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Ewige Dorfmädchen Feldforschung

Ewige Dorfmädchen

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Feldforschung

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» Das Leben ist die Welt

und die Welt ist nicht

Neckargerach. «Monika

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 Die Jugend von heute bleibt lieber

zuhause.

 Obwohl junge Männer und vor allem

junge Frauen heute bessere soziale und

persönliche Aufstiegschancen haben denn

je, sind die Jungen vorsichtiger und zurück-

haltender geworden. Man kehrt dem Aben-

teuer den Rücken zu und bleibt bei Mama

und Papa im Nest.

 Wie kommt es dazu? Liegt es an der Finan-

zkrise? Sind die Jugendlichen von ihren

Eltern zu sehr verwöhnt worden? Hat das

Internet das wahre Leben abgelöst?

Zuletzt 2010 und 2012 verhalfen die Shell-

und Sinusjugendstudie zu einen allge-

meinen Einblick in die Köpfe der Jugend.

Doch vor allem in den Dörfern Deutschlands

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Einführung

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steppt nicht der Bär sondern der Sensen-

mann. Schon heute leben mehr Menschen in

Städten als auf dem Land.

In dieser Publikation wird im Speziellen ein

genauer Blick auf das Leben junger Oden-

wälder Frauen zwischen 17 und 25 Jahren

geworfen. Sie wohnen schon ihr Leben lang

in ihren Dörfern und werden auch dort blei-

ben. Was hindert sie am Weggehen? Am

Aufbruch? Am großen Leben mit unzähli-

gen Möglichkeiten?

 Im Folgenden wird der Versuch unter-

nommen anhand von Gesprächen und

Essays, durch Umfragen und Lauschan-

griffe, die Entscheidung der jungen Frauen

besser zu verstehen.

 Wer sind die ewigen Dorfmädchen? Was

sind ihre Ziele und Träume? Was können

wir von ihnen lernen und vor allem:

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Teil

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Für mich steht sie über allem

Während die meisten Jugendlichen noch auf Feten abhingen, entschieden sich ein Mädchen

und ein Junge für ihr Kind und gegen ein einfaches Leben.

Ich bin Lea Lara. Ich wohn in Aglaster-hausen mit meiner Tochter Lilly und ihrem Vater, also, meinem Freund. Wie alt bist du? Ich bin 22 Jahre alt.

Wohnst du schon immer hier in Aglaster-hausen? Nein. Ich bin ursprünglich a Schwob. Ich glaube das hört man auch, zumindest wenn ich das will. Ich hab halt – vor 10 Jahren fast – hab ich in Niedersachsen gewohnt in der Nähe von Bremen. Mit 17 bin ich da weggezogen, mit meinem jetzigen Freund.

Hattet ihr euch dort kennengelernt? Er ist der Sohn der alten Schulfreundin meiner Mutter, von der Realschule. Nach Jahren war diese Freundin dann mit ihm bei meiner Mutter zu Besuch bei uns und da hat es dann sofort gefunkt, zwischen mir und Timon. Da waren wir noch 16. Wir sind jetzt fast 6 Jahre schon zusammen. Schon ne ganze Weile, nicht?

Das ist ja schon ein großer Zufall ge- wesen. Ja, seine Schwester hat mir davor schon immer am Telefon vorge-schwärmt. Von ihrem tollen Bruder. Ich soll mich doch mal bei ihm melden. Und ich hab immer nur gesagt: Ja, komm, lass es gut sein. Dann hab ich ihn halt doch mal angeschrieben. Wir haben uns auf freundschaftlicher Basis gut verstanden. Aber als er dann hochgekommen ist zu uns, da hat es dann gefunkt.

Du bist dann auch schon nach einem Jahr gleich mit ihm zusammengezogen und noch dazu ans andere Ende von Deutschland. Ja, ich bin nach 17 zu Hause ausgezogen. Direkt nach meinem Werkrealschulabschluss. Hier unten hab ich dann mein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Das hab ich aber auch nur ein halbes Jahr durchgezogen. Aus verschiedenen Gründen. Es ging einfach nicht mehr. Und dann bin ich hier geblie-ben.

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Wie ging es danach für dich weiter? Ich war dann erst mal ein halbes Jahr zu Hause. Ich hab mich dann an Schulen beworben, weil ich mir überlegt hab das Abitur nachzuholen. Ich bin dann auf das Wirtschaftsgymnasium gegangen. Und dann, nur drei Wochen nach Schulbe-ginn, dachte ich eigentlich, ich habe eine Magen-Darm-Grippe. War s dann wohl doch nicht …

Das war dann wohl doch Lilly. Genau, dann war ich schwanger.

Wie alt warst du als du schwanger wurd-est? Da war ich 18. Mit 19 hab ich Lilly dann gekriegt.

War es für dich von Anfang an klar, dass du die Schwangerschaft durchziehen willst? Das war schon ein Zeitpunkt, an dem eine Welt für mich zusammen-gebrochen ist. Es war schon sehr komisch für mich, so – uff, und jetzt? Was mach ich jetzt? Dann hab ich gedacht: eine Abtreibung geht für mich gar nicht. Es gibt gewisse Gründe, da kann ich das verstehen und es ist okay das zu machen. Aber solche Gründe lagen bei mir ein-fach nicht vor. Ich war in einer einiger-maßen stabilen Beziehung – so wie es in diesem Alter eben möglich ist. Ich hab mit meinem Freund schon alleine ge-wohnt. So gesehen, in unserer Lage, war es möglich einigermaßen auf eigenen Beinen zu stehen. Es war halt unser Kind. Damals waren wir auch schon zwei Jahre zusammen. Zwei Monate bevor ich erfahren hatte, dass ich schwanger bin, haben wir uns auch an unserm Zweijäh-rigen verlobt.

Ab der Schwangerschaft wurde die Situation mit eurer Ausbildung nicht unbedingt einfacher, wie habt ihr das organisiert? Wegen der Schwanger-schaft musste ich die Schule abbrechen, weil ich eine Risikoschwangerschaft hatte, mit zwei, drei Komplikationen. Sie wurde auch per Notkaiserschnitt geholt. Danach musste ich dann erst mal ent-scheiden. Ich hatte vorher ja schon so viel ausprobiert: Praktika, Schule. Dann hab ich gesagt: »Okay, ich bleib die ersten drei Jahre zuhause. Die sind ja am prägendsten.« Es war mir einfach wichtig, für das Kind da zu sein. Es war ja meine Entscheidung sie zu bekommen, also muss ich mich auch angemessen um sie kümmern. Du machst gerade eine Ausbildung zur Erzieherin, schon zwei Jahre nachdem du Lilly auf die Welt gebracht hast, was ist aus den drei Jahren Babypause geworden? Letztendlich war sie den andern Kindern in ihrer Entwicklung auch etwas voraus. Aufgeschlossen. Da konnten wir sie jetzt schon zur Probe einen Monat in den Kindergarten geben vor dem Ausbildungsbeginn. Das hat super funktioniert. Und seitdem zieh ich die Ausbildung jetzt durch. Ich komme im September in mein zweites Jahr. Es ist halt schwierig. Ihr Papa ist ja auch noch in der Ausbildung zum Zerspanungs-mechaniker. Er hat jetzt noch anderthalb Jahre vor sich.

Durch das Kind und eure Ausbildung seid ihr beide an den Ort gebunden. Denkt ihr, dass ihr auch auf längere Sicht hier wohnen werdet? Also erst mal schon. Weil Aglasterhausen ist einfach, hm, man kommt von Aglasterhausen so ziemlich überall hin. Selbst wenn du kein Auto hast, es sind alle Einkaufsmöglichkeiten hier in der Nähe. Zwei Bäcker und was man sonst noch so braucht.

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Deswegen wollte ich schon erstmal hier bleiben. Sie hat ihre Freunde hier. Der Kindergarten ist auch hier. Was spä-ter mal kommt, das weiß man noch nicht. So sehr Stadt bin ich auch nicht. Ich bin dran gewöhnt, dass es ruhiger ist. Das Einzige was ich auf dem Land nicht so mag – das sind die Leute. Die sind so ein Lästerpack. Da pupst der eine und alle andern wissen es. Ich weiß nicht, sonst finde ich es einfach schöner, wenn es ruhiger gelegen ist. Ich muss nicht alle fünf Minuten jedes Gespräch von Leuten mitbekommen. Oder dass nonstop Autos vorbeifahren, das brauch ich nicht.

Haben die Leute auch über dich geredet, als du so jung schwanger wurdest? Also, als ich schwanger war, da wurde ich zum Teil sogar auf 13, 14 geschätzt. Da haben die Leute geredet. Sowas wie: »Ein Kind kriegt ein Kind!«. Ich hab da auch viele Freunde verloren. Die haben mir unterstellt, dass ich nur ein Kind krieg, damit ich nicht arbeiten muss.

Mäuschen was machst du denn? Gehst du wieder deinen Winnie Pooh Film schaun? Du darfst später dann ein Foto machen. Nicht drücken, nicht drücken. Nur gucken.

Ja, es wird schon viel geredet, aber ich hab ehrlich gesagt nicht viel drauf gegeben. Ich hab schon immer die An-sicht gehabt: Wem es nicht passt, was ich mach oder wie ich bin, der soll mich halt einfach in Ruhe lassen.

Gab es auch Menschen, die dich unter-stützt haben hier in der Gemeinde? Also ich hab viel Unterstützung von meiner Familie bekommen. Auch von der Familie von meinem Freund. Die standen komplett hinter uns.

So unter meinen Geschwistern gab es auch Ungereimtheiten. Die haben ges-agt, ich würde das nicht hinkriegen. Die haben halt alle noch keine Kinder.

Wie alt sind deine Geschwister? Also ich hab 14 Geschwister eigentlich. Ich hab schon alleine fünf Pflegegeschwis-ter. Meine Mutter hat fünf Pflegekinder aufgenommen. Die sind zwischen vier und 21 Jahren alt. Und dann hab ich noch zwei Stiefgeschwister, die sind ... – mein Stiefbruder wäre jetzt eigentlich 26. Der ist gestorben ... Und meine Stiefschwester wird jetzt – ein Tag vor meiner Tochter hat sie Geburtstag – da wird die, ich glaub 28, 29, 30. Ich weiß es gerade nicht mehr sicher. Und dann noch Halbge-schwister. Drei mütterlicherseits und fünf väterlicherseits.

Eine ganz schön große Patchwork-familie! Kann man so sagen. Ein Teil stand komplett hinter mir. Die andern haben mich auch unterstützt. Sie waren vielleicht nicht ganz einverstanden mit meiner Entscheidung. Aber sie haben mich nicht gemieden. Auch die Seite von meinem Freund. Komplettunterstützung. Was ich ihm auch ganz hoch anschreibe – für einen Mann in seinem damaligen Alter, da war das nicht normal. Frauen sind da einfach weiter. Nicht von der Intelligenz her, aber von der Reife. Er hat gesagt: »Egal wie du dich entscheidest, ich steh hinter dir.« Er hat sich auch von vornherein auf das Kind gefreut. Er hat mich unterstützt, wo er konnte. Er musste auch mit meinen Stimmungsschwank- ungen klarkommen. Ich bin ein etwas impulsiverer Mensch, da fallen die auch mal etwas stärker aus.

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Kannst du länger arbeiten? Es könnte halt 10 Minuten länger dauern. Ich hol dich dann ab. Okay, bis dann. Ich lieb dich. Ciao.

Was bedeutet Zuhause für dich? Die Frage kann ich schwer beantworten. Mit jedem Ort sind halt auch Probleme verbunden. Ab einem gewissen Alter muss man halt ...

… erm, nein jetzt nicht. Nein, Schatz. Du hast einmal deinen Tee und dann hast du Reis. Kuck mal Lilly. Mmmh. Das ist Kamillentee mit Milch und Zucker. Ohne den Schuck Milch würde sie das gar nicht trinken! Ich hab den auch immer gekriegt. Fencheltee mit Milch und Honig. Ohne Zucker wollte sie das nicht. Dann kriegt sie halt eine Prise Zucker.

Ist dir schon mal aufgefallen, dass ich nirgendwo Griffe an den Fenstern hab, die klettert überall rum. Und die Fenster hat sie auch aufgekriegt. Jetzt muss ich halt überall den Griff mit mir rumtragen, wenn ich das Fenster öffnen will. Bei mir ist Zuhause an Personen oder gewisse Dinge gebunden. Jetzt zum Beispiel in Niedersachsen, da wo meine Mutter wohnt, da fühle ich mich – innerhalb des Hauses aber auch nur – in der Nähe meiner Mama zuhause. Meine Mama bedeutet für die meisten »Zuhause« in der Familie.

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Weil sie auch alles zusammenhält? Ja, schon. Es gibt keine Gegend in der ich mich unwohler fühle als dort oben. Da hab ich halt ganz schlechte Erfahrung- en gemacht. Ich hab da auch zu nieman-dem mehr Kontakt. Ich hab auch zu mein-en Geschwistern gesagt: »Ich will nicht, dass das jemand dort mitkriegt. Das ist nur wieder ein Grund zum Lästern.« Weil ich halt – hm – ich hatte viele Freunde, als ich jünger war. Im jugend-lichen Alter. Das kann man nicht wirklich als Freunde bezeichnen. Ich hatte mit denen gar nichts. Da hat man sich halt mal einen Kuss gegeben, aber mehr nicht. Dann hab ich gepeilt: »Oh, der ver-arscht mich doch nur.« Und dann hab ich ihn verlassen. Und nachdem mich dann, keine Ahnung wie viele, verarscht hatten und ich die jedes Mal gleich wieder verlassen hab, da sind keine wirklichen Gefühle gew-esen. Man war ja da grad noch in der Kennenlernphase. Vor allem mit vierzehn, da hat man das alles nicht so wichtig genommen. Und da war ich schon von vorneherein als Schlampe verrufen. Was ich ganz interessant finde, denn ich kann heute meine Sexpartner noch an einer Hand abzählen. Ich weiß nicht, von einer Schlampe erwarte ich irgendwie mehr. Das ist jetzt nicht böse gemeint, es ist aber so. Ich weiß nicht. Die Leute dort oben sind so kleinlich. So dumm. So dumm wie Brot zum Teil! Die haben ein ziemlich eingeschränktes Denken. Hier fühle ich mich schon ziemlich wohl. Von der Gegend her fühle ich mich im Ludwigsburger Raum am wohlsten. Da bin ich die ersten zehn Jahre meines Lebens aufgewachsen. Da würde ich aber nie wieder hin ziehen, weil da mein Erzeuger wohnt. Ich will nicht zu nah an den ran ziehen, weil ich dann keine Aus-rede hab, warum ich ihn nicht besuche.

Dazu würde dich doch niemand zwingen oder? Ich hab eine kleine Schwester, die ist ein absolutes Papakind. So wie es scheint, hat er bei ihr alles richtig gemacht. Ich will ihr das nicht verderben, indem ich ihr sage: »In Wirklichkeit ist der Papa ein Arschloch.«

Weil er sich damals nicht gut um dich gekümmert hat? Mmmh. Es war noch nicht mal das. Es sind Dinge vorgefallen, die nicht verzeihbar sind. Ob es jetzt ist, dass er meinen Bruder geschlagen hat, oder … Es ist einfach viel passiert, was nicht verzeihbar war ... ist.

Schatz, pass auf wenn das runterfällt.

Hier fühle ich mich von den Leuten her am wohlsten. Hier hab ich jetzt von meinem Freund die Familie. Wir waren ein halbes Jahr getrennt. Kurz bevor wir fünf Jahre zusammen waren. Vor ungefähr einem Jahr haben wir uns getrennt. Es hatte einfach nicht mehr geklappt. Er hatte seine Ausbildungs-stelle verloren und es war alles auf ein-mal gekommen. Er hatte schon eine Art Burn-out. Es ist alles auf ihn eingestürzt, nichts hat mehr funktioniert. Alles ist schief gegangen. Mit den Ämtern Stress. Da haben wir auch schon an unseren Gefühlen zueinander gezweifelt. Und auch, ob wir das alles so in der Konstel-lation hinkriegen. Oder ob nicht jeder für sich guckt, wie er klarkommt. Wir sind ja mit 16 zusammen gekommen.

Es war sicherlich auch eine sehr extreme und prägende Zeit für euch. Wir haben schon überlegt, ob wir nicht was verpasst haben. Wir waren ja solange in einer Beziehung. Dann haben wir gesagt: »Wir trennen uns jetzt erst mal.«

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Jeder kümmert sich erst mal um sich selbst und dann sehen wir, ob wir uns gegenseitig noch kümmern möchten. Wir waren sechs bis acht Monate ge-trennt. Dann sind wir wieder zusammen gekommen. Seither klappt alles auch wieder besser. Manchmal hilft Distanz auch den andern wieder zu schätzen. Ja, genau.

Was das wichtigste in deinem Leben ist zurzeit, das kann man sich nach allem was du gesagt hast ja denken. Ja, meine Tochter. Da muss ich jetzt auch – also so böse wie es auch klingen mag – ich lieb meinen Freund, das sag ich im Vorhinaus gleich dazu, aber – sie steht an erster Stelle. Wenn du ein Kind hast, da stehen deine eigenen Wünsche, Gefühle und alles hinten an – dein Kind kommt an erster Stelle. Egal was du willst, denkst, brauchst, sonst was. Es ist einfach so. Viele kriegen das nicht hin. Aber ich bin einfach der Meinung, wenn du dich dafür entscheidest ein Kind zu kriegen, entscheidest du dich auch komplett dafür deine Interessen, dich, hinten anzustellen. Es ist ganz viel – das ist ganz vielen gar nicht klar.

Das hört sich so an, als würdest du viel Zeit mit deiner Tochter verbringen. Das typische Teenagerleben mit Ausgehen und Feiern gibt es für dich dann gar nicht mehr. Ich hatte nichts davon am Wochenende feiern zu gehen. Für mich hängt das viel mit der Erziehung zusam-men.

Ich geh gar nicht weg. Null. Ich bin weggegangen bis ich mit ihrem Papa zusammen war. Also bis ich 16 war. Das ist nicht so viel. Es gibt im Leben auch noch andere schöne Dinge außer dem Ausgehen abends. Ne, ich hab auch was Alkohol anbelangt so schlechte Erfahrun-gen gemacht – mit den Menschen dann. Auch mit meinem eigenen Verhalten, dass mir das heute noch peinlich ist, wie ich mich damals verhalten hab.

So Mäusle, komm her die Hose anzie-hen. Wir müssen den Papa jetzt abholen. Schatzl.

Die Haarspange hat sie zu Weihnachten gekriegt. Von der Oma hat sie sich eine Gitarre zum Geburtstag gewünscht. In zwei Wochen hat sie Geburtstag. Vor kurzem hat mich mal jemand gefragt,ob sie in der Garde mittanzen will.Ich hab dann gesagt, ich meld mich mal.

So, Lilly, wir gehen jetzt den Papaabholen. Die Tante geht mit uns runter.

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Man muss keine Angst haben

Großstadttrubel und Stadtstress in Maßen. Die große, weite Welt kann auch einfach ein Ausflugsziel bleiben und im Zuhause,

da ist man sicher. Vor was genau?

Ich bin Kathrin Link und 24 Jahre alt. Ich leb schon seit meiner Geburt hier in Neckargerach mit meinen Eltern im Haus und meinem Bruder, der ist 19.

Wie sieht dein Leben gerade aus, was machst du? Ich mach grad gar nichts, weil ich seit Februar fertig bin mit meinem Studium und mich jetzt auf Jobs beworben hab, bis ich dann vielleicht den Master mach.

Was hast du studiert? Ich hab Soziale Arbeit in Heidelberg mit dem Bachelor abgeschlossen. Das ist hier in der Nähe.

Wolltest du als Studentin nicht lieber nach Heidelberg ziehen für dein Studium? Ich hab das an einer privaten Fachhoch-schule gemacht und meine Eltern haben das für mich gezahlt. Ausziehen wäre zu teuer gewesen für uns, weil ich kein BAföG bekomme.

Die zusätzliche Miete und das Geld zum Leben, was ich hier nicht brauche, das haben wir so gespart. Manchmal bekommt man eher BAföG bewilligt, sobald man ausgezogen ist. Ja, aber das wollte ich nicht auspro-bieren. Wie gesagt, meine Eltern zahlen schon genug für mein Studium und ich wollte nicht, dass sie mich bei etwas anderem auch noch unterstützen.

Es gibt ja auch noch die Möglichkeitstudentische Jobs zu machen, um sich selbst zu finanzieren. Das habe ichauch gemacht. Ich arbeite mehrmals die Woche im Fitnessstudio an der Bar und ich habe einer behinderten Kommilitonin bei der Transkription der Vorlesungen assistiert. Trotzdem wäre ich mit dem Geld nicht alleine über die Runden ge-kommen.

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Zumindest nicht mit dem Standard, den ich so während des Studiums haben konnte.

Würdest du auch in Betracht ziehen dein Masterstudium hier in der Nähe zu absolvieren um weiterhin Miete sparen zu können? Ich will auf jeden Fall im Oktober ausziehn. Bis September arbeite ich, dann wohne ich natürlich auch so lange noch hier. Danach würde ich dann ausziehen, wenn ich einen Job gefunden hab – auf jeden Fall. Oder ich ziehe in die Stadt, in der ich den Master machen würde. Dann ist es schon soweit für mich, dass ich ausziehen will. Unabhängig von deiner finanziellen Situ-ation, war es jemals dein Wunsch einfach mal vom Dorf, vom Elternhaus rauszu-kommen? Nein. Bisher noch nicht. Ganz einfach, weil ich immer viel unterwegs war. Ich saß nicht in Neckargerach fest, sondern war immer viel in Heidelberg unterwegs und dort bei Freunden. Außer-dem war ich oft bei Julian, kann ich das so sagen? Bei meinem Freund! Er wohnt bei Würzburg in einer eigenen Wohnung. Und deswegen, eigentlich bisher noch gar nicht. Ich hab mir halt die ganze Zeit ge-dacht, dann nach dem Studium, nach dem Bachelor. Während dem Bachelor fand ich es voll gut noch hier zu wohnen.

Hattest du nie den Wunsch das richtig studentische WG Leben mitzuerleben? Bis jetzt auch noch nicht, weil ich mir denke: »Ich kann immer noch in eine WG ziehn.« Und weil ich das jetzt noch nicht – als so, also – weil ich nicht so das Gefühl hatte etwas zu verpassen, wenn ich jetzt nicht grad in einer WG leb. Ich wüsste auch nicht, wenn ich mir jetzt ein Zimmer suche ab Oktober, ob ich mir dann eins in einer WG suche. Vielleicht auch so ein kleines Einzelzimmer für mich allein.

Lebst du gerne hier in Neckargerach? Ja. Also, wenn man die Möglichkeit hat anderswo hin zu gehn, zum Beispiel Heidelberg, und dort Bezugspunkte hat, dann ja. Wenn ich mir vorstelle nur hier in Neckargerach und Mosbach zu sein; dann nein. Das wäre mir zu eintönig.

Kannst du dir vorstellen später, wenn du einen Job hier finden solltest, hierweiterhin zu leben? Für später habe ich den Wunsch, schon eher in eine Kleinstadt zu ziehen. Aber schon auf dem Land aber in einer anderen Gegend. Das könnte ich mir vorstellen, ich weiß es aber noch nicht so genau.

Was genau schätzt du am Leben auf dem Land? Man muss keine Angst haben. Vor Überfällen oder so. Ja, dass ich mich sicher fühle, dass es sicher ist, dass es be-kannt ist. Auch wenn ich keine richtigen Freunde mehr hier in Neckargerach habe, denn die sind ja verteilt überall, trotz-dem kennt man irgendwie die Leute. Und gerade hier in Neckargerach ist Mosbach nicht weit, ist Heidelberg nicht weit – also ich fühle mich jetzt nicht so, wie das Mäd-chen vom Dorf. Ich finds halt ganz gut.

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Viele Schüler gehen nach dem Schulab-schluss erst mal hinaus in die weite Welt. Warst du auch mal länger auf Reisen, oder hast anderswo gelebt? Ich dachte früher, dass ich direkt nach der Schule zum Studium ausziehen werde. Ja, das dachte ich. Aber das war ja dann nicht schlimm, als ich gemerkt hab, dass das nicht klappt.

Was ist dir im Moment am wichtigsten, gibt es ein Ziel oder einen Traum, den du verwirklichen willst? Hm, mehrere. Einmal, dass ich ab September einen Job finde mit dem ich hier ausziehen kann und in dem ich Erfahrung für später sam-meln kann. Oder ein Masterplatz. Und aber gleichzeitig eine Idee zu haben, wo ich später mal arbeiten könnte, um dann schon nochmal etwas Neues anzufangen. Ich würde bei allem aber nicht nur meine Entscheidungen berücksichtigen, sondern auch mich etwas nach meinem Freund richten. Also, ich würde jetzt nicht nach Hamburg, ans andere Ende von Deutschland ziehen, sondern schon schauen, dass es – wenn es sein muss – bei einer Fernbeziehung bleibt, in der wir uns am Wochenende besuchen können.

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Ich wollte ganz dringend hier raus

Oftmals sind junge Mütter bei der Kinder- betreuung auf die Unterstützung ihrer Eltern

angewiesen. Zurück in der Heimat – wie lebt es sich dort, wohin man nie zurück wollte?

Ich heiße Jennifer Herzschuh, bin 25 Jahre alt und hab in Neckargerach und in Mosbach gewohnt. Schon immer in Neckargerach und dann war ich kurz weg, aber dann hat´s mich wieder hier-her verschlagen. Für mich war´s einfach praktischer wegen meiner Tochter, hier in Neckargerach zu wohnen. Ja. Wegen der Arbeit, meine Kleine geht dann zu meiner Mutter und in den Kindergarten hier vor Ort. Wenn ich woanders wohnen würde, dann wäre alles mit viel mehr Stress und Hektik verbunden. Dann hab ich gesagt: Komm ich zieh wieder nach Neckargerach. Und ich werd auch hier bleiben. Mein größter Wunsch ist es nicht hier zu bleiben, aber man hat halt keine Wahl. Also in dem Sinne würde ich natürlich lieber in der Großstadt oder so wohnen. Aber das ist halt einfach nicht so machbar. Ich wollte den Weg so gehen, und jetzt muss ich ihn so gehen. Ja.

Kannst du dir vorstellenvon hier fort zu ziehen, wenn die Kleine alt genug ist? Ja, wenn die Kleine ihren eigene Weg gehen sollte, irgendwann mal, was ja der Fall sein wird. Dann werden wir, also werd ich auf jeden Fall, ich denk mal mein Mann auch, aus Gerich weggehn. Es ist einfach so, ich bin mein Leben lang in Gerich groß geworden. Die andern ziehen hier zu, für die ist das alles gut mit der Familie. Hier kann man als Familie landen. Als Josephine noch nicht da war, war ich ja auch Teenager, ja? Wollte immer weg. Und natür- lich hast du in der Stadt immer viel mehr Verbindungen mit Bus und Bahn. Es ist viel leichter irgendwo hinzugehn als auf dem Dorf. Hier sind halt immer min-destens 30 Kilometer dazwischen. Für junge Leute, ich war ja selber Teenager hier in Gerich, wird halt nicht großartig etwas geboten. Es ist halt der Jugend-raum da. Aber in der Stadt ist das we-sentlich anders.

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Hier ist es eher schön für Familien und ältere Leute. Aber für Jungspunde ist es nicht optimal, wenn man nicht mobil ist.

War es für dich dann auch ganz wichtig damals den Führerschein zu machen? Ja, genau! Also ich hab mir geschworen damals, dass ich … Also mit 17 hab ich angefangen und innerhalb von sechs Wochen hatte ich den Führerschein. Ich wollt hier raus. Ich wollte hier ganz dringend raus. Und dann hab ich mit 18 die Welt erkundet. Dann bin ich überall hingefahrn. Ich war unabhängig von jedem. Dann hab ich ruckzuck meinen Führerschein gemacht. Ich hab da wirklich jeden Tag drauf hingebetet, dass ich 18 werd. Und hier weg. Wie du siehst, mich hat´s halt wieder hierher verschlagen. Ich bin im Moment glücklich, dass es so ist. Es ist wirklich einfacher für mich, es ist stressfreier. Es ist halt ein Dorf. Man kann das nicht vergleichen mit der Stadt. Im Dorf kennt jeder jeden und in der Stadt kann´s sein, dass man noch nicht mal seinen Nachbarn kennt. Es gibt natürlich gewisse Vor- und Nachteile. Wie gesagt, ich bin froh, dass ich hier wohn. Aber mein ganzes Leben will ich hier nicht verbringen. Ich will halt noch was von draußen sehn. Nicht nur hier hocken in Neckargerach.

Warst du früher als Jugendliche, oder auch jetzt noch immer in Vereinen tätig? Hier in Neckargerach war ich in kei-nem Verein. Ich war imme nur in Mos-bach, im Judoverein. Ich war im Tanz-verein in Mosbach, in der Kugel, in der ehe-maligen. Hier in Neckargerach war ich in keinem Verein. Es gab zwar den Karnevalsverein, aber das hat mich nicht wirklich interessiert, also bin ich auch nicht rein. Sonst war ich hier im Kinder-garten.Das sind noch die gleichen Erzie-herinnen, die meine Tochter jetzt hat.

Von der Schule her, sie wird jetzt dem-nächst eingeschult, auch in Guttenbach. Man kennt sich untereinander. Das ist trotzdem auch das Gute. Wobei, man-chmal auch nicht.

Welche Probleme gibt es da manchmal? Ich kenne noch viele Leute aus der Ju-gend. Natürlich verändern sich die Leute mit der Zeit. Manche will man vielleicht auch gar nicht mehr kennen. Im Dorf ist es nicht so, dass man denen einfach so mal aus dem Weg gehen kann. In der Stadt verlebt man sich dann irgendwie. Aber im Dorf hat man nicht die Möglich-keit. Man sieht immer mal wieder Leute, die man nicht unbedingt sehen möchte. Wie gesagt, sie hat mitunter auch sogar die gleichen Lehrer, die ich früher auch hatte.

Habt ihr euch dieses Haus hier bewusst gekauft? Wir wollten schon immer ein Haus kaufen. Und es war mir auch klar, dass, wenn ich nach der Schwangerschaft wieder arbeiten wollte, das nicht geht, wenn ich niemanden in der Hinterhand hab. Mein Mann ist Vollzeit, ich war die ganze Zeit Vollzeit arbeiten. Da wusste ich ganz genau, dass irgendjemand auf meine Tochter aufpassen muss. Nach der Geburt bin ich – drei Monate später – halbtags arbeiten gegangen. Und dann, da war sie ungefähr ein Jahr alt, bin ich ganztags arbeiten ge-gangen. Und sie musste ja irgendwie versorgt werden und das war dann bei meiner Mutter. Sie hat immer aufgepasst, vom Kindergarten abgeholt, ihr mittags Essen gegeben. Sie hat alles den ganzen Tag gemacht bis abends um halb fünf, wenn ich von der Arbeit heim kam. Und dann gings für mich halt los. Es is nicht immer schön, weil ich hab sie nicht aufwachsen sehn.

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Das bereue ich zutiefst. Ich hatte aber keine andere Wahl. Wenn man das haben will, dann muss man auch was dafür tun. Ich hab nicht mitgekriegt, wie sie ihren ersten Zahn bekommt. Das sind halt schon Sachen, die mir hinterher weh getan haben, wo sie halt sozusagen einfach erwachsen ist. Kinderarztbesuche, das hat alles meine Mama gemacht. Ohne meine Mutter wäre es einfach nicht gegangen.

Habt ihr euch dann auch deswegen entschieden wieder zurückzuziehen? Ja, genau. Dass das Haus nur ein paar Straßen weiter entfernt von meinem El-ternhaus steht, das war ein reiner Glücks-griff. Aber wir wollten schon in die Nähe, nach Zwingenberg oder Binau. Das wäre auch akzeptabel gewesen. Und so konn-ten wir uns das hier kaufen und zwei Straßen weiter ist meine Mutter dann da. Ich könnte sonst den ganzen Tag nicht arbeiten gehen. Mittlerweile ist es so, dass ich wieder nur halbtags arbeiten geh, weil sie jetzt in die Schule kommt. Da will ich dann dabei sein, alleine schon wegen der Hausaufgaben.

Du hast vorhin gesagt, dass du gerne wenn die Kleine alt genug ist von hier weggehen würdest. Was wäre dein Traum für den perfekten Wohnort? Irgendwo ans Meer. Ich gehe auf jeden Fall – irgendwo auf jeden Fall ans Meer. Wo weiß ich noch nicht. Das sind noch so Träume, was man hat. Es ist nicht so, dass man – man will halt nicht sein gan-zes Leben hier verbringen. Zumindest ich nicht. So irgendwo am Meer. Sie könnte dann natürlich mit, oder sie geht dann ihren eigenen Weg. Und man besucht sich dann. Aber auf jeden Fall ans Meer.

Dachtest du früher, dass du heute anders-wo bist? In der Jugend dachte ich: »Ne, in Gerich, da werd ich nicht alt.« Ich glaub aber, das hat auch mit den Gedanken zu tun, die man in der Pubertät hat. Mit der Zickigkeit. Man sagt dann: » Ne, das is nix für mich.« ... Natürlich hätte ich das nicht gedacht, dass ich wieder zurückzieh – aber so sind die Um-stände. Mittlerweile hab ich mich damit abgefunden und bin glücklich. Wenn ich an einem Ort total unglücklich wäre, würde ich dort auch nicht bleiben. Manchmal wünscht man sich, anderswo zu sein. Das ist aber alles erstmal Wunschdenken.

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Was bedeutet Zuhause für dich? Das ist dort, wo man weiß: »Jetzt bin ich zu Hause. Hier kann ich tun und lassen, was ich will.« Man kann sich ein-fach wohl fühlen zuhause. Ich weiß, wenn ich nach Hause komme, dass die Kleine mich anspringt, dass der Hund mich anspringt, dass – ja, so banal es klingt – man weiß, es gibt gleich was zum Essen. Das sind solche Sachen. Der Moment, in dem ich glücklich bin, dass ich da bin. Das ist wenn ich sagen kann: »Ja.«

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Aber das istnur ein Traum

Fremde Kulturen ziehen Menschen manchmal magisch an. Sie lassen uns weite Reisen

unternehmen und träumen. Für manche sind sie auch eine Flucht ins Paralleluniversum.

Ich bin Jasmin Clewe, bin 21 Jahre alt.

Wohnst du schon lange hier in Neckar- gerach? Ja, schon seit der Geburt an. Wir wohnen hier im ehemaligen Haus von meinem Opa eigentlich, aber der ist gestorben, also haben wir das geerbt.

Mit wem lebst du zusammen? Mit mei-nen Eltern und oben wohnt noch ein Mieter. Mein Bruder ist in Stuttgart, weil der studiert. Der ist jetzt 23 Jahre alt – 24! Tschuldigung.

Was machst du im Moment, gehst du gerade noch zur Schule oder machst du eine Ausbildung? Ja, ich bin noch ausbildungssuchend und besuch gerade vom Arbeitsamt aus eine Bildungs-maßnahme.

Was bedeutet das, eine Bildungsmaß- nahme zu machen? Man soll durch Praktika eine Ausbildung kriegen.

Ich interessiere mich am meisten für eine Ausbildungsstelle im Einzelhandel im Bereich Mode, in Bekleidungsläden und Schuhgeschäften.

Welche Schule hast du zuletzt besucht? Vorher bin ich auf die Augusta Bender Schule und hab meine Mittlere Reife dort gemacht, im Bereich Hauswirtschaft. Danach wollte ich das Berufskolleg be-suchen in Buchen, aber das hab ich dann irgendwie nicht geschafft wegen Mathe. Das war einfach zu schwer.

Hast du das Gefühl, beim Arbeitsamt wird dir bei der Ausbildungssuche ausreichend geholfen? Nein, nicht wirklich. Ich war schon mehrere Male dort und der zustän-dige Berater für die Berufsorientierung hat mich drei Mal versetzt! Ich hatte also gar keine Möglichkeit richtige Hilfe zu bekommen.

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Ich hab dann seinen Vorgesetzten auf das Problem aufmerksam gemacht und er hat mich nur informiert, dass der Be- rater gerade auf einer Weiterbildung oder sowas wäre. Ich hab mich dann an das nächste Arbeitsamt in Buchen gewendet. Als ich dort ankam, hat mich fast der Schlag getroffen, denn ich saß plötzlich vor dem Berater, der mich in Mosbach drei Mal versetzt hatte! Ich musste ja schon lachen, aber, ganz ehrlich, ich kam mir schon irgendwie verarscht vor.

Hat dir das Gespräch mit dem Herrn dann wenigstens etwas geholfen? Nein, nicht wirklich.

Hattest du bis jetzt schon die Möglichkeit von Zuhause auszuziehen? Nein, die gab es noch gar nicht ... Da haben wir auch noch gar nicht so wirklich drüber geredet gehabt. Angenommen ich hätte eine Ausbildung irgendwo weiter weg, dann wäre ich bereit dazu. Wenn es nicht anders geht. Aber zuhause ist es halt doch am schönsten. Wenn es sein muss, würde ich schon ausziehen, klar. Wenn ich einen Partner hätte, dann würde ich auch mit dem zusammen- ziehen. Aber unbedingt hier raus – nö.

Wenn du die freie Wahl hättest, wo würd-est du gerne arbeiten? Im Ausland am liebsten. Spanien oder in der Türkei. Aber wann hat man schon mal die Chance? Mein Traum wäre es in Side als Hotelfachfrau zu arbeiten. Ich war mal mit meinem Freund dort und es war echt wunderschön. Selbst die türkischen Angestellten des Hotels haben perfektes Deutsch gesprochen, fast besser als ich.

Warum gerade in der Türkei? Allgemein wegen dem Klima. Die Menschen ver- halten sich ganz anders dort, die Luft ... alles ist viel besser dort!

Hier geht’s nur um Arbeit, Arbeit, Ar-beit. Die haben mehr Lebensfreude dort, finde ich. Ich hatte auch drei Jahre einen türkischen Freund. Mir hat das schon gefallen. Klar ist die Kultur anders, als die deutsche. Ich hab mich dann halt in der Familie auch angepasst und der Mutter auch mal in der Küche geholfen. Die Mutter meines Freundes damals, die konnte auch nicht so gut Deutsch und ich hab dann ein wenig Türkisch gelernt, um mich besser mit ihr unterhalten zu können.

Bist du mit Spaniern und Türken hier aus Neckargerach befreundet? Ja, alles drum und dran. Ich hab hier ein paar Freunde, die ich aus der Kindheit kenne. Früher war ich immer mit türkischen Kindern auf dem Spielplatz spielen. Da waren ja auch nie Deutsche. Und dann war das ganz normal von Anfang an. Aber sonst hab ich mit den Leuten hier nicht wirklich was zu tun.

Warum denkst du, kommst du mit der Mentalität der deutschen Neckargeracher nicht so gut zurecht? Ich finde, sie sind schon ein bisschen anders. Aber ich bin es halt auch anders gewohnt, durch den Umkreis alleine schon. Mit manchen kom- me ich einfach nicht klar. Da geht’s halt immer um Alkohol, Party – wie du´s im Jugendraum beobachten kannst. Immer diese Feiern und so. Das ist nicht so meins.

Was machst du in deiner Freizeit mit Freunden? Meistens, wenn ich von der Arbeit komme, dann laufen wir, ich und meine Freundin, durchs Dorf und an den Neckar. Da ist es ja schon schön. Nach dem Arbeiten, hast du ja nicht noch große Lust wegzugehen. Sonst, am Wochenende, gehen wir halt irgendwo außerhalb weg.

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In größere Städte, um da was zu unternehmen. Heute Abend fahr ich mit meiner Freundin nach Miltenberg.

Wie bist du mobil, hast du ein eigenes Auto, oder bist du von anderen abhängig in dieser Hinsicht? Ich hab keinen Führerschein, also fahren wir meistens mit der Bahn. Richtung Osterburken, also aus Richtung Heidelberg, kommt der letzte am Wochenende bis, glaube ich, 3 Uhr sogar. Aber von der anderen Richtung halt 23 Uhr, ne?! Das ist halt ein bisschen blöd immer, das geht halt nur gut in eine Richtung. Das stört mich schon, dass es hier nichts gibt. Nur Natur halt. Wenn man Ausgehen will oder Einkaufen muss man wegfahren.

Was bedeutet Zuhause für dich? Zuhause ist für mich das Gefühl vonSicherheit und Geborgenheit. Nicht un-bedingt ein Ort oder eine Person – mehr ein Gefühl. Zuhause ist, wenn ich mich einfach wohl fühle und keine Sorgen haben muss.

Und was sind deine nächsten Ziele? Auf jeden Fall, dass ich eine Aus-bildungsstelle finde und das durchziehe, damit ich unabhängig auf eigenen Beinen stehen kann.

Jasmin lebt jetzt nicht mehr bei ihren Eltern. Ihre Mutter hat ihr nahegelegt auszuziehen. Sie wohnt zur Zeit bei ihrem türkischen Freund und sucht immer noch nach einem Job.

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Auf jeden Fall das Elternhaus

Meine zwei Kinder, mein IT-Job, meine Wohnung. Diese jungen Frau weiß, was sie will. Schon früh hat sie viele Ziele erreicht. Sucht sie nach neuen?

Ich bin die Kerstin Momma, ich bin 25 Jahre alt. Ich wohne schon mein ganzes Leben in Neckargerach, bin hier zur Schule gegangen, hab meine Ausbildung aber bei der SAP gemacht. Zurzeit bin ich aber in Elternzeit, zum zweiten Mal. Bin relativ junge Mutter von zwei Kindern, der Anna-Linnéa, die ist jetzt bald drei und der Oliver ist jetzt sechs Monate alt. Ansonsten bin ich ver-heiratet. Wir wohnen hier im Haus meiner Eltern. So ist im Moment alles prima für mich.

Wenn du dich zurückerinnerst an die Zeit, wo alles noch im Ungewissen war, als du gerade deinen Abschluss gemacht hast: Hattest du damals den Wunsch von hier wegzugehen? Ich bin schon seit der Schulzeit mit meinem jetzigen Mann zu-sammen, als Freund und jetzt auch ver-heiratet. Als ich dann meine Ausbildung in Walldorf angefangen hab, da haben wir dann doch schon überlegt:

»Ziehen wir näher nach Walldorf, oder auch näher zu seiner Arbeitsstelle nach Heidelberg, oder bleiben wir hier woh-nen?« Und hier ist eben das Finanzielle, die finanzielle Lage, der große Grund und auch das soziale Netzwerk, das hier in der Nähe ist. Das war der größte Grund hier zu bleiben und nicht irgendwohin wegzuziehen.

Wie lange sind für euch die Pendelzeiten? Mein Mann fährt ungefähr eine halbe Stunde mit dem Zug, eine dreiviertel Stunde bis er ganz dort an der Arbeits-stelle ist. Und ich würde eine dreiviertel Stunde mit dem Auto fahren. Einfach allerdings. Also man hat gute zwei Stun-den Fahrtzeit jeden Tag zur Arbeit.

Plant ihr hier zu bleiben in Neckargerach? Ja, jetzt gehen die Kinder auch hier in den Kindergarten, die Große.

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Der Kleine wird dann ab September in eine Kinderkrippe gehen und dann sind wir auch wieder hier an den Ort gebunden.

Findet ihr Neckargerach ist ein guter Ort um Kinder groß zu ziehen. Ein Zuhause für eine schöne Kindheit? Ja, generell schon. Natürlich haben andere Ort- schaften, egal ob groß oder klein, mehr Vorteile. Hier gibt es halt einfach nicht so viel wie in der Stadt. Für viele Ange- bote, für die Kinder speziell, muss man manchmal weit fahren, um ihnen auch etwas bieten zu können. Dafür haben wir hier die Großeltern, die dann auch mal kurz auf die Kinder aufpassen können. Das ist wirklich ein großer, großer Vorteil. Wenn ich dann andere Familien sehe, die ihre Kinder weit wegbringen müssen. Oder sie zu fremden Leuten geben müs-sen, die dann aufpassen.

Ist es dir besonders wichtig, dass deine Kinder innerhalb der Familie betreut werden und mit viel Kontakt zu den Großeltern aufwachsen? Wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich auf jeden Fall das Elternhaus oder die Schwiegereltern vorziehen. Für fremde Betreuungskräfte ist es halt nur ein Job. Die werden dafür bezahlt und machen das stundenweise. Sie passen vielleicht nicht nur auf das eine Kind auf, sondern gleich auf eine ganze Horde von Kindern. Die Omas sind halt einfach Familie, die dann mit mehr Herz und ohne Zeitbegrenzung auf die Kinder aufpassen.

Du hast dich schon früh entschlossen dich hier zu verwurzeln, mit deinem Mann und deiner Familie. Spürst du manchmal den Wunsch etwas nachzuholen? Dass ich was verpasst habe, so mit Disco oder einfach so mal in die Städte fahren?

Ja, oder auch mal für eine längere Zeit an einem anderen Ort zu leben, der ganz anders ist als das, was man gewohnt ist. Vermisst hab ich das eigentlich nicht, weil bei uns alles ganz gut funktioniert. Mit den Eltern. Es ist alles harmonisch.Auf der anderen Seite beneide ich dann schon ein bisschen meinen Bruder, der in Mannheim wohnt und dort sein wirklich eigenes Leben hat. Er bekommt nicht vorgeschrieben: »Ja, koch mal eben hier noch für den Papa mit.« Er kann sich alles selbst einteilen. Auf was ich schon immer neidisch war ist, dass die großen Einkaufszentren in unmittelbarer Nähe sind und es mit einem geringeren Auf-wand verbunden ist dorthin zu kom-men. Wenn man von hier aus zu H&M einkaufen gehen will, da plant man ja eine halbe Tagesreise ein! Mit Kindern sowieso. Das ist dann schon für mich ein bisschen Luxus. Das fände ich vorteilhaft an einer großen Stadt.

Sonst siehst du keine Vorteile an der Stadt? Vielleicht weiß ich ja auch gar nicht, was ich verpasse, weil ich nicht dort wohne.

Warst du früher oder bist du heute noch in Vereinen eingebunden? Als Kind war ich im Kinderchor und im Ballett. Aber auch immer noch in der kirchlichen Jugendarbeit. Das bindet uns natürlich hier an die Gruppe, an die Kirchen- gemeinschaft auch. Die Kirche nur spe-ziell wegen der Jugendarbeit.

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Wie ist die Resonanz von den Jugend-lichen hier? Kommen noch viele zur KJG? Jugendliche sind es eher weniger, außer die, die schon als Kinder da reingewachsen sind. Wo vielleicht die Eltern auch früher schon aktiv waren. Da steht oft auch das Elternhaus dahinter und sagt: »Komm, da kannst du was bewegen in der Gruppe. Die machen da coole Sachen.« Und dann sind die ... eigentlich wachsen die Kinder dann da rein, wenn sie dann ins Jugendalter kommen. Aber sonst ist es mit den Ju-gendlichen, die vorher nichts mit der Kirche zu tun hatten, eher schwierig sie dafür zu begeistern, für die KJG.

Siehst du da eine Veränderung im Ver-hältnis zu früher? Gab es da mehr Motivation mitzumachen in der Gemeinde von Neckargerach? Ne, nicht wirklich. Noch viel früher, in der Generation von meinen Eltern. Vielleicht hat da die Kirche eine noch größere Rolle gespielt. Aber in meiner Altersklasse jetzt nicht.

Hat dich früher etwas am Leben hier gestört? Ich hatte ja nie direkt was mit dem Ort hier zu tun. Ich war zwar in der KJG, aber eine direkte Bindung zum Ort, zu den Jugendlichen vom Dorf hatte ich nie.

Warum denkst du war das so? Die Inter-essengebiete waren ganz andere. Ich bin nicht der Fan von Fasching, ich bin nicht der Fan von Fußball, ich bin nicht der Fan von Feuerwehr. Da sind doch schon viele, aber das interessiert mich gar nicht. Ich war nie in diesem Jugendraum, den gab´s früher schon, da war ich vielleicht 16 oder 17, da hieß er »Blauer Planet«.

Was ist dein nächstes größeres Ziel? Du hast ja schon viele Sachen erreicht, die andere für sich in noch weiter Zukunft sehen mit dem sicheren Job, der Heirat und den zwei Kindern. Schon seit unsere Große auf der Welt ist planen wir was passiert, wenn Nummer zwei da ist und dann auch etwas größer wird, denn hier ist es ja doch ein bissel eng. Die Kinder müssen sich ein Zimmer dann teilen. Da planen wir, wie wir die Wohnung hier umbauen könnten, oder dann eventuell auf die Suche gehen könnten für etwas Eigenes. Das ist so das nächste Ziel, auf das wir natürlich auch erstmal hinsparen müssen. Weil man ja nicht sein Leben lang irgendwelche Kredite abzahlen möchte.

Wenn Oliver dann ab September in die Kinderkrippe kann, hast du dann vor wieder halbtags zu arbeiten? Ja, bis jetzt ist sogar geplant, dass ich bis zu 80 Prozent wieder arbeite. Ich wäre dann drei Tage im Büro und noch ein bisschen hier von zu Hause aus. Das ist dann wieder bei meinem alten Arbeitgeber, der SAP. Ganz neue Aufgaben, aber der gleiche Arbeitgeber.

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3 Zuhause ist es doch

am Schönsten

Aufstehen, Arbeiten, Heimkommen. Man kann sich Spannenderes vorstellen,

doch – Routine bringt auch Sicherheit. Sicherheit oder Langeweile?

Ich bin zwanzig und arbeit als Recht-spflegefachangestellte, mach ne Ausbil-dung. Ich bin jetzt noch ein Jahr dort und dann hab ich meine drei Jahre geschafft. Ich heiße Jasmin Gerhardt.

Hast du vor wegzugehn aus Neckar- gerach? Hm, das ist schwer zu sagen. Weil eigentlich find ichs gut hier, weil ich wahrscheinlich auch das Haus hier übernehmen würde. Also, irgendwann mal. Aber je nachdem was kommt, würd ich auch weggehn. Im Moment leb ich noch bei meinen Eltern im Haus.

Hattest du früher den Wunsch nach deinem Schulabschluss in eine größere Stadt zu gehen? Ich hatte früher schon mit dem Gedanken gespielt mal ein Auslandsjahr zu machen, weil ich ja auch Spanisch gelernt hab. Aber irgendwie hat sich das alles dann doch verworfen, weil ich dann doch da bleiben wollte.

Vielleicht kannst du das noch machen, wenn du mit deiner Ausbildung fertig bist? Ich will danach ja eventuell studieren und wenn das in Mannheim oder Heidelberg wäre, dann würde ich eventuell auch dorthin ziehen. Aber wenn das dann so nahe beim Zuhause ist, dann ist es natürlich auch wieder günstiger hier wohnen zu bleiben.

Ist es ein Problem für dich mit deinen Eltern zusammen zu wohnen? Man bleibt doch immer noch das Kind im Haus, auch wenn man schon erwachsen ist. Wenn ich hier oben in meinem neuen Zimmer bin, dann bin ich auch für mich. Ich bin aber auch selten zu Hause, ich bin meis-tens den ganzen Tag arbeiten. Bis ich dann heimkomm, dann geh ich mit einer Freundin ins Fitnessstudio. Eigentlich bin ich selten zu Hause. Wenn man dann mal zuhause ist, dann freut man sich auch darauf.

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Deswegen ist es vielleicht bei mir dann nicht so, dass ich dann gleich wieder weg will.

Wie war es für dich früher, als du noch in der Schule warst, hier zu leben? Eigentlich das Beste, glaub ich. Man war ständig draußen. Wir warn ja immer so ein großer Haufen, im Jugendraum oder auch drüben in Guttenbach. Und ich weiß nicht, ich konnte mir das gar nicht vor- stellen, wie das jetzt in der Stadt ist. Ob man da dann auf irgendein Feld kann? Wir waren ja dann oft am Waldsee oder irgendwie nachts am Spielplatz, wenn uns langweilig war. Und in einer Stadt wäre das in dem Maße alles eigentlich gar nicht möglich. Also ich kanns mir nicht vorstellen wie das in ner Stadt ablaufen soll. Wo man eh ned lang raus darf. Auf dem Dorf merkt man es nicht unbedingt, wenn man länger draußen ist als jetzt zehn, was man eigentlich nicht dürfte. Ja, also ich kann sagen ich hab ne schöne Zeit hier gehabt. Auf jeden Fall.

Warst du außerdem auch in Vereinen engagiert früher? Ja, ich war in der Jugendfeuerwehr ganz früher und sonst war hier in Neckargerach jetzt nichts. Ich war in Zwingenberg im Tennisverein. Aber so hauptsächlich Jugendfeuerwehr, aber da war ich dann irgendwann wieder draußen. Ah doch, im Kanuverein war ich noch! Genau! Kanuclub war ich auch ganz früher.

Hast du mit den Leuten, mit denen du früher im Verein warst noch heute etwas zu tun? Sieht man sich noch? Gar nicht mehr eigentlich. Bis auf die, mit denen ich in der Klasse war. Man sagt sich schon Hallo, wenn man sich auf der Straße sieht. Aber sonst, hab ich mit den Leuten gar nichts mehr zu tun.

Wie fühlt sich zuhause für dich an? Was bedeutet es für dich? Einfach gebor- gen. Wenn man Stress hat oder wenn man weg ist, dann ist es immer das glei-che. Und dann, wenn man heim kommt ... Es ändert sich nix, auch wenn man sich selbst vielleicht ändert. Oder auch das ganze Umfeld draußen bleibt immer das gleiche. Das ist eigentlich für mich sehr wichtig. Ich hatte nie Schwierigkeiten mit der Dorfgemeinschaft, man hat die Leute schon immer gekannt, aber nur vom Se- hen. Und man kann sich dann nicht auto-matisch gut leiden. Aber irgendwie ist man dann halt zusammengekommen und es hat dann gepasst. Ich hatte da eigentlich nie große Schwierigkeiten. Man kennt sich vom Dorf halt schon. Als man kleiner war, ging man zusammen in den Kindergarten und die Grundschule. Man kennt sich halt einfach.

Könntest du dir vorstellen dein Zuhause zu verlassen, wenn es mit dem Job hier nicht klappt oder du jemanden ken-nenlernst? Wenn es um Familie geht und man den einen gefunden hat, dann wär das kein Problem. Ich sehs ja bei meinen Eltern, was die alles schon zusammen gemacht haben. Die haben ja in Erbach gewohnt und sind dann nach Neckar- gerach. Ich würde nicht unbedingt gerne in ne große Stadt. Aber ein Ort, wo man in zehn Minuten dann in der Stadt ist, dann wär das kein Thema.

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Hast du schonmal den Wunsch gehabt auszubrechen und etwas total anderes zu sehen? Gerade in eurer Generation ge-hen viele Jugendliche für ein Jahr oder ein halbes auch einfach so weit weg wie möglich. Besonders Australien oder Südamerika sind gerade sehr gefragt. Wie ist das bei dir? Ich glaub, dafür bin ich einfach nicht der Typ. Ich hatte auch schon oft mit dem Gedanken gespielt: »Einfach raus hier!« Wenns einem mal richtig schlecht ging. Ich denk mir auch manchmal dann: »Neckargerach kann nicht alles gewesen sein. Die Welt ist doch so groß.« Aber da bin ich einfach nicht der Typ dazu, um diesen Schritt dann auch wirklich zu gehen. Aber eine Freun-din von mir, die ist mit ihrem Freund nach Australien gegangen, die ist jetzt aber auch wieder da in Schefflenz. Manche haben das halt dann in sich, die können sagen: »Tschüss!« Aber ich kann das nicht.

Ist es dir wichtig, dass du weißt deine Freunde bleiben auch gerne hier? Ich bin eher so der Typ, der nicht hier bleiben will, wenn alle andern weg sind. Ich bin dann eher der Mensch, der dann sagt, dann geh ich lieber von dem weg, woher ich komme. Vielleicht schätzt man es dann noch mehr. Komm vielleicht dann doch wieder zurück. Ich weiß es ja von meiner Mama, die ist ja auch wegge-gangen. Im Endeffekt kam sie dann aber doch wieder zurück. Die sind wegen Papa nach Erbach. Meine Tante hat weiter weg gewohnt, ist aber wieder zurück nach Eberbach. Irgendwie hats alle wieder zurück verschlagen. Das kann ich mir auch vorstellen, wenn ich mal weggehen sollte, dass ich dann wieder zurückkomm. Man schätzt es halt einfach hier. Wenn man älter wird, dann will man dann doch auch wieder mehr seine Ruhe.

Jetzt will man noch was erleben. Später hat mans dann erlebt und kann dann wieder zurückkommen.

Stört dich etwas an Neckargerach? Die Langeweile manchmal. Man ist so eingefahren auf seine Leute. Man kann nicht irgendwo was trinken gehen, man sitzt doch immer wieder zusammen. Wenn man jetzt in der Stadt ist, kann man sagen man geht mal schnell wo was trinken. Das gibts halt hier nicht.

Was ist das für ein Bild hier an der Wand? Das haben wir vor, keine Ahnung wie vielen, Jahren gemacht. Da war noch alles gut. Von unserer früheren Clique sinds nur noch Johannes, Becks und Ich. Die anderen gibts nicht mehr. Mich würde mal interessieren, ob die andern das Bild auch noch hängen haben.

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Interview • Jasmin

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3 Im Endeffekt

eine gute Lösung

Zwei Schwestern sind sich einig: Wer Familie und Freunde hat, der muss nicht in die Ferne

schweifen. Das Abenteuer kann sich mit der Sicherheit, die man Zuhause findet, nicht messen.

F: Ich heiß Franziska Schleid und ich hab grad mein Abi gemacht. Ich bin jetzt 18. M: Ich bin Magdalena, bin 20 Jahre alt und studiere jetzt gerade in Würzburg seit einem Semester, aber komm eigentlich oft nach Neckargerach. Wohnt ihr euer ganzes Leben schon in Neckargerach? F: Ja, wir wohnen hier mit unseren Eltern, unserem Bruder und unserer Oma zusammen im Haus. Ward ihr auch als Jugendliche hier in Neckargerach unterwegs? M: Schon, aber als wir dann aufs APG in Neckarelz gegangen sind, hatte ich jetzt mehr mit den Leuten aus Mosbach zu tun. Das war ein bisschen schwieriger, weil man dann immer mit dem Zug fahren musste oder fragen musste ob einer mich fahren kann. F: Bei mir genauso, weil bei mir in der Klasse niemand aus Neckargerach war.

Dann hatte ich keine Freunde direkt aus Neckargerach und ich musste auch Zug fahren. Ich hab meinen Führerschein jetzt mit 17 gemacht, aber da konnte man ja trotzdem noch nicht alleine fahren. Also hattet ihr mit Neckargerach nichts direkt zu tun sondern ward im Umkreis unterwegs. M: Ich nicht. Ich auch nicht. Durch Konfi vielleicht ein bisschen, weil das ja die Leute aus Neckargerach, Guttenbach, Binau sind. Danach hat sich das dann immer mehr verloren, weil man solange in der Schule war. Du wohnst seit kurzem in Würzburg, kannst du sagen, ob es dir dort besser gefällt als in Neckargerach? M: Man kann sich mit den Leuten spontaner ver-abreden und sich treffen. Man kann mit dem Fahrrad oder dem Bus schnell wohin fahren.

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Es ist nie jemand weit weg, selbst wenn er am andern Ende der Stadt wohnt ist man innerhalb von 10 Minuten dort. Ich bin jetzt unabhängiger, man ist nicht auf die Eltern angewiesen, oder auf das Auto. Das geht schon besser. F: Ich will auf jeden Fall irgendwohin in die Stadt, wohin weiß ich noch nicht. Was ich machen will, weiß ich auch noch nicht so genau. Ins Ausland würde ich jetzt nicht unbedingt wollen und wenn ich dann mal wegziehe, fände ich es gut, wenn ich am Wochenende trotzdem leicht hierher kommen könnte. Hauptsächlich wegen der Familie und meinen Freunden. M: Ich war nur dreieinhalb Wochen in Schottland nach meinem Abi und das war gut. Es hat aber auch gereicht. Es ist halt auch für meinen Freund blöd. Er macht gerade sein Anerkennungsjahr als Erzieher in Neckargemünd. Von daher ist es halt ... er ist doch mein Hauptgrund, warum ich jedes Wochenende dann zurück komme. Familie, Freunde, das ist nicht so ausschlaggebend – meistens mein Freund. Fühlt ihr euch in Neckargerach so wohl, dass ihr sagen könntet ihr kommt nach dem Studium, oder eurem nächsten Schritt zurück und bleibt? F: Also ich weiß ja nicht, was ich genau machen will, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass ich dann wieder hierher kommen würde. M: Ich kann mir schon vorstellen, wenn ich dreißig oder älter bin und eine Familie gründen will, dass ich dann wieder in Neckargerach wohne. An für sich ist es schön hier. Auch mit den Zugverbind-ungen. Für Kinder ist es schön, aber als Jugendlicher schon eher langweilig. F: Ja stimmt, bis zur vierten Klasse war´s schon cool.

Was würdet ihr am ehesten mit Heimat in Verbindung bringen? M: Familie! F: Ja, Familie. M: Ja, von daher denk ich auch, dass ich immer in der Nähe von Neckargerach bleiben werde, im Umkreis zumindest. Insgesamt ist es schon nicht so aufregend, weil man immer so weit fahren muss. Es ist schwierig sich zu verabreden. Obwohl es auch gut ist, weil man sich dann besser organisiert. Man nimmt auch mehr Rück-sicht, fragt mal, ob man jemanden mit-nehmen kann. Das ist in der Stadt nicht so. Könnt ihr euch vorstellen, später mit euren Eltern im Haus zu wohnen, wie sie jetzt mit eurer Oma? F: Unser Haus ist nicht so schlecht dafür, weil wir jetzt zwei Häuser zusammengebaut haben. Da gibt es schon genug Abstand. Das kann ich mir schon vorstellen. M: Ich kann mir besser vorstellen, dass wir später mal Nachbarn sind oder dass man ein paar Straßen weiter oder im nächsten Ort wohnt. Es ist ein bisschen nervig, wenn immer jemand reinkommt oder guckt was man macht, was man genau macht und so. F: Ich glaub es ist besser für die Familie, wenn man nicht ganz so nah aufeinan-derhockt. Wie war das früher bei euch, wo zogen euch eure Träume früher hin? M: Das war so wechselweise, da dachte ich, ich will in einer wirklichen Großstadt, wie Berlin, leben. Auf der anderen Seite dachte ich auch, dass ich gar nicht von hier weg will. Im Endeffekt finde ich Würzburg eine gute Lösung, weil es nicht so weit ist und trotzdem mehr Stadtver-hältnisse herrschen. F: Bei mir auch, ich würd schon gern mal in ner WG wohnen, in ner Stadt.

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Ihr würdet gerne beide später wieder in Neckargerach wohnen? Habt ihr euch schon Gedanken gemacht, ob das mit dem Job hier in der Gegend auch klappt?

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F: Ja, wir hoffen halt, dass das klappt. M: Das kann man jetzt halt noch nicht sagen, wirklich.

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Es ist ganz, ganz schwierig

Oftmals reicht schon ein leichter Dialekt aus, um sich von einer Gruppe zu unterscheiden.

Und dann stammt man noch aus Feindesland. Kann ein Schwabe in Baden jemals daheim sein?

Marina, warum willst du hier bleiben? Wer sagt, dass ich hier bleiben will? Ich bin zwar erst mit meinem Freund hier in die Wohnung gezogen. Aber wenn die Oma vom Sascha mal nimmer isch, dann kriegts der Opa. Und was der Opa mit dem Haus macht, das steht noch in den Sternen. Es kann sein, dass er es verkauft oder was weiß ich. Und ewig hier, also ewig hier in der Wohnung wohnen, will ich auch nicht. Das war ja vorher die Wohnung vom Sascha seiner Mutter. Und die Mutter isch jo vor zwee Johr oder nem Jahr isch sie gestorben. Und dann bin ich halt hierher gezogen.

Zur Unterstützung von Sascha. Ja.

Auch zur Unterstützung der Großeltern? Ne, eigentlich mehr für den Sascha.

Und wie alt bis du jetzt? 22.

Und dein Freund? 22. Wir sind jetzt seit zwei Jahren zusammen.

Wohnt ihr beide schon immer hier in Guttenbach? Der Sascha, ja. Ich war zwölf als wir hierher gezogen sind. Den kenn ich schon von der Hauptschule in Neckargerach.

Du bist also als Teenager nach Neckar-gerach gekommen? Ja, da war ich ja eigentlich schon so, dass ich auch weg- gegangen bin. Wir waren dann im Jugendraum in Neckargerach. Da hat man peu à peu, nach und nach immer mal wieder irgendwelche andere Leut kennengelernt, die sich dann wieder mehr anderswo hintendiert haben. Nach Mosbach oder Eberbach. Also der Jugendraum war dann schnell abge-schrieben bei mir. Dann haben wir Becks und so kennen gelernt. Und ab da waren wir dann überall und nirgendwo.

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Du hast dich also eher im Umkreis von Neckargerach aufgehalten? Weniger. Also mehr Sinsheim oder so. Weil die Diskotheken ja alle außerhalb sind. Die sind immer Sinsheim oder Buchen oder Heilbronn. Bei uns is ja nix.

Das ging ja aber erst ab der Zeit wo jemand von euch den Führerschein hatte. Ja, früher war ja in Mosbach noch die Mehrbar und der DJ´s Club. Und dann sind wir dahin mit dem Zug gefahren. Ich weiß gar nicht mehr alles.

Hast du das Gefühl, dass du hierher gehörst zu den Leuten? Nein, eigentlich nicht. Also Stuttgart, wo ich herkomm, ist halt eine ganz andere Stadt wie hier. Wenn zu uns irgendein Badenser kommt, dann wird der nicht so aufgezogen, wie hier ein Schwabe. Also ich hab mich hier nie wirklich daheim gefühlt. Es ist ja hier in Neckargerach ganz, ganz schwierig von außerhalb aufgenommen zu werden. Also nicht nur im Jugendbereich, sondern auch im älteren Bereich. Jetzt wo ich schon zehn Jahre hier wohne ist es im-mer noch schwierig. Die Leute sind alle komisch. Die sind alle so … ja … ich weiß nicht wie ichs sagen soll. Die sind halt schon eingeschweißt. Also in Neckar- gerach sowieso. Da kennt jeder jeden. Wenn da jemand von außerhalb kommt, ist das nicht so toll.

In Neckargerach funktioniert das Dorf- leben viel über die verschiedenen Ver-eine. Hast du versucht dich so zu inte-grieren? Ja, ich war in der Prinzengarde vier, fünf Jahre lang. Aber das ist ja, … das war auch nicht das Wahre. Die küm-mern sich dann nicht wirklich um einen. Wenn ich zu den Sitzungen gemusst hab zum Tanzen, dann hat es geheißen: »Ja, guckst wie du hin kommst, guckst wie du heim kommst.« Also das war auch nicht wirklich geregelt. Und dann hätt´ ich in die große Garde gesollt. In der großen Garde sind sie eh alle komisch, irgendwie. Und da hab ich dann gesagt: »Ne, da will ich ned hin.« Und dann bin ich raus aus dem Verein. Dein Freund und du ihr habt beide den Abschluss hier in Neckargerach gemacht, danach habt ihr angefangen zu arbei-ten? Der Sascha arbeitet beim Weißhaar in Mosbach. Er hat da eine Ausbildung gemacht und ist dort dann übernommen worden. Ich arbeite gerade als Kassie-rerin im Kaufland in Mosbach. Aber da bleib ich ned. Ich würd gern ins Büro. Ich hab dringend nen Job gebraucht, weil ich ja nicht mehr in der Schule bin und ´ne Ausbildung hab ich hier keine gekriegt. Dann hab ich halt einen Aus-hilfsjob übernommen.

Du hast vorhin gesagt du willst nicht hier in der Wohnung bleiben, wohin würdest du gerne gehen? Nach Stuttgart zurück. Zu meiner Schwester. Hier ist ja abends zum Beispiel überhaupt nix. Da musst du ja erst mal 30, 40 Kilometer fahren, damit du irgendwo hin kannst.

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Früher war alles besser. Vor allem das Abendprogramm im Fernsehen.

Damals war das Zusammensein vor dem Apparat noch ein Ereignis. Da war für jeden was dabei. Ein schon etwas betagteres Dorfmädchen

erinnert sich.

von Martha Hagendorn

Essay

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 Früher sind wir jedes Wochenende ins Gasthaus, weil wir damals selbst zuhause noch keinen Fernsehapparat hatten. Da hat sich alles getroffen. Die vom Sportverein. Alle jungen Leute vom Dorf sind immer dort gewesen. Zum Tanz hat man sich dort getroffen, zum Fernsehen.Das war schön. Aber nur am Wochenende. Und heute dieser Trubel.  Ich verstehe die jungen Leute nicht mehr. Irgendwie haben sie es verlernt gut zu leben. Wo man hinsieht – Scheidung, Unzufrieden-heit. Wir haben früher noch etwas für den Zusammenhalt gemacht. Abends, da hat man zusammen ferngesehen. Nicht jeder für sich in seinem Zimmer. Alle zusammen im Wohnzimmer. Ich hab dann schnell den Abwasch gemacht, nach dem Abendbrot, und dann hat man zusammen auf dem Sofa gesessen und geschaut was kam. Es kam ja immer was. Bis um zehn hat man dann ferngesehen, wir mussten ja um fünf Uhr morgens schon wieder aufstehen. Die Kinder mussten sowieso unter der Woche um acht Uhr ins Bett. Aber samstags und sonntags – da haben sie auch länger aufbleiben gedurft. Da haben wir immer gewusst was wir gucken. Und die erzählen heute noch, was wir immer geguckt haben. Da hat es Fortsetzungen gegeben von einem Film, in der Woche einmal:

Richard Kimble war das – ein Arzt. Und dem seine Frau ist umgebracht worden und da wollten sie es auf ihn schieben. Und er hat aber einen Einarmigen davon springen sehen! Und dann hat der den gesucht!

 Ach, den haben sie so oft fast gehabt. Den hatten sie sogar mal ganz! Der sollte dann mit dem Zug ins Gefängnis gebracht werden, dann hat der die Notbremse gezogen – obwohl er gefesselt war – und ist zum Fenster hinaus gesprungen. Dann sind die auch raus! Der ist in den Fluss getaucht und hat ein Rohr genommen. Zum Atmen! Durch das Rohr hat der dann Luft gekriegt da unter Wasser. Also, so span-nend! Mein Sohn hat vor kurzem noch darüber geredet. Das weiß der heute noch! Das hätte ich nicht gedacht. Das ist in der Woche einmal gekommen. Fortsetzung. Ich glaub eine Stunde ist das nur gegan-gen. Und dann hat der auch einmal auf dem Bauernhof gearbeitet. Und, ich weiß nicht mehr wer es war, hat dann herausgefunden, dass Richard Kimble nicht ein Lottel war, wie es alle dachten. Am Brun-nen hatte er sich nämlich gewaschen und dann hat er sich nicht die Hände am Handtuch abgetrocknet, weil das so dreckig war. Und da hat er gesehen:

»Aha, das ist kein Halunke. Das ist ein feiner, ehrenhafter Mann!«  Der war ja Arzt. Ach, das war ja so spannend. Heute bringen die das gar nicht mehr zusammen. Heute bringen sie ja auch lehrreiche Sachen. Aber das verstehe ich ja nicht mehr.

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 Mein Sohn hatte einmal eine Freundin, die hat das nicht ver-standen, was man hier auf dem Dorf mit der Familie machen kann. Die hat gefragt: »Was macht ihr denn die ganze Zeit? Hier gibt es doch nichts zu erleben.«  Und dann hat er gesagt: »Wir sitzen dann gemütlich im Wohnzimmer. Entweder wir machen Gesellschaftsspiele, oder wir sehen fern – da ist immer irgendwas. Ein wichtiges Sportereignis, eine wichtige Musiksendung oder ein Spielfilm.«

 Das hat die nicht verstanden. Die geht jeden Abend fort. Was ist das für ein Leben? Das ist doch furchtbar! Jeden Tag weg? Da muss ich doch keine Miete zahlen, wenn ich nie in der Wohnung bin! Die kam aus Berlin. Und was das kostet! Wenn ich weggehe, da muss ich doch dann auch etwas trinken. Und daheim, da hat man es so gemütlich! Man hat doch die Familie den ganzen Tag nicht. Da kann man mit der Familie etwas gucken und etwas zusammen trinken.

 Und die Ruhe! Der Trubel und die vielen Leute! Das macht die alle verrückt! Einfach ein paar Stunden Ruhe. Ich war immer froh, wenn die Familie aus der Küche draußen war. Dann bin ich schnel-ler fertig gewesen – und dann, um acht Uhr, manchmal hab ich es nicht immer geschafft noch vorher ins Bad zu gehen und mich zum Schlafen fertig zu machen. Dann auf die Couch vor den Fernseher. Danach ging es dann nichts wie ins Bett. Sonst hätten wir das Schaf-fen gar nicht durchgehalten. Man hat immer etwas mit der Familie unternommen und billig gegessen, weil man selber gekocht hat. Und nur so kann man zu ein bisschen was kommen. Wenn wir jeden Tag weggegangen wären? Oh je. Daheim hat man die Getränke im Keller stehen und kann sie schön hoch holen. Und die Ruhe! Wenn ich am Wochenende mal weggehe, das schon. Aber unter der Woche! Aber die, die brauchen das, wenn sie das erstmal gewöhnt sind. Im Winter waren wir gemütlich im Wohnzimmer vorm Fernseher und im Som-mer schön im Garten gesessen. Tischtennis haben wir viel gespielt. Das hat diese Freundin von meinem Sohn nicht verstanden. Die hat geguckt wie ein Auto. Nicht verstanden hat die das. Hier hat man gute Luft, man ist zusammen, die Vögel zwitschern. Was will man mehr?

 Man hat mit der eigenen Familie was erlebt. Einmal haben wir die Gymnastik aus dem Fernsehen mitgemacht und da mussten die Mö-bel und alles verrückt werden. Plötzlich hat es geklingelt und der Pfarrer stand vor der Türe. Da haben wir gesagt:

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»Bei uns geht es rund, Herr Pfarrer!« Da haben wir schnell wieder alles auf grad gestellt.

 Die Ruhe, das Vertraute. Das fehlt den Familien heute. Die kommen gar nicht klar mit ihren Kindern, heutzutage. Die lassen sie schreien. Das ist ein großer Unterschied. Am Wochenende ausgehen – war-um nicht? Da sind wir auch mit den Kindern mal weggefahren, ins Schwimmbad, oder in den Märchengarten. Aber unter der Woche? Nein. Früher das war eine Zeit, da ist alles nach Plan gegangen. Und heute?

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von Isabel Müller

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Draußen in der weiten Welt, wo mich keiner kennt, suche ich nach mir. Nicht dort, wo ich mich

schon auskenne und man glaubt zu wissen wer ich bin.

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 Je älter ich wurde, desto unwohler fühlte ich mich Zuhause. Mit meinen Eltern habe ich mich irgendwann nicht mehr verstanden, mein Freundeskreis wechselte immer wieder, meine Interessen auch und ein Drang nach Neuem wuchs in mir heran. Es war mir unmöglich, meiner Rolle, die mir zuhause übergestülpt wurde, zu entsprechen und ich konnte die Interessen und Ziele der anderen nicht mehr teilen. Das was mir möglich war, entsprach nicht meiner Vorstellung vom Le-ben. Meine Vorstellung war nur vage, aber klar war, dass ich dort nicht danach zu suchen brauchte.

 Innerlich trieb mich etwas von Zuhause fort. Erst nur ein paar Ortschaften, dann in eine weiter entfernte Stadt und letztendlich in mein eigenes Leben. Ganz einfach war das nicht. Besonders am Anfang hatte ich stark zu kämpfen, mit all dem Neuen – den neuen Orten, den neuen Menschen und den neuen Aufgaben

 Zuhause existierte nicht viel Offenheit für Neues, also hatte man mir nicht zeigen können, wie man damit umgeht. Es erforderte von mir vor allem Mut und Durchhaltevermögen. Manchmal sehnte ich mich wieder nach etwas Bekanntem und Gewohntem. Aber mit dem Ge-wohnten Zuhause ging es mir nicht besser, also blieb ich bei meiner Entscheidung und ging Schritt für Schritt dem Neuen entgegen. Seit-dem begegne ich auf meinem Weg Menschen mit ihren Einstellungen und Lebensweisen, lerne Orte und die damit verbundenen Kulturen kennen und sammle Erfahrungen, die mich wachsen lassen.

 Im Kontakt mit neuen Bekanntschaften kann ich mich ausprobieren und mit den gewonnenen Erfahrungen mein eigenes Lebensbild ge-stalten. Meine Werteeinstellung und mein Denken entwickeln sich, ich bekomme verschiedene Sichtweisen auf die Dinge und kann mich immer wieder neu definieren. Jeder unbekannte Ort und jede unbe-kannte Kultur, lässt mich über den Tellerrand blicken. Ich lerne das Leben auf die verschiedensten Weisen kennen und habe die Gelegen-heit mir davon für mich mitzunehmen, was mir gefällt und was mir gut tut. Und mit den Erfahrungen sehe ich es so, als wäre ich noch immer ein Kind. Wenn wir auf die Welt kommen, ist doch erstmal alles neu und unbekannt. Wir sind voller Neugierde und Lust auf die Welt. Mit jeder neuen Erfahrung nehmen wir als Kind etwas mit, was uns das Unbekannte besser erklärt und uns später helfen wird.

Warum sollte das aufhören?

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 Die Welt ist so groß, dass wir in jedem Alter vieles davon mitneh-men können und sollten. Wenn ich heute, mit allem was ich gelernt und gelebt habe, meine Familie zuhause besuche, fühle ich mich fast immer fremd und eingesperrt. Ich passe nicht mehr in die Rolle von früher hinein und meine Denkweisen und Einstellungen sind mit ihren oftmals nicht konform.

 Sie haben ihre Art zu Leben gewählt und sind glücklich damit. Aber mir ist das zu wenig und es wird mir dort immer wieder bewusst, wie glücklich ich mit meiner Weise zu leben bin.

Ich möchte dem Leben und der Welt mit offenem Herzen begegnen, denn es bedeutet für mich Freiheit, Lebenslust und Wachstum.

 Und es bringt mich mit jedem Schritt mir selbst ein Stückchen näher. Es gibt so vieles, das ich noch nicht kenne und solange ich mir die Freiheit nehmen kann, es kennenzulernen, möchte ich dies tun.

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Wann kam der Pragmatismus zum ersten Mal in Mode? In den Achtzigern war er auf jeden Fall

schon etabliert. Was machte die Jugend im Dorf vor 40 Jahren?

von Ulrike Lorenz

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 Wenn ich mich in meine Jugendzeit mit 15 bis 17 Jahren zurück-erinnere ist mir ganz gut haften geblieben, wie wir immer am Frei-tagabend nach dem Arbeiten uns – das heißt meine Freundinnen Elvira, Margit, Yvonne, Hellen und Annette – im Dorf vor der Bus-haltestelle getroffen haben. Dort haben wir uns dann über Jungs und was die ganze Woche über passiert, unterhalten. Auch überlegten wir, was am Samstagabend ablaufen sollte. Meistens gingen wir in den Nachbarort in die Disko. Wenn wir Jungs fanden, die schon ein Moped oder Auto hatten, fuhren wir mit ihnen mit. Wenn nicht, liefen wir um halb 7 abends los und waren gegen 8 Uhr in Neunkirchen. Heim fahren war kein Problem, da fand sich immer wer. Sonntags nachmittags ging es oft auf die verschiedenen Dorffeste im Umkreis. Manchmal stand auch eine Hochzeit an und wir trafen uns samstagnachmittags zum Kranzwickeln. Die Jungs brachten die Fichtenäste aus dem Wald und wir wickelten den Kranz und machten Papierblumen. Sonntagnachmittags, wenn das Geld reichte, ging es auch manch-mal zum Billardspielen und eine Cola trinken in die Wirtschaft. Oder nach Schwarzach in den Tierpark. Unter der Woche lief eigentlich selten was. Ganz selten mal zum Reiten in den Nachbarort Schwar-zach. Kostete damals eine Stunde 10 DM. War sauteuer.

 Wenn jemand Geburtstag feierte, war das meist am Wochenende. Dort gab es dann Tanz, Musik, Spiele, Getränke, meist wenig Alkohol und belegte Brote. Wenn gescheite Kerle dabei waren, wurde natür-lich auch geknutscht und rumgealbert.

 Mit 17 lernte ich dann in der Disco Hansi kennen. Er hatte ein Mo-ped und kam dann jedes Wochenende zu mir. Wurde von meinen Eltern dauermitverköstigt. Schlief dann auch bald darauf bei mir. Fuhr von Michelbach auch oft gleich zur Arbeit. An Wochenenden gingen wir mit anderen Jugendlichen dann in die verschiedenen Diskos. Sonntags zum Schwimmen, Zoo nach Heidelberg, Kinos, Spa-zierengehen, Feste im Umkreis. Wochenendausflüge nach München, Paris, mehrere Tage Zelten gemeinsam mit Freunden.

 Als wir beide ein regelmäßiges Einkommen hatten, wollten wir zusammenziehen – alleine. Wir hatten die Möglichkeit in Michelbach in dem Haus von meinem Opa eine Wohnung zu beziehen, ohne Miete zu zahlen, oder in Neckargerach im Haus von Hansis Eltern auch ohne Miete. Wir entschieden uns für Neckargerch, da keine Geschwister von Hansi das Haus später beerben wollten. Hansi wollte es haben. 1980 heirateten wir und zogen nach Neckargerach.

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Aber nicht, dass ich da als Dorftrottel abgestempelt werd, oder?! Es gibt auch gute Sachen hier. Familie und so. Man wird schon abgestempelt, als Mäd-chen vom Dorf. Cassandra! Ej, schenk mal Sekt ein! Asti. Alle trinken jetzt ein Sekt. Wo ist Cassy? Wieviel Uhr? Noch drei Minuten. Cassandra? Michaela, Becher? Können wir loslegen? Eine Minute!!! Sekt? Hast du? Hallo, Leute, alle her! Ej! Happy Birthday to you. Ej, mach mal Musik aus. Ganz aus! Cassandra, is es schon soweit? Alle mal Umarmen aufhörn!

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Cassandra! Hierher. Hier, Cassandra, komm her. Was ist los? Die Musik ist aus. Cassandra braucht ein Geburts-tagslied! Was geht hier für eine Stim-mung? Auf dem Boden. Jetzt kommen Moser und Mike!!! Macht die Musik aus! Hallo?! Wo ist unser Geburtstagskind? Komm mal her. Wir haben was ganz Spontanes. Alle zuhörn!!! Am Schluss ham wir s verkackt man. Aber vorher war s voll gut. Ej, Peyman! Komm mal her. Cassy! Wo is n die jetzt?

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Warum weint die? Zu viele Erwartungen. Ich gebe deiner Mutter Kopf-penetration. Ich bin so froh, dass ihr hier seid. Normale Leute. Ja, hab ich mir vorhin auch schon gedacht. Ich hab extra die ganze Zeit Abstand gehalten. Ich dachte, du magst die auch?! Ej, ich war mit denen unterwegs letztens. Im Studio. Weißt du wer die ganze Zeit im Auto sitzen ge- blieben ist? Genau. Ich! Ich hab gesagt, ich geh da nicht mit rein. Für die sind Frauen irgendwie wertlos.

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Ja, deswegen mein ich ja, deshalb bin ich die ganze Zeit im Auto sitzen geblieben. Gut Jasmin, gut. Ich hab da halt mein Sturkopf. Vielleicht seh ich so aus als ob ich mit solchen Leuten was zu tun hätte, aber ne. Ich hab halt gedacht wegen Cassy und so. Nö, ich lass mich da doch nicht in so ne Scheiße mit rein-ziehn. Ich hab ja schon vorher gesagt, dass sie aufpassen soll mit denen. Ich weiß, der eine ist ganz okay, aber die anderen? Der eine würd noch gehen, aber für die haben Frauen halt nen anderen Wert. Hast du Feuer für mich?

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Ej, die Mädels – alle Bitches. Kuck doch mal, wie die rumlaufen. Ej ich schwör dir, genau deswegen ... Ich hass deutsche Fraun ... Ich bin auch ne deutsche Frau. Ej, ja, aber kucks dir doch mal an. Ich hass die deutsche Mentalität. Bitches! So voll offen! Bumsen mit jedem rum und so. Und dann sind sie später aber so: »Ja, Kinderkriegen und so.« Und scheiß Blablabla. Aber vorher mit zwanzig so in jedem Bett rumhüpfen, weißt du?! Discopogo, tingelingeling, tingelingeling. Alle Atzen si... I got a hangover. Ohohoh. I´ve been drinkin too much for sure, oh!

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Peyman, komm mal bitte her kurz. Wer ist das? HD. Ah, okay. Übersetzt – Assis. Hehehe. Er hat vorhin dein Handy aus-gemacht, um dir dann über die Schulter zu schaun, ... wenn du deine PIN eingibst. Ja, ... so ist er halt, wenn er betrunken ist.

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Wer einmal die frische, klare Luft vom Land gewohnt ist, dem fällt es schwer sich mit grauen, dreckigen Wohnblocks in der Stadt anzufreunden Eine Studentin erzählt, wie viel ihr Natur wert ist.

von Laura Henrich

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 Neckargerach – Mannheim. Eine Differenz von circa 310.000 Ein-wohnern. Eine Tatsache, die sich in jeder Hinsicht bemerkbar macht.

 Nach achtzehneinhalb Jahren auf dem Dorf haben sich die er-sten Tage alleine merkwürdig angefühlt. Zudem ist Mannheim eine Stadt, die mich rein optisch nicht unbedingt anspricht. Zuhause in einem Einfamilienhaus mit großem Garten zu wohnen und plötzlich im vierten Stock, in einer Einzimmerwohnung eines Mehrparteien-hauses mitten in einem dichtbesiedelten Stadtteil Mannheims ...

 Trotzdem muss ich sagen, dass ich mich pudelwohl fühle, was natürlich auch am Umfeld, der Uni und den neuen Freunde liegt. Ich hätte nicht erwartet, dass mir Mannheim so gut gefallen könnte. Dennoch fehlen mir meine Eltern und meine Katze, aber seit ich nicht mehr so oft zuhause bin, ist das Verhältnis zu meinen Eltern irgendwie noch entspannter geworden,obwohl es nie schwierig gewesen ist. Die Tatsache, dass ich so gut wie jedes Wochenende nach Neckargerach-Guttenbach fahre, zeigt, dass ich wirklich gerne in der »alten« Heimat bin und es auch genieße hier zu sein. Ohne Großstadtlärm und Hektik.

 Auch wenn man die Orte keinesfalls miteinander vergleichen kann, ist nun auch Mannheim eine Art Heimat für mich geworden. Mein Jahr in Mannheim ist bald vorbei und ich weiß jetzt schon, dass mir die Stadt und die Leute hier sehr fehlen werden. Ab in die Straßen-bahn und auf zum Shopping, wann und sooft ich möchte. Ich bin dort um jede Uhrzeit mobil und wo man auch hinkommt, ist, im Gegensatz zu Neckargerach, immer etwas los. Einfach mal zu beschließen kur-zfristig eine Party zu feiern oder auf einen Cocktail in die Innenstadt zu fahren - diese Freiheiten sind es, die ich an meiner Zeit in Man-nheim sehr schätze. Ich bin hier ungebunden, muss auf niemanden Rücksicht nehmen und bin auf mich alleine gestellt. Und das ist auch gut so, denn wie will man es denn sonst lernen das Leben zu meistern und auf eigenen Beinen zu stehen.

 Dennoch ist das Leben in Mannheim mit dem Leben auf dem Land nicht vergleichbar. Zuhause im Garten in der Sonne zu liegen wird da dann doch schon zum Luxus. Wenn man in der Stadt ein Fleck-chen Grün besuchen will, zeigt sich, was es wert ist, auf dem Land zu leben. Während der Städter gut und gerne schon mal zwei Euro für einen Besuch im unspektakulären Grün ausgibt, kann man bei uns Zuhause innerhalb von zwei Minuten zu Fuß Natur pur erleben, ganz ohne Eintrittsgeld.

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 Während man sich in Neckargerach beim Namen kennt, habe ich bisher erst die Hälfte meiner Nachbarn im Haus gesehen, geschweige denn mehr als zwei Wörtern mit ihnen gewechselt. Diese Anonymität ist manchmal etwas beängstigend. Von Nachbarschaft kann da natür-lich nicht die Rede sein. Hier macht eben jeder eher so sein Ding. Meiner Meinung nach haben beide Orte ihre Reize.

 Als Mädel vom Land würde ich momentan sagen, dass ich mir ein Leben in Mannheim für immer nicht vorstellen könnte. Neckarger-ach wäre aber wahrscheinlich für die Zukunft auf die Dauer auch nicht meine erste Wahl. Auch wenn man immer am liebsten an dem Ort ist, wo man aufgewachsen ist.

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von Katharina Wandernoth

Fischerverein, Wandergruppe, Häkelclub – kann man eigentlich auch noch etwas Nützliches

anfangen mit seiner Freizeit auf dem Dorf? Ja, man kann.

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 Mit 15 Jahren, 1999, durfte ich endlich in die DRK Ortsgruppe ein-treten. Da es kein Jugendrotkreuz in Neckargerach gibt war die Mit-gliedschaft erst ab 15 möglich. Nach einem Erste-Hilfe-Kurs sind fünf jugendliche Mitglieder in den Faschingsferien jeden Tag nach Heil-bronn gefahren um dort die Ausbildung zum Sanitätshelfer zu ab-solvieren. Jetzt durfte ich auch endlich Dienste machen, zum Beispiel an Fasching oder auf dem Sportplatz.

 Mit 16, in der 8. Klasse der Hauptschule, stand ein Praktikum an. Dieses absolvierte ich beim Rettungsdienst in Eberbach, denn ich war mir sicher: »Ich werde Rettungssanitäter!« Nach zwei oder drei Tagen des Praktikums habe ich gemerkt, dass man es als Frau nicht leicht hat im Rettungsdienst. Aus dem fünften Stock einen 170 Kilo Patienten zu tragen, fast unmöglich! Mir wurde klar, dass dieser Beruf nichts für mich ist, da die körperliche Belastung zu hoch ist! Aber ich hatte ja noch meine Mitgliedschaft in der Ortsgruppe.

 2004 wurde ich zur Bereitschaftsleiterin gewählt, das bedeutet, die volle Verantwortung für den Verein und die Helfer zu übernehmen. 2005 gründeten wir für die Gemeinde Neckargerach »Helfer vor Ort« (HvO). Nach langer Ausbildung der Helfer zum Rettungshelfer und Rettungssanitäter, wurde im September 2005 die HvO offiziell »eröffnet«. Joachim Diederich und ich haben noch eine Zusatzausbil-dung im Trauma-Management absolviert, für die Versorgung schw-erverletzter Personen. Aufgabe dieser Gruppe ist es die profesionelle Versorgung der Patienten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu übernehmen. Die HvO wird gleichzeitig mit dem Rettungsdienst über Melder »Piepser« alarmiert und rückt nach circa zwei Minuten aus und ist nach maximal fünf bis sieben Minuten am Einsatzort. Der Rettungsdienst benötigt circa 15 Minuten – je nach Witterung auch länger. Bei einer schweren Erkrankung – Herzinfarkt, Schlaganfall, Herz-Kreislauf-Stillstand – war der Einsatz der HvO in den Gemein-den schon oft lebensrettend.

 Unser Einsatzfahrzeug steht in Guttenbach unterhalb des Fried-hofes in einer beheizten Garage von wo aus die HvO ausrücken. Die HvO arbeitet vollkommen ehrenamtlich, wir bekommen für die Ein-sätze kein Geld und können diese auch nicht über die Krankenkasse oder ähnliches abrechnen. Die HvO finanziert sich komplett aus Spenden. Auch das Einsatzfahrzeug, der Sprit, die KFZ-Versicherung, das Material, die Einsatzkleidung, Fortbildungen und so weiter, kann – beziehungsweise muss – aus Spenden bezahlt werden. Es kann nichts über die Krankenkasse oder den DRK Kreisverband abgerech-net werden. Mit Auslagen von circa 5000 Euro im Jahr ist das nicht einfach.

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 Das Einsatzgebiet erstreckt sich auf Neckargerach-Guttenbach, Zwingenberg, Binau, Neckarkatzenbach und Teile von Schollbrunn, sowie bis nach Reichenbuch. Im Jahr werden wir zu circa 90 bis 120 Einsätzen gerufen, teilweise auch zusammen mit der Feuerwehr bei Bränden! Die meisten Einsätze sind Internistische Notfälle – Herzer-krankungen, Schlaganfälle, Herkreislufstillstände – Verkehrs- oder Häusliche Unfälle, Suizide oder Suizidversuche und viele andere!

 Jeder aus der OG und HvO geht seinem normalen Beruf nach, die HvO ist 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr einsatzbereit. Sollte mal niemand zu Hause sein, ändert das nichts an der Hilfeleistung des Rettungsdienstes, der kommt auf jeden Fall, man muss nur ein biss-chen länger warten. Um uns immer weiter fortzubilden, da jeder Ein-satz und jeder Herzinfarkt anders ist, fahren wir aus der HvO min- destens einmal im Monat ehrenamtlich im Rettungsdienst in Mosbach mit. Nach schweren Einsätzen, bei denen es Tote oder Schwerverletze gab, ist es wichtig, dass nach dem Einsatz nicht einfach auseinander gegangen wird, sondern man darüber spricht und sich gegenseitig Halt gibt. Die OG veranstaltet außerdem noch dreimal im Jahr eine Blutspende. Sie betreut die Fussball-Heimspiele in Reichenbuch und macht Dienst bei anderen Veranstaltungen (Fasching, Sportfest). Ich habe meinen Traumberuf zu meinem Traumhobby gemacht und bin heute Rettungssanitäter, als Bereitschaftsleiterin und Leiterin der HvO ist es nicht immer einfach. Die Verantwortung liegt vor, während und nach einem Einsatz bei uns. Aber es macht Spaß, dabei zu sein. Vor allem tut es gut anderen Menschen helfen zu können!

 Das Feedback aus der Gemeinde ist größtenteils positiv, vor allem bei den Personen denen wir schon geholfen haben oder versucht ha-ben zu helfen. Leider können wir nicht alle Menschen retten! Wenn je-mand schwer erkrankt oder einen Herz-Kreislauf-Stilltand erleidet, ist es sehr schwer, das Wettrennen gegen die Zeit zu gewinnen. Aber viele Leute sind einfach nur dankbar für ein Händehalten oder die Betreu-ung, wenn einer ihrer Angehörigen verstorben ist. Das gehört auch zu unseren Aufgaben. Es gibt natürlich auch immer Leute, die in uns die verrückten Blaulichtfahrer sehen. Das sind leider die Leute, denen es dann nicht schnell genug gehen kann, wenn sie selber betroffen sind.  Oft spenden die Leute, bei denen wir waren dann nachdem sie mit-bekommen haben, dass wir uns komplett selbst finanzieren müssen. Aber das Spenden ist nicht das Wichtige – toll ist es, wenn die Leute einfach »Danke« sagen, dich mal in den Arm nehmen oder dir die Hand drücken, das ist mehr wert als alles Geld! Es ist schön Rück-meldungen zu hören, wie es dem Patienten geht – am besten vom Pa-tienten selber. Wenn Patienten im Krankenhaus gesagt bekommen, ohne die HvO sei das nicht so glimpflich ausgegangen, ist das Eis ganz gebrochen.

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 Die Mitgliederzahl sinkt leider drastisch, Junge kommen kaum nach. Mitglieder zu werben und diese dann auch zu halten ist sehr schwierig. Viele kommen zum DRK, um Blaulichtautos fahren zu können – aber dass dies mit Fort- und Ausbildungen zu tun hat und eben nicht nur Einsätze sondern auch Dienste, Blutspenden und so dazu gehören, das wollen sie nicht wissen beziehungsweise, das ist den meisten dann zu viel! Alleine ich bringe circa 1200 Stunden aufs Jahreskonto.

 Es hat Vor- und Nachteile hier in der Gemeinde zu helfen. Vorteile sind natürlich, dass man die Leute und deren Angehörige kennt und so anders, offener auf den Patienten zugehen kann. Man kennt meistens die Kranken- und Familiengeschichte was sehr hilfreich sein kann. Der Einsatz kann je nach Situation etwas »aufgelockert« werden.  Der Nachteil ist natürlich, dass es sehr emotional werden kann, wenn wir dem Patienten mal nicht helfen können und er vor Ort oder eventuell später verstirbt. Die Situation vor Ort wenn Angehörige da-bei sind, kann sehr belastend sein, da man als Helfer das Gefühl hat, jeder erwartet, dass du diesen Menschen retten musst!!!

 Aber das ist leider nicht immer möglich. Die Arbeit macht sehr viel Spaß, wenn man einem Menschen das Leben gerettet hat, merkt man, dass sich die ganze Arbeit, der Stress und die Ausbildung gelohnt hat!

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Blanke Schaufenster, verwaiste Läden, leere Straßen. Wer die goldenen Zeiten

des Dorflebens noch kennt, der trauert der Heimeligkeit und den Orten der Begegnung

heute noch nach. Eine Geschichte über den Verlust von Tante Emma.

von Martha Hagendorn

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 Solange ich mich erinnern kann gab es schon immer Bauern bei uns im Dorf. Das waren viele. Alle hatten irgendwelche Tiere. Hüh-ner, Kühe, Säue. Und jetzt – einen alten Bauern haben wir noch in Michelbach. Das ist alles. Die jungen wollen nicht mehr hierher kom-men.

Das steht alles leer. Alles steht leer.

 Mit der Scheuern mit Stall. Die meisten Betriebe, die Fabriken, die Arbeitgeber sind abgewandert oder sind insolvent gegangen. Es gibt nur noch das Altenheim. Und den Kindergarten. Sonst haben wir nichts mehr im Dorf. Wir sind ein staatlich geprüfter Luftkurort. Wir haben kein Gasthaus. Wir haben keine Ferienwohnungen und kein Hotel. Wir haben noch nicht einmal mehr eine Post. Das muss man sich mal vorstellen. Noch nicht einmal eine Briefmarke kann man sich kaufen. Furchtbar. Mein Mann hat immer gesagt:

 »Michelbach hat früher noch nicht einmal 500 Einwohner gehabt. Aber eine Post und Wirtschaft und zwei Bäcker und einen Lebens- mittelladen das gab es immer.«

 Unser Rathaus ist nur Donnerstagmittag von vier bis sechs Uhr auf. Zwei Stunden nachmittags, einmal in der Woche. Sonst ist das große Rathaus zu. Die Post war darin früher – haben wir nicht mehr. Ist auch leer. Die Evangelischen haben jeden zweiten Sonntag Gottesdienst. Aber ein Pfarrer ist die ganze Zeit da. Nur weil er Schwarzach dazu bekommen hat, ist es ihm nicht möglich in Schwarzach und in Michel-bach jeden Sonntag Kirche zu feiern. Man könnte ja im Abstand von neun Uhr bis zehn Uhr und dann von elf Uhr bis zwölf Uhr Kirche halten, aber nein. Nur jeden zweiten Sonntag. Aber ein Pfarrer sitzt da im großen Pfarrhaus. Du triffst hier in Michelbach die Leute nur auf dem Friedhof. Wenn man gießen geht, da triffst du Leute. Da er-fährt man dann, was es Neues gibt im Dorf. Du läufst durch das Dorf und begegnest

keinem einen Menschen.

 Wenn überhaupt, dann kommen sie mit den Autos gefahren. Und das ist alles. Es ist wirklich schwer. In Reichartshausen haben sie zwar die Bank, aber die haben auch keinen Lebensmittelladen mehr. In Aglasterhausen haben sie alle Geschäfte aus dem Dorf ausgesie-delt, in das Industriegebiet. Die Leute ohne Auto sind da hilflos. Man ist immer auf Busse oder ein Auto angewiesen. Die Geschäfte in Michelbach sind nach und nach einfach verschwunden.

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 Draußen hatte die Lina ein Lebensmittelgeschäft. Da beim Träu-bel, da wo es jetzt leer steht, neben dem Rathaus. Da war ein Leb-ensmittelgeschäft. Der Bäcker Streib hatte ein Lebensmittelgeschäft mit dabei. Und der Hirt, der war auch Bäcker und der hatte auch ein Lebensmittellädchen mit dabei. Die gibt es alle nicht mehr. Die Kund-schaft, die Alten, sind weggestorben und die jungen fahren mit dem Auto nach Aglasterhausen oder Mosbach. Die haben das einfach nicht mehr gemacht. Die wollen mehr Auswahl. Beim Penny und beim Lidl und beim Aldi ist alles billiger. Ein Auto hat fast jeder. Da fahren sie zu denen. Die kleinen gehen kaputt.

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 Eine Post lohnt sich wohl auch nicht mehr bei so wenigen Men-schen. Aber früher, da hat es sich rentiert obwohl noch weniger Men-schen hier gelebt haben. Der Papa hat immer gesagt: »Eine Post gab es immer.« Der Arzt ist immer zweimal die Woche hier rauf gekom-men. Da hat er Sprechstunde gemacht, da konnte man hingehen. Der kommt auch nicht mehr. Der junge, sein Sohn, der macht das nicht mehr. Der hat seine Praxis übernommen, aber das macht er nicht.  Es gibt hier zwar ein Neubaugebiet mit jungen Leuten, aber die setzten sich ins Auto und fahren davon. Es sind ja fast nur Fremde, die dort gebaut haben.

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Mein Vater hätte da was da-gegen, wenn ich heute abend fortgehen würd. Also letztens hab ich Ärger gekriegt, als ich am Karfreitag weggegangen bin. Da hat er gesagt: »Do bleibsch du schee dehom.« Mein Papa ist noch mehr in der Kirche verwurzelt. Ich bin auch der einzige von meinen Geschwistern, der noch nicht ausgetreten ist. Austreten kostet Geld? Ich mach bei dem Titanic mit. Uh, als was? Als Welle? Als Matrose. Bei dem Dinner oder was? Hey, hast du nen Ma-trosenanzug, brauchst du einen?

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Ja, den hab ich zum Geburts- tag gekriegt. Lauf doch mal mit dem rum, is doch cool. Ist das nicht am Elften und am Achtzehnten. Man, ich hab keine Karten mehr gekriegt. Ist da wenn man später hingeht freier Eintritt? Das wär cool. Voll krass, was es da zu Essen gibt. Acht Gänge oder so. Acht Gänge haben sie geplant. Aber sie ha-ben irgendwas gesagt, dass sie nur fünf machen. So viele wie serviert wurden, bis die Titanic untergegangen ist. Genauso wie sie bei der Graf Spee `nen riesengroßen Messingreichsadler geborgen haben.

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Da wollten den amerikanische Neonazis haben. Da haben sie den verkauft. Tja, geschäft-stüchtig. Ja, oder wie die »Arbeit macht frei Schilder«. Ja, aber aus der Kirche aus-treten will ich nicht. Ich bleib drin. Also ich sag mal so, ich bin nicht der große Kirchengänger. Ich geh an Weihnachten mit meinem Vater und so, weil der legt halt doch Wert drauf. Und ich hab halt gemerkt durch die Schiffervereine, das ist ja auch alles kirchlich. Das ist ja auch blöd, wenn man dann aus-treten tut. Also ich guck da auch schon wegen meinem Opa und so.

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Da wollten den amerikanis-che Neonazis haben. Da haben sie den verkauft. Tja, geschäft-stüchtig. Ja, oder wie die Arbeit macht frei Schilder. Ja, aber aus der Kirche aus-treten will ich nicht. Ich bleib drin. Also ich sag mal so, ich bin nicht der große Kirchen gänger. Ich geh an Weihnachten mit meinem Vater und so, weil der legt halt doch Wert drauf. Und ich hab halt gemerkt durch die Schiffervereine, das ist ja auch alles kirchlich. Das ist ja auch blöd wenn man dann aus-treten tut. Also ich guck da auch schon wegen meinem Opa und so.

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Dass ich da ne Spur weit drin bleib. Glaube ist so, das kann man von allen Seiten sehn. Da gibt es keinen festen Stand-punkt. Ich sehs eher auf den kleinen Kreis beschränkt. Ich bin ja auch in der JU. Ich seh das kommunal. Wenn dann bei den Wahlen die Leute zu mir kom-men und sagen: »Was tust du denn die Merkel unterstützen?« Dann sag ich wir haben hier un-sere Ortsgruppe und ich teil mit denen nicht die Ansichten. Und so solls ja auch sein. Bei uns daheim waren alle beim Widerstand. Die haben ja den KZ-Häftlingen immer geholfen.

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Die hatten ja die Wirtschaft und wenn die zum Arbeiten ge-kommen sind, haben sie denen Essen gegeben. Und auf der an-deren Seite haben wir einen Verwandten gehabt, der war bei der SA. Der war Messdiener und ist mit der Uniform in die Kirche, dann haben sie den rausge-schmissen. Der Vater von meiner Oma hat beide Weltkriege mitge-kriegt, der ist Panzer gefahren. Seinen besten Freund hat er nach nem Fliegerangriff ohne Kopf wiedergefunden. Und mein Opa hat keinen Kratzer davon getragen.

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Mein Opa hat seine ganzen Erlebnisse in Bildern verarbeitet. Der hat von Bildern abgemalt. Die hängen in irgendsonem Schloss in Hohenheim. Und dann hat er sich für Esperanto interes-siert und Kongresse veranstaltet. Aber der Krieg hat ihn immer verfolgt. Meine Großeltern sind schon sehr konservativ. Meine Eltern sind schon beide sehr streng erzogen worden. Wenn mein Vater seinen Vater nachgemacht hätte, das wär alles nicht ge-gangen. Meine Brüder und ich, wir haben auch alle unter-schiedliche politische Ansichten.

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Das wäre früher nicht gegan-gen. Das kann man nicht ver-gleichen. Das war ja alles erzkonservativ. Aber auch wenn du das ver-gleichst, so von den Genera-tionen her: Ich hab ja ein Jahr in der Schule wiederholt. In der Klasse, in die ich dann gekom-men bin, da waren alle so ein Jahrgang unter mir. Das war so Jahrgang 95/96. Und da hat man den Unterschied schon ge-merkt. Das war krass, das war kein Vergleich zu meiner an-deren Klasse. Wir haben da ne Abschlussfeier gemacht und biss-chen Party gemacht.

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90 Prozent war da noch nie in ihrem Leben betrunken gewe-sen. Und die andere Klasse, da haben sich die Leute erstmal vor der Schule einen reinge- zogen. Waren jedes Wochen- ende saufen. Und das ging soweit, dass ich auf meiner Ab-schlussfahrt keinen Alkohol getrunken hab. Ich wollte mit denen nicht feiern.

Das ist richtig krass.Da siehst du auch, die Sachen, die jetzt auch immer im Fern-sehen kommen. Oder die Musik, wie die da komisch hinterher-hängen. Die sich nach diesem komischen Mainstream richten.

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Und grad ich, der ich die langen Haare gehabt hab, und Bomberjacke, und meine Stiefel. Da war ich entweder der Nazi Nummer Eins oder der alte Depp, der noch Dorfmusik hört, oder sowas. Und die meisten haben das überhaupt nicht verstanden. Das ist echt krass geworden. Im Wasch-becken im Bad haben die sich Tütensuppe gemacht. Das ist das Problem was ich gerade zurzeit sehe: Die Generationen müssen sich mehr verstehn.

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Im Dorf wurden früher die alten Traditionen mit Sorgfalt gepflegt. Einfach aus Respekt vor den

Alten, der Vergangenheit und der Sicherheit, die man durch diese Rituale erlangen konnte.

Eine Frau vom Dorf gibt Anleitung für eines der vielen unzähligen.

von Ulrike Lorenz

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 Freitagmorgens fuhren die Jungs mit dem Traktor und Hänger in den Wald, schlugen Tannenbäume um – mit Genehmigung des Rathauses – von diesen die Äste von Hand abzusägen und sie danach aufzuladen. Danach wurde der beladene Anhänger an den jeweiligen Ort gebracht – eine Scheune oder Garage – an dem dann die Mädchen den Kranz wickelten.

 Mittags gegen 14 Uhr fanden sich dann die Mädchen zum Binden ein. Es wurden gleichgroße Tannenzweige geschnitten und drei bis vier aufeinander gelegt und mit fester Schnur zusammengebunden. Dann hatte man ein dickes, langes Seil, um das man die Tannenzweig-bündel fächerartig darauf legte und umwickelte diese wieder mit ei-ner festen Schnur. Dann wurden noch weiße und rote Papierblumen gefertigt und abwechselnd rot und weiß am Kranz angeordnet.

 Am Abend wurde der Kranz am Haus der Braut aufgestellt. Rechts und links stand eine Tanne am Hauseingang, die von den Jungs ges-tellt wurden. Daran wurde dann der Kranz befestigt. Anschließend ging es dann zurück zum Fertigungsort, wo dann ein Bier und Cola getrunken wurde. War immer sehr lustig.

 Die Mädchen und Jungs, die sich um das Kranzbinden kümmern sind meist im gleichen Jahrgang, wie die Braut und der Bräutigam. Oftmals waren es die Klassenkameraden. Die Solidarität und Tradition steht über persönlichen Sympathien, jeder hat für jeden mitgebunden. Die Kranzbindergruppe bestand meist aus fünf bis acht jungen Frauen und Männern.

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Manchmal ist der Ausbruch das einzige Mittel um glücklich zu werden. Immer muss man Opfer bringen um glücklich zu werden. Und oft wird

man trotzdem nicht glücklich. Nicht ganz.

von Agatha Link

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 Ich bin mit den Großeltern und Eltern und noch vier Brüdern auf-gewachsen. Aber ich muss sagen ich habs nicht gemerkt, dass ich das einzige Mädel war. Ich muss sagen ich bin 1927 geboren und ab der Zeit, wo man konnte, ist man mit der Mutter hoch und hat die Kirche gekehrt. Mit acht oder zehn. Als Kinder haben wir immer unserm Opa geholfen, der war Messner. Und ich muss sagen, wir habens gern gemacht.

 Im Verhältnis muss ich auch sagen, meine Jugend war nur Schaffen. Und ich muss sagen, meine Kinder waren alle im Heim, weil wir ja dann auf dem Schiff warn. Das waren der Rubens, der Meinhard und die Marianne. Das war alles Jugend, ich war zwar schon verheiratet zu dem Zeitpunkt, aber das läuft alles miteinander. Ich war früher auch bei den Jungmädeln und dann hat man früher einmal in der Woche drei Stunden Dienst gehabt. Man war auf dem Sportplatz oder ist gewandert. Bei uns zuhause war Hitler tabu. Bei uns im Dorf war ja auch Arbeitslager und später sind die von da auch weggeschafft worden. Die haben mal in einem Vortrag gesagt, das wären 250 ge-wesen, aber ich mein das waren mindestens 4000 Gefangene. Ja. Das war halt die Jugend. Manchmal haben wir denen dann Brot in die Beichtstube in der Kirche gelegt, dass die das sich da rausholen kön-nen.

 Meine Jugend das war halt nur schaffen, nur – nur schaffen. Dann war ja auch der Angriff. Und dann waren keine Bäcker mehr im Dorf. Weil überall was kaputt war. Und damals war das »Zur Pfalz« das Gasthaus »Zur Minneburg« also jetzt ist es ja abgerissen. Das war eine Wirtschaft und nebenan haben wir gewohnt. Da war ja nix zer-stört. Da ist nichts gefallen, nur beim Café »Lorenz«. Da ist eine Miene gefallen. Und weil eben die meisten Bäcker ausgebombt waren, da haben die Bauer, die einen ganzen Backofen hatten, Brot gebacken. Auch die »Pfalzwirte« haben dann ihre Waschküche zur Verfügung gestellt. Da war dann auch ein großer Brotofen. Da war dann ein Fräulein Müller und ich und ein Heinrich Link, was dann mein Mann geworden ist. Wir drei haben da dann Brot gebacken. Morgens um fünf haben wir angefangen und mittags um eins war man dann fertig. Da haben wir jeden Tag 120 Laibe Brot gebacken. Auf drei Bierfässer war dann die Backmulde, mit der Hand ist dann der Teig hin und her geschafft worden. Und da war halt als ein Brotlaib drin, dass er vorne zum Türle rausgelaufen ist. Unmöglich! Stell dir mal vor: 120! Das waren dann so … in der Größe waren das Laibe.

 Aber ab dem Zeitpunkt, wo wir Brot gebacken haben, da war die Jugend vorbei. Dabei hab ich dann meinen geliebten Mann kennen gelernt, bei dieser Brotbackerei. Und dann haben wir geheiratet, wie es soweit gewesen ist. Und dann war ja das Marianne schon da.

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 Der hat das Marianne mitgebracht aus erster Ehe, weil die Mutter damals im Kindbett gestorben ist. Und das war die Jugend.

 Wie gesagt, ich wäre gern Lehrerin geworden. Aber ich durfte nicht.Die Großmutter hat immer gesagt, man schafft seine eigene Arbeit zuhause und nicht die von fremden Leuten. Das ist auch eine blöde Einstellung. Das hätte für einen selbst ein bisschen Taschengeld gegeben. Ich finde das großartig, wie unabhängig manche Frauen da-mals schon sein konnten. Aber so war das. Und das kann man sich selber ausrechnen, wie alt ich da war. 1927 bin ich geboren und 1946 haben wir geheiratet. Am einen Tag hat man geheiratet und in der Nacht ist man das erste Mal zusammen gekommen.

 Und am nächsten Tag war dann Kirche bestellt, zum Gedenken an die tote Frau von meinem Mann. So hat sich die Verwandtschaft ge-freut, dass der Heiner Link mich zur Frau nimmt. Alter Spitz! So war das. Ich musste mich da durchkämpfen. Mein Mann und ich, wir ha-ben uns da durchgekämpft, weil mein Mann und ich uns gern gehabt haben. Da hat man geheiratet, weil man gut füreinander war und nicht, weil man sich geliebt hat.

 So war das früher. Mein Mann hat mich nicht gefragt, ob ich seine Frau werden will. Er hat mich gefragt, ob ich die Mutter von der Ma-rianne werden will. Und dann gehst du nachts ins Bett und schläfst nicht, weil du drüber nachdenken musst, wenn ich jetzt nicht die Mutter geb für's Marianne und sie bekommt eine schlechte Stiefmut-ter, was ist denn dann? Dann bist du schuld! Und ich muss auch sagen, ich hab, als ich schwanger war, immer gebetet, dass es ein Junge wird, damit ich zwischen zwei Töchtern nie einen Unterschied machen muss. So hab ich meine zwei Buben gehabt und das Marianne. Das war mein Glück. Ich sag es immer wieder gern. Wie mein Mann gestorben ist, hab ich zu meinen Schwägerinnen gesagt, weil die auch nicht wol-lten, dass der mich heiratet, ich hab ihn nicht geliebt, sondern gern gehabt. Da ist ein Unterschied drunter. Die dachten alle mein Mann würde eine andere heiraten. Deswegen war es grad gut, dass wir auf dem Schiff waren. Da waren wir für uns und nicht unter der Fuchtel von der Mutter. Da war man in Höchst am Main. Man konnte trotzdem gut nach den Kindern sehn und wir waren auf dem Schiff.

 Das Marianne ist 1944 geboren und 1945 war der Angriff. Die Ma-rianne ist bei ihrer Bäckersoma gewesen und mein Mann damals auch noch. Da war der von denen noch versorgt worden. Und 1946 haben wir im November geheiratet.

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 Und das ist noch eine Geschichte, das will ich dir mal noch sagen: Da war ich noch daheim und da ist man morgens zur Mutter und abends heim, da ist der Rubens donnerstags auf die Welt gekom-men. Unser Vater ist mittwochs abends gekommen. Und mittwochs haben die Mutter und ich Flachs gemacht. Immer wenn ich mich ge-bückt hab, dann hat das so seltsam gegluckst. Ich war halt ganz hoch in Umständen. Die Mutter meinte dann, das sei ganz normal. Und mittwochs abends kam dann mein Mann und ich hab in der Nacht furchtbar schlecht geschlafen. Morgens bin ich dann zur Mutter hin und hab gemeint: »Ich weiß nicht, was mit mir ist.« Denn es war ja auch mein erstes Kind. Damals kam ja auch kein Doktor. Das ist da-heim passiert. Umstand ist keine Krankheit und man musste schwer arbeiten bis zum Schluss. Ich bin dann zur Schwiegermutter und die meinte, ich bekäme heute das Kind. Die Hebamme meinte dann, das Kind käme frühestens nachts um zwölf. Und dann gings aber ganz schnell und ich hab den Rubens alleine bekommen. Ohne alles. Ein-fach auf dem Bett.

 Das war die Jugend.

 Und das war auch die Zeit, nachdem mein Mann im Krieg auf einem Spezialschiff eingesetzt gewesen war, auf dem Rhein. Die haben Sal-petersäure und Ammoniak verschifft. Und weil der Gefährliches ge-laden gehabt hat immer, da war der von der Soldatenpflicht befreit. Als das damals dann aber so schlimm war, da sind die mit den Schiff-en den Neckar hoch gekommen, da haben sie das Schiff nach Binau gelegt. Und dann musste er auch zum Volkssturm. An dem Tag, wo der Angriff im Dorf war, da war mein Mann – also damals war er noch nicht mein Mann – da war der mit dem Emil Sigmund unterwegs. Und die wollten sich grad aufmachen nach Mosbach. Da ist ihnen ein Offi-zier von der Wehrmacht begegnet und dann hat er zu ihnen gesagt, in Neckargerach wär ein schlimmer Angriff gewesen und es wäre fast dem Erdboden gleich. Und sie sollen schnell zurück gehen ins Dorf und schauen was ist. Da waren sie dann gestanden an der Aussicht oben am Gickelsfelsen und dann hat der Emil zum Linken Heiner, zu meinem Mann gesagt: »Heiner, wenn wir wüssten, dass von uns niemand mehr da ist, dann würden wir gar nicht heim gehen.« Das haben sie aber doch dann nicht gemacht. Er hatte ja auch noch das Mariannchen.

 Früher gabs halt außer arbeiten und Krieg nichts. Wir haben viel auf der Straße gespielt als Kinder. Und die Jugend heute, was macht die? Die lernen die ganze Zeit. Ich bin mit meinem Mann dann halt aufs Schiff sobald es ging. Ich hab ja nix gelernt außer Schaffen.

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 Das war aber nicht das Schiff von meinem Mann, sondern das hat den Farbwerken Höchst gehört. Damals, als wir auf dem Schiff waren, wenn wir in Obernburg fortgefahren sind und sind immer weiter weggekommen, da hab ich mich ins hinterste Eck gesetzt und hab meine Tante Käthchen gedacht, wie sie uns immer erzählt hat wie sie ihr Williechen vermisst. So war das. Ich muss sagen, es gab härtere Schiffszeiten als meine. Wir haben immer am Ersten unser Geld be-kommen. Das musste dann halt langen. Unsere drei Kinder mussten ins Heim. Das war ein Waisenhaus, wo sie dann auch Schifferkinder aufgenommen haben. Das Marianne erzählt nicht so gut darüber. Im Herbst haben sie dann vom Bauer Obst und Gemüse gekriegt, kosten-los, weil, das war ein Waisenhaus.

 Der Rubens hat erzählt, dass sie mit 25 Kindern in einem Raum ge-wohnt haben. Und hinter einer Spanischen Wand, da hat die Schwest-er geschlafen. Der Rubens wusste halt wie man die Schwestern neh-men musste, weil er auch so schön gesungen hat und da war der der King. Die Marianne war der Buhmann. Es war schon furchtbar. Da hätte man Rotz und Wasser heulen können. Wir sind schon jedes Wochenende nach Obernburg, aber das war immer ein Kommen und ein Fortgehen. Der Rubens hat immer eine ganz lange Nase gekriegt, wenn es hieß »Fortgehen«. Der Meinhard hat immer gesagt: »Und da muss ich rein, wo so eine dicke Mauer davor ist.« Das Marianne war ja in dem Heim, bis es aus der Schule gekommen ist. Das kann man sich ausrechnen. Den Kindern ging's da nicht gut.

  Aber wenn man sich nur an die schönen Dinge erinnert, dann war's gut.

Wenn Ferien sind dann bin ich immer heim, dass die Kinder mich wenigstens die paar freien Tage sehen. Ich war sechs Jahre verheira-tet, weil unser Vater noch kein Schiff gehabt hat, das heißt man hätte dann vor müssen zu den Matrosen und das wollte er nicht haben. Und das Marianne war schon gleich da und zwei Jahre nach der Heirat der Rubens und da hat mein Mann gesagt: »Dann bleibst du halt erst einmal daheim, bis das Schiff fertig ist.«

Da war er fast ein Jahr in der Werft. Und dann ist, ohne dass der Vater das gewusst hat, ist der Inspektor von den Farbwerken eines Tages hier in Neckargerach vorbei gekommen, an einem Mittwoch und hat nicht geklingelt sondern gerufen zu der Mutter – ich bin nämlich in denen sechs Jahren jeden Tag morgens um halb acht zu der Mutter – mit Kind, in den Kindergarten. Immer da rüber.

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 Und wenn ich zur Mutter bin, da hab ich alle Läden runter gelassen, ist unser Vater unverhofft vom einen Tag auf den andern heim, da hat er oben aus der Bahn rausgeguckt und wenn die Läden zu waren, dann ist er am Friedhof runter, direkt zur Mutter. So war das sechs Jahre lang. Der Toni Weibel hat dann gesagt, an diesem Mittwoch:

»Frau Link, wenn sie in einer Stunde fertig sind, dann nehme ich Sie mit aufs Schiff.«  Dann hab ich gesagt: »Ja, ich bin fertig in einer Stunde.«  Weil ich ja schon wusste, irgendwann ist das Schiff fertig, da hab ich zwischenrein immer schon angefangen die Koffer zu packen. Die Marianne war im Heim und der Rubens war noch da. Dann bin ich aufs Rathaus, weil unsere Mutter da was zu tun hatte.

 Dann hab ich gesagt:

»Mutter, sei so gut und geh gleich heim. Der Toni Weibel ist da, der will mich mitnehmen aufs Schiff.«

 Dann hat die Mutter gesagt:

»Heute nicht. Wir haben 6000 Rüben gerupft, die müssen heute in den Dist gesetzt werden. Heute – gehst – du – nicht – aufs – Schiff.«  Dann hab ich gesagt:

»Mutter. Ich bin jetzt sechs Jahre verheiratet daheim. Und heute, da gehe ich mit aufs Schiff.«

 Und dann sagt die Frau zu mir:

  »Wenn dich der Heiner hätte gebrauchen können, dann hätte er dich schon früher geholt. Und heute gehst du nicht mit aufs Schiff!«  Und dann hab ich gesagt: »Heute – geh – ich – mit – aufs – Schiff!«

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 Da habe ich mich das erste Mal bei meiner Mutter durchgesetzt. Das tut mir heute noch gut. So war das. Und das war alles selbstver-ständlich. Und dann sind wir raus aufs Schiff und das Schiff war noch gar nicht fertig. Dann sind wir doch noch hinter zu den Matrosen bis das fertig war. Und dann hab ich einen Aluminiumtopf gehabt und hab heißes Wasser aufgesetzt und ein paar Becher Kaffee rein geschüttet. Und sechs Tassen haben wir gehabt und ich hab denen Männern den Kaffee raus geseiht und denen hoch ins Steuerhaus ge-bracht. Und das war's dann. Aber das war richtig so.

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Im Dorf hat das Geflügel noch Knochen und die Menschen wissen, wo ihre

Wurzeln sind. Eine Weltenbummlerin berichtet über die Sehnsucht nach Abenteuer und festem

Boden unter den Füßen.

von Céline Déligny

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 Ich bin schon als Kind viel gereist. Meine Eltern, deutscher Vater und französische Mutter, erkundeten gern Europa. Da gab es Reisen nach Schottland, Portugal, Italien aber auch Reisen innerhalb der beiden Heimatländer. Wir besuchten Freunde und Familie in allen Ecken Deutschland und Frankreichs.

 2008, als ich 21 war, betrat ich zum ersten Mal nicht-europä- ischen Boden. Meine damalige Mitbewohnerin begann ein Auslandss-tudienjahr im Bundesstaat New York an und plante vorher eine Art Road-Trip mit einer amerikanischen Freundin, beginnend in Denver, Colorado. Ich beschloss, sie zu begleiten. Die ersten zwei Wochen in den USA waren völlig unreal für mich. Irgendwie hatte ich schon alles gesehen, in den vielen Filmen und Serien, die ich als TV-Junkie verfol-gt hatte. Ich kam mir vor, wie in einem Filmset. Der gelb-braun-graue Highway. Straßen grau, Hügel braun, Sonne gelb, vermischt mit den vielen riesigen Autos und den allgegenwärtigen Schildern aller Fast-Food-Ketten, die einem fast die Sicht auf den Himmel versperrten. Auf jedem Parkplatz, an jedem Drive-Through, an dem wir anhielten, dachte ich, gleich käme ein Gangster vorbei, um mir eine Knarre an den Kopf zu halten und Dollar für den nächsten Drogen-Einkauf zu fordern. Nur, dass es eben kein Hollywood-Film war. Es sah genauso aus, aber ich konnte mitmachen, mich mit den Protagonisten unter-halten, Fragen stellen.

 So saß ich zum Beispiel an einem meiner ersten Tage mit mei- ner sehr freundlichen Gastgeberein in Colorado Springs in einem »Applebee’s« Restaurant. Bereits bevor wir dort ankamen, wusste sie genau, welche Nummer des Menüs sie bestellen würde. Die Boneless Chicken Wings sollten es sein. Als Europäerin konnte ich mir einige Gedankengänge nicht verkneifen. Welcher perverse Wissenschaftler züchtete knochenfreie Hühner? Schwabbelten diese dann wie Glib-ber-Monster über die Farm? Nur damit man nicht um ihre Knochen herumbeißen musste? Oder gab es Fabriken, in denen winzige chine-sische Kinderfinger die Knochen aus den Flügeln entfernten, um den Kau-Spaß verwöhnter amerikanischer Kiefer zu bedienen?

 Als ich meine Neugier stillen wollte, nahm ich einen Bissen von dem Fleisch und wusste sofort: Es handelte sich um Hühnchenbrust, nicht etwa Flügel, deren Fleisch ja eine ganz andere Textur besitzt. Als ich sie darauf ansprach, dass die Boneless Chicken Wings gar keine Flügel sind antwortete sie: »Ich weiß, aber es ist Wing-Sauce!«  Diese Unterhaltung war geradewegs erleuchtend für mich. Nie hätte sich mir diese kulinarische Absurdität erschlossen, hätte ich nicht in das Fleisch gebissen und meine Gastgeberein mit meinen Gedanken konfrontiert.

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 Es war mein eigener Blick in das Land – auch kulturell, politisch, ästhetisch oder musikalisch – der mich bereicherte, nicht der eines Regisseurs oder Reporters. Seitdem kamen weitere Reisen in die USA und Costa Rica hinzu, im Juli geht es nach Indien. Bis heute treibt mich diese Möglichkeit der selbstbestimmten Entdeckung an, mehr von der Welt zu sehen. Das Reisen ist absolut essentiell für mich, es ist nicht nur eine Option unter vielen. Ich kann mir ein Leben ohne Reisen schlichtweg nicht vorstellen.

 Im Laufe meines fünfjährigen Studiums zog ich fünfmal um, weil ich verschiedenen Städten und Ländern studierte und Praktika absol-vierte. Sechseinhalb Jahre nach meinem Abitur empfinde deswegen eine ungreifbare Rastlosigkeit. Zusätzlich zu meiner Unentschlos-senheit in Sachen Berufswahl, weiß ich noch nicht einmal, wo ich das nächste Jahr beziehungsweise die nächsten Jahre meines Lebens verbringen werde. Ich habe viele Freunde aus den verschiedenen Le-bensabschnitten behalten, zu denen ich regelmäßig durch Telefonate, Mails und Besuche Kontakt pflege. Diese leben jedoch die meiste Zeit in anderen Städten und Ländern als ich, was mich oftmals traurig stimmt. Obwohl ich mir wünsche, mich endlich für einen Lebensmit-telpunkt zu entscheiden und mir dort ein Leben aufzubauen, macht es mir Angst, niemals richtig anzukommen. Geprägt von meinem bisherigen Nomadenleben, befürchte ich, diesen schwer beschreib-baren Drang nach ständiger Veränderung und Bewegung, nach neu-en Lebenswelten, nicht gänzlich abschalten zu können.

 Habe ich meine Psyche durch all die Umzüge und Neuanfänge so konditioniert, dass ich einen konventionellen und regelmäßigen Alltag gar nicht mehr aushalten könnte?

 Wie machen es diejenigen, auf die ich zeitweise herabschaue, weil sie nie ihr Nest, ihre Heimatstadt, verlassen haben und zeitweise beneide, weil sie viel mehr Stabilität und Planungsmöglichkeit in ihrem Leben haben als ich? Das Unverständnis für diese Bekannten, denn die große Mehrheit meiner Freunde lebt genau wie ich in per-manenter geographischer Mobilität, überwiegt. Wie anders ist Le-ben dieser Bekannten im Vergleich zu meinem, wie beschränkt doch letztendlich ihr Horizont und ihr Erfahrungsreichtum? Für mich war diese Art von Sesshaftigkeit bis jetzt noch nie eine Option, bis jetzt. Eigentlich wäre es doch schön, meine Zimmer nicht immer nur mit Ramschmöbeln oder gar nicht einzurichten, weil sie mich sowieso nur temporär beherbergen.

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Wieviel Verantwortung trägst du?Tabea Meine Mutter und mein Vater arbeiten – ich übernehme also 30 % der Verantwortung für den Haushalt. Das Bad, die Spülmaschine, den Müll, zwei Mal in der Woche das Kochen. Esther Ich habe keine Verantwortung, ich bin so oft es geht nicht zu Hause. Lea Lara Mein Freund kocht. Ich übernehme den Rest des Haushalts. Svenja Ich helfe meinen Eltern, so gut ich kann. Sabrina Neben Schule und Ausbildung schmeiße ich den Haushalt alleine. Manchmal komme ich schon ins Rudern.

Pflichten

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Engagierst du dich im Verein?Janina Ich tanze Hiphop in Mosbach und habe auch einen Nebenjob als Tanzlehrerin für kleinere und größere Kinder von 5 bis 15 Jahren. Tanzen ist mein Hobby und deshalb macht es mir auch Spaß. Tabea Ich tanze in einer Tanzschule und bin im Jugendrotkreuz. Ich mag es, mich mit anderen Leuten zu treffen, Neues zu lernen – Bewegung einfach. Lisa Ich trainiere regelmäßig auf meinem Hometrainer. Svenja Ja, im Musikverein,früher Fußball, weil ich gern unter Menschen bin.

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Wer ist dein größtes Vorbild?Lisa Das ist die ehemalige Biathletin Sandrine Bailly. Sie ist sehr selbst- bewusst, zielstrebig, weiß was sie will, diszipliniert, ehrgeizig. Sie hat einen Mann und ein Kind.

Janina Jo-Dance, sie ist Weltmeisterin im Hiphop. Ich war schon bei einem Workshop von ihr. Sie hat sehr viel Talent. Lisa Meine Mutter. Sie bekommt Haushalt und Arbeit unter einen Hut. Sie ist eine starke und liebevolle Person und immer für mich da. Lisa Meine Mama, sie zeigt mir viel Liebe.

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Essay und Umfrage

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Page 155: Ewige Dorfmädchen

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Interviews

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Page 156: Ewige Dorfmädchen

158

Thema

Ei Mädchen vom Lande

wie bist du so schön

So hab ich im Städtchen

noch keine gesehn

Drum so gehn wir aufs Lande

um lustig zu sein

viel schöner sans die Mädchen

viel besser der Wein

Der Wein auf dem Lande

hat Geist und hat Kraft

Dagegen im Städtchen

wird Wasser drein geschafft

Drum so gehn wir aufs Lande

um lustig zu sein

viel schöner sans die Mädchen

viel besser der Wein

Mädchen vom Lande

158

Page 157: Ewige Dorfmädchen

159

Um

frage

Verliebt sich ein Mädchen

der Teufel ist los

Da hilft

keine Türe,

kein Riegel,

kein Schloss

Drum so gehn wir aufs Lande

um lustig zu sein

viel schöner sans die Mädchen

viel besser der Wein

Verschließt man die Türe

verschließt man das Haus,

so schleicht sich die Liebe

zum Schlüsselloch naus

Drum so gehn wir aufs Lande

um lustig zu sein

viel schöner sans die Mädchen

viel besser der Wein

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