsste ausgemustert werden.“7

Was liegt also näher, als dass diejenigen, die ein Interesse daran haben, bestimmte

Informationen bei Entscheidungen berücksichtigt zu sehen, auch für deren

Weiterverbreitung sorgen? Auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Was spricht

dagegen, dass diejenigen, deren Aufgabe es ist, in Parlamenten, Regierungen und

Verwaltungen über Sachfragen zu entscheiden, sich vor ihrer Abstimmung so gut wie

möglich bei all jenen zu informieren, die von diesen Entscheidungen betroffen sind?8

In der Politik stößt man dabei auf offene Türen. Dialogangebote findet man überall,

sei es beim Bündnis für Arbeit, in der Initiative D 21, beim Nationalen Ethikrat oder im

Rahmen der zahllosen Fachgespräche und informellen Begegnungen, die laut einer

Befragung der 150 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands seit dem

Regierungsumzug nach Berlin spürbar zugenommen haben.9

#Abb.1: Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft #

Wie notwendig der permanente Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik

ist, belegt auch die immer kürzere „Verfallszeit“ von gesetzlichen Regelungen. Die

Dynamik der globalen Veränderungsprozesse führt dazu, dass juristische

Normierungen immer schneller überholt sind, ständig durch hektische

Änderungsgesetzgebung neu angepasst werden müssen und in der Konsequenz

vielfach nur noch als flexibler Zielkorridor oder auf der Basis von freiwilligen

Vereinbarungen definiert werden10. Und wenn man schon einmal dabei ist, vor jeder

gesetzlichen Regelungen darüber nachzudenken, inwieweit Betroffene bereit oder in

7 zitiert nach Grunenberg, Nina, Die Mächtigen schlau machen, in: DIE ZEIT Nr. 28, 5.7.2001, S. 6 8 In diese Richtung weisen auch die Reformbemühungen der etablierten Parteien, sich für die Mitarbeit von Nicht-Parteimitgliedern zu öffnen. Vgl. Machnig, Matthias: Organisation ist Politik – Politik ist Organisation. Moderne Pateistrukturen als Voraussetzung für strategische Mehrheitsfähigkeit. In: Forschungsjournal NSB, Nr. 14 (2001), S. 30-39. 9 Befragung von Plato Kommunikation vom September 2001 10 Siehe dazu auch Kapitel 4: Interessenvertretung in der Europäischen Union

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der Lage sind, selbst zum Vollzug des Gesetzes beizutragen, was liegt näher, als sie

permanent und frühzeitig an der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen zu beteiligen?

#Marginalie 4#

freiwillige Vereinbarungen:

Freiwillige Vereinbarungen erlangen als mögliches alternatives Instrument zur

aufwändigen und dirigistischen Rechtsetzung zunehmend Bedeutung. Unter

freiwilligen Vereinbarungen wird prinzipiell ein Mechanismus verstanden, in welchem

sich Unternehmen bereit erklären, Verpflichtungen über die gesetzlichen

Anforderungen hinaus einzugehen. Drei Ansätze lassen sich unterscheiden:

freiwillige Teilnahme an Programmen, verhandelte Vereinbarungen zwischen

Industrie und öffentlicher Hand sowie einseitige Absichtserklärungen.

#Ende Marginalie 4#

Die plausiblen Argumente für einen beständigen Dialog zwischen Unternehmen,

Organisationen, gesellschaftlichen Gruppen, fachlich hoch spezialisierten

Institutionen und der Politik ließen sich fortsetzen. Gemeinsam ist ihnen die

Erkenntnis, dass im globalen Informationsnetzwerk nur der strategische Einsatz von

Kommunikation hilft, nicht unter die Räder zu kommen. Die Menge der verbreiteten

Informationen und Interpretationen steigt exponentiell an. Auch deshalb ist

Wissensmanagement notwendiger denn je. Dies trifft Unternehmer gleichermaßen

wie Politiker, die einzelnen Bürger genauso wie Journalisten. Es kommt darauf an,

die richtigen Informationen aufzuspüren, sie richtig zu interpretieren.

#Textkasten#

Lob der Lobby

Immer noch hat die politische Interessenwahrnehmung durch Unternehmen oder

Agenturen in Deutschland den Ruch des Unanständigen. Immer noch halten Kritikern

Lobbyisten vor, sie nähmen des Staat als Beute. Sie irren sich: Denn erst dadurch,

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dass wiederstreitende Interessengruppen sich in den politischen Prozess mit

einbringen, kann letztlich so etwas wie das Allgemeinwohl entstehen.

Zudem wächst mit der Globalisierung die Komplexität der ökonomischen

Zusammenhänge. Doch die Parlamentarier rekrutieren sich in ihrer Mehrheit nach

wie vor aus wirtschaftsfremdenden Berufen. Deshalb brauchen Politiker gerade

heute auch den Input aus den Unternehmen als Grundlage für ihre Entscheidungen.

Die Tatsache, dass die Regierenden diesen Zusammenhang mehr und mehr

erkennen, ist die Chance der Agenturen – in Berlin und in Brüssel.

Quelle: Kommentar aus Horizont 44/2001, S. 33.

#Textkasten Ende#

3. Managementaufgabe Kommunikation: Public Affairs als strategischer Erfolgsfaktor

Jeder kann heute mitreden. Jeder sollte auch mitreden, um seine Interessen zu

wahren. Das gebietet schon, wenn man so will, die staatsbürgerliche Pflicht. Die

Medien machen, spätestens mit dem Internet, vieles möglich. Doch über den Erfolg

der Kommunikation entscheiden nicht zuletzt die richtige Analyse und die

angewandten kommunikativen Techniken.

Die Teilnahme am politischen Diskurs erfordert kommunikative Kompetenz.

Betrachtet man ein idealtypisches Kommunikationsmodell, so fallen darunter

Kenntnisse über das Medium, die Aussage, die Erwartungshaltung potenzieller

Empfänger und den externen Kontext der Kommunikationssituation.11 Die

Variationsmöglichkeiten sind größer, als man auf den ersten Blick vielleicht

annehmen möchte. Auch verschleiert ein solch abstraktes Modell zunächst die

11 Merten, Klaus: Wirkungen von Kommunikation. In: Ders./Schmidt, Siegfried J./Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien, Opladen 1994, S. 291-328, bes. S. 312, Abb. 5.

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Unterschiede zwischen Alltagskommunikation, einer Imagekampagne oder

politischen Kommunikation.

Erfolgreiche Public Affairs setzen zweierlei voraus: Erstens eine vorhandene oder

zumindest teilweise erreichbare Interessenidentität zwischen Politik und

Unternehmen (bzw. Institution) und zweitens politisches Vertrauen.12 Dabei agiert sie

zwischen Öffentlichkeit und Vertraulichkeit, Argumentation und Allianzenbildung. Sie

ist prinzipiell auf Konstanz angewiesen, auch wenn es heute eher noch die Regel ist,

dass Unternehmen die Notwendigkeit für Public Affairs erst erkennen, wenn es

Probleme gibt und die bisher eingesetzten Mittel des Marketings oder der Abteilung

für Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich nicht mehr ausreichen.

In der Regel bedeutet dies, dass das kommunikative politische Krisenmanagement

und die mühsame Reparatur von Image und Glaubwürdigkeit erheblich aufwendiger

ist als die frühzeitige Berücksichtigung von Public Affairs im strategischen

Management eines Unternehmens. Die Konsequenz kann deshalb nur sein, dass

Public Affairs grundsätzlich Bestandteil der Kommunikationsstrategie eines

Unternehmens oder einer Institution sein sollte. Prinzipiell geht es darum, rechtzeitig

diejenigen Informationen und Analysen bereitzustellen, die Fehlentwicklungen im

Unternehmen, beim Geschäftsmodell oder bei Produktinnovationen verhindern

helfen. Dies trifft auf politische Rahmensetzung und deren Entwicklung nicht weniger

zu als auf technische Grundentscheidungen bezüglich der Herstellungsverfahren von

Produkten.

#Marginalie 5#

Image:

Ein Image ist ein kollektives, fiktionales Vorstellungsbild über ein Objekt (Person,

Unternehmen, Ereignis), das sich in der Öffentlichkeit oder bei bestimmten

Zielgruppen durch kurzfristige Eindrücke, Erfahrungen und Informationen bildet und

in diffuser Form in der Öffentlichkeit bekannt ist. Einem Image liegen in der Regel

keine differenzierten, objektiven Urteile zugrunde, sondern es entsteht durch (sozial-

)psychologische Prozesse, die eine einfache Typologisierung, Verallgemeinerung,

12 Vgl. Heft 8/2001 der Zeitschrift brand eins mit dem Schwerpunkt-Thema Glaubwürdigkeit.

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Überbetonung einzelner Aspekte und deutliche positive oder negative Bewertungen

einschließen.

#Ende Marginalie 5#

Wie immer ist der Idealfall nicht die Regel. Und hier entsteht über den soeben

grundsätzlich erörterten Bedarf an politischer Kommunikation hinaus jene Nachfrage

an Public Affairs, die aus politisch-gesellschaftlichem Problemdruck resultiert. Dann

muss auf vorhandenes kommunikatives und politisches Know-how zurückgegriffen

werden, um bereits eingetretene Negativeffekte zu minimieren und alsdann zu

beginnen, Reputation bei Entscheidern und/oder in der Öffentlichkeit wieder neu

aufzubauen. Das ist gewöhnlich auch deshalb ein schmerzhafter Prozess, weil die

betroffenen Unternehmen erst lernen müssen, dass kontinuierliche Public Affairs-

Arbeit ihnen nicht nur ein kommunikatives Frühwarnsystem schafft, sondern auch

dazu beiträgt, die unternehmensinternen Managementprozesse fortlaufend

anzupassen. Und dies ist eine Erkenntnis, die in ruhigen Zeiten naturgemäß

schwerer fällt. Aber es heißt ja nicht umsonst: Wissen ist Macht.

#Marginalie 6#

Reputation:

Die Reputation eines Unternehmens ist Ergebnis seiner Leistungen in der

Vergangenheit und ihrer Perzeption. Als Ausdruck des Vertrauens der internen und

externen Stakeholder in die Problemlösungskompetenz des Unternehmens ist es ein

Indikator des Ansehens und der Erwartung zukünftiger Leistungen.

#Ende Marginalie 6#

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II. Begriffe und Definitionen

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II. Begriffe und Definitionen

#Motto#

Die politische Öffentlichkeit durchdringt mehr und mehr Bereiche unseres Lebens.

Keine Organisation kann sich ihr auf Dauer entziehen.

Horst Avenarius, Kommunikationswissenschaftler13

#Ende Motto#

1. Was ist Public Affairs?: Eine Disziplin wirft Fragen auf

Public Affairs ist in Deutschland eine noch junge Kommunikationsdisziplin. Sie hat

ihre Wurzeln in den Vereinigten Staaten und entwickelte sich dort bereits zu Beginn

der 50er Jahre als „Aufgabenfeld von Unternehmen mit dem Hauptziel, die

politischen Aktivitäten der Unternehmen zu aktivieren und zu intensivieren“.14

#Textkasten#

Die Entstehung von Public Affairs

Ursprung in den USA

#–# 1954: Gründung des „Public Affairs Council“ in Washington D.C.

13 Avenarius, Horst: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation, 2. überarb. Aufl. Darmstadt 2000, S. 295. 14Köppl, Peter: Public Affairs Management. Strategien und Taktiken erfolgreicher Unternehmenskommunikation. Wien 2000, S. 25

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Das „Public Affairs Council“ war ursprünglich als Gegenorganisation zu den

amerikanischen Gewerkschaften ins Leben gerufen worden. Diese hatten damals

einen großen Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinung. Die Hauptaufgabe

des „Public Affairs Council“ war die Schulung von Managern. Ziel der Arbeit war es,

diese mit Blick auf ein effizienteres politisches Engagement zu schulen.

– 1970 bis 1980: Enormes Wachstum der Branche in den USA

Die Zahl der Mitglieder im Public Affairs Council verdoppelt sich; die Zahl der

sogenannten “Public Affairs Professionals“ verdreifacht sich sogar.

– Ab 1980: Einbruch im Public Affairs Sektor

Vor dem Hintergrund einer Rezession und zahlreicher

Unternehmenszusammenschlüsse nimmt das Engagement auf dem Gebiet der

Public Affairs ab. Unternehmen konzentrieren sich zusehends auf ihr kommerzielles

Umwelt.

– Ab 1990: Public Affairs hat erneut einen sehr hohen Stellenwert

Public Affairs ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Kommunikationsarbeit

und hat bis heute einen sehr wichtigen Stellenwert. Da diese Disziplin in den USA

bereits seit Jahrzehnten betrieben wird, hat sich der Markt konsolidiert. Hohe

Wachstumsraten werden absehbar nicht erwartet.

Public Affairs in Deutschland und Europa

– 1991: European Public Relations Confederation CERP greift das Thema erstmals

auf und definiert:

Public Affairs sind die geplanten und festgelegten Bemühungen eines

Unternehmens, seine Rechte und Pflichten als Bürger eines Landes, einer Gemeinde

oder einer Gesellschaft auszuüben bzw. wahrzunehmen sowie die Bemühungen

eines Unternehmens, seine Mitarbeiter ebenfalls dazu zu ermutigen, ihre Rechte

auszuüben und ihre Pflichten wahrzunehmen.

Über große amerikanische PR-Agenturen hält die neue Kommunikationsdisziplin

auch in Europa und Deutschland Einzug und beginnt sich langsam zu etablieren.

Waren es zu Bonner Regierungszeiten noch überwiegend Verbände, die sich um die

29

um die Wahrung der Unternehmensinteressen im politischen Umfeld kümmerten,

wird professionelle Hilfe auf diesem Gebiet spätestens seit dem Umzug der

Regierung nach Berlin zusätzlich von einer Vielzahl an Public Affairs Agenturen und

freien Beratern angeboten. (Vgl. Im Vorzimmer der Macht wird es eng. In: W&V

3/2002, S.44ff.)

Für Public Affairs werden hohe Wachstumschancen prognostiziert.

#Ende Textkasten#

Während sich der Bereich in den USA seit langem etabliert hat, nimmt das

Bewusstsein für den Stellenwert von Public Affairs hierzulande erst seit Mitte der

90er Jahre kontinuierlich zu. Der Regierungsumzug von Bonn nach Berlin hat dazu

beigetragen, dass sich dieser Prozess beschleunigt.15

Eine allgemein gültige und klar abgegrenzte Definition von Public Affairs gibt es

bisher weder in der wissenschaftlichen Literatur noch in der Praxis. So existiert in der

Kommunikationsbranche und in der Öffentlichkeit eine Vielzahl verschiedener

Begriffe. Der Ausdruck Lobbying wird im allgemeinen Sprachgebrauch am häufigsten

mit Public Affairs gleichgesetzt. Aber auch andere gängige Termini wie zum Beispiel

Politische PR, Politikvermittlung, Politikkommunikation oder Politikberatung, Public

Policy, Government Relations, Issues Management und Governmental Affairs

werden in diesem Zusammenhang oft verwendet.

Die Begriffe meinen zum Teil das Gleiche, zum Teil haben sie jedoch sehr

verschiedene Bedeutung. Die Aufzählung zeigt, dass die Praxis von einem

babylonischen Sprachgewirr beherrscht ist. Auch was die inhaltliche Einordnung

betrifft, gibt es keine klare Vorstellung. In der Fachliteratur wird Public Affairs oft als

politischer Teil von Public Relations angesehen: „Public Affairs ist eine

zielgruppenspezifische PR-Arbeit.“16 Die Ansichten darüber, ob Public Affairs ein Teil

15 Vgl. Schulte-Döinghaus, Uli: Public Affairs à la carte. In: W&V 36/2000. 16 Avenarius, S. 290.

30

von Public Relations ist oder umgekehrt, bewegt die Gemüter in der

Kommunikationswelt.17 Klar ist jedoch, dass der Stellenwert dieser Disziplin –

nachdem sie im angelsächsischen Raum bereits seit langem Tradition hat – auch in

Deutschland deutlich zunehmen wird.

2. Public Affairs und Public Relations: Partner für den Erfolg

Wo aber liegt die Unterscheidung zwischen Public Affairs und Public Relations? Ist

Lobbying ein Teil von Politikkommunikation? Und ist Politikberatung immer auch

politische Kommunikation? Im Verhältnis zwischen Public Affairs und Public

Relations kann man zuweilen einen fast eifersüchtigen Wettbewerb beobachten. Es

ist noch nicht lange her, da wurde Public Affairs hierzulande bestenfalls als

Anhängsel von Public Relations gesehen. In den USA dagegen ist Public Affairs

aufgrund seiner strategischen Bedeutung der klassischen PR übergeordnet.

Hierarchische Rangeleien zwischen den Disziplinen führen aber nicht weiter. Public

Affairs und Public Relations haben unterschiedliche Aufgaben: „Public Affairs

Management betreibt die aktive und nachhaltige Involvierung eines Unternehmens in

die gesellschaftlichen und politischen Prozesse. Der PR obliegt die Darstellung der

Erfolge und des Selbstbildes.“18

3. Public Affairs ist mehr als Lobbying: Klärung der Begriffe

17 Vgl. Köppl, S. 23f. 18 Köppl Peter, Public Affairs Management, Wien 2000, S. 11

31

Auch wenn sich mittlerweile immer mehr Unternehmen, Agenturen, Organisationen

und Einzelpersonen in einer Domäne tummeln, die früher politischen Akteuren im

engeren Sinne vorbehalten war, führt der Wissensmangel dazu, dass diese

Kommunikationsdisziplin in Deutschland noch auf Ressentiments stößt.19 Public

Affairs hat „in der öffentlichen Meinung nicht selten das Image von geheimer

Verführung“20. Lobbying wurde häufig gar an die „Grenze zur Unmoral“21 verbannt.

Ziel dieses Kapitels ist es, die bestehenden Begriffe aus der Sicht der Praxis

voneinander zu unterscheiden und zu erklären. Darüber hinaus wird der Versuch

unternommen, den Begriff Public Affairs einzugrenzen und eine Definition

vorzustellen, die der wirtschaftlichen wie politischen Bedeutung und der praktischen

Umsetzung dieses Kommunikationsfeldes gerecht wird.

#Kapitel 3.1#

Politikkommunikation

häufig auch als Politische Kommunikation bezeichnet, beschreibt jedwede

Ausdrucksform an Kommunikation, deren Inhalt oder deren Zielgruppe politisch ist:

„Politikkommunikation ist Kommunikation der Politik, Kommunikation mit der Politik

und Kommunikation über Politik.“22 Das heißt, Kampagnen von Politik und Wirtschaft,

Publikationen und der direkte Dialog mit politischen Repräsentanten zählen ebenso

zur politischen Kommunikation wie die begleitende Pressearbeit, mit deren Hilfe

19 Vgl. Grunenberg, Nina: Die Mächtigen schlau machen. Einflüstern, steuern, manipulieren. In der Hauptstadt boomt das Geschäft der Besserwisser. In: Die Zeit. 05.07.2000 Nr. 28; Ries, Florian: Lobbyismus im Zeitalter der Globalisierung. In: PR-Guide, 06/2000; Mavridis, Thomas: Mehr als Event-Management und Theater. Politische Kommunikation in Deutschland: Hintergründe und Trends. In: PR-Guide, 05/2000. 20 Wiebusch, Dagmar: Politische Kommunikation. Gratwanderung zwischen Information und Inszenierung. In Forschungsjournals Neue Soziale Bewegungen, Heft 3, September 2000, S. 77. 21 Ries, PR-Guide, 06/2000. 22 Wiebusch, S. 76f.

32

Nachrichten die jeweils relevanten Zielgruppen erreichen. Politische Kommunikation

wird nicht nur von Parteien, sondern zunehmend von Unternehmen und Verbänden

genutzt, um den eigenen Interessen effektiv und gezielt im politischen

Meinungsbildungsprozess Gehör zu verschaffen. Sie gilt heute als maßgeblicher

Erfolgsfaktor für beide Seiten.

#Marginalie 7#

Kampagne:

Eine Kampagne ist eine kommunikative Initiative zur Erreichung bestimmter Ziele.

Ziel ist es, zu erwecken, Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Organisation,

Institution oder Firma aufzubauen und Zustimmung zu den eigenen Intentionen zu

erzeugen. Campaigning erscheint als eine geeignete Form, um komplexe Inhalte und

Intentionen gezielt an die Öffentlichkeit zu bringen.

#Ende Marginalie 7#

Stil, Inhalt und Form der Politikkommunikation haben sich in den vergangenen

Jahren stark gewandelt. Die verstärkte Ausrichtung entlang der Wirkmechanismen

der Medien hat eine neue Qualität der politischen Kommunikation zur Folge. In der

Mediengesellschaft, in der Nachrichten aus dem hintersten Winkel den Rezipienten

zeitnah über den Bildschirm erreichen, die Informationsflut zunimmt und das

Fernsehen dominiert, muss politische Kommunikation Schritt halten. Das bedeutet:

Vereinfachung komplizierter Sachverhalte, Formulierung von klaren Botschaften,

gezielte Verbindung von Themen mit Personen (Personalisierung) und die

Inszenierung von Inhalten.

#Marginalie 8#

Mediengesellschaft:

Mediengesellschaft (häufig auch weiter gefasst als Informationsgesellschaft)

charakterisiert den Typ von Gesellschaft, der auf die „postindustrielle Gesellschaft“

folgt. Maßgeblich ist die Entwicklung des Kommunikations- beziehungsweise

33

Mediensystems, das als gesellschaftlich relevantestes Teilsystem gekennzeichnet

wird.

#Ende Marginalie 8#

#Kapitel 3.2#

Politikberatung

beschreibt die inhaltliche, konzeptionelle sowie operative politische Beratung von

Vertretern der Politik einerseits sowie Unternehmen aus der Wirtschaft andererseits.

Angesichts einer immer komplexeren, vernetzten Welt brauchen beide Seiten

Orientierungswissen. Politisches Handeln erfordert zudem ständig neue

Überlegungen. Parteien, seien sie an der Regierung oder in der Opposition,

benötigen Berater, die sie im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen zum

Beispiel auf dem Gebiet der Gesundheits- oder Umweltpolitik unterstützen.

Unternehmen wiederum können politische Prozesse und Informationsvorsprünge für

den Wettbewerb nutzen. Dafür bedarf es jedoch einer umfassenden und fundierten

Kenntnis der politischen Strukturen.

#Marginalie 9#

Orientierungswissen:

Grundsätzlich werden zwei Arten von Wissen unterschieden. Faktenwissen orientiert

sich an empirisch überprüfbaren und damit verifizierbaren Behauptungen über

Sachverhalte. Orientierungswissen hingegen wird verstanden als die Fähigkeit,

Wissen in einen umfassenden Sinnzusammenhang einzubetten. Dazu zählen

insbesondere die Fähigkeit, Entwicklungen in Politik und Wirtschaft historisch und

normativ in die größeren Zusammenhänge einzuordnen, sowie die Fähigkeit, den

34

Beitrag unterschiedlicher Ansätze zur Erklärung faktischer Prozesse und Trends zu

kennen.

#Ende Marginalie 9#

In Deutschland wird Politikberatung traditionell seit langem von den Verbänden

geleistet. Allerdings vollzieht sich hier ein Wandel, denn Firmen suchen zunehmend

auch beraterische Unterstützung, um ihre Partikularinteressen gegenüber der Politik

professionell vertreten zu lassen. Für die Herausforderungen, mit denen sich ein

Wirtschaftsunternehmen konfrontiert sieht, werden jeweils individuelle Strategien und

Lösungsansätze entwickelt und realisiert. Der Dialog zwischen Politik und Wirtschaft

ist dabei von zentraler Bedeutung.

Die Bandbreite des Beratungsangebotes ist groß23: Bundesministerien und

Regierung werden von wissenschaftlichen Beiräten beraten. Oft werden für einen

begrenzten Zeitraum auch Fachkommissionen gebildet, wie etwa der im Mai 2001

von der Bundesregierung berufene Nationale Ethikrat. Auf parlamentarischer Ebene

führen Bundestagsausschüsse themenbezogen jeweils

Sachverständigenanhörungen durch, um sich umfassend und fachlich kompetent

beraten zu lassen.

Daneben spielen auch sogenannte Think Tanks eine ernstzunehmende Rolle in der

Politikberatung.24 Diese privat oder öffentlich finanzierten praxisorientierenten

Forschungsinstitute haben ihren Ursprung in den USA. Zu ihren Aufgaben zählt unter

anderem, „die Prozesse der öffentlichen Themensetzung und der politischen

Entscheidungsvorbereitung beratend mitzugestalten“25. In Deutschland gibt es rund

130 Think Tanks.

#Marginalie 10#

Think Tanks:

„Think Tanks“oder „Denkfabriken“ bezeichnen interdisziplinäre Forschungs- und

Beratungsinstitutionen aus Wissenschaftlern und Praktikern, deren Aufgabe darin

23 Vgl. Thunert, Martin: www.magazin-deutschland.de/content/archiv/archiv-ger/00-03/art3.html: Think Tanks in Deutschland. Beratung für die Politik. 23. November 2001. 24 Vgl. www.derriere.de/National/ThinkTankd.htm: Think Tanks – Herkunft, Hintergrund und Rolle der Politikberatungsagenturen. 07.10.01.

35

besteht, in einem bestimmten Fachgebiet Wissen anzusammeln, Ideen zu

entwickeln, auszuarbeiten und nach außen zu tragen. Ziel ist vor allem die

Entscheidungsvorbereitung für Politiker in politisch und gesellschaftlich brisanten

Themenbereichen. Im Gegensatz zu den USA sind sie in Deutschland in der Regel

nicht privatwirtschaftlich organisiert, sondern an Verbände, Stiftungen oder

Interessengruppen angeschlossen.

#Ende Marginalie 10#

#Kapitel 3.3#

Government Relations

ist – ähnlich wie Governmental Affairs oder Public Policy - eine

Funktionsbezeichnung. Der Begriff kann als „Beziehungspflege zu

Regierungseinrichtungen auf lokaler, regionaler, überregionaler und internationaler

Ebene“26 definiert werden. Während in den USA auch Institutionen wie z.B.

Universitäten oder Schulen Abteilungen für Goverment Relations unterhalten, bezieht

sich der Ausdruck in Deutschland insbesondere auf diejenigen Abteilungen in

Unternehmen, die sich mit dem Aufbau und der Pflege von Kontakten in die Politik

beschäftigen. Noch sind es hauptsächlich große, international agierende Konzerne,

die auf diese Weise ihre Politikkontakte durch entsprechende Stäbe pflegen.

Mittelfristig wird sich jedoch auch hierzulande zunehmend die Erkenntnis

durchsetzen, dass eine reibungslos funktionierende Kommunikation in die Politik

hinein für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg essentiell ist. Denn auch für

Deutschland gilt: „Business must participate in politics, because there are too many

25 Vgl. Thunert. 26 Köppl, S. 28

36

issues of too great importance to a business that government must and will act

upon.“27

#Kapitel 3.4#

Issues Management

auch als Agenda Setting bezeichnet, zählt zu den wichtigsten Instrumenten von

Public Affairs. Der Fachbegriff meint die aktive Steuerung von gesellschaftlichen,

sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Themen. Issues sind demnach Themen

des öffentlichen Interesses oder auch öffentliche Anliegen. Dazu zählt die

Gentechnologie-Thematik genauso wie die Ökosteuer oder der Verbraucherschutz.

Diese Themen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie ein beträchtliches

Konfliktpotential besitzen und außerdem hoch komplex sind.

Das Issues Management dient dazu, die für ein Unternehmen oder eine Organisation

politisch relevanten Themen frühzeitig zu identifizieren und im Rahmen von

strategischer Kommunikation besser zu kontrollieren. Dazu bedarf es der genauen

und umfassenden Beobachtung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und

politischen Umfelds des Unternehmens. Dies geschieht unter anderem durch das

systematische Verfolgen der öffentlichen Meinung und der Medien. Viel wichtiger ist

in der Regel allerdings die Identifikation derjenigen Themen, die noch nicht in die

breite Öffentlichkeit vorgedrungen sind, sondern zunächst nur von kleinen Gruppen

erkannt und diskutiert werden. Nicht-öffentliche Meinungen, Trends oder Signale

können nur durch persönliche Kontakte geortet werden.

Diese erste Phase, in der problematische Themen und Krisenpotentiale nur schwach

sichtbar sind, eignet sich idealtypisch am besten für die Entwicklung langfristiger

Strategien zur Steuerung des Issues. Wird ein Thema dagegen erst dann als

27 Mahon, John F./McGowan, Richard A.: Industry as a Player in the Political and Social Arena. Defining the Competitive

37

relevant erkannt, wenn es bereits Einzug ins öffentliche Bewusstsein oder gar in die

politische Auseinandersetzung gehalten hat, wird es zunehmend schwieriger, die

Debatte im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen. „Manchmal liegen Jahre

zwischen dem ersten Aufflackern eines Problems und einer letztendlich unter

öffentlichem Druck eilig gefassten Gesetzesinitiative. (...) Je mehr Individuen und

Organisationen im Laufe der Zeit an einem Meinungsbildungsprozess beteiligt sind,

desto mehr gewinnt die ursprüngliche Problematik an Komplexität.“28

Wie die nachfolgende Grafik zeigt, lässt sich der Issues Management Prozess in

sechs Schritte gliedern:

#Abbildung 2: Verlaufsmodell Issues Management#

1. Identifizierung der Issues: In der ersten Phase geht es darum, ein für ein

Unternehmen relevantes Thema zu identifizieren. Dazu müssen Medien beobachtet,

Expertenmeinungen eingeholt und Gespräche mit Vertretern von Parteien,

Ministerien und Verbänden geführt werden.

2. Issues Analyse: In einem zweiten Schritt müssen die Themen, die sich als wichtig

herausgestellt haben, genau analysiert werden. Es geht darum, die Dringlichkeit

eines Themas abzuschätzen: Wie schnell wird es sich ausbreiten? Wie hoch ist die

politische Relevanz? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Thema in Politik

und Öffentlichkeit überhaupt eine erhöhte Aufmerksamkeit erreicht? Ob ein Issue

relevant ist oder nicht, hängt zudem stark davon ab, welche Auswirkungen es

möglicherweise auf die Ziele und die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens

hat.

3. Politisches Audit: Sind diese Fragen geklärt, geht es darum, mit der Hilfe von

Experten, wie z.B. Vertretern von Interessenverbänden oder wissenschaftlichen

Environment, Westport 1996, S. 29.

38

Institutionen zu eruieren, wie sich der für das Unternehmen relevante Markt

entwickeln wird, ob das Thema grundsätzlich eine Chance hat, im Sinne des

Unternehmens erfolgreich gesteuert zu werden und welche Möglichkeiten dafür in

Betracht gezogen werden können.

4. Entwicklung einer Public Affairs-Strategie: Unter Berücksichtigung der in den

ersten drei Schritten gewonnenen Erkenntnisse, kann jetzt eine Strategie entwickelt

werden, mit der das Thema im Hinblick auf politische Entscheidungs- oder

Gesetzgebungsprozesse, Imagebildung oder auch mögliche Krisenherde in Sinne

des Unternehmens begleitet und gesteuert wird. Public Affairs Strategien zielen in

der Regel auf mittel- und langfristige Erfolge. Im Laufe eines solchen Prozesse wird

sich die Ausgangslage verändern, weil zum Beispiel wissenschaftliche Erkenntnisse

eine Problematik neu beleuchten oder weil durch einen Regierungswechsel bedingt

andere Personen die politische Bühne betreten und neue Argumente in den

Diskussionsprozess einbringen. Die Strategie muss deshalb kontinuierlich an

veränderte Rahmenbedingungen und die jeweils aktuelle Sachlage angepasst

werden.

5. Umsetzung: Die Instrumente für die Umsetzung der in der Strategie festgelegten

Maßnahmen orientieren sich an den Zielen des Kunden, der Wirksamkeit bezogen

auf die Entscheider und an den Optionen zur Steuerung des Themas. Entscheidend

ist, ob ein Thema offensiv oder zurückhaltend kommuniziert werden muss.

6. Grundsätzlich steht das gesamte Kommunikationsinstrumentarium zur Verfügung:

„Vom parlamentarischen Abend bis zum Einzelgespräch, von der

Unternehmenspräsentation bis zum Gutachten – das alles sind Instrumente von

Public Affairs.“29 Darüber hinaus findet auch die klassische PR mit

Pressemitteilungen, Veröffentlichungen in der Tages- und Fachpresse oder

Zeitungsanzeigen ihren Einsatz. Die gezielte Nutzung aller verfügbaren Instrumente

dient dazu, den Dialog und Austausch zwischen dem Unternehmen und den

beteiligten Akteuren in Politik und Öffentlichkeit konstruktiv zu fördern.

28 Jahn, Nico-Alexander/Brockhöfer, Peer: Issue Management als Public Affairs Tool. In: PR Report, 28.09.01, S. 12ff. 29 Samland, Detlev: Wo sich beim Lobbying die Spreu vom Weizen trennt. Interview mit Peer Brockhöfer in: PR Report, 28.09.01, S. 14

39

#Marginalie 11#

Parlamentarischer Abend:

Der Parlamentarische Abend ist eine mittlerweile fest etablierte Institution und dient

dazu, durch die Schaffung eines Gesprächs-Forums zwischen Unternehmen und

Verbänden einerseits und Parlamentsabgeordneten, Mitgliedern der Regierungen,

der Europäischen Kommission und den Spitzen aus Ministerialbürokratie und

Verwaltung andererseits, einen wechselseitigen Dialog zu initiieren.

#Ende Marginalie 11#

#Kapitel 3.5#

Lobbying

hat seine Wurzeln in der lateinischen Sprache und leitet sich ab von lobia, was so

viel heißt wie Vor- oder Wartehalle. In dieser Bedeutung hatte sich der Begriff

ursprünglich im britischen Unterhaus eingebürgert: In der Wandelhalle des

Parlaments trafen Wähler und Vertreter von Interessenverbänden mit den

Abgeordneten zu Gesprächen zusammen, um politische Kontakte zu pflegen und

ihre jeweiligen Interessen zu kommunizieren.

#Textkasten#

Lobby [engl. #einfügen Lautschrift, Satz vom Verlag gesetzt#], Vorhalle, Vorraum; Im parlamentarischen Sprachgebrauch die Wandelhalle im Parlament (ursprünglich

im britischen Unterhaus), wo die Abgeordneten mit Außenstehenden verhandeln

können. Daraus hat sich in den USA der Begriff des Lobbying (Lobbyismus)

40

entwickelt: Er bezeichnet die zuerst von den Wählern, dann von deren Vertretern,

heute bes. von Beauftragten (Lobbyisten) ganzer Interessengruppen vorgenommene

Beeinflussung der gesetzgebenden Volksvertreter. Vielfach setzt heute das Lobbying

schon ein, bevor das Parlament sich mit einem Gesetzentwurf beschäftigt, sei es,

dass die Lobbyisten Abgeordnete veranlassen, einen Gesetzentwurf bestimmten

Inhaltes im Parlament einzubringen oder dass sie auf die mit der Ausarbeitung eines

Gesetzentwurfs beschäftigen Ministerien Einfluss nehmen.

Quelle: Brockhaus Lexikon, Band 11, dtv, Mannheim und München, Band 11, 1999,

S. 89.

#Ende Textkasten#

Während das Lobbying in den USA von Unternehmen und Institutionen ganz

selbstverständlich genutzt wird, um politische Entscheidungen zu beeinflussen, ist

der Begriff in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung häufig noch negativ

besetzt. Das liegt zum einen an der Unkenntnis darüber, was sich hinter den

Aktivitäten der Lobbyisten genau verbirgt. Zum anderen gibt es auch hier – wie in

allen anderen Wirtschaftsfeldern auch – „schwarze Schafe“, die mit zwielichtigen

oder illegalen Handlungen politische Beratung in Verruf bringen. Aber hier gilt:

Korruption wird früher oder später fast immer aufgedeckt und ist daher untauglich,

Einfluss auf Dauer zu sichern.

Lobbying ist keine Geheimwissenschaft, sondern ein legitimes Instrument von Public

Affairs. Dabei geht es darum, eigene Interessen frühzeitig zu artikulieren, um so

einen Diskurs zwischen den Entscheider- und Unternehmenspositionen zu

entwickeln. Ziel des Lobbying ist es, auf den relevanten politischen Ebenen

Zusammenhänge sichtbar zu machen, den Gesprächspartnern auf der Basis von

seriösen Informationen Probleme und Handlungszwänge zu erläutern, damit

schließlich sachgerechte Entscheidungen gefällt werden können. Die Politik ist an

einem solchen effizienten Informationsaustausch grundsätzlich interessiert, weil die

Komplexität von Inhalten zugenommen hat und zudem nur wenige Politiker über

wirtschaftliche Erfahrungen verfügen, die es ihnen ermöglichen würde,

41

einzuschätzen, ob sich ein politischer Plan am Ende auch realisieren lässt. Laut einer

Studie von BASF und Emnid halten es 87 Prozent der befragten Politiker für nützlich

oder sehr nützlich, im Vorfeld von Gesetzesentwürfen mit Fachinformationen

versorgt zu werden. 89 Prozent begrüßen zugleich das Bewerten der Auswirkungen

von neuen Gesetzen durch die Wirtschaft.30

Das Maß an Sachverstand, das benötigt würde, um beispielsweise in der

Biotechnologie einen Sachverhalt zu beschreiben und Lösungen dafür zu suchen,

kann in den Ministerien nicht vorgehalten werden.31 „Weil Wirtschaftsverbände und

ihre Lobbyisten in vielgestaltiger Weise bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben

mitwirken, entlasten sie gleichzeitig den Staat personell und finanziell: ‚Sachverstand‘

und ‚Vermittlung‘ sind für den Staat Leistungen, die (...) kostenfrei zur Verfügung

gestellt werden.“32 Dabei sind Vertrauen und Fingerspitzengefühl gefragt.

4. Public Affairs: Dach für strategische Kommunikation

Public Affairs ist für europäische Verhältnisse eine junge Disziplin. Die European

Public Relations Confederation (CERP) hat sich erstmals vor gut einem Jahrzehnt

mit Public Affairs befasst und das Arbeitsfeld wie folgt umschrieben:

„Public Affairs sind von einem Unternehmen getroffene Maßnamen, um die

folgenden Ziele zu erreichen:

a) eine Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen Klimas durch die

Beeinflussung von Regierungen, Meinungsbildnern und der breiten Öffentlichkeit.

30 Vgl. Politiker wünschen angeblich den Rat der Unternehmen. BASF und Emnid legen die erste Firmen-Studie zum Verhältnis von Wirtschaft und Bundespolitik vor. In: FAZ, 6.09.00, S. 30. 31 Vgl. Grunenberg. 32 Nickel, Ulrike: Lobbying – der Einfluss der Interessen. In: Schulze-Fürstenow, Günther/Martini, Bernd-Jürgen (Hrsg.): Handbuch PR. Öffentlichkeitsarbeit in Wirtschaft, Verbänden, Behörden. Neuwied 1998, Abschnitt 1.822, S. 4.

42

b) eine Begrenzung der negativen Auswirkungen der Aktivitäten einer Regierung in

wirtschaftlichen und sozialgesellschaftlichen Angelegenheiten, die das Unternehmen

betreffen.“33

Diese Charakterisierung trifft den Kern. Public Affairs ist eine

Kommunikationsdisziplin, die aufgrund ihrer hohen wirtschaftlichen wie

gesellschaftlichen Relevanz als wichtige Managementaufgabe zu begreifen ist. In

einer Welt, in der politische Entscheidungen nicht nur für die Entwicklung eines

einzelnen Unternehmens, sondern ganzer Wirtschaftszweige ausschlaggebend sind,

wird Public Affairs eingesetzt, um den unternehmerischen Erfolg durch gezielte

Eingriffe nachhaltig zu sichern und Krisen zu vermeiden. Der politische,

wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck auf Unternehmen wächst und macht es

notwendig, sich einer komplexen und integrierten Kommunikationsdisziplin zu

bedienen, die den Anforderungen einer globalen Wirtschaftswelt gerecht wird.

Public Affairs ist aus Sicht der Praxis als eine übergeordnete

Kommunikationsaufgabe zu verstehen, die als Dachfunktion alle oben beschriebenen

Begriffe integriert. Sie setzt an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Politik und

Wirtschaft an und bezieht sich damit auf alle Aktivitäten eines Unternehmens oder

einer Institution, die dazu eingesetzt werden, um die eigenen Anliegen gegenüber

Regierungen, Ministerien, Parteien oder öffentlichen Ämtern auf regionaler,

nationaler oder internationaler Ebene zu vertreten. Public Affairs ist ein aktiver,

strategisch geplanter, dialogorientierter Prozess, in dessen Verlauf sachliche

Informationen in die jeweils notwendigen Bahnen gelenkt werden mit dem Ziel, die

jeweils spezifischen politischen Interessen nachhaltig zu vertreten und konstruktive

Lösungen für Problemstellungen zu erarbeiten.

Die Aufgabe von Public Affairs ist mit der der Public Relations nicht zu vergleichen.

Während die Hauptaufgabe von PR die systematische Information der jeweils für ein

Unternehmen relevanten Teilöffentlichkeiten ist, „um Vertrauen und Verständnis für

33 Zit. nach Köppl, Peter: Public Affairs Management, Wien 2000, S. 20.

43

das unternehmerische Handeln zu gewinnen bzw. auszubauen“34, erfordern die sich

ständig wandelnden Rahmenbedingungen von Wirtschaft und Politik die aktive

strategische Gestaltung des unternehmerischen Umfelds. Public Affairs ist damit eine

Managementaufgabe, die aufgrund der Sensibilität und Komplexität ihrer Thematik

auf der Vorstandsebene angesiedelt sein muss. Mittels integrierter

Kommunikationskonzepte gilt es, die unterschiedlichen internen wie externen

Ebenen, auf denen sich ein Unternehmen bewegt, intelligent miteinander zu

vernetzen.

Dass die Integration von Public Relations und Public Affairs der „Schlüssel für eine

effiziente Mitgestaltung der gesellschaftlichen und politischen Meinungsbildung“35 ist,

gilt heute als sicher. In Abhängigkeit von Aufgabe und den relevanten Zielgruppen

wie Medien, Interessengruppen, Politikern oder Fachleuten werden Public Affairs-

Instrumente mit denen der klassischen PR ergänzt.

34 Meffert, Heribert: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik. Wiesbaden, 1991, S. 36. 35 Dowling, James H., Präsident der internationalen Agenturkette Burson-Marsteller zitiert nach: Köppl, S. 25.

44

III. Rahmenbedingungen von Public Affairs

45

III. Rahmenbedingungen von Public Affairs

#Motto#

Viele in der Wirtschaft wissen nicht, wie Politik funktioniert. Viele in der Politik wissen

nicht, wie Wirtschaft funktioniert.

Heinrich Doppler, Repräsentant von ABB in Berlin36

#Ende Motto#

1. Die Wahlen fest im Blick: Legitimations- und Entscheidungsstrukturen der Politik

Das Wesen der Politik liegt im Kompromiss und im Konsens. Demokratische Politik

benötigt die hinreichende gesamtgesellschaftliche Legitimation ihrer Ergebnisse. Im

Klartext: Politik braucht Mehrheiten, die in Wahlen immer wieder neu gewonnen

werden müssen. Und Wahlen sind eigentlich zu jeder Zeit. Neben Bundestags-,

Landtags-, Kommunal- und Europawahlen sind zahllose innerparteiliche

Abstimmungen zu bestehen, um Mandate und Position zu erlangen oder

abzusichern. Daher gilt: Gegen den Strom zu schwimmen ist für einen Politiker

„sicher höchst verdienstlich, als tägliches Brot jedoch kaum empfehlenswert“, wie der

Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis 1964 schrieb37.

36 Zitiert nach: Pischke, Theo: Wissen ist Macht. In: Die Woche, 24. März 2000. 37 Hennis, Wilhelm: Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik, Aufsatz von 1964, Nachdruck in Berliner Republik 1/2002, S. 20 ff.

46

#Kapitel 1.1#

Politik ist Verhandlungssache

Demokratisch erworbene Macht beruht nur zu einem geringen Teil auf Sanktionen

und Gratifikationen. Sie erwächst vielmehr aus der „Durchsetzung von Parolen und

der Verbreitung von Überzeugungen“38. Politik ist Verhandlungssache. Das hat nichts

mit „Hick-Hack“ und „Interessensklüngel“ zu tun, sondern entspricht unserem

Verständnis von einer funktionierenden Demokratie, in der Ergebnisse im Rahmen

von offenen, transparenten Debatten und auf dem Verhandlungsweg erzielt werden.

Von zentraler Bedeutung ist die Tatsache, dass Meinungsbildungsprozesse in einer

demokratischen Gesellschaft vom Grundsatz her öffentlich sind und nicht zuletzt

auch vom Widerspruch leben. Auseinandersetzung und Disput gehören zu einer

demokratisch geführten Kommunikation. Politische Kommunikationsprozesse sind

daher von Natur aus störanfällig und in der Regel auch langwierig. Daher „hinkt“ die

Politik – egal in welchem Land und von welcher Partei verantwortet – dem

tatsächlichen Regelungsbedarf so oft hinterher. Hinzu kommt, dass der

Kompromisscharakter politischer Entscheidungen oftmals Eindeutigkeit und

Nachvollziehbarkeit vermissen lässt.

Auf Seiten der Wirtschaft stößt dieses kommunikative Grundprinzip selten auf

Gegenliebe. Im Gegenteil: Ungeduld und Unverständnis sind an der Tagesordnung.

Gewohnt, nach dem in der Wirtschaft üblichen „top-down“-Prinzip Entscheidungen in

kleinen Führungsstäben herbeizuführen und dann in klar strukturierten

Unternehmenshierarchien zügig umzusetzen, erwarten Manager und Unternehmer

ähnliche Vorgehensweisen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Sie

können nur enttäuscht werden.

47

#Kapitel 1.2#

Politik ist komplex ...

Denn politische Steuerung in dem Sinne, dass Politik Entwicklungen zentral plant

und umsetzt, ist Illusion. Wer sollte dabei auch das letzte Wort haben? Der

Bürgermeister einer Gemeinde, die sich durch die Genehmigung von

Freilandversuchen mit genetisch verändertem Saatgut eine Industrieansiedlung mit

vielen neuen Arbeitsplätzen verspricht? Der Ministerpräsident des entsprechenden

Bundeslandes, dessen Koalitionspartner kritisch gegenüber der grünen Gentechnik

ist und im Falle der Aussaat droht, die Koalition platzen zu lassen? Der

Bundeskanzler, der sich die Förderung neuer Technologien auf die Fahnen

geschrieben hat? Soll der Nationale Ethikrat mitreden? Und welchen Einfluss haben

die betroffenen Anwohner und die Unternehmen, die ohne Freilandversuche im

internationalen Wettbewerb zurückfallen?

Die Fragen ließen sich beliebig fortsetzen. Keiner, der aufgezählten Beteiligten, ist

einem der anderen weisungsbefugt. Machtworte haben daher keine große

Reichweite. Von Willy Brandt ist ein Satz überliefert, der das Dilemma plastisch

beschreibt: „Wenn man als Politiker auf den Tisch haut, läuft man Gefahr, dass

lediglich der Tisch beeindruckt ist.“ Mit anderen Worten: Man muss überzeugen, um

zu gewinnen.

#Kapitel 1.3#

.... und die Macht verflochten

38 Galbraith, John Kenneth, Anatomie der Macht, München 1987.

48

„Einfache Verhältnisse gibt es nur noch in einfach strukturierten, nicht in

pluralistischen Gesellschaften“, konstatiert Horst Avenarius39. Die föderale Struktur

Deutschlands sorgt in vielen Politikfeldern durch die Aufteilung von Kompetenzen

zwischen Bund und Ländern für eine hohes Maß an Verflechtung und Intransparenz.

Den Vogel schießt dabei zweifellos die Medienpolitik ab. Die Marktaufsicht ist

zwischen Bund (Telekommunikation) und Ländern (Rundfunk) geteilt und die

gesetzgeberische Rahmensetzung auf 14 Landesmedienanstalten, die Kommission

zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, die Kommission zur Ermittlung

des Finanzbedarf und die Rundfunkräte der Sendeanstalten zersplittert. Nicht nur

ausländische Investoren verlieren in diesem Dickicht schon mal den Überblick.

Internationalisierung und Globalisierung haben in den zurückliegenden Jahren ein

Übriges hinzugetan. Die stete Verlagerung von Entscheidungen auf die europäische

oder internationale Ebene haben zwar die Gestaltungsmöglichkeiten nationaler

Politik eingeschränkt. Die Zahl derjenigen, die auf die wirtschafts- und

gesellschaftspolitischen Rahmensetzung Einfluss nehmen, ist dadurch aber nicht

kleiner, sondern – im Gegenteil – größer geworden.

Um die gegenseitigen politischen Abhängigkeiten, die aus diesem unübersichtlichen

Netzwerk erwachsen, durchschauen und die vielschichtigen Abstimmungsprozesse

sicher begleiten zu können, braucht man mehr als ein dickes Telefon- und Notizbuch.

Erforderlich sind „politisches Know-how, die Beherrschung von

Kommunikationstechniken sowie Erfahrung im Umgang mit politischen

Entscheidungsträgern, Interessengruppen, Aktivisten und Wissenschaftler.“40 Aus

diesem Grund findet man unter den Public Affairs-Verantwortlichen in Unternehmen,

Organisationen und Agenturen auch viele ehemalige Mandatsträger und

Amtsinhaber sowie Parlaments- und Regierungsmitarbeiter. Sie bieten Gewähr

dafür, dass die kommunikative Kluft zwischen Politik und Wirtschaft überbrückt

39 Avenarius, S. 297. 40 KöppL, S. 25.

49

werden kann und die Anliegen und Interessen aus Unternehmen seriös und

professionell in den politischen Prozess eingebracht werden.

2. Berlin ist nicht Bonn: Deutschlands gewandelte Politiklandschaft

„Politik ist nur das, was prominent vor allem in den elektronischen Medien

stattfindet.“ Diesen Leitsatz definierte jüngst der Journalist Thomas Leif als

Basislektion für jeden Minister, Oppositionspolitiker, Parlamentarier und Lobbyisten

in der „Berliner Republik“.41 Die Entscheidung von 1991 für Berlin als Hauptstadt des

geeinten Deutschlands hatte nicht nur tiefgreifende Auswirkungen für die Menschen

in Berlin und Bonn. Der Bundestagsbeschluss war der Startschuss für eine

Veränderung, die mehr ist als die städtebauliche Erneuerung im Herzen von

Deutschlands Hauptstadt. Nicht von ungefähr titelte die Berliner Zeitung zehn Jahre

später im Juni 2001 zufrieden: „Alle Macht geht von Mitte aus“42. In der Tat ist es

gelungen, aus dem ehemals geteilten Stadtzentrum einen Regierungsbezirk wie aus

einem Guss entstehen zu lassen. Bundestag, Bundesrat, Kanzleramt,

Landesvertretungen, Parteizentralen und Botschaften befinden sich – gemessen an

den Verhältnissen einer Großstadt – in unmittelbarer Nähe zueinander.

Dem ehemaligen Regierungssitz Bonn wurde während dessen eine neue Rolle

zugewiesen: die einer internationalen UN-Stadt. Die Infrastruktur der ehemaligen

Hauptstadt erweist sich dabei als gute Grundlage, um als Gastgeber für

internationale Kongresse und Konferenzen der UNO aufzutreten. Zu den bereits

vorhandenen UN-Einrichtungen sollen weitere hinzu kommen, damit der Status eines

UN-Headquarters erreicht wird. Mit dem Rollenwandel der beiden Städte veränderte

41 Leif, Thomas: Macht ohne Verantwortung, Medien-Disput der Friedrich Ebert-Stiftung, November 2000. 42 Paul, Ulrich: Alle Macht geht von Mitte aus. Berliner Zeitung, 20. Juni 2001.

50

sich auch die politische, die journalistische und die Verbandslandschaft in der

Bundesrepublik Deutschland.

#Kapitel 2.1#

Im Sog des Regierungsumzugs

Der Regierungsumzug hat die – von den einen erhoffte, von den anderen befürchtete

– Sogwirkung nicht verfehlt. Obwohl alle Bundesministerien bis auf das Außenamt

und das Innenministerium noch Arbeitseinheiten am Rhein haben und sechs der

insgesamt dreizehn Ministerien laut Umzugsbeschluss des Deutschen Bundestags

ihren ersten Dienstsitz auf Dauer in Bonn beibehalten, zieht es immer mehr

Unternehmen, Verbände und Interessenvertreter dort hin, wo sich das neue

Machtzentrum des vereinten Deutschland heraus bildet: nach Berlin.

Im Gegensatz zu Bonn ist Berlin eine Stadt ohne wirtschaftlich florierendes Umfeld.

In Bonn wurden die Kontakte zur Politik von viele Unternehmen und Verbänden

direkt von ihren Firmensitzen aus gepflegt. Düsseldorf, Köln, Frankfurt oder auch

Dortmund lagen eben nur „ein Katzensprung“ vom ehemaligen Regierungssitz

entfernt. Das ist nun vorbei! Berlin liegt, wie Meinhard Miegel beim Regierungsumzug

polemisch formulierte, in „stillsten Winkel der Republik“43 und erledigt sich nicht im

Vorbeifahren. Wer in der neuen Hauptstadt präsent sein und seinen Einfluss geltend

machen will, muss vor Ort sein.

Dies hat dazu geführt, dass sich inzwischen deutlich mehr Interessenvertretungen,

Repräsentanzen und Politikberatungen in Berlin angesiedelt haben als jemals in

43 Miegel, Meinhard: Die neue Hauptstadt: Künftige Metropole oder nur politisches Raumschiff wie Bonn? In: DIE ZEIT, 36/1999, S. 11.

51

Bonn. Allein bei den Hauptstadtrepräsentanzen großer Unternehmen waren es bis

Ende 2001 bereits doppelt so viele wie früher in Bonn. Und weitere sind auf dem

Sprung an die Spree.

Seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre findet ein kontinuierlicher Zuzug von

Institutionen nach Berlin statt. Heute vertreten 120 Botschaften die Interessen ihrer

Länder in Berlin. Und nahezu alle wichtigen Interessensverbände wie der

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche

Gewerkschaftsbund (DGB), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK),

der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder Branchenvertretungen wie

der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der

Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sicherten sich in den besten Lagen

Grundstücke zum Bau ihrer Vertretungen. Zahlreiche kleinere Verbände folgten

ihnen an nicht minder prominente Plätze. Insgesamt wird die Zahl der in der

Hauptstadt ansässigen Verbände und Vereinigungen inzwischen auf zirka 400

geschätzt. Der Deutsche Bundestag zählt in seinem aktuellen Verzeichnis zur

Registrierung von Verbänden und ihren Vertretern derzeit rund 1.700

Interessenvertretungen und Lobbyisten auf.

#Kapitel 2.2#

Mediale Umbrüche

Mit dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin im Sommer 1999 waren auch

die Medien zur Stelle. Einen Steinwurf vom Reichstag entfernt bezogen die großen

öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten ihre Hauptstadtstudios. In den

Nebenstraßen etablierten sich kleinere Sender, Nachrichtenagenturen, Redaktionen

und Verlage. Die Bundespressekonferenz, der Zusammenschluss all derjenigen

52

Korrespondenten, die ständig über Bundespolitik berichten, zählt in Berlin gut 200

Mitglieder mehr als in Bonn. Die Zunahme resultiert aus der Tatsache, dass mehr

Anbieter denn je in den unterschiedlichen Mediensparten konkurrieren. Die Zahl der

Fernsehsender stieg seit 1984 von drei auf mittlerweile über 60. Im Printbereich

wuchs das Angebot seit 1990 um 54 Prozent auf über 850 Titel. Um den

Meinungsmarkt der Hauptstadt, einst in Bonn ganz unangefochten vom betulichen

Genaralanzeiger abgedeckt, ist in Berlin ein regelrechter „Zeitungskrieg“ entbrannt.

So demonstrieren die Medien in unterschiedlicher Weise die Machtansprüche der

vielzitierten „Vierten Gewalt“.

Ergänzt wird die Kombination aus Regierungsbezirk, Standort der Verbände und

Medienkonzentration durch die vielen noblen Firmenrepräsentanzen großer

nationaler und zahlreicher internationaler Unternehmen. Denn neben Brüssel ist

Berlin für internationale Organisationen und Unternehmen inzwischen der wichtigste

europäische Standort geworden.

3. Gestaltungsmacht organisierter Interessen: Verbände im Wandel

Die Bonner Republik der 50er Jahre schlug mit dem „Rheinischen Kapitalismus“ und

der Sozialen Marktwirtschaft einen damals neuen Weg der konsensualen

Interessenvermittlung ein, den man bis heute in keinem anderen Staat der Welt in

dieser Form antrifft. Von Anbeginn an hatten die Verbände dabei eine wichtige Rolle:

Sie trugen gleichermaßen zum Wiederaufbau der Bundesrepublik und zur Festigung

eben dieser Strukturen bei. Zum Beispiel die Unternehmerverbände: „Für eine

schnelle Reaktivierung der Industrie- und Handelskammern sprachen vor allem die

Interessen der Alliierten. Sie benötigten Unternehmerorganisationen, die im Rahmen

der fortdauernden Bewirtschaftungsmaßnahmen als Mittler zwischen

53

Besatzungsbehörden einerseits und dem einzelnen Betrieb andererseits dienen

konnten.“44

Es lag weder im Interesse der Verfassungsgründer der Bundesrepublik Deutschland

noch im Interesse der Alliierten, eine Marktwirtschaft nach amerikanischem Vorbild

zu installieren. Vielmehr wurde eine soziale Marktwirtschaft propagiert, in der die

Marktkräfte durch Kartellkontrolle, aktive Sozialpolitik und vorsichtig steuernde

Wirtschaftspolitik gebremst und abgefedert werden. Dabei sollten gerade die

Interessenverbände eine wichtige Rolle spielen, ob nun als Tarifparteien oder als

Sozialverbände. Ihren institutionelle Verankerung fand diese Auffassung nicht zuletzt

in der gesetzlich festgeschriebenen Tarifautonomie, durch die den Arbeitgeber- und

Arbeitnehmerverbänden in Deutschland eine besondere, gesellschaftlich

bedeutsame Aufgabe zufällt. Sie zählen daher bis heute zu den einflussreichsten

Interessenvertretungen.

Die Arbeit der Verbände stellt also im besten Sinne ein konstitutives Element in der

politischen und parlamentarischen Arbeit der Bundesrepublik dar. Entsprechend ihrer

Bedeutung regeln die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Teil I

(GGO I) und ihr Besonderer Teil (GGO II), dass Verbände, aber auch einzelne

Lobbyisten, in Ausschusssitzungen oder Anhörungen ihre Sichtweise und

Einschätzungen in den parlamentarischen Meinungs- und Willensbildungsprozess

einbringen können. Die Parlamentarier unterstrichen damit die Auffassung, dass

Interessensvertretungen und Verbände für ein demokratisches Gemeinwesen

unverzichtbar sind.

#Textkasten#

Exkurs: Theodor Eschenburg über die Herrschaft der Verbände

„Herrschaft der Verbände?“ war der Titel eines Buches von Theodor Eschenburg,

einem der herausragenden Politikwissenschaftler des 20. Jahrhunderts, das 1955

44 Ullmann, Hans-Peter: Interessenverbände in Deutschland. Frankfurt am Main, 1988, S. 238.

54

erschien und die Diskussion um die Rolle von Interessenverbänden in der

parlamentarischen Demokratie wesentlich beeinflusste.

In dem empirisch angelegten Buch reiht Eschenburg zahlreiche Begebenheiten auf,

in denen Interesseneinwirkungen von außen auf Politik und Verwaltung die Normen

der verfassungsmäßigen Praxis konterkarierten, und warnte vor Fehlentwicklungen.

„Wir haben einen traditionslosen Staat. Er muss sich erst wieder Respekt erwerben,

nämlich durch Parlament, Regierung und Verwaltung“, so Eschenburg. Er fürchtete

um die solide Verankerung des demokratischen Staatsaufbaus in der jungen

Bundesrepublik Deutschland, die ihre Spielregen und ihren Stil erst noch entwickeln

musste. So hatte Eschenburg gegen die Aktivitäten von Verbänden solange nichts

einzuwenden, wie sie nur ihre ureigensten Angelegenheiten vertraten, wohl aber,

„wenn sie selbst politisch für Ziele außerhalb ihres Interessenbereiches agieren“.

Eschenburgs Befürchtungen waren aus der Sicht jener Zeit nicht unberechtigt.

Damals musste sich das Gleichgewicht zwischen demokratisch legitimierten und

durch die Verfassung institutionalisierten Verfahren einerseits und

außerparlamentarischen Interessenvertretern andererseits erst ausbalancieren.

Eschenburgs Skepsis wird heute nicht mehr geteilt. Die moderne Politikwissenschaft

erkennt Interessenvertretungen als legitimen Teil eines demokratischen

Staatssystems an, und die Nützlichkeit von Verbänden zur Organisation von

Interessen steht außer Frage. Ob Unternehmer, Senioren, Umweltschützer,

evangelische Christen oder Autofahrer – sie alle haben ihre Fürsprecher in den rund

2.000 Bundesverbänden und fast 7.000 Berufsverbänden, die es in Deutschland

inzwischen gibt.

#Ende Textkasten#

#Kapitel 3.1#

Individualisierung macht auch vor Verbänden nicht Halt

55

Über die Jahre hat sich das Arbeitsumfeld der Verbände gewandelt. Ihre Zahl stieg

seit 1974 um sage und schreibe 140 Prozent an. Dennoch machen auch vor ihnen

Individualisierung und Pluralisierung nicht Halt. So wie den Kirchen, Parteien und

Gewerkschaften laufen auch den Verbänden die Mitglieder weg. Das hat vielfältige

Ursachen.

Waren Verbände in Bonn noch weitgehend exklusiver Ansprechpartner der Politik, so

müssen sie sich diese Rolle in Berlin immer häufiger mit anderen teilen. Die

steigende Komplexität der Fragestellungen auf der politischen Agenda berührt die

Arbeit der Verbände nachhaltig. Wenngleich es ihnen bei Grundsatzfragen wie

Zuwanderung oder Steuerreform auch heute noch vielfach gelingt, als „Stimme“ der

Wirtschaft zu agieren, so wird es in Einzelfragen immer schwerer, Themen

kompetent und mit einer Stimme zu vertreten. Bei komplizierten Gesetzesvorhaben

laufen die Interessen der Mitgliedsunternehmen längst nicht mehr immer in eine

Richtung. Zu beobachten war das in jüngster Zeit bei der Auseinandersetzung um

das Dosenpfand, wo Handel, international agierende Getränkeabfüller und

mittelständische Unternehmen wie Mineralbrunnen, Brauer und Winzer außer Stande

waren, eine gemeinsame Position zu formulieren und strategisch abgestimmt

gegenüber der Politik zu vertreten.

Als Folge dieser sinkenden Durchschlagskraft ist das Vertrauen der Unternehmer in

die lange Zeit allgemeingültige Einsicht geschwunden, wonach ein Verband die

gemeinsamen Interessen effizienter vertritt als ein einzelner Unternehmer selbst.

Wenn heute dennoch eine gemeinsame Haltung von Verbandsseite aus vertreten

wird, dann ist diese oft ein nur mühsam herbei geführter Kompromiss und damit

„notgedrungen wachsweich“, wie Stephan Jaeckel, ehemaliger Director Public Policy

bei Bertelsmann eCommerce, gegenüber der Wirtschaftswoche beispielhaft für Viele

bemängelt.45

#Textkasten#

56

Zufriedenheit schwindet – Ifo-Umfrage von 1997

In einer Befragung des ifo Institutes für Wirtschaftsforschung vom Juli 1997

antworteten 33 Prozent der befragten Unternehmer auf die Frage, ob sie sich von

ihren Wirtschaftsverbänden gut vertreten fühlten, mit „Nein“. Unterschieden nach der

Art der Wirtschaftsverbände antworteten im Hinblick auf die Fachverbände 33

Prozent mit „Nein“, auf die Arbeitgeberverbände 46 Prozent mit „Nein“ und im

Hinblick auf die Industrie- und Handelskammern 55 Prozent mit „Nein“. Auf die

Frage, ob es auf Bundesebene zu viele Spitzenverbände gebe, antworteten 80

Prozent mit „Ja“.

(Quelle: Burgmer, Inge-Maria: Die Zukunft der Wirtschaftsverbände, Bonn 1999, S.

21)

#Ende Textkasten#

4. Public Affairs Agenturen: Ein neuer Markt entsteht

Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Unternehmen und Organisationen

ihre Interessen – nicht nur, aber auch – direkt und ohne die Unterstützung eines

Verbandes kommunizieren. Wenn ein Thema ihre eigenen Interessen unmittelbar

berührt, beauftragen Unternehmen heute vielfach Beratungsgesellschaften, die sich

auf Public Affairs, politische Kommunikation und Lobbying spezialisiert haben.

„Partikularlobbying oder Interessenvertretung à la carte heißen die neuen

Zauberworte.“46

Verschiedentlich wird in Fachzeitschriften und Wirtschaftsmagazinen der Niedergang

der Verbände prognostiziert47. Diese Einschätzung ist überspitzt und unterschätzt die

Bedeutung, die Verbände nach wie vor für unser politisches System innehaben.

45 zit. nach Wirtschaftswoche, Nr. 38 vom 13.9.2001, S. 38 46 Burgmer, Inge-Maria: Die Zukunft der Wirtschaftsverbände. Bonn 1999, S. 87

57

Absehbar ist allerdings eine wachsende Konkurrenz für die Verbände durch

Agenturen und Politikberater, die sich auf Public Affairs spezialisiert haben.

Die großen Kommunikationsagenturen in Deutschland betrachten Public Affairs

inzwischen einhellig als Wachstumsfeld. Neben Großunternehmen und

Wirtschaftsverbänden werden in Zukunft auch mittelständische Unternehmen und

immer mehr öffentliche Auftraggeber und Nichtregierungsorganisationen Public-

Affairs-Dienstleistungen in Anspruch nehmen, um im Rahmen der immer stärkeren

kampagnenmäßigen Mobilisierung der öffentlichen Meinung auf Dauer mithalten zu

können. In den USA stellen letztere heute schon die Hauptgruppe der Public-Affairs-

Kunden dar.

5. Das 1x1 der Gesetzgebung: Rüstzeug für den politischen Alltag

Im Grunde genommen ist die Gesetzgebung nichts anderes als ein Bündel von

Kommunikationsregeln, die sicherstellen sollen, dass am Ende eine für alle

Teilnehmer verbindliche Entscheidung festgestellt werden kann. Dementsprechend

wichtig ist es, diese Regeln zu kennen und anwenden zu können, damit man sich am

politischen Prozess beteiligen kann. Es ist nicht nur von Interesse, zu verstehen aus

welchen sachlichen Gründen ein Gesetzgebungsverfahren in Gang kommt (z. B. die

Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes). Wichtig ist auch zu wissen, von wem

die Initiative für ein Gesetz ausgeht und warum zum jeweiligen Zeitpunkt. Die

Initiative für ein Gesetz kann nämlich entweder vom Parlament, vom Bundesrat oder

von der Bundesregierung ausgehen.

47 vgl. z. B. Wirtschaftswoche, Nr. 38, 13. September 2001, S. 37-39.

58

Die überwiegende Mehrzahl der Gesetzentwürfe wird von der Regierung in den

parlamentarischen Prozess eingebracht. Sie setzt mit ihrer parlamentarischen

Mehrheit im Bundestag und mit den Fachministerien die gesetzgeberischen Impulse.

Dies ist auf der Ebene der Landesgesetzgebung noch viel deutlicher als im Bund

spürbar.

#Kapitel 5.1#

Ein Gesetz entsteht

Gesetzentwürfe werden – wenn die Initiative von der Bundesregierung ausgeht – in

der Regel in den Fachabteilungen der Ministerien erarbeitet. Bereits in dieser ersten

Phase der Gesetzgebung ist externes Know-how gefragt. Häufig werden deshalb von

Seiten der Ministerien Anhörungen oder Runde Tische organisiert, um die Meinung

von Interessenverbänden und andere Sachverständigen zu einem

Gesetzesvorhaben einzuholen. Jenseits der Verbandsaktivitäten hängt es zu diesem

Zeitpunkt vor allem von der Initiative der von den geplanten Veränderungen

Betroffenen ab, ob die Ministerialbürokratie ihre Haltung kennt und diese im Idealfall

auch Gehör findet.

In dieser Phase sind viele Gesetzesvorhaben noch nicht öffentlich. Um dennoch

Informationen über die Pläne zu erhalten, sind die genaue Kenntnis des Politikfeldes

sowie regelmäßige Kontakte in die politischen Institutionen Voraussetzung.

Gesetzentwürfe aus dem Bundestag gehen in ihrer Mehrheit von der politischen

Opposition aus. Nicht selten stellen sie dann eine direkte Alternative zu einem

Gesetzentwurf der Bundesregierung dar und dienen mehr der politischen

Öffentlichkeitsarbeit, als dass sie auf tatsächliche Mehrheiten im Parlament zielten.

59

Auch Fraktionen veranstalten im Vorfeld eigener politischer Initiativen häufig

Expertenanhörungen oder lassen durch ihre Mitarbeiter Sachverhalte inhaltlich vor-

und aufbereiten.

Gesetzentwürfe des Bundesrates sind häufig mit Motiven unterlegt, die sich aus der

Verwaltungspraxis ergeben, denn die Bundesgesetze werden fast ausschließlich

durch die Verwaltungen der Länder und Kommunen ausgeführt. Hinzu treten

Finanzierungsfragen oder Konflikte, die sich aus der Kompetenzabgrenzung

zwischen Bund und Ländern ergeben. In der Praxis resultieren aus den Regelungen

des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung

sowie die Bundeskompetenz zur Rahmengesetzgebung vielfältige

Interessengegensätze zwischen den föderalen Instanzen. Eine besondere Qualität

besitzen die Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern, wenn eine

europäische Rahmenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll48.

Gesetzentwürfe der Bundesregierung werden vom federführenden Ministerium

zunächst zur internen Abstimmung an die anderen Ressorts gesandt. Im Anschluss

wird der Entwurf vom Kabinett mehrheitlich beschlossen und zunächst dem

Bundesrat zur Stellungnahme zugleitet. Vorlagen des Bundesrates gehen umgekehrt

zuerst an die Bundesregierung. Die Bundesregierung leitet dann die Vorlagen mit

den dazugehörigen Stellungnahmen weiter an den Bundestag, wo der Ältestenrat

den Zeitpunkt der ersten Lesung festlegt. Dieses Verfahren hat den Sinn, die Länder

von Anfang an in den Gesetzgebungsgang einzubeziehen und den Bundestag

rechtzeitig auf deren Einwände und Anregungen aufmerksam zu machen.

#Kapitel 5.2#

Vom Parlament in die Ausschüsse

48 vgl. dazu auch Kapitel IV Interessenvertretung in der Europäischen Union

60

Vor der ersten Lesung beschäftigen sich die Fraktionen der im Bundestag

vertretenen Parteien mit dem Gesetzentwurf. Auch hier wird arbeitsteilig gearbeitet,

d.h. in den Fraktionen nehmen zunächst die Facharbeitsgruppen eine erste

Bewertung vor. Es existieren verbindliche Fristregelungen, wann sich der Bundestag

nach Vorlage spätestens mit dem Gesetzentwurf zu befassen hat. Nach der ersten

Aussprache im Parlament wird das Gesetz dann für eine intensive Beratung den

zuständigen Fachausschüssen zugewiesen. Ein Fachausschuss des Bundestages

fungiert dabei als federführender Ausschuss, der die parallel erarbeiteten

Stellungnahmen abschließend mitberät und die Gesetzesvorlage mit oder ohne

Änderungsvorschlägen schließlich wieder dem Parlament zur 2. Lesung zuleitet.

Die Ausschussberatungen bieten zahlreiche Ansatzpunkte für Public Affairs-Arbeit.

Einerseits werden inhaltliche Argumente auf der Sachebene, zwischen den Ressorts,

auf der parteipolitischen Ebene und zwischen externen Experten und Politik

ausgetauscht. Der Informationsbedarf ist groß. Argumentationslinien werden

erkennbar. Chancen für Kompromisse und fach- oder parteipolitische Koalitionen

werden ausgelotet. Unabhängige Expertenrunden oder Enquetekommissionen

speisen ihre Gutachten oder Stellungnahmen in den parlamentarischen Prozess ein.

Zusätzlich wirken die Medien als Meinungsbildner. Sie transportieren die Debatte

nach außen, verstärken Zustimmung oder Widerstand die Positionen und wirken so

indirekt auf den politischen Abstimmungsprozess ein.

#Kapitel 5.3#

Zweite und dritte Lesung meist in einem Rutsch

61

Die Empfehlung des federführenden Ausschusses markiert das Ende der

fachpolitischen Debatte. Jetzt geht es noch darum, die fachpolitische Entscheidung

des Ausschusses zum Gesamtwillen des Parlamentes zu machen. Deshalb beginnt

mit dem Ende der Ausschussarbeit, mit der der Gesetzentwurf zu einer zweiten

Lesung und abschließenden dritten Lesung wieder dem Parlament zugeleitet wird,

der fraktionsinterne Abstimmungsprozess von neuem. Die Arbeitsgruppen der

Fraktionen beraten und sondieren, ob das im Ausschuss gezeigte

Abstimmungsverhalten auch für die Gesamtfraktion gilt. Ist dies nicht der Fall, so

können die Fraktionen im Rahmen der zweiten Lesung weitere Änderungsanträge

zum Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Übernimmt die Fraktion die

Position der Fachpolitiker in den Ausschüssen, so wird sich im Bundestag an die

Abstimmung in zweiter Lesung die abschließende dritte Lesung unmittelbar

anschließen und das Gesetz vom Bundestag nunmehr mehrheitlich verabschiedet

oder verworfen.

#Abb. 3: Schematische Darstellung der Gesetzgebung in Deutschland auf

Bundesebene#

#Kapitel 5.4#

Letzte Hürde Bundesrat

Überraschungen durch die Ländervertretung gibt es bei Gesetzgebungsverfahren

immer wieder. So setzte die Bundesregierung im Jahr 2000 spektakulär im

Bundesrat ihre Steuerreform mit einer unerwarteten Mehrheit aus SPD- und CDU-

geführten Landesregierungen durch. Gleichermaßen spektakulär scheiterte sie dort

62

ein Jahr später mit der Reform der Verpackungsverordnung, bei deren

Verabschiedung eine sicher geglaubte Mehrheit in letzter Minute zerbrach.

Länderinteressen sind mit Partei- oder Koalitionsinteressen keineswegs immer

deckungsgleich. Da die Länder die meisten Bundesgesetze durch ihre Verwaltungen

und Behörden exekutieren müssen, richten sie neben der regionalen Perspektive

auch einen sehr verwaltungspraktischen Blick auf die Gesetze. Aus diesem Grund

sind die kontinuierlichen Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern im

Rahmen der Erarbeitung von Gesetzentwürfen von großer Bedeutung. Würde jeder

Einwand der ausführenden Verwaltungen erst jetzt berücksichtigt, käme es zu

langwierigen Verzögerungen im Verfahren.

Das nach der 3. Lesung im Bundestag verabschiedete Gesetz wird im Bundesrat

ebenfalls zunächst in Fachausschüssen von Beamten der Landesregierungen

beraten. Lehnt der Bundesrat ein Gesetz ab, so kann er den sogenannten

Vermittlungsausschuss anrufen. Dieser Ausschuss wird zu gleichen Teilen von

Vertretern aus Bundestag und Bundesrat gebildet. Er hat den Auftrag mögliche

Kompromisse auszuarbeiten und zu unterbreiten.

Je nachdem, ob es sich bei dem Gesetz um ein Einspruchs- oder ein

Zustimmungsgesetz handelt, kommt der Arbeit des Vermittlungsausschusses eine

mehr oder weniger zentrale Rolle zu. Einspruchsgesetze kann der Bundestag mit

einem Mehrheitsbeschluss formal zurückweisen und das Gesetz auch gegen den

Willen der Länder in Kraft setzen. Berührt das geplante Gesetz jedoch wesentliche

Belange der Länder – ihre Finanzen, bestehende Landesgesetze oder ihre

Verwaltungen – so ist es zustimmungsbedürftig. Rund die Hälfte aller Bundesgesetze

sind heute sogenannte Zustimmungsgesetze.

#Marginalie 12#

Einspruchsgesetz:

63

Artikel 50 des Grundgesetzes schreibt die Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei

der Gesetzgebung des Bundes fest. Danach hat der Bundesrat im Regelfall das

Recht, gegen ein Gesetz des Bundestages Einspruch einzulegen

(„Einspruchsgesetz“). Diesen Einspruch des Bundesrates kann der Bundestag

zurückweisen.

#Ende Marginalie 12#

#Marginalie 13#

Zustimmungsgesetz:

Das Grundgesetz schreibt bei bestimmten Gesetzesmaterien (Finanzen, Verwaltung

und Gesetzgebung der Länder) die Zustimmung des Bundesrates vor. Verweigert

der Bundesrat seine Zustimmung und lässt sich im Vermittlungsausschuss kein

Ausgleich der Interessen herbeiführen, so ist das Gesetz gescheitert. Als

Zustimmungsgesetz ist ein Gesetz dann zu behandeln, wenn es die Belange der

Länder in besonderem Maße berührt. Dies trifft heute etwa auf die Hälfte aller

Gesetze zu.

#Ende Marginalie 13#

Um ein zwischen Bundestag und Bundesrat umstrittenes Gesetz dennoch zu

verabschieden, setzen im Vermittlungsausschuss, aber auch direkt zwischen den

Ländern oder zwischen Bund und Ländern vielfältige Verhandlungen ein. Hier

werden viele Fakten und Argumente noch einmal im Lichte vorstellbarer

Kompromisse geprüft. Wird der im Vermittlungsausschuss ausgehandelte

„Vermittlungsvorschlag“ von beiden Häusern, also Bundestag und Bundesrat,

angenommen, kann das Gesetz in Kraft treten.

Kommt kein Kompromiss zustande, so kann der Bundestag mit absoluter Mehrheit

der Stimmen („Kanzlermehrheit“) bei einem Einspruchsgesetz die Ablehnung des

Bundesrates zurückweisen und das Gesetz trotzdem endgültig verabschieden. Kam

die Ablehnung des Bundesrates mit Zweidrittelmehrheit zustande, wird im Bundestag

64

ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Bleibt der Dissens bei einem

Zustimmungsgesetz bestehen, ist das Gesetz gescheitert.

#Abb. 4: Schematische Darstellung des Prozessverlaufs bei Anrufung des

Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren#

#Kapitel 5.5#

Zwischen Verfahren und politischer Taktik

Für ein systematisches Public Affairs Management bieten das

Gesetzgebungsverfahren zahlreiche Anknüpfungspunkte, an denen man sich in den

Kommunikationsprozess „einklinken“ kann: durch Einspeisen von Fachwissen, durch

Entwickeln von Argumentationslinien, durch Bildung von schlagkräftigen Allianzen

oder durch persönliche Überzeugungskraft im direkten Gespräch mit Entscheidern

und Meinungsbildnern. Die Vielzahl der sowohl in das formale wie das informelle

Verfahren involvierten politischen Organe, Behörden, Parteien, Spezialisten und

Interessengruppen macht dabei eine gründlich geplante Kommunikationsstrategie

sowie ein abgestimmtes Vorgehen notwendig. Schließlich gilt es, die jeweiligen

Akteure des Verfahrens genauso einzubeziehen wie die relevanten

meinungsbildenden Medien. Verfahrens- und Institutionenkenntnisse sind für eine

aussichtsreiche Interessensvertretung folglich unerlässlich.

#Textkasten#

65

Politik im Netzwerk

Die Entstehung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes

Die Komplexität politischer Entscheidungen lässt sich exemplarisch am Beispiel des

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verdeutlichen. Angesichts knapper

werdender Deponiekapazitäten, des Widerstands vieler Bürger gegen

Müllverbrennungsanlagen und eines gestiegenen Umweltbewusstseins nahm 1992

der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer die Novelle des Abfallgesetzes

von 1986 in Angriff. Ausgangsidee war, den Abfall bereits bei den

Produktionsverfahren zu vermeiden oder zumindest dem Verwertungskreislauf

erneut zuzuführen. Produzierendes Gewerbe, Abfallwirtschaft, Gewerkschaften,

Umweltverbände, kommunale Spitzenverbände, Bundesrat, Bundestag und

Umweltministerium waren deshalb am Entscheidungsprozess um

„Produktverantwortung“, „Stoffkreisläufe“ und „Wiederverwertung“ beteiligt.

Dieses (fach-)politische Netzwerk hat Florian Staeck in seiner Dissertation aus dem

Jahr 1999 einer sogenannten „policy-Analyse“ unterzogen.49 Dreh- und Angelpunkt

dieses neuen Ansatzes in der Abfallpolitik war, dass die Wirtschaft auf die

Änderungen im Gesetz hätte positiv reagieren müssen, um diesem zum Erfolg zu

verhelfen. Der Staat kann allein durch Regulierung die Wiederverwertung des Abfalls

als Rohstoff nicht garantieren. Das Gesetz lebt vom Mitmachen und von den

Fähigkeiten der Gesellschaft, das eigene Verhalten im Sinne der Gesetzesziele neu

auszurichten.

Insofern entstand zwischen den genannten Akteuren ein kompliziertes

Verhandlungsnetzwerk, in dem der ursprüngliche Gesetzentwurf in einem äußerst

konfliktträchtigen Prozess komplett umgearbeitet wurde. Die „Abfallvermeidung um

jeden Preis“ wurde nicht nur von den großen Wirtschaftsverbänden – flankiert vom

Wirtschaftsministerium – schroff abgelehnt, sondern auch die kommunalen

Spitzenverbände sahen in der „völligen Umgestaltung des Abfallrechtes“ einen

Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung. Die geplante Rückverlagerung der

Abfallwirtschaft auf die Produzenten ließ nicht nur Auswirkungen auf die

Produktionsprozesse der Unternehmen erwarten, sondern rüttelte auch am

49 Staeck, Florian: Vom Reformprojekt zur symbolischen Politik. Probleme der Politikformulierung im Netzwerk – dargestellt an der Genese des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, Berlin 1999.

66

Entsorgungsmonopol der Kommunen. Damit blieben dem Umweltminister nur noch

die ÖTV und die Umwelt- und Verbraucherverbände als politische Befürworter einer

Neuausrichtung der Abfallwirtschaft. Allerdings ging einigen Umweltorganisationen

der politische Ansatz nicht weit genug, während die ÖTV die Abfallentsorgung

verständlicherweise beim kommunalen Arbeitgeber bestens aufgehoben sah. Die

Entsorgungswirtschaft wiederum bezog eine vermittelnde Position zwischen

Umweltministerium und Wirtschaftsverbänden.

Es ist nicht überraschend, dass angesichts so tiefgreifender Interessengegensätzen

das Gesetzgebungsverfahren mehr als dreieinhalb Jahre in Anspruch nahm. Am

Ende wurde die Vorlage dann im Vermittlungsausschuss noch einmal komplett

überarbeitet. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in seiner verabschiedeten

Form stellte einen Kompromiss – Kritiker sagen einen Formelkompromiss – dar, der

nur noch wenig mit der ursprünglichen Intention des ersten Gesetzentwurfes gemein

hatte: „Während ursprünglich durch Umweltminister Töpfer ein Paradigmenwechsel

mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz intendiert war, bereitet die Bewertung der

Verbindlichkeit der einzelnen Vorschriften auch Juristen große Schwierigkeit,

insofern deren Normgehalt ‚auch nach eingehender Beschäftigung nur mit Mühe –

wenn überhaupt – ermittelbar ist‘“, urteilt jedenfalls der Politikwissenschaftler Staeck.

Hier ist nicht der Ort, dieses Resultat unserer „Verhandlungsdemokratie“ normativ zu

bewerteten. Fakt ist aber, dass sich die Politik heute öfter als früher in der Rolle

eines Moderators wiederfindet, der Positionen abfragt, bündelt und letztlich juristisch

fixiert. Das Beispiel zeigt auch, dass für alle, die sind in den vielstimmigen politischen

Prozessen zu Wort melden wollen, neben der inhaltlichen immer mehr auch die

kommunikative Kompetenz essentiell ist.

#Ende Textkasten#

67

IV. Public Affairs in Brüssel: Interessenverbände in der Europäischen Union

68

VI. Public Affairs in Brüssel: Interessenvertretung in der Europäischen Union

#Motto#

Die wettbewerbspolitischen Aktivitäten der Europäischen Kommission umfassen

inzwischen praktisch das gesamte Wirtschaftsleben."

Karel van Miert, EU-Kommissar50

#Ende Motto#

1. Brüssel: Public Affairs-Hauptstadt in Europa

Der politische Mittelpunkt Europas liegt in Brüssel. Die belgische Hauptstadt ist unter

anderem Sitz der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlamentes und

der NATO. Brüssel bildet mit Straßburg und Luxemburg das politische Dreieck der

Willensbildung. Hier entstehen Richtlinien und Verordnungen, Mitteilungen und

Entscheidungen, Grünbücher und Weißbücher. Und überall dort, wo politische

Entscheidungen getroffen werden, findet Lobbying statt. Es wird geschätzt, dass

heute mehr als 10.000 Lobbyisten in Brüssel beschäftigt sind.51 Hinzu kommen mehr

als 1.500 akkreditierte Journalisten. Die belgische Nationalbank hat ermittelt, dass

120.000 Arbeitsplätze in Brüssel direkt oder indirekt von der Europäischen Union

abhängen. Damit erreicht Brüssel einen der vordersten Plätze in den Städten mit der

größten Dichte an Politikberatern, Consultants und Lobbyisten. Die Unterschiede

zwischen Brüssel und Washington, D. C. verschwimmen immer mehr.

#Kapitel 1.1#

50 Miert, Karel van: Markt, Macht, Wettbewerb, Meine Erfahrungen als Kommissar in Brüssel, Stuttgart und München 2000, S. 387.

69

Europas Machtzentrum liegt in Brüssel

Die Europäische Union als Zusammenschluss von derzeit 15 Staaten benötigt

verschiedene Organe mit jeweils klar umrissenen Aufgaben und Befugnissen, um

über Gesetze zu entscheiden und Programme durchzuführen. Die wichtigsten

Organe sind neben Europäischer Kommission und Europäischem Parlament der Rat

(Ministerrat und Europäischer Rat) und der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz

in Luxemburg. Die „Brüsseler Bürokratie“ besteht aus rund 15.000 Beamten,

ausgewählt aus einem Vielfachen an Bewerbern. Sie nehmen die administrative

Arbeit der Europäischen Kommission vor und koordinieren die Interessen der

Mitgliedsländer sowie der Interessengruppen.

Unlängst wurden die Mitglieder der Europäischen Kommission, ihre Kabinette und

die zuständigen Generaldirektionen auf zahlreiche Bürogebäude in Brüssel verteilt.

Nun befinden sich alle Beamten eines Ressorts unter einem Dach mit „ihrem“

Kommissar – wie in einem Ministerium. Der Umstand, dass man alle Kommissare

und ihre engsten Mitarbeiter bis vor kurzem noch in einem Gebäude erreichen

konnte, entsprach nicht nur dem rechtlichen Status der Kommission als Kollegium,

sondern erleichterte auch die Arbeit der Lobbyisten. Der Nachteil war, dass die

Mitglieder der Kommission meist fernab ihrer Generaldirektionen arbeiteten. Diesem

Umstand wurde Rechnung getragen und Interessensvertreter legen heute längere

Wege durch Brüssel zurück, um ihre Gesprächspartner zu treffen.

#Marginalie 14#

Generaldirektion:

Als Generaldirektionen werden die fachspezifischen Dienststellen der Europäischen

Kommission bezeichnet. Der europäische Verwaltungsapparat in Brüssel kennt

heute 22 Generaldirektionen. Sie setzen den politischen Willen der wichtigen Organe

der EU um. An der Spitze jeder Generaldirektion steht der Generaldirektor, der dem

51 vgl. PR-Magazin, August 2001, S. 24.

70

für sein Ressort zuständigen Kommissionsmitglied untersteht. Der Kommissar trägt

die politische und sachliche Verantwortung für eine oder mehrere

Generaldirektionen.

#Ende Marginalie 14#

#Abb. 5: Die Organe der Europäischen Union#

Seit der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 und dem Abkommen von Maastricht

1992 fand in vielen Politikbereichen eine weitgehende Verlagerung der

Entscheidungskompetenz von den nationalen Hauptstädten der Mitgliedsstaaten

nach Brüssel statt. Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission Jacques

Delors hatte schon in einer Rede vor dem Europäischen Parlament 1987

angekündigt, dass „in den nächsten zehn Jahren 80 Prozent aller

Wirtschaftsgesetzgebung auf dem Gebiet der Steuer- und Sozialpolitik in Brüssel und

nicht mehr in den nationalen Hauptstädten Europas getroffen werden“.52 Die

Vertretung von Interessengruppen ist dabei seit Anfang an ein wesentlicher

Bestandteil aller Entscheidungsbereiche.

Als Ort der politischen Gestaltung ist Brüssel Ziel für alle Interessenvertreter und

Gruppierungen, deren Absicht die Beeinflussung der Entscheidungsfindung in der

Politik ist. Die Europäische Kommission hat Wert darauf gelegt, dass die aktive

Teilnahme am politischen Prozess der Europäischen Union nicht von der

ökonomischen Schlagkraft der Interessen abhängig gemacht wird. Abgeordnete und

Beamte stehen in täglichem Kontakt zu den Vertreterinnen und Vertretern großer

Firmen, aber auch kleineren Interessengruppen, beispielsweise aus dem Bereich der

Nichtregierungsorganisationen. Walter Hallstein, der erste Präsident der

Europäischen Kommission, verwies auf den gegenseitigen Vorteil der

Entscheidungsfindung mit Hilfe der Interessengruppen. Die als unvermeidlich

52 Zitiert nach: Köppl, S. 154.

71

erscheinenden Versuche der Einflussnahme sah er als „Integrationsfaktor“ an und

erkannte ihre Bedeutung als „Vorkompromisse nationaler Realitäten“,

gewissermaßen als Korrektiv zu den Entscheidungen der Administration.53

#Kapitel 1.2# Starke Lobbies in Brüssel

Von Anfang an versuchten Interessengruppen, sich in Brüssel breit und einflussreich

aufzustellen. Der größte Teil des EU-Haushalts geht nach wie vor in den

Landwirtschaftssektor der Mitgliedsländer. Dies wird sich auch mit der Erweiterung

der Union nicht wesentlich verändern. Kein Wunder, dass der Dachverband der

nationalen und regionalen Bauern- und Landwirtschaftsverbände (COPA) als einer

der ersten Euro-Verbände 1958 in Brüssel gegründet wurde. Sein Einfluss in den

folgenden Jahren auf die Entscheidungsfindung der Brüsseler Politik war zu der Zeit

unangefochten und steigerte sich noch ab dem Zusammenschluss mit COCEGA

(General Committee for Agricultural Cooperation in the European Community) im

Jahre 1962. Von Bedeutung waren drei weitere Interessengruppen: der europäische

Dachverband der Industrie UNICE (Union of Industrial and Employers

Confederations of Europe), auf der Gegenseite der Zusammenschluss der

Gewerkschaften ETUC (European Trade Union Confederation) sowie die

Dachorganisation von 800 europäischen Industrie- und Handelskammern

EUROCHAMBERS. Der wesentliche Vorteil dieser Bündelung von Interessen in

europäischen Dachorganisationen lag zum einen in der Zahl der vertretenen

Mitglieder, zum anderen in der puren Wahrnehmung der genannten Verbände als

erste Interessengruppen, denen es gelungen war, ihre nationalen Mitglieder und

Interessen in einer europäischen „Speerspitze“ zu organisieren. Die politische

Organisation Europas unter einem supranationalen Dach ging einher mit der

Erkenntnis der Lobbyisten, dass durch den Zusammenschluss nationaler Interessen

ein wesentlich einfacherer Zugang zu den Entscheidern auf europäischer Ebene zu

53 zitiert nach: Köppl, ebd.

72

finden war. Man traf sich gewissermaßen auf gleicher Augenhöhe. Es war deshalb

nur eine Frage der Zeit, bis andere nachzogen. Europäische Dachverbände

schossen nur so aus dem Boden und machten der Exklusivität weniger

einflussreicher Akteure in Brüssel ein Ende. Diese Entwicklung ist auf absehbare Zeit

nicht beendet. Mit der Entwicklung neuer Technologien, der Zersplitterung von

Interessen und der Neuaufteilung von Kompetenzen innerhalb der Europäischen

Union entstehen vielfältige neue Interessen, die sich unter einem separaten Dach

zusammenfinden.

#Kapitel 1.3#

Berlin oder Brüssel – wo sitzt die Macht?

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands ist der Einfluss deutscher Interessen in

Europa weiter gewachsen. Das hat mehrere Ursachen: Zum einen haben die

deutschen Verbände frühzeitig erkannt, dass Brüssel in seiner Bedeutung als

Entscheidungszentrum gegenüber Bonn (nach dem Regierungsumzug Berlin) stetig

wichtiger wurde. Zum anderen begriffen die Unternehmen selbst, dass zur

Durchsetzung ihrer individuellen Interessen auch eigene Büros an beiden Standorten

hilfreich und nötig waren.

Ein neuer Trend erhöht den Wettbewerbsdruck auf die Verbände. Neben ihnen

bewegen sich zunehmend auch zahlreiche Public Affairs-Agenturen auf der Bühne

der politischen Interessenvertretung. Vom eingespielten und ritualisierten

Interessenabgleich durch die Wirtschaftsverbände fühlen sich immer weniger

Unternehmen ausreichend vertreten. Außerdem engagieren sich seit kurzem so

genannte "Law-Companies" stärker im Politikberatungsgeschäft. Während die

Agenturen für ihre Auftraggeber wie Unternehmen Public Affairs betreiben,

übernehmen die "Law-Companies" Mandatsgeschäftsführungen für ihre Klienten.

73

Diese Entwicklung lässt sich auch auf das föderale System Deutschland übertragen.

Natürlich gibt es eine Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der

Europäischen Union. Die Bundesländer wollten ihre individuellen Interessen

ebenfalls gebührend vertreten wissen und eröffneten Verbindungsbüros in Brüssel.

Der Run auf Brüssel begann gegen Ende der 70er Jahre, erreichte Mitte der 80er

seinen Höhepunkt und hält auch nach der Wiederherstellung der Einheit

Deutschlands an. Diese Vielschichtigkeit führte im Bereich der Interessenvertretung

zur Herausbildung von drei Säulen:

a) die Vertretung über einen eigenen Verband oder einen übergeordneten

europäischen Dachverband,

b) die direkte, eigene Vertretung vor Ort und

c) als zusätzliches Mittel die Beauftragung von Büros bei Anlässen, die ein

spezifisches, punktuelles Agieren notwendig machen.

Die Beauftragung externer Berater erfolgt aber auch vielfach aus dem Grunde, dass

auch diejenigen, die keine eigene Vertretung in Brüssel unterhalten, ihre Anliegen

transportieren und auf Entwicklungen reagieren wollen. Hierbei kommt der

Vertretung von Interessen zugute, dass die staatlichen Institutionen Deutschlands

individuell repräsentiert sind. Diese Tatsache ermöglicht in vielen Fällen ein

abgestimmtes Vorgehen von staatlichen Interessen (beispielsweise eines

Bundeslandes) und Unternehmen (das z. B. seinen Sitz in diesem Bundesland hat).

An dieser Stelle kumulieren die Interessen und bilden oftmals einflussreiche

Koalitionen bei den Organen der Europäischen Union.

Eine Sonderkategorie bilden temporäre Allianzen von Unternehmen als Antwort auf

„European Governance“54 Konzepte. Diese Entwicklung resultiert aus der Erkenntnis,

dass rituelle Instrumente des schlichten Lobbyings den Ansprüchen modernen

Regierens nicht mehr entsprechen. Der Politikstil der Administrationen, die Art und

Weise ihrer Kommunikation hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert

und bildete eine bisher wenig erforschte „Grauzone“ für die Interessengruppen.

54 Im Weißbuch „Europäisches Regieren“ der Europäischen Kommission heisst es: „Die Kommission hat die Reform europäischen Regierens, also dessen, was als Governance bezeichnet wird, Anfang 2000 zu einem ihrer vier strategischen Ziele erklärt. [...] Noch im Rahmen der derzeitigen Verträge muss die Union damit beginnen, ihre Institutionen anzupassen und ihre Politik in den einzelnen Bereichen so kohärent zu gestalten, dass jeder leichter versteht, was die Union leistet und wofür sie eintritt. Eine Union mit größerem Zusammenhalt wird nicht nur intern stärker sein, sondern auch in der Welt eher eine Führungsrolle spielen können und zudem für die Erweiterung gut gerüstet sein.“; KOM (2001) 428 endgültig, S. 3.

74

Politik und Wirtschaft kommunizieren nicht mehr ein-, sondern vielspurig. Dadurch

wird es in vielen Fällen schwierig, dass eigentliche Zentrum der Entscheidung zu

finden. Daraus entstehen kurzzeitige Zusammenschlüsse von

Unternehmensinteressen und die Bildung neuer, schlagkräftiger Allianzen. Der

Zeitfaktor spielt dabei eine vorrangige Rolle: Nur wer in vorderster Reihe mitspielt

und Probleme frühzeitig erkennt, ist in der Lage, seine Interessen klar zu formulieren.

So kann die Frage „Berlin ODER Brüssel?“ nur mit einem „UND!“ beantwortet

werden. Wer die Entstehung eines Gesetzes in Brüssel kippen will – ein Stichwort ist

hier die unlängst gestoppte EU-"Übernahmerichtlinie" –, sollte mit seiner

Überzeugungsarbeit in Berlin beim zuständigen Ressortministerium und im

Kanzleramt beginnen, damit das Kanzleramt seine Vertreter in Brüssel anweist, in

den Ratstagungen entsprechend abzustimmen. Für ein deutsches Unternehmen

funktioniert Issues Management in Brüssel ohne Rückkoppelung an Berlin nicht.

2. Rüstzeug für Brüssel: EU-Institutionen im Überblick

Voraussetzung für effektive Public Affairs-Arbeit auf EU-Ebene ist eine fundierte

Kenntnis der Institutionen, ihrer Befugnisse und der meinungsbildenden Abläufe bis

hin zur Entscheidung. Im Folgenden wird versucht, den Gang eines Gesetzes und

die unterschiedlichen Instrumente der Regulierung und Willensbildung deutlich zu

machen:

Im Rechtsetzungsprozess erarbeitet die #Europäische Kommission# Vorschläge. Sie

hat das Monopol auf Gesetzesinitiativen. Der #Europäische Rat/Ministerrat# trifft die

Entscheidungen nach Anhörung oder in Zusammenarbeit mit dem #Europäischen

Parlament#. Die Legislative liegt beim Ministerrat. Die Kommission „wacht“ darüber,

dass die Gesetze umgesetzt und durchgeführt werden. Neben der Initiativfunktion (s.

o.) obliegt der Kommission die Exekutive. Das Parlament ist am

75

Gesetzgebungsprozess beteiligt. Im Vertrag von Amsterdam (1997) sind die Rechte

des Europäischen Parlaments deutlich gestärkt worden. Das rechtsprechende Organ

der EU ist der #Europäische Gerichtshof#(EuGH).

#Kapitel 2.1#

Der Europäische Rat/Ministerrat

ist das rechtssetzende Organ der EU. Die Vorschläge der #Europäischen

Kommission# für #Richtlinien# und #Verordnungen# werden (meist in

Zusammenarbeit mit dem #Europäischen Parlament#) vom Rat – von Vertretern der

Mitgliedsstaaten im Ministerrang – beschlossen. Außerdem prägen die

Mitgliedsstaaten die Grundzüge der Politik der EU. Um diese Aufgaben

wahrzunehmen, tritt der Rat in zwei Formen auf: dem Europäischen Rat und dem

Ministerrat.

# Kapitel 2.2#

Der Europäische Rat

setzt sich aus Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zusammen und tagt

zweimal im Jahr. Hier werden die politischen Ziele der EU formuliert. Die Beschlüsse

des Europäischen Rats geben oft den Anstoß für Maßnahmen, über die lange Zeit

keine Einigung erzielt werden konnten. Der Europäische Rat beschließt aber keine

Richtlinien und Verordnungen.

#Kapitel 2.3#

Der Rat der Europäischen Union oder Ministerrat

76

verabschiedet Richtlinien und Verordnungen. Der Ministerrat tritt in unterschiedlicher

Besetzung zusammen, je nachdem, worüber er zu entscheiden hat. So gibt es den

Rat der Agrarminister, den Rat der Umweltminister, den Rat der Finanzminister etc.

Die Entscheidungen des Ministerrates fallen in der Regel einstimmig (nur in ganz

wenigen Bereichen mit einfacher oder mit qualifizierter Mehrheit).

# Kapitel 2.4#

Die Ratspräsidentschaft

umfasst den Vorsitz im Europäischer Rat und im Ministerrat. Sie spielt eine

maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Politik, besonders im Hinblick auf Impulse

für das Verfahren bei legislativen und politischen Beschlüssen im Ministerrat.

Aufgabe des Vorsitzes ist es, alle Tagungen des Ministerrats und des Europäischen

Rats zu organisieren, deren Vorsitz zu übernehmen und Kompromisse

auszuarbeiten, mit denen sich die entsprechenden Mehrheiten finden lassen. Der

Vorsitz entscheidet auch über die legislativen Vorhaben, die er während seines

Vorsitzes auf die Tagesordnung setzen möchte. Der Vorsitz im Rat wird von den

einzelnen Mitgliedsstaaten nach einer festgelegten Reihenfolge turnusmäßig für

jeweils sechs Monate (von Januar bis Juni bzw. von Juli bis Dezember)

wahrgenommen.

#Kapitel 2.5#

Das Europäische Parlament (EP)

besteht aus Vertretern der Mitgliedsstaaten der EU. Anders als die nationalen

Parlamente ist das EP keine wirkliche gesetzgebende Kraft. Es hat auch keine

Möglichkeit, den Gesetzgebungsprozess durch eigene Initiativen einzuleiten. Das EP

ist aber – unterschiedlich gewichtig – am Gesetzgebungsprozess beteiligt, je

nachdem, ob das #Anhörungsverfahren#, das #Zusammenarbeitsverfahren# oder

das #Mitentscheidungsverfahren# zur Anwendung kommt. Das EP setzt sich derzeit

77

aus 625 Abgeordneten zusammen. Jeder Mitgliedsstaat entsendet eine nach seiner

Größe festgelegte Anzahl an Abgeordneten in das EP. Diese werden alle fünf Jahre

in direkter Wahl nach dem Wahlrecht der Mitgliedsstaaten bestimmt. Deutschland hat

99 Abgeordnete.

#Kapitel 2.6#

Das Anhörungsverfahren

räumt dem EP nur ein ganz geringes Mitspracherecht ein. Bei diesem Verfahren

muss das EP zu einem Vorschlag der Kommission lediglich „angehört“ werden. Zwar

kann das Parlament auch eine Stellungnahme abgeben. Diese muss aber vom Rat

nicht berücksichtigt werden.

#Kapitel 2.7#

Das Zusammenarbeitsverfahren

gibt dem EP durch eine zweite Lesung ein erweitertes Mitspracherecht. Der Rat kann

sich aber durch einen einstimmigen Beschluss über den Willen der Volksvertretung

hinwegsetzen.

#Kapitel 2.8#

Das Mitentscheidungsverfahren

gibt dem EP umfassendes Mitspracherecht. Die Stellungnahmen des EP können

vom Rat nicht übergangen werden. Wenn sich das Parlament einem Entwurf

widersetzt, dann kann keine Entscheidung getroffen werden. Das EP hat damit ein

Vetorecht. Verordnungen und Richtlinien werden nach diesem Verfahren entweder

abgelehnt oder gemeinsam vom Präsidenten des Rats und dem Präsidenten des EP

unterzeichnet und nach der Veröffentlichung im offiziellen Amtsblatt wirksam.

#Abb. 6: Schematische Darstellung der Gesetzgebung in der Europäischen Union#

78

#Kapitel 2.9#

Die Europäische Kommission

hat die alleinige Berechtigung zur Erarbeitung von Vorschlägen für neue Richtlinien

und Verordnungen. #Im engeren Sinn# besteht die Kommission aus 20 Mitgliedern –

den Kommissaren, die vergleichbar mit nationalen Ministern sind. Einer von ihnen

hat die Funktion des Präsidenten der Kommission. Die Regierungen der

Mitgliedsstaaten benennen im Einvernehmen den designierten Präsidenten und die

übrigen Mitglieder der Kommission. Der Präsident und die 19 Kommissare stellen

sich als Kollegium einem Zustimmungsvotum des EP. Das EP kann das gesamte

Kollegium ablehnen, aber nicht einzelne Mitglieder. Das EP kann die Kommission

auch während der Amtszeit durch ein Misstrauensvotum des Amtes entheben – das

gilt ebenfalls nur gegenüber dem gesamten Kollegialorgan (alle 20 Mitglieder). Jedes

Kommissionsmitglied ist für ein bestimmtes Aufgabengebiet zuständig (zum Beispiel:

Verkehrspolitik, Finanzpolitik oder Regionalpolitik). Den Kommissaren untersteht ein

Verwaltungsapparat mit etwa 16.000 Beamten, der sich in 24 Generaldirektionen

(vergleichbar nationalen Ministerien) gliedert – das ist die Kommission #im weiteren

Sinn#.

Vorschläge für Rechtsakte werden in den fachlich zuständigen Generaldirektionen

ausgearbeitet und schließlich von den Kommissaren als Kollegialorgan – mit

absoluter Mehrheit (mindestens 11 Stimmen) – beschlossen. Die Entscheidungen

über die Rechtsakte werden dann vom Rat – oder vom Rat gemeinsam mit dem EP

– getroffen. Besonders weitgehende Befugnisse hat die Kommission im Bereich der

Landwirtschaft und im Wettbewerbsrecht.

#Kapitel 2.10#

Ein Grünbuch

wird veröffentlicht, wenn die Kommission in einem Politikbereich Bedarf zum Handeln

sieht oder wenn sie vom Rat aufgefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen. Ein

Grünbuch beinhaltet eine umfassende Darstellung des Ist-Zustands, oft Szenarien

und eine Skizzierung des Handlungsbedarfs. Alle Mitgliedsstaaten, Organisationen,

79

Verbände oder Betroffenen können – innerhalb einer Frist – zu dem Grünbuch eine

Stellungnahme abgeben und Lösungsvorschläge unterbreiten. Die Kommission setzt

sich mit den eingegangenen Stellungnahmen auseinander und versucht, daraus eine

Strategie zu erarbeiten. Häufig folgt dem Grünbuch ein Weißbuch, das dann die

Grundlage für konkrete Maßnahmen bildet. Das Grünbuch bietet die Möglichkeit,

bereits zu einem sehr frühen Stadium die Politik der EU zu beeinflussen.

#Kapitel 2.11#

Ein Weißbuch

wird erstellt, wenn die Kommission in einem Politikbereich umfassende Maßnahmen

zu bewältigen hat. Im Gegensatz zu den Grünbüchern geben Weißbücher bereits

eine festgelegte Strategie mit (meist) konkreten Zielen vor. Weißbücher haben aber

keinen rechtlich verbindlichen, sondern einen politisch-programmatischen Charakter.

Sie sollen die Rechtsetzung (Richtlinie oder Verordnung) anstoßen, in Gang halten

und beschleunigen.

#Kapitel 2.12#

Richtlinien

sind verbindliche Rechtsakte der EU, die durch die Mitgliedsstaaten – innerhalb einer

vorgegebenen Frist (meist zwischen einem und vier Jahren) – in nationales Recht

umgesetzt werden müssen. Die Mitgliedsstaaten haben in der Umsetzung einen

gewissen Spielraum. Sie sind aber dazu verpflichtet, die Ziele einer Richtlinie zu

verwirklichen. Die Wahl der Form und der Mittel bleibt dem Mitgliedsstaat

vorbehalten. In der Praxis gehen aber immer mehr Richtlinien so sehr ins Detail,

dass die Spielräume der Mitgliedsstaaten zunehmend enger werden. Richtlinien

werden überwiegend in Mitentscheidungsverfahren entschieden.

#Kapitel 2.13#

Verordnungen

sind unmittelbar anwendbare Rechtsakte. Sie sind in allen Teilen verbindlich und

müssen von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.

Verordnungen treten (in allen Mitgliedsstaaten) an dem Tag in Kraft, der in der

80

Verordnung angegeben ist. Meist ist es der Tag der Veröffentlichung im offiziellen

Amtsblatt der Europäischen Union.

#Kapitel 2.14#

Entscheidungen

gehören neben Richtlinien und Verordnungen zu den verbindlichen Rechtsakten der

EU. Sie können an Mitgliedsstaaten oder an einzelne Personen bzw. Unternehmen

gerichtet sein. An Personen oder Unternehmen gerichtet, handelt es sich um

sogenannte individuelle Rechtsakte, die einen bestimmten Handlungs- oder

Unterlassungsauftrag geben. Sie sind damit vergleichbar mit Bescheiden. In der

Regel werden individuelle Entscheidungen von der Kommission erlassen und

betreffen meist das Wettbewerbsrecht. Wenn sich Entscheidungen an einzelne

Mitgliedsstaaten richten, dann haben sie eine ähnliche Wirkung wie Verordnungen –

sie wirken also unmittelbar und sind in allen ihren Bestandteilen verbindlich. Häufig

richtet die Kommission Entscheidungen an Mitgliedsstaaten, wenn sie unerlaubte

Beihilfen an Unternehmen leisten und damit den Wettbewerb verzerren. An

Mitgliedsstaaten gerichtete Entscheidungen können aber auch vom Rat oder vom

Rat gemeinsam mit dem EP erlassen werden.

#Kapitel 2.15#

Mitteilungen der Kommission

richtet die EU-Kommission an den Rat und an das EP, wenn sie diese beispielsweise

über den Stand ihrer Arbeiten in einem bestimmten Bereich informieren will. In

diesen Fällen kommt den Mitteilungen keine formelle Bedeutung im

Rechtsetzungsprozess zu. Jede Mitteilung wird als Kommissions-Dokument

veröffentlicht. Oft erfolgt auch eine Veröffentlichung im offiziellen Amtsblatt.

#Kapitel 2.16#

Der Europäische Gerichtshof (EuGH)

ist das rechtsprechende Organ der EU. Der EuGH kann von den anderen Organen

der EU und von den Mitgliedsstaaten angerufen werden. Die häufigsten Verfahren

vor dem EuGH betreffen Vertragsverletzungen durch die Mitgliedsstaaten. Diese

81

Verfahren können entweder von der Kommission oder von einem anderen

Mitgliedsstaat angestrebt werden. Daneben können auch die Körperschaften der EU

durch den EuGH für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden. Der EuGH

kann aber in bestimmten Fällen auch von einzelnen angerufen werden: wenn eine

individuelle Entscheidung der Kommission angefochten werden soll oder die

Kommission versäumt hat, eine individuelle Entscheidung zu erlassen. Solche

individuellen Rechtsakte richtet die Kommission normalerweise nur an Unternehmen

(juristische Personen).

Neben dieser formalen Struktur der Institutionen und Rechtsakte sind die informellen

Formen der Willensbildung wichtige Ansatzpunkte für die Public Affairs-Arbeit auf

EU-Ebene. Ob informelle Treffen der Ministerräte, Orientierungsbesprechungen des

Rates, Informationsveranstaltungen, Parlamentarische Abende und Netzwerktreffen

– sie alle gehören zum unerlässlichen Instrumentarium einer erfolgreichen Public

Affairs-Arbeit. Schließlich kommt es nicht nur darauf an zu wissen, welche

Entscheidungswege von Belang sind und wer wo welche Kompetenzen hat.

Entscheidend ist, dieses strukturelle Wissen mit Hilfe eines funktionierenden

Netzwerkes auch umzusetzen. Auch die Ergebnisse des Europäischen Konvents,

der im Februar 2002 seine Arbeit aufgenommen hat und innerhalb eines Jahres

Empfehlungen für eine Reform der EU-Institutionen unterbreiten soll, werden daran

nichts Grundlegendes ändern.

Das maßgebliche Kriterium für das zielgerichtete Durchsetzen der eigenen

Interessen ist auch in Brüssel die Qualität der Information. Eine umfassende und

ausgewogene Darstellung des Themas sowie eine fachlich fundierte Begründung für

die eigene Position, die zum richtigen Zeitpunkt kommuniziert werden, sind die

Voraussetzung, um Gehör zu finden. Zur nötigen Sachkompetenz gehört neben der

Vertrautheit mit der eigenen Argumentation auch die Kenntnis der Standpunkte aller

anderen, die an einem konkreten Willensbildungsprozess beteiligt sind. Henry Ford

hat dazu einmal gesagt: „Ein Geheimnis des Erfolgs ist es, den Standpunkt des

Anderen zu verstehen.“ Nur dann kann es gelingen, belastbare Kompromisse

auszuhandeln.

82

3. Ansatz zur Freiheit: Selbstverpflichtungen der Industrie

#Kapitel 3.1#

Ein neues Politikinstrument auf nationaler und europäischer Ebene?

Die EU-Kommission unter Romano Prodi wollte Pflöcke einschlagen. Dazu legte sie

ein Weißbuch mit dem Titel „New Governance“ vor. Weißbücher sind

Orientierungshilfen für eine spätere Gesetzgebung. In diesem Fall sollen die

Möglichkeiten der europäischen Politikgestaltung um einen wesentlichen Baustein

ergänzt werden. Neben Verordnungen und Richtlinien sollen freiwillige

Vereinbarungen mit der Industrie zum Regelfall werden.

Das Konzept ist einfach: Statt aufwendiger EU-Richtlinien (wie z. B. zur

Ausgestaltung der Traktorensitze) vereinbart die betroffene Industrie mit der EU-

Kommission, bestimmte Ziele auf einer festgelegten Zeitachse zu erreichen. Eines

der herausragenden Beispiele ist die Vereinbarung zwischen der europäischen

Automobilindustrie und der EU-Kommission zur Reduzierung der CO2-Belastung.

Darin verpflichtet sich die Industrie, bis zum Jahre 2008 die CO2-Emissionen für

neue Automobile um 25% abzusenken.

83

Andere aktuelle Vereinbarungen beziehen sich auf die Reduzierung des

Energieverbrauchs bei Spülmaschinen und bei Heißwasseraufbereitern, wie auch auf

den Schutz der Fußgänger durch entsprechende Veränderungen der Pkws. Und

schließlich liegt nun die PVC-Vereinbarung unterschriftsreif auf dem Tisch. Immerhin

verpflichtet sich die Industrie zur deutlichen Anhebung der Recyclingquote und zum

Verzicht von Stabilisatoren: bei Blei bis 2015 und bei Cadmium bis zum Jahresende

2002. Das Danze soll durch unabhängige Prüfer regelmäßig bewertet und zertifiziert

werden. Doch noch blockt das Europäische Parlament im Grundsatz. Weil es sich

die Mitentscheidung in der Gesetzgebung seit Maastricht und Amsterdam mühselig

erstritten hat, glaubt es sich gegen den vermeintlichen Verlust von Macht durch

freiwillige Vereinbarungen stemmen zu müssen.

Was steckt hinter dem neuen Politikansatz freiwilliger Vereinbarungen? Zu allererst

ein Politikverständnis, das Abschied nimmt von der Vorstellung, der Staat müsse

alles bis ins Detail regeln, das Abschied nimmt von der Haltung, den Bürger durch

Gesetze bevormunden zu müssen. Eine Politik, die gesellschaftliche Gruppen und

Bürger in die Verantwortung einbeziehen will, muss ihnen Freiheit durch Freiwilligkeit

eröffnen. Natürlich nicht unkontrolliert und ohne Regeln.

Die EU-Kommission, allen voran die Umweltkommissarin Wallström, will nun mit

einer Mitteilung zu Umweltvereinbarungen abstrakt den Rahmen für solche

Vereinbarungen setzen. Ihr bisheriger Vorschlag, der noch in der Kommission

abgestimmt werden muss, sieht zwei Alternativen vor: Die Softvariante verlangt, dass

eine Vereinbarung jeweils als Mitteilung der Kommission an Rat und EP gehen

muss. Beide können Stellung nehmen, Einfluss auf die Ausgestaltung haben sie

nicht. Die harte Alternative verlangt die Vorlage einer „vorsorglichen“ #Richtlinie#, die

bis zum Ende durchberaten und dann auf Eis gelegt wird - solange die Ziele der

Vereinbarung erreicht werden. Dieser Vorschlag wird auch Guillotine-Verfahren

genannt, denn immer dann, wenn die Industrie die freiwilligen Ziele nicht erreicht,

wird die Richtlinie sofort in Kraft gesetzt. Damit reduziert sich die Freiwilligkeit auf die

technische Umsetzung der Gesetzesvorgaben und von der Idee der freiwilligen

Vereinbarung bleibt nichts viel übrig. In Deutschland ist das Instrument der

84

freiwilligen Vereinbarung nichts Neues. Die Vereinbarung über den Ausstieg aus der

Kernenergie zum Beispiel wurde ohne Beteiligung des Bundestags festgeschrieben.

Als Gesetz wäre sie undenkbar gewesen. Als Vereinbarung ist sie ein Schritt in eine

vernünftige Richtung.

85

V. Public Affairs in der Praxis

86

V. Public Affairs in der Praxis

#Motto#

Politik ist sehr viel mehr als in der Vergangenheit Kommunikation. Erfolgreich ist, wer

kommunikativer ist als andere.

Gerhard Schröder, Bundeskanzler

#Ende Motto#

1. Das Handwerkszeug: Die grundlegenden Instrumente

Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als ob die Handlungsfelder von Public

Affairs deutliche Übereinstimmungen mit denen der klassischen PR aufweisen.

Ähnliches gilt für die jeweils zur Verfügung stehenden Instrumentarien. Das

entspricht nur zum Teil der Realität, denn Public Affairs folgt anderen Spielregeln als

die klassische PR. Die Aufgaben beider Kommunikationsdisziplinen sind, wie in

Kapitel 2 bereits beschrieben, verschieden. Auch Themen und Zielgruppen weichen

oft voneinander ab.

Zwischen den Instrumenten von Public Relations und Public Affairs gibt es zahlreiche

Überschneidungen. Das Repertoire beider Disziplinen reicht von A wie Aktionstage

bis Z wie Zeitungsannoncen. Ihr Einsatz unterliegt jedoch besonderen Bedingungen.

Dies hängt mit den politischen Entscheidungsstrukturen und zeitlichen

Rahmenbedingungen etwa für Gesetzgebungsprozesse genauso zusammen wie mit

den spezifischen Erwartungshaltungen und Arbeitsweisen politischer Journalisten.

Wichtig ist es vor allem, die gewählten Instrumente im politischen Raum zur richtigen

Zeit und bei der richtigen Zielgruppe einzusetzen. Sonst nutzen die besten

Argumente am Ende nichts.

87

So wird beispielsweise ein parlamentarischer Abend in Berlin, der inhaltlich sorgfältig

vorbereitet, aber außerhalb einer Sitzungswoche des Deutschen Bundestages

anberaumt ist, seinen Zweck vollkommen verfehlen, weil sich der Großteil der

avisierten Zielgruppe gar nicht in der Hauptstadt aufhält. Es bedarf nicht nur der

Kenntnis der einzelnen Public-Affairs-Instrumente, sondern auch deren virtuosen

Einsatzes vor dem Hintergrund politischer und administrativer Handlungsabläufe.

Public Affairs-Programme sind keine Angebote von der Stange, sondern immer

Maßanfertigungen. Für die jeweiligen Aufgabenstellungen werden Teams mit

erfahrenen Spezialisten zusammengestellt. Die Kerninstrumente ihrer Arbeit werden

im Folgenden beschrieben.

#Kapitel 1.1#

Politisches Monitoring

ist die systematische, kontinuierliche Beobachtung und Analyse von politischen

Aktivitäten, Trends oder Entscheidungen sowie öffentlichen Diskussionsprozessen in

Themenfeldern, die für ein Unternehmen in wirtschaftlicher oder strategischer

Hinsicht relevant sind. In Abhängigkeit von der jeweiligen Thematik erfolgt das

Politische Monitoring auf kommunaler regionaler, nationaler, europäischer oder auch

internationaler Ebene. Ziel des Monitorings ist die Identifikation sowie die laufende

Beobachtung und Analyse von Themen, die kurz- oder mittelfristig Auswirkungen auf

die Entwicklung einer Firma, einer Organisation oder einer Branche haben können.

Der Einsatz dieses Instruments bietet die Chance, frühzeitig Veränderungen zu

entdecken, die für ein Unternehmen von Vorteil sein können. Aus der genauen

Kenntnis der politischen Agenda erwachsen Informationsorsprünge, die dazu

beitragen können, die Marktchancen zu verbessern. Darüber hinaus trägt

systematisches politisches Monitoring dazu bei, dass potenziell kritische Themen

rechtzeitig erkannt werden und diese sich gar nicht erst zu einer handfesten Krise

auswachsen können.

Anders als das aus der PR bekannte Pressemonitoring ist das politische Monitoring

stets darauf ausgerichtet, alle notwendigen Informationen ‚aus erster Hand‘ zu

beschaffen. Zusätzlich zur Beobachtung allgemein zugänglicher Informationsquellen

(Pressespiegel, Rundfunk- und Fernsehauswertung, Internetangebote,

88

Pressemitteilungen, Newsletter etc.), gilt es deshalb, den direkten und persönlichen

Kontakt zu den relevanten politischen Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern

zu suchen und Expertenmeinungen einzuholen. Im Visier des politischen Monitorings

stehen demnach Vertreter von Parteien, Bundestag, Bundesrat sowie den

verschiedenen administrativen Einrichtungen (Ministerien, nachgeordnete Behörden,

Verwaltungen, etc.). Um das Bild abzurunden und potentielle Gegner oder

Befürworter einer Angelegenheit zu identifizieren, müssen darüber hinaus auch die

Stimmen von Verbänden, Gewerkschaften und (Bürger-) Initiativen gehört werden.

Wie differenziert das Monitoring angelegt werden muss, hängt von der Komplexität

und Brisanz der zu bearbeiteten Themen genauso ab wie von den jeweils verfolgten

Interessen. Beispiel Privatisierung von Staatsaufgaben in Deutschland und Europa:

Kaum ein Thema ist gleichermaßen konfliktträchtig in der Öffentlichkeit und

milliardenträchtig für potenzielle Investoren. „Geradezu exemplarisch prallen hier die

Kulturen öffentlicher Daseinsvorsorge und privater Gewinninteressen aufeinander

(...) und schüren Ängste und Vorbehalte der Bürger, mobilisieren Heerscharen

einflussreicher Staatsdiener, die um ihren Besitzstand fürchten, bringen

Bürgerinitiativen auf den Plan - potenzielle Zielgruppen für die Profis der Politischen

Kommunikation.“55

#Marginalie 15#

Daseinsvorsorge:

Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG verpflichtet die Gemeinden, mittels eigener

Einrichtungen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leistungen für alle Bürger und

Bürgerinnen zu erbringen. Darunter fallen in erster Linie die als elementar und

existenziell definierte Versorgung mit Wasser, Energie, Verkehrsinfrastruktur sowie

Dienstleistungen wie Bildung, Entsorgung, soziale und kulturelle Dienste. Die

kommunale Daseinsvorsorge einschließlich der dafür geschaffenen Einrichtungen

(Ämter, Betriebe, Unternehmen) sind Wesensbestandteil der kommunalen

Selbstverwaltung.

#Ende Marginalie 15#

55 Schulte-Döinghaus, Uli: Public Affairs à la carte. In W&V 36/2000.

89

Nicht nur bei so komplexen Themen hilft das politische Monitoring den Dschungel

von divergierenden Interessen und Zielen zu lichten. Auf Basis der gewonnenen

Erkenntnisse lassen sich die Interessenlage aller Beteiligten einordnen und

passgenaue Strategien, Handlungsoptionen und Dialogvarianten erarbeiten.

#Kapitel 1.2#

Frühwarnsystem

Ein zentrales Handlungsfeld im Rahmen von Public Affairs ist die frühzeitige

Definition und Erkennung von für das Unternehmen/die Organisation potentiell

relevanten Themen. Hieraus resultiert die Notwendigkeit zur Planung und

Implementierung von Frühwarnsystemen innerhalb eines Unternehmens/einer

Organisation.

Anstehende Gesetzesänderungen und politische Entscheidungen können einem

Konzern neue Chancen eröffnen. Sie können aber auch Wettbewerbsvorteile

bedrohen. Beides kann um so besser bewältigt werden, je früher die Entwicklung

erkannt wird. Es gilt, das politische Umfeld wie auch die Konkurrenz sorgsam im

Blick zu behalten. Wer rechtzeitig über die entsprechenden Informationen verfügt, ist

entscheidend im Vorteil. Ein Beispiel: „Die EU plant der Lackindustrie

vorzuschreiben, bestimmte Zusatzstoffe in Farben nicht mehr zu verwenden. Ziel (...)

kann es sein, das EU-Recht bei seiner Entstehung zu modifizieren oder wenigstens

längere Übergangszeiten durchzusetzen.“56

Auch mit Blick auf Aktivitäten etwa von Bürgerinitiativen erweist sich ein

Frühwarnsystem als effektives Instrument. Im Rahmen einer Fallstudie, in der rund

100 Krisenfälle eines Unternehmens über einen Zeitraum von 40 Jahren analysiert

wurden, stellt Frank Roselieb fest: „So konnten 40 Prozent aller Krisenfälle, die durch

Bürgerinitiativen initiiert wurden, (...) noch vor dem Eintritt in die akute Krisenphase

bewältigt werden. Bei drohenden Gesetzesänderungen und Auflagen zum Nachteil

des Unternehmens waren die Lobbyisten sogar in drei von vier Krisenfällen

erfolgreich.“57

56 Samland. In: PR Report, 28.09.01, S. 14. 57 Roselieb, Frank: Frühwarnsysteme in der Unternehmenskommunikation. Manuskripte aus den Instituten für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel. Nr. 512. Kiel 1999, S.10. Basis der Befragung sind 96 Krisenfälle eines deutschen

90

Für ein umfassendes Frühwarnsystem reicht politisches Monitoring allein nicht aus.

Neben den externen Stakeholdern (inklusive Kunden, Lieferanten,

Geschäftspartnern, etc.) muss ein Frühwarnsystem auch nach innen wirken und in

ein Unternehmen oder eine Organisation hinein greifen. So ist es wichtig, dass etwa

geplante Marketing-Projekte, Werbemaßnahmen oder auch Forschungs- und

Entwicklungsschwerpunkte vor ihrer Umsetzung auf mögliche politische Folgen hin

abgeklopft werden. Massive Preisreduzierungen eines Nahrungsmittelherstellers

oder eines Handelsunternehmens können betriebswirtschaftlich sinnvoll sein.

Werden sie jedoch zu einem Zeitpunkt umgesetzt, wo die Politik, wie seit der BSE-

Krise, massiv ein Ende des Preiskampfes und ein verändertes Einkaufsverhalten hin

zu qualitativ hochwertigen und höherpreisigen ökologischen Produkten fordert,

können drastische Reaktionen der Politik und ein signifikanter Imageverlust die Folge

sein.

#Marginalie 16#

Stakeholder:

Der englische Begriff umfasst so genannte Anspruchsgruppen, d. h. Individuen oder

Interessenvertretungen, die auf Unternehmensentscheidungen oder –entwicklungen

Einfluss nehmen können. Danach sind sowohl Mitarbeiter, Kunden, die

Standortgemeinde, Umweltverbände oder Aktionäre (Shareholder) als Stakeholder

anzusprechen.

#Ende Marginalie 16#

Um ein effektives Frühwarnsystem aufzubauen, bedarf es folgender Schritte:

#Abb. 7: Verlaufsmodell Frühwarnsystem#

Unternehmens, die sich zwischen April 1954 und März 1994 ereignet haben. Alle Daten wurden erhoben durch eine breit

91

#Textrahmen#

1. Informationen zu einem oder mehreren relevanten Themenbereichen werden

systematisch gesammelt.

2. Aus dem Konglomerat der intern wie extern zusammengetragenen Informationen

werden diejenigen heraus gefiltert, die Auswirkungen auf die

Unternehmensentwicklung haben können bzw. dem Unternehmen potenziell

schaden.

3. In der Phase der Analyse gilt es, mögliche Entwicklungslinien des Themas und

deren Auswirkungen auf das Unternehmen zu prognostizieren.

4. Die Entwicklung einer Strategie hat antizipierenden Charakter, d.h. es werden

verschiedene Szenarien erarbeitet, die den Verlauf einer Krise und die daraus jeweils

resultierenden Konsequenzen aus unterschiedlichen Blickwickeln beschreiben. In

Abhängigkeit von der Priorität und der Brisanz des Themas sowie der Position des

eigenen Unternehmens dazu werden dann Maßnahmen konzipiert, die einen aktiven

oder defensiven Umgang mit dem Thema erlauben.

5. Entlang der Maßnahmen wird abschließend aus der Palette aller zur Verfügung

stehenden Instrumente eine Auswahl getroffen, die jeweils auf die einzelnen

Zielgruppen zugeschnitten ist. Alle Unterlagen werden so vorbereitet, dass sie im

Ernstfall sofort zur Verfügung stehen. Dazu gehören zum Beispiel Krisenhandbücher,

Argumentationspapiere, Pressemitteilungen, persönliche Briefe oder Internetseiten,

die im Bedarfsfall ad hoc freigeschaltet werden können.

#Ende Textrahmen#

#Kapitel 1.3#

Politisches Audit

Das politische Audit dient dazu, die Entscheidung darüber, ob, wie und mit welcher

Zielsetzung ein Sachverhalt zum Gegenstand eigener politischer

Kommunikationsmaßnahmen gemacht wird, auf eine breitere Basis als das im Hause

vorhandene Know-how zu stellen. Durch den Kontakt zu Experten und Betroffenen

und deren Einbeziehung (z.B. in Form von Round-Table Gesprächen) werden auf

der Basis wissenschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Expertisen Sachverhalte

angelegte Dokumentenanalyse und mehrstufige Expertenbefragung im betreffenden Unternehmen.

92

oder Projekte hinsichtlich ihrer Tragweite abgeschätzt, Entwicklungen in einem für

ein Unternehmen relevanten Markt ausgelotet sowie Möglichkeiten und Grenzen für

die gezielte Steuerung einer Thematik ermittelt.

#Marginalie 17#

Round-Table-Gespräche:

Round-table-Gespräche stellen eine einmalige oder regelmäßige Informations- und

Meinungsplattform dar. Sie bieten Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft die

Möglichkeit, spezielle Fragestellungen miteinander zu diskutieren und

Problemlösungen, auch fächerübergreifend, zu erarbeiten.

#Ende Marginalie 17#

#Kapitel 1.4#

Analyse

Die Analyse dient der Einschätzung von Realisierungs- und Erfolgschancen eines

Projektes. Was bei der Issues Analyse oft nur auf ein Thema beschränkt ist, greift im

Rahmen des gesamten Public Affairs Managements sehr viel weiter. Aktuelle

Beispiele liefert die Liberalisierung des Strom- und Telekommunikationsmarktes.

Fusionen oder auch Übernahmen von Unternehmensanteilen sind hier politisch so

brisant, dass im Vorfeld eine intensive Analyse notwendig ist, damit ein Konzern

nicht wirtschaftlich sowie hinsichtlich seiner Reputation Schaden nimmt. Die

Bandbreite der zu berücksichtigen Aspekte reicht dabei von nationalem und

europäischem Wettbewerbsrecht über verbraucherorientierte Preisbildungsprozesse

bis hin zu arbeitsmarktpolitischen Fragen.

#Textrahmen#

Die wichtigsten Punkte einer Public Affairs-Analyse:

- Welche wirtschaftspolitischen Bereiche tangiert das Projekt?

- Wie sehen die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

aus (national/international), von denen die Durchsetzung des Projekts abhängt?

93

- Welche Akteure sind beteiligt, welchen Hintergrund haben sie und von welchen

Interessen werden sie geleitet?

- Welche Strategien und Machtmittel können sie einsetzen, um ihre Interessen

durchzusetzen?

- Welcher Akteur wird sich ggf. durchsetzen und welche Folgen wird dies kurz-,

mittel- oder langfristig für das eigene Unternehmen haben?

- Ist das Projekt dadurch grundsätzlich gefährdet bzw. wo lassen sich

Kompromisslinien finden?

- Gibt es Handlungsoptionen, um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen und wie

können diese aussehen?

- Welche Instrumente werden dazu benötigt?

#Ende Textrahmen#

#Kapitel 1.5#

Strategie

„Die Strategie“, so formuliert Marco Althaus, „ist die Lehre vom Gebrauch der

Gefechte zum Zwecke des Krieges.“ 58 Auch wer es weniger martialisch sieht, muss

ökonomisch mit den eigenen Kräften haushalten und die Züge des

Verhandlungspartners und auch möglicher Gegner voraussehen. Dazu dient die

Strategie. Aufbauend auf der Analyse der eigenen Stärken, Schwächen, Chancen

und Risiken enthält eine Public Affairs-Strategie Themenfelder, auf denen eine

Kampagne Erfolg verspricht, Zielgruppen, deren Unterstützung effizient zu gewinnen

ist, und eine zentrale Botschaft, die zum roten Faden jeglicher Kommunikation wird.

Und sie sortiert Themen und Gruppen aus, um die nicht gerungen werden soll.

Ausgangspunkt für die Entwicklung eines zielführenden Public Affairs-Strategie ist

die umfassende Standortbestimmung von Positionen und Spielräumen im Umfeld der

involvierten Dialogpartner. Im Bereich der politischen Kommunikation ist der direkte

Weg nicht immer der Gangbare und manchmal auch nicht der Effektivste. Bei der

Erarbeitung einer Strategie und den dazugehörigen kommunikativen Maßnahmen

sind deshalb Fingerspitzengefühl und Flexibilität gefragt.

Ziel von Public Affairs ist aber nicht nur die strategische Steuerung einzelner

Projekte. Mittel- und langfristig gehört der Aufbau von effektiven und belastbaren

94

Kommunikationsstrukturen zu allen relevanten Stakeholdern zu den Kernaufgaben.

Im Klartext heißt das:

- regelmäßiges „Beackern“ der Parlamente und Exekutivbehörden auf den relevanten

politischen Ebenen (Kommune, Land, Bund, EU) durch persönliche Gespräche,

Dialog-Veranstaltungen, Fachkongresse und Parlamentarische Abende,

- Aufbau eines steten Informationsflusses durch Weitergabe von verlässlichen

Informationen aus dem Unternehmen, fachlich qualifizierte Studien oder interessante

Expertenmeinungen,

- intelligente Bündnispolitik, um mit glaubwürdigen Partnern die Überzeugungskraft

und den potenziellen Einfluss zu steigern. Je nach Thema kann dazu auch das so

genannte „Grassroots Lobbying/Campaigning“ zählen, bei dem es darum geht, breite

Bevölkerungskreise zu mobilisieren, die mit den Interessen eines Unternehmens

oder einer Organisation übereinstimmen.

#Kapitel 1.6#

Issues Management

bedeutet die aktive Steuerung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen oder

politischen Themen zur Wahrung der eigenen Interessen. (Vgl. Kapitel 2)

#Kapitel 1.7#

Lobbying

bezeichnet den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu sowie die Artikulation der

eigenen Interessen gegenüber Regierungen und Parlamenten, Behörden und

öffentlichen Institutionen sowie Verbänden und Nicht-Regierungs-Organisationen

(NGOs). (Vgl. Kapitel 2)

Entscheidend für eine wirksame Interessenvertretung ist, dass die eigenen

Argumente fundiert zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Adresse gebracht werden.

Ausgangspunkt des klassischen Lobbyings sind deshalb der Aufbau und die Pflege

von politischen Netzwerken, also die Etablierung von Kontakten zu

Bundestagsabgeordneten, Mitgliedern von Parteien und Ministerien auf regionaler,

nationaler, europäischer oder internationaler Ebene. Sie sind die Grundlage für die

Organisation des Dialogs mit Entscheidungsträgern und Meinungsführern im

58 Althaus, S. 371.

95

politischen Raum, denn sie dienen dazu, auch nicht veröffentlichte Informationen zu

erhalten und gegebenenfalls ‚rückkoppelnd‘ auf die Entscheiderebene einwirken zu

können. Dafür muss ebenfalls bekannt sein, auf welcher politischen Ebene und von

welchen Personen Entscheidungen vorbereitet werden.

Von zentraler Bedeutung kann für ein Unternehmen zusätzlich die gezielte Bildung

strategischer Allianzen mit Verbänden, Bürgerinitiativen oder auch mit Unternehmen

sein, die ähnlich gelagerte wirtschaftliche Interessen haben.

Die Möglichkeiten der direkten oder indirekten Interessenvertretung sind vielfältig.

Das persönliche Gespräch zählt ebenso dazu wie die Planung und Umsetzung von

Veranstaltungen. Parlamentarische Abende, Kongresse oder Fachseminare sind

fester Bestandteil des Lobbyings.

#Textrahmen#

Voraussetzungen für einen erfolgreichen Dialog mit Entscheidungsträgern und

Meinungsführern:

- Informationslücken füllen

- Informationsvorsprung schaffen

- Informationswege verkürzen

- Vertrauen gewinnen, glaubwürdig sein

- Nicht mauscheln und mauern

- Klarheit und Offenheit signalisieren

- Sachverstand vermitteln

- Öffentlich überzeugen

- Die richtigen Leute am richtigen Ort zusammenbringen

- Unauffällig arbeiten

(Quelle: Vgl. Handbuch PR, S. 5f.)

#Ende Textrahmen#

#Kapitel 1.8#

Presse- und Medienarbeit

96

im Bereich Public Affairs arbeitet mit Instrumenten, die aus der klassischen PR

bekannt sind. Autorenbeiträge werden genauso eingesetzt wie Pressemitteilungen,

Pressekonferenzen, Hintergrundgespräche und Journalistenreisen. Auch

Instrumente der klassischen Werbung sind denkbar. So werden auch bei uns immer

häufiger die im anglo-amerikanischen Raum weit verbreiteten sogenannten

„Advertorials“ eingesetzt – Anzeigen, in denen Unternehmen nicht für ihre Produkte,

sondern für ihre politischen Anliegen werben.

#Abb. 8: Offener Brief an den Bundeskanzler. Beispiel für ein Advertorial aus der

Flatrate-Kampagne von AOL aus dem Jahr 2000#

Presse- und Medienarbeit kann über das Umfeld der meinungsbildenden Medien

einen hohen Einfluss auf die Meinungsbildung der Politik-Entscheider haben. In

Unternehmen werden die spezifischen Besonderheiten politisch orientierter Presse-

und Medienarbeit häufig unterschätzt. So unterscheiden sich Arbeitsweise und

Erwartungshaltung politischer Journalisten signifikant von denjenigen anderer

Ressorts. Pressestellen von Unternehmen sind darauf meist nicht eingerichtet – nicht

nur bezüglich ihrer Presseverteiler, sondern vor allem hinsichtlich des Aufbaus und

des Sprachduktus ihrer Pressemitteilungen. In der Regel sind diese sprachlich durch

die allgemeine Unternehmenskommunikation und klassische Produkt-PR geprägt.

Wer sich in Politik einmischen will, muss aber deren Sprache sprechen. Oft

entscheiden Schnelligkeit und Prägnanz über Erfolg oder Misserfolg. Angesichts der

Informationsflut, die in den Politikressorts der Zeitungen und Rundfunkanstalten

gerade in parlamentarischen Sitzungswochen tagtäglich eingeht, ist vor allem eine

den politischen Nachrichten angepasste ‚druckfähige Schreibe‘ von größter

Bedeutung.

#Marginalie 18#

Produkt-PR:

97

Produkt-PR bezeichnet alle Maßnahmen der Public Relations, die das Produkt in den

Vordergrund der Information stellen. Themen der Kommunikation sind in diesem

Zusammenhang Inhaltsstoffe, innovative Techniken und neue

Nutzungsmöglichkeiten. Ziel ist die Absatzförderung. Produkt-PR ist zu

unterscheiden von Marken-PR, welche die Marke, ihre Persönlichkeit und ihre

Welten kommuniziert.

#Ende Marginalie 18#

Hinzu kommt: Politik ist ein schnelles Geschäft! Um im Ernstfall zügig agieren und

mit einer Stimme sprechen zu können, ist eine enge Verzahnung zwischen PR und

Public Affairs unerlässlich. Langwierige, über mehrere Hierarchieebenen gehende

Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren bedeuten das sichere Scheitern einer

effektiven Presse- und Medienarbeit im Bereich Public Affairs.

#Kapitel 1.9#

Krisen-PR

#Marginalie 19#

Krise:

Konfliktsituationen können durch den Gegensatz zwischen Eigeninteressen eines

Beziehungsträgers und öffentlichen/externen Interessen bzw. zwischen den

Interessen von Angehörigen einer Organisation ausgelöst werden. Krisen-

Frühwarnsysteme (Early-Warning-System, Schwachstellenanalyse) haben deshalb

im Unternehmen eine entscheidende Funktion. Sie dienen der kontinuierlichen

Motivation aller Mitarbeiter, auf potenzielle Krisenfaktoren zu achten.

Krisenkommunikation hat neben ihrer aktuell auftretenden Notwendigkeit eine

wichtige präventive Funktion.

#Ende Marginalie 19#

Als spezifisches Kommunikationsinstrument dient die Krisen-PR der Prävention

produkt- und unternehmensbezogener Risiken sowie – im Rahmen von akuten

Krisen – der Abfederung negativer Folgewirkungen.

98

Brent Spar, Holzmann oder BSE: Ereignisse, bei denen Unternehmen gehörig ins

Schleudern kamen. Krisen lauern überall und können – wenn nicht entsprechend

vorgebeugt wird – schneller ausbrechen, als man gemeinhin denkt. Unternehmen,

Behörden, Parteien, Vereine und Verbände, die sich heute noch sicher fühlen,

könnten morgen in eine brenzliche Lage geraten. Wichtig ist deshalb die

systematische Vorbereitung auf mögliche Krisensituationen und das Training für den

souveränen Umgang mit den dann notwendigen Instrumenten.

Die gestiegene Sensibilität von Politik und Medien rückt besonders die

gesellschaftliche Rolle von Unternehmen immer stärker ins Blickfeld der

Öffentlichkeit. Der Wettstreit der Medien um Auflagen und Einschaltquoten verstärkt

die Suche nach spektakulären Themen und Meldungen – der Druck auf das

Unternehmen in der Krise steigt – Fehlentscheidungen häufen sich. Die Folgen

können weit reichen – angefangen bei negativen Schlagzeilen über wirtschaftliche

Probleme mit Geschäftspartnern und Kunden bis hin zum Verlust von Renommee

und Glaubwürdigkeit in der öffentlichen wie politischen Arena. Eine empirische

Untersuchung der Universität Kiel zeigte jüngst, dass von 96 Krisenfällen immerhin

jeder dritte durch Medienberichterstattung über tatsächliches oder vermeindliches

Fehlverhalten des Unternehmens ausgelöst wurde.59

#Abb. 9: Relative Häufigkeit von Krisenursachen#

Eine langfristige strategische Planung und ein fundiertes Krisen-PR-Konzept tragen

von vornherein dazu bei, „ein Maximum von Handlungsoptionen in einer Krise zu

erhalten und daraus sogar Chancen aufzubauen“60.

Das Instrument der Krisen-PR, das ursprünglich aus dem Bereich der klassischen

PR stammt, ist heute ein grundlegender Bestandteil von Public Affairs, denn nahezu

jedes Krisenszenario zeigt Auswirkungen im politischen Raum. Daher stellt der

59 Vgl. Roselieb, S. 7. Vgl. Anm. 57. 60 Althaus, S. 365.

99

Bereich Public Affairs ein zentrales Element nicht nur der Krisen-Prävention, sondern

auch innerhalb der Krisen-Reaktion dar. Dies gilt umsomehr, als die Politik selbst

Auslöser von Krisen auf Unternehmensebene sein kann.

Der Vorteil von Public Affairs ist, dass diese Kommunikationsdisziplin ihre Wirkung

nicht erst bei Eintritt einer Krise entfaltet, sondern durch Instrumente wie politisches

Monitoring, Issues Management oder das Early Warning System Interessengruppen

und Themen mit Krisenpotential bereits im Vorfeld identifiziert.

2. Politik als Lehrmeister: Ohne Kampagnen kommt auch die Wirtschaft nicht mehr

aus

Kampagnen sind die notwendige Antwort auf die Mediatisierung von Politik und

Gesellschaft. Wer sich in der enorm ausdifferenzierten Medienlandschaft von heute

Gehör und Unterstützung verschaffen will, muss wirkungsvoll kommunizieren

können, damit seine Themen in der Öffentlichkeit verstanden werden.

Professionelles Kampagnenmanagement ist inzwischen längst nicht mehr nur auf

den harten Kern der Politik beschränkt. Nach Bürgerinitiativen, NGOs oder

Umweltaktivisten wie Greenpeace verspüren nun auch die Wirtschaft und ihre

Verbände den Wandel und sind um Kampagnenfähigkeit bemüht. Sie können dabei

von der Politik lernen. Denn in der Durchführung und Organisation von Public Affairs-

Kampagnen sind etliche Muster aus dem politischen Management anwendbar.

Aktionärsversammlungen geraten unversehens zur politischen Bühne. Attacken der

Kartellaufsicht, Verluste oder auch schon Gewinne, die hinter den Erwartungen

zurückbleiben, Umweltskandale oder Entlassungen können selbst den Großen arg

zusetzen. Diese Entwicklung spiegelt sich unter anderem in den durch die Medien

mitbeeinflussten Veränderungen – Stichwort: Inszenierung – in der Selbst- und

Außendarstellung der Unternehmen wider.

100

Dass die Medien mehr und mehr Bereiche durchdringen, die vor wenigen Jahren

noch durch ruhige Überzeugungsgespräche oder klassisches Lobbying geregelt

wurden, führt letztlich zu notwendigen Anpassungsprozessen in Art und Umfang von

Unternehmenskommunikation. Der Tatbestand, dass Unternehmen zunehmend

gezwungen sind, ihre interne und externe Öffentlichkeitsarbeit politischer und

Kampagnen orientierter zu gestalten, lässt sich aber auch aus zwei weiteren

Entwicklungen ableiten.

#Marginalie 20#

Unternehmenskommunikation:

Die Gesamtheit aller Kommunikationsinstrumente und –maßnahmen, die eingesetzt

werden, um ein Unternehmen und seine Leistungen den relevanten internen und

externen Zielgruppen darzustellen.

#Ende Marginalie 20#

Der eine liegt darin begründet, dass der in unserer Mediengesellschaft inzwischen

erreichte Grad an Transparenz die in der Gesellschaft vorhandene

Erwartungshaltung verstärkt, wonach sich Unternehmen in Anerkennung des im

Grundgesetz verankerten Grundsatzes der ‚Sozialverpflichtung des Eigentums‘

(Art.14/2 Grundgesetz) als ‚Corporate Citizen‘, d.h. als ‚gute Bürger‘ verhalten sollen.

Der zweite Grund knüpft hieran an und beinhaltet die wachsende Erkenntnis in der

Wirtschaft, dass die Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische

Diskussionsprozesse nicht mehr allein durch die Wirtschaftsverbände erfolgen kann,

wie es lange Tradition war.

Immer häufiger werden Unternehmen auch bei übergeordneten, gesellschaftlich

sensiblen und heiklen politischen Themen zur individuellen Positionierung gedrängt,

zum Teil sogar durch öffentlichen Druck gezwungen. Ein plakatives Beispiel hierfür

ist die Diskussion um die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Die

Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft für den NS-Zwangsarbeiterfonds

versuchte, durch eine gezielte Kommunikationsstrategie nicht nur die Öffentlichkeit

für das Thema zu sensibilisieren und darüber zu informieren, sondern gleichzeitig

101

neue Mitglieder zu werben, um die notwendigen fünf Milliarden Mark freiwillig

zusammen zu bekommen.61 Von besonderer Bedeutung, so der Sprecher der

Initiative, Wolfgang Gibowski, war in diesem Zusammenhang die direkte persönliche

Kommunikation im Rahmen des Kampagnenmanagements.62 Obgleich gerade die

an der Initiative beteiligten Großunternehmen über große Stäbe für

Öffentlichkeitsarbeit verfügen, stehen hier ganz im Gegensatz zur klassischen

Unternehmens-PR oder auch zur PR- und Public Affairs-Arbeit innerhalb

strategischer Allianzen, nicht Einzelaktivitäten der Teilnehmer oder deren Summe im

Mittelpunkt des Interesses. Sinn und Ziel der Initiative war vielmehr, den Blick

wegzulenken von den einzelnen Unternehmen und der Initiative im Rahmen einer

gemeinsamen Kampagne eine einheitliche Stimme nach Außen zu verleihen.

Egal ob Wahl-, Sozial- oder Wirtschaftskampagnen, im Allgemeinen verfolgen

politische Kampagnen mehr, als reine Aufmerksamkeit zu wecken. Ziel ist, Vertrauen

in die Glaubwürdigkeit der Organisation, Institution oder Firma und Zustimmung zu

den eigenen Intentionen zu erzeugen. In einer ausdifferenzierten Mediengesellschaft

müssen sich gesellschaftliche Akteure an neue Formen der politischen

Kommunikation anpassen. Das Initiieren von Kampagnen erweist sich neben einem

soliden Public Affairs Handwerkzeug als eine andere geeignete Form, um komplexe

Inhalte und Intentionen gezielt an die Öffentlichkeit zu bringen. Daraus ergibt sich in

Europa ein Trend zur Annäherung an die USA, wo in Politik und Wirtschaft der

Einsatz von professionellen ‚Campaign Managern‘ eine Selbstverständlichkeit ist.

3. Wirtschaft als Lehrmeister: Auch Politik braucht Werbung

61 Vgl. auch: www.stiftungsinitiative.de. 62 Dieses, wie auch alle nachfolgenden Zitate von Wolfgang Gibowski sind der Abschrift seines Vortrags entnommen, den er auf der von der Agentur ECC Public Affairs organisierten Konferenz "Politische Kommunikation zwischen Aufklärung und Kommerzialisierung" (17./18. November 2000 in Berlin) gehalten hat.

102

„Werbung ist für mich ein Handwerk, und ich bekenne mich dazu, dass man für

Politik werben muss.“63 Mit diesem Bekenntnis begab sich der SPD-Generalsekretär

Franz Münterfering noch im April 1998 auf dünnes Eis. Werben, verkaufen und

inszenieren waren lange Zeit Unwörter in der Politik. Bis heute haftet ihnen der Makel

des Anrüchigen und Unpolitischen an. Das Spektrum der Kritik reicht vom Vorwurf

der politischen Prostitution bis zur Sorge vor manipulativen Anschlägen auf Hirn und

Gemüt der Bevölkerung.

So ist es dann auch kein Wunder, dass die Begriffe Werbung und Inszenierung in

einschlägigen Politiklexika überhaupt nicht vorkommen. Dabei ist Werbung aus dem

Werkzeugkasten der politischen Kommunikation nicht wegzudenken. Politische

Plakate waren seit jeher ein wichtiges Instrument, mit dem Parteien um

Aufmerksamkeit geworben haben. Der Grafiker Klaus Staeck hat immer wieder

eindrucksvoll vorgeführt, welch‘ politische Debatten sie auslösen können.

Lange Zeit gingen die Vorbehalte gegenüber politischer Werbung einher mit einer

merklichen Distanz, die die Kommunikations-Branche in Deutschland der Politik

entgegen brachte. Politikwerbung – das war etwas für Parteigänger. Die „Profis“

packten dieses Feld nur mit spitzen Fingern an. Der Hinweis, nicht für Parteien zu

arbeiten, gehörte zum guten Ton.

#Kapitel 3.1#

Vorbehalte schwinden

In jüngster Zeit schwindet die gegenseitige Reserve. Der Ruf der Parteien nach

professioneller Beratung wächst. Zwar wird von Seiten der Werbe- und PR-

Wirtschaft nach wie vor zu Recht die mangelnde Kontinuität und die vielfach fehlende

63 SPD bekennt sich explizit zur Inszenierung, in: Horizont 18/1998 v. 30.04.1998.

103

strategische Orientierung von Politik-PR kritisiert. Aber das Interesse, hier für

Verbesserung zu sorgen und ein neues Geschäftsfeld zu entwickeln, ist spürbar. Im

Bundestagswahlkampf 2002 werden alle Parteien mit Agenturen antreten, die zu den

Renommierten im Landes zählen und im Kreativranking auf den ersten Plätzen zu

finden sind.

#Kapitel 3.2#

Inszenierung plus Personalisierung ist nicht gleich Entpolitisierung

Die Mediengesellschaft bringt für die politische Kommunikation tiefgreifenden

Veränderungen mit sich. In der Mediendemokratie gilt: Alle Politik ist

medienvermittelt und worüber nicht in den Medien berichtet wird, das hat nicht

stattgefunden. Politische Kommunikation unter den Bedingungen der

Mediengesellschaft bedeutet Inszenierung, bedeutet Personalisierung, bedeutet in

gewissem Umfang auch Entpolitisierung. Kampagnen können auf unterhaltsame

Elemente nicht mehr verzichten. Botschaften müssen trotz der Komplexität vieler

politischer Probleme einfacher werden.

Es gibt gute Gründe, diese Entwicklung mit Skepsis zu verfolgen. Aber zurückdrehen

wird man sie nicht können. Längst hat die Talkshow den Ortsverein ersetzt. Im

Chatroom von Sabine Christiansen wird sonntags im Anschluss an die Sendung

angeregter diskutiert, als in jeder klassischen Parteiversammlung.

Politik richtig vermitteln, ist heute mehr als Pressearbeit und Verlautbarung. Das

Instrumentarium reicht von strategischem Agenda-Setting bis zum TV-Spot. Die

Übergänge zwischen Information und Werbung sind fließend geworden. Inzwischen

104

gehört es zum guten Ton, dass Politikerinnen und Politiker in Unterhaltungsshows

mitmachen und Nebenrollen in TV-Krimis und Familienserien übernehmen.

Nicht jedem schmeckt diese Entwicklung. „Es wird immer schwieriger, Sendungen zu

benennen, in denen Politiker nicht Teil der Show sind,“ beklagt jedenfalls der CDU-

Politiker Jürgen Rüttgers. Dennoch: Politik und politische Akteure kommen nicht

umhin, sich der Medienlogik anzupassen. Die Kunst liegt darin, das richtige Mittel für

den jeweiligen Zweck optimal zu nutzen.

Politik lebt von der Überzeugung. Man kommt nicht daran vorbei, dass es Emotionen

sind, die bei den Menschen für Aufmerksamkeit sorgen. Auch für die politische

Kommunikation spielen Emotionen daher eine zentrale, in der Vergangenheit aber

meist verleugnete Rolle. Zudem schließen sich Medieninszenierung und Information

nicht automatisch aus. Inszenieren heißt in Szene setzen und ist nicht

gleichbedeutend mit vernebeln. Der Kritik an politischen Inszenierungen stehen

inzwischen wissenschaftliche Untersuchungen gegenüber, die nachweisen, dass

rezeptionsfreundliche Darbietungen nicht zwangsläufig im Widerspruch zum

demokratischen Anspruch auf seriöse Information stehen. Im Gegenteil: Über

einfache politische Werbung können auch Zielgruppen erreicht und mobilisiert

werden, die mit informationslastigen Angeboten gar nicht ansprechbar wären.

#Kapitel 3.3#

Politik als reines Theater wird es nicht geben

So notwendig und unentbehrlich ein professionelles Informations- und

Kommunikationsmanagement künftig für die Politik sein wird – ohne Inhalte wird sie

auch in Zukunft nicht auskommen. „Elcections are won by verbs – proposals for

105

action – not by adjectives which flatter a candidate“, unterstreicht Dick Morris, der

über viele Jahre den amerikanischen Präsidenten Bill Clinten beraten hat.64 Politik

ausschließlich nach Drehbuch, Politik als reines Theater ist auch in der

Mediengesellschaft irreal. Politik bleibt auch in der Mediendemokratie das „Bohren

von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß“ (Max Weber). Wer dabei

künftig Erfolg haben will, wird allerdings anders als in der Vergangenheit auf

individuelle Medienkompetenz, professionelles Medienmanagement und Werbung

zwingend angewiesen sein auf.

4. Technologischer Wandel: Das Internet als Instrument für politische Kommunikation

„President Match“ nannte der Onlinedienst AOL eine seiner zahlreichen Websites,

die den 2000er Präsidentschaftswahlkampf in den USA begleiteten. Das sehr

erfolgreiche Programm: Man loggt sich ein, teilt seine Ansichten über bestimmte

politische Themen mit – und auf dem Bildschirm erscheint die Diagnose, welcher

Kandidat diesen persönlichen Einstellungen am ehesten gerecht wird.65 Direkte

Wahlhilfe über das Internet - eine für Europäer noch befremdliche Vorstellung.

Eine andere Neuerung aus dem amerikanischen Wahlkampf war die Online-

Lifeübertragung der Wahlparteitage, im Gegensatz zum Fernsehen, in voller Länge.

Das führt zum zentralen Punkt: Internet bedeutet Information. Ob

Informationsvermittlung oder Beschaffung, das Internet bietet hier gänzlich neue

Möglichkeiten. Jeder kann seine Inhalte ins Netz und so einer weltweiten

Öffentlichkeit ungefiltert zur Verfügung stellen. Unvorstellbar zur Zeit der klassischen

64 Morris, Dick: The New Prince Machiavelli updated for the 21st Century. Los Angeles 1999, S. 32. 65 Reitze, Helmut: Wer wird Kanzler in de.land? in: Siedschlag, Alexander/Bilgeri, Alexander/Lamatsch, Dorothea (Hrsg.): Kursbuch Internet und Politik, Band 1/2001, Opladen (2001), S. 23

106

Medien. „Eine sehr demokratische Funktion“ nennt Thilo Bode, ehemals Chef von

Greenpeace International, dieses Charakteristikum des Internets.66

Wer Informationen sucht, kann im Internet aus einem riesigen und kaum

strukturierten Informationspool schöpfen. Nicht nur die Datenmenge, auch die

Geschwindigkeit, mit der Daten online gestellt oder abgerufen werden können, macht

einen entscheidenden Vorteil gegenüber klassischen Medien aus.

Neben die Information tritt die Interaktion. Auch hier ist der Vorteil offensichtlich und

lässt sich in zwei Worten fassen: schnell und preiswert. Durch die Interaktivität und

die many-to-many-Kommunikation macht das Internet, anders als die one-way-

Kommunikation der klassischen Medien, einen tatsächlichen Dialog möglich – ein

qualitativer Sprung in der Massenkommunikation.

#Marginalie 21#

Many-to-many-Kommunikation:

Beim Internet handelt es sich um eine Many-To-Many-Kommunikation, d. h. alle

Beteiligten sind potenziell sowohl Sender als auch Empfänger. Dadurch

unterscheidet es sich von den klassischen Massenmedien wie Radio, Fernsehen

oder Zeitung, die One-To-Many (und auch nur in diese Richtung) arbeiten. Das

Internet bietet als interaktives, dezentrales Netzwerkmedium die Möglichkeit, mittels

Homepages, Email, Chats, Newsgroups, und Mailinglists das Sender-Empfänger-

Schema durch zweiseitige Kommunikation aufzubrechen.

#Ende Marginalie 21#

#Kapitel 4.1#

Das demokratische System verändert sich

66Statement im Rahmen der Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin am 17.11.2000.

107

Was bedeutet dies für politische Kommunikation und Public Affairs? Am

grundsätzlichsten ist hierbei die Diskussion um e-democracy, also die Frage,

inwieweit das Internet das demokratische System, wie wir es kennen, verändern

wird.67 Die Debatte dreht sich vor allem um Themen wie direkte Demokratie,

imperatives Mandat und Volksabstimmungen. Denn unbestritten bietet das Internet

neue Möglichkeiten einer stärkeren Partizipation der Bürger am politischen

Geschehen sowie größere Bürgernähe und Transparenz der staatlichen

Organisationen. Zudem entfällt die filternde gatekeeper-Funktion der Journalisten.

#Marginalie 22#

Gatekeeper:

In der Kommunikationswissenschaft wird Journalisten die sogenannte Gatekeeper-

Funktion zugewiesen. Sie fungieren als „Schleusenwärter“ für die als wichtig

eingestuften Themen, über die in Medien berichtet wird. Sie selektieren andererseits

die „unwichtigen“ Meldungen aus. Damit sind sie maßgeblich an der Aufstellung der

gültigen „Agenda“ der Öffentlichkeit beteiligt (Agenda-Setting) und werden folglich als

wichtige Multiplikatoren im Kommunikationsprozess aufgefasst.

#Ende Marginalie 22#

Auf eher technischer Ebene setzt die Diskussion zu e-voting an. Es handelt sich

dabei um die Möglichkeit online, also auch von zu Hause aus, zu wählen. Größte

Probleme sind einerseits der zentrale Aspekt der IT-Sicherheit68 und andererseits die

Frage, ob die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Wahl, die das

Bundesverfassungsgericht ja schon bei der Briefwahl in Frage gestellt hat,

eingehalten werden können. Zudem läuft eine Wahl im Internet immer Gefahr

zwischen Online-Umfragen (e-polling) und e-commerce-Anbietern unterzugehen.

Nahezu jeder für die Public-Affairs-Arbeit relevante Stakeholder ist inzwischen über

das Internet zu erreichen und stellt wichtige Primärquellen zur Verfügung. Ob der

Download von Bundestagsdrucksachen oder die Live-Übertragung von

67 Siedschlag, Alexander / Bilgeri, Alexander / Lamatsch, Dorothea: Elektronische Demokratie und virtuelles Regieren; in: dieselben (Hrsg.): Kursbuch Internet und Politik, Band 1/2001, Opladen (2001); S.9-20. 68 Internetwahl: In weiter Ferne so nah. MIT-Studie: Wahlen per Mausklick sind Zukunftsmusik; www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/mit-studie.shtml

108

Ausschusssitzungen der Bezirksregierung Düsseldorf, ob die Stellungnahme eines

Verbands zu einem Gesetzentwurf oder das Protokoll samt Teilnehmerliste einer

Beratersitzung bei der Europäischen Kommission: Vieles ist verfügbar.

Zeitersparnis und mehr Effizienz für Public Affairs Verantwortliche und Berater sind

die Folgen. Zugleich bieten die rasante Ausbreitung des Netzes und die ansteigende

Nutzungsintensität vielfältige und innovative Wege zur Informationsvermittlung, zur

Imagebildung und zur Implementierung zielgerichteter Kampagnen.

Als Wahlkampfinstrument ist das Internet im Zuge der Modernisierung und

Professionalisierung von Wahlkämpfen inzwischen auch in Deutschland

angekommen.69 Alle Parteien haben ihre externe Präsenz im Web ebenso kräftig

aufpoliert, wie die Angebote im Intranet. Kernziel hierbei: die Steigerung der eigenen

Kampagnenfähigkeit. Das Netz dient vor allem der Effizienzsteigerung in den

Bereichen Marketing und Logistik sowie die Beschleunigung der Kommunikation

zwischen Führung und Basis.70 So können auch Anregungen von der Parteibasis

zeitnah aufgenommen und in Wahlkämpfe eingebaut werden. Es entstehen virtuelle

Ortsvereine, die bei virtuellen Parteitagen auftreten. Das bietet auch Mitgliedern, die

den weiten Weg zur nächsten Parteiversammlung scheuen, die Möglichkeit sich an

der innerparteilichen Willensbildung und am politischen Geschehen aktiv zu

beteiligen. Wie so etwas geht, haben Grüne/Bündnis 90 und CDU im Jahr 2000 mit

virtuellen Parteitagen bereits gezeigt. Selbst Nichtmitglieder können so leicht erreicht

werden, zumal das Internet den Gegenpol zum oft in traditionellen Parteien

vermuteten ‚Muff’ zu bilden scheint.

Obwohl für den im Herbst 2002 anstehenden Bundestagswahlkampf eine neue

Qualität im Online-Wahlkampf erwartet wird, sind sich die Experten doch weitgehend

einig, dass das Internet – nicht zuletzt aufgrund des digital divide71 – zunächst nur

ein Ergänzungsmedium bleiben wird.72 Bill Clintons Wahlstratege Dick Morris

69 Vgl. hierzu ergänzend: Zerfaß, Ansgar/Fietkau, Karen: Interaktive Öffentlichkeitsarbeit - Der Einsatz von Internet und Online-Diensten im PR-Management, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung der Universität Erlangen-Nürnberg (Diskussionsbeitrag Nr. 89), 1997. 70 Machnig, Matthias: Organisation ist Politik - Politik ist Organisation; in: Forschungsjournal NSB, Jg. 14, Heft 3, 2001; S. 30ff. 71 http://www.bmwi.de/Homepage/Politikfelder/Informationsgesellschaft/infogesellschaft1.jsp. 72 Dr. Uwe Jun: www.politik-digital.de/wahlkampf/bundestagswahl2002/jun.shtml.

109

erwartet allerdings spätestens ab 2010 politische Kampagnen, die durch das Internet

dominiert sein werden.73

#Marginalie 23#

Digital Divide:

Digital Divide bezeichnet das Phänomen der Spaltung einer Gesellschaft in Bürger

mit und Bürger ohne Zugang zu den modernen Informations- und

Kommunikationstechnologien (z. B. Internet). Als Differenzierungsmerkmale gelten

insbesondere Altersstruktur, Ausbildungsstand und Wohngebiet. Jüngsten

Prognosen zufolge werden 21 Millionen Personen zwischen 14 und 69 Jahren in

Deutschlands Haushalten im Jahr 2003 von der Nutzung des Internets

ausgeschlossen sein oder sich ihr verweigern.

#Ende Marginalie 23#

Noch ein andere Aspekt wird im Wahlkampf eine Rolle spielen. Nicht zuletzt

aufgrund der technischen Aufrüstung sind die Wahlkampfkosten gestiegen. Das

Internet bietet mit dem in den USA erprobten, sehr erfolgreichen e-fundraising neue

Möglichkeiten des Spendensammelns.74 In Deutschland hatte dieses Instrument

Premiere bei den Grünen. Im Wahlkampf 2001 um das Berliner Abgeordnetenhaus

richteten sie auf ihrer Website die Möglichkeit ein, per Mouseclick und Kreditkarte der

grünen Kampagne finanziell unter die Arme zu greifen.

#Kapitel 4.2#

Zukunftspotenzial E-Lobbying

73 Public Affairs Newsletter, Vol.8 No.4 2002, DLAUpstream conference special, “Concentrating on the Grassroots”, S. 1. 74 Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander: Online-Fundraising – Der Weg zu neuen Spende(r)n; in: Joos, Klemens/Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander (Hrsg.): Mit Mouse und Tastaur – Wie das Internet die Politik verändert, München (2001); S.230-243

110

Die Vorzüge des Internets – Schnelligkeit, geringe Kosten, weltweite Nutzbarkeit und

Zielgenauigkeit – machen sich längst nicht nur die Parteien zunutze. E-lobbying wird,

laut Dick Morris, das traditionelle Lobbying ablösen. Morris glaubt, dass Lobbying

sich zunehmend in der Öffentlichkeit abspielen und auf Fernsehen und Internet

basieren wird.75 Folglich benötigte ein effizientes Lobbying in Zukunft nicht mehr als

einen Computer mit Internetanschluss, wo früher nur jahrelange persönliche

Kontakte den Erfolg garantieren konnten.

Kein Wunder also, dass sich hier Interessenvertretungen als Vorreiter etabliert

haben.76 Initiativen wie Greenpeace oder ATTAC nutzen das Internet zu weltweiter

Koordination und Informationsaustausch sowie für höchst effektive Online-

Kampagnen. Ohne das Internet wäre beispielsweise die enorme Schlagkraft der

Globalisierunggegner 1999 in Seattle nicht möglich gewesen. Allein bei Greenpeace

sind weltweit rund 50.000 sogenannte ‚Cyber-Activists‘ – Mitglieder und

Nichtmitglieder – mit e-campaining beschäftigt.77 Sie stellen ‚unabhängige

Informationen‘ via Internet zur Verfügung, initiieren nach dem altbekannten

Schneeballsystem Protestaktionen via E-mail oder richten sogenannte ‚hatepages’

ein, auf denen Verbraucher ihrem Ärger über Produkte oder die Geschäftspolitik von

Firmen freien Lauf lassen können. Auch die deutschen Gewerkschaften haben

nachgezogen. So startete ver.di im März 2002 seine erste Online-Kampagne zu dem

Thema Online-Rechte.78

#Kapitel 4.3#

Unternehmen sind noch unvorbereitet

75 Public Affairs Newsletter, Vol.8 No.4 2002 “Traditional lobbying and EU national governments to become irrelevant – Morris tells EU lobbyists”, S.1 76 Davis, Richard: The Web of Politics, New York (1999), S.65ff 77 Thilo Bode auf der Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin, 17.11.2000. 78 www.onlinerechte-fuer-beschaeftigte.de

111

Wirtschaftsunternehmen treffen solche Aktionen häufig noch unvorbereitet. Denn

eine interaktive Nutzung des Netzes zur Darstellung und Vertretung der eigenen

Interessen ist bei ihnen bisher noch selten anzutreffen. Im Rahmen ihres

Internetauftritts bilden sie häufig nur repräsentativ aufgemachte brochureware ab,

statt das Netz zur eigenen Positionierung als kompetenter Ansprechpartner und zur

gezielten Allianzenbildung zu nutzen. Konsequentes Monitoring von Chatforen und

unabhängigen Newsanbietern fehlt zudem in der Regel völlig. Dabei böte das

Internet die Möglichkeit, zielgenau mit den unterschiedlichen Zielgruppen zu

kommunizieren, dank Interaktivität auf Nutzer zu zugehen und über Online-Umfragen

und Fachforen den virtuellen Austausch zu fördern.

Dem Trend in den USA folgend sehen sich Unternehmen weltweit zunehmend

Angriffen aus dem Cyberspace ausgesetzt. Die Anzahl der Verbraucherforen,

Ratgeber und Hasseiten nimmt auch hierzulande massiv zu. Das Problem (wie

generell im Internet): die Seiten haben ihre Wirkung und das völlig unabhängig vom

Wahrheitsgehalt, der darin geäußerten Meinungen. In jedem Fall haben sie das

Potenzial, Kaufentscheidungen von Millionen Konsumenten zu beeinflussen, wecken

das Interesse der klassischen Medien und können sowohl das Ansehen, als auch

den Börsenwert eines Unternehmens empfindlich beeinflussen.

Lufthansa sah sich unlängst einer solchen Online-Demonstration ausgesetzt.

Hintergrund: Die Beteiligung der Fluglinie als Carrier bei der Abschiebung von

Asylbewerbern. Ziel von Organisationen wie „Kein Mensch ist illegal“ war ein ‚Denial-

of-Service-Angriff’, also der Versuch, mittels Massen-e-mails den Lufthansa-Server

zum Absturz zu bringen. Auch wenn dieser Angriff scheiterte, werden Unternehmen

mit solcher Art des Protestes künftig häufiger konfrontiert sein, zumal die Grenzen

zwischen legitimem Protest und strafbarer Handlung hier noch nicht eindeutig

ausgelotet sind.

Zusammenfassend bleibt zu sagen: Das Internet bietet auf Grund seiner

Schnelligkeit, der Möglichkeit der exakten Ansprache und der Interaktivität für die

politische Kommunikation ein weites Feld an attraktiven Möglichkeiten. Diese

zielgerichtet, effektiv und damit auch effizient einzusetzen, um im

112

Meinungsbildungsprozess Gehör zu finden, wird die Herausforderung der nahen

Zukunft für Politikstrategen, NGOs, Unternehmen und Kommunikationsberater sein.

113

VI. Fallbeispiele

114

VI. Fallbeispiele

#Beispiel 1#

1. „Stop the Clock“ – Der Feldzug für die Flatrate

Public Affairs-Kampagne von AOL Deutschland

Ende 1999 konstatierte AOL Deutschland, dass Deutschland trotz fortschreitender

Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes bei der Internetnutzung und -

verbreitung im internationalen Vergleich weit zurücklag. Und das, obwohl das

Internet ganz oben auf der Agenda aller politischen Parteien stand.

Als größte Hürden für die Verbraucher auf dem Weg ins Internet identifizierte AOL

die im internationalen Vergleich hohen deutschen Telefongebühren sowie vor allem

das Fehlen einer Flatrate, eines günstigen Pauschaltarifs für den zeitlich

unbegrenzten Zugang zum Internet. Nach Ansicht des Unternehmens wurde dadurch

eine gesellschaftlich umfassende Nutzung des Internets in Deutschland verhindert

und damit zugleich die gesamtwirtschaftliche Dynamik beeinträchtigt. Dabei hatten

die USA – mit erschwinglichen Flatrate-Tarifen – längst die enormen Potenziale des

Internets für Wachstum, Innovation und Beschäftigung aufgezeigt.

Als entscheidendes Hindernis für günstige Flatrate-Tarife in Deutschland stellte sich

die zeitabhängige Berechnung der Durchleitungskosten im Ortsnetzbereich durch

den Ex-Monopolisten Deutsche Telekom AG heraus. Bei einem Pauschalangebot

bestand demnach für Internetzugangsdienste die Gefahr, dass die entstehenden

Kosten nicht mehr gedeckt werden konnten, weil der nach Minuten eingekaufte Preis

für die Vorleistung der Deutschen Telekom die dem Endkunden in Rechnung

gestellte Pauschale überstieg. Auf diese Weise musste sich beispielweise eine von

AOL angebotene Flatrate ab einer Nutzungsdauer von etwa 50 Stunden im Monat

zum Zuschussgeschäft für das Unternehmen entwickeln. Auch kleinere

Internetanbieter konnten im Wettbewerb nicht bestehen, wenn sie auf der

Großhandelsebene nach Minuten getaktete Zuführungsleistungen einkauften.

115

Trotz dieser offensichtlichen Problematik war das Thema bis zu diesem Zeitpunkt in

Deutschland von keinem wichtigen politischen Meinungsführer aufgegriffen worden.

Zudem war die Akzeptanz von AOL in der Politik gering. Das Unternehmen galt

damals als „amerikanischer Eindringling“, der vor allem durch lautstarke juristische

Auseinandersetzungen mit der Deutschen Telekom und deren Tochter T-Online

aufgefallen war.

#Kapitel 1.1#

Internet als Wirtschaftsfaktor

Vor diesem Hintergrund entwickelte AOL Ende 1999 die Kampagne „Stop the Clock“,

um dem Thema Flatrate sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit

Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Konzeption und Umsetzung dieser Aufgabe

oblag Dr. Gunnar Bender, Leiter Public Affairs bei AOL Deutschland, der zur

Unterstützung ECC Public Affairs Berlin beauftragte. Ziel war es, so schnell wie

möglich eine Flatrate durchzusetzen. Die Internetnutzung sollte mittels eines

günstigen Pauschaltarifs für eine größere Anzahl von Verbrauchern erschwinglich

werden. Auf diese Weise ließ sich parallel ein Beitrag für das Wachstum der

deutschen Wirtschaft leisten. Im Rahmen der Kampagne galt es:

- überzeugende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Argumente für die

Einführung einer Flatrate zu entwickeln,

- Meinungsbildner und Entscheider aus der Politik sowie der Öffentlichkeit gezielt für

das Thema zu sensibilisieren,

- die Schlüsselrolle der Deutsche Telekom transparent zu machen, die eine so

genannte Großhandelsflatrate einrichten müsste, damit Internet-Anbieter wie AOL

ihrerseits günstige, betriebswirtschaftlich vertretbare Pauschaltarife für

Endverbraucher anbieten können,

- Verbündete im politischen und wirtschaftlichen Umfeld zu gewinnen

- und Allianzen mit relevanten Zielgruppen zu schließen.

116

Der Maßnahmenkatalog reichte von Hintergrundgesprächen mit hochrangigen

Politikern und (Fach-) Journalisten über systematische Allianzenbildung, eigene

Veranstaltungen (Kongresse, Vortragsreihen, Messe-Events), die Erstellung

wissenschaftlicher Studien, die Platzierung von AOL-Repräsentanten bei öffentlichen

Foren, das Schalten von Anzeigen bis hin zu umfassender Presse- und Medienarbeit

inklusive einer Informationsreise für Journalisten nach Großbritannien.

Wichtigste Zielgruppe war die Politik mit Vertretern der Regierung sowie der

einzelnen Parteien auf Bundes-, Landes- sowie Regionalebene. Zur Ansprache

wurde systematisch ein politisches Kontakt- und Informationsnetzwerk aufgebaut.

Dabei galt es, Dialogorientierung, Kooperationswillen sowie Themenkompetenz des

Unternehmens zu unterstreichen. Zudem wollte AOL mit der Deutschen Telekom

gleichziehen, die als ehemaliges staatliches Unternehmen über ein solides Netzwerk

in der Politik verfügte.

Auch Wirtschafts- und IT-Journalisten stellten für AOL eine wichtige Zielgruppe dar.

Im Rahmen von Hintergrundgesprächen, Redaktionsbesuchen, Pressekonferenzen

und Mailings sollte der Zusammenhang zwischen einem günstigen Internetzugang

und mehr Wirtschaftswachstum vermittelt werden.

Um die Sachdiskussion inhaltlich besser steuern zu können, verstärkte AOL sein

Engagement in Fachverbänden und bildete strategische Allianzen, nicht nur

branchenintern, sondern auch mit Verbraucherverbänden und Initiativen. Im Verbund

mit ihnen positionierte sich AOL als „Anwalt der Verbraucher“ und stärkte gleichzeitig

seine Position als Trendsetter für E-Commerce und E-Communication.

#Kapitel 1.2#

Eine Studie zum Auftakt

117

Den Auftakt von „Stop the Clock“ bildete Anfang Februar 2000 die Veröffentlichung

einer im Auftrag von AOL an der Universität Potsdam erarbeiteten

wissenschaftlichen Studie. Die Untersuchung belegte die Bedeutung der Flatrate als

Motor für Ausbildung, Innovation, mehr Arbeitsplätze, wirtschaftliche Prosperität und

damit für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Daran anknüpfend schaltete AOL in allen großen Zeitungen ganzseitige Anzeigen.

Darin forderte der damalige CEO von AOL Europe, Uwe Heddendorp,

Bundeskanzler Schröder auf, für mehr Wettbewerb auf dem Internet-Markt zu

sorgen. Ein Appell, der ankam: Wenige Tage später stattete der Bundeskanzler auf

der CeBIT 2000 nicht nur der Deutschen Telekom, sondern auch AOL einen Besuch

ab. In einem weiteren Schritt wurde die Studie an alle Gesprächspartner aus der

Politik sowie an andere relevante Entscheider gesendet.

Im April sponserte AOL eine Fachkonferenz zum Thema „Removing E-Barriers“. Im

Rahmen der Konferenz wurde über bestehende Internet-Zugangshürden diskutiert.

Im Juni des Jahres sponserte AOL die Jahreskonferenz des Bundesverbandes der

Deutschen Industrie (BDI) und war dort mit einer großen AOL-Zone samt Internet-

Café präsent. Bei beiden Veranstaltungen nahm das Unternehmen die Möglichkeit

wahr, persönliche Kontakte mit führenden Wirtschaftsvertretern und Mitgliedern der

Bundesregierung zu knüpfen. Diese Begegnungen wurden ergänzt durch zahlreiche,

über das Jahr verteilte Hintergrundgespräche der AOL-Spitze mit Bundesministern,

führenden Landespolitikern und sonstigen wichtigen politischen

Entscheidungsträgern.

#Kapitel 1.3#

Allianzenbildung als strategischer Schlüssel

118

Im Rahmen der Allianzenbildung forcierte AOL seine Aktivitäten in der Initiative D21

und im Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten, um

zentrale Initiativen im Bereich der IT-Entwicklung in Deutschland mit gestalten zu

können. Zudem war AOL seit Jahresbeginn im Gespräch mit der Bürgerinitiative

„Internet ohne Taktung“, die sich im Herbst 1999 in Berlin gegründet hatte. Um die

Gruppe der Befürworter der Flatrate zu erweitern und ein größeres Maß an

öffentlicher Aufmerksamkeit zu generieren, wurde im Juni auf Initiative von AOL und

IoT die „Internetkoalition für die Großhandelsflatrate“ ins Leben gerufen.

Gründungsmitglieder waren neben AOL und IoT das Europäische Institut für

Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Universität Potsdam, das Internet-

Unternehmen dooyoo.de, der Internet-Sprecher der CDU, Thomas Heilmann, sowie

der Internet-Provider freenet.de AG, dessen Beteiligung verdeutlichte, dass eine

Flatrate kein alleiniges AOL-Anliegen ist. Erstmals präsentierte sich diese Koalition

im Juni 2000 der Öffentlichkeit. In den folgenden Wochen schlossen sich wichtige

Politiker sowie weitere Technologieunternehmen an.

Zur öffentlichen Debatte über die Notwendigkeit einer Flatrate nutzte AOL auch das

eigene AOL-Internetangebot. In die interaktive Internet-Sendung „AOL-Live“ wurden

neben Stars aus Film, Funk und Fernsehen auch immer wieder Politiker eingeladen,

die u. a. auch zur Entwicklung des Internets und ihrer Haltung zur Flatrate befragt

wurden (u. a. Roland Koch und Wolfgang Thierse).

#Kapitel 1.4#

Europäische Nachbarn als Vorbild

Mit Blick auf anstehende Entscheidungen der zuständigen Regulierungsbehörde

(RegTP) zur Flatrate verstärkte AOL seine Aktivitäten nach der parlamentarischen

Sommerpause. Dabei fokussierten sich die Maßnahmen darauf, die positive Flatrate-

Entwicklung in Großbritannien bekannt zu machen und die Öffentlichkeit von der

119

Notwendigkeit einer Großhandelsflatrate analog zum britischen FRIACO-Modell zu

überzeugen. Dieses Modell war im Frühjahr 2000 von der britischen

Regulierungsbehörde erlassen worden und hatte in Großbritannien einen

regelrechten Flatrate-Boom ausgelöst. In Namensartikeln in renommierten Medien

erläuterte Uwe Heddendorp, warum eine Flatrate gerade mit Blick auf das von der

Regierung aufgelegte Programm „Internet für alle“ essentiell ist und listete die

ökonomischen Vorteile einer Flatrate auch für den Wettbewerber T-Online auf.

Ergänzend dazu organisierte AOL im November eine Journalistenreise nach London.

Die Reise diente dazu, deutsche Fachjournalisten über Hintergründe und

Auswirkungen des Flatrate-Urteils der britischen Regulierungsbehörde OFTEL vom

März 2000 zu informieren.

Unterstützt wurde AOL in dieser Zeit durch Aktivitäten von strategischen

Bündnispartnern, zu denen im Laufe des Jahres systematisch Kontakte geknüpft

wurden. So organisierten die Bürgerinitiative IoT (Internet ohne Taktung) und die

Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände Anfang November gemeinsam eine

bundesweit wahrgenommene Übergabe von 40.000 gesammelten Unterschriften bei

der Regulierungsbehörde, mit denen Verbraucher ihrer Forderung nach einer

Flatrate Nachdruck verliehen hatten. Zudem schaltete die Initiative bundesweite

Anzeigen pro Flatrate.

#Kapitel 1.5#

Sichtbare Erfolge

Am 15. November 2000 verpflichtete die Regulierungsbehörde die Telekom zum

Angebot einer Großhandelspauschale. Mit dieser Entscheidung konnte AOL einen

bedeutsamen Erfolg in seinem Kampf um die Flatrate verbuchen. Auch das

öffentliche Meinungsbild zum Thema Flatrate hat sich durch die Kampagne

120

grundlegend verändert. Waren Pauschaltarife für das Internet zum Jahreswechsel

2000 sowohl in der Politik als auch in den Medien nicht der Rede wert, so gewann

das Thema im Verlauf der Kampagne zunehmend an Aufmerksamkeit. Meßbarer

Erfolg ist die seit Sommer 2000 deutlich gewachsene Zahl an positiven öffentlichen

Stellungnahmen zur Flatrate. Die Forderung nach kostengünstigen Pauschalpreisen

für das Internet hat Einzug gehalten in die Programme aller wichtigen Parteien im

Deutschen Bundestag und wird von zahlreichen Mitgliedern des Parlaments

vertreten. Selbst der Bundeskanzler hat sich in die Debatte eingeschaltet. Im

Sommer 2001 nannte er die Flatrate „eine gute Sache“ und appellierte an die

beteiligte Wirtschaft, Regelungen zu finden, „damit das Internet preiswerter wird“.

Der Erfolg von AOL spiegelt sich auch in einer unveröffentlichten Befragung eines

Wettbewerbers unter deutschen Politikern wider. Danach war AOL im Jahr 2000

ähnlich präsent in der Politik wie lang etablierte Unternehmen, z. B. IBM und

Microsoft. Bei der regelmäßigen Information durch Mailings und Newsletter lag das

Unternehmen sogar deutlich an der Spitze.

Die Medienresonanzanalyse ergab zudem, dass AOL in der öffentlichen Meinung

positiv als treibende Kraft in der Auseinandersetzung um eine Ausweitung der

Internetnutzung und der Reduzierung der Kosten anerkannt und in Bezug zur

Telekom als agierender Part angesehen wurde.

Nicht zuletzt wurde mit der Kampagne auch auf wissenschaftlicher Seite eine breite

Diskussion über das Thema Flatrate und die Ursachen der vergleichsweise geringen

Internetnutzung in Deutschland angestoßen.

#Kapitel 1.6#

Ziel erreicht?

121

Da die Deutsche Telekom – wie erwartet – gegen diese Auflage Einspruch einlegte,

wurde die „Stop the Clock“-Kampagne mit einer Vortragsreihe in Universitäten,

Journalistengesprächen in zentralen deutschen Medienstädten, Fachkongressen,

Vergabe von weiteren Studien über die sozialen und ökonomischen Auswirkungen

der Internets und der Eröffnung eines eigenen politischen Verbindungsbüros in Berlin

ins Jahr 2001 verlängert. Das juristische Verfahren war im Winter 2001/2002 noch

nicht abgeschlossen. Daher setzte AOL sein Engagement für eine Flatrate mit einer

Nachfolge-Kampagne fort.

#Beispiel 2#

2. Flagge zeigen für den Klimaschutz: e-mission 55 – business for climate

Eine Initiative der internationalen Wirtschaft

#Kapitel 2.1#

Die Herausforderung

Im Juli 2001 trafen sich die 168 Unterzeichnerstaaten des Kyoto-Protokolls zum UN-

Klimagipfel im Bonn. Dieser Gipfel hatte zum Ziel, die Details des Abkommens von

Kyoto zu klären, um es im Anschluss durch die nationalen Regierungen zu

ratifizieren.79 Mindestens 55 Staaten, die insgesamt 55 Prozent der Industrieländer-

Emissionen repräsentieren, mussten der Reduzierung von Treibhausgasen

zustimmen. Der Erfolg war jedoch ungewiss, weil US-Präsident George W. Bush mit

seinem kategorischen Nein das Kyoto-Protokoll in Frage stellte.

79 Im Kyoto-Protokoll wurde 1997 verpflichteten sich die Industriestaaten, ihre Emissionen wichtiger Treibhausgase zwischen 2008 und 2012 um mindestens fünf Prozent unter das Niveau von 1990 u senken. Es wurde auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention verabschiedet.

122

Um das Ziel der Konferenz zu unterstützen, wurde im Vorfeld der Konferenz

„e-mission 55 – business for climate“ ins Leben gerufen – als Initiative der

internationalen Wirtschaft für den Klimaschutz. Initiatoren waren e5 (European

Business Council for a Sustainable Energy Future)80, Germanwatch81 und der

WWF82. Ziel war es, mindestens 55 Unternehmen zu finden, die sich aktiv für das

Kyoto-Protokoll und seine Ratifizierung einsetzen. Würde es möglich sein, das in

mehrjährigen internationalen Verhandlungen mühsam erarbeitete erste weltweite

Abkommen zum Klimaschutz vor dem Scheitern zu bewahren?

Dazu mussten die Delegationen innerhalb kürzester Zeit von den wirtschaftlichen

Vorteilen des Klimaschutzes überzeugt werden. Unterschiedliche Sichtweisen der

Vertragsstaaten sollten in ein gemeinsames Abkommen münden. Insbesondere

Japan spielte eine Schlüsselrolle, um die notwendigen 55 Prozent Industrieländer-

Emissionen zu erreichen.

#Kapitel 2.2#

Das Projekt – Die Klimaerklärung der Wirtschaft

Bis 1996 waren Wirtschaftsvertreter auf den UN-Klimaverhandlungen nur als Gegner

eines Klimaschutzabkommens aktiv. Um denjenigen Unternehmen, die dem

Klimaschutz positiv gegenüberstehen, eine Stimme zu geben, war 1996 e5 gegründet

worden. Denn im Laufe der Zeit haben immer mehr Unternehmen die wirtschaftlichen

Vorteile entdeckt, die international einheitliche Regelungen sowie der im Kyoto-

Protokoll vorgesehene Emissionshandel mit sich brächten. Darüber hinaus war und

80 Der „European Business Council for a Sustainable Energy Future“ ist ein Zusammenschluss von Unternehmen und Institutionen, die sich für die Verbesserung des Klimaschutzes einsetzen. „e5“ wurde 1996 gegründet und hat rund 80 Mitglieder. Vgl.: www.e5.org. 81 Germanwatch ist eine bundesweit tätige Nord-Süd-Initiative, die sich neben dem Klimaschutz auch mit Fragen der Entwicklungspolitik und des Welthandels beschäftigt. Vgl. www.germanwatch.org. 82 Der World Wide Fund for Nature Deutschland besteht seit 1963 als unabhängige Stiftung mit rund 240.000 Mitgliedern und Förderern. Vgl. www.wwf.de.

123

ist die Wirtschaft an einem Mitspracherecht interessiert, da sie einen Großteil der

umweltpolitischen Beschlüsse umzusetzen hat.

Obwohl die UN-Klimaverhandlungen nur zwischen den Staaten geführt werden, ist

der Einfluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nicht zu unterschätzen, da

sie als offizielle Beobachter zugelassen sind. Unterschieden wird zwischen

Organisationen der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Medien und

Umweltaktivisten spielen ebenfalls eine große Rolle, da sie wiederum auf ihre

jeweiligen Regierungen einwirken.

Vor diesem Hintergrund wollen die Initiatoren von „e-mission 55 – business for

climate“ die Bonner Klimakonferenz nutzen und den politischen

Abstimmungsprozess mit einer „Klimaerklärung der Wirtschaft“ unterstützten. Dafür

bediente sich die Initiative zwei zentraler Botschaften:

- Mit mindestens 55 Unterzeichnern (korrespondierend zur notwendigen Zustimmung

von mindestens 55 Staaten) sollte klar werden, dass sich die Wirtschaft

gleichermaßen wie die Politik um den Klimaschutz bemüht.

- Zweitens ging es darum, vor aller Welt zu demonstrieren, dass große Teile der

internationalen Wirtschaft hinter dem Kyoto-Protokoll von 1997 stehen und die

erforderlichen Maßnahmen für einen wirksamen Klimaschutz mittragen.

Wichtig war dabei von Anfang an die enge Kooperation mit NGOs wie dem World

Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch. Das gemeinsame Auftreten von

Umweltbewegung und Wirtschaftsinitiative betonte den Kerngedanken von

e-mission 55: für die Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen Strategien für

globale Probleme bedarf es einer umfassenden Zusammenarbeit.

#Kapitel 2.3#

Die Initiative wächst

124

Innerhalb von nur fünf Wochen – noch ohne systematische Öffentlichkeits- und

Public Affairs Arbeit – gewann e-mission 55 die angestrebte Zahl von 55

Unterzeichnern. Darunter die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Bahn AG, Ricoh,

der Gerling-Konzern, ABB, der Otto Versand, die SolarWorld AG, die Stadtwerke

Bonn, die Versiko AG sowie die Kölner Verkehrsbetriebe. Auch die auf Nachhaltige

Entwicklung spezialisierte Agentur ECC Kohtes Klewes Bonn schloss sich der Aktion

an. Sie entwickelte das weitere Kommunikationsprogramm von e-mission 55 und

steuerte und den weiteren Prozess.

Um über die Mindestzahl von 55 Unterzeichnern hinaus weitere Unterstützung für e-

mission 55 zu organisieren, wurden vier Maßnahmenpakete definiert und

ausgearbeitet:

1. Etablierung und Bekanntwerden von e-mission 55 in der Öffentlichkeit durch

Information.

2. Überzeugungsarbeit bei Unternehmen und Politik.

3. Schaffung einer Kommunikationsplattform für alle Beteiligten.

4. Aufbau eines Netzwerkes.

Für die Umsetzung wurde eine breite Palette von Instrumenten eingesetzt:

#Direkter Dialog.# Die Initiatoren nutzten ihre Kontakte zu Unternehmen, um diese

direkt anzusprechen und zu informieren. Im Schneeballsystem setzte sich das

Kontaktmanagement fort.

#Mailings.# Aufbau und Pflege von speziellen Verteilern, über die potenzielle

Unterstützer erreicht werden konnten. Die Platzierung der Initiative in

themenrelevanten E-Mail-Newslettern (aus den Bereichen Klima, Ökologie und

Wirtschaft) erwies sich an dieser Stelle als besonders hilfreich.

#Pressekonferenz.# Im Vorfeld des Gipfels wurden Pressekonferenzen genutzt, um

die Medien in die Dialogprozess einzubeziehen und auf diese Weise jene

Unternehmen zu unterrichten, die nicht durch Mailings und direkte Ansprache

erreicht werden konnten.

#Gezielte Medienansprache.# Zu einigen als besonders wichtig identifizierten

Medien wurde ein direkter Kontakt aufgebaut und Interviewtermine vereinbart.

125

#Einbindung in Unternehmens-PR.# Die aktiveren Unterstützer integrierten ihr

Engagement in die eigene Unternehmenskommunikation. So produzierte die

Deutsche Bahn eine Broschüre, die vor und während der Konferenz in Intercitys

ausgelegt wurde. Die Bonner Stadtwerke plakatierten in Bussen und Straßenbahnen.

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Insgesamt wurden bis zum Bonner

Klimagipfel 148 Unternehmen aus aller Welt für die Initiative gewonnen, darunter

Firmen aus der EU, aus Japan und aus den USA. Dabei war es von Vorteil, dass

e-mission 55 als loser, interessengebundener Zusammenschluss aufgetreten ist. Die

Unternehmen wurden zu einer kurzfristigen inhaltlichen Zusammenarbeit

aufgefordert. Eine Verpflichtung zu einer langfristigen Mitgliedschaft war damit nicht

verbunden.

Diese Form der kurzfristigen themenorientierten strategischen Allianzen zur

Durchsetzung von Interessen dürfte in Zukunft eine noch größere Bedeutung

gewinnen, weil auf diese Weise schneller und zielgenauer und unter klaren

Zielvorgaben agiert werden kann.

#Kapitel 2.4#

Der Bonner Klimagipfel – Lobbying mit Erfog

Mit der Konstitution und dem erfolgreichen Ausbau von e-mission 55 war die

Kampagne aber noch nicht zu Ende. Der nächste entscheidende Schritt war, die

Anliegen von e-mission 55 auf der Klimakonferenz vorzubringen und auf diese Weise

ihre Inhalte und ihr Anliegen auch in Richtung Politik bzw. Klimakonferenz zu

kommunizieren. Nur so war letztlich das primäre strategische Ziel zu realisieren, dem

Kyoto-Protokoll zum Erfolg zu verhelfen.

126

Hierfür wurde der Delegationsstatus von e5 von entscheidender Bedeutung, denn er

ermöglichte den Zugang zum Konferenzgelände und damit zu den Unterhändlern. .

Mit zehn bis zwölf Vertretern war e-mission 55 während der Konferenz ständig vor

Ort. Die Präsenz von e-mission 55 war bei allen wichtigen Anlässen gegeben. Dazu

zählten Hintergrundgespräche mit Delegationen und Medienvertretern sowie

Briefings und Strategieabstimmungen mit anderen NGOs.

Die e-mission 55 Vertreter nutzten alle sich bietenden Gelegenheiten, um neue

Kontakte zu knüpfen und hierbei über ihr Anliegen zu diskutieren. Von besonderer

Wichtigkeit war der direkte Kontakt zu strategisch bedeutenden Delegationen, zum

Beispiel den Vertretern Japans und der EU. Medienvertreter wurden direkt im

Pressezentrum angesprochen. Vertiefend wurde Informationsmaterial für alle

Gipfelteilnehmer verteilt. Insgesamt konnte auf diese Weise während der Konferenz

die Botschaft der „Wirtschaft für den Klimaschutz“ über verschiedenste Kanäle in die

laufende Debatte eingespeist werden.

Ein Höhepunkt der e-mission 55 Lobbying-Aktivitäten stellte ein Empfang für die

Delegierten mit anschließendem Abendessen dar. Als Gastredner wurde dafür

Bundesumweltminister Jürgen Trittin gewonnen. Der Empfang war für alle

Teilnehmer des Klimagipfels offen, und über 500 der 7.000 Gipfel-Teilnehmer

nutzten das Angebot. Dagegen wurde das begleitende Abendessen nur für einen

geschlossenen Teilnehmerkreis vorgesehen. So erhielten die Protagonisten von

e-mission 55 die Gelegenheit, mit den als zentrale Entscheider identifizierten

Delegationsmitgliedern einen intensiven Gedankenaustausch zu suchen und einen

direkten Kontakt herzustellen.

#Kapitel 2.5#

Resultat und Ausblick

127

Die Bonner UN-Klimaschutzkonferenz ist ein Erfolg geworden – für den Klimaschutz

und für e-mission 55. Der Kompromiss mit Japan ermöglichte es, das Kyoto-Protokoll

auch ohne die USA zu ratifizieren. Verständlicherweise waren deshalb die Initiatoren

und die unterstützenden Unternehmen von e-mission-55 mit dem Ausgang ihrer

Mission in Sachen Klimaschutz sehr zufrieden. e-mission-55 ist von den Vertretern

der UN wahrgenommen und damit ein Bestandteil des Meinungs- und

Willenbildungsprozesses dieses internationalen Gremiums geworden.

128

VII. Anhang

129

1. Literaturverzeichnis

1. Akalen, Ann-Kathrin: „Das Ohr am Brüssler Boden“. In: PR-Magazin. August 2001.

S. 24.

2. Althaus, Marco (Hrsg.): Kampagne. Neue Strategien für Wahlkampf, PR und

Lobbying. Münster 2001.

3. Avenarius, Horst: Public Relations. Die Grundformen der gesellschaftlichen

Kommunikation. 2. überarb. Aufl. Darmstadt 2000.

4. Bode, Thilo: „Zwischen Aufklärung und Kommerzialisierung“ auf der

Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin. In: PR Report. 26.01.2000. S. 11-

15.

5. brand eins. Schwerpunkt-Thema Glaubwürdigkeit. Heft 8/2001.

6. Burgmer, Inge-Maria: Die Zukunft der Wirtschaftsverbände. Bonn 1999.

7. Davis, Richard: The Web of Politics. New York 1999.

8. Drucker, Peter F.: The Information Executives Truly Need. New York 1995.

9. Eschenburg, Theodor: Herrschaft der Verbände?. Stuttgart 1955.

10. Europäische Kommission: Weißbuch „Europäisches Regieren“, KOM (2001) 428

endgültige Fassung.

11. Frey, Rainer/Manthey, Dirk: Kommunikative Vernetzung und politische

Steuerung. Politik und Verwaltung in der Kommunikationsrevolution. In: Stolorz,

Christian/Göhner, Reinhard (Hrsg.): Globalisierung und Informationsgesellschaft.

Herausforderungen unserer Zeit. Münster 2000, S. 36-48.

12. Galbraith, John Kenneth: Anatomie der Macht. München 1987.

13. Gellner, Winand/Strohmeier, Gerd: Netzwahlk(r)ampf – Die Wahlkommunikation

im Internet. In: Holtz-Bacha, Christina: Wahlkampf in den Medien – Wahlkampf mit

den Medien. Opladen (u.a.) 1999, S.89-111.

14. Gibowski, Wolfgang: "Zwischen Aufklärung und Kommerzialisierung" auf der

Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin. In: PR Report, 26.01.2000. S. 11-

15.

130

15. Gräf, Peter Leo: Lobbyarbeit klein und wendig. Immer mehr Unternehmen

vertreten ihre Interessen direkt bei der Regierung – vorbei an den Verbänden“. Iin:

Wirtschaftswoche, Nr. 38, 13. 09.2001, S. 37-39.

16. Grunenberg, Nina: „Die Mächtigen schlau machen. Einflüstern, steuern,

manipulieren. In der Hauptstadt boomt das Geschäft der Besserwisser“. In: Die Zeit.

05.07.2000 Nr. 28.

17. Hennis, Wilhelm: „Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik“, Aufsatz von

1964. Nachdruck in Berliner Republik 1/2002.

18. Holtz-Bacha, Christina: Wahlkampf in den Medien – Wahlkampf mit den Medien.

Opladen (u.a.) 1999.

19. Jahn, Nico-Alexander/Brockhöfer, Peer: Issue Management als Public Affairs

Tool. In: PR Report, 28.09.01.

20. Joos, Klemens/Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander (Hrsg.): Mit Mouse und

Tastaur – Wie das Internet die Politik verändert. München 2001.

21. Köppl, Peter: Public Affairs Management. Strategien und Taktiken erfolgreicher

Unternehmenskommunikation. Wien 2000.

22. Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander: Online-Fundraising – Der Weg zu neuen

Spende(r)n. In: Joos, Klemens/Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander (Hrsg.): Mit

Mouse und Tastaur – Wie das Internet die Politik verändert. München 2001, S.230-

243.

23. Leif, Thomas: Macht ohne Verantwortung. Medien-Disput der Friedrich Ebert-

Stiftung vom 9.11.2000 in Mainz.

24. Machnig, Matthias: Organisation ist Politik - Politik ist Organisation. In:

Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 14, Heft 3, 2001, S. 30ff.

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Social Arena. Defining the Competitive Environment. Westport 1996.

26. Mavridis, Thomas: Mehr als Event-Management und Theater. Politische

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29. Merten, Klaus/Schmidt, Siegfried J./Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die

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30. Merten, Klaus: Wirkungen von Kommunikation. In: Ders./Schmidt, Siegfried

J./Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien, Opladen 1994, S.

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31. Meyer, Thomas: Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien.

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32. Miegel, Meinhard: Die neue Hauptstadt: Künftige Metropole oder nur politisches

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37. Pischke, Theo: Wissen ist Macht. In: Die Woche, 24. März 2000.

38. BASF und Emnid legen die erste Firmen-Studie zum Verhältnis von Wirtschaft

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39. Public Affairs Newsletter: Traditional lobbying and EU national governments to

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40. Public Affairs Newsletter: DLAUpstream conference special, “Concentrating on

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41. Rainer.Olaf: Politikverflechtung. In: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der

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42. Reitze, Helmut: Wer wird Kanzler in de.land? In: Siedschlag, Alexander/Bilgeri,

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43. Ries, Florian: Lobbyismus im Zeitalter der Globalisierung. In: PR-Guide, 06/2000.

44. Roselieb, Frank: Frühwarnsysteme in der Unternehmenskommunikation.

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45. Samland, Detlev: „Ansatz zur Freiheit – Europas Parlament stemmt sich gegen

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46. Samland, Detlev: Wo sich beim Lobbying die Spreu vom Weizen trennt. Interview

mit Peer Brockhöfer. In: PR Report, 28.09.2001.

47. Sarcinelli, Ulrich (Hrsg): Politikvermittlung und Demokratie in der

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48. Schilmöller, Dirk: Public Affairs Management. Ein Vergleich der praktischen

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49. Schulte-Döinghaus, Uli: Public Affairs à la carte. In: W&V 36/2000.

50. Schulze-Fürstenow, Günther/Martini, Bernd-Jürgen (Hrsg.): Handbuch PR.

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51. Siedschlag, Alexander/Bilgeri, Alexander/Lamatsch, Dorothea: Elektronische

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52. Stolorz, Christian/Göhner, Reinhard (Hrsg.): Globalisierung und

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53. Ullmann, Hans-Peter: Interessenverbände in Deutschland. Frankfurt am Main

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54. Walter, Franz/Dürr, Tobias: Die Heimatlosigkeit der Macht. Wie die Politik in

Deutschland ihren Boden verlor. Berlin 2000.

55. Wiebusch, Dagmar: Politische Kommunikation. Gratwanderung zwischen

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56. Zerfaß, Ansgar/Fietkau, Karen: Interaktive Öffentlichkeitsarbeit - Der Einsatz von

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Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung der Universität Erlangen-

Nürnberg (Diskussionsbeitrag Nr. 89), 1997.

2. Links

1. www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/mit-studie.shtml

133

2. www.derriere.de/National/ThinkTankd.htm: Think Tanks – Herkunft, Hintergrund

und Rolle der Politikberatungsagenturen. 07.10.01.

3. www.e5.org

4. www.germanwatch.org

5. www.magazin-deutschland.de/content/archiv/archiv-ger/00-03/art3.html: Think

Tanks in Deutschland. Beratung für die Politik. 23. November 2001.

6. www.onlinerechte-fuer-beschaeftigte.de

7. www.politik-digital.de/wahlkampf/bundestagswahl2002/jun.shtml

8. www.stiftungsinitiative.de

9. www.wwf.de

3. Bildverzeichnis (Grafiken)

1. Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft

2. Verlaufsmodell Issues Management

3. Schematische Darstellung der Gesetzgebung in Deutschland auf Bundesebene

4. Schematische Darstellung des Prozessverlaufs bei Anrufung des

Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren

5. Die Organe der Europäischen Union

6. Schematische Darstellung der Gesetzgebung in der Europäischen Union

7. Verlaufsmodell Frühwarnsystem

8. Offener Brief an den Bundeskanzler. Beispiel für ein Advertorial aus der Flatrate-

Kampagne von AOL aus dem Jahr 2000

9. Relative Häufigkeit von Krisenursachen

10. e-mission 55: Illustration der Stimmenverhältnisse und der erforderlichen

Mehrheit zur Verabschiedung des Kyoto-Protokolls