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Foto: Crawford MASSIMO GIORDANO DAS INTERVIEW 24 DAS OPERNGLAS 6/2013 eit kurzem sind Sie Exklusivkünstler eines re- nommierten CD-Labels, gerade erschien dazu auch Ihr erstes Soloalbum. Ist da ein Traum wahr geworden? Das kann man wirklich so sagen. Nachdem ich schon seit Jahren in der halben Welt als Sänger un- terwegs bin, hat sich nun auch die Chance ergeben, einen Exklusivvertrag mit einer Platten rma abzu- schließen und dieses erste Album aufzunehmen. Ich bin überglücklich darüber! Die CD enthält Arien unter anderem aus »Don Car- lo«, »Madama Butterfly«, »Turandot« und »Andrea Chenier«, allesamt Klassiker des Tenorrepertoires, die schonvonunzähligenVorgängernaufgenommenwur- den. Wie, denken Sie, können Sie es schaffen, trotz- dem Aufmerksamkeit damit zu wecken? Das ist mit Sicherheit eine Herausforderung. Aber jeder Sänger, jeder Künstler hat seine eigene Persön- lichkeitundnähertsichdiesenArienfolglichaufseine eigene Art. Es geht ja bei der Oper nie ums Singen allein, sondern auch ums Gestalten. In diesem Sin- ne habe ich versucht, die Arien auf meine Weise zu gestalten – natürlich auf der Basis dessen, was die großen Tenöre der Vergangenheit vor mir gemacht haben. Aber es ist eben meine ganz persönliche In- terpretation. Können Sie hierfür ein Beispiel nennen? Ich singe auf dem Album unter anderem „Amor ti vieta“, die Auftrittsarie des Loris aus »Fedora«. VieleTenöresingensienachdemMotto:„Ichbinder Tenor! Schaut her, da bin ich!“ Mir aber ist die Inter- pretation dieses Stücks wichtiger als die Ausstellung stimmlicher Fähigkeiten. Ich halte diese Arie für ein eher intimes Stück, beginne ganz sanft und steigere mich erst langsam, bevor es dann zum Schluss auf das hohe A hinaufgeht. SiesprachenbereitsdieVorbildfunktionvonGesangs- größen der Vergangenheit an. Sie hören sich also be- wusst alte Aufnahmen an? IchhöremiralleberühmtenSängerderVergangen- heit an. Wer das nicht tut, begeht meines Erachtens einen großen Fehler. Als Künstler müssen wir aus

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MASSIMO GIORDANO DAS INTERVIEW. eit kurzem sind Sie Exklusivkünstler eines re- nommierten CD-Labels, gerade erschien dazu auch Ihr erstes Soloalbum. Ist da ein Traum wahr geworden? Das kann man wirklich so sagen. Nachdem ich schon seit Jahren in der halben Welt als Sänger un- - PowerPoint PPT Presentation

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MASSIMO GIORDANODAS INTERVIEW

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eit kurzem sind Sie Exklusivkünstler eines re-nommierten CD-Labels, gerade erschien dazuauch Ihr erstes Soloalbum. Ist da ein Traum

wahr geworden?Das kann man wirklich so sagen. Nachdem ich

schon seit Jahren in der halben Welt als Sänger un-terwegs bin, hat sich nun auch die Chance ergeben,einen Exklusivvertrag mit einer Plattenfirma abzu-schließen und dieses erste Album aufzunehmen.Ich bin überglücklich darüber!

Die CD enthält Arien unter anderem aus »Don Car-lo«, »Madama Butterfly«, »Turandot« und »AndreaChenier«, allesamt Klassiker des Tenorrepertoires, dieschonvonunzähligenVorgängernaufgenommenwur-den. Wie, denken Sie, können Sie es schaffen, trotz-dem Aufmerksamkeit damit zu wecken?

Das ist mit Sicherheit eine Herausforderung. Aberjeder Sänger, jeder Künstler hat seine eigene Persön-lichkeitundnähertsichdiesenArienfolglichaufseineeigene Art. Es geht ja bei der Oper nie ums Singenallein, sondern auch ums Gestalten. In diesem Sin-ne habe ich versucht, die Arien auf meine Weise zugestalten – natürlich auf der Basis dessen, was diegroßen Tenöre der Vergangenheit vor mir gemachthaben. Aber es ist eben meine ganz persönliche In-terpretation.

Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?Ich singe auf dem Album unter anderem „Amor

ti vieta“, die Auftrittsarie des Loris aus »Fedora«.VieleTenöresingensienachdemMotto:„IchbinderTenor! Schaut her, da bin ich!“ Mir aber ist die Inter-pretation dieses Stücks wichtiger als die Ausstellungstimmlicher Fähigkeiten. Ich halte diese Arie für eineher intimes Stück, beginne ganz sanft und steigeremich erst langsam, bevor es dann zum Schluss aufdas hohe A hinaufgeht.

SiesprachenbereitsdieVorbildfunktionvonGesangs-größen der Vergangenheit an. Sie hören sich also be-wusst alte Aufnahmen an?

IchhöremiralleberühmtenSängerderVergangen-heit an. Wer das nicht tut, begeht meines Erachtenseinen großen Fehler. Als Künstler müssen wir aus

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Die Karriere des italienischen Tenors nimmt immer mehr an Fahrt auf.Dr. Andreas Laska sprach mit ihm über erfüllte und (noch) unerfüllte Träume.

Voller Wunder

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der Vergangenheit lernen. Ich zum Beispiel vereh-re die Kunst von Alfredo Kraus. Die Eleganz seinesSingens, seine Art zu phrasieren und den Text zugestalten haben eine ganze Epoche geprägt. Wir alle– und ich sage bewusst alle – können und müssenvon dieser Gesangskunst, dieser gestalterischen In-telligenz lernen.

Welche weiteren Vorbilder haben Sie?Da muss ich unbedingt Franco Corelli nennen. Er

hatte – da sind sich wohl alle Gesangsexperten einig– eine der großartigsten Stimmen der Gesangsge-schichte. Aber das hat nur einen Teil seiner Faszi-nationskraft ausgemacht. Er hatte so eine Energie,eine besondere Gestaltungsintensität. Ich glaube,dass das mit seinem Lampenfieber zusammenhing.Er hatte ja regelrecht Angst davor, auf die Bühne zugehen. Und diese Angst hat er dann in Gestaltungs-kraft umgemünzt. Andere Tenöre hatten vielleichteine ähnlich bedeutende Stimme, haben es abernicht geschafft, die Zuhörer so zu packen, wie esCorelli konnte.

Ich könnte aber auch Edita Gruberova nennen.Mit ihr habe ich »Norma« gesungen und werde dasnächstes Jahr in Wien wiederholen. Wie sie nach sovielen Jahren Karriere singt, grenzt schon fast an einWunder. Von ihr kann man eine Menge lernen.

IhreinternationaleKarrierehatinjüngsterZeitrasantanFahrtaufgenommen.WiehabenSiediesenSprungins Jetset-Leben erlebt?

Ich bemühe mich einfach, immer mit beidenBeinen auf dem Boden zu bleiben, liebe es, zusingen und mich dem Publikum mitzuteilen. Aberdas Wichtigste in meinem Leben ist meine Familie:meine Frau, meine Tochter, meine Eltern. Sie helfenmir und geben mir Kraft. Ansonsten genieße ich dasReisen. Ich bin ein großer Kunstfreund und besuchebei meinen Gastspielen stets die großen Museen.Vor bestimmten Gemälden könnte ich stundenlangstehenbleiben!

Parallel zur beginnenden Weltkarriere haben Sie be-gonnen, Ihr Fach zu erweitern. Statt »Manon«, »LaBohème« und »L’elisir d’amore« stehen jetzt Werkewie »Carmen“«, »Tosca« und »Don Carlo« auf demProgramm. Haben Sie sich vom lyrischen Fach schonverabschiedet?

Auf keinen Fall! Auch wenn ich nach und nach, so-weitesmeineStimmeerlaubt,dramatischerePartienangehe, werde ich doch immer auch lyrische Parti-en im Repertoire behalten, etwa den Alfredo in der»Traviata«. Das ist wichtig für meine Stimme, sonstverliert sie an Elastizität; und das wäre gefährlich.AuchdergroßePavarottihatdasimmersogemacht;

„Als Sänger teilt man sich selbst mit, kehrt sein Inneres

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er konnte an einem Abend »Elisir« singen und amnächsten »Un ballo in maschera«.

Besonders häufig singen Sie derzeit den Cavarados-si, in Zürich etwa, aber auch in Hamburg, Berlin,London und San Francisco. War das Zufall oder liegtIhnen diese Partie besonders am Herzen?

DiesePartiebedeutetmirwirklichsehrviel,seitmirFranco Zeffirelli vor Jahren dafür die Augen geöffnethat.Sieistsovielfältig!CavaradossiistvollerEnergie,er ist ein stolzer Mann, aber er ist auch voller Liebe:Liebe zum Leben, zur Kunst – und zu Tosca. All dasbringt er im Laufe der Oper zum Ausdruck. Letzt-endlich sind das alles Gefühle, die auch Teil unseresLebens heute sind. Deshalb versuche ich, mit jederProduktion noch tiefer in diese Rolle einzudringen,wirklich jedes Wort, jeden Ton auszuloten. Am span-

nendstenistfürmichderdritteAkt.Ichbinfestdavonüberzeugt, dass Cavaradossi keine Sekunde lang andie Begnadigung durch Scarpia glaubt. Cavaradossiweiß,dassScarpianochniejemandenbegnadigthat,dass an der Sache also etwas faul ist. Das ganze Du-ett steht dann unter dieser emotionalen Spannung.Tosca ist euphorisch und träumt von der gemeinsa-men Zukunft, Cavaradossi geht scheinbar auf dieseTräumeein,weilersienichtzerstörenwill–undweißdoch ganz genau, dass alles vergebens ist.

Wie sind Sie überhaupt zur Musik und zum Singengekommen?

Das ist eine Geschichte voller Zufälle – oder auchvoller Wunder, wie es mein Vater nennt. Meine ers-ten musikalischen Schritte habe ich auf der Block-flöte gemacht. Wir waren gerade von Neapel nachTriest gezogen, und gleich gegenüber von unseremHaus war eine Kirche. Dort habe ich oft währendder Gottesdienste gespielt. Priester waren meineersten Musiklehrer. Eines Tages fragte mich meinVater – er war ursprünglich Steinmetz, aber arbei-tete jetzt als Hausmeister am Konservatorium –, obich nicht eine richtige musikalische Ausbildung am

nach außen.“Konservatorium machen wolle. Allzu gerne hätte ichKlavier, Geige oder Gitarre gelernt. Aber auf diesenInstrumenten hatte ich noch nie einen Ton gespielt.Ich hätte also keine Aufnahmeprüfung machen kön-nen. So kam es dann, dass ich die Prüfung mit derBlockflöte machte. Gleich danach aber habe ich zurQuerflöte gewechselt.

Und das Singen?Langsam! Ich sagte ja, dass das eine besondere

Geschichte ist. Also: Mittlerweile war ich 17 oder 18JahrealtundstandkurzvordemDiplominQuerflöte.EinesTagessagtemeinKlavierbegleiter,dergelegent-lich auch meinen Vater so nebenbei bei neapolitani-sche Canzonen begleitete: „Massimo, vielleicht hastdu ja auch so eine schöne Stimme wie dein Vater.SingdochmaleineCanzone.“IchhattenichtwirklichLust, denn zum Gesang hatte ich eigentlich keinerleiAffinität.Daswarmirimmerzuäußerlich.Abererhatinsistiert, bis ich „Core n’grato“ anstimmte. Da hatermirsofortgesagt,dassichsoeineschöneStimmehätte, dass ich unbedingt Gesang studieren müsse.Ich habe mir das dann ein paar Tage lang überlegt,danneinpaarMalmitmeinemBegleitergeübt–undschließlich tatsächlich für die Gesangsklasse vorge-sungen. Und obwohl ich zuvor noch nie auch nureine Stunde Gesangsunterricht gehabt hatte, wurde

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ich Zweiter oder Dritter von rund einhundert Bewer-bern.MeinFlötendiplomhabeichaberimJahrdaraufdennoch gemacht.

Spielen Sie denn heute noch Flöte?Nein. Mit 18 oder 19 Jahren habe ich in Triest mein

letztes Konzert gegeben – eine Uraufführung – undseitdem meine Flöte nicht mehr angefasst.

Warum das?Kurz nach dem Konzert fand auf Schloss Duino

bei Triest ein internationaler Musikwettbewerb statt.Ich saß damals im Publikum. Unter den Kandidatenwar ein ganz junger Mann, allenfalls so alt wie ich:Emmanuel Pahud. Als ich ihn spielen hörte, wussteich: So wie er werde ich nie spielen können. AlsohabeichmeinenFlötenkastenfürimmergeschlossenund mich von da an ausschließlich dem Gesang ge-widmet. Eine Entscheidung, die ich nie bereut habe.Später hatte ich dann einmal die Idee, dass ich jaTamino singen und dabei selbst die Flöte spielenkönnte. Aber zu einem Tamino-Debüt ist es leidernie gekommen…

Wie haben Sie den Beginn Ihrer Karriere erlebt? Wares schwer, Fuß zu fassen?

Ich hatte in Triest eine großartige Lehrerin, CeciliaFusco. Sie hat mich gefördert, aber auch gefordert.So hat sie mich bereits nach sechs Monaten Ge-sangsunterricht das erste Mal aufs Konzertpodiumgeschickt, weil ein anderer Tenor abgesagt hatte. Mitdabei war damals auch Carlo Cossutta. Als ich hörte,wiesichCossuttainseinerGarderobeeinsang,wollteich kurzerhand wieder nach Hause gehen. Wie sollteich neben so einem Meister bestehen? Aber CeciliaFusco hat mir gut zugeredet, und das Konzert wardann so etwas wie eine Feuertaufe. Es ist schließlichetwas ganz anderes, ob man als Instrumentalist mitdemInstrumentinderHandvordemPublikumstehtoder aber als Sänger, der selbst das Instrument ist.Man teilt sich quasi selbst mit, kehrt sein Inneresnach außen, und das Musikmachen bekommt eineganz andere, fast schon philosophische Dimension.Das habe ich damals begriffen. Aber das war nochnichtderDurchbruch.NachmeinemAbschlusshabeich erst einmal die ganze Ochsentour gemacht undzunächst im Chor und dann kleine Solopartien ge-sungen.

Wann kam dann der Durchbruch?Das war 1997. Ich habe damals den Wettbewerb

von Spoleto gewonnen. Als Preis durfte ich die Ti-telpartie in Mozarts »La Clemenza di Tito« singen.Rückwirkend betrachtet war das ziemlich gewagt.Das ist schließlich keine Anfängerpartie. Dort hörte

michderTenorPaoloBarbacini,derdamalsdasThea-tervonParmaleitete.Erludmichein,beiihmalsCo-ver und Zweitbesetzung zu Giuseppe Sabbatini denWerther zu singen, was wiederum das Interesse beiAgenturen geweckt hat. Und plötzlich ging es SchlagaufSchlag:Esfolgten»DonPasquale«inTriest,»Ro-méo et Juliette« in Parma mit Mariella Devia undschließlich im Jahr 2000 Massenets »Le Jongleurde Notre-Dame« zur Saisoneröffnung der Oper vonRom unter der Leitung von Gianluigi Gelmetti.

Und wie wird es nun weitergehen mit der Karriere?Neue Rollen? Spannende Produktionen?

Ich habe einen großen Traum: Eines Tages möch-te ich Andrea Chenier singen. Das ist auch so einefaszinierendvielschichtePartiewieCavaradossioderauch Werther, in die man viel von sich selbst einbrin-gen kann. Das liebe ich am meisten. Ich habe keineAhnung, ob dieser Traum je Wirklichkeit, ob meineStimme dieser Partie je gewachsen sein wird.

Zunächst kommen mein Debüt als Maurizio in»Adriana Leucouvreur« in einer Neuproduktion inWien an der Seite von Angela Gheorghiu und meinersterGabrielein»SimonBoccanegra«.Dashoffeichjedenfalls, denn dieses Debüt soll in Parma stattfin-den, und bislang habe ich noch keinen unterschrie-benen Vertrag…

Die italienischen Opernhäuser durchlaufen seit eini-ger Zeit eine Krisenperiode…

Das kann man wohl sagen. Zurzeit durchlaufenwir in Italien überhaupt eine dunkle Periode – in derKunst wie in der Politik. Man kann nur hoffen, dasses bald wieder aufwärts geht!