35
Gesetz gegen Wettbewerbs- beschränkungen Freier und unverfälschter Wettbewerb Unternehmen als Normadressat Unternehmen als Schutzobjekt (Schutzgut „Wettbewerb“) Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Kartellverbot Diskriminierungs- und Behinderungsverbot Fusionskontrolle Verbot wettbewerbs- beschränkender Absprachen Verbot der Ungleichbehandlung und un- billigen Wettbewerbsbehinderung durch marktbeherrschende Unternehmen Verbot von wettbe- werbsschädlichen Unternehmens- fusionen

Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Gesetz gegen Wettbewerbs-beschränkungen

Freier und unverfälschter Wettbewerb

Unternehmen als Normadressat Unternehmen als Schutzobjekt (Schutzgut „Wettbewerb“)

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Kartellverbot Diskriminierungs- und Behinderungsverbot

Fusionskontrolle

Verbot wettbewerbs-beschränkender Absprachen

Verbot der Ungleichbehandlung und un-billigen Wettbewerbsbehinderung durch marktbeherrschende Unternehmen

Verbot von wettbe-werbsschädlichen Unternehmens-fusionen

Page 2: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Nationales Kartellrecht

§ 21 GWB §§ 19, 20 GWB §§ 36, 40 GWB

Verbot von Kartellabspra-chen

Boykottaufruf Diskriminierungs- und Behinderungsverbot

Kartellbehördliche Kontrolle von Unter-nehmensfusionen

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

§ 1 GWB

Unternehmen Unternehmen marktbeherrschendeUnternehmen Unternehmen +

§ 35 GWB

Verboten sind:

• wettbewerbsbeschr. Absprachen

• wettbewerbsbeschr.Beschlüsse

• wettbewerbsbeschr.abgestimmte Ver-haltensweisen

Verboten sind:

• Aufruf zu Liefer- oder Bezugssperren

• Nötigung zu einem wett-bewerbsbeschr. Verhalten

• Androhen von wirtschaftl.Nachteilen wegen „Unter-stützung“ der Kartellbe-hörde

Verboten ist:

• Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund

• unbillige Behinderung im Wettbewerb

Verboten sind Fusionen, die:

• die Entstehung einer mb Stellung

• die Verstärkung einer mb Stellung erwarten lassen

Page 3: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Zu klärende Rechtsbegriffe:

Unternehmen z.B. öff. Hand als Unternehmen

marktbeherrschende Stellung

Marktabgrenzung

Def. der Marktbeherrschung

Kriterien der Marktbeherrschung

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

WettbewerbsbeschränkungKonkurrenzklausel

Bildung von Arge

Ungleichbehandlung

gleiche Sachverhalte

sachl. gerechtfertigter Grund

Unbillige Behinderung Anmietung für Kfz-Prägestelle, OLG Düs-seldorf, WuW/E DE-R 2522 ff.

Page 4: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Europäisches Kartellrecht

Art. 102 AEUVFKVO

Verbot von Kartellabspra-chen

Diskriminierungs- und Behinderungsverbot

Fusionskontrolle durchdurch EU-Kommission

UnternehmenmarktbeherrschendeUnternehmen

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Art. 101 AEUV

marktbeherrschendeUnternehmen

Unternehmen +Unternehmen Unternehmen

Verboten sind:

• wettbewerbsbeschr. Absprachen

• wettbewerbsbeschr. Beschlüsse

• wettbewerbsbeschr. abgestimmteVerhaltensweisen

• die geeignet sind, den zwischenstaatlichenHandel zu beeinträchtigen

• und eine Wettbewerbsbeschränkung inner-halb des Gemeinsamen Marktes

• bezwecken oder bewirken

Verboten ist:

• Missbrauch einer mb Stellung

• auf dem Gemeinsamen Markt

• oder einem wesentlichen Teil desselben,

• sofern hierdurch der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigt werden kann

Unternehmen Art. 1 FKVO

Verboten sind Fusionen, die:

• durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer mb. Stellung (Art. 2 III FKVO)

Page 5: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Verbot des Art. 101 AEUV kann für unanwendbar erklärt werden

Einzelfreistellungdurch EU-Kommission,Art. 10 der VO 1/2003(öffentliches Interesse)

Gruppenfreistellungdurch EU-Kommission,Art. 101 III AEUV,Art. 29 der VO 1/2003

LegalausnahmeArt. 1 II der VO 1/2003, Art. 101 III AEUV

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels

Nationales KartellR Europäisches KartellR

Nein Ja

Art. 101 AEUV Art. 102 AEUV

Page 6: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLGVerhältnis zwischen Europäischem und Deutschem

Kartellrecht

§ 22 GWB

Art. 3 – 6, 16 der VO 1/2003

Es gelten folgernde Grundsätze:

� Kartellbehörden und Kartellgerichte der Mitgliedsstaaten wenden nicht nur ihr nationales Kartellrecht, sondern auch Artt. 101 und 102 AEUV (Anwendungskompetenz und -pflicht)

� Anwendung des nationalen Kartellrechts darf nicht zum Verbot von Verhaltensweisen führen, die nach Art. 101 III AEUV erlaubt sind (vgl. § 22 II GWB)� Fälle oberhalb der Zwischenstaatlichkeit

� Anwendung des nationalen Kartellrechts darf nicht zur Gestattung

� nationales Kartellrecht darf aber strenger sein als Art. 102 AEUV (vgl. § 22 III 3 GWB)� bei Fällen oberhalb der Zwischenstaatlichkeit setzt sich EU-

Recht durch (vgl. � 22 III 1 und 2 GWB)� bei Fällen außerhalb des EU-Rechts ist strengeres nationales

Recht erlaubt (vgl. § 22 III 3 GWB)

� nationale Kartellbehörden und Kartellgerichte dürfen zu Artt. 101, 102 AEUV keine Entscheidung treffen , die von einer Entscheidung der EU-Kommission abweicht � notfalls: Aussetzung des nationalen Verfahrens

� Anwendung des nationalen Kartellrechts darf nicht zur Gestattungvon Verhaltensweisen führen, die nach Art. 101 III AEUV verbotensind (Vorrang des Unionsrechts)� Fälle oberhalb der Zwischenstaatlichkeit

Page 7: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

§ 1 GWB

Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

Vereinbarung vonUnternehmen

abgestimmte Ver-haltensweisen

bezweckenoderbewirken

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Beschlüsse vonUnternehmensver-einigungen

Verhinderung,EinschränkungoderVerfälschungdes Wettbewerbs

bewirkenSpürbarkeit

Page 8: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Vereinbarung von Unternehmen

Vereinbarung Unternehmen

inhaltlich übereinstimmende Willensäußerungzu einem bestimmten Marktverhalten

• Verträge iSd Zivilrechts

• gentlemen`s agreement

• keine bloß einseitigen Maßnahmen

• nicht die bloße Information über künftiges

Es gilt der funktionale Unternehmensbegriff

• nicht der private Verbrauch

• nicht der Arbeitsmarkt (AN)

• nicht der konzerninterne Waren- undGeschäftsverkehr

• nicht die hoheitliche Betätigung, vgl.

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

• nicht die bloße Information über künftiges Marktverhalten

• nicht die hoheitliche Betätigung, vgl. OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 2436 ff.

• nicht die reine Beschaffungstätigkeit, der keine anbietende gegenübersteht (Nachfrage der öffentlichen Hand oderSozialversicherungsträger), str., offen: BGH, WuW/E DE-R 4037, 4044

• wohl die wirtschaftliche Betätigung desStaates, vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 GWB

• wohl die wirtschaftliche Tätigkeit von Sport- und Berufsverbänden

• wohl das künftige Unternehmen (Schutzdes potentiellen Wettbewerbs)

Page 9: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Beschlüsse von Unternehmens-vereinigungen

Beschlüsse Unternehmensvereinigung

Vereinigung von mindestens 2 Unternehmen mit einem Mindestmaß an gemeinschaftlicher Organi-sation,

Abgabe paralleler Erklärungen zumZwecke der Verhaltensabstimmung

• auf die zivilrechtliche Wirksamkeit kommt es nicht an

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

die Einfluss auf die Unternehmenspolitik der ihr Angeschlossenen Unternehmen kann (vgl. OLGDüsseldorf, VI-U(Kart) 35/13

• Arbeitgeberverbände

• DFB bei der Vermarktung von Spielen

• nicht die Gewerkschaften als solche� anders bei wirtschaftlicher Betätigung der

Gewerkschaft !

• nicht die Verbraucherverbände

• Mehrheitsentscheidung kann nach Statuten genügen;zugerechnet wird jedem, der sich dem Mehrheitsentscheid unterwirft

• DLTB bei der Nachfrage nach gewerbl. Spielver-mittlung, BGH, DB 2008, 2249 Rn. 25• Kennzeichen ist ein nach außen zum

Ausdruck gekommener Koordinierungswilleder Unternehmensvereinigung zu einembestimmten Marktverhaltenvgl. BGH, DB 2008, 2249 Rn. 27 ff.

• nicht der Idealverein als solcher, OLG Düsseldorf,a.a.O.

Page 10: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Abgestimmte Verhaltensweisen

Die Parteien setzen bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs

Verboten ist jede unmittelbar oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unter-nehmen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines anderen Marktteilnehmers zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das eigeneaktuelle oder geplante Marktverhalten ins Bild zu setzen

• nicht die bloß einseitige Anpassung des Verhaltens eines Unternehmens an dasjenige eines Mitbewerbers (bewusstes, aber autonomes Parallelverhalten)

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

dasjenige eines Mitbewerbers (bewusstes, aber autonomes Parallelverhalten)

• wichtigstes Mittel der Verhaltensabstimmung ist der gegenseitige Informationsaus-tausch über wettbewerbsrelevante Marktdaten

• die Form der Abstimmung ist unerheblich (mündlich, schriftlich, öffentlich, nichtöffentlich)

• erforderlich, aber auch ausreichend ist ein – als solches auch erkanntes – Abstimmungs-angebot und dessen zumindest konkludente Annahme durch den Mitbewerber

• Abstimmung muss zu einem entsprechenden Marktverhalten geführt haben

• eine Wettbewerbsbeeinträchtigung muss noch nicht eingetreten sein

Page 11: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Abgrenzung abgestimmte Verhaltensweisen/Vereinbarung

� Gemeinsamkeit:

� Koordinierung des wettbewerblichen Verhaltens

� autonome Anpassung an das Wettbewerbsverhalten eines Mitbe-werbers ist erlaubt, auch wenn im Ergebnis ein gleichförmiges Verhalten am Markt stattfindet

� Unterschied:

� Bindungswille der beteiligten Unternehmen

� „Vereinbarung“

• Wille zu einer rechtlichen Bindung � Vertrag

• Wille zu einer bloß wirtschaftlichen, moralischen oder gesell-schaftlichen Bindung � gentlemen`s agreements

Page 12: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

� „abgestimmte Verhaltensweise“

• kein Wille zu einer irgendwie gearteten (rechtlichen oder faktischen)Bindung

• beteiligte Unternehmen wollen vielmehr die uneingeschränkte Ent-scheidungsfreiheit darüber behalten, ob sie die „Abstimmung“ be-folgen oder nicht

• Koordinierung des wettbewerblichen Verhaltens geschieht durch einedarauf abzielende Fühlungnahme der Unternehmen

• Parallelverhalten am Markt ist (aussagekräftiges) Indiz für eine Ver-• Parallelverhalten am Markt ist (aussagekräftiges) Indiz für eine Ver-haltensabstimmung

• wichtigstes Mittel der Verhaltensabstimmung ist der gegen-seitige Informationsaustausch

- Information über das eigene künftige Wettbewerbsverhalten in der Erwartung, dass sich die unterrichteten Wettbewerber danach richten

- Versuch, über das Verhalten des Wettbewerbers Aufschluss zu erhalten, um sein eigens Verhalten danach auszurichten

� Ziel ist es, die Unsicherheit über die Reaktion des Konkurrenten zu be-seitigen

Page 13: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

• Beispiele einer Verhaltensabstimmung:

- Teilnahme an gemeinsamen Sitzungen, auf denen Informationen überPreise, Verkaufsmengen, Kunden o.ä. ausgetauscht werden� vgl. OLG Düsseldorf, NZKart 2013, 122 ff. zum Informationsaustausch

über eine beabsichtigte Silostellgebühr

- Zusammenstellung und Verteilung individueller Lieferdaten von Wettbewerbern durch eine zentrale Stelle

- Verteilung von Preislisten o.ä. über den Verband

- u.U. die öffentliche Ankündigung von Preiserhöhungen in der erkenn-baren Erwartung, dass sich die Wettbewerber dem anschließen

• jedenfalls, wenn die Preisankündigung unnötig früh oder unnötigpräzise erfolgt

• Abgrenzung zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit und demRecht des Unternehmens zur Werbung

Page 14: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLGOlG Düsseldorf, WuW/E DE-R 1917 ff.

- OTC-Präparate

Sachverhalt:

• Apotheker A. betreibt in Herford eine Apotheke

• A. ist seit Jahren Sprecher der Herforder Apotheker

• A. beraumt für den 18.11.2003 eine Vorbesprechung mit 7 Apothekerkollegen sowie für den 27.11.2003 eine außerordentliche Versammlung aller Herforder Apotheker an

� Thema: Wegfall der gesetzlichen Preisbindung bei den OTC-Präparaten(= nicht verschreibungspflichtige Medikamente) zum 1.1.2004

• Einladung zur Vorbesprechung:

„Bevor unsere Kollegenversammlung … stattfindet, halte ich es für sinnvoll, zuerst mit

unserem „kleinen Kreis“ bezüglich des GKV-Modernisierungsgesetzes zu einem Konsens

zu kommen, den wir in die Hauptversammlung einbringen können. Das wichtigste ist wohl

unsere Preisgestaltung ab 1.1.2004 im OTC-Bereich.

Soweit es überhaupt noch in unserer Macht steht, dort eine Stabilität zustande zu bringen,

sollten wir jede Anstrengung unternehmen, um englische Verhältnisse (= ruinöser Preis-

kampf) zu vermeiden.“

Page 15: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

• Versammlung am 27.11.2003:

• Einladung zum 27.11.2003:

„…. Wir wissen nicht, wie unsere Kollegenschaft mit der Tatsache umzugehen weiß, dass

zu Jahresbeginn die Preisbindung im OTC-Bereich fallen wird. Ich vertrete die Meinung,

dass die Skala der sich hieraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten sich zwischen den

Eckpunkten Existenzvernichtung oder Existenzerhaltung bewegen können. Wir sollten

zusammen alles versuchen, um unsere Apotheken am Leben zu erhalten.

Um sich zu diesem kritischen Bereich auszutauschen, lade ich Sie zum …… zu einer Ver-

sammlung ein.“

� Gegenstand: Preisbildung bei den OTC-Präparaten ab 1.1.2004

� A. berichtet über eine von ihm besuchte Informationsveranstaltung und verdeutlicht anhand eines Kalkulationsbeispiels die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen vonPreissenkungen

� anschließende Diskussion unter den Teilnehmern � Ziel des A.: Erstellen eines Meinungsbildes

� Mehrzahl der Apotheker: Entwicklung zunächst abwarten und beobachten; zunächst Beibehaltung der Hersteller-Preisempfehlung

� A. und weitere Apotheker erklärten diese Absicht ausdrücklich

Page 16: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLGLösung:

� Verstoß gegen § 1 GWB

• Preisabsprachen der Apotheker ?

• abgestimmte Verhaltensweise der Apotheker ?

� Bindungswille der beteiligten Apotheker nicht festzustellen

� Erstellung eines Meinungsbildes zum künftigen Preisverhalten mit dem Ziel, einen Preiswettbewerb zu verhindern

• Preiswettbewerb wird als äußerst gefährliche Situation für die • Preiswettbewerb wird als äußerst gefährliche Situation für die Apotheker bezeichnet

• Unwissenheit über das künftige Preisverhalten der Kollegen wird beklagt

• Stabilität wird abgemahnt, um englische Verhältnisse zu ver-hindern

• Meinungsbild soll Vertrauen zur Beibehaltung der Preisem-pfehlungen des Herstellers schaffen

( Zu einem weiteren Fall siehe: OLG Düsseldorf,

WuW/E DE-R 3889 – Silostellgebühren I )

Page 17: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Verhinderung, Einschränkung oder Ver-fälschung des Wettbewerbs

Geschützt ist nur der lautere, erlaubte Wettbewerb, dieser aber in allen seinen Erscheinungsformen (nicht: verbotenes Glücksspiel, unlautere Werbung)

Das Kartellverbot umfasst jedwede Beschränkung der wettbewerblichen und unternehmerischen Handlungsfreiheit

Das Kartellverbot gilt für horizontale wie für vertikale Vereinbarungen

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Bsp.: Preisabsprachen, Festlegung von Lieferquoten oder Absatzgebieten, Abkaufen von Wettbewerb, Verständigung auf Vertragsbedingungen, Vereinbarung von Wettbewerbsverboten, Einräumung von Gebietsschutz

Die Wettbewerbsbeschränkung muss spürbar sein, d.h. sie muss geeignet sein, die Verhältnisse auf dem Markt mehr als nur in einem unbedeutenden Umfang zu beeinflussen (� ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal)

Das Kartellverbot gilt für horizontale wie für vertikale Vereinbarungen

Page 18: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

bezwecken oder bewirken

(objektiv) bezwecken bewirken

Die Einschränkung wettbewerblicher Handlungsfrei-heiten ist unmittelbar Gegenstand von Vertragspflichten

Es bedarf keiner näheren Marktanalyse, ob tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Wirkungen eintreten werden

Ein objektiver wettbewerbsbeschränkender Zweck ist nicht festzustellen

Es muss in concreto die Möglichkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung festgestellt werden

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Kernbeschränkungen

Horizontalverhältnis Vertikalverhältnis

• Preisabsprachen

• Quotenabsprachen

• Gebietsaufteilungen

• Festsetzung von WVP

• Gewährung von absol. Gebiets-schutz für den Abnehmer

• Wettbewerbsverbote z.N. derAbnehmerseite

festgestellt werden

Sonstige Beschränkungen

• Exklusiver Bezug von einem Lieferanten

• gemeinsame Produktion oder Ver-marktung

• Abkaufen von Wettbewerb

• Nichtangriffspakt

Page 19: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Anwendungsbeispiele

Wettbewerbsverbote

in Unternehmenskaufverträgen in Gesellschaftsverträgen

Zulässig, wenn sie auf das Maß desjenigen be-schränkt sind, was erforderlich ist, um dem Erwerberdie Chance einzuräumen, den erworbenen Kunden-Stamm zu erwerben

Zulässig, wenn und soweit sie für die Aufrechter-haltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unerlässlich sind (Schutz vor innerer Aushöhlung)

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Stamm zu erwerben

Die Erforderlichkeit ist zu wahren in 3 Richtungen:

• räumlich (Hauptabsatzgebiet des Veräußerers)

• gegenständlich (Produkte des Veräußerers)

• zeitlich (max. 4 bis 5 Jahre)

• ph Gesellschafter

• Minderheitsgesellschafter mit alleiniger Geschäftsführungsbefugnis

• nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssennebenstehenden Anforderungen genügen

• Minderheitsgesellschafter, der strategisch wichtige Entscheidungen aufgrund einer Einstimmigkeitsklausel blockieren kann (BGH, WuW/E DE-R 2742 – Gratiszeitung

Hallo)

Page 20: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Wettbewerbsverbote und andere wettbewerbsbeschränkende Absprachen sind kartellrechtlich zulässig, sofern sie vertragsimmanent sind oder eine notwendige Nebenabrede darstellen, um den Hauptzweck des als solchen kartellrechts-neutralen Vertrages zu verwirklichen

• Kundenschutzklausel in einem Subunternehmervertrag, vgl. BGH, WuW/E DE-R 2554 - Subunternehmervertrag II (= notwendige Nebenabrede)

• Wettbewerbsverbot zu Lasten des Hauptunternehmers, wenn der Subunter-

Diese Anforderungen gelten für horizontale wie für vertikale Wettbewerbsbe-schränkungen, vgl. BGH, WuW/E DE-R 2554 - Subunternehmervertrag II.

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

• Wettbewerbsverbot zu Lasten des Hauptunternehmers, wenn der Subunter-nehmer erheblich in die Geschäftsbeziehung investiert hat (= notwendigeNebenabrede)

• Verpflichtung des Franchisenehmers, die vom Franchisegeber entwickeltenGeschäftsmethoden und das überlassene know how einzusetzen (vertrags-immanent)

• Pflicht des Fachhändlers im selektiven Vertrieb, nur an autorisierte Wieder-verkäufer zu liefern (= vertragsimmanent)

• Wettbewerbsverbot in Miet- oder PachtV z.N. des Vermieters/Verpächters vgl. OLG Naumburg, WuW/E DE-R 1427 (= vertragsimmanent); siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.1.2014, VI-U(Kart) 19/13

Page 21: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Subunternehmervertrag II

Sachverhalt:

• Bekl. ist für Kl. als deren Subunternehmer ständig mit näher bezeichneten Montage-leistungen an Brandschutzanlagen befasst

• Vertrag sieht ein umfassendes Wettbewerbsverbot vor:

- Bekl. darf die in Rede stehenden Montageleistungen ausschließlich für Kl. Aus-führen

- Jegliche Betätigung der Bekl. für Mitbewerber der Kl. ist untersagt

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

- Wettbewerbsverbot gilt auch noch 2 Jahre nach Vertragsende

• Kl. nimmt die Bekl. auf Einhaltung des nachvertragl. Wettbewerbsverbots in Anspruch

Lösung:

• Verstoß gegen § 1 GWB

- Kl. und Bekl. sind Unternehmer im kartellrechtlichen Sinne

- Konkurrenzklausel führt zu einerWettbewerbsbeschränkung

zum Nachteil der Bekl.

zum Nachteil der Wettbewerber der Kl.

Page 22: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

� Subunternehmervertrag ist als solcher kartellrechtsneutral

- Erforderlichkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbots:

� Wettbewerbsverbot als Nebenabrede kartellrechtlich nur zulässig, soweit esauf das notwendige Maß beschränkt ist:

sachlich zeitlich räumlich

� Arbeitsteilung:

Kl. akquiriert Kunden

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

� Arbeitsteilung:Bekl. führt Arbeiten aus

� Störung dieses Leistungsaustausches, wenn Bekl. mit den Kunden eigene Vertragsbeziehungen knüpft

• nachvertragliche Kundenschutzklausel für 1 Jahr unbedenklich

• nachvertragliches umfassendes Wettbewerbsverbot geht über das Notwendige hinaus

- Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung

- geltungserhaltende Reduktion nur in zeitlicher Hinsicht

• § 138 BGB (Spürbarkeit nicht erforderlich !)

Page 23: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Arbeitsgemeinschaften Bietergemeinschaften

Unternehmenskooperationen

Absicht mehrerer Unternehmen, einen oder mehrere größere Aufträge gemeinsam durch-zuführen (abzugrenzen vom Gemeinschaftsunternehmen)

Kartellrechtlich zulässig, wenn und soweit:

• sich die Zusammenarbeit für die beteiligten Unternehmen als „wirtschaftlich sinnvoll

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

• sich die Zusammenarbeit für die beteiligten Unternehmen als „wirtschaftlich sinnvollund kaufmännisch vernünftig“ darstellt

• die Kooperation muss also nicht zwingend erforderlich sein

• wobei es insoweit auf einen objektivierten Maßstab ankommen muss

unter den genannten Voraussetzungen wirkt sich die Kooperation nicht wettbe-

werbsbeschränkend, sondern sogar wettbewerbsfördernd aus, weil Unter-

nehmen auf den Markt treten, die ohne die Zusammenarbeit kein Angebot abge-

geben hätten

Page 24: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Gemeinsame Werbung, Forschung etc.

Gemeinschaftswerbung ohne vertragliche Beschränkung der eigenen Werbung istgrundsätzlich zulässig (kritisch ist die gemeinschaftliche Werbung mit Preisangaben

� kritisch ist die gemeinschaftliche Werbung mit Preisangaben (Preisabspracheoder Preisabstimmung oder Preisempfehlung)

Verkaufsgemeinschaften zwischen Wettbewerbern sind nur zulässig, wenn sich die beteiligten Unternehmen weder in ihrem eigenen selbstständigen Verkauf und ihrer Preisgestaltung binden noch sich sonst über einen wettbewerbsbeschränkenden Zweckgeeinigt haben

� bei homogenen Massengütern wird der gemeinsame Verkauf idR unzulässig sein, weil der Wettbewerb praktisch nur über den Preis ausgetragen werden kann

Gemeinsame Forschung, Entwicklung und Produktion von Wettbewerbern sind kartellrechtlich im Allgemeinen bedenklich, weil sie regelmäßig mit einer Beschränkungdes Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen verbunden sind

Einkaufsgemeinschaften von Wettbewerbern sind grundsätzlich unzulässig, weil sieregelmäßig den Nachfragewettbewerb beschränken

� Ausnahme: Erfahrungs- oder Meinungsaustausch über bloß generelle Probleme

Page 25: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Gründung eines Gemeinschafts-unternehmen (GU)

es findet eine Doppelkontrolle statt

anhand von § 1 GWB

Fusionskontrolle

Im Rahmen des § 1 GWB ist zu unterscheiden:

GU plant, handelt und entscheidet autonom

Gesellschafter sind auf die Wahrnehmung ihrer Be-

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

kooperatives GU

konzentratives GUGesellschafter sind auf die Wahrnehmung ihrer Be-teiligungsinteressen beschränkt

keine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens

Es ist zu erwarten, dass über das GU das Wettbewerbs-verhalten koordiniert wird, weil

• beide Muttergesellschaften als Wettbewerber auf demMarkt tätig sind oder bleiben (Forschungs-, Produktions-oder Vertriebs-GU)

• die Muttergesellschaften auf einem vor- oder nachgelager-ten Markt tätig sind (GU für Vorprodukte oder gem. Einkauf)

• GU ausschl. oder überwiegend an seine Mütter liefert oder von ihnen bezieht

§ 1 GWB (-)

§ 1 GWB (+)

Page 26: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

BGH, WuW/E DE-R 711 ff. - Ost-Fleisch

Sachverhalt

• Moksel und Südfleisch sind im Wettbewerb stehende GroßU der Fleischindustrie

� Betrieb von Schlachthöfen in Süddeutschland und den neuen Bundesländern

� bundesweiter Absatz von Rinder- und Schweinehälften

� Moksel betreibt in Ostdeutschland 2 Schlachthöfe

� Südfleisch betriebt in Ostdeutschland 1 Schlachthof

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

� Südfleisch betriebt in Ostdeutschland 1 Schlachthof

• Moksel und Südfleisch wollen ihre ostdeutschen Schlachthöfe in einem GU zusammenführen

• Sie gründen zu diesem Zweck die Ostfleisch als GU

� Ziel ist die Steigerung der Wirtschaftlichkeit (Einsparung der Verwaltungskosten, Synergien bei der Weiterverarbeitung, Spezialisierung bei den Schlachtungen)

Lösung zu § 1 GWB

� Mütter des GU sind bei Gründung des GU Wettbewerber

� Mütter bleiben auch nach der GU-Gründung als Wettbewerber tätig

Page 27: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

� Zweck des GU ist es, die Erlössituation der Mütter zu verbessern (Kostenersparnis beim Betrieb der 3 Schlachthöfe)

� das wiederum setzt voraus, dass die im GU realisierten Kostenvorteile nicht oder nur zum Teil an die Abnehmer weitergegeben werden

� das wiederum bedeutet kaufmännisch:

- im Verhältnis der Mütter zum GU darf es keinen Preiswettbewerb geben

- im Verhältnis zueinander müssen die Mütter des GU auf Preiswettbewerb verzichten

� es liegt nahe, dass die Mütter über das GU ihr Marktverhalten koordinieren: � es liegt nahe, dass die Mütter über das GU ihr Marktverhalten koordinieren:

- Sobald für das GU ein bestimmtes Marktverhalten beschlossen ist, werden die Mütter dies nicht durch Wettbewerb konterkarieren

- Ebenso können die Mütter den Informationsfluss im GU dazu nutzen, ihr Marktver-halten untereinander zu koordinieren

Ergebnis: Vertrag zur Gründung des GU ist nach § 134 BGB i.V.m. § 1 GWB nichtig

Zum GU zuletzt: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.8.2012, VI – Kart 4/11 (V) Umdruckab Seite 118

Page 28: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines Gemeinschaftsunternehmenskann nicht aus der Erwartung abgeleitet werden, dass die Muttergesell-schaften aufgrund ihrer nahezu paritätischen Beteiligung Rücksicht auf dasGemeinschaftsunternehmen nehmen und allenfalls in einen gedämpften Wett-bewerb zu diesem treten.

� Bloße Konkretisierung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht

Schlussfolgerungen:

Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines Gemeinschaftsunter-nehmens kann ebenso wenig mit dem Umstand begründet werden, dass dasGemeinschaftsunternehmen bei seinem eigenen Marktverhalten auf diewettbewerblichen Interessen der Mutterunternehmen Rücksicht nehmen.

� Der wettbewerbslose Zustand zwischen dem Gemeinschafts-unternehmen und seinen Muttergesellschaften ist Fall lediglich das Ergebnis ausgeübter gesellschaftsrechtlicher Leitungsmacht.

Page 29: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.8.2012, VI – Kart 4/11 (V)

Sachverhalt

� sie beabsichtigen die Gründung eines GemeinschaftsU mit Sitz in Deutschland,- an dem beide Muttergesellschaften zu jeweils 50 % beteiligt sein sollen- und das von beiden Müttern gemeinsam kontrolliert werden soll

� Die Eckpunkte des Vorhabens sind in einem Memorandum of Understanding (MoU) festgelegt:

- Betrieb einer Internet-Plattform für Video-on-demand-Anbieter (= Anbieter von Online-TV)- es sollen ausschließlich professionell erstellte Inhalte verbreitet werden, die zuvor bereits

� A und B sind Fernsehsender, die auch Fernsehwerbezeit vermarkten

- es sollen ausschließlich professionell erstellte Inhalte verbreitet werden, die zuvor bereitsim linearen Fernsehen ausgestrahlt wurden (TV-Contents)

- die Inhalte sollen dem Zuschauer im Internet unentgeltlich (= werbefinanziert) bereitgestelltwerden

- Zielkunden der Plattform sind Fernsehsender- GU darf den TV-Content nicht vor seiner TV-Ausstrahlung bereitstellen und ihn nicht

länger als 7 Tage nach der TV-Ausstrahlung zur Verfügung stellen (7-Tage-catchup-Angebot)- A und B verpflichten sich, in ihren eigenen Auftraggeberbereichen der Plattform

unentgeltlich mindestens denjenigen TV-Content zugänglich zu machen, den sie auch aufihren Internetseiten entgeltfrei bereitstellen

Page 30: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Lösung zu § 1 GWB

� Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens kann über den verwirklichtenZusammenschlusstatbestand hinaus zu einer Interessenabstimmung und damitzu einer Wettbewerbsbeschränkung i.S. von § 1 GWB zwischen den Müttern führen.

Rechtsgrundsätze:

� Die Unterscheidung zwischen kooperativen und konzentrativen Gemeinschaftsunternehmenstellt lediglich eine Abgrenzungshilfe dar. Insbesondere bedeutet die Einstufung einesGemeinschaftsunternehmens als kooperativ noch nicht, dass der Tatbestand des § 1 GWBstets erfüllt ist.

� Im Rahmen der als Abgrenzungshilfe heranzuziehenden Unterscheidung von konzentrativenund kooperativen Gemeinschaftsunternehmen stellt sich ein Gemeinschaftsunternehmenals konzentrativ dar, wenn es

- sämtliche Funktionen eines selbständigen Unternehmens wahrnimmt,- marktbezogene Leistungen erbringt und- nicht ausschließlich oder überwiegend auf einer vor- oder nachgelagerten Stufe

für die Muttergesellschaft- sowie nicht auf demselben Markt wie die Mütter tätig ist.

Typische kooperative Gemeinschaftsunternehmen sind dagegen solche, die für dieMuttergesellschaften nur einzelne Unternehmensfunktionen wahrnehmen.

Page 31: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

� Es ist ein Indiz für eine Zusammenarbeit der Muttergesellschaften, wenn diese ihreTätigkeit auf demselben sachlichen und räumlichen Markt wie das Gemeinschaftsunternehmenfortsetzen. Bleiben die Muttergesellschaften aktuelle Wettbewerber des Gemeinschafts-unternehmens, sind sie im Allgemeinen versucht, durch Abstimmung ihrer Geschäftspolitikoder durch bewusste Zurückhaltung die Intensität des Wettbewerbs zu verringern.

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

� Ob es sich auch im Einzelfall so verhält, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung derwirtschaftlichen Zusammenhänge und Auswirkungen zu beurteilen, wobei im Allgemeinenvon einem wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Verhalten derUnternehmen auszugehen ist (BGH, WuW/E DE-R 2361 Rn. 14 m.w.N. – Nord-KS/Xella;BGH, WuW/E DE-R 711 - Ostfleisch).BGH, WuW/E DE-R 711 - Ostfleisch).

Anwendung auf den Streitfall:

� GU ist ein kooperatives GemeinschaftsU, weil es überwiegend für seine Mutterge-sellschaften auf einem - der online-Werbung vorgelagerten - Markt tätig werden wird

� Bereitstellung einer Internet-Plattform, über die Veranstalter von Fernsehprogrammenals Eigentümer professioneller audiovisueller Inhalte ihre Fernsehinhalte online fürNutzer zugänglich machen und in diesem Zusammenhang das damit verbundeneWerbepotential vermarkten können

� dem Online-Werbemarkt vorgelagerter Markt

Page 32: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

� Überwiegende Tätigkeit für die beiden Muttergesellschaften: ARD + ZDF verfolgeneine eigene Plattform (Germany`s Gold), der sich 17 Anbieter und private Produktions-gesellschaften anschließen wollen

� Die Vorgaben des MoU bezwecken (und bewirken) eine Beschränkung des Wettbewerbsder beiden Muttergesellschaften und ferner aller der Plattform angeschlossenenInhalteanbieter auf dem Angebotsmarkt für Online-Videowerbung und überdies unterdem Aspekt des Substitutionswettbewerbs auf dem Fernsehwerbemarkt

- es sollen ausschließlich professionell erstellte Inhalte verbreitet werden, die zuvorbereits im linearen Fernsehen ausgestrahlt wurden (TV-Contents)

� Beschränkung des Wettbewerbs um Werbekunden über den Inhalt der Online-Ausstrahlung

- die Inhalte sollen dem Zuschauer im Internet unentgeltlich (= werbefinanziert) bereitgestelltwerden

� Kein Wettbewerb über den Preis

Page 33: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

- GU darf den TV-Content nicht vor seiner TV-Ausstrahlung bereitstellen und ihn nichtlänger als 7 Tage nach der TV-Ausstrahlung zur Verfügung stellen

� Wettbewerb über Preview oder ein Archiv wird ausgeschlossen

- A und B verpflichten sich, in ihren eigenen Auftraggeberbereichen der Plattformunentgeltlich mindestens denjenigen TV-Content zugänglich zu machen, den sie auchauf ihren Internetseiten entgeltfrei bereitstellen

� Konkurrenz zwischen A und B über den Inhalt des Online-Angebots wird beschränkt

Page 34: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Marktinformationssysteme

Angebotsmeldeverfahren Verbandsstatistiken

Einschränkung des Geheimwettbewerbs

Identifizierende Marktinformationssystems sind grds. bedenklich

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

Nicht identifizierende Systeme sind grds. unbedenklich

Im Einzelfall kommt es auf den „Aggregationsgrad“ der Daten an

• je enger der Markt ist, desto höher muss der Aggregationsgrad sein

• je transparenter der Markt, desto höher muss der Aggregationsgrad sein

• schädlich ist es bereits, wenn ein vorstoßender Wettbewerb sofort erkennbar wird

Page 35: Dr. Jürgen Kühnen Gesetz gegen Wettbewerbs- Vors. Richter ... · Dr. Jürgen Kühnen Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Vors. Richter am OLG Kartellrecht § 22 GWB

Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 1 GWB

§ 134 BGB § 32 GWB§ 33 GWB

• Nichtigkeit des Kartell-vertrages

• Nichtigkeit der Ausführungs-verträge zur Umsetzung derKartellabsprache

• Wirksamkeit der im Vertikalver-

• Pflicht zur Beseitigung derWettbewerbsstörung

• Pflicht zur Unterlassungkünftiger Störungen

• Abstellungsver-fügung

- Verbotsverfügung

- Gebotsverfügung

Dr. Jürgen KühnenVors. Richter am OLG

• Wirksamkeit der im Vertikalver-hältnis geschlossenen Folge-verträge

• Schadensersatzpflicht- Gebotsverfügung

• Feststellungsverfü-gung;zum Feststellungsinter-esse siehe § 33 Abs. 4S. 1 GWB; zudem beibestehender Wieder-holungsgefahr: vgl.BGH, DB 2008, 2249 Rn. 51 ff. § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB

• Bußgeld

• Aktivlegitimation

� Verbände, � 33 II 1 GWB

� Betroffene, � 33 I 3 GWB

� Bindungswirkung, � 33 IV GWB

• ist nur eine Klausel nichtig, gilt§ 139 BGB;� salvatorische Klausel

beachten !

• geltungserhaltene Reduktion in zeitlicher Hinsicht zulässig