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Dr. Robert Beeman und Ulrich Eichstädt D ie Amerikaner lieben Geschichten mit Waffen und Waffen mit Geschichte. Zu letzteren gehören etwa Jim Bowies Messer, der Car- cano-Repetierer des Kenne- dy-Attentäters Lee Harvey Oswald oder Wyatt Earps ul- tralanger Buntline-Revolver. Eine weitere legendäre Waf- fe, unzählige Male erwähnt, gemalt und im Fundus man- ches Museums vermutet? Die Windbüchse, welche die bei- den Captains Meriwether Le- wis und William Clark auf ih- rer Expedition begleitete. Von 1803 bis 1806 erkunde- ten sie im Auftrag von Präsi- dent Thomas Jefferson das von Frankreich abgekaufte Louisiana-Territorium und suchten einen Weg zum Pazi- fik. Ihr “Corps of Discovery”, wie die knapp 40 Leute starke Expedition genannt wurde, drang weiter nach Westen vor als bisher ein weißer Amerikaner vor ihnen. Die neu entdeckten Gebiete wur- den später kolonialisiert und die beiden Anführer Lewis und Clark zu Nationalhelden. Leider überlebten nur weni- ge Ausrüstungsgegenstände die letzten zwei Jahrhunder- te. Das Unternehmen sollte ursprünglich 2500 US-Dollar kosten, schließlich schlugen 38 000 Dollar ein Loch in die Staatskasse (damals nicht so prall gefüllt wie heute). Lewis mußte die Gegenstände, die das Korps mit zurückge- bracht hatte, 1806 in einer Auktion verkaufen. Andere Sachen gingen mit der Zeit verloren oder landeten unge- achtet (oder wegen) ihres hi- storischen Werts in Privatbe- sitz. Im nächsten Jahr begeht die USA die sicher prachtvol- le 200-Jahr-Feier des Expedi- tionsbeginns — aber eben ohne Realstücke, die bei den geschichtsbegeisterten Amerikanern wohl wie Reli- quien behandelt würden. Nun veröffentlichte der re- nommierte Druckluftwaffen- Fachmann Dr. Robert Bee- man einen Aufsehen erregen- den Bericht: Die wohl ge- heimnisvollste Waffe, die Le- wis und Clark mit sich führ- ten, war eine schußstarke Windbüchse, mit der sie Wild für den Kochtopf erlegten und die Indianer mehr als einmal beeindruckten. An 19 Stellen in den Reise-Journalen wird die Windbüchse erwähnt — und Beeman meint, sie wiedergefunden zu ha- ben und auch belegen zu kön- nen, daß es sich tatsächlich um die authentische Expedi- tions-Windbüchse handelt. Dabei gab es in den letzten Jahrzehnten mehrere “Kandi- daten”, die nach dem Wunsch ihrer Besitzer oder auch un- abhängiger Fachleute das wahre L & C-Luftgewehr sein sollten. Beeman, seit Jahren als Gerichtssachverständiger für Druckluftwaffen tätig und Besitzer einer der weltgröß- ten Sammlungen, verlieh VISIER die Rechte, seine Story exklu- siv hier zu veröffentlichen. Robert Beeman: Mein Interesse an der Lewis & Clark-Windbüchse wurde 1976 geweckt, als ich meinen Sammlerkollegen Henry Ste- wart in Philadelphia besuch- te. Ganz aufgeregt zeigte er mir ein antikes Luftgewehr, 134 Geschichte & Geschichten Die berühmteste Windbüchse der Welt, diejenige der Lewis & Clark-Expedition, wurde nach fast 200 Jahren wiederent- deckt — dafür sprechen jedenfalls zahlreiche Indizien.

Geschichte & Geschichten - Beemansbeemans.net/images/VISIER 4 134-142 Lewis Clark.pdf · 2008. 1. 8. · Dr. Robert Beeman und Ulrich Eichstädt D ie Amerikaner lieben Geschichten

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  • Dr. Robert Beeman und Ulrich Eichstädt

    D ie Amerikaner liebenGeschichten mit Waffenund Waffen mit Geschichte.Zu letzteren gehören etwaJim Bowies Messer, der Car-cano-Repetierer des Kenne-dy-Attentäters Lee HarveyOswald oder Wyatt Earps ul-tralanger Buntline-Revolver.Eine weitere legendäre Waf-fe, unzählige Male erwähnt,gemalt und im Fundus man-ches Museums vermutet? DieWindbüchse, welche die bei-den Captains Meriwether Le-wis und William Clark auf ih-rer Expedition begleitete.

    Von 1803 bis 1806 erkunde-ten sie im Auftrag von Präsi-dent Thomas Jefferson dasvon Frankreich abgekaufteLouisiana-Territorium undsuchten einen Weg zum Pazi-

    fik. Ihr “Corps of Discovery”,wie die knapp 40 Leute starkeExpedition genannt wurde,drang weiter nach Westenvor als bisher ein weißerAmerikaner vor ihnen. Dieneu entdeckten Gebiete wur-den später kolonialisiert unddie beiden Anführer Lewisund Clark zu Nationalhelden.

    Leider überlebten nur weni-ge Ausrüstungsgegenständedie letzten zwei Jahrhunder-te. Das Unternehmen sollteursprünglich 2500 US-Dollarkosten, schließlich schlugen38000 Dollar ein Loch in dieStaatskasse (damals nicht soprall gefüllt wie heute). Lewismußte die Gegenstände, diedas Korps mit zurückge-bracht hatte, 1806 in einerAuktion verkaufen. AndereSachen gingen mit derZeit verloren oderlandeten unge-

    achtet (oder wegen) ihres hi-storischen Werts in Privatbe-sitz. Im nächsten Jahr begehtdie USA die sicher prachtvol-le 200-Jahr-Feier des Expedi-tionsbeginns — aber eben ohne Realstücke, die bei den geschichtsbegeistertenAmerikanern wohl wie Reli-quien behandelt würden.

    Nun veröffentlichte der re-nommierte Druckluftwaffen-Fachmann Dr. Robert Bee-man einen Aufsehen erregen-den Bericht: Die wohl ge-heimnisvollste Waffe, die Le-wis und Clark mit sich führ-ten, war eine schußstarkeWindbüchse, mit der sie Wildfür den Kochtopf erlegten unddie Indianer mehr als einmalbeeindruckten. An 19 Stellenin den Reise-Journalen wirddie Windbüchse erwähnt —

    und Beeman meint, siewiedergefunden zu ha-

    ben und auch belegen zu kön-nen, daß es sich tatsächlichum die authentische Expedi-tions-Windbüchse handelt.

    Dabei gab es in den letztenJahrzehnten mehrere “Kandi-daten”, die nach demWunschihrer Besitzer oder auch un-abhängiger Fachleute daswahre L & C-Luftgewehr seinsollten. Beeman, seit Jahrenals Gerichtssachverständigerfür Druckluftwaffen tätig undBesitzer einer der weltgröß-ten Sammlungen, verliehVISIERdie Rechte, seine Story exklu-siv hier zu veröffentlichen.

    RRoobbeerrtt BBeeeemmaann::Mein Interesse an der Lewis& Clark-Windbüchse wurde1976 geweckt, als ich meinenSammlerkollegen Henry Ste-wart in Philadelphia besuch-te. Ganz aufgeregt zeigte ermir ein antikes Luftgewehr,

    134

    Geschichte & Geschichten

    Die berühmteste Windbüchseder Welt, diejenige der Lewis &Clark-Expedition, wurde nachfast 200 Jahren wiederent-deckt — dafür sprechen jedenfalls zahlreiche Indizien.

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    Woher derWind weht

    Woher derWind weht

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  • das von dem ebenfalls ausPhiladelphia stammendenUhrmacher und Büchsenma-cher Isaiah Lukens zu Anfangdes 19. Jahrhunderts gebautworden sei — und er, Stewart,stünde kurz davor zu bewei-sen, daß es sich dabei um dielegendäre Windbüchse desMeriwether Lewis handelt.Ihr spezielles Kennzeichenwar ein seltsam geformterHahn mit fast herzförmigemDurchbruch, den wir fortan“Doubleneck Hammer” oder

    kurz DNH tauften, weil er imUnterschied zu einem ge-schwungenen Schwanenhals-Hahn anderer Steinschloßwaf-fen zwei Stege aufwies.

    Stewarts These war glaub-würdig — auch in der Fach-welt. Nach seinem Tod imJahr 1988 versuchte ich, die-ses Kleinod zu erwerben.Aber Stewart hatte es mit-samt seiner über 800 selteneWaffen umfassenden Samm-lung seiner Alma Mater, demVViirrggiinniiaa MMiilliittaarryy IInnssttiittuuttee in

    dition den Hinweis erhalten,daß diese Windbüchse das gleiche Kaliber gehabt ha-ben sollte wie die Militärge-wehre der Korps-Soldaten.Bis dahin gab es keinerleiHinweise auf das Kaliber desverschollenen Luftgewehrs.Nun war man seinerzeit si-cher, daß das MilitärgewehrUS Model 1803 (“Harper‘sFerry”-Rifle) im Kaliber .54die Expeditionswaffe gewe-sen sei und sogar Lewis vordem Abmarsch maßgeblichan der Entwicklung des M 1803 mitgewirkt habe (siehe VISIER 5/94). Solch einLuftgewehr, das um die Wen-de zum 19. Jahrhundert ge-baut sein könnte und zudemdas Kaliber .54 besäße, gehör-te zum bis dato undokumen-tierten Fundus des NRA-Mu-seums. Welch ein Glücksfallfür die NRA und welch einPech für die “DNH”-Anhänger ...

    Im Juni 1999 jedoch listeteFrank Tait in der US-Zeit-schrift “Man at Arms” Bewei-se auf, daß das Korps keines-wegs mit dem M 1803unterwegs war, sondern le-diglich 15 Gewehre der frühe-ren “US Contract Rifle” von1792 im Kaliber .49 erhaltenhatte. Seine Argumente (sie-he Kasten auf Seite 138) wa-ren derart schlüssig, daß allebedeutenden US-Museen sie

    136 VISIER 4/2002

    Geschichte & Geschichten

    Die von Isaiah Lukens (1779-1846)gebaute Windbüchse entstand um1802/3 in Philadelphia. Nach derExpedition kam sie zu Lukenszurück. Seit 1988 gehört sie demVirginia Military Institute.

    Thomas Jefferson (1743-1826) war der dritte

    Präsident der USA von 1801bis 1809 (Porträt von Charles

    Willson Peale). In seine Ägi-de fielen der Kauf von Louisi-

    ana und der Auftrag für dieExpedition. Schon als Kon-greßabgeordneter hatte er1776 die Unabhängigkeits-

    erklärung formuliert.

    18011803

    4. März:Thomas Jefferson wird der drittePräsident der USA und CaptainMeriwether Lewis sein Privat-sekretär.

    18. Januar:Der Kongreß bewilligt 2500 $für eine Expedition — dietatsächlichen Kosten werdenspäter 38000 $ betragen.

    Frühling: Lewis engagiert Wil-liam Clark als zweiten Leiter derExpedition und beginnt mit derBeschaffung der Ausrüstung.

    4. Juli:Für 15 Millionen Dollar erwirbtJefferson Louisiana von denFranzosen und verdoppelt damitdie Größe der Vereinigten Staa-ten. Am nächsten Morgen ziehtLewis los.

    Herbst/Winter:In Camp Wood (Camp Dubois)wird das Expeditionskorps ver-größert und ausgebildet.

    Lexington, vermacht, an derer 1935 studiert hatte. Unddas VMI wollte sich natürlichauch nicht wieder von demNeuzugang trennen.

    Im Jahr 1998 rief mich DougWicklund an, der als Kuratordie Waffensammlung im ex-zellenten neuen MMuusseeuumm ddeerrNNaattiioonnaall RRiiflflee AAssssoocciiaattiioonn inFairfax/Virginia betreut. Erhatte aus neu interpretiertenJournal-Einträgen der Expe-

  • 137VISIER 4/2002

    inzwischen akzeptierten. Da-mit entfiel aber auch der Bo-den für die NRA-Windbüchse.

    Also kramte ich meine Unter-lagen wieder hervor, zog dieReisejournale hinzu und ent-deckte eine Reihe von neuenHinweisen. Da 2003 die 200-Jahr-Feier stattfinden sollte,wollte ich bis spätestensdann beweisen, welches Mo-dell denn tatsächlich das“echte” L & C-Luftgewehr ist.Denn es gab mittlerweile vierAnwärter auf diesen Titel.Seit den Forschungen des US-Sammlers Charter Harrisonund des Buchautors EldonWolff aus den 1950er Jahren

    galt auch ein Modell mit“Flask”, also einem rundenPreßluftbehälter unter derWaffe, als möglicher Kan-didat. Pikanterweise hatte Harrison das Stewart-Ge-wehr selbst besessen, als erdas Modell mit dem Kugelre-servoir entdeckte — er war soüberzeugt, einen Treffer ge-landet zu haben, daß er dasDNH an Stewart verkaufteund statt dessen das Kugel-Gewehr dem Smithsonian In-stitute als das Lewis & Clark-Gewehr präsentierte.

    Gewehr Nummer vier befin-det sich im Besitz des Lewis &Clark-Museums in Fort Clat-

    sop in Oregon. Obwohl die-ses Modell aus verschiede-nen Gründen nicht in die en-gere Auswahl kam, besaß dasMuseum aber eine spezielleHandpumpe, die von Funk-tion und Aussehen her zumDNH-Gewehr paßte undwertvolle Aufschlüsse überdie Fülltechnik brachte. Wiein einem Prozeßgutachtenversuchte ich, die Fakten zusammeln, sie sorgfältig mitden Geschichtsdaten abzu-stimmen und so die Spreuvom Weizen zu trennen.

    EErrsstteess KKrriitteerriiuumm ——ddiiee MMüünndduunnggsseenneerrggiieeddeess LLeewwiiss && CCllaarrkk--GGeewweehhrrss::Am 30. August 1803, noch vordem Abmarsch der Expediti-on aus St. Louis, ereignetesich ein Unfall auf Bruno‘s Is-land nahe Pittsburgh: Lewis

    Der ScoutDr. Robert Beeman (70) gilt alsder weltweit bekannteste Fach-mann für Druckluftwaffen allerArt. Der Kalifornier (siehe Por-trät in VISIER 12/2001) hat sichtheoretisch zur Ruhe gesetzt —praktisch aber bereist er mitseiner Frau Toshiko alle HerrenLänder, um seltene Windbüch-sen, Prototypen oder, etwa im Dschungel Borneos, Indio-Blasrohre aufzutreiben. Die erste Karriere machte Beemanals Meeresbiologe und Spezialist für Schnecken, einem Fach-gebiet, in dem er es bis zum Professor der Universität SanFrancisco brachte. Anfang der 70er Jahre baute er, zuerst ne-benberuflich, mit seiner Frau Beeman Precision Airguns auf.Der Versandhandel für “adult airguns” brachte den Ameri-kanern das bis dato unbekannte Metier der hochwertigen,schußstarken und entsprechend teuren europäischen Druck-luftwaffen näher. Im Jahr 1993 verkaufte er das Unterneh-men. Seither kümmert er sich um seine über 1000 Exemplareumfassende Druckluftwaffen-Sammlung und arbeitet als an-erkannter Gerichtssachverständiger, wenn Unfälle mit Luft-gewehren verhandelt werden. Mehr über ihn und seine Ar-beit bietet die Website www.beemans.net

    Modell: Windbüchse v. Isaiah Lukens/PhiladelphiaKaliber: .31Kapazität: 507 ccm Luft für ca. 40 Schuß (50 grs)Gesamtlänge: 1235 mm Messinglauf: 86 cm, 15 flache Züge, Drall 1:110 (cm)Gewicht: 3800 GrammAusstattung: Halbschäftung mit langem Putzstock, ehemals überzogener Metall-Hinterschaft (= Luft-Behälter507 ccm), eingelassene Klappkimme, Perlkorn, Doppel-hals-Hahn im französischen Stil, Flintenabzug.

    Der “Gateway Arch” in St. Louis markiertseit 1965 den Startpunkt der Expedition.Der 192 Meter hohe Bogen am Ufer desMississippi hat eine Aussichtsplattform, diemit zwei Bahnen erreicht werden kann.

  • zeigte einigen Besuchern dieWindbüchse “die ich gekaufthatte” und schoß sieben Malhintereinander auf etwa 55Yards (50 m) mit ziemlichemErfolg. Die abgelegte Büchsewurde dann von einem Besu-cher namens Blaze Cenas un-erlaubt inspiziert und, da erkeine Erfahrung mit der Bau-weise besaß, versehentlichabgeschossen. Die Kugel, soberichtet Lewis in seinemJournal-Eintrag, traf den Huteiner etwa 35 Meter entferntspazierengehenden Frau undhinterließ an der Stirn eine

    blutende Schramme “etwaein Viertel des Kaliberdurch-messers breit” (leider wurdeeben dieses nicht genannt).Die Frau war zwar benom-men, konnte aber nach kurzerBehandlung wieder nachHause gehen.

    Genau ein Jahr nach dem Un-fall mit der Passantin, am 30.August 1804, führt Lewis sei-

    ne Windbüchse in einem Indi-anerlager bei den Sioux vor:Rasch schoß er ein paarmalhintereinander und traf einenweit entfernten Baumstamm.Die Indianer waren beein-druckt von der “Wundermedi-zin” des fremden Captains.Schließlich nutzte Lewis dieWindbüchse auch, wenn esgalt, wertvolles Pulver undBlei zu sparen: Als im August1805 ein Mann desertierte(oder zumindest verloren ge-gangen war), schoß Lewis zurOrientierungshilfe mehrfachin die Luft; der Knall warweithin zu hören.

    ZZwweeiitteess KKrriitteerriiuumm —— ddiiee BBaauuaarrtt ddeerr WWiinnddbbüücchhssee::Wie im Reisejournal beschrie-ben wurde, schoß die Wind-büchse 40mal hintereinander,und zwar sehr genau. Dasschließt sowohl ein Feder-druck- als auch ein Blasebalg-Modell aus, bei dem die Luftdurch einen per Mechanismuszusammengepreßten “Balg”schlagartig herausströmt. Fürjeden weiteren Schuß müßtedie Feder wieder neu ge-spannt werden. Auch ein Mo-dell mit Kugelreservoir schei-tert an diesem Punkt — selbsteine Kugel mit unpraktischen15 bis 20 cm Durchmesserwürde nicht soviel Preßluft

    fassen. Bei der DNH-Wind-büchse wurde die Preßluft indem (offenbar früher mit Le-der bezogenen) Metall-Hin-terschaft gespeichert, dessenWände verlötet und abge-dichtet wurden. Gary Barnes,einer der bekanntesten Her-steller von modernen Großka-

    liber-Windbüchsen (VISIER8/98), half bei den Berechnun-gen der möglichen Schußlei-stung. Das Füllvolumen be-trug 507 Kubikzentimeter biszum eingeschraubten Ventil.Bei den damals üblichen Le-derdichtungen, einer Pumpeähnlich der in Fort Clatsopaufbewahrten und einer ver-gleichsweise kleinen Statur,wie sie Meriwether Lewis ge-habt haben soll, war allenfallsein FFüüllllddrruucckk zzwwiisscchheenn 5555uunndd 7700 bbaarr zu erzielen. Bei 70bar wären im Kaliber .54 (alsobeim NRA-Modell) nur etwazehn Schuß möglich gewe-sen, weil ein brauchbaresRundgeschoß schon allein230 grs wiegen würde. Eine45er Windbüchse käme aufetwa 25 Schuß. Am effiziente-sten würde nur ein Systemmit einem AAuussggaannggsskkaalliibbeerrvvoonn ..3311 ooddeerr ..3322 arbeiten, wiees die DNH-Büchse besitzt:Wenn man ein Geschoßge-

    138 VISIER 4/2002

    Geschichte & Geschichten

    180410. März:Offizielle Übergabe von Louisianaan die USA beim Festakt in St. Louis.14. Mai: Das Korps, knapp 40 Mann stark, verläßt Camp Dubois in drei Booten, den Missouri hinauf.

    30. August:Erste Begegnung mit Oto- undMissouri-Indianern. Lewis führtseine Windbüchse vor.

    7. September: Unbekannte Tierein den ”Great Plains” — Antilo-pen, Koyoten, Maulesel.

    25. September:Die Teton-Sioux fordern eins derBoote als Wegezoll — ein Kampfwird dank Häuptling Black Buf-falo vermieden.

    24. Oktober:Nördlich des heutigen Bismarckin Norddakota läßt Lewis FortMandan als Winterlager errich-ten. Über 4500 Mandans undHidatsas leben hier — mehr Ein-wohner als damals in Washington.

    4. November:Lewis engagiert den Franko-Ka-nadier Charbonneau und seineFrau Sacagawea als Führerdurch das Shoshonen-Gebiet.

    M 1803 vs. P 1792Waffentechnisch Interessierte weltweit gingen bisher davonaus, daß Captain Lewis 1803 im Staatsarsenal Harper’s Ferryseine Ausrüstung zusammenstellen ließ. Dabei soll er we-sentlich bei der Entwicklung des späteren “Harper’s FerryRifle Model 1803” mitgearbeitet und schließlich 15 Exempla-re im Kaliber .54 mit auf seine Expedition genommen haben(siehe VISIER 5/1994, im Bild die Replika von Armi San Paolo).

    In einem Artikel in der Juni-Aus-gabe 1999 von “Man at Arms”widerlegte Frank Tait diese Be-hauptung: Lewis traf im März1803 in Harper’s Ferry ein; dieAnordnung des KriegsministersHenry Dearborn, einen Prototypenmit bestimmten Vorgaben zu er-stellen, datiert vom 25. Mai1803. Die Expedition begann am5. Juli 1803 von St. Louis aus —in knapp sechs Wochen war dieProduktion von auch nur fünf-zehn Gewehren neuer Bauartmit den damaligen Produktions-methoden unmöglich, geschwei-

    ge denn der Nachtransport zum weitergereisten Lewis. Taitwies aber nach, daß das Korps statt dessen mit der US Con-tract Rifle, Pattern of 1792 in .49 ausgerüstet war: Von die-sem ersten Gewehr, das explizit an die neugegründete US Ar-my ging, wurden bis 1794 weniger als 3500 Stück hergestellt.Mehrere Hundert davon befanden sich 1803 in den Lagern inHarper’s Ferry. Die in den Journalen erwähnte Bearbeitungder Gewehre bezog sich auf das Entrosten und Kontrollierender Arsenalgewehre und nicht auf eine Neuanfertigung.

    Sacajawea (auch: Sacaga-wea, 1788-1812) war die legendäre Shoshonen-Fraudes Scouts Touissant Char-bonneau (1759-1843). IhrSohn Jean-Baptiste,während der Expedition1805 geboren, wuchs späterbei William Clark auf.

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    wicht von 50 Grains zugrundelegt, könnten 40 etwa gleichstarke Schüsse problemlos erfolgen. Die Mündungsener-gie betrage dann 7755 JJoouullee,vergleichbar etwa mit demphilippinischen Career-Preß-luftgewehr heutiger Zeit(7/97) und ausreichend, umKarnickel, Wildhühner so-wie andere Kleintiere für die Korps-Kochtöpfe zu erlegen.Um diese zu treffen, waren al-

    lerdings ein gezogener Lauf undeine Gewehr-Visierung erfor-derlich. Sowohl das “Flask”-Modell Harrisons als auch dieWaffe in Fort Clatsop besaßennur glatte Läufe und nur einKorn, während die DNH-Büchse Stewards einen 86 cmlangen Messinglauf mit 15feinen Zügen aufwies. Auchberichtete Lewis von einer“Reparatur der losen Kim-me”. Zwar ist das Kaliber .31auch deutlich kleiner als das49er der Contract-Gewehrevon 1792. Captain Clark führ-te aber ein Steinschloßge-wehr im Kaliber .36 mit, des-sen Rundkugeln mit Patchverschossen wurden. DieDNH-Windbüchse kam dage-gen wegen der feinen Zügeohne Baumwoll-Patch aus, sodaß man die Kugeln eventuellfür beide Waffen nutzen konnte.

    Die Bezeichnung Clarks inden Journalen “my Small rif-le” wurde lange Jahre falsch

    als Kaliberhinweis (also “klei-ner im Vergleich zu .49”) ge-deutet — da diese Waffe aberim Familienbesitz erhaltenblieb, ist bekannt, daß sie derBüchsenmacher John Smallaus Vincennes gefertigt hat.

    DDrriitttteess KKrriitteerriiuumm —— ddeerr KKaauuff::Analysiert man die Reisenvon Captain Lewis im Jahr1803 während der Planungs-phase, bleibt nur ein Zeitfen-

    Jacob Kunz, ein Schüler vonLukens, baute die obereWindbüchse in .32, darunterdie DNH-Büchse von Ste-wart. Obwohl diese ge-schätzte 30 Jahre früher ent-stand, verwendete Kunz dasoffenbar exzellente Schloßspäter ebenfalls, aber mitSchwanenhals-Hahn. Links: Tom Lovell malte dieseSchießszene mit offensicht-lich “künstlerischer Freiheit”:William Clark schoß seltenmit der Windbüchse von Lewis, die sicher auch keinKugelreservoir besaß (zumalbei dessen Größe nur etwa10 Schuß möglich wären).

    Die Kugelreservoir-Windbüchse,die Charter Harrison für “die” L & C-Waffe hielt. Die Kugel wurdefeldmäßig repariert. Harrison sah die Journal-Stelle “Hauptfederrepariert” als Beleg für seine The-se — und verkaufte die “nutzlose”Lukens-Büchse an Henry Stewart.

  • ster von einem Monat (9. Maibis 9. Juni) übrig, in dem dieWindbüchse gekauft wordensein kann. Daß sie speziell an-gefertigt wurde, ist unwahr-scheinlich, auch, weil Lewisdas sicher erwähnt hätte. ImUmkreis von 150 Meilen rundum Philadelphia gab es nurein Geschäft, in dem man Anfang des 19. JahrhundertsWindbüchsen kaufen konnte:dasjenige von IIssaaiiaahh LLuukkeennssund seinem (damaligen)Lehrling JJaaccoobb KKuunnzz, der spä-ter selbst als BüchsenmacherWeltruhm erlangen sollte. Lu-kens war eigentlich ein be-kannter Uhrmacher. Lewis

    hatte Freunde in Philadelphia,vor allem in der American Phi-losophical Society rund umden Maler CChhaarrlleess WWiillllssoonnPPeeaallee. Dessen Schwieger-sohn Coleman Sellers traf sichmehrfach mit Lewis. Da Sel-lers selbst eine Windbüchseaus Lukens‘ Fertigung besaß,ist es möglich, daß er davonschwärmte und beide mitein-ander bekannt machte. DieIdee, eine Waffe mitzuneh-men, die kein wertvolles Pul-ver benötigt und mit relativ

    wenig Blei auskommt, magLewis überzeugt haben. AuchPeale und Lukens kanntensich gut, der berühmte Porträt-künstler fertigte von Lewisund Clark auch Bilder an (sie-he Seite 135).

    Jedenfalls wurden nach Lu-kens‘ Tod im Jahr 1846 einigeGegenstände aus seinem Laden versteigert, darunter

    auch “die Windbüchse, dieMr. Lewis auf seiner Expedi-tion begleitet hat”. Sie kamaber deshalb nicht unter denHammer, weil ein Freund vonLukens einige Teile vor Aukti-onsbeginn zurückzog undstatt dessen an Peales Muse-

    um übergab. Daß die Wind-büchse wieder bei Lukens ab-gegeben wurde, hat mit demGeldmangel nach der Expedi-tion zu tun. Im Auftrag vonLewis sollte ein LieutenantPeters schon 1806 die Waffenach Washington mitgenom-men haben; er entschiedaber, sie direkt an ihren Her-steller zurückzugeben. Dortscheint sie 40 Jahre lang un-beachtet gelegen haben.

    VViieerrtteess KKrriitteerriiuumm—— ddiiee RReeppaarraattuurreenn::Der vorausschauende Lewishatte schon bei der Ausrü-stungsbeschaffung im Arse-nal Harper‘s Ferry auf allenotwendigen Ersatzteile ge-achtet. So weist sein Liefer-schein 14 Ersatzschlosse auf;zudem ließ er die Gewehre soumrüsten, daß sie mit Ein-heitsteilen repariert werdenkonnten. Am 9. Juni 1805 notiert Captain Clark: “UnserSchmied feuerte seinen Ofenan und schmiedete eine neueHauptfeder für die Windbüch-se, weil die alte gebrochenist.” Bei der Untersuchungder DNH-Windbüchse zeigtesich, daß die Hauptfeder aufder Schloß-Innenseite erstkla-sig gefertigt war. Erstaunlich,wenn John Shields, der talen-tierte Schmied und Büchsen-macher des Korps, das auf derReise geschafft hat. Ein Ver-gleich mit den fast an Uhren-teile erinnernden Federn ausden wenigen bekannten Lu-kens-Windbüchsen und sol-chen seines Schülers Kunzspäterer Jahre zeigt aber star-ke Unterschiede an der Form.

    Die DNH-Feder, die auch nach200 Jahren fast unbenutztaussieht, wurde nicht von Lu-kens, sondern ziemlich sicherspäter eingebaut. Das trifftauch auf den seltsam geform-ten Doppelhals-Hammer zu:das Standardgewehr der Ex-pedition, nach Tait das M 1792,besitzt einen Schwanenhals-Hahn. Der Ästhet Lukens hät-te sicher nicht von allein ei-nen stabileren, aber auchmassiver aussehenden DNHeingesetzt. Wäre die stärkereForm von Lewis generell we-

    140 VISIER 4/2002

    Geschichte & Geschichten

    180511. Februar: Sacagawea bekommt einen Sohn, Jean Bap-tiste. Mandans und Korps-Mit-glieder jagen gemeinsam Büffel.

    7. April: Lewis und Clark lassendas große Segelboot mit zwölfMann zurückfahren, an BordKarten, Berichte, Fundstücke undbislang unbekannte Pflanzenund Tiere für Präsident Jefferson.

    April: In Montana riesige Büffel-herden und die ersten Grizzly-Bären gesichtet.

    9. Juni: Schmied John Shields fertigt eine neue Schloßfeder für Lewis’ Windbüchse an.

    13. Juni: Als Scout entdeckt Lewisdie großen Wasserfälle — der Umweg über Land dauertstatt wie geplant einen halbenTag fast einen Monat.

    Ende Juli: Die drei sich gabelndenFlußläufe des Missouri werdenGallatin (nach dem Finanzmini-ster), Madison (Staatsekretär)und Jefferson getauft — diesemLauf folgt das Korps nun.

    17. August: Das Korps trifft hinter der heutigen Grenze vonMontana zu Idaho auf die Shoshonen, deren Häuptling Cameahwait der Bruder von Sacagawea ist.

    20. August: Sergeant CharlesFloyd stirbt an einem Fieber-anfall, das einzige Opfer derKorps-Teilnehmer.

    9. September: Camp in ”Travel-lers Rest” (heute Missoula) amFuß der Berge. Hätte das Korpsnicht die Missouri-Quelle gesucht,wäre es nach einer Abkürzunghinter den Great Falls in vier Tagen dort angekommen — so dauerte es 53 Tage.

    Ende September: Nach fast drei-wöchiger Bergüberquerung neh-men die Nez Percé-Indianer dasKorps in Frieden auf.

    7. Oktober: Mit sieben neuenKanus fährt das Korps den Clearwater River (in Idaho) hin-unter, dann den Snake River.

    16. Oktober: Am Columbia-Riversieht Lewis geschätzte 10000 getrocknete Lachse in einem Dorf— seine Männer wollen aberendlich Fleisch, also kaufen sieden Indianern Hunde ab.

    7. November: Der Pazifik kommtin Sicht — Lewis schätzt, daß das Korps 4162 Meilen bewältigthatte; tatsächlich waren es zwischen 3700 und 4000 Meilen (etwa 6500 km).

    24. November: In einer Abstim-mung, an der auch Clarks SklaveYork und Sacagawea teilneh-men, wird entschieden, das Win-terlager nahe dem heutigenAstoria/Orgeon zu bauen: FortClatsop (nach einem dort ansäs-sigen Indianerstamm) entsteht.

    Das komplizierte Ventil erinnert an Isaiah Lukens’ Herkunft als Uhrmacher. DasGewinde wurde auf eineranderen Maschine geschnit-ten als das im Metall-Kolben.

    DNH-Windbüchse ohne Hahnund Schloßplatte: Der obenhervorstehende Hebel wirdvom Hahn ausgelöst und öff-net kurzzeitig das Ventil übereine Verbindungsstange.

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    gen der längeren Haltbarkeitgewählt worden, würden si-cher auch die anderen 1792erGewehre solche Hähne be-kommen haben. Auf mehre-ren Zeichnungen sind aberSoldaten und auch Lewisselbst mit Steinschloßwaffenabgebildet, die einen norma-len Hahn besitzen.

    John Shields hat vielleichtbeim Einbau der neuen Federauch gleich den Hahn ausge-wechselt oder wechseln müs-sen — beim Ausprobieren derstarken neuen Feder könnteer gebrochen sein, wie es oftpassiert. Daß Shields zwar dietechnischen Fähigkeiten be-saß, um den Hahn an das Ven-tilsystem anzupassen und

    Lewis & Clark & das InternetDie 200-Jahr-Feier des Expeditionsbe-ginns im Jahr 2003 wird wie kaum einEreignis zuvor umfassend von Inter-net-Angeboten umrahmt. VISIER stelltdie wichtigsten Links für L & C-Fanszusammen:www.pbs.org/lewisandclark (Archiv,Zeitleiste, Interviews mit Forschern,Karten vom Public Broadcasting Ser-vice PBS, einem Zusammenschluß von350 US-Fernsehsendern); www.lcarchive.org (gute Linkliste mit zusätzli-chen Sites); www.rootsweb.com/~genepool/lewiclar.htm (Lebensdatender Korps-Teilnehmer); www.lewis-clark.org (Multimedia-Aufbereitung

    mit Karten und interaktiven Teilen);http://temp.modwest.com/lewisandclark.org (Lewis & Clark Trail HeritageFoundation, die entlang des Korps-Trails historische Stätten betreut);www.lewisandclark200.org (offizielleSite zur 200-Jahr-Feier); http://lewisandclarktrail.com (virtuelle Expe-dition mit Quiz sowie Online-Shop);http://xroads.virginia.edu/~HYPER/JOURNALS/toc.html (die editierten L & C-Journale, nach Kapiteln geord-net); www.lewisandclarkphila.org(zur Verbindung Lewis mit der StadtPhiladelphia, Lukens und Peale);www.monticello.org (Thomas Jef-

    fersons Villa in Charlottesville);www.wop-entertainment.de/cds/cd1.htm(“Sounds of Discovery”, Audio-CD mitMusik aus der Expeditionszeit).Zur DNH-Windbüchse:www.vmi.edu/museum/air_rifle.html(Virginia Military Institute, wo Ste-warts Windbüchse heute lagert);www.lcarchive.org/firearms.html#airrifle (Waffengeschichte, Kopien derLieferscheine und weitere Links);http://pennock.ws/surnames/fam01546.html (Stammbaum von Isaiah Lukens); www.beemans.net (RobertBeemans Website mit zahlreichen Fo-tos historischer Druckluftwaffen).

    ... in Holz geschraubt odereingehängt (3). Das Gewinde(2) paßt auch ans Reservoirder Lukens-Waffe. Der Kol-ben (4) besitzt einen Kopfaus gepreßten Lederstücken.Das DNH-Ventil (5) von derim Tank sitzenden Seite.

    Der gezogene DNH-Lauf (1) bekam“Kentucky-Ringe” als Zierde. Die vonKunz gebaute Handpumpe wurde ...

    Der aus Stahlblech geformte Kolben der DNH-Windbüchsewar offenbar einst mit einem Stoff oder Leder bezogen. Erfaßt knapp 500 Kubikzentimeter Preßluft und hat Berechnun-gen zufolge auch für etwa 40 Schuß ausgereicht. Die innenlie-genden, verlöteten Nähte wurden mit einem inzwischen ein-getrockneten Fett abgedichtet. Zum Füllen wurden die Pumpeund der Kolben verschraubt. Dann bewegte man mit regel-mäßigen Stößen den Kolben zur befestigten Pumpe hin.

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  • auch eine Feder zurechtzu-biegen und -feilen, ist eine Sa-che. Er hatte aber wohl nichtden feinen Schraubendreherdabei, um die Schloßschrau-ben ohne Kratzer zu entfer-nen: Die vordere des DNH-Modells ist stark beschädigt,etwas, was weder Lukens vorder Reise noch Lewis beimKauf gebilligt hätten. Aller-dings zog Lukens seine Lehren daraus. Zwar wurdedie wieder zurückgebrachteDNH-Büchse nicht mehr repariert. Aber später ent-standende Lukens- sowie Kunz-Windbüchsen (alleinsechs waren in der Stewart-Sammlung) besitzen eine miteiner Zusatzschraube gesi-cherte Schloßplatte.

    Woher aber stammte der Dop-pelhals-Hammer eigentlich?Da streiten sich die Gelehr-ten: Wie Frank Tait nachwies,wohl nicht vom M 1803, weildies zu Beginn der Expeditionnoch nicht existierte und folg-lich auch keine 1803er Ersatz-teile mitgenommen wordensein konnten. Der SammlerCharter Harrison nahm an,der Hahn sei identisch mit

    dem der US-Steinschloßpisto-le 1836 und sei demnach erstlange nach der Expedition aus-getauscht worden. Wahrschein-licher ist, daß die schon seit1777 aus Frankreich bekann-ten Hähne zum Ersatzteil-La-ger gehörten, noch wahrschein-licher, daß sie an die (demFranzosenmodell nachemp-fundene) US-MilitärpistoleM 1799 North & Cheney paßten.

    Die äußeren Maße der Hähneder 1799 und der DNH stim-men überein, auch wenn eswinzige Unterschiede gibt.Seinerzeit wurde noch nichtmaßhaltig oder gar “vomBand” gefertigt. Kleinteilewie Hähne wurden von unab-hängigen Feilern an die Büch-senmacher geliefert. Solche1799er Pistolen hatte CaptainLewis aus dem Schuylkill-Ar-senal in Philadelphia ange-fordert. Er selbst trug, so einJournaleintrag, zwei davon.

    Nach der Beweisaufnahmesprechen zumindest die Indi-zien dafür, daß die Lukens-Windbüchse im Virginia Mili-tary Institute im nächsten Jahrviel Besuch bekommt: Als letz-tes Relikt der für die Amerika-ner im wahrsten Wortsinn weg-bereitenden Expedition hat siediese späte Ehre verdient. Æ

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    Geschichte & Geschichten

    1806

    1809

    1838

    4. Januar: In Washington emp-fängt Präsident Jefferson eine Indianer-Delegation, die Lewisund Clark ein Jahr zuvor getrof-fen hatten. Jefferson hofft, daß”wir alle künftig als eine Familieleben werden”.

    23. März: Das Korps beginnt dieRückreise, das Fort wird denClatsop-Indianern übergeben.

    Mai bis Ende Juni: Vor den Bitter-roots wartet die Expedition beiden Nez Percé die Schneeschmel-ze ab. Die Zeit vertreibt man sichmit einem ”Base” genanntenBallspiel ...

    3. Juli: Das Korps teilt sich in vierkleinere Gruppen, um ein breite-res Gebiet untersuchen zu kön-nen. Clark will den Yellowstoneentlang. Lewis nimmt die nun be-kannte Abkürzung zu den GreatFalls und erkundet den Marias.

    27. Juli: Auf dem Rückweg zumMissouri wird Lewis’ Camp vonBlackfeet überfallen, von denenzwei erschossen werden — dieeinzigen getöteten Indianer aufder Expedition.

    14. August: Nachdem sich dieTeams nahe der Yellowstone-Quelle wieder treffen, verläßtJohn Colter das Korps, um Biberzu fangen und wird einer der ersten ”mountain men”. AuchCharbonneau, Sacagawea undihr Sohn verabschieden sich.

    Anfang September: Auf demRückweg per Boot auf dem Mis-souri trifft das Korps die erstenAbenteurer, die das neue Gebieterkunden wollen.

    23. September:Das Lewis & Clark-Korps erreichtSt. Louis.

    Herbst: In Washington werdendie beiden Captains begeistertempfangen. Jeder Soldat erhältdoppelten Sold und 320 acres(130 ha) Land, die Captains 1600acres (650 ha). Lewis wird Gou-verneur von Louisiana, Clark In-dianeragent und Brigadegeneralfür die ”Militia” des Territorys.

    11. Oktober:Auf dem Weg von St. Louis nachWashington erschießt sich Lewisin ”Grinder’s Stand” nahe Nash-ville. Die Theorie, er sei ermor-dert worden, läßt sich bis heutenicht beweisen.

    1. September:William Clark, mehrfach wieder-gewählter Gouverneur vonMissoury, stirbt im Haus seinesältesten Sohnes MeriwetherLewis Clark.

    Captain Lewis mit einem fest-lichen Pelzschal der Sho-shonen. Das Aquarell malteCharles BJF de Saint-Meminim Jahr 1807. Der kleinePflasterkasten, der Abzugs-bügel und die Vollschäftungsprechen dagegen, daß erhier eine M 1803 hält.

    Lewis & Clark im KinoIm April 2002 kommt, zunächst in den USA, ein neuer Doku-mentarfilm in die Kinos. “Lewis & Clark: Great JourneyWest” von Regisseur Bruce Neibaur. Er zeigt in 40 Minuteneine spielfilmähnliche Zusammenstellung der Expeditions-Höhepunkte. Zwei Trailer bietet die Website www.bigmoviezone.com/filmsearch/clips/clip.html?uniq=278. VomDokumentarfilmer Ken Burns stammt “The Journey of theCorps of Discovery” — zwei Videokassetten (240 Minuten),die bislang aber nur im NTSC-Format oder als USA-DVD ange-boten werden (ab $ 22,48 zum Beispiel überwww.amazon.com)

    Die rechte Schloßplatte der DNH-Windbüchse zeigt Lukens’Schriftzug und eine fast unbenutzt aussehende Hauptfeder.Der sonst den Flint haltende Teil des Hahns wurde entfernt ...,

    ... auch montiert war er ander Windbüchse unnütz. DerHahn glitt beim Vorschnellenüber einen aus dem System-gehäuse nach oben ragen-den Hebel hinweg, wodurchsich das Ventil kurz öffnete.