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Nr. 4 | 32. Jahrgang 2002 | Biologie in unserer Zeit | 261 | RÄTSEL man die zuvor in heißes Wasser ge- tauchten Früchte zum „Schwitzen“ in wollene Tücher ein. Der freigesetzte Wirkstoff schlägt sich dabei in Form feiner Kristallnadeln auf den schwarz werdenden „Schoten“ nieder. Der in den Früchten enthaltene Milchsaft verwandelt sich in eine balsamartige Masse mit intensivem Duft. Deshalb wird auch heute noch das natürliche Produkt dem leicht und billig synthe- tisch herzustellenden vorgezogen. Das beste Gewürz kommt von der ostafrikanischen Insel Réunion (früher Ile de Bourbon). Verwandte Arten von den Karibischen Inseln werden ebenfalls genutzt, sind aber minderwertig. Frage: Wie heißt die Pflanze mit ihrem deutschen und ihrem wissen- schaftlichen Namen? Manfred Keil, Neckargemünd Abbildung) ausweist. Jede Blüte ist nur einen Vormittag lang geöffnet. Während dieser Zeit müssen die Pollenpakete (Pollinien) auf die Narbe übertragen werden. Bei Wild- pflanzen besorgen dies bestimmte Bienen- und Kolibriarten. In Kulturen außerhalb Mittelamerikas musste früher künstlich bestäubt werden, wobei viel Geschick dazu gehörte, die Pollinien mit einer Feder oder einem Stäbchen richtig zu platzieren. Heute überlässt man die Bestäubung wieder den passenden Bienen, die inzwischen in allen Anbauländern eingeführt worden sind. Als Früchte entwickeln sich 15 bis 25 Zentimeter lange Kapseln, die bei der Reife zweiklappig aufsprin- gen und die irrtümlicherweise als „Schoten“ bezeichnet werden. Sie enthalten (wie bei Orchideen üblich) viele tausend winzige Samen. Sobald sich die Früchte vor dem Öffnen von Grün nach Gelb verfärben, werden sie abgeschnitten. In diesem Zustand sind sie völlig geruchlos, da der würzige Aromastoff noch in glykosi- discher Bindung vorliegt. Erst durch geeignete Fermentierungsprozesse wird er abgespalten. Dazu wickelt Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 5. August 2002 an die Redaktion „Biologie in unserer Zeit“, Scharhofer Straße 16, 68307 Mannheim. Verlost wird dreimal … In Heft 3/2002 suchten wir: Sepia Gewonnen haben Dr. Frieder Zimbelmann, Weingarten Maren Radicke, Bonn Siegfried Brenzel, Castrop-Rauxel Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. FÜR UNSERE RÄTSELFREUNDE | Gewürz aus einer Orchidee Die Rätselpflanze stammt aus den feuchtwarmen Wäldern des östlichen Mexikos, wo sie als wurzelklettern- der Epiphyt lebt. Die Spanier lernten sie schon wenige Jahre nach der Ent- deckung Amerikas von den Azteken kennen. Diese würzten mit den Früchten ihre heißgeliebten Schoko- ladengetränke. Auch schrieben sie der Pflanze eine allgemein gesund- heitsfördernde Wirkung zu und nutz- ten die Duftstoffe als Parfüm. 1510 kam das Gewürz erstmals nach Spa- nien, Ende des 16. Jahrhunderts auch nach Mitteleuropa. Heute wird die Rätselpflanze fast überall in den Tropen angebaut. Ihre saftigen, etwa fingerstarken Spross- achsen sind grün, werden mehrere Meter lang und tragen fleischige, bis zu 25 Zentimeter lange Blätter. Mit Hilfe von Wurzelranken, die an den Knoten entspringen, verankert sie sich an Stämmen und Zweigen von Bäumen. In Kultur wird sie an Stan- gen gezogen. In den Blattachseln ent- wickeln sich ab dem dritten Jahr Trauben wohlriechender Blüten, die durch ihren charakteristischen Bau die Kletterpflanze als Orchidee (Familie der Orchidaceae, siehe ABB. Spross der Rätselpflanze mit Blüten. Bild: LAK

Gewürz aus einer Orchidee

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Nr. 4 | 32. Jahrgang 2002 | Biologie in unserer Zeit | 261

| R Ä T S E L

man die zuvor in heißes Wasser ge-tauchten Früchte zum „Schwitzen“ inwollene Tücher ein. Der freigesetzteWirkstoff schlägt sich dabei in Formfeiner Kristallnadeln auf den schwarzwerdenden „Schoten“ nieder. Der inden Früchten enthaltene Milchsaftverwandelt sich in eine balsamartigeMasse mit intensivem Duft. Deshalbwird auch heute noch das natürlicheProdukt dem leicht und billig synthe-tisch herzustellenden vorgezogen.

Das beste Gewürz kommt von derostafrikanischen Insel Réunion(früher Ile de Bourbon). VerwandteArten von den Karibischen Inselnwerden ebenfalls genutzt, sind aberminderwertig.

Frage: Wie heißt die Pflanze mitihrem deutschen und ihrem wissen-schaftlichen Namen?

Manfred Keil, Neckargemünd

Abbildung) ausweist. Jede Blüte istnur einen Vormittag lang geöffnet.Während dieser Zeit müssen die Pollenpakete (Pollinien) auf dieNarbe übertragen werden. Bei Wild-pflanzen besorgen dies bestimmteBienen- und Kolibriarten. In Kulturenaußerhalb Mittelamerikas musstefrüher künstlich bestäubt werden,wobei viel Geschick dazu gehörte,die Pollinien mit einer Feder oder einem Stäbchen richtig zu platzieren.Heute überlässt man die Bestäubungwieder den passenden Bienen, die inzwischen in allen Anbauländerneingeführt worden sind.

Als Früchte entwickeln sich 15bis 25 Zentimeter lange Kapseln, diebei der Reife zweiklappig aufsprin-gen und die irrtümlicherweise als„Schoten“ bezeichnet werden. Sieenthalten (wie bei Orchideen üblich)viele tausend winzige Samen. Sobaldsich die Früchte vor dem Öffnen vonGrün nach Gelb verfärben, werdensie abgeschnitten. In diesem Zustandsind sie völlig geruchlos, da der würzige Aromastoff noch in glykosi-discher Bindung vorliegt. Erst durchgeeignete Fermentierungsprozessewird er abgespalten. Dazu wickelt

Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 5. August2002 an die Redaktion „Biologie in unserer Zeit“,Scharhofer Straße 16, 68307 Mannheim. Verlostwird dreimal …

In Heft 3/2002 suchten wir:Sepia

Gewonnen haben• Dr. Frieder Zimbelmann, Weingarten• Maren Radicke, Bonn• Siegfried Brenzel, Castrop-Rauxel

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

F Ü R U N S E R E R Ä T S E L F R EU N D E |Gewürz aus einer Orchidee

Die Rätselpflanze stammt aus denfeuchtwarmen Wäldern des östlichenMexikos, wo sie als wurzelklettern-der Epiphyt lebt. Die Spanier lerntensie schon wenige Jahre nach der Ent-deckung Amerikas von den Aztekenkennen. Diese würzten mit denFrüchten ihre heißgeliebten Schoko-ladengetränke. Auch schrieben sieder Pflanze eine allgemein gesund-heitsfördernde Wirkung zu und nutz-ten die Duftstoffe als Parfüm. 1510kam das Gewürz erstmals nach Spa-nien, Ende des 16. Jahrhunderts auchnach Mitteleuropa.

Heute wird die Rätselpflanze fastüberall in den Tropen angebaut. Ihresaftigen, etwa fingerstarken Spross-achsen sind grün, werden mehrereMeter lang und tragen fleischige, biszu 25 Zentimeter lange Blätter. MitHilfe von Wurzelranken, die an denKnoten entspringen, verankert siesich an Stämmen und Zweigen vonBäumen. In Kultur wird sie an Stan-gen gezogen. In den Blattachseln ent-wickeln sich ab dem dritten JahrTrauben wohlriechender Blüten, diedurch ihren charakteristischen Baudie Kletterpflanze als Orchidee (Familie der Orchidaceae, siehe

A B B . Spross der Rätselpflanze mit Blüten. Bild: LAK