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WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen Nach GHPO I vom 22. Juli 2003 Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen vorgelegt von Julia Nagel eingereicht bei der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Referentin: Frau Prof. Dr. Anne Berkemeier Referent: Herr Prof. Dr. Reinold Funke Heidelberg, den 26 August 2009

Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen · Ist in dieser Arbeit von einer oder mehreren Personen in maskuliner Form die Rede, so ist selbstverständlich auch die jeweils weibliche

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WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT

Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen

Nach GHPO I vom 22. Juli 2003

Erklärfähigkeit

von GrundschülerInnen

vorgelegt von

Julia Nagel

eingereicht bei der

Pädagogischen Hochschule Heidelberg

Referentin: Frau Prof. Dr. Anne Berkemeier

Referent: Herr Prof. Dr. Reinold Funke

Heidelberg, den 26 August 2009

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I

Inhaltsverzeichnis

Einleitung .............................................................................................................................................. 1

I. Theoretische Hinführung ................................................................................................................. 3

I.1 Begriffsklärung: Erklären und Erklärfähigkeit ................................................................................. 3

I.1.1 Erklären als Wissenstransport............................................................................................. 3

I.1.2 Darstellung und Abgrenzung ähnlicher Handlungsmuster ................................................. 9

I.1.2.1 Begründen ............................................................................................................ 9

I.1.2.2 Erläutern ............................................................................................................. 10

I.1.2.3 Erzählen.............................................................................................................. 10

I.1.2.4 Beschreiben ........................................................................................................ 11

I.1.2.5 Argumentieren.................................................................................................... 12

I.1.3 Was ist Erklärfähigkeit? ................................................................................................... 12

I.2 Forschungsstand: Wie erklären Kinder? ......................................................................................... 15

II. Studie zur Erklärfähigkeit von Grundschülern ......................................................................... 19

II.1 Beschreibung der Untersuchung.................................................................................................... 19

II.1.1 Allgemeine Rahmenbedingungen ................................................................................... 20

II.1.2 Teilnehmer der Erklärung: Erklärender und Adressat ..................................................... 22

II.1.3 Erklärgegenstand ............................................................................................................. 24

II.1.3.1 Sachanalyse der zu erklärenden Phänomene..................................................... 27

II.1.3.1.1 Der Kreislauf des Wassers .................................................................. 27

II.1.3.1.2 Entstehung von Regen ........................................................................ 28

II.1.3.1.3 Entstehung von Gewitter..................................................................... 28

II.1.3.2 Verankerung der Inhalte im Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg .... 28

II.1.4 Ergebnissicherung und Bewertung des Erklärergebnisses .............................................. 29

II.1.5 Kritische Betrachtung der Untersuchung ........................................................................ 30

II.1.6 Hypothesen bezüglich der Untersuchungsergebnisse...................................................... 32

II.2 Analyse der Studiendaten .............................................................................................................. 34

Exkurs: Konnektoren und konklusive Indikatoren .................................................................... 35

II.2.1 Erklärsituation A ............................................................................................................. 39

II.2.1.1 Teil a (Erkl. Aa) ................................................................................................ 39

II.2.1.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.................................................... 40

II.2.1.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung................................................ 41

II.2.1.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ....................... 44

II.2.1.1.4 Ergebnis der Erklärung ....................................................................... 45

II.2.1.2 Teil b (Erkl. Ab)................................................................................................ 46

II.2.1.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.................................................... 46

II.2.1.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung................................................ 47

II.2.1.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ....................... 48

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II

II.2.1.2.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................49

II.2.2 Erklärsituation B ..............................................................................................................49

II.2.2.1 Teil a (Erkl. Ba) .................................................................................................50

II.2.2.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................50

II.2.2.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................51

II.2.2.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................52

II.2.2.1.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................52

II.2.2.2 Teil b (Erkl. Bb).................................................................................................53

II.2.2.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................53

II.2.2.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................53

II.2.2.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................54

II.2.2.2.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................54

II.2.3 Erklärsituation C ..............................................................................................................54

II.2.3.1 Teil a (Erkl. Ca) .................................................................................................55

II.2.3.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................55

II.2.3.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................55

II.2.3.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................56

II.2.3.1.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................56

II.2.3.2 Teil b (Erkl. Cb).................................................................................................56

II.2.3.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................56

II.2.3.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................57

II.2.3.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................59

II.2.3.2.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................59

II.2.4 Erklärsituation D ..............................................................................................................59

II.2.4.1 Teil a (Erkl. Da) .................................................................................................60

II.2.4.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................60

II.2.4.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................60

II.2.4.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................61

II.2.4.1.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................61

II.2.4.2 Teil b (Erkl. Db).................................................................................................61

II.2.4.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................61

II.2.4.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................62

II.2.4.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................62

II.2.4.2.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................62

II.2.5 Erklärsituation E...............................................................................................................63

II.2.5.1 Teil a (Erkl. Ea)..................................................................................................63

II.2.5.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.....................................................63

II.2.5.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung ................................................64

II.2.5.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ........................64

II.2.5.1.4 Ergebnis der Erklärung ........................................................................65

II.2.5.2 Teil b (Erkl. Eb) .................................................................................................65

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III

II.2.5.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.................................................... 65

II.2.5.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung................................................ 66

II.2.5.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ....................... 67

II.2.5.2.4 Ergebnis der Erklärung ....................................................................... 67

II.2.6 Erklärsituation F .............................................................................................................. 68

II.2.6.1 Teil a (Erkl. Fa) ................................................................................................. 68

II.2.6.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.................................................... 68

II.2.6.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung................................................ 69

II.2.6.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ....................... 69

II.2.6.1.4 Ergebnis der Erklärung ....................................................................... 70

II.2.6.2 Teil b (Erkl. Fb) ................................................................................................ 70

II.2.6.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand.................................................... 70

II.2.6.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung................................................ 70

II.2.6.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung ....................... 71

II.2.6.2.4 Ergebnis der Erklärung ....................................................................... 71

III. Ergebnisse der Studie und Konsequenzen................................................................................. 71

III.1 Auswertung der Studie ................................................................................................................. 71

III.1.1 Personenbezogener Vergleich........................................................................................ 72

III.1.1.1 Einzelbetrachtung der Erklärsituationen A-F................................................... 72

III.1.1.2 Ergebnisse des personenbezogenen Vergleichs ............................................... 75

III.1.2 Inhaltsbezogener Vergleich............................................................................................ 76

III.1.3 Abschließende Einordnung der Studienergebnisse ........................................................ 79

III.2 Impulse für eine mögliche Ausweitung der Studie ...................................................................... 81

III.3 Didaktischer Ausblick .................................................................................................................. 82

IV. Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 87

IV.1 Allgemeine Literatur .................................................................................................................... 87

IV.2 Internetquelle ............................................................................................................................... 92

V. Anhang ........................................................................................................................................... 93

V.1 Legende der Transkriptionszeichen............................................................................................... 94

V.2 Transkripte der Erklärsituationen .................................................................................................. 95

V.2.1 Erklärsituation Aa (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................... 95

V.2.2 Erklärsituation Ab (HIAT-DOS-Transkript)................................................................... 98

V.2.3 Erklärsituation Ba (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................. 100

V.2.4 Erklärsituation Bb (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................. 102

V.2.5 Erklärsituation Ca (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................. 104

V.2.6 Erklärsituation Cb (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................. 107

V.2.7 Erklärsituation Da (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................. 109

V.2.8 Erklärsituation Db (HIAT-DOS-Transkript)................................................................. 110

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V.2.9 Erklärsituation Ea (HIAT-DOS-Transkript) ..................................................................112

V.2.10 Erklärsituation Eb (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................115

V.2.11 Erklärsituation Fa (HIAT-DOS-Transkript).................................................................118

V.2.12 Erklärsituation Fb (HIAT-DOS-Transkript) ................................................................120

V.3 Ausdruck der verwendeten Internetquelle....................................................................................121

V.4 Versicherung über die selbstständige Anfertigung der Wissenschaftlichen Hausarbeit...............133

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1

Einleitung

Die Fähigkeit, gut erklären zu können, stellt in fast allen Lebensbereichen eine wich-

tige Kompetenz dar. Im privaten wie gesellschaftlichen Leben sind Erklärungen von

großer Bedeutung. Jeder Lehr- und Lernprozess ist ebenso wie das alltägliche Mit-

einander von Menschen auf Erklärungen angewiesen. Dabei besteht eine große Viel-

falt darin, was und wie erklärt wird: Handlungen, Prozesse, Gegenstände, Funkti-

onsweisen, Ursachen usw. Mangelt es an Erklärkompetenz, wird der eigentliche

Zweck des Erklärens, der in der Vermittlung von Wissen besteht,1 nicht erreicht.

Trotz der Notwendigkeit einer adäquaten Erklärkompetenz ist der Analyse und För-

derungsmöglichkeit der Erklärfähigkeit insbesondere in Bezug auf Kinder bisher

wenig Interesse zugekommen. So gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchun-

gen zu diesem Themenkomplex und eine unzureichende Einordnung der Erklärkom-

petenz im schulischen Kontext. Aus diesem Grund ist eine Untersuchung der Erklär-

fähigkeit von Grundschulkindern anhand einer selbst durchgeführten Studie interes-

sant. Besonders, da hieran anschließend eine Bewertung der kindlichen Erklärkom-

petenz möglich ist und somit Förderungsansätze für den Grundschulunterricht erar-

beitet werden können. Der Schwerpunkt der Studie liegt hierbei auf der besonderen

Kommunikationssituation der Erklärung von Grundschülern untereinander im außer-

schulischen Kontext.

Erklären wird in dieser Arbeit als sprachliche Handlung verstanden, die einen be-

stimmen Zweck erfüllen soll. Dieser Zweck besteht darin, dass bei einem Adressaten

ein Wissensauf- bzw. ausbau stattfindet. Die Erklärfähigkeit setzt sich aus verschie-

denen Momenten zusammen, die die Qualität einer Erklärung ausmachen und im

Laufe dieser Arbeit dargelegt werden.

Diese Arbeit soll dazu beitragen, wesentliche Erkenntnisse zur Erklärfähigkeit von

Grundschülern zu erlangen. Zu diesem Zweck wurde eine Studie mit zwölf Schülern

einer Grundschule durchgeführt. Hierbei erklärte je ein Schüler der dritten Klasse

einem Schüler der ersten Klasse zwei verschiedene Phänomene. Anhand dieser Stu-

die wird die tatsächliche Umsetzung von Erklärungen durch Kinder untersucht. Der

Auswertung der Studiendaten kommt folglich ein großer Umfang zu. Bei der Analy-

se und Bewertung liegt der Fokus vor allem auf der sprachlichen Realisierung der

Erklärungen seitens der Schüler.

1 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 92.

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Die Arbeit beginnt in Kapitel I mit einer theoretischen Erarbeitung des ihr zugrunde

liegenden Gegenstandes. Da die Erklärfähigkeit auf der Tätigkeit des Erklärens ba-

siert, wird zunächst dieser Begriff in seinen Facetten erläutert und daraufhin einge-

grenzt. Anschließend werden die verschiedenen Komponenten der Erklärfähigkeit

dargelegt. In Kapitel II folgen die Beschreibung der Studie, ihre Umsetzung sowie

die Analyse der Studiendaten. Eine Ergebnissicherung der Studie in Abschnitt III

dient der Erarbeitung didaktischer Förderungsmöglichkeiten, womit ein Ausblick auf

mögliche Konsequenzen für die Praxis im schulischen Kontext gegeben wird.

Im Vorfeld der Studie bestand die Vermutung, dass Kinder im Grundschulalter auf-

grund der Komplexität der Sprechhandlung Defizite aufweisen würden, eine gute,

gelungene Erklärung durchzuführen. Diese Vermutung konnte zum größten Teil bes-

tätigt werden. Die Erklärfähigkeit der Kinder war zwar in Ansätzen vorhanden, je-

doch fehlte fast immer das wesentliche Moment einer Bezugnahme auf den Adressa-

ten, was als ein Anhaltspunkt für die Erfolglosigkeit einer Erklärung gewertet wer-

den kann. Die größte Schwierigkeit der Schüler scheint beim Erklären generell das

Sich-Hineinversetzen in das Gegenüber und das Anpassen der Erklärung an dessen

Bedürfnisse zu sein. Der Zweck der Erklärung, der Wissensaufbau beim Adressaten,

scheint ihnen dabei gar nicht oder zumindest nicht durchgehend bewusst zu sein.

Dieses Defizit bildet einen Anhaltspunkt für Förderungsmöglichkeiten der Erklärfä-

higkeit.

Um die Erklärfähigkeit von Grundschülern mit den Bildungsstandards des schu-

lischen Bereichs in Bezug zu bringen, wird mehrmals Bezug auf den Bildungsplan

des Landes Baden-Württemberg genommen. Dieser spezielle, bundeslandspezifische

Bildungsplan wurde ausgewählt, da die Studie im Kontext des Landes Baden-

Württemberg stattgefunden hat und der Konkretisierung der Überlegungen dient.

Ist in dieser Arbeit von einer oder mehreren Personen in maskuliner Form die Rede,

so ist selbstverständlich auch die jeweils weibliche Form gemeint. Auf eine explizite

Nennung beider Geschlechter im Text wird zugunsten der besseren Lesbarkeit ver-

zichtet.

Taucht in der Ausarbeitung der Begriff Hörer auf, soll dies keinesfalls die Passivität

des Adressaten der Erklärung implizieren. Die aktive Mitgestaltung der Erklärung

und der interaktive Charakter einer Erklärung sind grundsätzlich mitzudenken.

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Begriffe oder Begriffsketten werden kursiv geschrieben, wenn sie besonders hervor-

gehoben werden sollen oder anderenfalls missverständlich wirken könnten.

I. Theoretische Hinführung

Zunächst sollen die theoretischen Grundlagen bezüglich des Erklärens, angrenzender

Sprechhandlungen und der Erklärfähigkeit erarbeitet werden, da sie die Basis für die

gesamte Untersuchung darstellen.

I.1 Begriffsklärung: Erklären und Erklärfähigkeit

Um mit dem Begriff „Erklärfähigkeit“ arbeiten zu können, muss dieser vorerst klar

abgegrenzt werden, um zu verdeutlichen, welche Definition ihm in dieser Arbeit zu-

kommen soll. Außerdem muss vorab der Begriff „Erklären“ definiert werden, da er

die Grundlage für die Darstellung der Erklärfähigkeit bietet.

I.1.1 Erklären als Wissenstransport

„Das Erklären scheint nach vorliegenden Studien ein zentraler Bestandteil der

menschlichen Kommunikationsfähigkeit zu sein.“2 Der Begriff „Erklären“ wird hin-

sichtlich seiner Bedeutung sehr vielseitig und in verschiedenen Kontexten eingesetzt:

Ein Rücktritt von einem Amt wird erklärt, ein physikalisches Phänomen wird erklärt

oder jemand erklärt sich dazu bereit, etwas zu tun.

Aufgrund dieser Bedeutungsvielfalt ist eine genaue inhaltliche Abgrenzung der Beg-

riffe „Erklären“ und „Erklärfähigkeit“ notwendig. Im Rahmen dieser Arbeit bezeich-

net „Erklären“ einen dialogischen Prozess einer Erklärung eines Phänomens oder

Sachgegenstandes, in welchen mindestens zwei Personen involviert sind: Jemand

erklärt jemandem etwas.

Erklärungen werden nach ihrer Beschaffenheit in verschiedene Typen untergliedert.

Dabei wird beispielsweise differenziert, auf welche Art und Weise erklärt wird, wie

intensiv und sachgemäß auf einen jeweiligen Erklärgegenstand Bezug genommen

wird oder wie und ob dieser mit anderen Kontexten und allgemeingültigen Sätzen

verknüpft wird.

Eine Art der Erklärung ist die wissenschaftliche Erklärung. Eine wissenschaftliche

Erklärung zeichnet sich besonders durch logische Verknüpfungen getroffener Aussa-

gen mit anderen Kontexten sowie allgemeinen Gesetzmäßigkeiten aus. Hier ist das

2 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 97.

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4

von Hempel und Oppenheim entwickelte Modell der deduktiv-nomologischen Erklä-

rung3 (kurz: DN-Erklärung) von besonderer Bedeutung. Nach diesem Modell wird

ein zu erklärendes Phänomen, das „Explanandum“, deduktiv und als zu erwarten aus

allgemeinen, meist ungenannten Gesetzen und speziellen Rahmenbedingungen, die

zusammen das „Explanans“ bilden, abgeleitet.4 Sofern die beobachteten Rahmenbe-

dingungen und die bewusst oder unbewusst verwendeten Gesetzmäßigkeiten empi-

risch verlässlich und wahr sind, kann eine Erklärung als wahre Erklärung gelten.5

Da die wissenschaftliche Erklärung logisch und kausal auf die Ursachen und Bedin-

gungen eines zu erklärenden Phänomens Bezug nimmt, antwortet diese indirekt stets

auf eine Warum-Frage. Einige Autoren nennen deshalb diese explizierende Art der

Erklärung auch ERKLÄREN-WARUM6.

In Anlehnung an die Bezeichnung der wissenschaftlichen Erklärung wurde eine wei-

tere Art der Erklärung etabliert: das so genannte ERKLÄREN-WAS7. Darunter wer-

den Deskriptionen und Narrationen gefasst, durch welche ein Sachverhalt eher äußer-

lich und distanziert erklärt wird, ohne dabei kausale Zusammenhänge herzustellen.

Vielmehr wird der Gegenstand in seine einzelnen Elemente aufgegliedert und „in

Raum und Zeit eingeordnet.“8

Zu dieser grundsätzlichen Einteilung, die die Intensität und die Umsetzungsweise

einer Erklärung beschreibt, tritt meist eine weitere Erklärart, die allerdings auf einer

anderen Ebene anzusiedeln ist. Das so genannte ERKLÄREN-WIE bezieht sich auf

die Aufgabe, die Funktion eines Gegenstandes oder Ähnlichem zu erklären und be-

schreibt somit einen Prozess. Erklärungen dieser Art bieten eine Antwort auf die

Leitfrage, wie etwas funktioniert. Insbesondere Spielerklärungen sind dieser Katego-

rie zuzuordnen.9

Hinzu kommt, dass in der Literatur sehr verschiedene Vorstellungen davon bestehen,

was Erklären ausmacht. So haben einige Autoren ein eher enges Verständnis davon

und betrachten nur die wissenschaftliche, kausale Erklärung als Erklärung, während

andere eine weitere Auffassung des Begriffs haben und wie hier verschiedene Erklär-

typen unterscheiden, die jeweils eine Erklärung darstellen. Dabei wird allerdings von

3 Auch bekannt als Hempel-Oppenheim-Schema (kurz: HO-Schema). 4 Vgl. Hempel, Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, 5 ff. 5 Vgl. Hempel, Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, 7. 6 Bezeichnung nach Klein, vgl. Klein, Erklären und Argumentieren. 7 Vgl. Gornik, Das Erklärstück, 166; Neumeister, Schüler erklären Redensarten, 17. 8 Gornik, Das Erklärstück, 166. 9 Vgl. Spreckels, Worterklärungen, 122.

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Alltags- und nicht von wissenschaftlichen Erklärungen ausgegangen. Klein10 berück-

sichtigt beispielsweise in seinen Arbeiten nur das ERKLÄREN-WARUM, weil im

klassischen Sinn nur dieses eine Erklärung darstellt. Er meint damit das Erklären

eines Sachverhalts und schließt gleichzeitig Spielerklärungen, Erklärungen tech-

nischer Geräte und Ähnliches aus seinen Untersuchungen aus.11 ERKLÄREN-

WARUM definiert Klein als „das Explizieren des Zustandekommens eines Sachver-

halts.“12 Ebenso wie das Begründen, Folgern und Rechtfertigen ist es eine „konklusi-

ve Sprechhandlung“13, wobei die Gemeinsamkeit dieser Sprechhandlungen darin

liegt, dass aus ihnen auf etwas anderes geschlossen werden kann („Operation des

Schließens“14).

Autoren, die einen eher weiten Begriff des Erklärens verwenden, definieren Erklären

beispielsweise als „Versuch, H [den Hörer] auf die Möglichkeit hinzuweisen, das für

H (tatsächlich oder von S [Sprecher] unterstellt) problematische X unter Rückgriff

auf den Inhalt der Erklärung und den Konnexionen zwischen diesem Inhalt und dem

X begreiflich zu machen.“15 In dieser Definition wird deutlich, dass bei einer Erklä-

rung ein zusätzlicher Sachverhalt hinzugezogen und mit dem Erklärgegenstand ver-

knüpft wird.

Ebenfalls auffällig ist der starke Adressatenbezug von Erklärungen, der in der Defi-

nition thematisiert wird. Aus der Bezeichnung Versuch geht zudem hervor, dass es

sich auch dann um eine Erklärung handelt, wenn der Empfänger der Erklärung den

Sachverhalt nicht begreift. Obwohl eine Erklärung darauf abzielt, dass das neue Wis-

sen vom Empfänger aufgenommen und in bereits bestehende Wissensmuster inte-

griert wird,16 handelt es sich auch dann um eine Erklärung, wenn dies nicht gelingt.

In einer ähnlichen Definition wird insbesondere das Verknüpfen des erklärten Sach-

verhalts mit bereits bestehendem Wissen und Strukturen des Hörers hervorgehoben.

Danach gilt Erklären als „Versuch, H [Hörer] auf eine Möglichkeit hinzuweisen, das

für ihn problematische EM [Explanandum] unter Rückgriff auf ES [Explanans] mit

seinen bisherigen Kenntnissen zu verknüpfen.“17

10 Vgl. Klein, Die konklusiven Sprechhandlungen; Klein, Erklären und Argumentieren. 11 Vgl. Klein, Die konklusiven Sprechhandlungen; Klein, Erklären und Argumentieren, 1309. 12 Klein, Die konklusiven Sprechhandlungen, 23. 13 Klein, Die konklusiven Sprechhandlungen, 1. 14 Klein, Die konklusiven Sprechhandlungen, 1. 15 Gornik, Das Erklärstück, 167. 16 Vgl. Bayer, Sprachhandlungstyp ‚Erklären’, 28 f. 17 Bayer, Sprachhandlungstyp ‚Erklären’, 41.

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In dieser Notwendigkeit liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Alltags- und

wissenschaftlichen Erklärungen: Während bei wissenschaftlichem Erklären die logi-

sche Ableitbarkeit des zu Erklärenden im Mittelpunkt steht, besteht bei Alltagserklä-

rungen das Wesentliche darin, dass der Hörer die neuen Aspekte in sein bereits be-

stehendes Wissens- und Erfahrungssystem eingliedern kann. Dies erfolgt durch ver-

schiedene Arten von Appellen, mit denen der Erklärende den Hörer dazu auffordert,

eine Kenntnisverarbeitung durchzuführen. Diese Aufforderungen können durch eine

Vielzahl lexematischer Ausdrücke erfolgen. So zählt Lang Konjunktionen wie bei-

spielsweise denn, aber auch Adverbien, Präpositionen und Modalpartikeln zu diesen

Appellen.18 Hohenstein fügt dem noch auf Grundlage Bayers19 das finalistische so

dass und dadurch dass sowie Konstruktionen mit dann, und dann und durch hinzu.20

Erklären ist meist eingebettet in „übergeordnete Kommunikationsmuster“21, also in

größere Einheiten von Sprechhandlungen. Dies erschwert die Abgrenzung des Erklä-

rens von Handlungen, die dem Erklären ähnlich sind. Aufgrund dieser engen Verbin-

dung verschiedener Sprechhandlungen legt Hohenstein ihrer Arbeit nicht nur das

Erklären im engeren Sinn zugrunde, sondern zählt auch Sprechhandlungen wie das

Erläutern, Begründen und Exemplifizieren, die den Zweck des Erklärens erfüllen,

zum „erklärenden Handeln“, das den Gegenstand ihrer Arbeit darstellt.22

Auch Gornik fasst ihren Untersuchungsgegenstand recht weit und zählt zum Erklären

im Alltag nicht nur Erklärungen im klassischen Sinn, sondern „verschiedene Phäno-

mene“23, die die Gemeinsamkeit haben, jemandem zu helfen, etwas Neues in sein

Kenntnissystem zu integrieren. Ähnlich weit fasst Neumann den Begriff des Erklä-

rens und bezieht auch das Begründen, Exemplifizieren, Erläutern und das Instruieren

in ihre Untersuchung mit ein.24

Dieses weite Verständnis soll auch dieser Arbeit zugrunde liegen. Oft ist es weder

möglich noch sinnvoll, aus den Sprechhandlungen der Kinder die Strukturen heraus-

zufiltern, die dem engeren Erklärungsbegriff genügen würden und lediglich diese zu

analysieren. Da mit dieser Arbeit die Kompetenz der Kinder, zu erklären und die Art

18 Vgl. Bayer, Sprachhandlungstyp ‚Erklären’, 36 f.; Hohenstein, Erklärendes Handeln, 82 f.; Lang, Erklärungstexte, 160 ff. 19 Vgl. Bayer, Sprachhandlungstyp ‚Erklären’, 30 ff. 20 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 82 f. 21 Spreckels, Erklären im Kontext, 1. 22 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 11, 113. 23 Gornik, Das Erklärstück, 166. 24 Vgl. Neumeister, Schüler erklären Redensarten, 17.

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und Weise, wie sie die Sprechhandlung umsetzen, untersucht werden soll, wird die

Erklärsequenz mit allen begründenden, beschreibenden, beispielgebenden und ähnli-

chen Elementen berücksichtigt. Dabei soll dennoch zwischen den Handlungsformen

differenziert werden. Unter I.1.2 werden einige Sprechhandlungsmuster, die dem

Erklären ähnlich sind, dargestellt und von diesem abgegrenzt.

Anhand der Darstellung wird deutlich, dass viele verschiedene Definitionen existie-

ren, in denen dem Erklären unterschiedliche Merkmale und Funktionen zugeschrie-

ben werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Verwendungsweisen ist eine eindeu-

tige Definition des Erklärens problematisch: Es gibt „keine einheitliche Bestimmung

dessen […], was Erklären ausmacht.“25

Um trotz der vielfältigen Definitionen des Erklärens ein genaueres Bild davon zu

erhalten, was diese Sprechhandlung ausmacht, sollen nun die Merkmale und Funk-

tionsweisen von Erklärungen aufgeführt werden, über die Einigkeit besteht. Hohen-

stein hat zu diesem Zweck sechs Punkte herausgearbeitet. Der Auslöser einer Erklä-

rung ist immer ein „Wissensdefizit“26 einer Person, die gleichzeitig annimmt, dass

der Erklärende das Wissen besitzt, das ihr fehlt. Dieser ungleiche Wissensstand soll

mithilfe der Erklärung ausgeglichen werden.27 Offengelegt werden kann dieses Wis-

sensdefizit entweder durch den Hörer selbst oder aber durch den Sprecher, der ver-

mutet, dass ein solches vorliegt.28

Grundlegend für eine Erklärung ist, dass eine einheitliche Weltsicht bzw. die glei-

chen „Erklärungsstandard[s]“29 zwischen dem Erklärenden und dem Empfänger der

Erklärung bestehen. Das bedeutet, dass Erklären immer auf der Grundlage eines

Weltwissens und einer Vorstellung stattfindet, die sowohl der Erklärende als auch

der Adressat aufweisen muss. Kiel nennt diese Übereinstimmung „Kosmologie“30

und schließt darin sowohl das Verständnis darüber ein, woraus die Welt und das U-

niversum bestehen, als auch die Vorstellung darüber, inwiefern eine Änderung der-

selben möglich ist.31

Dagegen ist für Erklärungen laut Hohenstein nicht essentiell, dass der Empfänger die

Erklärung für wahr hält und diese akzeptiert. Dies gehört nicht direkt zur Erklärung,

25 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 85; vgl. auch Kiel, Erklären als didaktisches Handeln, 76 ff. 26 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 90. 27 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 90. 28 Vgl. Spreckels, Erklären im Kontext, 1. 29 Bayer, Sprachhandlungstyp ‚Erklären’, 40; vgl. auch Hohenstein, Erklärendes Handeln, 91. 30 Kiel, Erklären als didaktisches Handeln, 84. 31 Vgl. Kiel, Erklären als didaktisches Handeln, 84.

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sondern stellt eher ein „nachgeordnetes Kriterium der Höreranschlusshandlung“32

dar. Die Akzeptanz der Erklärung ist ebenso wenig ausschlaggebend für das Vorlie-

gen einer Erklärung wie das Integrieren der neuen Inhalte in bestehende Wissens-

muster durch den Adressaten.

Einigkeit besteht auch über das, was der Erklärende zu leisten hat: Für das Erklären

ist es notwendig, den Sachverhalt vor der Erklärung in kleinere sinnvolle Einheiten

oder Unterabschnitte aufzuteilen und zu strukturieren. Dieser Vorgang wird als „Syn-

thetisieren“33 bezeichnet.

Erklären wird in dieser Arbeit als Handlung (Sprechhandlung) angesehen, die einen

bestimmten Zweck verfolgt. Da diese Sprechhandlung eine in der Gesellschaft stan-

dardisierte Form darstellt, gilt sie als sprachliches Handlungsmuster.34 Allerdings

besteht in der Literatur Uneinigkeit darüber, worin der Zweck dieses Handlungsmus-

ters besteht. Laut Hohenstein liegt er beim Erklären im systematischen Wissensauf-

und ausbau35 und nicht, wie bei anderen Handlungen, im Ausgleichen von Verste-

hens- und Verständnisproblemen. Allerdings widerspricht Hohenstein damit einigen

Autoren, die Erklären durchaus als eine Handlung ansehen, die ein Verstehensprob-

lem aufheben soll. So beispielsweise Gornik, die der Meinung ist, dass Erklären im-

mer dann vorliegt, wenn einer Person eine „Hilfestellung beim Verstehen“36 gegeben

wird. Der Grund für Hohensteins zum Teil konträre Position ist, dass in vielen Unter-

suchungen „handlungssystematische Unterschiede zwischen grundlegend Verstehen

erzeugenden, Verständnis sichernden und erklärenden Handlungen […] bestimmt“37

worden sind, aus denen hervorgeht, dass lediglich das Verständnissichern mit Ver-

stehensproblemen verbunden ist. Erklären hingegen dient dem Wissensauf- und aus-

bau und hat somit keine „reparative“38 Funktion. Der Auslöser einer Erklärung, das

Bedürfnis des Hörers, eine Erklärung zu erhalten, entspringt gerade nicht einem „ge-

störten Handlungssystem, einem Kommunikationsproblem oder dem Bedürfnis nach

Verständnissicherung.“39 Diese deutliche Abgrenzung hat zur Folge, dass es nicht

32 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 91. 33 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 91. 34 Vgl. Ehlich, Sprachliche Handlungsmuster, 250. 35 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 92. 36 Gornik, Das Erklärstück, 167. 37 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 85. Hervorhebung im Original. 38 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 86. 39 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 137.

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konstitutiv für eine Erklärung ist, dass sich der Erklärende vergewissert, ob sein Ge-

genüber eine Einsicht in den erklärten Wissensbereich gewonnen hat.40

Für den von Hohenstein untersuchten Gegenstand ist dies von grundlegender Bedeu-

tung. Denn in wissenschaftlichen Vorträgen ist es weder üblich noch organisatorisch

möglich, sich nach einer Erklärung zu vergewissern, dass eine Übernahme des er-

klärten Sachverhalts von Seiten der Adressaten stattgefunden hat. Allerdings ist diese

Vergewisserung bei Alltagserklärungen, wie sie dieser Arbeit zugrunde liegen,

durchaus üblich. Anderenfalls würde die Erklärung als adressatenunfreundlich und

verfehlt empfunden werden. Da das Ziel einer Erklärung darin besteht, an den Em-

pfänger Wissen weiterzugeben und eine Erklärung dann als gelungen gilt, wenn der

Rezipient Klarheit über den erklärten Sachverhalt hat,41 kontrolliert der Erklärende

im Prinzip den Erfolg seiner Handlung, wenn er prüft, ob der Empfänger das Wissen

verinnerlicht hat. Ein Nachfragen gibt dem Sprecher die Möglichkeit, eine nicht ge-

lungene Erklärung zu verbessern oder neu zu beginnen. Damit erhöht er die Wahr-

scheinlichkeit, dass ein Wissenszuwachs eintritt und die Erklärung gelingt. Es spricht

also für die Qualität einer Erklärung, wenn der Sprecher sich vergewissert, ob die

Erklärung verstanden worden ist.

I.1.2 Darstellung und Abgrenzung ähnlicher Handlungsmuster

Da eine Erklärung meist in einen größeren Handlungskontext eingebettet ist, fällt die

Abgrenzung zu ähnlichen Handlungsmustern oft schwer. Wie bereits erläutert, sollen

auch andere Phänomene als das Erklären im engeren Sinn berücksichtigt werden.

Trotzdem muss differenziert werden, ob die Erklärungen der Schüler eher begrün-

denden, erläuternden, argumentierenden oder ähnlichen Charakter haben. Aus die-

sem Grund werden nun die Handlungsmuster Begründen, Erläutern, Erzählen, Be-

schreiben und Argumentieren kurz dargestellt und vom Handlungsmuster Erklären

abgegrenzt. Bei sämtlichen Mustern wird nur die mündliche, nicht aber die schrift-

liche Umsetzung berücksichtigt.

I.1.2.1 Begründen

Begründen bedeutet das Umordnen des beim Hörer bestehenden Nicht-Wissens in

Wissen. Dabei werden bereits bestehende Wissenselemente so umgewandelt, dass

eine neue Wissensvernetzung und dadurch ein Verstehen ermöglicht werden. Die

40 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 137. 41 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 224.

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Erklärhandlung beruht auf einem Verstehensdefekt des Hörers und ist somit repara-

tiv. Eine Begründung folgt aus einem „Defekt des interaktiven Handlungssystems“42,

was innerhalb eines größeren Gesprächskontexts indiziert und sofort zu beheben ver-

sucht wird. Daher gilt es als eine eingeschobene Sprechhandlung. Initiiert werden

kann es wie auch Erklärungen sowohl vom Hörer als auch vom Sprecher.43

Begründungen sind eigene Sprechhandlungen, die häufig im Zusammenhang mit

Erklärungen auftauchen. Dabei wird mit ihnen meist das Ziel verfolgt, die Erklärung

zu legitimieren.44 Allerdings wird gerade im Zusammenhang mit der wissenschaftli-

chen Erklärung Wert darauf gelegt, Begründen als eigenständige Kategorie zu be-

trachten, die sich insofern von Erklärungen abgrenzen lässt, als dass sie Antworten

auf Fragen nach Gründen für etwas liefert. Erklären dagegen liefert Antworten auf

Fragen nach Ursachen.45

I.1.2.2 Erläutern

Ähnlich wie das Begründen ist der Zweck des Erläuterns, Mängel in der Gesprächs-

handlung zu beheben. Es dient der Vertiefung oder Sicherung des Verstehens beim

Hörer.46 Dabei besteht es nicht in der wiederholten Aussprache des vorher Gesagten,

sondern in einer Aufforderung an den Hörer, zu handeln.47 Beim Erläutern wird ein

problematischer Sachverhalt so zerlegt, dass er für die Entscheidung des Hörers aus-

schlaggebend ist. Daher kann es auch als eine Art „Entscheidungshilfe“48 betrachtet

werden, die darauf abzielt, durch die Übermittlung zusätzlicher Wissensbestandteile

eine Handlungslücke zu überbrücken.

Während mit der Sprechhandlung Erklären keine Anschlusshandlung zu initiieren

versucht wird, stellt dies sowohl beim Begründen als auch beim Erläutern ein we-

sentliches Moment dar.

I.1.2.3 Erzählen

Erzählen im interaktiven Kontext meint eine „verbale Aktivität“49 zweier oder meh-

rerer Teilnehmer, von denen mindestens einer die Rolle des Zuhörers und mindestens

42 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 135. 43 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 133 ff. 44 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 104. 45 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 56. 46 Vgl. Rolf, Erläuterungen, 113 f. 47 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 136. 48 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 136. 49 Quasthoff, Erzählen, 1300.

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einer die Rolle des Sprechers innehat. Diese Aktivität findet in einem bestimmten

Kontext statt.50

Der üblicherweise in Gesprächen stattfindende Sprecherwechsel muss dabei für den

Zeitraum der narrativen Phase unterbrochen werden, was wie beim Erklären sowohl

durch die Aufforderung des Hörers als auch durch die Initiative des Sprechers erfol-

gen kann. Den Gegenstand einer Erzählung stellen Ereignisse dar, die tatsächlich in

der Vergangenheit stattgefunden haben oder zumindest als solche ausgegeben wer-

den.51

Das Handlungsmuster Erzählen kann viele Funktionen erfüllen, die vom Unterhalten

der Zuhörer über das Präsentieren eines Selbstbildes bis hin zu Aussagen vor Gericht

reichen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.52

Die Diskursarten Erzählen und Erklären werden häufig in Verbindung miteinander

verwendet.53 Im Gegensatz zum Erklären ist das Erzählen allerdings gerade in Hin-

blick auf kindliches Erzählen ein recht gut erforschtes Handlungsmuster.

I.1.2.4 Beschreiben

Mit dem Handlungsmuster Beschreiben soll im Großen und Ganzen der Zweck er-

füllt werden, dem Hörer Orientierung zu geben. Der Hörer soll durch eine Beschrei-

bung das Abbild eines Sachverhalts erhalten.54 Meist stehen dabei sichtbare Momen-

te im Mittelpunkt der Beschreibung. Dabei wird der Sachverhalt in der Beschreibung

fixiert und erhält den „Charakter eines Zustandes“55. Worin der Zweck einer Be-

schreibung jedoch im Einzelfall besteht, ist schwer festzustellen. Denn Beschreibun-

gen sind meist – ebenso wie Erklärungen – eingebettet in größere Handlungsmuster.

Der Zweck ergibt sich aus diesem großen Handlungsmuster und nicht allein aus dem

Beschreiben.56

Beschreiben und Erklären sind sehr ähnliche Sprachmuster. Während beim Be-

schreiben der äußere, räumliche Sachverhalt dargestellt wird, wird beim Erklären der

innere Sachverhalt dargelegt.57 Der deskriptive Charakter, der sich im Darstellen

äußerlicher Elemente bemerkbar macht, ist allerdings auch beim ERKLÄREN-WAS

50 Vgl. Quasthoff, Erzählen, 1300. 51 Vgl. Gülich, Erzählen, 2. 52 Vgl. Quasthoff, Erzählen, 1295. 53 Vgl. Gülich, Erzählen, 5. 54 Vgl. Stutterheim, Beschreiben, 1280. 55 Rehbein, Beschreiben, Berichten, Erzählen, 77. 56 Vgl. Rehbein, Beschreiben, Berichten, Erzählen, 85. 57 Vgl. Rehbein, Beschreiben, Berichten, Erzählen, 87.

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zu finden. Dabei lässt sich deutlich erkennen, wie fließend die Grenze zwischen den

Sprachhandlungen verläuft, insbesondere wenn der weitere Erklärensbegriff zugrun-

de gelegt wird. Häufig werden beschreibende und erklärende Elemente im Zusam-

menhang miteinander verwendet und gehen direkt ineinander über.58

I.1.2.5 Argumentieren

Auch Argumentationen sind meist in größere Handlungszusammenhänge integriert.

Es sind komplexe verbale Handlungen, die dann entstehen, wenn ein Zusammenhang

von mehreren Personen als strittig angesehen wird.59 Ziel des Argumentierens ist es,

etwas zunächst Fragwürdiges durch das Hinzuziehen von etwas Geltendem auch in

etwas Geltendes umzuwandeln.60 Aufgrund ihrer schwachen Vorstrukturierung bei-

spielsweise im Vergleich zu meist stark vorstrukturierten Erzählungen, wirken sie

häufig wirr und kompliziert.

Klein sieht Begründen und Rechtfertigen als Unterpunkte des Argumentierens an.

Allerdings besteht insofern ein Unterschied, als dass Argumentieren nicht nur das

Stützen der eigenen Position umfasst, sondern auch das Angreifen einer anderen Po-

sition. Begründen und Rechtfertigen erfüllen dagegen nur den erstgenannten Zweck,

das Stützen der eigenen Position.61

I.1.3 Was ist Erklärfähigkeit?

Erklären ist eine äußerst anspruchsvolle Sprechhandlung. Die Fähigkeit, zu erklären,

zeichnet sich durch eine Vielzahl von Komponenten aus, die in den Prozess des Er-

klärens hineinspielen und von denen das Gelingen einer Erklärung abhängt.

So gilt es für den Erklärungsausführenden zunächst, mit dem zu erklärenden Sach-

verhalt selbst gut vertraut zu sein und ihn sehr gut verstanden zu haben. Nur dann

kann es ihm gelingen, den wesentlichen Schritt des Synthetisierens zu vollziehen,

wobei er den Sachverhalt in logische Abschnitte untergliedert und neu strukturiert.

Diese Leistung stellt eine Grundvoraussetzung für gutes Erklären dar. Schon bei der

Neustrukturierung muss ein Bezug auf den Adressaten hergestellt werden und fokus-

siert werden, wie der Sachverhalt aufgearbeitet werden muss, damit er dem Wissen

und Denken des Hörers möglichst nahe kommt.

58 Vgl. Rehbein, Beschreiben, Berichten, Erzählen, 86 ff. 59 Vgl. Klein, Argumentation und Argument, 10 f. 60 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1310. 61 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1315.

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Dieser Adressatenbezug spielt besonders während der Erklärung eine wesentliche

Rolle: Der Erklärende muss den Wissensstand des Rezipienten einschätzen können

und seine Erklärung daran anpassen. Gerade während der Erklärung ist ein ständiger

Abgleich dessen nötig, was der Adressat verstanden hat und was ihm noch unklar ist.

Dieser Abgleich kann durch „Rückkopplung(ssignale)“62 wie beispielsweise der Fra-

ge „verstanden?“ geschaffen werden.

Aber nicht nur das Ermitteln des (Vor-) Wissensstandes des Hörers auf dem zu erklä-

renden Sachgebiet und das Anknüpfen daran ist maßgebend, sondern auch die spe-

ziellen kognitiven Prozesse des Gegenübers: Fällt es dem Adressaten beispielsweise

leichter, das Wissen aufzunehmen, wenn die Erklärung mithilfe eines Beispiels oder

einer Analogie erfolgt oder fällt es ihm leichter, wenn eine abstrakte Darstellung er-

folgt? Hierauf muss der Sprecher achten und gegebenenfalls in seinen Erklärungsan-

sätzen variieren. Außerdem muss die Erklärung dem Hörer sprachlich angepasst sein.

So muss beispielsweise einem Experten ein Sachverhalt anders erklärt werden als

einem Laien und einem Erwachsenen anders als einem Kind.

Die sprachliche Umsetzung der Erklärung spielt auch bei der Verwendung von Ko-

häsionsmitteln und kausalitätsherstellenden Indikatoren eine große Rolle. So erleich-

tert der Gebrauch eindeutiger Kohäsionsmittel und kausalitätsanzeigender Indikato-

ren meist das Verstehen des Adressaten, weil ihm Bezüge und Zusammenhänge so-

wohl innerhalb der Erklärung als auch in Bezug auf die außersprachliche Realität

deutlich angezeigt werden und nicht von ihm selbst rekonstruiert werden müssen.

Auch die nonverbale Kommunikation spielt eine Rolle bei der Frage nach der Erklär-

fähigkeit. Zwar ist Erklären immer sprachliches Handeln,63 die Verbalisierung kann

jedoch durch Gestik und Mimik unterstützt werden und an Stellen, an denen die rein

sprachliche Umsetzung an ihre Grenzen kommt, zeitweilig auch den bedeutenderen

Teil der Erklärung einnehmen.

All das fordert vom Erklärenden ein hohes Maß an Sensibilität vor und während der

Erklärung, damit er immer wieder reagieren und die Erklärung mit anderen Worten,

mit einem anderen Beispiel oder Ähnlichem fortsetzen kann. Das Anknüpfen an be-

reits bestehendes Wissen und das Anpassen der Erklärung an die Bedürfnisse des

62 Stukenbrock, Erklären, 162. 63 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 99.

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Adressaten stellt wohl die größte Schwierigkeit des Erklärens und somit auch die

größte Herausforderung dieser Sprechhandlung dar.64

Die Fähigkeit, zu erklären, hängt auch davon ab, ob es dem Sprecher gelingt, in drei-

erlei Hinsicht eine Metaebene zu schaffen, von der aus er seine Erklärung kritisch

betrachtet und hinterfragt. Dazu gehört zunächst, dass der Erklärende im Blick be-

hält, was er erklären will und nicht davon abdriftet. Gerade Kindern passiert es häu-

fig, dass sie vom eigentlichen Erklärgegenstand abkommen und in andere Richtun-

gen abschweifen,65 wobei das ursprüngliche Erklären schnell in die Sprechhandlung

Erzählen übergeht und der Zweck der Erklärung, der Wissensauf- bzw. ausbau, dabei

aus dem Fokus gerät.

Genau dies ist jedoch ein weiterer wichtiger Aspekt der Metaebene: Der Erklärende

muss sich des Zwecks der Erklärung bewusst sein, der in der Wissensvermittlung an

den Adressaten besteht.66 Hat er dieses Ziel vor Augen, werden seine Bemühungen

um eine angemessene Erklärung wesentlich intensiver ausfallen, als wenn ihm dieser

Zweck nicht bewusst ist.

Der dritte Aspekt hängt stark mit dem vorigen zusammen. Er beinhaltet das Nach-

denken darüber, wie dem Rezipienten dazu verholfen werden kann, das Erklärte an-

zuwenden.67 Dabei reflektiert der Erklärende seine Umsetzung der Erklärung im

Blick auf das Ziel der Erklärung. Das Anwenden des Erklärten geht dabei über das

reine Übernehmen des Wissens hinaus und stellt einen weiteren Schritt im Ver-

stehensprozess dar.

Da die Erklärfähigkeit schwer zu messen ist, stellt sich die Frage, wie sehr sie mit

dem Gelingen der Erklärung zusammenhängt. Wenn ein unmittelbarer Zusammen-

hang bestünde, könnte bei einer gelungenen Erklärung, bei der eine Wissensüber-

mittlung an den Empfänger stattgefunden hat68 und dieser „Klarheit“69 bezüglich des

Erklärgegenstandes hat, auf das Vorliegen der Erklärfähigkeit geschlossen werden.

Andererseits würde eine nicht gelungene Erklärung davon zeugen, dass die Fähig-

keit, zu erklären (noch) nicht oder (noch) nicht ausreichend vorhanden ist. Zum Ge-

lingen der Erklärung tragen nicht ausschließlich die Bemühung und die Kompetenz

des Erklärenden bei. Vielmehr spielt auch das Interesse des Adressaten an dem er-

64 Vgl. Gornik, Das Erklärstück, 167. 65 Vgl. Berkemeier, Wissen macht Ah, 5 ff.; Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 228; Rehbein, Worterklärungen, 142 f. 66 Vgl. Berkemeier, Wissen macht Ah, 9. 67 Vgl. Berkemeier, Wissen macht Ah, 9. 68 Vgl. Spreckels, Erklären im Kontext, 3. 69 Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 224.

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klärten Sachverhalt und sein Engagement beim Integrieren der neuen Aspekte in sein

bestehendes Wissenssystem eine große Rolle. So kann der Hörer dem Sprecher durch

Unterbrechung der Erklärung und gezieltes Nachfragen Hinweise darauf geben, wo

dieser ansetzen bzw. fortfahren muss. Gibt dieser allerdings fälschlicherweise vor, er

habe den Sachverhalt verstanden und in seine Denk- und Wissensmuster übernom-

men, hat der Erklärende nicht die Gelegenheit, seine Erklärung adressatenangepass-

ter zu wiederholen. Aus diesem Grund kann die Erklärkompetenz nicht ausschließ-

lich am Gelingen der Erklärung gemessen werden.

I.2 Forschungsstand: Wie erklären Kinder?

In diesem Kapitel soll der Forschungsstand der Literatur dargestellt werden, die die

Erklärkompetenz von Kindern thematisiert und die für diese Arbeit von einschlägiger

Bedeutung ist. Dabei soll auch herausgearbeitet werden, welche Lücken dabei noch

bestehen. Die nichtdeutschsprachige Literatur wird dabei weitgehend außer Acht

gelassen, weil die vermutlich bestehenden Unterschiede in dieser Arbeit nicht unter-

sucht werden können und sollen.

Alltagserklärungen wurden im Vergleich zu wissenschaftlichen Erklärungen in ihrer

tatsächlichen Erscheinungsart eher selten untersucht. Seit den 1980er Jahren erfolgte

dies unter anderem vermehrt mit dem Blick auf den kindlichen Spracherwerb70 und

später vereinzelt auch bezüglich des didaktischen Kontexts der Schule, wie bei-

spielsweise in der Arbeit von Kiel,71 der sich allerdings hauptsächlich auf das vom

Lehrer ausgehende Erklären konzentriert. Auch der erste Teil einer aktuellen Publi-

kation von Spreckels72 lässt sich unter diese Kategorie fassen, wobei der Schwer-

punkt der in ihrem Band veröffentlichten Aufsätze auf dem Erklären von Schülern

liegt. Der Band ist im Anschluss an das Symposium „Erklären in unterrichtlichen

und außerschulischen Kontexten“ entstanden, das 2007 an der Pädagogischen Hoch-

schule in Freiburg i. Br. Stattgefunden hat.73 Daran lässt sich erkennen, dass hier ein

aktuelles Forschungsinteresse besteht.

Die meisten Werke, die sich mit dem Erklären von Kindern beschäftigen, behandeln

das Thema unter der Fragestellung, wie Kinder denken, lernen, wie sich ihre Sprache

entwickelt und wie Kinder die Fähigkeit zur Teilnahme am Diskurs erwerben. Dabei

nehmen die Autoren nicht das Erklären als eigenständigen Prozess in den Blick, son- 70 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 80. 71 Vgl. Kiel, Erklären als didaktisches Handeln. 72 Vgl. Spreckels, Erklären im Kontext. 73 Vgl. Spreckels, Erklären im Kontext.

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dern beobachten vielmehr die Handlung des Erklärens, um dadurch Erkenntnisse

über die Denkweisen und kognitiven Strukturen der Kinder zu erhalten,74 die

Sprachentwicklung75 oder die Diskursfähigkeit von Kindern auf dieser Grundlage zu

untersuchen.76

So führte Piaget eine Untersuchung mit Kindern durch, in der das verbale Erklären

und Verstehen von Kindern untersucht wurde und es vorrangig um die Frage ging,

wie sich gleichaltrige Kinder untereinander verstehen. Dazu ließ er Kinder im Alter

von sechs bis acht Jahren anderen Kindern eine Geschichte erzählen oder ein mecha-

nisches Phänomen erklären. Die Geschichte bzw. das Phänomen war dem Kind vor

der Untersuchung noch nicht bekannt und wurde ihm erst unmittelbar bevor es diese

weitererzählen bzw. dieses selbst erklären sollte von dem Untersuchungsleiter erzählt

bzw. mit Hilfe einer Skizze erklärt worden.

Im Rahmen dieser Untersuchung fand Piaget heraus, dass Kinder vor dem siebten

oder achten Lebensjahr nicht in der Lage sind, logische Begründungen und kausale

Erklärungen zu geben.77 Den Grund dafür sieht Piaget darin, dass streng kausale Er-

klärungen „ein Anpassen an die Außenwelt, ein Bemühen um Objektivation und […]

um Entpersonalisierung des Denkens“78 voraussetzen. Bis zum achten Lebensjahr

wird dies jedoch durch den so genannten kindlichen Egozentrismus erschwert: Bis zu

diesem Alter denken und sprechen die Kinder egoistisch.79 Sie sprechen folglich

nicht für andere, sondern nur für sich selbst. Aus diesem Grund können sie ihre Äu-

ßerungen nicht so formulieren, dass sie für das Gegenüber verständlich sind. Der

Egozentrismus zeigt sich auf sprachlicher Ebene darin, dass die Kinder keinen direk-

ten Bezug auf ihr Gegenüber nehmen, die verbalisierten Informationen nicht danach

auswählen, ob sie für das Gegenüber relevant sind und sich nicht darum bemühen,

diese für den Hörer verständlich darzustellen.80 Piaget stellt außerdem fest, dass Kin-

der in diesem Alter keinen Wert auf die Genauigkeit ihrer Aussagen legen, weil sie

denken, dass das Gegenüber sie auch ohne jede Bemühung um Detailliertheit auf

Anhieb versteht. Dies bewirkt allerdings das Gegenteil, so dass Kinder sich bis zum

siebten oder achten Lebensjahr untereinander nicht oder zumindest nicht gut verste-

74 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 116 ff. 75 Vgl. Weber, Instruktionsverhalten. 76 Vgl. Klann-Delius, Diskursfähigkeit; Weber, Diskursfähigkeit. 77 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 257. 78 Piaget, Sprechen und Denken, 256. 79 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 47. 80 Vgl. Klann-Delius, Spracherwerb, 116.

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hen.81 In dieser Studie liegt der Schwerpunkt auf entwicklungspsychologischen Fra-

gen des Sprechen und Denken von Kindern. Daher werden von Piaget kaum sprach-

liche Aspekte des Erklärens berücksichtigt.

Dagegen betrachten Autoren, die die Diskursfähigkeit untersuchen, zwar durchaus

sprachliche Aspekte, jedoch nicht, um den Prozess des Erklärens und die Realisie-

rung dieses Prozesses durch die Kinder zu erforschen, sondern meist im Blick darauf,

wann und wie sich die Diskursfähigkeit im Laufe der Kindheit entwickelt.82 Die

Sprechhandlung Erklären scheint dafür besonders gut geeignet zu sein, weil sie auf-

grund ihrer Komplexität und ihrer hohen Anforderungen, die sie an den Sprecher

stellt, sehr aussagekräftig bezüglich des Entwicklungsstandes dessen Diskursfähig-

keit zu sein scheint.

So liegt in der Studie von Klann-Delius in Zusammenarbeit mit anderen Wissen-

schaftlern das Interesse darin, die Diskursfähigkeit von Kindern zu erforschen.83 Sie

untersuchen am Beispiel von Spielerklärungen vier- bis sechsjähriger Kinder, welche

Aspekte ausschlaggebend für die Diskursfähigkeit von Kindern sind. Dabei stellen

die Autoren fest, dass komplexe Sprechhandlungen ein Zusammenspiel interaktiver,

kognitiver und sprachlicher Fähigkeiten verlangen.84 Mit kognitiven Fähigkeiten ist

das Durchdringen des Sachverhalts gemeint. Interaktive Fähigkeiten bestehen darin,

die Verstehensvoraussetzungen des Adressaten ausfindig zu machen und zu berück-

sichtigen und sprachliche Fähigkeiten bestehen darin, das Wissen in angemessener

Weise sprachlich darzustellen. Bei den in dieser Studie untersuchten Kindern wurde

festgestellt, dass das Problem zumeist sowohl in der sprachlichen Umsetzung des

Wissens als auch darin besteht, dieses Wissen im Diskurs angemessenen umzuset-

zen.85

Ein ähnliches Interesse verfolgt die Studie von Weber, die die Entwicklung der Dis-

kursfähigkeit in der späteren Kindheit anhand von Instruktionshandlungen unter-

sucht.86 Dabei fand sie heraus, dass die von den Kindern verwendeten personaldeik-

tischen Ausdrücke eine Schlüsselfunktion bezüglich ihres Entwicklungsstandes ein-

nehmen.87 Dies liegt insbesondere an der Schwierigkeit einer Instruktionshandlung,

einen Aspekt der Vergangenheit nicht wie bei einer Erzählung lediglich in die Ge-

81 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 116 ff., 142. 82 Vgl. Klann-Delius, Diskursfähigkeit; Weber, Diskursfähigkeit. 83 Vgl. Klann-Delius, Diskursfähigkeit. 84 Vgl. Klann-Delius, Spracherwerb, 133. 85 Vgl. Klann-Delius, Spracherwerb, 133. 86 Vgl. Weber, Diskursfähigkeit. 87 Vgl. Weber, Diskursfähigkeit, 3.

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genwart zu transformieren, sondern zusätzlich eine Anwendung dessen in der Zu-

kunft zu ermöglichen. So sieht sie den Gebrauch von du als für eine Instruktions-

handlung geeignet, man eher dem Schriftlichen zugehörig und sowohl ich als auch

wir dafür ungeeignet, den Erfolg einer Instruktionshandlung herbeizuführen.

Eine weitere Studie liegt mit Rehbeins Untersuchung zu Worterklärungen türkischer

Kinder vor. Dabei geht es hauptsächlich darum, herauszufinden, welches Konzept

die Kinder von den zu erklärenden Begriffen haben. Das Erklären ist also im Grunde

ein Mittel zum Zweck, nicht aber selbstständiger Untersuchungsgegenstand. Trotz-

dem werden dabei fünf Arten von Erklärungen aufgeführt, die die Kinder verwende-

ten, um die Bedeutung der Wörter zu verdeutlichen. Diese sollen nur knapp darge-

stellt werden, weil sie sich speziell auf Worterklärungen beziehen und daher für die

vorliegende Arbeit nur bedingt von Bedeutung sind. Die Kinder realisierten die

Wortbedeutungen häufig so, dass sie die wesentlichen Merkmale eines Begriffs kurz

darstellten (sententiöse oder konditionale Form). Eine weitere häufige Art der Reali-

sierung war das Beispielgeben und das Umschreiben des Begriffs. Dabei versucht

das Kind, das, was es sagen will, mit mehreren Versuchen zu umschreiben, weil es

mit der ersten Umsetzung nicht zufrieden ist. Außerdem wurden häufig Sprechhand-

lungsaugmente wie „oder so“ verwendet, die eine Unsicherheit des Kindes verdeut-

lichten. Die letzte von Rehbein beobachtete Umsetzungsart ist das Abdriften, bei

dem die Kinder die ursprünglich geforderte Begriffserklärung aus dem Blick verlo-

ren hatten und davon abschweiften.

Bei einer anderen Studie liegt der Schwerpunkt auf der Erforschung eben dieser Ty-

pen kindlicher Erklärungsarten: Wagner und Wiese untersuchen gesprochene Bedeu-

tungserklärungen, die Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren gegeben haben.88 Ins-

besondere wird dabei der Frage nachgegangen, „welche Beziehungen zwischen ein-

zelnen Explikationstypen und den gegebenen Bedeutungserklärungen zu finden

sind.“89 Dabei greifen Wagner und Wiese auf verschiedene Zusammenstellungen von

Erklärungsstrategietypen zurück, die von anderen Autoren erarbeitet wurden. Sie

arbeiten insgesamt neun Erklärungsarten heraus, die im verwendeten Datenmaterial

auftraten: Die Erklärung durch Nennung eines Synonyms, eines übergeordneten Beg-

riffs oder wesentlicher Merkmale, die Erklärung durch Nennung einer Zweckbe-

stimmung oder typischer Handlungen, das Erklären durch Umschreiben, das Abdrif- 88 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 223. 89 Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 224.

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ten während der Erklärung und die Erklärung durch Nennung eines Beispiels.90 Die

am häufigsten verwendete Art ist dabei die Nennung einer Zweckbestimmung und

typischer Handlungen. Die von Erwachsenen am häufigsten verwendeten Erklä-

rungstypen, die Nennung eines übergeordneten Begriffs und die Nennung eines Bei-

spiels, werden von älteren Kindern auch vermehrt gebraucht.91 Bei den Ergebnissen

muss allerdings genau wie bei der Studie von Rehbein beachtet werden, dass nur

Begriffserklärungen untersucht wurden und die Ergebnisse daher für die vorliegende

Untersuchung nur bedingt relevant sind.

Diese Darstellung verdeutlicht, dass der Schwerpunkt der meisten sprachwissen-

schaftlichen Untersuchungen zum Erklären von Kindern darauf liegt, die Entwick-

lung der Sprachfähigkeit und insbesondere der Diskursfähigkeit von Kindern anhand

des Beispiels Erklären herauszuarbeiten. Dabei konzentrieren sich die Autoren meist

auf Begriffs- oder Spielerklärungen.

Allerdings zeigt die Darstellung auch, dass es einige meist jedoch sehr alte Untersu-

chungen gibt, in denen die Art der Kinder, zu erklären, tatsächlich im Mittelpunkt

des Interesses steht. Ein ähnlicher Schwerpunkt soll auch dieser Untersuchung zu-

grunde liegen. Es soll, wie bereits erläutert, untersucht werden, wie Grundschüler die

Sprechhandlung Erklären umsetzen, welche Elemente der Erklärfähigkeit sie dabei

bereits beherrschen und worin ihre Schwierigkeiten liegen.

II. Studie zur Erklärfähigkeit von Grundschülern

Zunächst soll die Studie, die die Grundlage dieser Arbeit darstellt, in ihrem Aufbau

detailliert beschrieben werden. Anschließend erfolgen eine kritische Betrachtung der

Studie sowie Hypothesen hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse. In einem wei-

teren Kapitel werden schließlich die aus der Untersuchung hervorgegangenen Daten

analysiert.

II.1 Beschreibung der Untersuchung

In diesem Abschnitt wird der Aufbau der Studie beschrieben und begründet. Dabei

werden zunächst allgemeine Bedingungen aufgeführt, die der Untersuchung zugrun-

de liegen. Daraufhin wird erläutert, welche Aktanten an den Erklärungen beteiligt

sind und begründet, aus welchen Gründen die Wahl auf diese fiel. Im Anschluss da-

ran werden die Gegenstände der Erklärungen dargestellt und anhand kurzer Sachan-

90 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 228. 91 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 233.

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alysen inhaltlich erarbeitet. Auch die Verankerung der Phänomene im Bildungsplan

wird in diesem Zusammenhang thematisiert. Daraufhin wird erläutert, wie das Er-

gebnis der Erklärung – die Übernahme des zu vermittelnden Wissens durch den Ad-

ressaten – überprüft werden kann. Zum Schluss werden Hypothesen zu den Untersu-

chungsergebnissen formuliert und begründet.

II.1.1 Allgemeine Rahmenbedingungen

Die Untersuchung zur Erklärfähigkeit von Grundschülern wurde an einer Grundschu-

le in Heidelberg durchgeführt. Mit knapp 200 Schülern und zehn Lehrern handelt es

sich um eine relativ kleine Schule. Die Jahrgänge sind zweizügig und bestehen aus

21 bis 28 Schülern. Das Einzugsgebiet der Schule ist die Heidelberger Altstadt. Die

meisten Schüler stammen aus gehobenen sozialen Verhältnissen. Einige Kinder ha-

ben einen Elternteil mit Migrationshintergrund und häufig sind die Eltern allein er-

ziehend. Die meisten Schüler sind jedoch in Deutschland aufgewachsen und spre-

chen fließend und akzentfrei Deutsch.

Bei den Kindern, die an der Untersuchung teilnahmen, handelt es sich um sechs

Schüler der ersten und sechs Schüler der dritten Klasse. Aus beiden Jahrgangsstufen

wurden jeweils drei Mädchen und drei Jungen in Absprache mit den Klassenlehre-

rinnen für die Teilnahme an der Untersuchung ausgewählt.

Um eine geschlechtsspezifische Zusammensetzung der Kinder in den jeweiligen Er-

klärsituationen wurde sich bewusst nicht bemüht, da eventuelle Besonderheiten und

Unterschiede bei der Realisierung der Erklärungen im Hinblick auf das Geschlecht

des Erklärenden im Rahmen dieser Studie nicht schwerpunktmäßig beachtet werden

sollten. Somit ergaben sich verschiedene Konstellationen der Erklärpaare.

Die beteiligten Erstklässler waren zum Zeitpunkt der Durchführung sechs bzw. sie-

ben und die Drittklässler neun Jahre alt. Es wurden von den Klassenlehrerinnen be-

wusst leistungsstärkere und leistungsschwächere Kinder ausgesucht, um ein mög-

lichst vielseitiges und repräsentatives Bild der Schülerschaft zu gewährleisten. Beide

Klassen gelten in der Schule im Vergleich zu der jeweiligen Parallelklasse als sehr

leistungsstark und motiviert – insbesondere hinsichtlich mündlicher Leistungen. Dies

war allerdings keine Absicht in der Auswahl der teilnehmenden Klassen, sondern

ergab sich eher zufällig. Jedes Kind wird bei der entsprechenden Erklärsituation, an

der es teilgenommen hat, im Rahmen der Datenanalyse genauer vorgestellt.

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Die Eltern der Schüler hatten im Vorfeld eine schriftliche Einverständniserklärung

abgegeben, in der sie die Teilnahme ihres Kindes an der Untersuchung und das Fil-

men ihres Kindes genehmigten.

Für die Untersuchung wurde ein großer heller Raum in der Schule ausgewählt, in

dem eine Sitzecke mit einem Sofa, einem Sessel und einem Teppich eingerichtet

war. Mithilfe dieser Einrichtung wurde versucht, den schulischen Leistungskontext

auszublenden und eine möglichst normale Situation und gemütliche Atmosphäre zu

schaffen. Da der Fokus dieser Arbeit auf der sprachlichen Umsetzung der Erklärun-

gen durch die Schüler liegt, wurden den Schülern bewusst keine Hilfsmittel wie bei-

spielsweise eine Tafel oder ein Schaubild zur Visualisierung des Gesprochenen zur

Verfügung gestellt.

Die komplette Untersuchung wurde zum Zweck der Analyse audiovisuell aufge-

zeichnet (Kameratyp: Panasonic NV GS 230) und anschließend transkribiert (zum

Transkriptionssystem und den verwendeten Konventionen vgl. II.2 und Anhang).

Während der Studie befand sich eine weitere Person im Raum, um die Kamera zu

bedienen. Das Filmen der Erklärungen war deshalb wichtig, weil das nonverbale

Verhalten und insbesondere die Zeigegestik beim Erklären zentrale Elemente darstel-

len92 und davon auszugehen war, dass es in den vorliegenden Erklärungen teilweise

eine große Rolle spielen würde, was auf einige Erklärungen auch zutrifft.

Die Untersuchung bestand aus vier Schritten:

1. Vorgespräch mit Drittklässler, um Erklärgegenstände abzusprechen (nur

Drittklässler anwesend)

2. Vorgespräch mit Erstklässler, um ihn auf die Situation vorzubereiten (nur

Erstklässler anwesend)

3. Erklärhandlung (beide Kinder anwesend)

4. Nachgespräch mit Erstklässler, um herauszufinden, ob er die Erklärung ver-

standen hat (nur Erstklässler anwesend); vgl. II.1.4.

Dabei wurden außer dem Vorgespräch mit dem Erstklässler, das keine für die Ergeb-

nisse der Untersuchung wichtigen Elemente enthielt, alle Schritte gefilmt. Obwohl

der Fokus dieser Arbeit auf der Erklärhandlung zwischen dem Drittklässler und dem

Erstklässler (Schritt 3) liegt, befinden sich alle entstandenen Videoprodukte in Form

von einer DVD mit dem Titel „Eine Studie zu der Erklärfähigkeit von Grundschüle-

rInnen. Videomaterial“ im Anhang dieser Arbeit. Dadurch wird dem Rezipienten

92 Vgl. Kotthoff, Erklärende Aktivitätstypen, 125.

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dieser Arbeit ermöglicht, eine genaue Einsicht in die Studie zu erlangen. Anhand

dieser Materialien ließen sich eventuell weitere Erkenntnisse ableiten, die jedoch

nicht Gegenstand dieser Arbeit sind und deshalb nicht berücksichtigt wurden.

Der beschriebene Ablauf wurde mit sechs Schülerpaaren durchgeführt und soll im

Folgenden näher erläutert und begründet werden.

Die Nomenklatur der einzelnen Erklärungen und beteiligten Personen stellt sich fol-

gendermaßen dar: Es gibt sechs Erklärkonstellationen mit je einem Drittklässler und

einem Erstklässler, die mit den Lettern A bis F nummeriert sind. Jede Konstellation

gliedert sich wiederum in die Teile a und b auf. Dabei ist Teil a jeweils eine Erklä-

rung aus dem Unterrichtskontext, genauer eine Erklärung aus dem Unterricht des

Fächerverbundes Mensch, Natur und Kultur zum Thema Wetter. Teil b ist eine eher

spontane Erklärung zu einem jeweils vom erklärenden Kind frei gewählten Thema.

So ergeben sich die Benennungen Aa, Ab, Ba, Bb, …, Fa, Fb für die einzelnen Erklä-

rungen.

Die an der Studie beteiligten Schüler werden mit S und der jeweiligen Klassenstufe

abgekürzt: S1 (Erstklässler, Adressat der Erklärung) bzw. S3 (Drittklässler, Geber

der Erklärung). Um die Schüler eindeutig einer Erklärkonstellation zuordnen zu kön-

nen, werden sie zusätzlich mit den oben erwähnten Lettern A bis F versehen. Es er-

geben sich also Kürzel nach folgendem Muster: S1A: Erstklässler aus Erklärkonstel-

lation A.

Das Kürzel In steht für den Instrukteur, der die Vor- und Nachbesprechungen mit

den Kindern geführt hat und bei den Erklärungen anwesend war.

II.1.2 Teilnehmer der Erklärung: Erklärender und Adressat

Für die Ausführung der Erklärungen wurden Schüler der dritten Klasse ausgewählt.

Das Alter dieser Kinder erschien für die Untersuchung besonders gut geeignet, weil

die Diskursfähigkeit bei ihnen im Vergleich zu Erst- und Zweitklässlern schon recht

weit ausgebildet ist, die Sprechhandlung des Erklärens jedoch aufgrund ihrer Kom-

plexität auch für sie noch sehr anspruchsvoll sein dürfte.

Da wohl nur in einer weitestgehend natürlichen Situation die tatsächlichen Struktu-

ren der Umsetzung der Erklärungen beobachtet werden können,93 sollte für die Un-

tersuchung eine für die Schüler möglichst realistische und natürliche Situation ge-

schaffen werden.

93 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 233.

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Aus diesem Grund wurden Erstklässler als Adressaten ausgewählt, die einige Jahre

jünger sind als die Drittklässler. Es wurden bewusst keine Erwachsenen als Adressa-

ten gewählt, weil in den meisten Fällen keine natürliche Wissensdifferenz vorhanden

gewesen wäre, die für Erklärungen jedoch, wie unter I.1.1 dargestellt, essentiell ist.

Im natürlichen Kontext ist bei der Sprechhandlung Erklären das ungleich verteilte

Wissen zwischen dem Erklärenden und dem Gegenüber der Auslöser für eine Er-

klärhandlung. Wenn ein Kind einem Erwachsenen etwas erklärt, liegt dieses „kogni-

tive […] Ungleichgewicht“94 allerdings meist nicht vor. Auch wenn dies nicht für

alle Themen gleichermaßen gilt, wäre es unnatürlich, wenn das Kind das Gefühl hät-

te, dass das Gegenüber die Erklärung gar nicht „brauche“ und sie somit eigentlich

überflüssig sei.

Außerdem kann Erklären die Beziehung zwischen dem Erklärenden und dem Zuhö-

renden beeinflussen, weil der Erklärende durch das bei ihm vorhandene, aber beim

Hörer fehlende Wissen Macht und Dominanz ausstrahlt.95 Dies würde einem Kind

gegenüber einem Erwachsenen wahrscheinlich merkwürdig vorkommen und wäre

ihm unangenehm.

Gegen die Wahl eines erwachsenen Adressaten der Erklärung spricht außerdem ein

weiterer wichtiger Aspekt, der das Gelingen einer Erklärung betrifft. Da eine Erklä-

rung, wie unter I.1.3 bereits dargestellt, dann als gelungen bezeichnet werden kann,

wenn es dem Sprecher glückt, seinem Gegenüber Klarheit bezüglich des zu erklären-

den Sachverhaltes zu verschaffen,96 wäre es unmöglich, das Gelingen zu kontrollie-

ren, wenn der Adressat den Sachverhalt schon vorher kannte. Damit würden wichtige

Analysekriterien verloren gehen.

Außerdem treten auch im alltäglichen Leben der Kinder Situationen auf, in denen ein

älteres Kind einem jüngeren etwas erklärt. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass

auf diese Weise das natürliche Sprechen der Kinder widergespiegelt wird.

Eine Erklärung kann sowohl vom Geber der Erklärung als auch vom Empfänger ini-

tiiert werden.97 Um den dialogischen Kontext bewusst hervorzuheben, wurde der

Erstklässler, also der Empfänger der Erklärung, im Vorfeld dazu aufgefordert, den

Drittklässler um die erste Erklärung zu bitten. Auf diese Weise sollte dem Erklären-

den vor Augen geführt werden, dass die Erklärung einen direkten Adressaten hat und

94 Kiel, Erklären als didaktisches Handeln, 60. 95 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1327. 96 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 224. 97 Vgl. Kotthoff, Erklärende Aktivitätstypen, 120.

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dem Hörer sollte bewusst gemacht werden, dass er an einer Konversation teilnimmt,

die er durchaus mitgestalten kann.

Beim zweiten Teil der Untersuchung, der spontanen Erklärung, ging die Initiative

vom erklärenden Kind aus.

Die Kinder wurden auf die Untersuchung vorbereitet, indem sie im Vorfeld von ihren

Klassenlehrerinnen grob über die bevorstehende Untersuchung informiert wurden.

Die Drittklässler waren in dem Zusammenhang darum gebeten worden, sich auf ein

Sachgebiet inhaltlich gut vorzubereiten. Während der Untersuchung wurde mit je-

dem Kind einzeln unmittelbar vor der jeweiligen Durchführung ein kurzes Gespräch

geführt, in dem es auf die wichtigsten Aspekte vorbereitet wurde. So wurde in dem

Vorgespräch mit dem Drittklässler jeweils das Phänomen festgelegt, welches das

Kind im ersten Teil der Untersuchung erklären sollte und vom Drittklässler ein

Sachverhalt bestimmt, den er im zweiten Teil erklären sollte. Außerdem wurden so-

wohl der Erst- als auch der Drittklässler dahingehend informiert, dass das Ganze für

nicht-schulische Zwecke gefilmt werden würde. Dabei wurde stets betont, dass die

komplette Untersuchung keinerlei Auswirkungen auf die schulischen Leistungsbe-

wertungen des Kindes haben würde. Der Erstklässler wurde zusätzlich dazu aufge-

fordert, das Gespräch zu eröffnen, indem er den Drittklässler darum bitten sollte, ihm

das entsprechende Phänomen zu erklären. Allerdings wurde sowohl beim Erst- als

auch beim Drittklässler auf metakommunikative Anweisungen verzichtet, um die

gesamte Situation so natürlich und unbeeinflusst wie möglich zu gestalten. So wur-

den die Erstklässler beispielsweise anders als bei der Studie von Weber98 nicht dazu

aufgefordert, bei Nichtverstehen der Erklärung nachzufragen.

Bei allen vorbereitenden Gesprächen wurde darauf geachtet, jedes Einzelgespräch

inhaltlich gleich zu gestalten, um das Ergebnis nicht zu verfälschen.

II.1.3 Erklärgegenstand

Bei der Wahl des Erklärgegenstandes war es wichtig, dass dieser laut Bildungsplan

und Klassenlehrerinnen der ersten und dritten Klasse erst in der dritten Klassenstufe

thematisiert und in der ersten Klasse noch nicht durchgeführt wurde. Dies erhöhte die

Wahrscheinlichkeit, dass das Kind, dem das Phänomen erklärt wurde, mit diesem

zumindest aus dem Unterricht noch nicht vertraut war. Das war wichtig, um, wie

98 Vgl. Weber, Diskursfähigkeit, 3.

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bereits beschrieben, anhand des Verstehens herauszufinden, ob die Erklärhandlung

gelungen war oder nicht.

Als Gegenstand, der von den Drittklässlern erklärt werden sollte, eignete sich das

Thema Wetter sehr gut. Es war zur Zeit der Untersuchung Unterrichtsgegenstand der

dritten Klasse im Fächerverbund Mensch-Natur-Kultur, stand also in unmittelbarem

zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung und war den Drittklässlern somit

noch präsent. Außerdem betrafen die Inhalte dieses Thema sowohl die Schüler der

ersten als auch die Schüler der dritten Klasse, weil jedes Kind bereits Alltagserfah-

rungen damit gemacht hatte.

Die im Unterricht behandelten Schwerpunkte lagen insbesondere beim Kreislauf des

Wassers (und in dem Zusammenhang der Entstehung von Regen) und der Entstehung

von Blitzen bzw. Gewittern. Die Klassenlehrerin hatte die Schüler vor der Untersu-

chung gebeten, sich für einen thematischen Bereich zu entscheiden und diesen zu-

hause gezielt zu wiederholen. Allerdings besteht die Vermutung, dass die Klassen-

lehrerin der dritten Klasse den Kindern zusätzlich gesagt hatte, dass sie den Sachver-

halt erklären können sollten. Diese Mutmaßung besteht aufgrund der Aussage einer

Schülerin im Vorgespräch: „Frau L. hat gesagt, ich soll den Wasserkreislauf erklä-

ren.“ Die Erklärungen wirken allerdings nicht geplant und vorbereitet, sondern spon-

tan. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kinder sich speziell auf

die Sprechhandlung Erklären, sondern lediglich auf den Sachgegenstand vorbereitet

hatten. Trotzdem bietet die jeweils zweite Erklärung der Kinder einen Gegenpol da-

zu. Diese wurde erst in der Vorbesprechung festgelegt, die unmittelbar vor dem Er-

klärblock stattfand und konnte somit nicht vorbereitet werden.

Piaget geht in seiner Untersuchung zum Erklären und Verstehen von Kindern unter-

einander so vor, dass ein Erwachsener, der Versuchsleiter, einem Kind ein Phänomen

erklärt, welches dieses wiederum einem anderen Kind erklären soll. Der Vorteil die-

ses Vorgehens ist sicherlich, dass der Sachverhalt dem ersten Kind, das den Inhalt

schließlich selbst erklären soll, so oft erklärt werden kann, bis es ihn tatsächlich ver-

standen hat. Außerdem ist bekannt, welche Informationen das Kind erhalten hat und

welche es davon in der eigenen Erklärung weitergibt. Ein schwerwiegender Nachteil

ist meines Erachtens allerdings, dass das Kind den Wortlaut der Erklärung, den es

unmittelbar zuvor eventuell sogar mehrmals gehört hat, zum Teil übernehmen und in

seiner „eigenen“ Erklärung verwenden könnte. Dies könnte gerade dann eintreten,

wenn das Kind das Phänomen nicht richtig verstanden hat. Da diese Untersuchung

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herausstellen will, wie Grundschüler erklären, würde das Ergebnis dadurch verfälscht

werden. Hinzu kommt, dass die Situation – ein Kind erklärt einen Gegenstand, den

es selbst gerade erklärt bekommen hat – entgegen Piagets Behauptung99 nicht sehr

natürlich ist. Vielmehr erklärt ein Kind etwas, von dem es denkt, dass es sich damit

sehr gut auskennt. Aus diesem Grund wird für die Untersuchung wie bereits erläutert

ein Sachverhalt gewählt, der vor kurzem im Unterricht der dritten Klasse behandelt

wurde und sich beim Kind bereits gefestigt haben dürfte.

Bei diesem Vorgehen war es besonders wichtig, zuvor zu untersuchen, ob das Kind

das zu erklärende Phänomen tatsächlich verstanden hatte und „den Sachgegenstand

kognitiv zunächst für sich selbst sachangemessen strukturieren“100 konnte (vgl.

I.1.1). Denn nur wer etwas selbst verstanden hat, kann dies auch erklären.

Da die Kinder sich gezielt auf einen Themenbereich vorbereiten sollten, wurde ledig-

lich in einem kurzen Vorgespräch geklärt, ob das Kind es sich zutraute, den Sachver-

halt zu erklären. Auf einen Test wurde verzichtet, weil keine Leistungssituation ent-

stehen sollte, die das Kind möglicherweise unnötig unter Druck gesetzt und das Er-

gebnis beeinflusst hätte. Außerdem wäre es schwierig gewesen, ein Kind zu prüfen,

ohne das Phänomen dabei erklären zu lassen. Dies sollte allerdings vermieden wer-

den, weil das Kind das Erklären dieses speziellen Sachverhalts dann bereits einmal

„geübt“ hätte, was das Ergebnis eventuell beeinflusst hätte. Allerdings ist dies nicht

immer gelungen: Oft fühlten sich die Kinder vom Instrukteur dazu aufgefordert, so-

fort zu erklären und nicht erst damit zu beginnen, wenn der Erstklässler dabei ist. Für

den Fall, dass ein Kind aufgrund schlechter inhaltlicher Vorbereitung nicht in der

Lage gewesen wäre, die Erklärung durchzuführen, hätte jedoch ein anderes Kind zur

Verfügung gestanden.

Um ein möglichst breites Bild von der Erklärfähigkeit der Kinder zu erhalten, sollten

sie im zweiten Schritt eine weitere Erklärung abgeben, die aus einem von ihnen

selbst gewählten Bereich stammen sollte. Es blieb ihnen freigestellt, ob sie bei-

spielsweise ein anderes Thema aus dem Unterricht, das sie besonders interessiert

hatte, oder ein Thema aus einem außerschulischen Bereich erklären wollten. Der

Instrukteur achtete bei der Auswahl lediglich darauf, dass der Sachverhalt die

Sprechhandlung Erklären zuließ und nicht beispielsweise eine reine Erzählung for-

derte.

99 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 119. 100 Berkemeier, Wissen macht Ah, 1.

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Ziel dieser zusätzlichen Aufgabe war es, zu untersuchen, ob Unterschiede bei der

Erklärung auftreten, wenn es sich dabei um ein vorgegebenes schulisches Thema

bzw. um ein Thema handelt, zu dem die Kinder einen emotionalen Bezug haben und

in dem sie sich selbst als kompetent ansehen, ohne sich gezielt darauf vorbereitet zu

haben. Neben dem emotionalen Bezug hat möglicherweise auch die Vorbereitung –

spontan oder geplant – Einfluss auf die Erklärung.

Es ist außerdem von Interesse, ob das Adressatenkind eine der Erklärungen besser

versteht als die andere und worauf dies gegebenenfalls zurückgeführt werden kann.

Eine Erklärung galt dann als beendet, wenn das erklärende Kind dies signalisierte.

Dies konnte einerseits durch eine ausdrückliche Erklärung des Kindes geschehen.

Andererseits konnte es auch durch den Gebrauch von Abtönungspartikeln erfolgen,

die das Ende einer Sprechhandlung markieren: und so, oder so, und so weiter, ja, hm.

Schließlich konnte das Ende der Erklärung auch mithilfe von nonverbalen Signalen

wie einem Nicken, einem ausdrücklichen Zurücklehnen oder indem das Kind den

Blickkontakt mit dem Instrukteur sucht, angezeigt werden.

II.1.3.1 Sachanalyse der zu erklärenden Phänomene

In diesem Kapitel soll eine kurze Sachanalyse der Phänomene, die die Kinder im

ersten Teil ihrer Erklärung darstellten, erfolgen. Dazu gehören der Kreislauf des

Wassers, der auch die Entstehung von Regen beinhaltet und das Zustandekommen

eines Gewitters.

II.1.3.1.1 Der Kreislauf des Wassers

Der Wasserkreislauf, auch hydrologischer Kreislauf genannt, bezeichnet die ständige

Bewegung des Wassers vom Meer zum Land und wieder ins Meer. Er kann in die

drei Phasen Verdunstung, Niederschlag und Abfluss unterteilt werden. Das an der

Meeresoberfläche befindliche Wasser verdunstet in die Atmosphäre. Dabei wird das

Wasser vom flüssigen in den gasförmigen Zustand umgewandelt und steigt nach o-

ben, weil es in diesem Aggregatzustand leichter als Luft ist. In der Atmosphäre wird

das verdunstete Wasser durch Luftströmungen in Festlandgebiete gedrängt, wo der

Wasserdampf abkühlt und kondensiert, das heißt wieder vom gasförmigen in den

flüssigen Zustand umgewandelt wird. Bei diesem Prozess entstehen Wolken. Die

Aufnahmekapazität der Wolken ist temperaturabhängig und nimmt ab, je kälter die

Luft ist. Wenn die feuchte Luft aufsteigt, kühlt sie ab, die Aufnahmekapazität sinkt

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und es kommt zu Niederschlägen. Das Wasser, das auf die Erde trifft, sickert zu ei-

nem großen Teil in die Erde, fließt ins Meer und verdunstet teilweise.101

II.1.3.1.2 Entstehung von Regen

Regen entsteht durch den bereits beschriebenen Kondensationsvorgang des Wasser-

dampfes in der Atmosphäre. Der Wasserdampf lagert sich an Staubpartikel und ähn-

liches an und bildet dort Tropfen. Wenn die Tropfen zu schwer werden, sinken sie zu

Boden und es regnet.102

II.1.3.1.3 Entstehung von Gewitter

Gewitter ist eine Entladung der Luft. Durch das Aufsteigen erhitzter Luftmasse

(Konvektion) entstehen Gewitterwolken. Sie werden durch entsprechende Vertikal-

strömungen bis zu 10 000 m hoch. Wenn die obere Schicht vereist, weil es dort we-

sentlich kälter ist als in den niederen Schichten, entstehen Ladungsdifferenzen inner-

halb der Wolke. Die dabei entstehende Spannung wird in Form eines Gewitters ab-

gebaut.103

II.1.3.2 Verankerung der Inhalte im Bildungsplan des Landes Baden-

Württemberg

Die dargestellten Inhalte sind im Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg für

die Klassen drei und vier im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur als „Wetter-

phänomene und ihre Ursachen“104 verankert. Sowohl zum Wasserkreislauf als auch

zu den Aggregatzuständen des Wassers sollen laut Bildungsplan im Zusammenhang

mit dem Thema Wetter Experimente durchgeführt werden. Dies hatte in der dritten

Klasse zum Themenbereich Verdunsten stattgefunden. Dafür wurde im Klassenzim-

mer ein Gefäß mit Wasser aufgestellt und beobachtet, wie das Wasser nach und nach

verschwand. Außerdem wurden die Kinder dazu aufgefordert, zuhause beim Kochen

die Dunstabzugshaube zu beobachten und zu schauen, ob sich daran Wassertropfen

bildeten.

101 Vgl. Leser, Allgemeine Geographie, 443, 1017, 1061 f. 102 Vgl. Leser, Allgemeine Geographie, 443, 744. 103 Vgl. Leser, Allgemeine Geographie, 298, 450. 104 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Bildungsplan, 107.

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II.1.4 Ergebnissicherung und Bewertung des Erklärergebnisses

Da eine Erklärung, wie unter I.1.3 dargestellt, dann als gelungen angesehen werden

kann, wenn der Adressat das zu übermittelnde Wissen in seine Denk- und Wissens-

strukturen übernommen hat, soll im Anschluss an die Erklärung geprüft werden, ob

dies erfolgt ist und der Erstklässler Klarheit bezüglich des erklärten Sachverhalts hat.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, um zu prüfen, ob dieser Prozess stattgefunden hat.

Die Kontrolle hätte in Form eines kurzen mündlichen oder schriftlichen Tests erfol-

gen können. Allerdings hätte hierbei die Gefahr bestanden, dass das Kind zwar den

Sachverhalt, aber nicht die Testfragen verstanden hat und sie deshalb nicht beantwor-

ten kann. Da der In dies bei einem schriftlichen Test nicht bemerkt hätte, wäre da-

durch das Ergebnis verfälscht worden.

Interessant wäre es gewesen, wenn das Kind dem In – oder besser noch, einem ande-

ren Kind – den Sachverhalt noch einmal erklärt hätte. Die dabei entstehende Situa-

tion wäre natürlicher als die, in der das Kind dem In den Sachverhalt erklärt. Da es in

dieser Phase allerdings nicht mehr vorrangig um die Erklärhandlung, sondern darum

ging, den Wissensaufbau beim Kind zu überprüfen, erschienen diese Bedenken über-

flüssig und der zusätzliche Aufwand zu groß. So wurde der Erstklässler unmittelbar

nach Beendigung der Erklärhandlung, nachdem der Drittklässler den Raum verlassen

hatte, gefragt, ob er den erklärten Sachverhalt verstanden habe und darum gebeten,

ihn nun selbst noch einmal zu erklären. Wurde dies verneint, wurde gezielt nach den

einzelnen Zusammenhängen gefragt, um herauszufinden, ob dem Kind lediglich das

Erklären schwer fällt (so genanntes „Nicht-Erklären-Können-trotz-Wissen“105) oder

ob es den Sachverhalt tatsächlich nicht verstanden hat.

Piaget stellt diesbezüglich in seinen bereits angesprochenen Untersuchungen zum

Verstehen von Kindern untereinander Interessantes fest.106 Für das Verstehen von

sieben- bis achtjährigen Kindern sieht er zwei Möglichkeiten: Wenn die Kinder be-

reits ähnliche Vorstellungen und Denkweisen haben, verstehen sie sich sehr gut, weil

direkt an das Bestehende angeknüpft werden kann. Sind die Denkweisen der Kinder

jedoch sehr unterschiedlich, greifen die Erklärungen nicht. Den Grund dafür sieht

Piaget darin, dass der kindliche Erklärer noch nicht in der Lage ist, bei seinem Ge-

genüber nach einer kognitiven Grundlage zu suchen, auf die er das Neue aufbauen

105 Rehbein, Worterklärungen, 137. 106 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 116 ff.

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und mit dem er es verknüpfen kann.107 Die Ursache der von Piaget beobachteten

Verstehensprobleme sieht er also nicht im Zuhörer, sondern im Erklärer. Ob dies

auch in der vorliegenden Untersuchung bestätigt werden kann, ist genauer zu verfol-

gen.

Da die Qualität einer Erklärung allerdings wie unter I.1.3 bereits erläutert nicht nur

vom Erklärenden, sondern auch von der Kooperation des Hörers abhängt, wird die

Erklärungsleistung in dieser Arbeit auch unabhängig vom Verstehenserfolg des Ad-

ressaten beurteilt werden.

II.1.5 Kritische Betrachtung der Untersuchung

In diesem Kapitel wird die Untersuchung bezüglich ihres Aufbaus, ihrer Vorberei-

tung und ihrer Durchführung kritisch betrachtet. Dabei werden teilweise Verbesse-

rungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Grundsätzlich ist am Aufbau der Untersuchung kritisch anzumerken, dass die

Sprechsituation nicht natürlich, sondern inszeniert war. So wurden die Drittklässler

nicht wie bei einer „normalen“ Erklärung im alltäglichen Kontext erst in dem Mo-

ment mit dem Erklärgegenstand konfrontiert, als die Bitte um die Erklärung durch

den Adressaten ausgesprochen wurde. Sie bereiteten sich vielmehr im Vorfeld inhalt-

lich darauf vor. Dies war nicht zu vermeiden, weil sichergestellt werden musste, dass

die Kinder den Sachverhalt gut verstanden hatten (vgl. I.1.1, II.1.3). In diesem Zu-

sammenhang ist auch anzumerken, dass die Kinder vermutlich vor der Erklärsitua-

tion nicht nur wie geplant den Auftrag bekamen, den Sachgegenstand vorzubereiten,

sondern auch wussten, dass sie das jeweils vorbereitete Thema erklären sollten. Al-

lerdings lassen sich bei den Erklärungen keine Besonderheiten erkennen, die diese

Vermutung bestätigen würden (vgl. II.1.3).

Auch die Erstklässler initiierten die Erklärung nicht aus eigenem Interesse, sondern

wurden im Vorfeld darum gebeten. Das eventuell mangelnde Interesse am Erklärge-

genstand könnte sich negativ auf das Verstehen ausgewirkt haben. Zudem wurde die

Erklärsituation beobachtet und gefilmt, was eventuell hemmend auf die beteiligten

Personen gewirkt haben könnte. Diese Kritikpunkte waren vor der Studie bekannt

und wurden in Kauf genommen, da es nicht möglich war, diese Untersuchung in ei-

ner natürlicheren Situation durchzuführen. Dabei waren jedoch zwei wesentliche

107 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 153.

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Momente – der Adressatenbezug und der Zweck der Erklärung – bis auf einige Aus-

nahmen immer deutlich erkennbar.

Bei der Umsetzung der Untersuchung sind ebenfalls einige Aspekte zu kritisieren. So

begannen die Drittklässler häufig bereits im Vorgespräch damit, ihre Erklärung aus-

zuführen. Dies sollte aufgrund eines möglicherweise eintretenden Übungseffekts

gerade nicht geschehen und hätte durch exakte Formulierungen von Seiten des In

vermieden werden können.

Des Weiteren ist aufgefallen, dass in den Erklärsituationen, an denen ein Schüler und

eine Schülerin teilgenommen haben, teilweise eine sehr angespannte Atmosphäre

herrschte. Vielleicht wären einige Erklärungen anders ausgefallen, wenn nur gleich-

geschlechtliche Konstellationen gewählt worden wären.

Außerdem wäre es von Vorteil gewesen, wenn zwei spontane Entscheidungen des In

anders ausgefallen wären. Im ersten Fall kannte der Adressat den Sachverhalt der

Erklärung bereits, weshalb die Erklärende den In nach Erhalt dieser Information fra-

gend anschaute (vgl. II.2.3.2). Nachdem die Erklärende kurz darüber nachgedacht

hatte, ob sie ein anderes Spiel kennt, bat der In die Erklärende, die Erklärung trotz-

dem durchzuführen. Dabei fehlte das notwendige Wissensgefälle, der Zweck der

Erklärung war nicht mehr ersichtlich und die Erklärung war damit im Prinzip über-

flüssig. Mit diesem Wissen setzte die Sprecherin die Erklärung vermutlich anders

um, als wenn der Zweck der Erklärung deutlich gewesen wäre. Außerdem war es so

nicht möglich, das Ergebnis der Erklärung in Form der Wissensübernahme des Erst-

klässlers festzustellen. Interessant ist hierbei jedoch, dass die Erklärung, die der Erst-

klässler im Nachgespräch gab, der Erklärung, die der Drittklässler ihm zuvor erteilt

hatte, sehr stark ähnelte. Dies bestärkt die in II.1.3 geäußerte Vermutung, dass Kin-

der die Struktur einer Erklärung, die sie zeitnah erhalten haben, in ihrer eigenen Er-

klärung übernehmen.

Das zweite Problem bestand darin, dass ein Adressatenkind sehr ängstlich und einge-

schüchtert war, nicht allein auf dem Sofa sitzen und die Erklärung nicht initiieren

wollte (vgl. II.2.7). Der In hätte das Geschehen unterbrechen und ein anderes Adres-

satenkind an der Untersuchung teilnehmen lassen sollen, da auch hierdurch der Er-

klärkomplex beeinflusst wurde. Diese letzten Kritikpunkte sind allerdings auf die

spontanen Reaktionen des In auf unerwartete Gegebenheiten zurückzuführen und

waren somit nicht besser planbar.

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II.1.6 Hypothesen bezüglich der Untersuchungsergebnisse

Es ließen sich schon im Voraus einige Vermutungen zu den Untersuchungsergebnis-

sen aufstellen, die an dieser Stelle aufgeführt werden sollen. Grundsätzlich war an-

zunehmen, dass die Erklärungen sehr unterschiedlich ausfallen würden. So war es

aufgrund der Individualität jedes Schülers kaum vorstellbar, ein einheitliches Ergeb-

nis zu erlangen.

Wenn die Erklärfähigkeit wie in dieser Arbeit als eine Kompetenz angesehen wird,

die sich nicht von selbst entfaltet, so konnte davon ausgegangen werden, dass den

Kindern das Erklären relativ schwer fallen würde. Die Schwierigkeit lag in der Kom-

bination aus gleichzeitigem Synthetisieren des Sachverhalts, Erforschen des Vorwis-

sens des Adressaten und Anpassen der Erklärung an dieses Vorwissen, die einen sehr

hohen Anspruch an die Schüler stellte. Wie bereits erwähnt waren dabei sowohl

sprachliche als auch kognitive und interaktive Fähigkeiten des Kindes gefordert.108

Es war anzunehmen, dass die meisten Schüler mindestens eine Komponente vernach-

lässigt würden. Die Ergebnisse aus Piagets Studie legen nahe, dass vor allem die Ad-

ressatenbezogenheit wenig berücksichtigt werden würde. Piaget führt diese man-

gelnde Berücksichtigung des Adressaten jedoch nicht (nur) auf die Überforderung

der Kinder zurück, sondern darauf, dass die Kinder es aufgrund ihres Entwicklungs-

standes nicht für nötig halten, auf das Wissen des Adressaten einzugehen und daran

anzuknüpfen.109 Dieses Phänomen des im Vorfeld bereits genauer dargestellten kind-

lichen Egozentrismus wird allerdings unter anderem durch Untersuchungen von

Klann-Delius relativiert. So fand sie heraus, dass Kinder durchaus recht früh in der

Lage sind, die Verstehensvoraussetzungen ihres Gegenübers zu berücksichtigen.110

Ob dies auch in dieser Untersuchung bestätigt werden kann, in der die erklärenden

Kinder etwas älter sind als die von Piaget beobachteten Kinder, soll im weiteren Ver-

lauf analysiert werden.

Da die Sprechhandlung Erklärung sehr komplex ist und die Fähigkeit nicht automa-

tisch ausgebildet wird, lag der Gedanke nahe, dass Kinder beim Erklären auf Struktu-

ren zurückgreifen würden, die ihnen aus ihrem Alltag bekannt waren.111 Dies konn-

ten Strukturen sein, die sie beispielsweise aus Erklärungen der Eltern oder der (älte-

108 Vgl. Klann-Delius, Spracherwerb, 133. 109 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 116 ff. 110 Vgl. Klann-Delius, Spracherwerb, 135. 111 Vgl. Berkemeier, Wissen macht Ah, 9.

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ren) Geschwister, aus Erklärungen der Lehrer, aber auch aus Erklärungen aus den

Medien wie beispielsweise dem Fernsehen kannten.

Eine Sendungsgattung, in der erklärende Elemente einen festen Bestandteil darstel-

len, sind Nachrichten für Kinder. Diese erklärenden Elemente, so genannte Erklär-

stücke, hat Gornik beispielhaft anhand der Kindernachrichtensendung „Logo“ dar-

aufhin untersucht, wie in Erklärstücken sprachlich vorgegangen wird, um diese Prä-

sentationsform möglichst kindgerecht zu gestalten.112 Dabei beobachtet sie, dass in

diesen Einheiten die Verwendung von Hauptsätzen überwiegt. Nebensätze werden

vergleichsweise wenig verwendet. Die Vermutung, dass Kinder auch in dieser Unter-

suchung viele Haupt- und vergleichsweise wenige Nebensätze verwenden und somit

kaum verschachtelte Sätze vorkommen würden, lag nahe. Allerdings liegt dies ver-

mutlich daran, dass Kinder und auch Erwachsene in der spontanen Sprache ohnehin

eher zu kurzen, einfachen Sätzen tendieren und wenige Nebensätze verwenden. In

diesem Fall passt sich die Redaktion von Erklärstücken wohl daran an, wie Kinder

üblicherweise sprechen.

Gornik beobachtet, dass in Erklärstücken zur semantischen Verknüpfung der Sätze

zwar viele Mittel wie Konjunktionen, Partikeln, Adverbien und Substantive genutzt

werden, dies jedoch nicht immer durchgehalten wird. Piagets Beobachtung zum Ge-

brauch von Verknüpfungsmitteln war, dass Kinder häufig und dann verwenden und

selten kausale Verknüpfungen herstellen.113 Zu vermuten war, dass die Kinder in der

durchzuführenden Untersuchung ebenso eher wenige Verknüpfungsmittel verwenden

würden. Dies würde wahrscheinlich insbesondere auf solche Verknüpfungsmittel

zutreffen, die Kausalität herstellen.

Gornik beobachtet in den Erklärstücken mit Ausnahme des ERKLÄREN-WIE die

Erklärungsarten, die in dieser Arbeit bereits an anderer Stelle aufgeführt worden sind

(vgl. I.1.1). Zusätzlich zum ERKLÄREN-WAS, das sie auch Narration oder Deskrip-

tion nennt und ERKLÄREN-WARUM, das sie auch Explikation nennt, führt sie eine

weitere Kategorie der Bedeutungserklärung von Wörtern auf, die eine Untergattung

des ERKLÄREN-WAS’ darstellt.114 Es konnte vermutet werden, dass in den Erklä-

rungen der Kinder eine ähnliche Erklärungsvielfalt beobachtet werden könnte, was

allerdings auch stark vom Gegenstand der Erklärungsgegenstand abhängen würde.

112 Vgl. Gornik, Das Erklärstück. 113 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 142 ff. 114 Vgl. Gornik, Das Erklärstück, 165 f.

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Allerdings findet in Erklärstücken sehr intensiv durchdachtes Erklären statt, das kei-

nerlei Spontaneität aufweist. So war davon auszugehen, dass die Kinder nur einzelne

Elemente und auch diese nur in Ansätzen übernehmen würden.

Was den Erfolg der Erklärungen betrifft, so ließ sich vermuten, dass die Erklärungen

des naturwissenschaftlichen Phänomens von den Erstklässlern schlechter verstanden

werden würden als die spontanen Erklärungen eines beliebigen Themas. Es war da-

von auszugehen, dass das Interesse der Erstklässler an einem Thema, das von den

Drittklässlern selbst gewählt wurde und daher automatisch in deren Interessensbe-

reich fiel, größer sein würde als an einem vorgegebenen naturwissenschaftlichen

Thema, das sie wahrscheinlich zu Recht stark an den schulischen Unterricht erinnern

und daher eventuell abstoßend wirken würde. Da das Interesse eine große Rolle da-

bei spielt, ob ein Kind neues Wissen in die eigenen Wissens- und Denkstrukturen

aufnimmt, war auch von einer Einflussnahme in dieser Untersuchung auszugehen.

II.2 Analyse der Studiendaten

In diesem Kapitel werden die sechs Erklärkomplexe, die jeweils aus zwei Erklärun-

gen bestehen, hinsichtlich verschiedener Aspekte analysiert.

Dabei fällt die Analyse des ersten Erklärkomplexes ausführlicher aus, weil in ihr

einige Phänomene genauer erläutert werden, die in den Erklärungen der anderen

Kinder teilweise auch vorkommen. So kann dann im Folgenden darauf zurückgegrif-

fen werden.

Um eine detaillierte Analyse der verschiedenen sprachlichen Realisierungsarten der

Erklärungen durchführen zu können, wurden die Erklärungen der Drittklässler trans-

kribiert. Dies erfolgte mithilfe des von Ehlich und Rehbein entwickelten Transkripti-

onssystems HIAT115. Die Besonderheit dieses Programms ist eine Partiturschreibung,

bei der die jeweiligen Sprecher untereinander aufgeführt werden. So erhält jeder

Sprecher eine eigene Zeile. Der Vorteil daran ist, dass gut zu erkennen ist, wer wann

gleichzeitig spricht. So entstehen so genannte Partiturflächen (kurz: Fl.), die die Zei-

len des gleichzeitig Gesprochenen, der dabei auftretenden Nonverbalen Kommunika-

tion und ggf. ein sich darauf beziehendes Kommentar beinhalten.

Zur Verschriftlichung der Erklärungen der Kinder wird das Textverarbeitungspro-

gramm HIAT-DOS verwendet, das insbesondere die Partiturschreibweise, aber auch

die Verwendung von Sonderzeichen ermöglicht.

115 Vgl. Ehlich/ Rehbein, Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen.

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Die Analyse jeder Erklärung erfolgt in vier Schritten: Zunächst wird untersucht, wie

der erklärende Schüler mit dem Erklärgegenstand umgeht. Dabei wird herausgearbei-

tet, auf welche Art und Weise die Erklärung umgesetzt wird, welche Struktur sich

daraus ergibt und welche einzelnen Bestandteile zu finden sind. So lassen sich Rück-

schlüsse darauf ziehen, wie der Erklärende den Gegenstand selbst durchdrungen und

synthetisiert hat.

Anschließend wird die sprachliche Umsetzung auf Wort-, Satz- und Textebene unter-

sucht. Diese sprachliche Umsetzung stellt den Schwerpunkt dieser Arbeit dar. Dabei

liegt der Fokus auf syntaktischen Auffälligkeiten und der Frage nach der Herstellung

von Kohäsion und Kausalität.

Darauf folgt eine Untersuchung der allgemein-kommunikativen Umsetzung der Er-

klärungen, die sowohl die nonverbale Kommunikation des Erklärenden als auch des-

sen Adressatenbezogenheit umfasst. In diesem Zusammenhang wird auch themati-

siert, welche Rolle der Adressat der Erklärung einnimmt.

Im Anschluss daran wird das Ergebnis der Erklärhandlung ausgewertet, das sich aus

den Informationen aus dem Nachgespräch mit dem Erstklässler und weiteren Kom-

ponenten ergibt.

Bei der Analyse der einzelnen Erklärungen werden nur die Aspekte thematisiert, die

in der jeweiligen Erklärung von Bedeutung sind.

Exkurs: Konnektoren und konklusive Indikatoren

Vor der Analyse der Erklärungen werden zunächst zwei theoretische Exkurse vorge-

nommen, die die Grundlage für wesentliche zu analysierende Aspekte bieten und auf

welche während der Analyse zurückgegriffen wird.

a. Konnektoren

Es gibt viele Möglichkeiten, um einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Wör-

tern, Wortgruppen und (Teil-) Sätzen herzustellen. Wird ein Zusammenhang explizit

sprachlich ausgedrückt, so spricht man von Kohäsion.116 Wörter, die Sätze oder Satz-

teile miteinander verbinden, werden Konnektoren oder Kohäsionsmittel genannt. Sie

lassen aus Sätzen „Ausdruckseinheiten“117 entstehen.

116 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 245 ff. 117 Waßner, Konklusiva und Konklusivität, 374.

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Unterschieden werden neun Arten der direkten Bezugherstellung: Tempus, Rekur-

renz, Substitution, Pro-Formen, Textdeixis und (Vor-) Wissensdeixis, (Situations-)

Deixis, Ellipse, explizite kommunikative Textverknüpfung und Konnektive. Sie sol-

len nur in Bezug auf das mündliche Sprechen thematisiert werden, weil der Schrift-

sprache bei der Analyse der Erklärungen der Kinder keine Relevanz zukommt. Ein

einheitliches Tempus ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass eine Folge von Sätzen

als Text angesehen wird.

Unter Rekurrenz wird die wörtliche Wiederaufnahme von etwas bereits Gesagtem

verstanden,118 z. B.: Der Sonnenschirm muss noch aufgespannt werden. Der Sonnen-

schirm befindet sich im Schuppen. Auf diese Weise ist der Bezug zweier Sätze oder

Teilsätze sehr offensichtlich und wird schnell deutlich. Die Verwendung von Rekur-

renz wird allerdings (im Schriftlichen) oft als qualitativ minderwertig eingeschätzt.

Der Vorteil dieses Verknüpfungsmittels, der auch für Erklärungen wichtig ist, liegt

jedoch im hohen Grad an Präzision, der dadurch hergestellt werden kann.

Bei der Substitution wird ein bestimmtes Textelement mit einem anderen, inhaltlich

ähnlichen Element umschrieben.119 Häufig werden dafür Synonyme, Unter- oder

Oberbegriffe, Metaphern oder Lexeme desselben Wortfeldes verwendet,120 z. B.: Der

Urlaub war sehr schön. Es war eine Reise voller Überraschungen. Die Substitution

wirkt zwar abwechslungsreicher als die Wiederaufnahme desselben Textelementes,

erfordert gleichzeitig aber vom Hörer ein größeres Weltwissen, also die Kenntnis

außersprachlicher, kulturell abhängiger Inhalte,121 und gegebenenfalls auch ein Su-

chen im Vorigen, um den Zusammenhang herstellen zu können.

Pro-Formen sind Pronomen, Adverbien, Pronominaladverbien und Demonstrativpro-

nomen, die zum größten Teil keine eigene inhaltliche Bedeutung haben und auf ein

anderes Textelement verweisen, z. B.: Ich war gestern im Kino. Rate mal, wen ich da

getroffen habe.

Unbestimmte Artikel verweisen darauf, dass etwas zum ersten Mal genannt wird und

dem Hörer somit noch nicht bekannt ist Bestimmte Artikel verweisen darauf, dass

das Genannte bereits erwähnt worden ist. Zusammen stellen sie die so genannte

Textdeixis oder (Vor-) Wissensdeixis dar.122

118 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 245. 119 Vgl. Ernst, Germanistische Sprachwissenschaft, 266. 120 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 246 f. 121 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 257. 122 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 248 ff.

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Eine zusätzliche Funktion der Pro-Formen und der bestimmten und unbestimmten

Artikel ist die Verbindung des Textes mit dem außersprachlichen Kontext. Diese Art

der Kohäsion wird Deixis oder Situationsdeixis genannt. Das Besondere bei der

Verwendung von Situationsdeixis in der gesprochenen Sprache ist, dass der Ge-

brauch oft mit Mimik und Gestik verbunden ist.123 Auch die Personaldeixis verweist

auf die außersprachliche Realität, indem sie auf eine oder mehrere Person(en) Bezug

nimmt. Die Untersuchung wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Weber124

auf die Verwendung der Personalpronomen ich, du, wir und man beschränkt, weil

der Gebrauch anderer Begriffe sehr unwahrscheinlich ist.

Bei der Ellipse wird der Textzusammenhang durch eine Leerstelle erzeugt. Der Hö-

rer erhält dadurch die Anweisung, im bisher Gesagten nach dem zu suchen, was mit

der Leerstelle ausgelassen wurde.125

Das Kohäsionsmittel der expliziten Verknüpfung von Sätzen besteht in der gespro-

chenen Sprache darin, über das bereits Gesagte zu reden,126 z. B.: Wie bereits gesagt

habe ich heute keine Zeit.

Zur letzten Kategorie, den so genannten Konnektiven, gehören Konjunktionen und

Pronominaladverbien. Während Pronominaladverbien entweder auf etwas Vorausge-

gangenes oder Zukünftiges hindeuten, haben Konjunktionen keine verweisende

Funktion, sondern fungieren als Bindeglieder, die Sätze miteinander verknüpfen.

Diese Funktion kommt beispielsweise der Konjunktion und als wohl häufigster Form

der Verknüpfung zu, ebenso wie weil, das neben der verbindenden Funktion auch

eine kausale Beziehung anzeigt (vgl. II.2.1.2).

Laut Lang sind Konnektoren genau wie Konjunktionen, Adverbien, Präpositionen

und Modalpartikeln eine Anweisung an den Hörer, eine Kenntnisverarbeitung des

zuvor Gehörten mit dem eigenen, bereits bestehenden Kenntnissystem durchzufüh-

ren.127

Wird die Verknüpfung von Textelementen nicht durch Kohäsionsmittel explizit her-

gestellt, kann sich trotzdem eine gewisse logische Zusammengehörigkeit ergeben,

indem die Logik inhaltlich hergestellt wird.128 Diese Kohärenz besteht z. B. bei den

Sätzen „Ich habe Hunger. Die Zeit hat heute nicht fürs Frühstücken gereicht.“ Sicht-

123 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 251. 124 Vgl. Weber, Diskursfähigkeit. 125 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 251 f. 126 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 252, 308 f. 127 Vgl. Lang, Erklärungstexte, 161 f. 128 Vgl. Linke, Studienbuch Linguistik, 254 ff..

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bar wird dabei keine logische Verknüpfung hergestellt. Aus dem Zusammenhang

bzw. seinem Weltwissen weiß der Hörer jedoch, dass das fehlende Frühstück die

Ursache für den Hunger ist.

Im Folgenden wird untersucht, welche dieser Konnektoren von den Kindern verwen-

det werden, welche sie umgehen und ob insbesondere auch in den Fällen ein Zu-

sammenhang hergestellt wird, in denen keine Kohäsionsmittel verwendet werden.

Außerdem wird bei der sprachlichen Umsetzung der Erklärungen untersucht, inwie-

fern die Kinder in ihren Erklärungen durch sprachliche Mittel eine kausale Bezie-

hung zwischen den einzelnen Sätzen und Satzteilen herstellen. Diese Erzeugung ei-

nes kausalen Zusammenhangs erfolgt explizit mit Hilfe von konklusiven Indikato-

ren129, die nun zunächst dargestellt und erläutert werden.

b. Konklusive Indikatoren: Die semantische Kategorie der Konklusivität liegt dann

vor, wenn der Sprecher anzeigt, dass zwischen zwei Sätzen eine Schlussfolgerungs-

beziehung besteht.130 Konklusivität wird allerdings häufig nicht explizit lexematisch

markiert, da die Kausalität meist auch ohne die Verwendung entsprechender Indika-

toren aufgrund des Kontextes gegeben ist. So verstehen wir beispielsweise bei den

Sätzen „Ich habe Hunger. Heute Morgen hat die Zeit nicht zum Frühstücken ge-

reicht.“ wie bereits dargestellt den ersten Satz als Schlussfolgerung aus dem zweiten

Satz. Dies geschieht allein aufgrund unseres Weltwissens und des inhaltlichen Zu-

sammenhangs, ohne dass ein kausaler Konnektor wie weil oder denn die Kausalität

explizit anzeigt.

Trotzdem gibt es in allen Wortklassen so genannte Konklusiva, also Indikatoren, die

Konklusivität indizieren. Mit ihnen stellt der Sprecher eine Folgerung dar. Konklusi-

va zeigen dabei an, dass ein Satz oder der entsprechende Sachverhalt aus einem an-

deren gefolgert wird.131

Meist wird Konklusivität indiziert, indem Konnektoren verwendet werden, die min-

destens zwei Propositionen, also Satzinhalte, miteinander verknüpfen.132 Da in den

Daten, die dieser Arbeit zugrunde liegen, keine anderen Indikatoren wie konklusivi-

129 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1313. 130 Vgl. Waßner, Konklusiva und Konklusivität, 375. 131 Vgl. Waßner, Konklusiva und Konklusivität, 376. 132 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1313.

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tätsanzeigende Adjektive, Verben oder Substantive zu finden sind, wird dieser Be-

reich nicht weiter erläutert.133

Zu den Konnektoren zählen Konjunktionen, Konjunktionaladverbien, Subjunktionen,

Präpositionen, Verben, Substantive, Adjektive und teilweise auch Modalpartikeln.134

Neben diesen so genannten Kausal-Indikatoren oder kausalen Indikatoren im engeren

Sinn gibt es auch Indikatoren, die alleine zu schwach sind, um eine Schlussfolgerung

zu kennzeichnen (konklusive Indikatoren im weiteren Sinn). Dazu gehören Konseku-

tivindikatoren, Konditionalindikatoren, Finalindikatoren, Instrumentalindikatoren,

Konzessivindikatoren und Alternativkonsequenzindikatoren.135

II.2.1 Erklärsituation A

An der Erklärsituation A nehmen zwei Jungen teil (S1A und S3A). Der Drittklässler

ist neun Jahre alt und wirkt recht selbstbewusst, tritt dabei aber trotzdem zurückhal-

tend auf. Seine Muttersprache ist Deutsch. Er erbringt gute schulische Leistungen,

wobei er durch ein ausgeprägtes Interesse und Engagement bezüglich der eigenstän-

digen Beschaffung von Informationen auffällt. Seine Klassenlehrerin schätzt seine

Erklärfähigkeit als sehr gut ein.

Der Erstklässler ist sieben Jahre alt. Seine Eltern stammen aus Russland. Er ist aller-

dings in Deutschland aufgewachsen und spricht fließend und akzentfrei Deutsch.

Während der Erklärungen sitzt S3A auf dem Sofa und S1A auf dem Sessel, der im

rechten Winkel zum Sofa steht.

Die Situation ist zunächst ein bisschen angespannt, lockert sich aber noch vor Beginn

der Erklärung, weil beide Kinder über die Situation lachen.

II.2.1.1 Teil a (Erkl. Aa)

Der Sachverhalt der ersten Erklärung ist die Entstehung von Blitzen. Die Erklärung

dauert etwa 90 Sekunden und bietet ein zweiseitiges Transkript. Damit handelt es

sich um eine vergleichsweise lange Erklärung.

133 Zur Konklusivität bei Adjektiven, Verben und Substantiven vgl. Klein: Klein, Die konklusiven Sprechhandlungen, 231 ff. 134 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1313, mit kleinen Veränderungen in der Auswahl. 135 Vgl. Klein, Erklären und Argumentieren, 1313 f.

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II.2.1.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Der Schüler strukturiert die Erklärung, indem er zunächst die Ausgangsbedingung

für das Entstehen eines Gewitters nennt (vgl. Fl. 2 f.). Dann zählt er die Bestandteile

der entstandenen Wolken auf und im Anschluss daran stellt er dar, was mit diesen

Partikeln passiert – sie reiben sich aneinander. Daraufhin nennt er die Folge dessen,

die Erzeugung von Strom. An dieser Stelle schiebt er eine Analogie ein: „Wie beim

Wasserfall, wenn der fällt, erzeugt der auch Strom.“ (Fl. 7 f.) Er setzt dabei die Ent-

stehung von Energie bei einem Wasserfall mit der entstehenden Energie in einer

Wolke bei Gewitter gleich und stellt es vereinfacht als Erzeugung von Strom dar.

Grundsätzlich wird mit einer Analogiebildung ein bereits bekanntes Phänomen ver-

wendet, um damit ein neues Phänomen zu erklären. Dazu wird das neue Phänomen

mit dem alten in Verbindung gesetzt. Nach Spreckelsens Einteilung in phänotypische

Analogien, bei denen der Vergleich auf der äußeren Erscheinungsform beider Phä-

nomene basiert und genotypische Analogien, bei denen der Vergleich aufgrund einer

gleichen Funktionsweise der Phänomene gezogen wird,136 lässt sich die in der Unter-

suchung auftauchende Analogie als genotypisch verzeichnen. Äußerlich haben ein

Wasserfall und die Prozesse, die in einer Wolke stattfinden, keine Ähnlichkeit mit-

einander. Die Ähnlichkeit besteht lediglich in der Funktionsweise bzw. in dem Pro-

zess des Stromerzeugens. Laut Spreckelsen ist diese Art von Analogiebildung an-

spruchsvoller als die phänotypische und charakteristisch für Grundschüler ab dem

dritten Schuljahr.137 Interessant ist, dass diese Analogie laut Klassenlehrerin nicht

aus dem Unterricht stammt, sondern vermutlich von S3A selbst hergestellt wurde.

Nach Verwendung dieser Analogie führt der Drittklässler die Folge des vorher Ge-

nannten an: es blitzt (vgl. Fl. 9 f.). Daraufhin führt er die maximale Temperatur auf,

die Blitze erreichen können (vgl. Fl. 10 f.) und konkretisiert diese Aussage noch,

indem er sagt, dass das sehr heiß sei. Damit zeigt er, dass er sich bewusst ist, dass die

von ihm genannte Zahl eine abstrakte Größe ist, die nur schwer vorstellbar ist. Nach

einer kurzen Sprechpause des Erklärenden sagt der Erstklässler „Ok.“ (Fl. 11).

Daran schließt ein Block von Ratschlägen zum richtigen Verhalten bei Gewitter an.

Dieser enthält außerdem Begründungen für diese Empfehlungen (vgl. Fl. 12-22). Am

136 Vgl. Spreckelsen, Phänomenkreise, 117. 137 Vgl. Spreckelsen, Phänomenkreise, 117 f.

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Ende der Erklärung schaut S3A den Adressaten seiner Erklärung an, der wiederum

mit dem Ausdruck „Ok“ (Fl. 22) deutlich macht, dass er mit der Erklärung zufrieden

ist. Daraufhin leitet S3A selbstständig zur zweiten Erklärung über (vgl. Fl. 22 f.).

Die Erklärung kann in zwei große Teile eingeteilt werden: Im ersten Teil wird er-

klärt, wie Blitze entstehen. Im zweiten Teil wird zusätzlich thematisiert, wie man

sich bei Gewitter verhalten sollte, obwohl dies im Prinzip nicht gefragt war. Der Er-

klärende macht den Eindruck, als wolle er alles sagen, was er zu dem Thema weiß

oder als wäre ihm daran gelegen, einen direkten Alltagsbezug für sein Gegenüber zu

schaffen.

Die Erklärung ist sehr ausführlich und klar gegliedert. Sie beinhaltet sowohl kausale

Elemente und Gesetzmäßigkeiten (z. B. Wasser leitet Strom, vgl. Fl. 18 f.) als auch

deskriptive Elemente (vgl. z. B. Fl. 1-7).

II.2.1.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Insgesamt überwiegt in dieser Erklärung die Ver-

wendung von Hauptsätzen. Allerdings werden sowohl bei der Darstellung der Ana-

logie als auch beim Aufführen der Ratschläge auch Nebensätze verwendet.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Der Schüler stellt Kohäsion her, indem

er viele Pro-Formen (vgl. z. B. Fl. 5, 8), viele Konnektive, aber auch Rekurrenzen

(vgl. z. B. Fl. 17 f.), personaldeiktische Ausdrücke (vgl. z. B. Fl. 13), und Text- und

Vorwissensdeixis (vgl. z. B. Fl. 7 f., 11 f.) verwendet.

Sehr häufig werden Sätze und Teilsätze mit und verbunden. Dabei fällt auf, dass S3A

diesen Konnektor häufig auch dann gebraucht, wenn er eigentlich einen anderen

Konnektor wie wenn oder deswegen (vgl. Fl. 12, 16) oder die Gesprächspartikel also

verwendet (vgl. Fl. 19).

Insgesamt viermal verwendet der Schüler wenn: einmal bei der Analogie (vgl. Fl. 8)

und dreimal bei den Ratschlägen, wobei er damit jeweils den Satz einleitet, der die

Bedingung für die Ratschläge darstellt (vgl. Fl. 12, 17, 19). Da wenn sowohl als tem-

porale als auch als konditionale Subjunktion138 fungieren und nur in seiner konditio-

nalen Form kausalitätserzeugende Wirkung einnehmen kann, muss geprüft werden,

welche Funktion ihr in diesen Fällen zukommt.

138 Gohl bezeichnet wenn als Konjunktion.

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Mit der Subjunktion wenn wird ein Nebensatz oder eine Infinitivphrase untergeord-

net, wobei die Syntax verändert wird und das finite Verb an die letzte Stelle im Satz

rückt (Verbletztstellung).139

Während wenn als temporale Subjunktion den zeitlichen Zusammenhang zwischen

dem Inhalt des Hauptsatzes und dem des Nebensatzes darstellt, verdeutlicht es als

konditionale Subjunktion, welche Bedingung für das im Hauptsatz Stehende gilt.140

Die wesentliche Aufgabe des konditionalen wenn-Satzes ist es, den Zusammenhang

eines Sachverhalts oder die Folgerung als hypothetisch zu markieren.141 Steht der

bedingende wenn-Satz vorne, folgt im Hauptsatz nicht zwingend, aber oft das Korre-

lat dann oder so als Einleitung der Konsequenz aus der Bedingung.

In der Darstellung der Analogie verwendet der Schüler die Subjunktion wenn, um

einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Haupt- und dem Nebensatz herzustel-

len. Er gebraucht sie also in temporaler Funktion (vgl. Fl. 8).

Auch in allen anderen drei Fällen verwendet der Sprecher wenn in temporaler Funk-

tion (vgl. Fl. 12, 17, 19). Die Subjunktion hat somit in der gesamten Erklärung keine

kausalitätsanzeigende Wirkung.

Des Weiteren tauchen einige Konnektoren auf, die eine Schlussfolgerung anzeigen

und somit unmittelbar Kausalität herstellen. So verwendet der Erklärende einmal das

Konjunktionaladverb deswegen (vgl. Fl. 16) und zweimal die Konjunktion bzw. Sub-

junktion weil, mit der er jeweils die Begründungen für die Ratschläge einleitet (vgl.

Fl. 14, 18).

Weil bringt zwei Sätze in ein logisches Verhältnis zueinander und kann sowohl als

Konjunktion als auch als Subjunktion auftreten. In zwei Fällen kann es als im enge-

ren Sinn kausale Konjunktion stehen: wenn weil zwischen zwei Adjektiven, Adver-

bien oder Adverbialen positioniert ist oder wenn es einen Sachverhalt begründet oder

angibt, woher der Sprecher das zuvor Gesagte weiß.142 In diesem Fall verändert weil

die Syntax nicht und das finite Verb bleibt an der zweiten Stelle des Satzes stehen

(Verbzweitstellung).143 Dieses weil zeigt semantisch gesehen eine Begründung an

und wird schlussfolgerndes oder epistemisches weil genannt.144 Allerdings scheint

139 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 632, 635. 140 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 634 f. 141 Vgl. Eggs, Kausalität und Konditionalität, 354 f.; Klein, Erklären und Argumentieren, 1314. 142 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 626 ff. 143 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 628. 144 Vgl. Fiehler, Gesprochene Sprache, 1218 f.

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diese Funktionszuweisung nach Schwitalla145 nicht mehr ganz zutreffend zu sein. So

kann weil mit Verbzweitstellung zwar durchaus eine begründende Funktion der vo-

rausgegangenen Sachverhalte, Einstellungen und Wertungen einnehmen, es kann

jedoch noch wesentlich vielseitiger gebraucht werden, als zunächst vermutet. So

kann weil eine wichtige Hintergrundinformation oder einen neuen Aktivitätstyp ein-

leiten, den Wechsel des Themas andeuten oder Themen aufgreifen, neue Themen

einführen oder kontrastieren, einen Gedankeneinschub anzeigen oder dafür sorgen,

dass der Sprecher das Rederecht behält.146 Wird weil nicht begründend oder erklä-

rend verwendet, ist es keine Konjunktion, sondern ein „Diskursmarker für den The-

menzusammenhang oder für einen neuen Aktivitätstyp“147.

Die Verwendung von weil als Konjunktion wird nur im mündlichen, nicht aber im

schriftlichen Sprachgebrauch akzeptiert (eine Ausnahme stellt das weil zwischen

zwei Adjektiven, Adverbien oder Adverbialen dar).

Als im engeren Sinn kausale Subjunktion kann weil stehen, wenn mit dem Neben-

satz, den es einleitet, das im Hauptsatz Gesagte begründet wird und es einen eindeu-

tigen oder einfachen Grund für das zuvor oder anschließend Gesagte einleitet. In

diesem Fall verändert es die Syntax des Satzes und das finite Verb rückt an die letzte

Stelle im Satz (Verbletztstellung).148 Steht weil mit Verbletztstellung, zeigt es einen

Grund für eine Gegebenheit an und wird auch faktisches weil genannt.149

Zwar kann weil im Mündlichen sowohl als Subjunktion als auch als Konjunktion

verwendet werden und folglich sowohl mit Verbletzt- als auch mit Verbzweitstellung

einhergehen, es kann allerdings nicht immer ausgetauscht werden, ohne den Sinn des

Gesagten zu verändern. So könnten zwar fast alle weil-Konstruktionen mit Verbletzt-

stellung in der gesprochenen Sprache durch Verbzweitstellung ersetzt werden, um-

gekehrt ist dies aber nicht möglich.150

S3A verwendet in seiner Erklärung zweimal das Wort weil (vgl. Fl. 14, 18), jeweils

mit Verbzweitstellung. Mit beiden weil-Sätzen begründet er den jeweils zuvor erteil-

ten Ratschlag, indem er den Grund für die Empfehlung nennt. Er verwendet weil

folglich in beiden Fällen als Konjunktion und nicht als Diskursmarker. Diese Kon-

145 Vgl. Schwitalla, Gesprochenes Deutsch, 144 f. 146 Vgl. Schwitalla, Gesprochenes Deutsch, 144 f. 147 Schwitalla, Gesprochenes Deutsch, 145. 148 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 632. 149 Vgl. Fiehler, Gesprochene Sprache, 1218 f. 150 Vgl. Fiehler, Gesprochene Sprache, 1218 f.

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struktion wird nur im mündlichen, nicht aber im schriftlichen Sprachgebrauch akzep-

tiert.

Ein weiterer von S3A verwendeter kausalitätsanzeigender Indikator ist deswegen

(vgl. Fl. 16). Er zählt zur Gruppe der Konjunktionaladverbien, mit Hilfe derer Sätze

und Satzteile in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dabei bezieht sich der Satz,

der durch das Adverb eingeleitet wird, immer auf den vorangegangenen Satz. Das

Adverb kann im zweiten Hauptsatz sowohl im Vorfeld des Satzes als auch direkt im

Satz stehen.151

Die kausale Verknüpfung, die der Schüler durch den Gebrauch des Konjunktionalad-

verbs deswegen herstellt, ist inhaltlich nicht logisch. Seine Aussage lautet sinnge-

mäß: Weil der Blitz immer in die höchsten Dinge einschlägt, sollte man sich bei Ge-

witter nicht im Wasser aufhalten. Darauf folgt erst die korrekte Begründung, dass

Wasser Strom leitet und man deshalb bei Gewitter das Wasser verlassen sollte. Viel-

leicht wollte er mit dem Adverb deswegen darauf zurückverweisen, dass Blitze ge-

fährlich sein können, was er allerdings nie direkt ausgesprochen, sondern immer nur

unausgesprochen vorausgesetzt hat.

In der Erklärung wird durch eine Vielzahl verschiedener Kohäsionsmittel Kohäsion

erzeugt. Kausalität wird insgesamt dreimal explizit sprachlich angezeigt.

II.2.1.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

Der Drittklässler stellt auf unterschiedliche Weise einen Adressatenbezug her. Be-

reits zu Beginn der Erklärung beginnt S3A dreimal einen Satz und bricht die begon-

nenen Sätze zweimal wieder ab: „Mhm, also ähm da rei/ äh in einer/ also/ im Som-

mer (.) entstehen sehr oft dunkle Wolken“ (Fl. 1 ff.). Vermutlich wollte er zunächst

damit beginnen, zu erklären, dass sich Teilchen aneinander reiben („also ähm da

rei/“, Fl. 1 f.), hat dann aber gemerkt, dass er allgemeiner anfangen muss und ange-

ben muss, wo sich diese Teilchen aneinander reiben: in einer Wolke („in einer/“, Fl.

2). Diesen Satz bricht er jedoch auch ab, weil er vermutlich gemerkt hat, dass mit

diesem Ansatz dem anderen Kind immer noch wichtige Informationen fehlen und er

noch grundsätzlicher anfangen muss, damit das Kind die Erklärung verstehen kann.

Beim dritten Versuch fängt er schließlich mit der allgemeinen Beschreibung dessen

an, wann dieser Zustand eintritt („im (.) Sommer“, Fl. 2). Daran lässt sich der Pro-

zess erkennen, der in dem Kind abläuft und zeigt, wie stark es sich darum bemüht,

151 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 578, 582, 590.

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die Erklärung so zu gestalten, dass sie für das jüngere Kind verständlich ist. Gleich-

zeitig zeigt diese Entwicklung, dass es ihm nicht leicht fällt, zu entscheiden, wann

die Erklärung für das andere Kind verständlich ist, sondern dass es ihn durchaus An-

strengung kostet, bis er schließlich den Ansatz findet, mit dem er zufrieden ist.

Explizit bemüht er sich außerdem um das Anknüpfen an das Wissen des Erstkläss-

lers, indem er die Analogie zum Stromerzeugen einwirft (vgl. Fl. 7 f.). Die Verwen-

dung der Analogie lässt auf einen starken Adressatenbezug schließen, weil mit einer

Analogie an ein anderes, bereits bekanntes Phänomen angeknüpft wird. Es verdeut-

licht die Bemühung, bereits bestehendes Wissen des Hörers zu nutzen und daran an-

zuschließen. Auch an der Frage des Drittklässlers, ob der Hörer die Erklärung bisher

verstanden habe (vgl. Fl. 8 f.), wird deutlich, dass er sich um das Verständnis des

Hörers bemüht.

Ähnlich partnergerichtet agiert S3A, als er nach Erwähnen der Temperatur, die Blitze

erreichen können, hinzufügt: „und des’ sehr heiß“ (Fl. 11). Er versucht damit, dem

Wissens- und Erfahrungsstand des Erstklässlers gerecht zu werden. Auch nach die-

sem Einschub erwartet er eine Reaktion seines Gegenübers, denn er schaut ihn inten-

siv an und macht eine Pause.

Das Bemühen um adressatengerichtetes Erklären lässt sich auch an den Verknüp-

fungsmitteln, die der Schüler verwendet, erkennen. So gebraucht er wie bereits dar-

gestellt einige kausalitätserzeugende Indikatoren (zweimal weil, vgl. Fl. 14, 18 und

einmal deswegen, vgl. Fl. 16), die es dem Hörer erleichtern, das Grund- bzw. Ursa-

che-Folge-Verhaltnis zweier Propositionen zu erkennen. Außerdem besteht fast

durchgehend Blickkontakt zwischen den beiden Kindern.

Der Erstklässler, an den die Erklärung gerichtet ist, nimmt aktiv am Gespräch teil,

indem er dessen Frage, ob er es verstanden habe, bejaht (vgl. Fl. 9). Zusätzlich gibt

er zwei Hörersignale („ok“, Fl. 11, „ähä“, Fl. 19), als der Drittklässler ihn erwar-

tungsvoll anschaut und eine Redepause macht. Generell ist er jedoch sehr zurückhal-

tend und fragt nicht nach. Die aktive Beteiligung am Gespräch wird jeweils vom

Drittklässler initiiert.

II.2.1.1.4 Ergebnis der Erklärung

Aus dem Nachgespräch geht hervor, dass der Erstklässler prinzipiell angibt, die Er-

klärung verstanden zu haben. Bei genauerem Nachfragen stellt sich allerdings her-

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aus, dass das Kind lediglich verstanden hat, dass der Blitz aus einer grauen Wolke

kommt. Den Vorgang an sich kann er jedoch nicht rekonstruieren. Interessant ist dies

insbesondere unter dem Aspekt, dass er während der Erklärung mehrmals zustim-

mende Hörersignale gegeben hat bzw. angegeben hat, die Erklärung bis dahin ver-

standen zu haben (vgl. Fl. 9, 11, 19). Aufgrund seiner Unsicherheit und Zurückhal-

tung während dieser Antworten war allerdings schon zu vermuten, dass er die Erklä-

rung nicht verstanden hatte.

II.2.1.2 Teil b (Erkl. Ab)

Im zweiten Teil des Erklärblocks erklärt S3A S1A, wie die Fußballregel Abseits

funktioniert. Die Erklärung dauert eine knappe Minute und erstreckt sich über ein

eineinhalbseitiges Transkript.

II.2.1.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Diese Erklärung wird nicht vom Adressaten erbeten, sondern – wie geplant – vom

Erklärenden selbst initiiert. Einleitend sagt er zum Hörer, er erkläre ihm jetzt noch

etwas über Fußball (vgl. Fl. 1).

Zunächst fragt er den Erstklässler, ob er wisse, dass man mit der Fußinnenseite

schießen muss. Als dieser es bejaht, fragt S3A, ob er ihm Abseits erklären solle, was

S1A ebenfalls bejaht. Daraufhin fragt der Drittklässler, ob er es schon einmal ver-

standen habe. Auch dies bejaht der Erstklässler, allerdings sehr zurückhaltend.

Trotzdem beginnt S3A, die Regel beispielhaft zu erklären, ohne weiter darauf einzu-

gehen.

Dafür wählt er zwei Fußballmannschaften aus, anhand derer er seine Ausführungen

deutlich macht. Den Beispielcharakter dieser ausgewählten Mannschaften verdeut-

licht der Erklärende nicht nur durch den Hinweis darauf („Also zum Beispiel“, Fl. 4

f.), sondern auch durch den Gebrauch einer Floskel („ich sag je/ sag ich m ma Dos-

senheim“, Fl. 5 f.), mit der er die Willkür der Wahl der Mannschaft signalisiert und

gleichzeitig verdeutlicht, dass das Folgende auch für jede andere Fußballmannschaft

gilt. Darauf folgt eine Aneinanderkettung von vier Bedingungen, unter denen ein

Abseits zustande kommt. Dann nennt er die Folge der Bedingungen („dann ist das

Abseits“, Fl. 10 f.), begründet sie („weil hier kein/ äma kein äh Abwehrspieler von

(.) Dossenheim ist“, Fl. 11 f.) und nennt schließlich die Folge der Regel („und so ist

das dann, (.) dass da kein/ dass das dann kein Tor ist“, Fl. 12 f.). Am Schluss der

Erklärung fragt er seinen Zuhörer, ob er es verstanden habe, was dieser bejaht.

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Diese Erklärung enthält sowohl deskriptive als auch explikative Elemente.

II.2.1.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: An dieser Erklärung ist auffällig, dass der Erklären-

de sehr viele Nebensätze verwendet, die er aneinanderreiht. Hauptsätze werden ver-

gleichsweise selten verwendet. So beginnt im Mittelteil der Erklärung eine extrem

lange Aneinanderreihung von Nebensätzen, die erst gegen Ende der Erklärung unter-

brochen wird, als der Drittklässler eine kurze Pause macht und auf eine Reaktion des

Adressaten wartet (vgl. Fl. 12).

c. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Häufig wird in dieser Erklärung der Zu-

sammenhang durch Rekurrenz hergestellt. Insbesondere die Bezeichnungen der Fuß-

ballmannschaften wiederholt der Schüler häufig. Dies ist notwendig, um eine Exakt-

heit herstellen zu können, die für diese recht komplexe Erklärung essentiell ist. Text-

deixis und Vorwissensdeixis werden ebenfalls recht häufig verwendet. So werden

alle Spieler und auch das Tor mit dem bestimmten Artikel genannt (vgl. Fl. 5, 7, 8, 9,

10), was zeigt, dass der Erklärende davon ausgeht, dass der Hörer weiß, dass zu jeder

Fußballmannschaft ein Torwart, mehrere Abwehrspieler und ein Tor gehören.

Auch Situationsdeixis wird in der Erklärung häufig verwendet. Dabei ist sie jeweils

verbunden mit nonverbaler Kommunikation des Erklärenden. Das Kind verwendet

die Situationsdeixis, um zu sagen und gleichzeitig zu zeigen, wo die einzelnen Spie-

ler stehen (vgl. Fl. 6, 8, 9, 11). Dabei deutet er jedes Mal auf einem imaginären

Spielfeld vor sich auf die Stelle, an der der Spieler steht.

Der Sprecher verwendet auch in dieser Erklärung wenn in temporaler Weise. Er

schildert damit eine Situation, bei deren Zustandekommen die Regel des Abseits’

zum Tragen kommt. Auffällig ist dabei die Länge des Satzes und die vielen Bedin-

gungen, die er aufführt, damit die Folge – das Zustandekommen eines Abseits’ –

eintritt. Gegen Ende der Ausführungen gebraucht der Sprecher das Korrelat dann

(vgl. Fl. 10).

Auffällig sind die häufigen Satzanfänge mit also (vgl. Fl. 2, 3, 4), die in unmittelba-

rer Nähe zueinander auftauchen. Dabei handelt es sich um Gesprächspartikeln, die in

der gesprochenen Sprache häufig zu Beginn eines Satzes verwendet werden (Start-

signale).152 Der Sprecher verwendet sie am Anfang seiner Redeeinheit, wo er ankün-

152 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 601.

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digt, was er erklären wird und abklärt, ob sein Gegenüber es bereits verstanden hat

(vgl. Fl. 2 ff.). Anschließend tritt diese Gesprächspartikel nicht mehr auf. Der nicht

konklusive oder explikative Gebrauch153 von also, wie er hier vorliegt, lässt sich häu-

fig zu Beginn eines Dialogs finden. Er schafft dabei eine „Einleitungs- oder einfüh-

rungssequenz“154 und sorgt dafür, dass der Einstieg ins Thema nicht zu plötzlich ist.

Diesen Charakter hat die Partikel auch in dieser Erklärung.

Der Erklärende verwendet einmal die kausale Konjunktion weil (vgl. Fl. 11). Mit ihr

begründet er, warum es sich bei der beschriebenen Situation um ein Abseits handelt

und nennt dabei die wesentliche Voraussetzung für diese Regel: An einer bestimmten

Stelle steht kein Abwehrspieler (vgl. Fl. 11 f.). Auch hier wird es folglich nicht als

Diskursmarker, sondern als Konjunktion verwendet. Er gebraucht hier weil mit Verb-

letztstellung, realisiert es also, wie es der Schriftsprache entspricht. Stattdessen hätte

er auch weil mit Verbzweitstellung wählen können und es damit nicht als Subjunk-

tion, sondern als Konjunktion verwenden können. Weil ist in dieser Erklärung der

einzige Konnektor, der Kausalität anzeigt.

Wie bei der vorherigen Erklärung werden Kohäsionsmittel im Vergleich zu kausali-

tätsanzeigenden Indikatoren, von denen in dieser Erklärung lediglich einer gebraucht

wird, sehr häufig verwendet.

II.2.1.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

a. Nonverbale Kommunikation: Wie bereits im Zusammenhang mit der Situations-

deixis erwähnt, spielt das nonverbale Verhalten in dieser Erklärung eine sehr wichti-

ge Rolle. Meist zeigt der Schüler in dem Moment, in dem er hier sagt (vgl. Fl. 6, 8, 9,

11) auf eine Stelle in seinem imaginären Spielfeld vor ihm. Dabei unterstützt das

nonverbale Verhalten das vom Drittklässler Gesagte nicht nur, sondern ist ein we-

sentliches Moment in der Erklärung, ohne das die Erklärung nicht verstanden werden

könnte.

b. Adressatenbezogenheit: Die Adressatenbezogenheit fällt besonders zu Beginn des

Gesprächs auf. Dort spricht der Drittklässler sein Gegenüber direkt an: „jetzt erklär

ich dir noch was über Fußball“ (Fl. 1).

Auch in den drei darauf folgenden Sätzen spricht er ihn direkt mit „du“ (Fl. 2, 4)

bzw. „dir“ (Fl. 3) an. Diese direkten Anreden zeugen davon, dass sich der Sprecher

sehr stark an seinem Adressaten ausrichtet. Ihm scheint bewusst zu sein, dass die

153 Vgl. Weber, Personalpronomina, 395. 154 Weber, Personalpronomina, 395.

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Erklärung dem Wissensaufbau beim Hörer dient. Allerdings ist verwunderlich, dass

er mit der Erklärung beginnt, obwohl der Erstklässler sagt, er habe Abseits bereits

verstanden (vgl. Fl. 4). Vielleicht ist dies auf die besondere Situation zurückzufüh-

ren, bei der im Vorfeld festgelegt wurde, dass er Abseits erklären soll.

Auch die Tatsache, dass der Sprecher beispielhafte Fußballmannschaften wählt,

spricht dafür, dass er sich Mühe gibt, die Erklärung verständlich zu machen und an

bereits bestehende Vorstellungen und Wissenselemente des Erstklässlers anzuknüp-

fen.

Ebenso ist die Frage am Ende der Erklärung, ob der Erstklässler die Erklärung ver-

standen habe (vgl. Fl. 14), ein Zeichen für die Bemühung des Sprechers um die Her-

stellung eines Adressatenbezugs.

Die Rolle des Adressatenkindes ist dabei ähnlich wie in der vorigen Erklärsituation.

So wird fast durchgehend Blickkontakt gehalten und das Kind wird durch Fragen des

Drittklässlers in die Erklärung mit einbezogen. Insbesondere der Beginn der Einheit

hat Dialogcharakter. Allerdings geht auch hier die Einbeziehung des Erstklässlers

vom Erklärenden aus.

II.2.1.2.4 Ergebnis der Erklärung

Auch im Nachgespräch dieser Erklärung gibt der Erstklässler an, die Erklärung ver-

standen zu haben. Allerdings wird bei näherem Nachfragen deutlich, dass auch in

diesem Fall die Erklärung nicht genau durchdrungen wurde. So versucht S1A, ähn-

lich wie S3A anhand von zwei Beispielmannschaften und unterstützender Zeigeges-

tik die Situation zu schildern. Dies gelingt ihm jedoch nicht richtig.

II.2.2 Erklärsituation B

An diesem Erklärkomplex nehmen ein neunjähriges Mädchen aus der dritten und ein

siebenjähriger Junge aus der ersten Klasse teil. Der Erstklässler erbringt sehr gute

schulische Leistungen. Beide Elternteile sind deutsch, folglich ist seine Mutterspra-

che ebenfalls Deutsch.

S3B ist eine neunjährige Schülerin, die ebenfalls gute schulische Leistungen erbringt.

Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater hat einen Migrationshintergrund. Die Schülerin ist

jedoch in Deutschland aufgewachsen und spricht fließend Deutsch. Die Klassenleh-

rerin schätzt ihre Fähigkeit, zu erklären, als gut ein.

Während des Erklärkomplexes sitzen die Kinder nebeneinander auf dem Sofa. Dabei

sind sie zunächst einander zugewandt, bis sich der Erstklässler abwendet und nach

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unten bzw. nach vorn, kurz auch zur Kamera und zum In, nicht aber direkt zum an-

deren Kind schaut.

II.2.2.1 Teil a (Erkl. Ba)

Die Drittklässlerin erklärt dem Erstklässler in dieser Erklärsituation, wie der Kreis-

lauf des Wassers abläuft. Der Prozess dauert dreißig Sekunden und gehört damit zu

den kürzesten Erklärungen der Untersuchung. Das daraus entstandene Transkript

umfasst eineinhalb Seiten.

II.2.2.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Die Erklärung wird durch eine Frage des Erstklässlers initiiert (vgl. Fl. 1). Darauf

antwortet die Drittklässlerin recht ausführlich in einem vollständigen Satz „Ja, ich

kann dir das erklären.“ (Fl. 1 f.) und beginnt die Erklärung mit einer direkten Anrede:

„Also, guck“ (Fl. 2). Sie erklärt zunächst, dass Feuchtigkeit aus Gewässern aufsteigt

und konkretisiert dabei den Begriff Feuchtigkeit, indem sie eine Begriffserklärung

durchführt: „das sind so kleine Wasserteilchen“ (Fl. 4). Nach dem von Wagner und

Wiese angelegten Schema ist diese Art der Erklärung eine „Erklärung durch Nen-

nung eines bedeutungsgleichen Ausdrucks (Synonym).“155 Daraufhin erklärt sie, dass

sich aus diesen Wasserteilchen eine Wolke bildet, die vom Wind bewegt wird und

eine bestimmte Füllmenge hat. Wenn diese Füllmenge erreicht ist, regnet oder

schneit es. Danach folgt eine Erklärung dessen, was mit dem Wasser geschieht, das

auf die Erde trifft: Es kann nur teilweise in die Erde einsickern. Bei der Verdeutli-

chung dessen, was mit dem versickernden Wasser passiert, nennt das Mädchen einen

Vergleich: wie ein unterirdischer Gang (vgl. Fl. 13 f.). Dieser Vergleich wirkt so, als

habe sie ihn sich selbst ausgedacht, um den Ablauf plakativer vor Augen zu haben

und ihn besser verstehen zu können. Von diesem Gang aus fließt das Wasser weiter

in einen See oder ins Meer. Um darzulegen, dass es sich nicht um ein einmaliges

Geschehen, sondern um einen immerwährenden Kreislauf handelt, sagt sie „und

dann geht es die ganze Zeit so (.) rund/ rum“ (Fl. 16 f.).

Die Erklärung wird dadurch beendet, dass die Drittklässlerin aufhört, zu reden, den

Erstklässler anschaut, dieser „Ok“ (Fl. 17) sagt und beide Kinder zum In schauen.

155 Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 226. Hervorhebung im Original.

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Die Erklärung ist sehr chronologisch aufgebaut. Dabei werden die einzelnen auf-

einander folgenden Schritte eher narrativ und deskriptiv als explikativ dargestellt.

II.2.2.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Die Schülerin verwendet in der Erklärung fast nur

Hauptsätze. Nebensätze werden kaum gebraucht.

Außerdem zeichnet sich die Erklärung durch eine große Zahl an Anakoluthen aus.

Mit diesen Satzabbrüchen führt das Kind Sätze anders zu Ende als zunächst von ihr

geplant. Dabei handelt es sich immer um Abbrüche mit darauf folgender Korrektur.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: In der Erklärung wird der Zusammen-

hang durch die Verwendung von Rekurrenz (vgl. z. B. Fl. 5, 7), Pro-Formen (vgl. z.

B. Fl. 3), Textdeixis (vgl. z. B. Fl. 7), Personaldeixis (vgl. Fl. 2) und Konnektiven

(vgl. z. B. Fl. 4, 11) hergestellt.

Auffällig ist dabei die häufige Verknüpfung der (Teil-) Sätze durch und (dann) (vgl.

z. B. Fl. 6, 7, 10).

Die Erklärende verwendet dreimal den Konnektor wenn, allerdings wird ein mit

wenn begonnener Satz sofort abgebrochen. An beiden anderen Stellen wird der Kon-

nektor in temporaler Funktion verwendet (vgl. Fl. 8, 10). Die durch wenn eingeleite-

ten Sätze stellen also keine Bedingung dar, unter der etwas eintritt, sondern eine zeit-

liche Markierung.

Die Schülerin verwendet eine weil-Konstruktion (vgl. Fl. 11), bei der das finite Verb

an der zweiten Stelle im Satz steht. Sie nennt mit dem weil-Satz nicht direkt den

Grund dafür, dass der Regen nicht in die Erde einsickert. Dazu müsste sie beispiels-

weise sagen: „weil das Wasser wegen der Steine nicht durchsickern kann“. Vielmehr

konkretisiert sie das zuvor Gesagte bzw. schiebt eine Hintergrundinformation ein, die

verstehenssichernde Wirkung hat: Auf einem Steinboden bleibt das Regenwasser

stehen (vgl. Fl. 11 f.).

In der Erklärung wird außerdem dreimal die Abtönungspartikel ja verwendet. Es ist

eine der am häufigsten vorkommenden Abtönungspartikel und nimmt häufig Bezug

auf das Vorwissen des Hörers.156 Auffällig ist, dass alle drei Fälle in einem Kontext

auftreten und unmittelbar aufeinander folgen (vgl. Fl. 10 ff.). Dies könnte ein Hin-

weis darauf sein, dass die Schülerin davon ausgeht, dass ihr Gegenüber bezüglich

156 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 598 ff.

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dieses Teils der Erklärung schon Vorkenntnisse hat. Dafür spricht auch, dass es sich

tatsächlich um ein sehr alltagsnahes Phänomen handelt: Das Regenwasser sickert

nicht sofort ab, sondern bleibt oft auf steinigem Boden stehen und bildet Pfützen

(vgl. Fl. 10 ff.). Allerdings weist die Schülerin in dieser Passage offensichtlich Unsi-

cherheiten bezüglich des Sachverhalts auf, was durch eine Vielzahl von Anakoluthen

und einigen Widersprüchlichkeiten deutlich wird. Aus diesem Grund könnte der Ge-

brauch der Partikeln auch der Versuch, einen Konsens herzustellen157 und eine Auf-

forderung an das Gegenüber sein, die Erklärung zu akzeptieren und nicht nachzufra-

gen.

Konklusivität wird in dieser Erklärung lediglich mit Hilfe des Konnektors weil in

erzeugt.

II.2.2.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

a. Nonverbale Kommunikation: Das nonverbale Verhalten der Schülerin unterstützt

die Verbalisierung an einigen Stellen (vgl. Fl. 4, 11 ff.), nimmt dabei aber keine do-

minante Funktion ein.

b. Adressatenbezogenheit: Die Erklärende bemüht sich während der gesamten Erklä-

rung um Blickkontakt mit dem Erstklässler. Zu Beginn stellt sie einen direkten Ad-

ressatenbezug her, indem sie ihr Gegenüber zweimal direkt anspricht (vgl. Fl. 2).

Außerdem nimmt sie mit der Worterklärung des Begriffs Feuchtigkeit Rücksicht auf

den Wissensstand des Adressaten (vgl. Fl. 3 f.). Ebenso wird durch den Gebrauch der

Partikel ja wie bereits aufgeführt an den Hörer appelliert (vgl. 11 ff.).

Der Hörer erwidert den Blickkontakt nur zu Beginn der Erklärung und schaut danach

eher unbeteiligt in andere Richtungen. Lediglich am Ende der Erklärung sagt er, weil

die Drittklässlerin ihn intensiv anschaut, „Ok.“ (Fl. 17).

II.2.2.1.4 Ergebnis der Erklärung

Im Nachgespräch gibt der Erstklässler an, das Phänomen des Wasserkreislaufs nicht

genau verstanden zu haben. Bei genauerem Nachfragen stellt sich allerdings heraus,

dass er die einzelnen Elemente erstaunlich gut verstanden hat und darstellen kann.

157 Vgl. Weber, Personalpronomina, 396.

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II.2.2.2 Teil b (Erkl. Bb)

In dieser Sequenz erklärt die Drittklässlerin ihrem Gegenüber das Spiel Jägerball.

Auch diese zweite Erklärung dauert dreißig Sekunden und ist damit recht kurz. Das

daraus entstandene Transkript umfasst etwa eine Seite.

II.2.2.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Diese Erklärung wird von der Erklärenden selbst initiiert, indem sie fragt, ob ihr Ge-

genüber „Jägerball“ (Fl. 1) kenne. Als die Frage bejaht wird, schaut die Drittklässle-

rin den In erwartungsvoll an. Als sie schließlich darum gebeten wird, es trotzdem zu

erklären, beginnt sie ihre Erklärung damit, den Gegenstand zu nennen, den man für

das Spiel braucht. Daraufhin erklärt sie, dass man mit dem Ball abgeworfen wird und

geht dann dazu über, beispielhaft zu erklären. Dabei fordert sie den Erstklässler

durch direkte Anrede dazu auf, sich vorzustellen, er selbst habe den Ball und dürfte

jemanden abwerfen, der dann „draußen“ (Fl. 8) sei. Die Erklärung beendet sie mit

dem Satz „Und dann musst du das die ganze Zeit so äh machen.“ (Fl. 9).

Der Sachgegenstand der Erklärung wird recht knapp gehalten. So wird weder gesagt,

dass mehrere Personen mitspielen noch dass es ein Spielfeld gibt und dass es ein

Laufspiel und kein Brettspiel ist. Ebenso ungenau ist ihre Äußerung, dass der abge-

worfene Spieler „draußen“ sei (Fl. 8). Außerdem stellt sie keinerlei Bezug auf den

Namen des Spiels her: Der Fänger ist der Jäger und die anderen Teilnehmer sind

Rehe, Hasen oder Ähnliches. Die Erklärung erfolgt narrativ und deskriptiv, enthält

jedoch keine explikativen Elemente.

II.2.2.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: In der Erklärung werden fast ausschließlich Haupt-

sätze verwendet.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird in der Erklärung einmal

durch Rekurrenz, wenige Male durch Pro-Formen, Textdeixis und Vorwissensdeixis

und einige Male durch Konnektive und personaldeiktische Ausdrücke hergestellt.

Insbesondere der Wechsel der personaldeiktischen Ausdrücke fällt dabei auf: Wäh-

rend die Schülerin mit dem Gebrauch von man beginnt, wechselt sie sehr schnell

zum Gebrauch von du (vgl. Fl. 6). Dabei wirkt es auch aufgrund der Partikel also

(vgl. Fl. 6), als konkretisiere sie das Gesagte, indem sie die Situation noch einmal aus

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der Perspektive des Hörers darstellt. Der personaldeiktische Ausdruck du ist dabei

wesentlich partnerorientierter als der Ausdruck man.158

Eine weitere Auffälligkeit ist bei dieser Erklärung das Fehlen konklusivitätsanzei-

gender Indikatoren.

II.2.2.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

Die Adressatenbezogenheit der Erklärenden lässt sich neben dem ständigen Versuch,

Blickkontakt entstehen zu lassen, insbesondere zu Beginn der Erklärung erkennen.

Dort fragt die Schülerin, ihr Gegenüber, ob er das Spiel kenne (vgl. Fl. 1). Dabei

spricht sie ihn direkt an und fordert von ihm eine aktive Teilnahme am Gespräch. An

ihrer Reaktion auf die Angabe des Erstklässlers, das Spiel bereits zu kennen, wird

deutlich, dass sie verstanden hat, dass eine Erklärung den Wissensstand des Hörers

erweitern soll und überflüssig ist, wenn dieser den zu erklärenden Sachverhalt bereits

verstanden hat.

Im weiteren Verlauf der Erklärung ist eine Adressatenbezogenheit ebenfalls zu er-

kennen, indem sie ihre Erklärung nach kurzer Zeit nicht mehr mit man, sondern mit

du ausführt (vgl. II.2.3.2.2).

Der Adressat hält sich während der gesamten Erklärung stark zurück und wirkt teil-

weise regelrecht unbeteiligt. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass er nicht

den Blickkontakt seines Gegenübers sucht, sondern in andere Richtungen schaut.

Eine aktive Teilnahme am Gespräch findet lediglich statt, als er zu Beginn der Erklä-

rung auf die Frage des erklärenden Kindes antwortet und am Ende „Jo“ sagt.

II.2.2.2.4 Ergebnis der Erklärung

Das Ergebnis der Erklärung ist leider schwer zu ermitteln, weil der Erstklässler das

Spiel bereits kannte. Die Erklärung, die er im Nachgespräch ausführt, hat allerdings

große Ähnlichkeit mit der Erklärung, die er zuvor erhalten hat.

II.2.3 Erklärsituation C

Die Kinder, die an dieser Erklärsituation teilnehmen, sind sieben bzw. neun Jahre alt.

Die Eltern der Erstklässlerin sind türkischer Herkunft. Allerdings ist das Mädchen in

Deutschland aufgewachsen und spricht ohne Schwierigkeiten Deutsch.

158 Vgl. Weber, Diskursfähigkeit, 9.

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Der Drittklässler ist ein Schüler, der gute schulische Leistungen vorweist. Seine Mut-

tersprache ist Deutsch. Die Fähigkeit, zu erklären, schwankt laut der Klassenlehrerin

zwischen gutem und befriedigendem Erklären.

Der Drittklässler sitzt während beider Erklärungen auf dem Sofa und die Erstklässle-

rin auf dem daneben stehenden Sessel. Die Stimmung ist sehr angespannt.

II.2.3.1 Teil a (Erkl. Ca)

In dieser Gesprächseinheit erklärt der Drittklässler der Erstklässlerin den Kreislauf

des Wassers. Die Erklärung dauert 105 Sekunden und ist damit die zweitlängste aller

untersuchten Erklärungen. Das Transkript erstreckt sich über etwas mehr als zwei

Seiten.

II.2.3.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Obwohl der Schüler gefragt wird, wie Regen entsteht, erklärt er den Kreislauf des

Wassers, ohne darauf einzugehen, dass seine Erklärung nicht mit der Frage überein-

stimmt. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Erklärung des Wasserkreislaufs die

Entstehung von Regen mit einschließt.

Der Erklärende stellt zunächst als Ausgangssituation dar, dass die Sonne im Sommer

auf ein Gewässer scheint, wodurch Wasser verdunstet und Wolken entstehen. Er

stellt dar, dass diese Wolken immer mehr Wasserteilchen aufnehmen und immer

größer werden, woraufhin es regnet, das Wasser in die Erde einsickert, ins Meer

fließt und wieder verdunstet. Am Ende gibt er eine Art Kurzzusammenfassung der

Erklärung und schließt die Erklärung mit einer Schlussformel „U:nd so geht ’n biss-

chen der Kreislauf des Wassers.“ (Fl. 22 f.) ab.

Den Sachgegenstand scheint der Schüler einigermaßen gut durchdrungen zu haben,

wobei insbesondere der Grund für den Regen nicht deutlich wird. Die Erklärung ist

sehr chronologisch aufgebaut und hat deskriptiven Charakter.

II.2.3.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: In dieser Erklärung werden größtenteils Hauptsätze

und nur wenige Nebensätze verwendet.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird in dieser Erklärung

hauptsächlich durch Pro-Formen, aber auch durch Rekurrenzen, Text- und Vorwis-

sensdeixis und Konnektoren hergestellt. Dabei fällt auf, dass die Verweise allerdings

oft nicht eindeutig sind. So verwendet er häufig Pronomen wie sie, er und es oder

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Demonstrativpronomen wie das oder die, bei denen nicht klar ersichtlich ist, worauf

sie verweisen. Sehr oft werden Verknüpfungen mit und (dann) hergestellt.

Auffällig ist auch, dass keine Indikatoren verwendet werden, die Konklusivität er-

zeugen. Auch wenn wird in allen drei Fällen, in denen es auftritt (vgl. Fl. 1, 9, 12), in

seiner temporalen Funktion eingesetzt.

II.2.3.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

a. Nonverbale Kommunikation: Die Erklärung wird begleitet von zum Teil intensiver

Gestik. Diese wird allerdings nicht durchgehend eingesetzt. Vielmehr findet ein

Wechsel zwischen ausgeprägter zeigender Gestik und dem Verstecken der Arme im

Ärmel des jeweils anderen Armes statt.

b. Adressatenbezogenheit: Ein Bezug auf den Adressaten lässt sich in der Erklärung

nahezu gar nicht finden. So bemüht sich der Erklärende nicht darum, Blickkontakt

mit seinem Gegenüber zu halten, obwohl die Erstklässlerin ihn fast durchgehend

anschaut. Auch findet keine direkte Anrede statt. Auffällig ist auch, dass der Erklä-

rende, als ihm ein Wort nicht einfällt, den In und nicht die Erstklässlerin danach

fragt, obwohl dieser während der gesamten Erklärung den Blick von ihm abgewandt

hält, um nicht als Gesprächspartner einbezogen zu werden.

Das Adressatenkind verhält sich sehr zurückhaltend und passiv. Allerdings schaut es

den Erklärenden durchgehend an und scheint aufmerksam zuzuhören.

II.2.3.1.4 Ergebnis der Erklärung

Im Nachgespräch gibt die Schülerin zunächst an, die Erklärung verstanden zu haben.

Bei genauerem Nachfragen stellt sich allerdings heraus, dass dies nur ansatzweise

geschehen ist. Sie kann lediglich rekonstruieren, dass die Sonne auf das Wasser

scheint und dadurch Wolken entstehen.

II.2.3.2 Teil b (Erkl. Cb)

Im zweiten Teil dieses Erklärkomplexes erklärt der Schüler die Fußballregel Abseits.

Diese Erklärung hat mit einer Dauer von 85 Sekunden eine durchschnittliche Länge.

Das Transkript umfasst fast zwei Seiten.

II.2.3.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Der Schüler beginnt seine Erklärung mit einer Situationsbeschreibung auf einem

virtuellen Spielfeld, das er durch Andeuten einer Torlinie vor sich auf dem Boden

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anzeigt. Er sagt, es wäre gemein, wenn der Torwart an einer bestimmten Stelle ste-

hen würde, ein Spieler zu einem anderen Spieler passen würde, der wiederum hinter

der Linie stehen und zum Torwart passen würde. Sofort folgt die Begründung für

seine Aussage, dass es gemein wäre: „denn da hätte er gar keine Chance“ (Fl. 8) und

die Folge dessen: „deshalb ist das ’n Abseits“ (Fl. 8 f.) und noch einmal der Grund

für die Regel: „dass das nicht unfair für die a Gegner ist.“ (Fl. 9 f.). Während fast der

gesamten bisher dargestellten Situation steht der Erklärende und deutet zu Beginn die

Torlinie und die Standorte der einzelnen Spieler an. Daraufhin beginnt er, den Fall zu

erläutern, wenn es kein Abseits gäbe: Es könnten extrem viele Tore fallen. Dabei

steht er wieder auf und deutet viele Torschüsse mit dem Fuß an, was er verbal je-

weils mit dem onomatopoetischen Ausdruck „batsch“ (Fl. 11) untermalt. Im An-

schluss daran begründet er noch einmal beispielhaft, warum es die Regel gibt: weil

es sonst zu leicht und unfair wäre und eine Mannschaft mit einem unverhältnismäßi-

gen Punktestand verlieren könnte (vgl. Fl. 12 f.). An der Stelle beginnt der Schüler,

abzuschweifen und vom KSC (Karlsruher Sport Club) zu sprechen, der bei Nicht-

gelten der Regel Abseits schon abgestiegen wäre, woraufhin er wieder einbringt, dass

das „fies“ (Fl. 19) wäre.

Die Erklärung gliedert sich in drei inhaltliche Abschnitte: Im ersten Abschnitt erklärt

S3C, wie ein Abseits auf dem Spielfeld zustande kommt (vgl. Fl. 2-7), der Übergang

zum zweiten Abschnitt erfolgt daraufhin fließend. In dieser Passage erklärt er, wa-

rum es die Abseitsregel gibt: damit es nicht ungerecht für eine Mannschaft ist (vgl.

Fl. 7 ff.). Im dritten inhaltlichen Abschnitt stellt der Junge beispielhaft dar, was pas-

sieren würde, wenn es die Regel nicht gäbe und konkretisiert dies anhand einer Fuß-

ballmannschaft, wobei er allerdings leicht vom eigentlichen Thema abdriftet (vgl. Fl.

15 f.).

Diese Erklärung beinhaltet sowohl deskriptive als auch narrative und explikative

Elemente. Der Fokus des Erklärens der Regel wird stark verschoben zur Darstellung

des Grundes für die Regelung.

II.2.3.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Zwar überwiegen in dieser Erklärung Hauptsätze, es

werden jedoch auch einige Nebensatzkonstruktionen verwendet.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird zunächst durch ein ein-

heitliches Tempus (Präsens) hergestellt. Dabei verwendet der Erklärende häufig

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Konjunktivformen, die er allerdings nicht konstant durchhält (vgl. Fl. 4 ff.). Explizit

wird Kohäsion durch eine stark ausgeprägte Situationsdeixis, aber auch durch den

Gebrauch von Rekurrenzen, Pro-Formen, Text- und Vorwissensdeixis, Konnektive

und einige Male durch den personaldeiktischen Ausdruck man (vgl. Fl. 10, 13, 17)

erzeugt. Dabei stellt der Gebrauch von man keinen starken Adressatenbezug her.159

Die Situationsdeixis tritt in dieser Erklärung zumeist in Verbindung mit ausgeprägter

Gestik auf, wobei der Erklärende sogar aufsteht. Auch in dieser Erklärung gebraucht

der Schüler einige Kohäsionsmittel, deren Verweise nicht eindeutig sind (vgl. z. B.

Fl. 6, 8, 15).

In der Erklärung werden die kausalitätsanzeigenden Indikatoren denn und deshalb

verwendet. Der Kausal-Indikator deshalb wird verwendet, um zu begründen, warum

es die Regelung des Abseits geben muss (vgl. Fl. 8 f.). Allerdings ist die Aussage

nicht ganz logisch. Der Erklärende sagt, dass die zuvor beschriebene Situation ein

Abseits sei, weil der Gegner sonst keine Chance hätte (vgl. 8 ff.). Es wäre aber auch

ein Abseits, wenn es nicht ungerecht für die Gegner wäre. Angemessener wäre zu

sagen, dass das Tor nicht zählt, weil es unfair für die Gegner wäre und diese Regel

des nicht gewerteten Tores Abseits heißt. Im Prinzip übergeht er den Schritt, zu er-

wähnen, dass das Tor nicht zählt, weil es sonst nicht fair wäre und dass eben diese

Regelung, dass das Tor nicht zählt, Abseits heißt. Stattdessen fixiert er sich stark

darauf, zu begründen, warum es die Regel des Abseits gibt und warum diese seiner

Meinung nach sinnvoll ist.

In der Erklärung taucht zweimal die Konjunktion denn auf. Sie verbindet immer zwei

Sätze miteinander, wobei sie nicht die Syntax des folgenden Satzes verändert.160 Laut

Redder ist die Verwendung von denn typisch für das Handlungsmuster Begründen,

weil es ein Innehalten im Ablauf eines Sprechmusters mit dem Ziel, ein Nicht-

Verstehen in ein Verstehen umzuwandeln, darstellt.161 Insbesondere beim zweiten

Gebrauch dieser Konjunktion in der vorliegenden Erklärung (vgl. Fl. 10) hat die Pas-

sage eingeschobenen, begründenden Charakter. Der Erklärende versucht damit, sehr

plastisch deutlich zu machen, was zuvor erklärt wurde und damit das Verstehen zu

fördern.

159 Vgl. Weber, Diskursfähigkeit, 9. 160 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 628. 161 Vgl. Redder, Grammatiktheorie, 47.

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II.2.3.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

a. Nonverbale Kommunikation: Die nonverbale Kommunikation spielt, wie bereits

dargestellt, eine sehr wichtige Rolle in dieser Erklärung. So steht der Erklärende

zweimal auf und bleibt jeweils lange stehen, wobei er stark gestikuliert und auf ei-

nem virtuellen Spielfeld Positionen der Spieler, Torschüsse und ähnliches anzeigt.

Dabei erhält die nonverbale Kommunikation nicht nur sprachunterstützenden Cha-

rakter, sondern stellt teilweise sogar das wichtigere Element dar.

b. Adressatenbezogenheit: Wie in der ersten, so sind auch in dieser Erklärung kaum

Adressatenbezüge zu finden. Der Erklärende sucht auch hier keinen Blickkontakt mit

seinem Gegenüber und schaut zeitweilig sogar in die Kamera. Außerdem setzt er viel

Wissen voraus, ohne in Erwägung zu ziehen, dass dem Adressat dieses Wissen even-

tuell fehlen könnte (z. B. KSC, vgl. Fl. 15). Auch eine direkte Anrede findet nicht

statt, obwohl dies im ersten Satz nahe liegend gewesen wäre: „jetzt würd ich noch

etwas über […] erklären“ (Fl. 1 f.).

Das Adressatenkind verhält sich während der Erklärung sehr passiv, schaut aber den

Erklärenden an. Es stellt jedoch keine Fragen und gibt keinerlei Hörersignale.

II.2.3.2.4 Ergebnis der Erklärung

Im Nachgespräch gibt die Erstklässlerin an, die Erklärung „ein bisschen“ verstanden

zu haben. Bei genauem Nachfragen stellt sich heraus, dass sie es tatsächlich nur an-

satzweise verstanden hat.

II.2.4 Erklärsituation D

An diesem Erklärkomplex sind eine neunjährige Drittklässlerin und eine sechsjährige

Erstklässlerin beteiligt. Die Erstklässlerin erbringt in der Schule durchschnittliche

Leistungen und ist teilweise noch recht unsicher. Ihre Muttersprache ist Deutsch.

Die Drittklässlerin erbringt gute bis sehr gute schulische Leistungen, ihre Mutter-

sprache ist Deutsch und sie kann laut Einschätzung der Klassenlehrerin gut erklären.

Während der Erklärungen sitzt sie auf dem Sofa und S1D auf dem Sessel.

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II.2.4.1 Teil a (Erkl. Da)

In Teil A des Erklärkomplexes erklärt die Drittklässlerin der Erstklässlerin, wie ein

Blitz entsteht. Die Erklärung dauert dreißig Sekunden und ist damit vergleichsweise

kurz. Das Transkript ergibt etwa eine halbe Seite.

II.2.4.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Die Schülerin stellt zunächst die Ausgangssituation, dass im Sommer Wolken auf-

ziehen, dar. Darauf folgt eine Beschreibung dessen, was sich in der Wolke befindet

und was damit passiert (vgl. Fl. 3 ff.), woraufhin sie schließlich die Folge dessen

nennt: „und denn kommt der Blitz“ (Fl. 6). Die Erklärung hat deskriptiven Charakter.

Sie ist extrem oberflächlich und undetailliert und erfolgt in einem einzigen Satz. E-

ventuell hat die Erklärende den Sachgegenstand selbst nicht besser verstanden.

Wichtige Informationen wie beispielsweise der genaue Grund dafür, dass ein Blitz

entsteht, fehlen dabei.

II.2.4.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Die Schülerin führt ihre Erklärung anhand einer

pausenlosen Aneinanderreihung von zum größten Teil Hauptsätzen durch, ohne zwi-

schendurch die Stimme abzusenken und damit ein Satzende zu markieren.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird in dieser Erklärung durch

ein einheitliches Tempus und den Gebrauch von Pro-Formen, Text-, Vorwissensdei-

xis und Konnektoren hergestellt. Dabei verwendet das Mädchen häufig und (dann)

(wobei sie dann allerdings immer als denn realisiert), um Zusammenhänge zu ver-

deutlichen (vgl. z. B. Fl. 5). In Fl. 2 gebraucht sie den Begriff dann nicht ganz kor-

rekt. So lautet ihre Aussage sinngemäß, dass erst ein Gewitter kommt und sich zeit-

lich später (dann) Staubteilchen usw. sammeln (vgl. Fl. 2 ff.). Allerdings ist der Vor-

gang, den sie mit Letzterem beschreibt, die Entstehung des Gewitters und erfolgt

nicht erst danach. Wenn sie statt der Begriffskombination und dann den kausalen

Indikator weil eingesetzt hätte und die Syntax entsprechend geändert hätte, wäre der

Satz logisch korrekt gewesen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die Benutzung

dieses Indikators umgangen wurde. Auch sonst verwendet die Schülerin keine kausa-

litätsanzeigenden Indikatoren.

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II.2.4.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

Die Schülerin stellt während der Erklärung immer wieder den Blickkontakt mit ih-

rem Gegenüber her. Allerdings besteht darin das einzige Anzeichen für eine Adressa-

tenbezogenheit. In ihren Ausführungen setzt sie Vieles voraus, ohne dabei zu berück-

sichtigen, dass ihr Gegenüber dies vielleicht gar nicht kennt (vgl. z. B. „laden sich

denn auf“, Fl. 5). Allerdings kann der Grund hierfür darin liegen, dass die Sprecherin

die Passagen selbst nicht genauer verstanden hat.

Das Adressatenkind schaut die erklärende Schülerin durchgehend an. Sie wirkt sehr

zurückhaltend, stellt keine Fragen und gibt keine Hörersignale. An ihrer Frage, mit

der sie die Erklärung initiiert, fällt jedoch auf, dass sie ihr Gegenüber mit dem Na-

men anspricht (vgl. Fl. 1). Dies muss allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass sie

sie kennt, da ihr im Vorgespräch der Name bereits gesagt wurde.

II.2.4.1.4 Ergebnis der Erklärung

Auch dieses Kind gibt im Nachgespräch an, die Erklärung verstanden zu haben. Al-

lerdings stellt sich heraus, dass sie nichts davon wiedergeben kann und auch bei nä-

herem Nachfragen keine Anzeichen für einen Wissenszuwachs zu finden sind.

II.2.4.2 Teil b (Erkl. Db)

In diesem Abschnitt erklärt die Drittklässlerin das Spiel Jägerball. Mit einer Länge

von dreißig Sekunden ist diese Erklärung ebenfalls sehr kurz. Das Transkript er-

streckt sich über etwa eine Seite.

II.2.4.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Zu Beginn der Erklärung nennt die Erklärende zunächst, dass an dem Spiel Kinder

teilnehmen und dass es dabei Rehe und Kaninchen gibt (vgl. Fl. 2 ff.). Dabei erwähnt

sie allerdings nicht, dass die Kinder die Rehe und Kaninchen verkörpern. Dies geht

allerdings daraus hervor, dass sie sagt, einer sei ein Mensch, und zwar der Jäger (vgl.

Fl. 3 f.), woraufhin sie den Einschub bringt, dass das Spiel Jägerball heiße. Daraufhin

nennt sie die Regel des Spiels, dass der Jäger sich nicht bewegen dürfe und mit dem

Ball die Tiere abwerfen müsse. Im Anschluss daran nennt sie die Folge des Abwer-

fens: Wer abgeworfen worden sei, müsse sich auf eine Bank setzen. Wenn dort fünf

säßen, seien alle wieder frei.

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Diese Erklärung hat deskriptiven Charakter und ist recht detailliert und gut aufge-

baut. So nennt das Mädchen zunächst, was für das Spiel benötigt wird bzw. welche

Rollen dabei existieren und im Anschluss daran, wie das Spiel abläuft. Der Einschub

während der Erklärung, dass das Spiel Jägerball heiße, zeigt, dass sie gemerkt hat,

dass sie zunächst vergessen hatte, den Namen zu nennen. Im Zusammenhang mit der

Beschreibung des Jägers fällt ihr dies auf.

II.2.4.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Eindeutig überwiegen in dieser Erklärung Haupt-

satzkonstruktionen, lediglich vereinzelt werden Nebensätze eingesetzt.

b. Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird neben der einheitlich verwendeten Zeit-

form (Präsens) vor allem durch Konnektive, Pro-Formen, Text- und Vorwissensdei-

xis hergestellt. Dabei wird sehr häufig der Konnektor und verwendet, um Zusam-

menhänge herzustellen. Konklusivitätsanzeigende Indikatoren tauchen in der Erklä-

rung nicht auf.

II.2.4.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

Wie bei der vorigen Erklärung wird ein Adressatenbezug lediglich durch den Blick-

kontakt hergestellt. Allerdings ist diese Erklärung insofern adressatenfreundlicher als

die erste, als dass sie ausführlicher ist und keine wichtigen Elemente ausgelassen

werden. Der Einschub „Das heißt Jägerball, das Spiel.“ (Fl. 4 f.) kann als Bemühung

verstanden werden, dem Gegenüber für das Spiel wichtige Informationen nicht vor-

zuenthalten.

Die Tatsache, dass sie die Erklärung nicht mit den personaldeiktischen Ausdrücken

man oder du umsetzt, sondern ein eher distanziertes der oder die verwendet (vgl. Fl.

7 f.), zeigt, dass sie ihr Gegenüber nicht in die Erklärung des Spiels integriert.

Die Rolle des Adressatenkindes ist wie in der vorigen Erklärung zurückhaltend und

passiv.

II.2.4.2.4 Ergebnis der Erklärung

Im Nachgespräch gibt die Erstklässlerin an, die Erklärung verstanden zu haben und

es stellt sich heraus, dass dies zum größten Teil tatsächlich erfolgt ist.

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II.2.5 Erklärsituation E

An dieser Erklärsituation nehmen ein neunjähriger Drittklässler und ein sechsjähriger

Erstklässler teil. Die schulischen Leistungen des Erstklässlers bleiben oft hinter sei-

nen Möglichkeiten zurück, weil er ein sehr auffälliges Sozialverhalten aufzeigt. Bei-

de Elternteile stammen aus Russland, er ist jedoch in Deutschland aufgewachsen und

spricht ohne Probleme Deutsch.

Der Drittklässler ist ein eher schwacher Schüler indischer Abstammung. Allerdings

spricht er gut Deutsch. Sein Sozialverhalten ist manchmal auffällig und seine Fähig-

keit, zu erklären, schätzt die Klassenlehrerin als eher schwach ein.

Während der Erklärungen sitzen beide Jungen nebeneinander auf dem Sofa.

II.2.5.1 Teil a (Erkl. Ea)

In dieser Sequenz erklärt der Drittklässler seinem Gegenüber den Kreislauf des Was-

sers und zusätzlich die Entstehung von Gewitter. Die Erklärung erstreckt sich über

80 Sekunden und das Transkript ist etwa zwei Seiten lang.

II.2.5.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Der Drittklässler beginnt seine Sprecheinheit damit, den Wasserkreislauf zu erklären,

obwohl er vom Erstklässler nach der Entstehung von Regen gefragt wurde. Wie be-

reits dargestellt, beinhaltet die Erklärung des Wasserkreislaufs allerdings die Frage

nach der Entstehung von Regen.

Der Erklärende beschreibt zunächst, dass es regnet und das Wasser teilweise auf ei-

ner Steinschicht stehen bleibt und teilweise versickert Für den Prozess des Versi-

ckerns verwendet er allerdings den falschen Begriff verdunsten (Fl. 4 f.). Danach

fließt das Wasser ins Grundwasser bzw. ins Meer, wo es aufsteigt („dann saugt die

das auf“, Fl. 10 f.) und woraufhin Wolken entstehen. An dieser Stelle zeigt der Schü-

ler aus dem Fenster und zeigt dem Erstklässler ein konkretes Beispiel: „wie die da

zum Beispiel“ (Fl. 11 f.). Daraufhin nennt er die Folge dieses Prozesses: „Und dann

regnet es wieder.“ (Fl. 12).

Diese Erklärung hat deskriptiven Charakter. Der Schüler scheint den Erklärgegen-

stand nicht komplett verstanden zu haben, da die Erklärung recht große Lücken lässt.

Direkt im Anschluss daran geht er dazu über, die Entstehung von Gewitter zu erklä-

ren. Dabei erklärt er sehr knapp, wie Gewitter entsteht, wobei er zunächst die Aus-

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gangssituation nennt, dann den Prozess, der in der entstandenen Wolke stattfindet

und schließlich die Folge: „und es gibt ein Gewitter“ (Fl. 15). Daraufhin beginnt der

Erklärende, Ratschläge bezüglich des sicheren Verhaltens bei Gewitter zu formulie-

ren. Zum Beenden der Erklärung schaut er erst den Erstklässler an, sagt leise „Ja“

(Fl. 22) und schaut dann zum In.

Auch diese Teilerklärung hat zunächst eher deskriptiven Charakter. Allerdings ändert

sich dies im zweiten Teil, wo er sowohl die Ratschläge als auch die Gründe dafür

nennt und die Erklärung dadurch teilweise explikativen Charakter erhält. Allerdings

weist auch diese Erklärung einige Unklarheiten und Unsicherheiten auf (vgl. z. B.

Fl. 14), was dafür spricht, dass der Schüler das Phänomen nicht vollständig verstan-

den hat.

II.2.5.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: In der Erklärung werden zum größten Teil Hauptsät-

ze und nur wenige Nebensätze verwendet. Durchgehend treten viele Anakoluthe auf.

b. Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird durch ein einheitliches Tempus, den Ge-

brauch von Rekurrenz, Pro-Formen, Konnektiven, durch Textdeixis, Vorwissensdei-

xis und Personaldeixis hergestellt. An einigen Stellen fehlen jedoch wesentliche

Verweismittel (vgl. Fl. 15, 18). Dadurch erhält die Erklärung zeitweilig den Charak-

ter einer stichwortartigen Ausführung.

Der Erklärende verwendet keinerlei kausale Indikatoren, obwohl diese bei einigen

Satzkonstruktionen erforderlich gewesen wären (vgl. Fl. 18, 22). Dabei reiht er ins-

besondere am Ende auf, was eigentlich dringend in eine kausale Beziehung gebracht

werden müsste: die Begründung dafür, warum man sich bei Gewitter klein machen

sollte. Dies erschwert dem Hörer, die Zusammenhänge zu verstehen.

Mit dem Gebrauch der Floskel „eins sag ich dir“ (Fl. 16) greift der Schüler auf eine

Formulierungsart zurück, die er vermutlich in irgendeinem Zusammenhang gehört

hat und nun selbst anwendet.

II.2.5.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

a. Nonverbale Kommunikation: Die nonverbale Kommunikation spielt in dieser Er-

klärung nur eine nebensächliche Rolle. So setzt der Erklärende an wenigen Stellen

eine schwache Gestik ein, um das Gesagte zu unterstützen. Zu Beginn der Ratschläge

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hebt er zweimal belehrend den Zeigefinger. Als er das Beispiel für eine Gewitter-

wolke nennt, zeigt er mit dem ausgestreckten Arm aus dem Fenster.

b. Adressatenbezogenheit: Der Erklärende sucht immer wieder den Blickkontakt mit

seinem Zuhörer. Im ersten Teil dieser Erklärung stellt er einen Adressatenbezug da-

durch her, dass er das Beispiel einer Gewitterwolke im außersprachlichen Kontext

darstellt, indem er aus dem Fenster zeigt und „wie die da zum Beispiel“ (Fl. 11 f.)

sagt. So stellt er für den Erstklässler einen aktuellen und direkten Alltagsbezug her.

Ein direkter Adressatenbezug erfolgt bei der Erteilung der Ratschläge, wo der Erklä-

rende sein Gegenüber durchgehend direkt anspricht.

Das Adressatenkind ist sehr unruhig, nimmt aber weder durch Fragen noch durch

Hörersignale an der Erklärung teil. Blickkontakt sucht er nur gelegentlich.

II.2.5.1.4 Ergebnis der Erklärung

Der Erstklässler gibt im Nachgespräch an, die Erklärung nicht richtig verstanden zu

haben. Dies bestätigt sich auch im weiteren Verlauf des Gesprächs, wo sich heraus-

stellt, dass er zwar bezüglich des Wasserkreislaufs wenige Zusammenhänge rekon-

struieren kann, bezüglich der Entstehung von Gewitter jedoch nichts wiedergeben

kann.

II.2.5.2 Teil b (Erkl. Eb)

In diesem Abschnitt erklärt der Drittklässler dem Erstklässler ein Videospiel (Nin-

tendo-DS). Die Erklärung dauert 120 Minuten und ist damit die längste aller in der

Untersuchung vorkommenden Erklärungen. Das Transkript erstreckt sich über zwei-

einhalb Seiten.

II.2.5.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Der Schüler beginnt die Erklärung mit der direkten Anrede des Hörers, der doch be-

reits gesehen habe, dass er einen DS dabei hatte. Dieser Aussage schließt er das

Rückversicherungssignal gell an.162 Darauf folgt die Ankündigung, dass er nun erklä-

ren werde, wie das Spiel richtig funktioniere. Dieser Satz verdeutlicht, dass die Er-

klärung absolut realitätsnah ist und nicht nur für die Untersuchung sinnvoll ist. Sie

hätte ebenso gut in der Freizeit der Kinder stattfinden können. Es besteht somit ein

162 Vgl. Nübling, Die nicht flektierbaren Wortarten, 602.

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unmittelbarer Alltags- und Interessenbezug. Der Erklärende geht zunächst chronolo-

gisch vor und stellt die Schritte dar, die zur Vorbereitung auf das Spiel nötig sind. Im

Anschluss daran beschreibt er den Spielablauf und stellt schließlich dar, was ge-

schieht, wenn das Spiel verloren wird. Nach dieser Passage wechselt er zunächst die

Perspektive und erzählt von sich und seinen Erlebnissen beim Spielen. Allerdings

enthält dieser narrative Abschnitt immer wieder auch deskriptive Elemente. Schließ-

lich richtet er sich direkt an sein Gegenüber, indem er sagt „Und du weißt ja“ (Fl.

30). In dem Moment wird er allerdings von dem Erstklässler unterbrochen, der sagt,

dass das für ihn gar nicht schwer sei. Daraufhin entgegnet der Erklärende etwas Un-

verständliches und beendet die Erklärung mit dem Satz „Ja, und das war’s jetzt.“ (Fl.

33).

Die Erklärung ist recht chronologisch aufgebaut und der Erklärende orientiert sich

dabei am Spielverlauf. Sie besteht sowohl aus narrativen als auch deskriptiven Ele-

menten.

II.2.5.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: In der Erklärung werden überwiegend Hauptsätze

verwendet, zu Beginn lassen sich jedoch auch einige Nebensätze finden. Insgesamt

treten auch in dieser Erklärung viele Anakoluthe auf.

b. Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird durch den Gebrauch von Konnektiven,

Pro-Formen, Rekurrenzen, Personaldeixis, Text- und Vorwissensdeixis hergestellt.

Dabei werden viele Verknüpfungen durch und erzeugt. Während der gesamten Erklä-

rung verwendet der Junge den personaldeiktischen Ausdruck du, mit dem er sein

Gegenüber direkt anspricht.

Auffällig ist der Gebrauch der Abtönungspartikel doch, der gleich zu Beginn der

Erklärung zu beobachten ist (vgl. Fl. 1). Mit dieser Partikel knüpft der Erklärende

direkt an das Vorwissen seines Gegenübers an. Er wusste, dass sein Gegenüber das

Spiel kennt und drückt mit der Modalpartikel aus, dass er weiß, was er bei seinem

Hörer voraussetzen kann. Dies ist ihm nur möglich, weil sie ein gemeinsames Erleb-

nis mit dem entsprechenden Computerspiel hatten, auf das er direkten Bezug nehmen

kann.

Es werden in der gesamten Erklärung keine konklusivitätsanzeigenden Indikatoren

verwendet.

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II.2.5.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

In dieser Erklärung werden auf vielerlei Weise Adressatenbezüge hergestellt. Bereits

der einleitende Satz verdeutlicht, wie sehr sich der Erklärende nach seinem Gegen-

über ausrichtet. So ruft er dem Erstklässler eine Situation ins Gedächtnis, die beide

Kinder erlebt haben und die den Erklärgegenstand unmittelbar betrifft. Der Erklären-

de schafft damit einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt. Eine ähnliche Bezugnahme

erfolgt wenig später, als der Drittklässler sagt, er wüsste jetzt, wie das Spiel richtig

funktioniere. Damit stellt er eine Legitimation für die Erklärung her: Die Kinder

scheinen sich bereits mit dem Spiel beschäftigt zu haben und es nicht vollständig

begriffen zu haben. Da S3E inzwischen verstanden hat, wie es funktioniert, kann er

es nun dem Erstklässler erklären. Der Drittklässler ist sich somit sicher, dass ein

Wissensgefälle zwischen ihm und seinem Gegenüber besteht. Allerdings stellt sich

diese Annahme als zumindest teilweise falsch heraus, als S1E seinen Gesprächspart-

ner unterbricht und sagt, für ihn sei das nicht schwierig (vgl. Fl. 31 f.). Kurz bevor er

unterbrochen wird, stellt der Erklärende noch einmal einen direkten Bezug her, in-

dem er sagt „Und du weißt ja“ (Fl. 30). Dadurch wird deutlich, dass er sich bemüht,

an das Vorwissen seines Adressaten anzuknüpfen. All diese Bezugnahmen sind nur

möglich, weil die Kinder sich kennen und auf gemeinsame Erlebnisse bezüglich des

Erklärgegenstandes zurückgreifen können.

Des Weiteren zeigt sich die Partnergerichtetheit des Erklärenden an der durchgehen-

den direkten Anrede mit du bzw. dir.

Außerdem sucht der Erklärende immer wieder den Blickkontakt mit seinem Gegen-

über.

Der Adressat ist bis zu einem bestimmten Punkt wie bei der ersten Erklärung unruhig

und eher unbeteiligt. Gegen Ende wird er allerdings aktiv und unterbricht sein Ge-

genüber sogar (vgl. Fl. 30).

II.2.5.2.4 Ergebnis der Erklärung

Im Nachgespräch mit dem Erstklässler stellt sich Interessantes heraus: Er erklärt dem

In, dass er das Spiel verstanden habe, weil er selbst das Spiel besitze. Während der

gesamten Erklärung hat er diese Tatsache, die die Erklärung überflüssig gemacht

hätte, nicht erwähnt. Lediglich am Schluss deutet er seine Kenntnisse und damit das

mangelnde Wissensdefizit an, indem er angibt, es sei für ihn nicht schwierig gewesen

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(vgl. Fl. 31 f.). Während des Nachgesprächs stellt er sogar dar, dass der S3E zwei

wichtige Dinge zu erklären vergessen habe.

II.2.6 Erklärsituation F

An dieser Erklärsituation sind zwei Mädchen beteiligt. Die Drittklässlerin ist neun

Jahre alt und erbringt sehr gute schulische Leistungen, wobei die Lehrerin auch ihre

Fähigkeit, zu erklären, als sehr gut einschätzt. Ihre Muttersprache ist Deutsch.

Die Erstklässlerin ist sechs Jahre alt und erbringt tendenziell gute schulische Leis-

tungen, allerdings hängt dies stark von ihren Stimmungen und Interessen ab. Aus

diesem Grund ist ihr Sozialverhalten teilweise als schwierig zu beurteilen.

Während der Erklärungen sitzt S3F auf dem Sessel und S1F auf dem Sofa. Aller-

dings traut S1F sich nicht, alleine zu sitzen, weshalb sich der In neben sie setzt.

II.2.6.1 Teil a (Erkl. Fa)

In dieser Situation wird der Kreislauf des Wassers erklärt. Die Erklärung dauert sieb-

zig Sekunden und das Transkript erstreckt sich über etwas mehr als eine Seite.

II.2.6.1.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Die Drittklässlerin initiiert diese Erklärung selbst, weil die Erstklässlerin sich nicht

traut, ihr Gegenüber um die Erklärung zu bitten. Sie beginnt damit, zunächst den

Erklärgegenstand auszusprechen und zu sagen, dass Wasser verdunstet. Daraufhin

schiebt sie eine Worterklärung ein, mit der sie den Begriff verdunsten erklärt. Dabei

stellt sie sehr genau und verständlich dar, wie der Vorgang abläuft und was dabei

geschieht. Diesen Einschub beendet sie mit dem Satz „das ist dann ein Wasser-

dampf“ (Fl. 5). Damit erteilt sie im Prinzip zwei Begriffserklärungen auf einmal.

Diese Art der Erklärung lässt sich nicht ohne weiteres in die von Wagner und Wie-

se163 oder Rehbein164 erarbeiteten Schemata einordnen. Den Begriff verdunsten, der

einen Vorgang beschreibt, strukturiert sie geschickt, indem sie ihn in seine einzelnen

Teilprozesse aufgliedert. Den Begriff Wasserdampf erklärt sie mit dem unmittelbar

davor stehenden Satz „und die Tröpfchen gehen dann hoch in die Luft“ (Fl. 4 f.).

Diese Realisierung entspricht wohl am ehesten der so genannten „Explikation durch

163 Vgl. Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien. 164 Vgl. Rehbein, Worterklärungen.

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Nennung einer oder mehrerer typischer Handlungen“165 oder der „Explikation durch

Umschreiben (Paraphrase des Konzepts).“166

Im Anschluss daran stellt S3F dar, dass aus diesem Wasserdampf eine Wolke ent-

steht, die vom Wind weitergetragen wird, abkühlt und es dann regnet bzw. hagelt

oder schneit. Den weiteren Verlauf des auf die Erde treffenden Wassers verdeutlicht

sie, indem sie es aufteilt: Der eine Teil des Wassers sickert in die Erde und wird zu

Grundwasser und der andere Teil fließt in verschiedene Gewässer. Um zu verdeutli-

chen, dass es sich um einen Kreislauf handelt, sagt sie am Ende, es gehe immer so

weiter (vgl. Fl. 14). Daraufhin beendet sie die Erklärung, indem sie „Ja.“ (Fl. 15) sagt

und zum In schaut.

Die Erklärung ist sehr ausführlich und gut strukturiert. Sie hat deskriptiven Charak-

ter. Insbesondere die Erklärung des Begriffs verdunsten wirkt sehr durchdacht.

II.2.6.1.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Es werden vorrangig Hauptsätze, teilweise aber auch

Nebensätze verwendet.

b. Erzeugung von Kohäsion und Kausalität: Kohäsion wird in dieser Erklärung mit

Hilfe von Konnektiven, Pro-Formen, Textdeixis, Vorwissensdeixis und Rekurrenzen

hergestellt. Dabei verwendet die Erklärende auffallend häufig das Temporaladverb

dann. Außerdem gebraucht sie oft die Konjunktion und, um (Teil-) Sätze miteinander

zu verbinden. Sprachliche Elemente, die kausalitätsanzeigend wirken, sind nicht zu

finden.

II.2.6.1.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

Die Erklärende hält während der gesamten Erklärung Blickkontakt mit ihrem Gegen-

über. Der Adressatenbezug wird anhand einiger Bemühungen deutlich, die diesen

Bezug allerdings eher indirekt herstellen. So spricht die durchgehend gute Struktu-

riertheit der Erklärung für das Bemühen, die Erklärung möglichst verständlich zu

gestalten. Ebenso zeigt der Einschub, in dem sie den Begriff verdunsten erklärt, dass

sie Rücksicht auf das Vorwissen ihrer Adressatin nimmt und ihre Erklärung daran

anpasst. Auch anhand einiger sprachlicher Darstellungen wird das Bemühen um Ver-

ständlichkeit deutlich. So verweist S3F an zwei Stellen darauf, dass der folgende

Schritt sich in zwei Elemente aufteilt: „und das kommt dann entweder zum Meer

165 Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 228. Hervorhebung im Original. 166 Wagner, Kindliche Erklärungsstrategien, 228. Hervorhebung im Original.

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raus oder als Quelle“ (Fl. 11 f.) und „Der eine Teil vom Wasser“ (Fl. 10), „Und der

andere Teil“ (Fl. 13). Hiermit wird der Hörerin die Strukturierung der Erklärung of-

fen gelegt und erleichtert ihr eventuell das Verständnis.

Das Adressatenkind zeigt sich bereits unmittelbar vor der Erklärung als extrem

ängstlich, indem sie nicht alleine auf dem Sofa sitzen möchte und die Erklärung nicht

initiiert. Dies beeinflusst die Erklärsituation natürlich und verhindert möglicherwei-

se, dass die Erklärende sie direkt anspricht. Im Prinzip kann sie nicht als Gesprächs-

partner ernst genommen werden.

II.2.6.1.4 Ergebnis der Erklärung

Die Erstklässlerin behauptet im Nachgespräch zunächst, dass sie die Erklärung ver-

standen habe. Es stellt sich allerdings heraus, dass faktisch kein Wissenszuwachs

stattgefunden hat.

II.2.6.2 Teil b (Erkl. Fb)

In diesem Teilbereich erklärt S3F ein Pantomimespiel. Die Erklärung dauert vierzig

Sekunden und ist damit recht kurz. Das Transkript füllt eine knappe Seite.

II.2.6.2.1 Umgang mit dem Erklärgegenstand

Weil auch diese Erklärung von der Drittklässlerin selbst initiiert wird, erwähnt sie zu

Beginn der Erklärung zunächst den Namen des Spiels. Darauf folgen die Nennung

der daran teilnehmenden Personen und die Darstellung des Spielablaufs, wobei sie

ausführt, unter welchen Einschränkungen ein Kind etwas darstellen muss und wie

das Spiel weitergeht, wenn ein Kind den Begriff erraten hat. Am Ende erbringt S3F

ein Beispiel dafür, was pantomimisch dargestellt werden kann (vgl. Fl. 8).

Insgesamt ist die Erklärung recht kurz. Das Spiel wird dabei chronologisch darge-

stellt, wobei die Erklärung deskriptiven Charakter hat.

II.2.6.2.2 Sprachliche Umsetzung der Erklärung

a. Syntaktische Beobachtungen: Die Verwendung von Haupt- und Nebensätzen ist

recht ausgewogen. Im zweiten Satz finden sich einige Anakoluthe, die verdeutlichen,

dass S3F den Erklärgegenstand erst während der Erklärung strukturiert und dies nicht

bereits im Vorfeld unternommen hat.

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71

b. Kohäsion und Kausalität: In dieser Erklärung wird Kohäsion vor allem durch den

Gebrauch von Pro-Formen und Konnektiven hergestellt, aber auch durch die Ver-

wendung text- und vorwissensdeiktischer Elemente.

Wie in der vorigen Erklärung, so wird auch hier das Adverb dann sehr häufig ver-

wendet. Ebenso treten keine kausalitätsanzeigenden Indikatoren auf.

II.2.6.2.3 Allgemein-kommunikative Umsetzung der Erklärung

Ein Bezug auf den Adressaten lässt sich außer dem Bemühen um Blickkontakt in der

Erklärung nicht finden. So erklärt S3F das Spiel abstrakt anhand von Kindern im

Allgemeinen, bezieht aber nicht das Adressatenkind direkt mit ein.

Die Adressatin ist während dieser Erklärung genauso unsicher und verhält sich eben-

so passiv wie in der ersten Erklärung.

II.2.6.2.4 Ergebnis der Erklärung

Im Nachgespräch gibt die Erstklässlerin an, auch diese Erklärung verstanden zu ha-

ben. Allerdings stellt sich auch hier heraus, dass sie das eigentliche Prinzip nicht

durchdrungen hat.

III. Ergebnisse der Studie und Konsequenzen

Die Datenanalyse soll nun in verschiedenen Schritten ausgewertet und zu einem Er-

gebnis zusammengefasst werden. Zunächst werden die Studiendaten aus Kapitel II

einem personen- und inhaltsbezogenen Vergleich unterzogen, um daraufhin ein Ge-

samtergebnis zu formulieren, das in die Forschungsbemühungen um das Thema Er-

klärfähigkeit eingeordnet werden kann. Anschließend werden hieraus didaktische

Konsequenzen für die Förderung der Erklärfähigkeit im Kontext des Unterrichts in

der Grundschule abgeleitet. Des Weiteren werden in diesem Abschnitt Impulse für

weitere interessante Forschungsansätze zu der Erklärfähigkeit von Grundschülern

dargelegt, die der kritischen Reflexion dieser Studie entspringen.

III.1 Auswertung der Studie

Zur Auswertung der Studie werden die verschiedenen Erklärungen unter zwei As-

pekten untersucht: Zunächst werden in einem personenbezogenen Vergleich jeweils

die beiden Erklärungen eines Schülers (Teil a und b) betrachtet. So soll der Einfluss

der Erklärgegenstände, die in Teil a jeweils vorgegeben und in Teil b spontan von

den Erklärenden gewählt wurden, auf den Erklärprozess und insbesondere die Erklär-

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fähigkeit untersucht werden. Hieran schließt sich ein inhaltsbezogener Vergleich an,

in welchem die Erklärungen mit ähnlichem Erklärgegenstand (je Teil a), jedoch un-

terschiedlichen Sprechern, ausgewertet werden. Hierbei ist es interessant, das Ver-

hältnis von einer bei allen Schülern gleichen Informationsvorgabe aus dem Unter-

richt mit den individuellen Erklärleistungen der Schüler zu beleuchten.

III.1.1 Personenbezogener Vergleich

In diesem Abschnitt werden jeweils die beiden Erklärungen eines Schülers hinsicht-

lich der in II.2 untersuchten Merkmale miteinander verglichen. Jede der sechs Er-

klärkonstellationen ist bestimmt durch zwei verschiedene Erklärgegenstände. Den

Themenkomplex des zu erklärenden Sachverhalts in Teil a erlernten die Schüler im

Vorfeld der Studie im Unterricht. Sie bereiteten sich außerdem gezielt durch Wie-

derholung des Inhaltes vor. Es liegt hier also eine eher geplante Erklärung vor. An-

ders verhält es sich im jeweiligen Teil b der Erklärungen. Der Erklärgegenstand wur-

de hier jeweils auf Nachfrage unmittelbar vor der Erklärung vom Schüler frei ge-

wählt und daraufhin festgelegt. Somit können diese Erklärungen als spontane Erklä-

rungen bezeichnet werden.

Zunächst werden die jeweiligen Erklärungen der Schüler der dritten Klasse (S3 A-F)

detailliert verglichen. Anschließend werden die Beobachtungen zusammengefasst.

Es konnte vermutet werden, dass die jeweils erste Erklärung hinsichtlich des Erklär-

gegenstandes sachlich korrekter ausfallen würde als die zweite Erklärung, da der

Sachgegenstand im Unterricht erlernt wurde. Andererseits bestand bei der zweiten

Erklärung aufgrund der freien Wahl des Erklärgegenstandes ein engerer persönlicher

Bezug des Erklärenden zum Erklärgegenstand. Zudem waren die Themen dieser Er-

klärungen vermutlich stärker im Alltag der Adressaten verortet, entsprachen damit

eher ihren Interessen und wurden wohl mit größerer Wissbegierde aufgenommen.

III.1.1.1 Einzelbetrachtung der Erklärsituationen A-F

a. Erklärsituation A: Die Erklärungen des Erklärblocks A sind in vielen Aspekten

sehr ähnlich. So beinhalten beide Erklärungen sowohl explikative als auch deskripti-

ve Elemente und wirken sehr durchdacht und gut strukturiert. Der Erklärende scheint

durchgehend zu fokussieren, was er erklären möchte bzw. soll.

Auch der Adressatenbezug wird in beiden Erklärungen unter anderem durch den Ge-

brauch von Rückkopplungssignalen aktiv hergestellt. Außerdem wird jeweils zumin-

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73

dest ein konklusivitätserzeugender Indikator verwendet. Dabei scheint der Erklären-

de sich durchgängig dem Zweck der Erklärung – dem Wissensaufbau beim Rezipien-

ten – bewusst zu sein.

Ähnlich ist auch die Rolle des Adressaten, der zwar den Blickkontakt hält und auf

Rückkopplungssignale reagiert, ansonsten aber eher passiv ist. Er beantwortet alle

Fragen nach dem Verstehen der Erklärung positiv, wobei sich im Nachgespräch her-

ausstellt, dass er beide Erklärungen nur in Ansätzen verstanden hat.

Wesentliche Unterschiede der beiden Erklärungen bestehen darin, dass der Erklären-

de in Teil a häufig Verknüpfungen mit und herstellt, was in Teil b nicht der Fall ist.

Außerdem überwiegen in der ersten Erklärung Hauptsätze, wogegen in der zweiten

Erklärung mehr Nebensätze stehen. Überdies verwendet der Erklärende in der ersten

Erklärung personaldeiktische Elemente. In der zweiten Erklärung setzt er stattdessen

situationsdeiktische Elemente ein.

b. Erklärsituation B: Die Erklärungen des Erklärblocks B sind in etwa gleich lang.

Zudem beinhalten beide Erklärungen eher deskriptive und narrative Elemente als

explikative. Ebenso werden in beiden Erklärungen fast ausschließlich Hauptsätze

verwendet. Ähnlich ist auch die Bemühung um Adressatenbezogenheit: Die Erklä-

rende versucht, Blickkontakt zu halten und spricht ihr Gegenüber direkt an, was sich

in der ersten Erklärung jedoch auf den Anfang beschränkt. Die Rolle des Adressaten

ist dabei ebenfalls fast gleich: Er wirkt zumeist unbeteiligt und gibt jeweils lediglich

am Ende der Erklärung ein Hörersignal.

Ein Unterschied zwischen den Erklärungen besteht darin, dass in der ersten Erklä-

rung ein konklusivitätserzeugender Indikator auftritt, in der zweiten jedoch komplett

darauf verzichtet wird. Stattdessen werden in Teil b partnerorientierte personaldeikti-

sche Ausdrücke verwendet, die in Teil a nicht zu finden sind.

Die Wissensübernahme des Erstklässlers kann leider nicht vergleichend dargestellt

werden, weil der Schüler den Sachverhalt der zweiten Erklärung bereits vorher kann-

te. Allerdings ist hervorzuheben, dass er den Sachverhalt der ersten Erklärung er-

staunlich gut verstanden hat und rekonstruieren kann.

Die erste Erklärung ist detaillierter und damit zumindest den Sachgegenstand betref-

fend besser. Dagegen findet in der zweiten Erklärung ein direkter Adressatenbezug

in Form einer Anrede des Gegenübers nicht nur zu Beginn, sondern durchgehend

statt.

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74

c. Erklärsituation C: In beiden Erklärsituationen dieses Erklärblocks werden vorran-

gig Hauptsätze verwendet. Die Verweise sind häufig nicht eindeutig. Der Erklärende

stellt weder in der ersten noch in der zweiten Erklärung einen Adressatenbezug her.

Die Erstklässlerin verhält sich in beiden Fällen sehr passiv, bemüht sich allerdings

durchgehend um Blickkontakt. Beide Erklärungen hat sie nur in Ansätzen verstan-

den. Die nonverbale Kommunikation spielt in beiden Fällen eine große Rolle. Aller-

dings variiert sie in ihrer Intensität.

Unterschiede bestehen darin, dass die erste Erklärung lediglich deskriptive Elemente

aufweist, während die zweite Erklärung zusätzlich narrative und explikative Elemen-

te enthält. In Teil a sind keine konklusivitätsanzeigenden Indikatoren zu finden, wo-

bei in Teil b zwei dieser Indikatoren auftreten. Außerdem werden in diesem Teil we-

nig partnerorientierte personaldeiktische Ausdrücke verwendet. Der Erklärende ver-

liert dabei nach einiger Zeit aus dem Blick, was er erklären soll und driftet ein wenig

von der eigentlichen Fragestellung ab. Trotzdem kann diese als die bessere Erklärung

angesehen werden, weil der Erklärende den Sachgegenstand besser durchdrungen hat

als in Teil a.

d. Erklärsituation D: Beide Erklärsituationen dieser Konstellation dauern dreißig

Sekunden und sind damit sehr kurz. Es überwiegt der Gebrauch von Hauptsätzen, die

häufig mit und (dann) aneinandergereiht werden. Dabei werden keine konklusivitäts-

anzeigenden Indikatoren verwendet. Der Adressatenbezug besteht in beiden Erklä-

rungen lediglich darin, dass die Erklärende Blickkontakt mit ihrem Gegenüber hält.

Die zweite Erklärung ist allerdings genauer als die erste und weist keine wesentli-

chen Informationslücken auf, weshalb sie als adressatenfreundlicher bezeichnet wer-

den kann. Das Adressatenkind verhält sich in beiden Fällen eher passiv, hält aller-

dings den Blickkontakt. Nach beiden Erklärungen gibt es an, diese verstanden zu

haben, was allerdings bei der ersten nicht und bei der zweiten nur ansatzweise zu-

trifft.

Die zweite Erklärung kann aus dem Grund als besser angesehen werden, weil sie im

Gegensatz zur ersten Erklärung keine wichtigen Details auslässt und voraussetzt.

Dies lässt sich vermutlich auf eine mangelnde Sachkenntnis zurückführen, die bei

der zweiten Erklärung nicht vorliegt.

e. Erklärsituation E: In dieser Erklärkonstellation werden in beiden Erklärungen

vorwiegend Hauptsätze verwendet, die viele Anakoluthe aufweisen. Es werden keine

kausalen Indikatoren gebraucht. Der Adressatenbezug wird in beiden Erklärungen

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durch die Bemühung um Blickkontakt und die direkte Anrede des Gesprächpartners

deutlich. In Teil b finden sich einige weiteren Elemente der Adressatenbezogenheit,

die daher rühren, dass die Kinder sich kennen und auf eine gemeinsam erlebte Situa-

tion zurückgegriffen werden kann.

Der Adressat ist in beiden Erklärungen eher unruhig, hält kaum Blickkontakt und

wirkt unbeteiligt. In der zweiten Erklärung unterbricht er den Erklärenden jedoch

einmal, um ihm zu sagen, dass das gerade erklärte Spiel für ihn nicht schwierig sei.

Die erste Erklärung weist einige Informationslücken auf, so dass davon auszugehen

ist, dass der Sprecher den Erklärgegenstand selbst nicht vollständig durchdrungen

hat.

Der Adressat behauptet im Nachgespräch der ersten Erklärung, er habe den Sachver-

halt nicht komplett verstanden, was auch zutrifft. Bezüglich der zweiten Erklärung

gibt er an, er habe die Erklärung verstanden, weil er das Spiel selbst besäße.

Die zweite Erklärung kann als besser umgesetzte Erklärung angesehen werden, weil

sie durchgehend eine starke Adressatenbezogenheit aufweist, die in der ersten Erklä-

rung nicht in dieser Kontinuität zu finden ist. Dies ist allerdings nur möglich, weil

die Kinder sich kennen und der Erklärende auf eine bestimmte Situation, die direkt

mit dem Erklärgegenstand zu tun hat, zurückgreifen kann.

f. Erklärsituation F: Beide Erklärungen dieses Komplexes sind deskriptiver Art.

Häufig tritt das Adverb dann auf, es werden jedoch keine konklusivitätsanzeigenden

Indikatoren verwendet. Die Adressatin verhält sich in beiden Erklärungen sehr passiv

und ist ungewöhnlich ängstlich. Im Nachgespräch gibt sie an, die Erklärungen ver-

standen zu haben, was aber in beiden Fällen nicht zutrifft.

Während der Adressatenbezug in der zweiten Erklärung lediglich im Halten des

Blickkontakts besteht, lässt sich in der ersten Erklärung aufgrund guter Strukturiert-

heit, Detailliertheit und Verständlichkeit der Erklärung eine wesentlich stärkere Be-

mühung um die Übermittlung von Wissen erkennen. Aus diesem Grund kann die

erste Erklärung als die bessere angesehen werden.

III.1.1.2 Ergebnisse des personenbezogenen Vergleichs

Zunächst ist zu beobachten, dass die erste Erklärung in den meisten Fällen länger

und ausführlicher ist als die zweite. Lediglich in einem Fall ist dies umgekehrt (vgl.

Page 82: Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen · Ist in dieser Arbeit von einer oder mehreren Personen in maskuliner Form die Rede, so ist selbstverständlich auch die jeweils weibliche

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Erkl. E), zweimal stimmt die Länge der Erklärungen in etwa überein (vgl. Erkl. B

und D).

Insgesamt ergibt die Bewertung der Erklärungen, dass in drei Fällen die zweite Er-

klärung, Teil b, besser beurteilt wird (vgl. Erkl. C, D, E) und lediglich in einem Fall

die erste Erklärung, Teil a (vgl. Erkl. F). In zwei Fällen sind die Erklärungen in etwa

gleichwertig (vgl. Erkl. A, B).

Bei zwei der drei Erklärblöcke, bei denen die zweite Erklärung besser beurteilt wur-

de, liegt dies daran, dass der Sachgegenstand der ersten Erklärung vom Erklärenden

nicht komplett verstanden worden ist und daher teilweise gravierende inhaltliche

Lücken in der Erklärung auftreten.

Bei der Erklärung des Teils a, die besser bewertet wurde, besteht der Grund für diese

bessere Beurteilung wiederum in der stärker ausgeprägten Strukturiertheit und De-

tailliertheit im Vergleich zur zweiten Erklärung.

Daraus lässt sich ableiten, dass die Erklärung des Teils a nur dann besser als Teil b

ist, wenn der Sachgegenstand des Teils a gut durchdrungen wurde. Außerdem fällt

auf, dass die Erklärenden, die in einer Erklärung eine Adressatenbezogenheit aufwei-

sen, diese auch in der zweiten Erklärung vorweisen. Der Adressatenbezug ist folglich

entweder in keiner oder in beiden Erklärungen zu finden. Lediglich einmal ist der

Adressatenbezug in der Erklärung b deutlich stärker ausgeprägt als in Typ a (vgl.

Erkl. E), was daran liegt, dass der Hörer und der Erklärer das zu erklärende Spiel

bereits im Vorfeld unabhängig von der Studie gemeinsam zu spielen versucht haben.

Allerdings fehlt auch hier der Adressatenbezug in Teil a nicht, sondern ist lediglich

schwächer ausgebildet.

III.1.2 Inhaltsbezogener Vergleich

Nach dem Vergleich der Erklärungen innerhalb eines jeden Erklärkomplexes sollen

nun die Erklärungen in einen Zusammenhang gebracht werden, denen ein Unter-

richtsgegenstand zugrunde liegt (jeweils Teil a der Erklärkomplexe). Auf diese Wei-

se sollen sowohl allgemeine als auch individuelle Ergebnisse der Erklärfähigkeit der

Grundschüler herausgestellt werden.

Hierfür wurden die Rahmenbedingungen möglichst gleich gestaltet: Es wurden für

die Erklärungen Schüler des gleichen Alters aus der gleichen Wohngegend und der

gleichen Klasse ausgewählt, die im Unterricht die gleichen Inhalte erarbeitet haben.

Die Erklärungen stammen aus demselben Themenbereich Wetter.

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77

Die Erklärkompetenz wird hinsichtlich der Strukturierung des Sachverhalts, des Ad-

ressatenbezugs, der sprachlichen Umsetzung und der Reflexion der eigenen Erklä-

rung bzw. dem Herstellen einer kritischen kommunikativen Metaebene (vgl. I.1.3)

untersucht.

Die Erklärungen fallen insgesamt sehr unterschiedlich aus. Das lässt sich bereits an

der Dauer der Erklärungen erkennen, die zwischen 30 und 105 Sekunden variiert.

Alle Kinder gehen bei ihren Erklärungen chronologisch vor. Das Kriterium ist dafür

in allen Fällen die zeitliche Abfolge des jeweiligen Phänomens. So bauen die einzel-

nen Elemente sowohl bei der Erklärung des Wasserkreislaufs als auch der Entste-

hung von Blitzen aufeinander auf und stellen so eine temporale Abfolge dar. Dies

lässt sich nicht nur am Aufbau der Erklärungen erkennen, sondern auch am häufigen

Gebrauch des Konnektors und dann. Laut Piaget ist diese vielfache Verwendung

typisch für Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren. Er ist allerdings der Auffas-

sung, dass es sich dabei weder um eine temporale noch um eine kausale Verknüp-

fung handelt, sondern eine unzusammenhängende Aneinanderreihung der eigenen

Gedanken der Kinder widerspiegelt.167 Allerdings zeigt sich in den untersuchten Er-

klärungen, dass die Aneinanderreihung keineswegs willkürlich ist. Den Schülern

gelingt es durchaus, eine temporale Abfolge darzustellen, die der Realität entspricht.

Dabei haben fast alle Erklärungen deskriptiven Charakter. Lediglich die erste Erklä-

rung weist deutliche explikative Elemente auf.

Im Kontrast zum häufigen Gebrauch von und dann steht in den untersuchten Erklä-

rungen die seltene Verwendung konklusivitätsanzeigender Indikatoren. Zwar ist die

explizite sprachliche Markierung von Kausalität häufig nicht nötig, weil sich diese

bereits aus dem Kontext ergibt (vgl. II.2.1.2). Allerdings fehlen diese Indikatoren

zum Teil auch dort, wo sie sowohl aus syntaktischen als auch aus logischen Gründen

erforderlich gewesen wären (vgl. Erkl. Ca, Ea). In diesen Fällen wird deutlich, dass

die Verwendung konklusivitätserzeugender Indikatoren dem Hörer das Verstehen

deutlich erleichtert hätte bzw. der Verzicht auf die Indikatoren das Verstehen er-

schwert.

Dabei werden jedoch große Unterschiede zwischen den Erklärungen der Schüler

deutlich. So verwendet ein Junge den kausalen Konnektor weil dreimal (vgl. Erkl.

A), während andere ihn sowie andere konklusivitätsanzeigende Indikatoren gar nicht

gebrauchen (vgl. Erkl. D, E, F). Die Verwendung konklusivitätsanzeigender Indika-

167 Vgl. Piaget, Sprechen und Denken, 143 f.

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78

toren scheint folglich sehr anspruchsvoll zu sein, wobei die sprachlichen Fähigkeiten

wiederum bei vielen Kindern noch nicht genug ausgebildet zu sein scheinen, um die-

se Indikatoren verwenden zu können. Vielleicht liegt dieses Vermeiden des Anzei-

gens von Kausalität jedoch auch darin, dass es den Sprecher zwingt, sich festzulegen

und verbindlich darzustellen, welche Schlussfolgerung woraus gezogen werden kann

bzw. auf welchen Grund oder auf welche Ursache etwas zurückzuführen ist. Ledig-

lich der erste an der Erklärung teilnehmende Schüler, der hinsichtlich des Erklärge-

genstands eine ungewöhnliche Sicherheit aufwies, hat in beiden Erklärungen konklu-

sive Indikatoren verwendet (vgl. Erkl. A).

Vermutlich hängt diese bewusste oder unbewusste Vermeidungsstrategie eng mit

einer Auffälligkeit zu tun, die die Adressaten der Erklärungen betrifft. So hat kaum

ein Schüler die neuen Informationen und Zusammenhänge nach der Erklärung er-

folgreich in sein Wissens- und Denksystem integriert. Allerdings trifft dies auch auf

die Erklärungen zu, die konklusive Indikatoren beinhalten (vgl. Erkl. A). Der Grund

für das Verständnisproblem kann folglich nicht ausschließlich darin begründet lie-

gen.

Auf sprachlicher Ebene lässt sich deutlich erkennen, wie sehr die Kinder den Ge-

brauch von Hauptsätzen der Verwendung von Nebensätzen vorziehen. Lediglich in

einer Erklärung überwiegen Nebensätze (vgl. Erkl. A). Vermutlich fällt es den Kin-

dern leichter, Hauptsätze als Nebensätze zu bilden. Ein positiver Nebeneffekt ist da-

bei, dass die Adressatenkinder einfache Hauptsätze leichter verstehen als verschach-

telte Nebensatzkombinationen.

Der Bezug auf den Adressaten wird bei den Erklärungen, wenn überhaupt, meist nur

unterschwellig oder zu Beginn der Erklärung hergestellt. Dabei werden bei fünf der

Erklärungen keine Rückkopplungssignale verwendet (vgl. Erkl. B, C, D, E, F), ob-

wohl die Sprechhandlung Erklären so stark darauf angewiesen ist (vgl. I.1.3). Ledig-

lich ein Kind gebraucht diese Signale überhaupt (vgl. Erkl. A).

Dieser allgemeine Befund des mangelnden Interesses des Erklärenden an der Wis-

sensübernahme des Adressaten spielt vermutlich auch eine Rolle bei dem bereits

erwähnten Problem, dass die Hörer das Wissen zum größten Teil nicht übernehmen

konnten. Allerdings gelingt dies auch nicht in dem Fall, in dem Rückkopplungssigna-

le verwendet werden und auch anderweitig ein starker Adressatenbezug hergestellt

wird. Zu fragen ist, warum dieses Interesse und die Bemühung um Absicherung des

Verständnisses der Hörer kaum zu finden ist. Den Schülern scheint das Bewusstsein

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dafür zu fehlen, worin das Ziel einer – und somit auch ihrer – Erklärung besteht,

nämlich im Aufbau von Wissen beim Adressaten der Erklärung.

III.1.3 Abschließende Einordnung der Studienergebnisse

Im bisher Dargestellten wurde gezeigt, dass die meisten Schüler bezüglich des Erklä-

rens große Defizite aufweisen. Diese äußern sich insbesondere in einem fehlenden

oder unzureichenden Wissensaufbau beim Adressaten. Es muss allerdings beachtet

werden, dass beispielsweise Erklärung A, die hinsichtlich ihrer sachlichen Korrekt-

heit, Struktur, und Bemühung um Bezugnahme auf den Adressaten als hochwertig

eingeschätzt werden muss, keinen erheblichen Wissenszuwachs beim Adressaten

geleistet hat. Ein allein über die Wissenszunahme gefälltes Urteil der Qualität der

Erklärleistung wäre somit unzureichend.

Die Schwierigkeiten der Schüler, eine gute Erklärung durchzuführen, sind zumeist

auf gleiche Ursachen zurückzuführen.

Der zu erklärende Sachverhalt wurde im Vorfeld häufig nicht ausreichend durch-

drungen, was besonders an knappen und inhaltlich undetaillierten Erklärungen zu

erkennen ist. Zusätzlich ist dies durch den selbstverständlichen Gebrauch spezieller

Ausdrücke aus dem Begriffsfeld des jeweiligen Erklärgegenstandes ersichtlich, die

der Erklärende voraussetzt, obwohl eine vorangehende Begriffsklärung notwendig

wäre.

Rückversicherungen über das Verständnis seitens des Adressaten fehlen mit einigen

Ausnahmen grundsätzlich. Der Grund dafür liegt vermutlich darin, dass der inhalt-

liche Aspekt der Erklärung die Schüler hinsichtlich ihrer Kapazitäten soweit auslas-

tet, dass eine Sensibilität für den Adressaten und ein besonderes interaktives Bemü-

hen eine Überforderung darstellt.

Der fehlende Adressatenbezug ist auch auf eine fehlende bzw. unzureichende Refle-

xion der Erklärung im Hinblick auf Erklärmotivation und Erklärabsicht zurückzufüh-

ren. Die Leitfrage, warum erklärt wird, das heißt, die Motivation und der Grund der

Erklärung, scheinen von den Schülern nicht hinreichend beachtet zu werden. In der

Gestaltung des eigentlichen Erklärgeschehens fehlt die nötige Distanz, aus welcher

heraus der Erklärprozess hinsichtlich des Ziels der Erklärung, das im Wissensaufbau

beim Adressaten liegt, kritisch reflektiert wird. Folglich werden kaum direkte Adres-

satenbezüge hergestellt und es besteht kein Interesse daran, ob ein Wissensaufbau

stattgefunden hat. Obwohl es laut Hohenstein für eine Erklärung nicht konstitutiv ist,

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80

dass der Erklärende sich des Wissensaufbaus des Adressaten vergewissert,168 muss es

doch als ein wichtiges Indiz für das Bemühen um Adressatenbezogenheit gelten, da

es eine Reflexion und Adaption der Erklärung an den Adressaten ermöglicht (vgl.

I.1.1).

Allerdings sind diesbezüglich einige Ausnahmen zu nennen. So werden im ersten

Erklärblock direkte Rückkopplungssignale (z. B. „Verstanden?“, Erkl. Aa, Fl. 8 f.)

verwendet, wodurch deutlich wird, dass dem erklärenden Schüler durchaus der

Zweck des Wissensaufbaus bewusst ist. Eine ähnliche Ausnahme bildet die Erklä-

rung (Erkl. Ba), in der die Sprecherin zu Beginn sagt: „Ja, ich kann dir das erklären.

(.) Also, guck“ (Erkl. Ba, Fl. 1 f.). Mit dieser direkten Anrede ihres Gegenübers zeigt

sie, dass die Erklärung als an einen Adressaten gerichtet verstanden ist. Dies kann

ebenso in der Äußerung „Und das Spiel/ weißt du/ ich erklärs dir mal jetzt, wie es

richtig funktioniert.“ (Erkl. Eb, Fl. 2 f.) der Erklärung des Videospiels (Erkl. Eb)

beobachtet werden.

Allerdings treten diese direkten Bezüge in den beiden zuletzt genannten Beispielen

lediglich zu Beginn der Erklärung auf, während im weiteren Verlauf der Erklärung

keine direkten Adressatenbezüge mehr erfolgen.

Grundsätzlich ist zu beobachten, dass, sofern Rückmeldungen bezüglich des Ver-

ständnisses auftreten, diese nicht verlässlich sind. So bejaht S1A die Nachfrage des

Erklärenden, ob er die Erklärung verstanden habe (vgl. Erkl. Aa, Fl. 8 f.; Erkl. Ab,

Fl. 14), obwohl aus dem Nachgespräch hervorgeht, dass dies tatsächlich nicht zu-

trifft. Diese Beobachtung wurde in ähnlicher Weise auch bei den anderen Adressaten

gemacht. So gaben fast alle im Nachgespräch an, die Erklärungen verstanden zu ha-

ben, hatten aber zum Teil große Schwierigkeiten, diese zu rekonstruieren.

Der mangelnde Adressatenbezug lässt sich auch auf sprachlicher Ebene deutlich fest-

stellen. Zwar verwenden die Schüler einige Konnektoren, die den Hörer grundsätz-

lich dazu auffordern, eine Kenntnisverarbeitung des gerade Gehörten mit bereits Be-

stehendem durchzuführen (vgl. I.1.1). Verwendet werden vorrangig neutrale Kon-

nektoren wie und oder temporale Konnektoren wie und dann oder dann. Diese neu-

tralen Konnektoren unterstützen eine Informationsverarbeitung des Hörers allerdings

nicht, da sie keine inhaltlich eindeutigen Bezüge herstellen. Eindeutige Verweise wie

z. B. konklusivitätsanzeigende Indikatoren treten fast nicht auf.

168 Vgl. Hohenstein, Erklärendes Handeln, 137.

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81

In der Gesamtbetrachtung der Studie wird deutlich, dass bei Grundschülern eine Er-

klärfähigkeit in Abhängigkeit ihrer individuellen Kompetenzen vorhanden ist. Die

Fähigkeiten in Hinblick auf Komponenten, die für Erklärungen von Bedeutung sind,

differieren in den Erklärungen. Die Struktur der Erklärungen, das Verständnis des

jeweiligen Sachgegenstandes, die sprachliche und interaktive Umsetzung sowie die

Erklärmotivation sind in unterschiedlicher Qualität vorhanden. Die tatsächlichen

Erklärergebnisse eines Grundschülers fallen somit individuell und von Erkläraufgabe

zu Erkläraufgabe verschieden aus. Als zentrales Defizit ist im Rahmen der Studie ein

mangelnder Adressatenbezug zu fixieren. Hiervon ausgehend sollen in Abschnitt

III.3 mögliche Förderungsansätze bedacht werden.

III.2 Impulse für eine mögliche Ausweitung der Studie

Aus den Untersuchungsergebnissen lassen sich einige wichtige Faktoren ableiten, die

bei einer weiteren Untersuchung aufgegriffen werden könnten, um so weitere Er-

kenntnisse über den Prozess der Erklärung und die Erklärfähigkeit zu gewinnen.

So könnte der Sprecher nach der durchgeführten Erklärung in einer Art Interview

befragt werden, wie er den Prozess der gerade erteilten Erklärung einschätzt. Dabei

könnten die Fragen nach dem Wie, dem Was und dem Warum der Erklärung eine Art

Leitfaden darstellen. In Anbetracht der Untersuchungsergebnisse wäre es dabei be-

sonders interessant, zu erfahren, worin der Erklärende den generellen Grund für Er-

klärungen sieht und ob er der Meinung ist, diesen Grund während seiner Erklärung

vor Augen gehabt zu haben. Gleichermaßen von Interesse wäre die Einschätzung des

Erklärenden, ob ihm während der Erklärung der Erklärgegenstand durchgehend prä-

sent gewesen ist sowie die Selbsteinschätzung bei der Umsetzung der Erklärung. All

diese Ergebnisse würden Aufschluss darüber geben, wie die Kinder ihre Erklärungen

einschätzen und inwiefern sie in der Lage und bereit dazu sind, sich selbst und ihre

Erklärungen zu reflektieren.

Die Studie hat gezeigt, dass die Hauptproblematik der Erklärungen im mangelnden

Adressatenbezug zu finden war. Es wäre also eine Ausweitung denkbar, die sich spe-

ziell dieser Thematik widmet. Dazu würde dem Erklärenden nach der erteilten Erklä-

rung deutlich gemacht werden, dass das Ziel der Erklärung im Wissensaufbau beim

Adressaten liegt. Im Anschluss an diese Information würde der Sprecher die Erklä-

rung einem anderen Kind erneut erteilen. Die beiden Erklärungen müssten dann ins-

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besondere hinsichtlich des Adressatenbezugs miteinander verglichen und daraufhin

untersucht werden, ob in der zweiten Erklärung ein stärkerer Adressatenbezug zu

finden ist als in der ersten.

III.3 Didaktischer Ausblick

In diesem abschließenden Ausblick wird der Frage nachgegangen, warum es sinnvoll

ist, die Erklärfähigkeit von Schülern zu fördern und an welchen Punkten hinsichtlich

der erlangten Ergebnisse im schulischen Kontext angesetzt werden sollte.

Die Förderung der Erklärfähigkeit erweist sich aus verschiedenen Gründen als sinn-

voll und wichtig. Sie ist ein „zentraler Bestandteil der menschlichen Kommunika-

tionsfähigkeit“169 und stellt in vielen Bereichen eine wichtige Schlüsselkompetenz

dar.170 Anhand der Förderung der Erklärfähigkeit können grundsätzliche diskursive

Fähigkeiten erlernt und ausgebaut werden.

Im Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg für Grundschulen ist die Förderung

der Erklärfähigkeit von Schülern nicht explizit verortet.171 Allerdings heißt es dort,

dass es Aufgabe des Deutschunterrichts sei, „den Kindern die Sprache als wichtigstes

Mittel zur zwischenmenschlichen Verständigung, zur Wahrnehmung, Verarbeitung

und Vermittlung der realen Welt, zur Entwicklung von Vorstellungswelten und zum

Nachdenken über sich selbst erfahrbar und nutzbar zu machen.“172 Erklären kann

dabei sowohl ein Mittel zur Verständigung untereinander als auch zur Wahrnehmung

und Vermittlung der realen Welt darstellen und damit wichtige Funktionen erfüllen.

Jemandem etwas zu erklären kann nicht nur seinem eigentlichen Zweck, der Wis-

sensvermittlung, dienen, sondern auch im Sinne des Lernens durch Lehren173 beim

Erklärenden Wissen ausbauen und festigen.174 So prägen sich Schüler etwa 90% des-

sen, was sie selbst jemandem erklärt haben, ein,175 weil beim Erklären Verstehens-

prozesse angestoßen werden, die beispielsweise beim Zuhören nicht angeregt wer-

den. Allerdings zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass Erklärungen nur

dann gut sind und gelingen können, wenn der Sachverhalt zuvor vom Erklärenden

verstanden worden ist. Ein Erklären zum Festigen des Erklärgegenstandes fördert

169 Hohenstein, Erklärendes Handeln, 97. 170 Vgl. Spreckels, Erklären im Kontext, 1, 3. 171 Vgl. Spreckels, Erklären im Kontext, 3. 172 Ministerium für Kultus, Unterricht und Sport, Bildungsplan, 43. 173 Nach Jean-Pol Martin: Martin, Lernen durch Lehren. 174 Vgl. Bastian, Lernen durch Lehren; dazu kritisch: Renkl, Lernen durch Erklären. 175 Vgl. Bochmann, Kooperatives Lernen, 19.

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somit nicht die Fähigkeit, eine gute Erklärung zu erteilen, sondern im besten Fall das

Verstehen seitens des Erklärenden. Bei der didaktischen Verwendung der Sprech-

handlung Erklären muss folglich klar sein, was gefördert werden soll – die Erklärfä-

higkeit oder das Verstehen des erklärenden Schülers.

Um die Erklärfähigkeit von Schülern gezielt fördern zu können, muss an den Punk-

ten angesetzt werden, die den Kindern Schwierigkeiten bereiten und bei denen die

größten Mängel bestehen. In der vorliegenden Untersuchung lag die Schwierigkeit

der Schüler beim Erklären hauptsächlich darin, dass ihnen die Erklärmotivation nicht

bzw. nicht durchgehend präsent war und sie deshalb kaum Bezug auf ihr Gegenüber

genommen haben. Aus diesem Grund ist es zunächst notwendig, den Schülern den

grundsätzlichen Zweck von Erklärungen zu verdeutlichen und ihnen dadurch eine

kommunikative Metaebene zu verschaffen.176 Mit Hilfe dieser Metaebene kann den

Kindern gezeigt werden, wie wichtig ein gezielter und durchgehender Adressatenbe-

zug vor, während und am Ende der Erklärung ist. In diesem Zusammenhang sollten

die Schüler verstehen, dass eine Erklärung ein interaktiver Prozess ist, den nicht nur

der Erklärende, sondern auch der Adressat durch Hörersignale und Fragen aktiv mit-

gestaltet. Tut er dies nicht, erschwert er dem Erklärenden ein adressatennahes Erklä-

ren. Diese Rückmeldungen sollte der Erklärende durch den Gebrauch von Rückkopp-

lungssignalen einfordern, um den Kenntnisstand des Gegenübers einschätzen und

seine Erklärung daran adaptieren zu können. Eine ehrliche Antwort des Adressaten

auf Verständnisfragen ist ebenso wichtig.

Neben diesen grundsätzlichen Ansätzen sollte eine individuelle Förderung erfolgen,

die sich an den jeweiligen Schwierigkeiten der einzelnen Schüler orientiert. Die Stu-

dienergebnisse zeigen, dass neben der vernachlässigten Adressatenorientierung und

häufig ausgesparter konklusivitätsanzeigender Indikatoren ganz unterschiedliche

Mängel hinsichtlich der Erklärkompetenz bestehen.

Damit diese Förderung erfolgreich ist, bedarf es einer ständigen Selbstreflexion der

Schüler. Dabei kann nicht nur die ehrliche Rückmeldung des Adressaten, inwiefern

die Erklärung verstanden worden ist, Aufschlüsse über die Qualität der erteilten Er-

klärung geben. Auch eine gezielte Beurteilung der Erklärung durch den Adressaten

kann helfen, die Erklärfähigkeit zu verbessern. Dies sollte hinsichtlich der Darlegung

des Sachverhalts, der Adressatenbezogenheit, der Verwendung konklusivitätsanzei-

gender Indikatoren, der Eindeutigkeit der Kohäsionsmittel und der Flexibilität der

176 Vgl. Berkemeier, Wissen macht Ah, 9.

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Erklärstrategie erfolgen. Um den Schülern eine solche Rückmeldung zu erleichtern,

könnte beispielsweise gemeinsam ein Kriterienkatalog erstellt werden, der diese und

ergänzende Aspekte beinhaltet, mit dessen Hilfe eine empfangene Erklärung analy-

siert werden könnte.

Die Förderung der Erklärfähigkeit kann ausgesprochen gut fächerübergreifend um-

gesetzt werden. In jedem Unterrichtsfach werden regelmäßig fachspezifische Sach-

verhalte erklärt. Hier bietet es sich an, nach der grundständigen Einführung des

Themas Schüler selbst erklären zu lassen. Ist einem Schüler ein Thema aus anderen

Zusammenhängen schon bekannt, kann eventuell auch die grundständige Erklärung

von diesem übernommen werden. Dies bietet den Schülern die Möglichkeit, die ge-

lernten Kriterien guten Erklärens mehr und mehr umzusetzen. Hierbei besteht aller-

dings die Gefahr, dass der eigentliche Zweck der Erklärung, der Wissenszuwachs der

Hörer, aus dem Fokus gerät. Dabei ist es die Aufgabe des Lehrers, dafür zu sorgen,

dass ein geeignetes Gleichgewicht zwischen der Förderung der Erklärkompetenz und

dem Wissenszuwachs der Schüler besteht.

Für Übungsprozesse sollten nicht ausschließlich Erklärgegenstände aus dem Unter-

richtskontext gewählt werden, sondern auch solche aus dem privaten Bereich der

Kinder. Hierdurch soll ermöglicht werden, dass die Schüler durch einen persönlichen

Bezug zum Gegenstand eine deutliche Erklärmotivation vorweisen, da sie etwas aus

ihrem Erfahrungskontext mitteilen können. Grundsätzlich ist es wichtig, in Übungs-

einheiten möglichst authentische Erklärsituationen zu schaffen. Das bedeutet, dass

eine jeweilige Erklärung als wichtig und in dieser Situation notwendig erachtet wird.

Dies wird für Schüler zum einen dadurch deutlich, dass ein Wissensgefälle unter den

Gesprächspartnern vorherrscht und ein Wissensdefizit bei einem oder mehreren

Schülern mithilfe einer Erklärung überbrückt werden kann. Zum anderen bedarf es

einer eindeutigen Initiierung der Erklärung. Dies kann durch den Erklärenden selbst

oder durch den Empfänger bzw. den Empfängerkreis erfolgen. Hierdurch soll eine

Kompetenz für alltägliche Erklärsituationen vermittelt werden, die für einen auftre-

tenden Erklärbedarf in zweifacher Hinsicht sensibilisiert. Der Schüler muss einerseits

wahrnehmen, wann er seinerseits durch eine Erklärung ein Wissensdefizit ausglei-

chen kann und muss andererseits wahrnehmen, wann ein Wissensdefizit bei ihm

selbst besteht und dies durch eine ehrliche Frage und somit eine eingeforderte Erklä-

rung kompensiert werden kann.

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Weiterhin sollte ein vertrauter Umgang mit verschiedenen Erklärungsarten und eine

Reflexion des Erklärprozesses eingeübt werden. In Hinblick auf die verschiedenen

Erklärungsarten könnte den Schülern vermittelt werden, dass Erklärungen eher inten-

siv oder eher oberflächlich ausfallen können. Ein Anhaltspunkt hierfür könnte sein,

ob und wie detailliert Ursachen für ein zu erklärendes Phänomen dargelegt werden

oder auf die Erfahrungswelt des Adressaten eingegangen wird. In Hinblick auf die

Reflexion des Erklärprozesses ist das von Berkemeier vorgeschlagene Dreierschema:

Fokuserhaltung, Verdeutlichung des Zwecks der Erklärung und Verständnissiche-

rung des Erklärten geeignet. Die Schüler prüfen im Anschluss hieran eine Erklärung

mit den Fragen, was erklärt wird, warum die Erklärung geschieht und wie die Erklä-

rung vor allem in Hinblick auf den Wissenstransfer realisiert wird.177

Im Rahmen der Studie zu der „Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen“ ist deutlich

geworden, dass eine grundsätzliche Erklärkompetenz bei Grundschülern vorhanden

ist. Eine gezielte Förderung kann an festgestellte Defizite anknüpfen und die Erklär-

fähigkeit verbessern.

177 Vgl. Berkemeier, Wissen macht Ah, 9.

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V. Anhang

Übersicht:

V.1 Legende der Transkriptionszeichen

V.2 Transkripte der Erklärsituationen

V.3 Ausdruck der verwendeten Internetquelle

V.4 Versicherung über die selbstständige Anfertigung der Wissenschaftlichen

Hausarbeit

V.5 Video-DVD: Eine Studie zu der Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen.

Durchgeführt von Julia Nagel in der Friedrich-Ebert-Grundschule Heidel-

berg am 15. Mai 2009 (Videomaterial)

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V.1 Legende der Transkriptionszeichen

kursiv nonverbal

/ (Int.) Stimmhebung

\ (Int.) Stimmsenkung

(.) kurze Pause

(2) 2 Sekunden Pause

( ) unverständlicher Äußerungsteil

genug betonte Silbe

: Längung

(( )) Kommentar

/ Abbruch einer Äußerung

// Abbruch der Transkription

------- Dauer einer kommentierten Handlung

R rechte Hand

L linke Hand

F Fuß

B Blick

l links/ linke/r/s

r rechts/ rechte/r/s

u unten

o oben

v vorne

2 Zeigefinger

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V.2 Transkripte der Erklärsituationen

V.2.1 Erklärsituation Aa (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Aa Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schüler der dritten Klasse S3A S1 Schüler der ersten Klasse S1A Erklärgegenstand: Die Entstehung eines Blitzes

┌------------------------------------------------- │ >┌ / │S3└ Mhm also │ >┌ / │S1└ Kannst du mir erzählen, wie ein Blitz entsteht? 1 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ ähm da rei/ ähm in einer/ also/ im (.) Sommer ähm ent- 2 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ stehen sehr oft dunkle Wolken und da sind halt ähm (2) 3 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ Lu/ is halt Luft, Wassertropfen (.) und/ (.) und Eis- 4 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ kristalle drin und die wirbeln halt/ ähm wirbeln sich 5 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ halt in der Wolke rum und dann reiben die sich aneinan- 6 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │ >┌ / ((spricht │S3└ der (.) und ähm erzeugen so Strom (3) wie beim Wasser- 7 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │ >┌ schneller--------------------------------------)) │S3└ fall, wenn der fällt, dann erzeugt der auch Strom. Ver- 8 └------------------------------------------------------------

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┌------------------------------------------------- │S3[ standen? Und dann ähm (.) äm zucken halt die Blit- │S1┌ Ja │ └ nickt 9 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ ze runter. (.) Und die können über dreißigtausend Grad 10 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3┌ Celcius heiß werden (2) und des' sehr heiß. │ └ schaut S1 erwar- │S1┌ Ok │ └ nickt zurück- 11 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3┌ Und (.) mh (.) ahm wenn ma/ wenn ähms draußen │ └ tungsvoll an │S1┌ │ └ haltend 12 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ blitzt, dann sollte man eigentlich nicht unter einem 13 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ Baum sein, (.) weil der Blitz sucht sich immer die 14 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │ >┌ / │S3└ höchsten Sachen aus (2) also, dass auch dann ähm, dass 15 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3┌ er sich die höchsten Sachen aussucht (.) und deswegen │ └ L schnellt kurz nach o 16 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ sollte man, wenn man auch grad so an/ am Wasser is, 17 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ sollte man äh schnell ausm Wasser, weil (.) Wasser lei- 18 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ tet Strom. (.) U:nd (.) also wenn man grad aufm │S1┌ Ähä │ └ blickt nach u 19 └------------------------------------------------------------

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┌------------------------------------------------- │S3[ Weg läuft und es dann anfängt, zu blitzen, auf so'm 20 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ Wanderweg, (.) da sollte man sich am besten klein ma- 21 └------------------------------------------------------------

┌------------------------------------------------- │S3[ chen. (2) Mh, jetzt erklär ich dir noch was │S1[ Ok (2) 22 └------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ über Fußball///

23 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Aa.

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V.2.2 Erklärsituation Ab (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Ab Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schüler der dritten Klasse S3A S1 Schüler der ersten Klasse S1A Erklärgegenstand: Die Fußballregel „Abseits“

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• Mh, jetzt erklär ich dir noch was über Fußball.

• • grinst, lacht

•S1•

• • lacht

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• Also (.) ähm weißt du, dass man hier mit der Seite

• • zeigt mit L auf die In-

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• schießen muss? Soll ich dir Abseits erklären? Also

• • nenseite von rF

•S1•

• • Ja Ja

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ hast du's schon mal ähm verstanden? Also zum Bei-

•S1• Ja

• • ((zurückhaltend))

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ spiel (.) wenn ähm der Torwart aus (.) also ich' sag je/

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• sag ich m ma Dossenheim (2) auf dieser Seite hier ist

• • zeigt nach r

•S1[ Ja

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und dann an/ aus/ und der Spiel/ und der Abwehrspieler

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• von Dossenheim hier ist (.) aber der andere Spieler aus

• • zeigt mit L nach v

8 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3• (.) ähm Kirchheim hier ist und der/ und der aus Kirch-

• • zeigt mit L nach v

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• heim dann auf das Tor schießt von Dossenheim, dann ist

• • zeigt mit L von l nach r

10 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• das Abseits, weil der/ weil hier kein/ äma kein äh Ab-

• • zeigt vor sich

11 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ wehrspieler von (.) Dossenheim ist (2) und so ist das

•S1[ Mhm

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ dann, (.) dass da kein/ dass das dann kein Tor ist. (.)

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• Ja. (.) Haste's verstanden? Gut!

• • schaut zur Kamera

•S1[ Ja

14 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Ab.

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V.2.3 Erklärsituation Ba (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Ba Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schülerin der dritten Klasse S3B S1 Schüler der ersten Klasse S1B Erklärgegenstand: Der Kreislauf des Wassers

•-------------------------------------------------

•S3[ Ja,

•S1• Kannst du mir erklären, wie der Wasserkreislauf ist?

• • Wendet B zu S3

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• ich kann dir das erklären. (.) Also, guck, im See oder

• • grinst

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ im Meer (.) da bilden si/ dann/ da kommt Feuchtigkeit

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• nach oben (.) und/ und das sind so kleine Wasserteilchen

• • führt L und R vor

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• \

•S3• (2) und die (.) bilden eine Wolke (2) und diese Wolke

• • sich zusammen

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ wird dann vom Wind weitergeschoben (3) und dann/ eine

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ bestimmte Füllmenge (.) hat die Wolke und dann fängt es

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ an, zu regnen. (.) Und wenn sie die (.) Füllmenge dann

8 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• hat, dann regnet es auf der Welt oder schneit es. (.)

9 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3[ Und dann, wenn der Regen bei der Erde ist, geht es ja

10 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• nich (.) run/ es geht ja runter, weil (.) auf einem

• • deutet mit Handflächen nach u

11 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• Steinboden bleibt die Pfütze ja (.) da und wenn/ bei der

• • öffnet Handflächen nach o

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[1] Führt K • >• /

ruckartig nach •S3• Erde (.) da geht es nach unten, wie ein under/ unter-

u und guckt • • deutet mit Händen nach u; [1]

nach o • •

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[2] Lehnt K • >•

nach r •S3• irdischen Gang (2) und dann geht es wieder in/ in den

• • [2]

14 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• See oder in das/ (.) in den/ in de s Meer. (.) Und dann

• • nickt einmal

15 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[3] Deutet mit • >•

R Kreisbewegung •S3• entst/ und dann ist der Kreislauf fertig und dann geht

an • • [3]

16 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• es die ganze Zeit so (.) rund/ rum (2)

• • blickt zu S1; schaut zum IN

•S1[ Ok.

17 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Ba.

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102

V.2.4 Erklärsituation Bb (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Bb Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schülerin der dritten Klasse S3B S1 Schüler der ersten Klasse S1B Erklärgegenstand: Das Lauf- und Werfspiel „Jägerball“

•-------------------------------------------------

•S3• Ok. Kennst du Jägerball? Ja (5)

• • wendet B zu S1 schaut IN

•S1[ Jägerball? Ähä

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3•

• • fragend an

•IN• Kennst du noch ein anderes Spiel, das du er-

• • lacht S3 an

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[1] Legt K nach • >•

denklich zur •S3• Kennst du: (1) Kennst du:

Seite und • • [1] blickt zu IN

schaut nach o • •

•S1•

• • blickt zu IN

•IN[ klären könntest? Oder (.)

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (2) Ok! (.) Also

•IN[ Oder willst du es trotzdem erklären?

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• (.) da braucht man einen Ball (.) und dann wird man ab-

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ geworfen, also wenn du jetzt den Ball in der Hand hast,

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ dann kannst du ihn zum Beispiel zu einem (.) hinwerfen

7 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• und versuchen, abzuzwerfen und dann ist er draußen. (.)

8 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Und dann musst du das die ganze Zeit so äh machen.

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3•

• • blickt zu IN

•S1• Jo

• • leise und zurückhaltend

• • blickt zu IN

10 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Bb.

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104

V.2.5 Erklärsituation Ca (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Ca Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schüler der dritten Klasse S3C S1 Schülerin der ersten Klasse S1C Erklärgegenstand: Der Kreislauf des Wassers

•-------------------------------------------------

•S3[ Also (.) die (.) Sonne, also wenn die

•S1[ Wie entsteht Regen?

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• ganz warm auf die Meeresoberfläche/ äh (.) wie heißt das

• • schaut

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[1] S3 nimmt R • >•

vor den Mund •S3• nochmal? (3) äh wie heißt das nochma/ ich kann dieses

• • verlegen aus einem Fenster schaut zu IN

• • [1]

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• Wort jetzt nicht mehr Nein! Ja,

• • winkt mit R ab

•IN[ Verdunsten? Scheinen?

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• schi/ scheint, dann (.) dann verdunstet 'n Teil und dann

• • führt R nach u

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /\/

•S3• kommt es als ganz kleine Wasserteilchen hoch und (.) aus

• • formt mit Händen eine Kugel vor sich

• • führt R nach o

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ den kleinen Wasserteilchen entstehen Wolken (.) dann

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ bläst der Wind die Wolken weiter und auf dem Weg irgend-

8 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3[ wo hin, sammelt die noch mehr Wasserteilchen und wenn

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• die so richtig dick (.) und (.) fett ist, dann/ dann

• • deutet mit Händen einen Raum vor sich an

10 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ kommt der Regen wieder runter und dann fließt der/ also

11 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• und dann (.) wenn er wieder auf der Erde ist, dann si-

• • führt

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• ckert er runter (.) zum mh/ zum Erd/ zum Steinbo/ also

• • R nach u führt R mehrmals nach u, begleitendes

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[2] Führt R • >•

heftig nach u •S3• zum Erdboden und dann vom Steinboden/ äh/ vom Erdboden

• • Kopfnicken und -schütteln-------------------------------

14 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• zum Steinboden und wenn/ (.) manchmal da bleibt w/ das

• • ----[2]

15 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Wasser an den(.) Stein hängen und kann nicht mehr wei-

16 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• ter, aber immer 'n Teil kommt da ganz bestimmt weiter

17 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und dann (.) kommt die weiter zum/ vom Steinboden zum

18 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• Grundwasser und vom Grundwasser aus fließt es wieder z/

• • führt R nach u

19 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ zurück zum Meer und dann so immer weiter. Die Sonne

20 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3• scheint drauf, ein Teil verdunstet, die Wasserteilchen

• • führt R nach u führt R nach o

21 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• \

•S3• fliegen hoch und so immer weiter. (.) U:nd so geht 'n

• • führt R schnell nach o

22 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• bisschen der Kreislauf des Wassers. (.) Und (.) jetzt

23 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ würd ich noch etwas///

24 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Ca.

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V.2.6 Erklärsituation Cb (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Cb Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schüler der dritten Klasse S3C S1 Schülerin der ersten Klasse S1C Erklärgegenstand: Die Fußballregel „Abseits“

•-------------------------------------------------

•S3[ Und (.) jetzt würd ich noch etwas über den Abs/ über

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• Fußball erklären, über das Abseits. (2) Also, (.) wenn

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• jetzt n' Spieler (2) also (.) jetzt sagen wir mal das

• • steht auf, deutet vor sich

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• hier ist jetzt mal die Torlinie und das wäre fies, wenn

• • auf dem Boden eine Torlinie an und begleitet durch Zei-

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• das/ wenn da jetzt schon der Torwart steht und ein Spie-

• • gen und Bewegung seine Ausführungen---------------------

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[1] Deutet mit • >•

rF einen Schuss •S3• ler passt noch rüber zu den einen, und der steht hinter

an • • --------------------------------------------------------

• • [1]

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

[2] Deutet mit • >•

rF einen Schuss •S3• der Linie und dann schießt der weiter zum Torwart, das

an • • --------------------------------------------------bleibt

• • [2]

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• wäre dann fies, denn da hätte er gar keine Chance, des-

• • stehen

8 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3• halb ist das n' Abseits, dass es nicht unfair für die a

• • setzt sich wieder

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• Gegner ist. (.) Denn sonst könnte man es ja immer machen

• • steht auf

10 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• batsch, batsch drin, batsch, batsch und schon wieder

• • und deutet mit rF Torschüsse an-------------------------

11 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• drin, dann äh/ das wäre da zu leicht und unfair, wenn

• • steckt L in Hosentasche setzt sich wieder

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ man dann vielleicht vierzehn zu null verlieren könnte

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (.) das wäre dann schon 'n bisschen zu/ äh und dann wür-

14 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ den die ja schon absteigen. Selbst der KSC, der schon

15 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (.) fast absteigt, der wenn/ de/ wenn es der schon so

16 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ist, dass man das dürfte, aber darf man halt nicht, dann

17 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• wäre der schon längst unten (2) ja und das wäre schon

• • blickt zu S1

18 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• fies.

• • blickt nach u, dann zu IN

19 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Cb.

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V.2.7 Erklärsituation Da (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Da Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schülerin der dritten Klasse S3D S1 Schülerin der ersten Klasse S1D Erklärgegenstand: Die Entstehung eines Blitzes

•-------------------------------------------------

•S3[ Also/ ähm/ des/ ähm also

•S1[ Lydia, wie entsteht ein Blitz?

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• wenn im Sommer dunkle Wolken aufziehen, ähm denn kommt

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ein Gewitter und denn sammeln sich ganz viele Regentrop-

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ fen und Staubkörner oder/ (.) und Eiskristalle und die/

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und die enst/ en/ die (2) laden sich denn auf und denn

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• werden die ganz heiß und denn kommt der Blitz.

• • blickt zu IN

6 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Da.

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110

V.2.8 Erklärsituation Db (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Db Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schülerin der dritten Klasse S3D S1 Schülerin der ersten Klasse S1D Erklärgegenstand: Das Lauf- und Werfspiel „Jägerball“

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• Also (2) ähm das Spiel, da ist ein (.) Ball/ also da

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ sind ganz viele Kinder und ein (.) ähm (.) und ei:ner/

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ da gibt es halt ganz viele Kaninchen oder Rehe und ei-

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ner, der ist ein Mensch, der ist ein Jäger. Das heißt

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Jägerball, das Spiel. Und der hat einen Ball, aber wenn/

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ u/ aber der darf sich keinen Schritt mit dem ge/ bewegen

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und der versucht also, die Tiere ab-zu-schießen mit dem

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Ball und (.) wenn (.) und denn die abgeschossen sind,

8 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ die müssen sich auf die Bank se/ auf eine Bank setzen

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• und wenn da fünf sind, dürfen alle wieder frei.

• • blickt

10 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3•

• • zu IN

11 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Db.

Page 118: Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen · Ist in dieser Arbeit von einer oder mehreren Personen in maskuliner Form die Rede, so ist selbstverständlich auch die jeweils weibliche

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V.2.9 Erklärsituation Ea (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Ea Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schüler der dritten Klasse S3E S1 Schüler der ersten Klasse S1E Erklärgegenstand: Der Kreislauf des Wassers/ Die Entstehung eines Blitzes

•-------------------------------------------------

•S3[ Ok. Also

•S1[ Kannst du mir bitte sagen, wie Regen entsteht?

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ zuerst regnet es dann ähm auf die St/ wenn es regnet/

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ auf dem Stein bleibt es stehn'/ ähm dann bildet es 'ne

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Pfütze/ wenn's auf die Erde regnet, dann verdunstet es,

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• also sickert durch die Erde runter (.) ganz runter bis

• • führt R nach u

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ zur Steinschicht. Irgendwann geht's nicht mehr weiter,

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ geht ganz nach unten zur Steinschicht, geht zum Grund-

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• wasser, also da geht's/ fließt es zum Meer (.) und ähm

8 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (.) und dann saugt es die Sonne irgend/ saugt es auf (.)

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ also machts dann so rauf/ bisschen rauf/ und dann saugt

10 •------------------------------------------------------------

Page 119: Erklärfähigkeit von GrundschülerInnen · Ist in dieser Arbeit von einer oder mehreren Personen in maskuliner Form die Rede, so ist selbstverständlich auch die jeweils weibliche

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•-------------------------------------------------

•S3• die das auf, dann enstehen schwarze Wolken, wie die da

• • zeigt mit L

11 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• zum Beispiel. (2) Und dann regnet es wieder. Und Gewit-

• • aus dem Fenster

• • schaut S1 an

•S1•

• • folgt mit seinem Blick

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ter/ ähm (.) an heißen Tagen bilden sich so schwarze

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Wolken (.) Eiskristalle da oben (.) und w's anderes,

14 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• reiben sich dann zusammen und es gibt ein Gewitter/ ähm,

15 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• es donnert dann auch noch. (2) Und eins sag ich dir:

• • räuspert sich

16 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• Wenn Gewitter, stell dich nie unter einen Baum oder (.)

• • hebt r2 hebt l2

17 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ nie im Wasser. Im Wasser kriegst du 'nen Schock, ver-

18 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ breitet sich alles und der Blitz sucht das Höchste, was

19 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ du/ was der treffen kann.(.) A/ und das Beste daran is

20 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ versteck dich im/ also geh in 'n Haus o:der mach dich

21 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• klein. Der sucht immer das Höchste. (2) Ja

• • blickt zu S1 und dann

• • ((leise))

22 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3•

• • zu IN

23 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Ea.

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V.2.10 Erklärsituation Eb (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Eb Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schüler der dritten Klasse S3E S1 Schüler der ersten Klasse S1E Erklärgegenstand: Ein Nintendo-DS-Videospiel

•-------------------------------------------------

•S3[ Ähm du hast doch mal gesehen, wo ich den DS rausgenommen

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• hab, gell? Und das Spiel/ weißt du/ ich erklärs dir

•S1[ Ja!

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ mal jetzt, wie es richtig funktioniert. Ähm, du spielst

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• dann immer/ am Anfang stel/ stellt dir jemand Fragen (.)

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ für's Spiel. Und dann sagen die, wer dein Anführer ist

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und zeigen's dir. Du kannst dir dann aussuchen, wer dein

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ zweiter Partner ist (.) und dann musst du immer so ähm

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ du:rch (.) kleine Spalten gehen, irgendwann kommen auch

8 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ End/ so ähm Gegner, die musst du auch dann besiegen. Ir-

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ gendwann kommen richtige Endgegner, die sind stark, und

10 •------------------------------------------------------------

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116

•-------------------------------------------------

•S3[ die musst du ja halt auch ä richtigen (Power) schlagen.

11 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (.) U:nd wenn du halt verlierst, dann (.) fäng/ muss

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ wieder vo/ also vo:n/ nicht von ganz neu anfangen/ von

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ neu anfangen, wo du gespeichert hast. Und es gibt immer

14 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ k/ es gibt is zwanzig Kapitels. (.) D' Spiel geht/ sehr/

15 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ich war aber sehr weit und da hab ich mir ( ) ich hör

16 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ mal 'n bisschen auf und/ oder es gibt ein Level, da sind

17 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ganz viele K/ ganz viel, wo du kämpfen musst. (2) Und es

18 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ gibt en/ den brutalsten Endgegner/ es gibt auch einen/

19 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ is' richtig groß. (.) Und den musst du halt besiegen,

20 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ den hab ich halt auch geschafft u:nd (.) dann hab' ich

21 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ halt weiter gemacht, da war ich ha/ halt in so 'n Alb-

22 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ traum, es gibt ja so eins, das verbreitet immer Albträu-

23 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• me. (.) Und dann hab ich den zweiten besiegt, äh/ der

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•-------------------------------------------------

•S3[ ist auch ganz schwer. (.) Und/ und irgendwann/ jedes Ka-

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•-------------------------------------------------

•S3[ pitel hat wieder aus und von daher ( ) das Spiel halt

26 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ganz durch. (.) Und es gibt ein Level, un/ da kommt ganz

27 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ vie/ kommt so 'n Monsterraum, da kom/ kommt ganz viele

28 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ auf/ ko/ ganz viele Gegner auf einmal auf dich zu, (.)

29 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ganz viele. (.) Und du weißt ja

•S1• Ja ich hab das/ das hab ich

• • ((fällt ins Wort))

30 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Mhm.

•S1[ schon von dir gehört, als du im Hof warst. (2) Du hast

31 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ( ) alle

•S1[ gesagt das 's voll schwer. (.) Für mich nicht!

32 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ganz schnell. (2) Ja, und das war 's jetzt.

33 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Eb.

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V.2.11 Erklärsituation Fa (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Fa Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schülerin der dritten Klasse S3F S1 Schülerin der ersten Klasse S1F Erklärgegenstand: Der Kreislauf der Wassers

•-------------------------------------------------

•S3[ Ähm (.) der Kreislauf des Wassers, also vom See, vom

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Wald, vom Meer verdunstet Wasser. Verdunsten heißt ähm,

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ dass die Sonne das Wasser auf/ erhitzt und das wird dann

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ ganz kleine Tröpfchen und die Tröpchen gehen dann hoch

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ in die Luft und (.) die:/ das ist dann ein Wasserdampf

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und de/ der kühlt dann ab und der bildet dann Wolken.

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (2) Und der Wind bläst die Wolken dann weiter und wenn

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (.) die Wolken dann abgekühlt sind, dann regnet es (.)

8 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ und wenn 's noch kälter ist, dann hagelt es oder schneit

9 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ es. (.) Der eine Teil vom Wasser, der sickert in die

10 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Erde und (.) dann/ dann ist das Grundwasser und das

11 •------------------------------------------------------------

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•-------------------------------------------------

•S3[ kommt dann entweder zum Meer raus oder als Quelle. (.)

12 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ Und der andere Teil, der (.) fließt dann wieder in den

13 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ See oder ins Meer. (.) Und dann geht es immer so weiter.

14 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• (.) Ja.

• • blickt zu IN

15 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Fa.

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V.2.12 Erklärsituation Fb (HIAT-DOS-Transkript)

Abkürzung: Erkl. Fb Siglen: Kürzel Erklärung Kürzel in der Ausarbeitung S3 Schülerin der dritten Klasse S3F S1 Schülerin der ersten Klasse S1F Erklärgegenstand: Ein Pantomime-Spiel

•-------------------------------------------------

•S3[ Pan/ Pantomine (.) ähm da können ja Kinder mitmachen.

1 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ (.) Ein Kind/ also (.) die Kinder/ also ein Kind macht

2 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ was vor und da dars/ das darf dann nicht sprechen oder

3 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ einen Ton machen, nur halt mit dem Körper machen und (.)

4 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

• >• /

•S3• wenn ein Kind das errät, ähm dann (.) dann darf das Pan-

5 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ tomine weitermachen, (2) also/ das dann auch was vorma-

6 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3[ chen. (.) Und dann kann man sich aussuchen, was man

7 •------------------------------------------------------------

•-------------------------------------------------

•S3• macht. (.) Zum Beispie:l ein Löwe.

• • schmunzelt und grinst IN an

8 •------------------------------------------------------------

Ende des HIAT-DOS-Transkripts der Erklärsituation Fb.

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V.3 Ausdruck der verwendeten Internetquelle

In Ausdruck auf den folgenden Seiten 122-132: Gülich, Elisabeth (2004): Erzählen aus konversationsanalytischer Perspektive: Ver-such einer Synthese. Unveröffentlichtes Grundlagenpapier für die Sommerakademie „Narrative Sinnbildung“ an der Universität Greifswald, 30.08.-11.09.2004. Online in: http://www.uni-bielefeld.de/lili/personen/eguelich/Guelich_Synthese_Erzaehlen_ 2004.pdf [Zugriff am 25.08.2009].

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Elisabeth Gülich

Erzählen aus konversationsanalytischer Perspektive: Versuch einer Synthese

(Unveröffentlichtes Grundlagenpapier für die Sommerakademie „Narrative Sinnbildung“

an der Universität Greifswald, 30.08.-11.09.2004)

(1) Erzählen vs. Rekonstruieren

Die kommunikative Aufgabe, vergangene Geschehnisse sprachlich zu rekonstruieren, stellt sich in den verschiedensten alltäglichen, professionellen oder institutionellen Interaktionskontexten. Sie kann mit Hilfe verschiedener ‚Methoden’ gelöst werden. Dabei ist Erzählen eine Methode unter anderen. Ein Handlungs- oder Ereignisablauf kann auch nicht-narrativ rekonstruiert werden, z.B. mit Hilfe einer Frage-Antwort-Sequenz oder durch eine ‚szenische Darstellung’ (Bergmann 2000). Die Wahl der Methode hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. vom Kontext, vom Interaktions-typ, von der Situation, von Situationseinschätzungen der Beteiligten oder von ihren sprachlichen bzw. kommunikativen Fähigkeiten. Hintergrund Der Terminus ‚Methode’ ist hier – wie in der ethnomethodologischen Konversationsanalyse üblich – im vorwissenschaftlichen Sinne gemeint, er bezeichnet eine alltagsweltliche oder ‚Ethno’-Methode (vgl. Gülich 2001). Nach Luckmanns Konzeption vom ‚kommunikativen Haushalt’ einer Gesellschaft gehört Erzählen zu den ‚rekonstruktiven Gattungen’ (vgl. u.a. Luckmann 1986, 1988, Bergmann/Luckmann 1995, Günthner 1995, Knoblauch/Luckmann 2000); hinsichtlich der Rekonstruktion wird zwischen narrativer und nicht-narrativer Rekonstruktion unterschieden (vgl. Bergmann/Luckmann 1995, Bergmann 2000). Dass Erzählen nicht in jedem Kontext als präferierte Methode der Rekonstruktion gilt, geht u.a. aus Beispie-len für Erzählungen in Sozialamtsgesprächen in Quasthoff 1980 hervor (vgl. auch die Analyse eines solchen Gesprächs in Gülich/Quasthoff 1986). Dass die Wahlmöglichkeiten zu Ungunsten der narrativen Rekon-struktion eingeschränkt sind, kann man an jüngeren Kindern (Hausendorf/Quasthoff 1996) ebenso wie an Nichtmuttersprachlern (Gülich 1994) beobachten, denen die sprachlichen Mittel nicht in ausreichendem Ma-ße zur Verfügung stehen.

(2) Erzählen im Gespräch

Erzählen ist eine koordinierte Aktivität aller beteiligten Gesprächsteilnehmer. Damit es zur Produk-tion eines längeren und komplexeren Redebeitrags im Gespräch wie einer narrativen Sequenz kommen kann, muss die übliche Sprecherwechselsystematik, durch die Gespräche organisiert sind, vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. Dies kann z.B. durch eine Erzählaufforderung des Ge-sprächspartners oder durch eine Frage, die eine komplexe Antwort erfordert, geschehen oder auch durch eine Initiative des späteren Erzählers selbst, etwa durch die Ankündigung bzw. Einleitung einer ‚Geschichte’ (‚story preface’, vgl. Sacks 1971), also durch eine sprachliche Aktivität, die ge-eignet ist, einem Sprecher ein extensives Rederecht zu verschaffen. Voraussetzung dafür ist aller-dings auch, dass die anderen Teilnehmer für die entsprechende Zeit bereit sind, die Zuhörerrolle zu übernehmen. Narrative Sequenzen entstehen also aus dem Gespräch (im Sinne des turn-by-turn-talk) heraus und führen ins Gespräch zurück.

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Hintergrund

Diese Gesichtspunkte stehen in konversationsanalytischen Arbeiten besonders im Vordergrund; zum Spre-cherwechsel beim Erzählen: Sacks 1971, 1978; in den ‚Lectures’ von Sacks (1992) sind mehrere Vorlesun-gen Aspekten der Erzählanalyse gewidmet (vgl. vor allem Vol. II, Part I, 2; III, 2; IV, 2-6; VII, 9-12).

(3) Erzählen als Gegenstand linguistischer Analyse

Der skizzierten konversationsanalytischen Sicht zufolge hat die linguistische Analyse den gesamten Prozess von der Herauslösung einer Erzählung aus dem Gespräch über die eigentliche narrative Sequenz bis zur anschließenden konversationellen Bearbeitung zu beschreiben. Dazu gehören auch die Aktivitäten der Zuhörer während des Erzählens (z.B. Rezeptionssignale, Kommentare, Bewer-tungen), die beispielsweise in textlinguistischen Ansätzen zur Erzählanalyse nicht Gegenstand des Interesses sind.

Hintergrund Zuhöreraktivitäten sind in linguistischen Arbeiten, die vom ‚monologischen’ Charakter des Erzählens ausge-hen, im allgemeinen vernachlässigt worden. In Bezug auf mündliches Erzählen wurden sie vor allem von Quasthoff (1981) systematisch untersucht (vgl. auch Laforest 1996). Generell wird in konversationsanalytisch orientierten Arbeiten den interaktiven Aspekten des Erzählens besondere Aufmerksamkeit gewidmet (vgl. dazu den Übersichtsartikel von Quasthoff 2001; vgl. auch Bonu 1998); eine wichtige Rolle spielt die Interaktivität auch bei Lucius-Hoene/Deppermann 2002 (vgl. bes. Kap. 2.5 „Erzählen als Kommunikationsprozess“ und Kap. 9.4. „Interaktionssteuerung“).

(4) Die ‚kognitive Geschichte’ als Erzählgegenstand

Gegenstand der narrativen Rekonstruktion sind – oberflächlich betrachtet – vergangene (oder zu-mindest als vergangen dargestellte) reale (oder fiktive) Geschehnisse, d.h. Handlungen, Ereignisse, Erlebnisse, Erfahrungen; auch kommunikative Handlungen, Gespräche oder Äußerungen aus Ge-sprächen gehören dazu. Diese Geschehnisse sind im allgemeinen nicht mehr anders zugänglich als eben durch das Erzählen. Aber auch durch das Erzählen sie sind natürlich nicht direkt zugänglich: Was erzählt wird, ist das, was erinnert wird, was also im Gedächtnis als ‚kognitive Geschichte’ (Quasthoff 1980) gespeichert ist. Die kognitive Geschichte enthält damit immer auch schon Ele-mente der Interpretation. Auch Bewertungen, Wahrnehmungen und Empfindungen, die mit den Geschehnissen verbunden sind, gehören zur kognitiven Geschichte. Mit ‚kognitiv’ ist nicht gemeint, dass alle mit der ‚Geschichte’ verbundenen Erlebnisse, Wahrneh-mungen, Empfindungen usw. immer auch bewusst sind; oft treten sie erst durch das Erzählen ins Bewusstsein. Hintergrund

Es ist insbesondere in der strukturalistischen Erzählanalyse üblich, zwischen dem Erzähltext (‚récit’) und der ihm zugrundeliegenden ‚Geschichte’ (‚histoire’) zu unterscheiden. Demgegenüber plädiert Quasthoff 1980 für eine Dreiteilung: Geschehen, Geschichte, Erzählung. - Bei Hausendorf/Quasthoff 1996, S. 92 wird ‚Kog-nitive Geschichte’ erläutert als „das verfügbare Wissen über den Vorfall zum Zeitpunkt des Erzählens“. An anderer Stelle fassen die Autoren das „komplexe Aufgabengefüge eines Erzählers bei der Generierung einer konversationellen Erzählung“ zusammen als „eine ‚Kognitive Geschichte’ aktivieren, d.h. die Geschehensab-läufe wahrgenommen, verarbeitet und kognitiv präsent haben“ (Hausendorf/Quasthoff 1996, S. 225). Einge-führt wurde der Begriff ‚kognitive Geschichte’ von Quasthoff (1980, 48): „Der Begriff der kognitiven Ge-schichte bezeichnet die kognitive Konstruktion, die über dem Ausschnitt der konstituierten Wirklichkeit ansetzt, der der Geschichte entspricht. Die kognitive Geschichte wird zum Ausschnitt der Lebensgeschichte und -erfahrung des Aktanten. Sie ist somit selbst zum einzigen Informationsreservoir geworden, auf das – als

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3

Erinnerungsgehalt – rekurriert werden kann, um in der Erzählsituation mittelbar auf den Wirklichkeitsaus-schnitt zum Zeitpunkt des Geschehens referieren zu können“.

(5) ‚Zugzwänge’ beim Erzählen

Beim Erzählen gerät der Erzähler in bestimmte ‚Zugzwänge’ (Kallmeyer/Schütze 1977): - Er sieht sich genötigt, an bestimmten Stellen Einzelheiten mitzuteilen, die den Ablauf der Ge-

schichte bestimmen und für den Zuhörer plausibel machen (‚Detaillierungszwang’); - ebenso sieht er sich genötigt, an bestimmten Stellen zusammenzufassen, da es nicht möglich

(oder nicht zumutbar) ist, alles in gleichem Ausmaß zu detaillieren. Durch das ungleiche Detail-lierungsniveau und andere sprachliche Mittel wie Hervorhebungen u.ä. wird deutlich, was für die Geschichte als besonders relevant herausgestellt werden soll (‚Relevanzsetzungs- und Kon-

densierungszwang’); - der Erzähler sieht sich genötigt, eine einmal begonnene Geschichte auch zu einem Abschluss zu

bringen und damit das einzulösen, was er angekündigt hat oder was von anderen erfragt wurde (‚Gestaltschließungszwang’).

Hintergrund Für soziologische Fragestellungen ist der ethnomethodologische Ansatz zur Analyse von Erzählungen vor allem von Fritz Schütze weiterentwickelt und – nicht zuletzt wegen der Wirkung dieser ‚Zugzwänge’ – in Form des narrativen Interviews auch als Erhebungstechnik genutzt worden (vgl. Schütze 1976 a und b, 1987; Hoffmann-Riem 1994; zusammenfassend: Flick 1999, Kap. 9). Einen neuen Ansatz zur Arbeit mit narrativen Interviews entwickeln Lucius-Hoene/Deppermann 2002.

(6) Teilaufgaben der narrativen Rekonstruktion

Die narrative Rekonstruktion einer ‚kognitiven Geschichte’ ist eine komplexe Aufgabe, die nach verschiedenen Teilaufgaben (bei Hausendorf/Quasthoff 1996: ‚Jobs’) zu differenzieren ist: 1 Darstellen von Inhalts- und/oder Formrelevanz 2 Thematisieren 3 Elaborieren/Dramatisieren 4 Abschließen 5 Überleiten Diese ‚Jobs’ sind weitgehend konstitutiv für das Zustandekommen narrativer Sequenzen; sie müs-sen jedoch nicht notwendigerweise vom Erzähler allein ausgeführt werden, sondern werden häufig interaktiv realisiert. Um die Jobs auszuführen, stehen den Interaktanten pragmatische, lexikalische und syntaktische Formen und Verfahren zur Verfügung. Hintergrund Hausendorf/Quasthoff (1996 und frühere Arbeiten) unterscheiden Jobs, Mittel und Formen. Sie haben dieses Modell für die Analyse mündlicher Erzählungen anhand eines umfangreichen Corpus von Erzählungen von Kindern verschiedenen Alters entwickelt. In Gülich/Hausendorf 2000 wird das Modell auch für die Analyse schriftlicher Erzählungen genutzt (Beispiel: Thomas Mann „Das Eisenbahnunglück“). Hausendorf 2002 nimmt – nicht nur in Bezug auf Erzählungen – weitere Differenzierungen vor und präzisiert die Beziehun-gen zwischen Jobs, Mitteln und Formen. 124

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(7) Sprachliche Formen und Verfahren

Bei der Beschreibung der sprachlichen Formen und Verfahren kann auf eine ganze Reihe systemati-scher linguistischer Untersuchungen zu verschiedenen grammatischen, lexikalischen und stilisti-schen Phänomenen zurückgegriffen werden.

Beispiele: - Zeit- und Ortsadverbien an der Nahtstelle zwischen Gespräch und Erzählung zur Markie-

rung von Diskontinuität zur aktuellen Kommunikationssituation, - Gliederungs- und Rezeptionssignale zur gemeinsamen Strukturierung der erzählten Ge-

schichte,

- Tempusgebrauch, Tempuswechsel (‚szenisches Präsens’) zur Strukturierung,

- Hervorhebungs- und Reformulierungsverfahren sowie prosodische Mittel zur Relevanzfest-legung,

- Evaluative und expressive Sprachformen zur Dramatisierung,

- Techniken der Redewiedergabe, insbesondere direkte Rede zur Dramatisierung,

- metanarrative Sätze zur Darstellung von Inhalts- bzw. Formrelevanz. Die sprachlichen Formen und Verfahren bilden bei der linguistischen Analyse den Ausgangspunkt; von ihnen kann man Rückschlüsse auf die ‚Jobs’, die durch sie bearbeitet werden, ziehen. Mit Hilfe sprachlicher Formen und Verfahren lassen sich auch narrative Strukturen (‚Makrostruktu-ren’ oder ‚Globalstrukturen’) beschreiben. Hintergrund

Aus dem textlinguistischen Forschungskontext sind hier vor allem Arbeiten zum Tempus zu nennen, insbe-sondere Weinrich 1964, 2001; zur Textgliederung vgl. z.B. Gülich/Raible 1977. Einer der erfolgreichsten, d.h. am meisten zitierten und benutzten Ansätze zur Beschreibung narrativer Strukturen wurde von La-bov/Waletzky 1967 entwickelt und später von Labov 1972 modifiziert. Als Komponenten der Globalstruktur nennt Labov 1972: Abstract, Orientierung, Komplikation, Evaluation, Auflösung und Koda; dabei beschreibt er die ‚Evaluation’ als eine über die ganze Erzählung verteilte sekundäre Struktur, während bei Labov / Wa-letzky 1967 ein Evaluationsteil zwischen Komplikation und Auflösung angenommen wird. Die Bedeutung und die Wirkung dieses Ansatzes auch noch ‚30 Jahre später’ wird in dem Sammelband von Bamberg 1997 dokumentiert und diskutiert.

(8) Zur Typologie narrativer Sequenzen

Narrative Sequenzen unterscheiden sich durch die verwendeten sprachlichen Formen und Verfahren und damit auch durch die mehr oder weniger deutliche Realisierung der ‚Jobs’ und die mehr oder weniger ausgeprägte Auswirkung der ‚Zugzwänge’. Beispielsweise finden sich nicht in allen narra-tiven Sequenzen Formen der ‚Dramatisierung’; evaluative und expressive Sprachformen sind nur für bestimmte Typen narrativer Sequenzen charakteristisch. Ebenso lassen sich narrative Sequenzen mit einem relativ gleichbleibenden Detaillierungsniveau von solchen mit eher ungleichmäßiger De-taillierung unterscheiden. Häufig werden Typologisierungen nach thematischen Aspekten vorgenommen, z.B. wenn von ‚Traumerzählungen’, ‚biographischen Erzählungen’, ‚Lebensgeschichten’ oder – auf einem abstrak-teren Niveau – von ‚Glücksgeschichten’, ‚Siegesgeschichten’ und ‚Erzählungen merkwürdiger Be-gebenheiten’ (Rehbein 1980) die Rede ist. Ebenso werden aufgrund unterschiedlicher Interaktions-kontexte verschiedene Typen von Erzählungen unterschieden (z.B. alltägliches Erzählen, Erzählen in der Krankenhausvisite, in der Sozialberatung, in der Schule usw.).

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Hintergrund

In der linguistischen Erzählforschung ist die Differenzierung von Typen narrativer Sequenzen bislang noch ein Desiderat. Eine häufig getroffene Unterscheidung, die sich auch an bestimmten sprachlichen Merkmalen festmachen lässt, ist die zwischen ‚Erzählung’ und ‚Bericht’ oder zwischen ‚Beschreiben, Berichten und Erzählen (Rehbein 1984; vgl. auch die Beiträge in Ehlich 1980). Quasthoff (1983, 1987) konzentriert sich in ihren Arbeiten auf die ‚konversationelle Erzählung’, die sie von ‚Bericht’ und ‚Mitteilung’ abgrenzt: Eine ‚Mitteilung’ wird in einem Satz realisiert, während ‚Erzählung’ und Bericht’ Diskurseinheiten sind, die sich durch folgende Kriterien unterscheiden: direkte vs. indirekte Rede, szenisches Präsens, Detaillierung bzw. Atomisierung, emotionale und affektive Komponenten. In der Textsortenlinguistik werden häufig übergreifende Textsorten oder Großformen unterschieden; dazu werden im allgemeinen Argumentieren, Beschreiben, Erzählen und Erklären gerechnet (z.B. Adam 1992, Werlich 1975). Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass diese Formen häufig miteinander verbunden wer-den. Lucius-Hoene/Deppermann 2002 beschreiben als „Textsorten im autobiografischen Erzählen“ (Kap. 7): Erzählen, Beschreiben, Argumentieren. Auch Funktionen werden als Differenzierungskriterien verwendet (vgl. vor allem Große 1976; vgl. dazu Heinemann/Heinemann 2002).Die Frage, ob Erzählen einer der Basistypen ist, wird in Virtanen 1992 disku-tiert.

(9) Grundformen narrativer Rekonstruktion

Unabhängig von thematischen Aspekten und Interaktionskontexten lassen sich anhand der verwen-deten sprachlichen Formen und Verfahren zwei Grundformen narrativer Rekonstruktion unterschei-den: die Rekonstruktion einer singulären Episode, die vom übrigen Handlungs- und Ereignisablauf deutlich abgegrenzt ist (episodisches Erzählen), und die Rekonstruktion sich wiederholender, meist als typisch dargestellter Abläufe (iteratives Erzählen). Als zentrale sprachliche Differenzierungskri-terien fungieren Tempora, vor allem auch Tempuswechsel, und Zeitadverbien oder andere Zeitan-gaben („eines Tages“, „(ein)mal“, „als ich die Masern hatte“ im Unterschied zu „immer“, „jedes Mal wenn“, „während des Krieges“ usw.). Diese Formen narrativer Rekonstruktion sind von einer verallgemeinernden Darstellung zu unter-scheiden, für die neben bestimmten Zeit- und Ortsadverbien, Indefinitpronomina u.a. vor allem das Präsens kennzeichnend ist; hier handelt es sich eher um eine deskriptive als um eine narrative Akti-vität. Hintergrund

Genette 1972 führt am Beispiel von Marcel Prousts Roman „A la recherche du temps perdu“ das Konzept der ‚fréquence narrative’ in die Erzählanalyse ein; damit sind Häufigkeits- oder Wiederholungsbeziehungen zwischen Erzählung und zugrunde liegendem Ereignis gemeint: Ein Ereignis kann einmal oder mehrmals geschehen, und es kann einmal oder mehrmals erzählt werden. Daraus ergeben sich vier Typen von Fre-quenzrelationen: I Es wird einmal erzählt, was sich einmal zugetragen hat: ‚récit singulatif’ – episodisches Erzählen; II Es wird mehrmals erzählt, was sich mehrmals zugetragen hat: ebenfalls eine Form des ‚récit singulatif’, da der Wiederholung des Erzählens die Wiederholung des Geschehens entspricht; III Es wird mehrmals erzählt, was sich einmal zugetragen hat: ‚récit répétitif’ – repetitives Erzählen; IV Es wird einmal erzählt, was sich mehrmals zugetragen hat: ‚récit itératif’ – iteratives Erzählen. Lucius-Hoene/Deppermann 2002 behandeln die Frequenz eines Ereignisses bzw. seiner narrativen Darstel-lung im Gesamtzusammenhang des „Umgangs mit der Zeit“ (Kap. 6.2, vgl. bes. 6.2.3: „Abfolge und Fre-quenz“).

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(10) Rekonstruktion und Re-interpretation

In Alltagserzählungen ist im allgemeinen der Erzähler auch einer der Handlungsträger oder zumin-dest ein an den Geschehnissen unmittelbar beteiligter Beobachter. Damit spielen Erzählungen auch für die Konstitution sozialer Identität und für die Konstruktion eines Selbstbilds eine wichtige Rol-le: der Erzähler präsentiert sich als Handelnder bzw. Interagierender oder von Handlungen anderer Betroffener. Das Erzählen gibt ihm die Möglichkeit, seine vergangenen Handlungen und Erlebnisse zu verarbeiten, zu deuten und zu bewerten. Er kann zwar den Verlauf der Geschehnisse nachträglich nicht verändern, aber er kann sie immer wieder neu erzählen, d.h. z.B. er kann bestimmte Einzelhei-ten auswählen oder weglassen oder sogar hinzuerfinden, bestimmte Aspekte neu akzentuieren oder relativieren. Die Rekonstruktion ist also mit einer Re-interpretation verbunden, die natürlich auch vom Gesprächspartner mit beeinflusst wird. Das Erzählen kann somit nicht nur dem Zuhörer, son-dern auch dem Erzähler selbst wichtige Einsichten vermitteln. Hintergrund: Dieser Aspekt wird besonders in den Arbeiten von Schütze zum autobiographischen Erzählen (z.B. 1994) hervorgehoben; Schütze unterscheidet beim Erzählen der Lebensgeschichte zwei Prozessstrukturen, in denen biographische Erfahrungen entweder als Prozesse „ausgedehnten und tiefgehenden Erleidens“ (Verlaufskur-

ve) oder als Prozesse „der Entfaltung von inneren kreativen Veränderungspotentialen“ (Wandlung) interpre-tiert und dargestellt werden (Schütze 1994, 20). – Die „narrative Identität als eine im Prozess des Erzählens hergestellte Form der Selbstvergewisserung“ (S. 10) steht im Mittelpunkt des Interesses von Lucius-Hoene/Deppermann 2002: „Entsprechend der Fokussierung narrativer Identität als aktueller Herstellungsleis-tung wird die Analyse der Biografie in den Dienst der Identitätsrekonstruktion gestellt“ (2002, 10).

(11) Selbst- und Fremdbilder

Bei der narrativen Rekonstruktion werden mit Hilfe bestimmter konversationeller Verfahren Selbst- und Fremdbilder konstituiert: Für die Konstitution des Selbstbilds sind Selbstkategorisierungen wichtig, d.h. die Verfahren, mit denen der Sprecher sich selbst einer sozialen Gruppe zuordnet, und Selbstcharakterisierungen, d.h. Verfahren, die eher individuelle und private Aspekte der Identität thematisieren. Diese Verfahren werden interaktiv realisiert. Kategorisierungen und Charakterisierungen werden narrativ in zwei Formen bearbeitet: in Form von generalisierten Handlungsrekonstruktionen und in Form der Rekonstruktion von Einzelfällen bzw. Episoden. Besonders die Einzelfallrekonstruktion bietet dem Erzähler die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit negativen Kategorisierungen und Charakterisierungen, die er erfahren hat (vgl. dazu CzyŜewski/Drescher/Gülich/Hausendorf 1995, bes. S. 61 ff). Dies hängt mit spezifischen Eigenschaften des Erzählens zusammen, d.h. der Sprecher nutzt die speziellen Ressourcen gerade dieser "kommunikativen" bzw. "rekonstruktiven Gattung" (Luckmann) zur Konstruktion einer ‚nar-rativen Identität’ (Lucius-Hoene/Deppermann 2002).

Hintergrund Einen Ansatz, die "kommunikativen Mechanismen", mit denen Selbst- und Fremdbilder im Gespräch kon-stituiert werden, konkret in Texten zu untersuchen, bietet das Konzept der Kategorisierung, so wie es in der ethnomethodologischen Konversationsanalyse - insbesondere von Harvey Sacks in seinen Lectures (1992) - entwickelt wurde. Kategorisieren ist für Sacks eine konversationelle Aktivität, die in vielen alltäglichen Zu-sammenhängen ausgeführt wird: „some very central machinery of social organization“ (1992, I 6). Die Kategorisierungsverfahren (categorization devices bei Sacks) zeichnen sich durch drei zentrale Merkma-le aus, in seiner Formulierung: Membership, Inference rich, Representative (zusammengefasst als MIR-device) (Sacks 1992, I 6). Mit ‚Charakterisierungen’ sind Verfahren gemeint, die über die soziale Identität hinausgehen, sich also auf einen anderen Ausschnitt aus der Gesamtheit der Selbstbeurteilungen des Individuums beziehen, in dem primär sein psychisches (Er-) Leben und damit gewissermaßen die privatesten Aspekte seiner Identität the-

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matisiert werden. Es handelt sich um Selbstzuschreibungen, die sich auf persönliche Eigenschaften der Inter-aktanten beziehen; sie sind nicht primär an die Übernahme einer sozialen Rolle gebunden, sondern stärker in der jeweiligen Biographie verankert (Drescher/Gülich 1996). Mit Goffman kann man Charakterisierungen als Zuschreibungen mit Bezug auf die persönliche Identität auffassen: „Persönliche Identität hat (...) mit der Annahme zu tun, dass das Individuum von allen anderen differenziert werden kann. Diese „umfassende Einzigkeit der Lebenslinie“ steht „in scharfem Kontrast zu der Vielzahl von Ichs (...), die man in dem Individuum findet, wenn man es aus der Perspektive der sozialen Rolle betrachtet“ (Goffman 1975).

(12) Beziehungskonstitution

Mit der Rekonstruktion zurückliegender Interaktionen werden auch vergangene Beziehungskonstel-lationen rekonstruiert, die sich an ‚Positionierungen’ des Erzählers beobachten lassen. Dies schließt auch die Beziehung zwischen erzählendem und erzähltem Ich mit ein. Die Darstellung emotionaler Beteiligung spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Ebenso ist die Technik der Rede-wiedergabe als ein Mittel der ‚szenischen Darstellung’ in besonderem Maße geeignet, Beziehungen zwischen den Interaktanten der erzählten Geschichte deutlich zu machen (ein deutliches Beispiel wird in Gülich/Schöndienst/Surmann 2003, 223-236 dargestellt, wo ein Gespräch mit einer Patien-tin, die an chronischen Schmerzen leidet, analysiert wird). Zugleich wird beim Erzählen auch eine Beziehung zum Adressaten konstituiert (diesem Aspekt wird z.B. in psychotherapeutischen Gesprächen besondere Bedeutung beigemessen, vgl. Martens-Schmid 2000). Hintergrund Die ‚Darstellung emotionaler Beteiligung’ (Drescher 2003) wird häufig als besonders charakteristisch für konversationelles Erzählen angesehen. Sie steht in Verbindung mit der ‚Evaluation’ der erzählten Ereignisse (vgl. Lucius-Hoene / Deppermann 2002, u.a. Kap. 2.3.4 und 2.5.4; hier wird auch auf die „Re-Inszenierung eines Affekts“ beim Erzählen hingewiesen). Der Begriff ‚Positionierung’ wird von Lucius-Hoene / Depper-mann 2002 (vgl. bes. S. 196 ff) eingeführt; sie unterscheiden Selbstpositionierung („direkte oder indirekte Zuschreibung von Bestimmungsstücken zur eigenen Person“) und Fremdpositionierung („Zuschreibungen und Positionszuweisungen an die Gesprächspartner“ (S. 196). Zur Redewiedergabe (oder auch zur Wiedergabe von Gedanken und Empfindungen) als Mittel der szeni-schen Darstellung bzw. der Re-inszenierung und der Vermittlung verschiedener Perspektiven gibt es eine Vielzahl linguistischer Untersuchungen (vgl. insbes. die Arbeiten von Günthner, z.B. 2000), in denen häufig auf das Konzept der ‚Polyphonie’ (d.h. der Stimmenvielfalt) von Bachtin Bezug genommen wird. Lucius-Hoene/Deppermann 2002 behandeln die ‘Dialogwiedergabe’ als wichtigstes Mittel der Re-inszenierung in Kap. 9.2 „Stimmen und Perspektiven“. Sie machen deutlich, dass die „Stimmen“ so ausgestaltet werden, dass auch Einstellungen und Befindlichkeit der Sprecher vermittelt werden. „Die Redewiedergabe bietet also ein reiches und differenziertes Reservoir für Möglichkeiten der Positionierung des erzählten Ichs und seiner früheren Interaktionspartner“ (Lucius-Hoene/Deppermann 2002, 231).

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V.4 Versicherung über die selbstständige Anfertigung der Wissenschaft-

lichen Hausarbeit

Ich versichere, dass ich die Wissenschaftliche Hausarbeit mit dem Titel „Erklärfä-

higkeit von GrundschülerInnen“ selbstständig und nur mit den angegebenen Quellen

und Hilfsmitteln angefertigt habe. Alle Stellen der Arbeit, die ich aus anderen Wer-

ken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen habe, sind kenntlich gemacht.

Entlehnungen aus dem Internet sind durch datierten Ausdruck belegt.

Heidelberg, den 26.08.2009

(Julia Nagel)