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Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 14.12.2011 1 Dossier „Ökonomie mit Energie“ Ausgabe 64, 2011 1. Artikel: Brüssel stoppt Beihilfen für neue Kohlekraftwerke (05.12.2011) Die staatliche Subventionierung von Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen soll nach Ansicht des europäischen Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia im Sinne der Klimaschutzbemühungen unterbunden werden. Dies steht aktuellen Plänen der Bun- desregierung entgegen. Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“, „Rahmenbedingun- gen der Energiewirtschaft“ und „Energiemix der Zukunft“ 1. Geben Sie die Forderungen des europäischen Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia wieder. 2. Legen Sie dar, aus welchen Gründen seiner Meinung nach zukünftig auf die staatliche Subventionierung von fossilen Kraftwerken verzichtet werden soll. 3. Erläutern Sie, inwieweit diese Aussagen den aktuellen Plänen der Bundesre- gierung entgegenstehen. Fassen Sie die von dieser Seite vorgebrachten Argu- mente zusammen. 4. Analysieren Sie den vorliegenden Fall mithilfe des energiepolitischen Ziel- dreiecks. Arbeiten Sie die zwischen den drei grundlegenden Zielen auftreten- den Konfliktlinien heraus. 2. Artikel: Kuba hofft auf neuen Reichtum durch Erdölvorkommen im Meer (05.12.2011) Nach Schätzungen finden sich in den zu Kuba gehörenden Gewässern des Golfs von Mexiko mindestens 4,6 Milliarden Barrel Rohöl. Mit Probebohrungen soll dies nun überprüft werden. Bestätigen sich die Annahmen und ist das Öl gut zu fördern, so würde sich die ökonomische Situation des kommunistisch regierten Karibikstaates mit einem Schritt komplett verändern. Verortung v. a. in den Themenbereichen „Perspektiven der Weltenergieversor- gung“ und „Energie und Makroökonomie“

Dossier „Ökonomie mit Energie“ Ausgabe 64 , 2011 · 2013. 12. 20. · Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 14.12.2011 3 5. Fassen Sie die Erwartungen der Wirtschaft an die

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  • Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 14.12.2011

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    Dossier „Ökonomie mit Energie“

    Ausgabe 64, 2011 1. Artikel: Brüssel stoppt Beihilfen für neue Kohlekraftwerke (05.12.2011)

    Die staatliche Subventionierung von Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen soll nach

    Ansicht des europäischen Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia im Sinne der

    Klimaschutzbemühungen unterbunden werden. Dies steht aktuellen Plänen der Bun-

    desregierung entgegen.

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“, „Rahmenbedingun-

    gen der Energiewirtschaft“ und „Energiemix der Zukunft“

    1. Geben Sie die Forderungen des europäischen Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia wieder.

    2. Legen Sie dar, aus welchen Gründen seiner Meinung nach zukünftig auf die staatliche Subventionierung von fossilen Kraftwerken verzichtet werden soll.

    3. Erläutern Sie, inwieweit diese Aussagen den aktuellen Plänen der Bundesre-gierung entgegenstehen. Fassen Sie die von dieser Seite vorgebrachten Argu-mente zusammen.

    4. Analysieren Sie den vorliegenden Fall mithilfe des energiepolitischen Ziel-dreiecks. Arbeiten Sie die zwischen den drei grundlegenden Zielen auftreten-den Konfliktlinien heraus.

    2. Artikel: Kuba hofft auf neuen Reichtum durch Erdölvorkommen im Meer (05.12.2011)

    Nach Schätzungen finden sich in den zu Kuba gehörenden Gewässern des Golfs von

    Mexiko mindestens 4,6 Milliarden Barrel Rohöl. Mit Probebohrungen soll dies nun

    überprüft werden. Bestätigen sich die Annahmen und ist das Öl gut zu fördern, so

    würde sich die ökonomische Situation des kommunistisch regierten Karibikstaates mit

    einem Schritt komplett verändern.

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Perspektiven der Weltenergieversor-

    gung“ und „Energie und Makroökonomie“

  • Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 14.12.2011

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    1. Geben Sie Prognosen bzgl. der möglichen Öl-Ressourcen vor Kuba wieder. Vergleichen Sie diese mit Vorhaben in anderen Regionen der Welt.

    2. Erläutern Sie, inwiefern sich die Abhängigkeitsverhältnisse des Karibikstaates verändern würden, sollten die Prognosen zutreffen.

    3. Untersuchen Sie, inwieweit die Öl-Förderung eine generelle Umstrukturierung der kubanischen Wirtschaft nach sich ziehen würde.

    3. Artikel: Wirtschaft pocht auf Klimaschutz (07.12.2011) 4. Artikel: Entwicklungshilfe: Berlin zahlt für Kampf gegen Klimawandel (07.12.2011) 5. Artikel: Deutschland will Klimafonds (08.12.2011) 6. Artikel: Lauwarmer Kompromiss (12.12.2011) 7. Interview: „Dieses Chaos ist ineffizient“ (12.12.2011)

    Ungeachtet der Tatsache, dass der Handlungsdruck nach Ansicht der meisten Exper-

    ten stetig zunimmt, gab es kaum Hoffnung, dass die Klimaschutzkonferenz im südaf-

    rikanischen Durban im Dezember 2012 substanzielle Ergebnisse zutage fördern

    könnte. Zu weit lagen hierfür die nationalstaatlichen Interessen auseinander. Dem ent-

    sprechend sorgt bereits ein schmales Verhandlungsergebnis für Zufriedenheit.

    Die vorliegenden Artikel 3 – 5 beleuchten verschiedene Aspekte, die im Hinblick auf

    die klimapolitischen Verhandlungen relevant sind. Der 6. Artikel sowie das Interview

    setzen sich ergänzend mit den Verhandlungsergebnissen auseinander.

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“, „Perspektiven der

    Weltenergieversorgung“ und „Umweltschutz“

    1. Beschreiben Sie in eigenen Worten, was unter dem Klimawandel verstanden wird, welche Faktoren im Wesentlichen für dessen Zunahme verantwortlich ge-macht und welche Maßnahmen aktuell diskutiert werden.

    2. Setzen Sie sich mit den weltweiten Folgen des zunehmenden Klimawandels aus-einander. Benennen Sie jene Staaten und Regionen, die in besonderem Maße betroffen sein werden.

    3. Erklären Sie in diesem Zusammenhang, was unter dem sogenannten 2-Grad-Ziel verstanden wird. Überprüfen Sie, inwieweit dessen Erreichung nach heuti-gem Maßstab realistisch erscheint und begründen Sie Ihre Einschätzung.

    4. Geben Sie die Eckpunkte des 2012 auslaufenden Kyoto-Abkommens wieder. Er-schließen Sie dessen bisherige Wirkungen.

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    5. Fassen Sie die Erwartungen der Wirtschaft an die Klimapolitik zusammen. Ar-beiten Sie heraus, inwieweit und aus welchen Gründe diese auf Klimaschutz „pocht“.

    6. Verorten Sie die Rolle Deutschlands in der internationalen Klimapolitik. Be-werten Sie begründet das Engagement der deutschen Bundesregierung im Ver-gleich mit anderen Staatsregierungen.

    7. Fassen Sie die Ergebnisse der Verhandlungsrunden in Durban zusammen. Ver-gleichen Sie diese mit den zuvor gehegten Erwartungen und nehmen Sie eine Bewertung vor.

    8. Analysieren Sie die den globalen Klimaschutzverhandlungen unterliegende Di-lemmastruktur, indem Sie den Konflikt zwischen weltweit geteilten und natio-nalstaatlichen Kosten-Nutzen-Kalkulationen bzw. Zielsetzungen herausarbei-ten. Stellen Sie in diesem Zusammenhang begründete Prognosen bzgl. der wei-teren Entwicklungen auf.

    8. Artikel: BGH prüft Tankstellen-Oligopol (07.12.2011)

    Das Bundeskartellamt hat im Mai 2011 den fehlenden Wettbewerb im deutschen

    Markt für Tankstellen bemängelt und hierfür die Oligopolstrukturen auf Anbieterseite

    verantwortlich gemacht. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) bestätigt

    zumindest die entsprechenden Verdachtsmomente und verlangt weitere Untersuchun-

    gen.

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wettbewerbsstrukturen im Energie-

    markt“ und „Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“

    1. Erklären Sie am Beispiel des deutschen Tankstellenmarktes, was unter der Marktform des „Oligopols“ verstanden wird. Beschreiben Sie, inwieweit hier-aus wettbewerbliche Probleme resultieren können.

    2. Ermitteln Sie die Analyseergebnisse des Bundeskartellamtes von Mai 2011. Ge-ben Sie die Einschätzungen bzgl. der Wettbewerbsstrukturen auf dem genann-ten Markt wieder.

    3. Erläutern Sie Inhalt und Bedeutung des aktuellen Urteils des Bundesgerichts-hofes in diesem Zusammenhang. Erschließen Sie den denkbaren Fortgang des Prozesses.

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    9. Artikel: Iran droht der Welt mit der Ölwaffe (13.12.2011)

    Im internationalen Streit um das iranische Atomprogramm droht das Land mit der

    Verknappung der Ölzufuhr aus dem Nahen Osten, was zu Engpässen in den Industrie-

    und Schwellenländern führen könnte.

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Perspektiven

    der Energieversorgung“

    1. Beschreiben Sie den derzeitigen Konfliktfall zwischen dem Iran und der inter-nationalen Staatengemeinschaft.

    2. Geben Sie die aktuelle Drohung der iranischen Politik wieder. Erschließen Sie die hieraus ggf. resultierenden Folgen für Industrie- und Schwellenstaaten, sollten die Drohungen umgesetzt werden.

    3. Erläutern Sie, inwiefern der Zugriff auf Rohstoffquellen als politisches Durch-setzungsinstrument verwendet wird.

    4. Ermitteln Sie vergleichbare Beispiele aus der Vergangenheit.

    10. Artikel/Grafik: Gewinnschmelze bei Eon (14.12.2011)

    Nach einem Jahrzehnt erfolgreicher Geschäfte verzeichnet der viertgrößte europäische

    Energieversorger Eon erstmals deutliche Verluste. Verantwortlich sind hierfür zum

    einen veränderte Rahmenbedingungen (z. B. der politisch beschlossene Atomausstieg

    in Deutschland), aber auch Entscheidungen der Führungsebene der letzten Jahre.

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wertschöpfung“ und „Rahmenbedin-

    gungen der Energiewirtschaft“

    1. Fassen Sie die Geschäftsentwicklung des Eon-Konzerns in den Jahren 2000 bis 2010 zusammen. Benennen Sie hierbei die zentralen Geschäftsfelder des Unter-nehmens.

    2. Beschreiben Sie die Geschäftsentwicklung des Unternehmens in 2011. Verglei-chen Sie diese mit den zuvor ermittelten Ergebnissen.

    3. Arbeiten Sie die wesentlichen Gründe für die derzeit zu erkennende „Gewinn-schmelze“ heraus. Analysieren Sie hierbei den Einfluss veränderter Rahmenbe-dingungen und Entscheidungen der Unternehmensführung.

    4. Ermitteln Sie die Konsequenzen, die das Unternehmen aktuell aufgrund der vorliegenden Zahlen zieht.

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    11. Artikel: Getrennte Wege in der Energiewende (14.12.2011)

    Aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Bundesumwelt- und dem Bun-

    deswirtschaftsministerium kommt die Energiewende nach Ansicht von Experten und

    Energiewirtschaft zu schleppend voran. Ein Beispiel: „Zuletzt konnten sich beide Mi-

    nister nicht auf eine einheitliche Linie zur EU-Energieeffizienzrichtlinie einigen.

    Deutschland hat seitdem als einziges EU-Land keine abgestimmte Haltung dazu.“

    � Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Energiemix der

    Zukunft“

    1. Ermitteln Sie den Status der Energiewende. Benennen Sie hierzu die zentral an-stehenden Aufgaben und überprüfen Sie den Grad ihrer Bearbeitung.

    2. Erläutern Sie, inwieweit die Bundesminister Röttgen und Rösler „getrennte Wege in der Energiewende“ zu gehen scheinen. Belegen Sie Ihre Ausführungen mithilfe konkreter Beispiele.

    3. Setzen Sie sich mit den hieraus ggf. resultierenden Folgen auseinander. Neh-men Sie dabei auch Bezug auf die Einschätzungen der im Artikel genannten Ex-perten.

    4. Diskutieren Sie, inwieweit die seit vielen Jahren erörterte Einrichtung eines ei-genständigen Energieministeriums in Deutschland sinnvoll erscheint. Wägen Sie Vor- und Nachteile ab und nehmen Sie begründet Stellung.

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    Brüssel stoppt Beihilfen für neue Kohlekraftwerke Wettbewerbskommissar Almunia will nur Subventionen für klimafreundliche Neubau-ten billigen. 5 Dem Förderprogramm der Bundesregierung für neue Kohlekraftwerke droht Gegen-wind aus Brüssel. Die in Berlin vorgesehenen Subventionen sind EU-Wettbewerbs-kommissar Joaquin Almunia offenbar ein Dorn im Auge. Er will die Beihilfen an strikte Auflagen knüpfen. Das geht aus dem Entwurf für einen Katalog von Beihilfe-vorschriften im Rahmen des CO2-Emissionshandelssystems hervor, der dem Handels-10 blatt vorliegt. Demnach soll die Förderung aus Steuergeldern mit 15 Prozent bei Neu-bauten nur dann erlaubt sein, wenn die Kraftwerke auch vor dem Jahr 2020 CCS-Technik einsetzen. Unter Carbon Capture and Storage, kurz CCS, versteht man die Abscheidung und Speicherung von CO2 bei der Verbrennung von Kohle und Gas, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Technologie steckt noch in den Kinder-15 schuhen; weltweit laufen nur wenige Pilotanlagen. Selbst Investitionskostenzuschüsse von fünf Prozent will die Kommission nur gewähren, wenn Kohlekraftwerksneubau-ten CCS-Technik vorhalten, auch wenn sie noch nicht vor 2020 eingesetzt wird. In Deutschland ist es jedoch fraglich, ob CCS in absehbarer Zeit überhaupt zum Ein-20 satz kommt. Das geplante Gesetz zur Ausscheidung und Lagerung von Kohlendioxid hat der Bundesrat im September gestoppt. Mit Blick auf die geplanten Vorschriften aus Brüssel ist damit die Umsetzung des Vorhabens von Wirtschaftsminister Philipp Rösler, den Neubau von Kohlekraftwerken mit jährlich rund 160 Millionen Euro aus dem Klimafonds zu fördern, ungewiss. Angesichts des Atomausstiegs wird neben den 25 erneuerbaren Energien Kohle eine wachsende Rolle bei der Stromerzeugung spielen. Auf die CCS-Technologie wird man daher kaum verzichten können. Anlagenbauer und Energiekonzerne arbeiten mit Hochdruck an der Technik. Allerdings hat RWE ein entsprechendes Projekt bei Hürth angesichts der unsicheren Rechtslage in Deutsch-land vorerst gestoppt. Rösler hatte erst vor kurzem bei den Umweltverbänden für den 30 Bau neuer Kohlekraftwerke geworben. „Wer für den vollständigen Verzicht auf Strom aus Kernenergie eintritt, kann nicht die Notwendigkeit neuer Kraftwerke und neuer Netze bestreiten oder gar entsprechende Projekte bekämpfen“, ließ er in einem Brief wissen. Auch bei Wettbewerbskommissar Almunia war Rösler in dieser Angelegen-heit vorstellig geworden. Im Bundeswirtschaftsministerium ist man von den jüngsten 35 Plänen aus Brüssel wenig begeistert. Würden die Guidelines so bestehen bleiben, er-gebe das Förderprogramm für fossile Kraftwerke keinen Sinn, weil die Anforderungen zu hoch seien. Berlin versucht derzeit auf EU-Ebene die Richtlinien dahingehend zu entschärfen, dass die Notwendigkeit zur CCS-Fähigkeit nicht zur Voraussetzung für Investitionszuschüsse gemacht wird. Die Grünen im Europaparlament begrüßen dage-40 gen die Pläne der EU-Kommission. Sie lehnen staatliche Beihilfen für Kohlekraftwer-ke als klimaschädigend ab. „Der Emissionshandel soll den Ausstoß von CO2 kostspie-lig machen“, sagte Rebecca Harms, Vizefraktionschefin der Grünen im Brüsseler Par-lament. Dieses Signal dürfe nicht durch Subventionszahlungen wieder abgeschwächt werden. 45

    Quelle: Ludwig, T., Handelsblatt, Nr. 235, 05.12.2011, 15

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    Kuba hofft auf neuen Reichtum durch Erdölvorkommen im Meer Geologen gehen seit langem davon aus, dass in kubanischen Gewässern 4,6 Milliar-den Barrel Rohöl liegen. Probebohrungen sollen Klarheit bringen. 5 Staatschef Raúl Castro wartet dieser Tage ungeduldig auf wertvolle Fracht aus China. Seit drei Monaten schippert die Bohrplattform „Scarabeo 9“ mit Kurs auf die kommu-nistische Karibikinsel über die hohe See. Mit dem Bohrturm soll der spanische Ener-giekonzern Repsol vor der Nordküste der Insel nach Öl suchen. 10 Nach Schätzungen des staatlichen geologischen Instituts der USA (USGS) schlum-mern in den zu Kuba gehörenden Gewässern des Golfs von Mexiko mindestens 4,6 Milliarden Barrel Rohöl. Zwar stammen die Daten aus dem Jahr 2004, aber erst jetzt hat sich Repsol bereitgefunden, in die notwendigen Probebohrungen zu investieren. 15 Sollte es sich bewahrheiten, stehen Kuba goldene Zeiten bevor. „Wenn das Öl wirk-lich in den vermuteten Größen liegt und förderbar ist, wird sich Kuba in Energiefragen vom Ausland unabhängig machen“, sagt der britische Erdöl-Analyst David Shields. „Außerdem wird sich das gesamte ökonomische Panorama der Insel verändern.“ Die geologischen Voraussetzungen für hohe Ölreserven im Golf seien gegeben, betont er 20 und verweist auf Vorkommen in den zu Mexiko und den USA gehörenden Gewäs-sern. Auch die Kubaner gehen davon aus, dass sie bald zum Petro-Staat aufsteigen. „Die Frage ist nicht, ob wir Erdöl finden, sondern wann“, sagt Rafael Tenreiro, Produkti-25 onsdirektor der staatlichen Ölgesellschaft Cupet. Er rechnet mit bis zu 20 Milliarden Barrel in den Tiefen des Golfs. Kuba könnte zum Rohstoffexporteur aufsteigen, müss-te nicht mehr unter Energiemangel leiden: Die Wirtschaft kommt heute mit nur 113.000 Barrel täglich aus, die das befreundete Venezuela zum Freundschaftspreis sendet. 30 Spätestens Anfang des Jahres soll „Scarabeo 9“ gleich an mehreren Stellen an Kubas Nordküste in rund 1.700 Meter Tiefe nach dem schwarzen Gold suchen. Pikant daran ist, dass die Probebohrungen weniger als hundert Kilometer vor der Küste des ameri-kanischen Bundesstaats Florida geplant sind. Das stört US-Politiker und Unternehmen 35 gleichermaßen. Beide müssen wegen der jahrzehntealten Embargopolitik Washingtons tatenlos zusehen, wie sich der Erzfeind vor der eigenen Haustür mit den Ölschätzen das wirtschaftliche Überleben sichern könnte. „Das untergehende kubanische Regime versucht, mit den Ölbohrungen einen Stroh-40 halm zum Überleben zu ergreifen“, ereifert sich Ileana Ros-Lehtinen, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus. Sie droht Repsol mit „straf- und zivilrechtlichen Folgen”, falls das spanische Unternehmen die Bohrungen nicht stoppt. Repsol weist die Vorwürfe zurück und besteht darauf, dass die Probebohrun-gen mit US-Gesetzen in Einklang stehen. „Wir haben jeden Schritt unseres Vorhabens 45 mit Washington abgestimmt“, sagt Repsol-Sprecher Kristian Rix.

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    Unternehmen, die mit Kuba Handel treiben, sind in den USA seit 1996 vom Helms-Burton-Gesetz bedroht. Es sieht bei Ausschreibungen Nachteile vor, wenn ein Anbie-ter auch mit der Karibik-Insel Geschäfte macht. Das besonders umstrittene III. Kapitel von Helms-Burton, das konkrete Sanktionen gegen diese Firmen vorsieht, wird aller-50 dings regelmäßig von den Präsidenten ausgesetzt. Sollte Kuba die Ölreserven finden, dann wäre die Regierung in Havanna über Nacht so reich wie seit der Revolution von 1959 nicht. Das Kuba der Castros war immer auf die wirtschaftliche Hilfe von Verbündeten angewiesen. 40 Jahre lang hielt die Sowjet-55 union die Inselökonomie in Gang; seither stützen Venezuela und China die Insel. Trotzdem ist Kuba wirtschaftlich dem Kollaps nahe. Mit homöopathischen marktwirt-schaftlichen Dosen will die Castro-Regierung daher den Sozialismus erhalten. Tau-sende Staatsdiener wurden in die Selbstständigkeit entlassen und arbeiten jetzt als CD-60 Händler, Frisöre oder als Gärtner. 178 Berufe hatten die Bürokraten vergangenes Jahr freigegeben, und inzwischen haben Hunderttausende Kubaner eine Lizenz als „Cuen-tapropista“, als eine Art kubanische Ich-AG beantragt. Mittlerweile dürfen sogar Häu-ser und Autos verkauft werden, Gemüse auf eigene Rechnung angebaut und seit Neu-estem von den Bauern direkt an den Tourismussektor verkauft werden. Der Staat ver-65 zichtet hier auf sein Monopol. Quelle: Ehringfeld, K., Handelsblatt, Nr. 235, 05.12.2011, 16

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    Wirtschaft pocht auf Klimaschutz Ein klares Bekenntnis der Staatengemeinschaft zum Umweltschutz könnte einen welt-weiten Investitionsschub auslösen. Doch die Chancen stehen schlecht. Daran ändern auch die jüngsten Aussagen Chinas nichts. 5 Ein Scheitern des Klimagipfels in Durban könnte die Wirtschaft um Milliardenumsät-ze bringen. Denn erst verbindliche Vorgaben für strengen Klimaschutz bilden die Basis für Investitionen in Umweltschutztechnologie. Ohne brauchbares Ergebnis in Durban wächst dagegen die Investitionszurückhaltung. In der Wirtschaft mehren sich 10 die Stimmen, die nach Alternativen zum Uno-Verhandlungsprozess suchen. „Die Wirtschaft braucht klare und verlässliche Regeln. Es ergeben sich milliarden-schwere Geschäftsperspektiven, wenn die internationale Staatengemeinschaft die Wei-chen richtig stellt“, sagte Jean-Guy Carrier, Generalsekretär der Internationalen Han-15 delskammer (ICC), dem Handelsblatt. Wenn die internationale Staatengemeinschaft sich dagegen gar nicht erst festlege, müssten Unternehmen auf Geschäftspotenzial verzichten. „Das betrifft insbesondere innovative Unternehmen, die sich im Bereich der Umwelttechnik bewegen“, so der Generalsekretär. Die Internationale Handels-kammer versteht sich als branchenübergreifende Vertretung der Weltwirtschaft gegen-20 über internationalen Institutionen. Mitglieder sind Industrie- und Handelskammern, aber auch Unternehmen. Ein Ergebnis in Durban, das den Vorstellungen der Wirtschaft gerecht werden könnte, erscheint derzeit aber unwahrscheinlich. Noch zu Wochenbeginn hatte es für einen 25 Moment so ausgesehen, als würde China einen Kurswechsel vollziehen und sich auf ein Abkommen mit verbindlichen Emissionsreduktionszielen einlassen wollen. Mitt-lerweile wird der Vorstoß aber anders gedeutet. China habe sich lediglich bereit erklärt, die verpflichtenden Zusagen anderer Länder anzuerkennen, sagte Bundesum-weltminister Norbert Röttgen (CDU) in Durban. Das sei „kein Fortschritt, keine 30 Bewegung“ und habe keinen Neuigkeitswert. Entscheidend sei nun, dass China sich auch bereit erkläre, selbst Verpflichtungen einzugehen. Erst dann bestehe die Chance, in Durban zu einem „akzeptablen Ergebnis“ zu kommen. Das ursprüngliche Ziel des Gipfels, ein Folgeabkommen für das Ende 2012 auslaufen-35 de Kyoto-Protokoll zu erzielen, gilt längst als unerreichbar. Große Emittenten wie Kanada, Japan und Russland, die sich mit dem Kyoto-Protokoll verbindlich zu Emis-sionsreduktionen bekannt hatten, haben bereits lange vor der Durban-Konferenz erklärt, dass sie bei einem Folgeabkommen nicht dabei sein wollen. Unter dem Dach von Kyoto bleiben daher nur noch 15 Prozent der weltweiten Emissionen vereint. Das 40 sei unzureichend, sagte Röttgen. Ersatzweise müssten sich daher nun möglichst viele Staaten, darunter die USA und große Schwellenländer, dazu bekennen, sich später auf bestimmte Reduktionsziele festzulegen. „Wir brauchen mehr Geschwindigkeit, mehr Verpflichtung und mehr Beteiligung, wenn wir die Lücke zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels noch schließen wollen“, sagte Röttgen. 45 Ziel der Klimaschutzpolitik ist es, die Erderwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit unter zwei Grad zu halten.

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    ICC-Generalsekretär Carrier nennt den Uno-Verhandlungsprozess „frustrierend 50 langsam“. Er denkt daher bereits an einen Plan B: Wenn es auf Uno-Ebene nicht weitergehe, müsse eine Koalition der Willigen vorangehen und dem Rest der Welt zeigen, dass sich Wirtschaftswachstum und Klimaschutz miteinander vereinbaren ließen. 55 „Uns geht es nicht um die perfekte Lösung, sondern um eine Lösung, die funktio-niert“, sagte Carrier. Der Kampf gegen den Klimawandel sei zu wichtig, um ihn im-mer wieder aufzuschieben. Es gehe „um nichts weniger als um ein neues Geschäfts-modell für den ganzen Planeten“. 60 Gerade für deutsche Unternehmen ist der Ausgang der Klima-Verhandlungen in Dur-ban von großer Bedeutung. Sie sind in vielen Bereichen der Umwelttechnik Welt-marktführer. Einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger zufolge könnte die Umwelttechnik-Branche schon in wenigen Jahren deutsche Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie oder den Maschinenbau an Bedeutung überholen. Ambitio-65 nierter weltweiter Klimaschutz würde die Geschäfte mit der „grünen Industrie“ weiter beflügeln. „Die Verhandler hier in Durban müssen Klimaschutz endlich als eine Chance begrei-fen und nicht als Wachstumsrisiko“, sagte Sören Buttkereit, bei Siemens verantwort-70 lich für das Thema Nachhaltigkeit. Der Siemens-Konzern hat die grüne Technologie zu einem Schwerpunkt seiner Aktivitäten erkoren und erzielt in diesem Bereich welt-weit Erfolge. Die von Carrier angeregte Koalition der Willigen, die sich außerhalb des Uno-Ver-75 handlungsprozesses zusammenfindet, nimmt in den Köpfen von Unternehmensstrate-gen bereits Gestalt an. So plädiert auch Torsten Jeworrek, der für die Rückversiche-rung zuständige Vorstand bei Munich Re, dafür, dass eine kleine Gruppe von Ländern im Klimaschutz die Vorhut bildet und sich dabei auf die Förderung der erneuerbaren Energien konzentriert. 80 Er ist davon überzeugt, dass sich die Strategie lohnt: „Der Umbau der Energieversor-gung von den fossilen zu erneuerbaren Trägern ist die zentrale Aufgabe dieses Jahr-hunderts. Damit verbunden sind erhebliche Chancen“, sagt Jeworrek. Das „Mensch-heitsproblem Erderwärmung“ scheine im Rahmen des von den Vereinten Nationen or-85 ganisierten Prozesses nicht lösbar. Die große Herausforderung werde nur zu meistern sein, wenn eine Kerngruppe von Ländern vorangehe. Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 237, 07.12.2011, 16

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    Entwicklungshilfe: Berlin zahlt für Kampf gegen Klimawandel Für J. Karl Hood, Außenminister des Inselstaats Grenada, ist Klimawandel kein ab-straktes Wort. Er bekommt die Auswirkungen der Erderwärmung deutlich zu spüren. Sein Land habe innerhalb eines Jahres zwei gewaltige Tropenstürme erlebt – mit ka-5 tastrophalen Folgen für die Bevölkerung: Massive Ernteausfälle und zerstörte Sied-lungen hätten sein Land zurückgeworfen, berichtet Hood auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf dem Klimagipfel in Durban. 10 Umso mehr freut es den Minister, dass er Hilfe bekommt: Das deutsche Umweltminis-terium zahlt dem Inselstaat fünf Millionen Euro aus seiner Internationalen Klima-schutzinitiative (IKI). Das ebenfalls stark von den Folgen des Klimawandels betroffe-ne Mali erhält aus den IKI-Mitteln gar zehn Millionen Euro. Die entsprechenden Ko-operationsvereinbarungen wurden gestern unterzeichnet. 15 Die Beispiele Mali und Grenada zeigen: Im Ansatz funktioniert zumindest der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels im Kleinen. Während die Verhandlungen über das große Abkommen, das die Staaten der Welt verbindlich auf Klimaschutz ein-schwört, seit Jahren nicht vom Fleck kommen, fließen Mittel der Industriestaaten für 20 die ärmsten Länder. Ziel der Kooperationsvereinbarungen ist es, Grenada und Mali die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu erleichtern. Die geförderten Projekte betreffen das Was-sermanagement, den Küstenschutz und die Landwirtschaft. Sie sollen Modellcharakter 25 entwickeln und später auf andere Länder übertragen werden können. Grenada profitiert auch an anderer Stelle von IKI-Mitteln. Gemeinsam mit Jamaika und St. Lucia gehört Grenada zu den Karibik-Inseln, die zwei Millionen Euro An-schubfinanzierung für die Entwicklung von Versicherungslösungen für witterungsbe-30 dingte Schäden erhalten. „Das ist ein Beispiel für ganz praktische Hilfe im Kampf ge-gen die Folgen des Klimawandels“, sagt Peter Höppe, Chef des Geo Risks Research bei Munich Re. Der Rückversicherer treibt das Thema Mikroversicherungen seit Jah-ren voran. Ohne Anschubfinanzierungen und die Errichtung administrativer Struktu-ren kommen Versicherungslösungen in den betroffenen Ländern nicht voran. Die Ver-35 sicherung springt etwa ein, wenn ein Bauer infolge einer Überschwemmung seine Ernte verliert und neues Saatgut braucht. Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 237, 07.12.2011, 16

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    Deutschland will Klimafonds Mit 40 Millionen Euro Startgeld bewirbt sich die Bundesregierung um den Sitz des Grünen Klimafonds. Er soll armen Ländern beim Klimaschutz helfen. 5 Deutschland strebt eine führende Rolle beim Aufbau des internationalen Green Climate Fund (GCF) an. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte gestern vor dem Plenum der Weltklimakonferenz in Durban, Deutschland bewerbe sich um den Sitz des Fonds und stehe bereit, seinen Anteil zu dessen Finanzierung zu leisten. Über den GCF wollen die Industriestaaten den ärmsten und am stärksten vom Klima-10 wandel betroffenen Ländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfü-gung stellen. Der Fonds soll einerseits Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels finanzieren wie den Bau von Dämmen. Andererseits geht es um Inves-titionen, die helfen, den globalen Temperaturanstieg zu bremsen. Damit ist etwa der Umstieg auf erneuerbare Energien gemeint. 15 Die Industriestaaten hatten den Fonds, der eng an die Vereinten Nationen angebunden sein soll, bereits beim Klimagipfel in Kopenhagen vor zwei Jahren in Aussicht ge-stellt. In Durban geht es nun um die Konkretisierung des Projekts. Bereits ab kom-mendem Jahr sollen Mittel zum Aufbau des Fonds fließen. Die Verhandlungen über 20 den Fonds liefen erfolgreich, sagte Röttgen. Es gehe darum, das neue Instrument rasch arbeitsfähig zu machen. Deutschland will laut Röttgen zunächst 40 Millionen Euro als Starthilfe für die Arbeit des Fonds in Entwicklungsländern zahlen. Ob Deutschland den Zuschlag für den Sitz bekommt, ist indes fraglich. Auch die Schweiz und Singa-pur haben nämlich Interesse bekundet. „Die Funktionsweise des Fonds sollte am Ende 25 des Gipfels in Grundzügen umrissen sein", sagte Claudia Arce, Direktorin der KfW. Die staatliche Förderbank ist im Auftrag der Bundesregierung in die Verhandlungen eingebunden. Nach ihren Erkenntnissen stellen öffentliche Institutionen im Rahmen der Entwicklungshilfe jährlich bereits heute 39 Milliarden US-Dollar für Maßnahmen mit Bezug zum Klimaschutz zur Verfügung. „Das zeigt, dass es kein unrealistisches 30 Ziel ist, 100 Milliarden Dollar jährlich zu mobilisieren", sagte Arce. Die Initiatoren des Projekts wollen den Privatsektor einbinden, um das volle Volumen des Fonds zu erreichen und stoßen dabei auf großes Gegeninteresse. „Es geht nur mit der Privat-wirtschaft", sagte Caio Koch-Weser, Vice Chairman der Deutschen Bank, dem Han-delsblatt. Der frühere Finanzstaatssekretär versteht den Fonds als Modellfall einer 35 Public-Private-Partnership. Der GCF biete die Möglichkeit, Mittel aus öffentlichen Quellen mit privatem Kapital zu hebeln. Nur so lasse sich das Volumen von 100 Mil-liarden Dollar jährlich erreichen. Arce dämpft allerdings Hoffnungen, am Ende des Gipfels könnten bereits konkrete Zahlungszusagen einzelner Industriestaaten stehen. Sie pocht darauf, die Hilfen des Fonds auf die ärmsten der armen Länder zu beschrän-40 ken. „Die großen Schwellenländer werden die Kosten für den Klimaschutz am Ende zum Großteil selbst tragen müssen.“ Für die dringend notwendige Begrenzung des Temperaturanstiegs auf höchstens zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit reichten die 100 Milliarden Dollar anderenfalls „definitiv nicht aus". 45 Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, 08.12.2011, Nr. 238, 16

  • Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 14.12.2011

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    Lauwarmer Kompromiss In letzter Minute verhinderten die Teilnehmer ein Scheitern des Weltklimagipfels in Durban. Doch die Resultate sind allenfalls ein kleiner Schritt im Kampf gegen die Erderwärmung. 5 Der Klimagipfel in Durban hat sich am Sonntag auf die Grundzüge eines weltweit gültigen Klimaschutzabkommens verständigt. Gegen vier Uhr am Morgen einigten sich die Unterhändler aus 194 Staaten auf ein Kompromisspaket. Es soll erstmals alle großen Klimasünder in die Pflicht nehmen. Allerdings bleiben große Schlupflöcher 10 für die Schwellenländer. Der 17. Weltklimagipfel, der ursprünglich am vergangenen Freitag enden sollte, stand in seiner Verlängerungsphase am Wochenende kurz vor dem Scheitern. Erst in einer informellen Runde unter südafrikanischem Vorsitz gelang es Vertretern aus 30 Staa-15 ten, auf drei wichtigen Feldern Lösungen zu finden. Erstens verständigten sich die Kyoto-Staaten darauf, das Kyoto-Protokoll ab 2013 weiterzuführen. Die erste Verpflichtungsperiode läuft Ende 2012 aus. Sie schreibt einer Reihe von Industriestaaten rechtlich verbindlich vor, ihre CO2-Emissionen zu 20 senken. Im ersten Halbjahr des kommenden Jahres wollen sich die zu Emissionsre-duktionen verpflichteten Staaten auf die Ziele einer zweiten Verpflichtungsperiode verständigt haben. Welche Zeitspanne die zweite Periode umfassen wird, ist noch nicht klar. Sie könnte 2013 beginnen und 2017 oder 2020 enden. Die Relevanz des Kyoto-Protokolls hat allerdings stark abgenommen: Lange vor der Konferenz in 25 Durban hatten mit Kanada, Japan und Russland drei große Treibhausgasemittenten er-klärt, sie stünden für eine zweite Verpflichtungsperiode nicht zur Verfügung. Die ver-bliebenen Staaten stehen nur für 15 Prozent der weltweiten Emissionen. Aus Sicht der Europäer war es daher besonders wichtig, über das Kyoto-Protokoll hin-30 aus andere große Klimasünder verbindlich auf Emissionsreduktionen einzuschwören. Dieser zweite Verhandlungsstrang brachte allerdings nur ein wachsweiches Resultat: Bis 2015 soll ein entsprechendes Abkommen erarbeitet werden und bis 2020 durch ein „Verfahren mit Rechtskraft“ umgesetzt werden. 35 Wie verbindlich diese Regel sein wird, ist jedoch noch unklar. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte im Verlauf der Verhandlungen stets betont, eine mög-lichst hohe rechtliche Verbindlichkeit sei das Maß aller Dinge. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard sagte nach Abschluss der Verhandlungen, die EU habe alles erreicht, nur bei der Frage der Verbindlichkeit des auszuhandelnden Klimavertrags 40 habe man Zugeständnisse machen müssen. Immerhin sei es aber gelungen, „positiven Druck auszuüben auf die, die etwas Druck brauchen“, sagte Hedegaard. Die EU hatte durch einen Schulterschluss mit den ärmsten Ländern und besonders von den Folgen des Klimawandels betroffenen Inselstaaten die großen Verursacher von klimaschäd-lichen Treibhausgasemissionen in die Defensive gebracht. 45

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    Umweltminister Röttgen bezeichnete das Ergebnis von Durban als „großen, wegwei-senden Erfolg für den Klimaschutz“. Man habe jetzt „das Fundament und die Dyna-mik dafür, ein internationales Klimaschutzabkommen zu erreichen, das erstmalig für 50 alle gilt“. Südafrikas Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane, die mit ihrer Be-harrlichkeit einen harten Konflikt zwischen Indien und der EU über die Verbindlich-keit des künftigen Weltklimavertrags in letzter Minute gelöst hatte, sprach sogar von einem „historischen Meilenstein“. 55 Umweltschutzorganisationen und Wirtschaftsvertreter sind deutlich zurückhaltender. Die Beschlüsse seien ein „löchriger Rettungsschirm fürs Klima“, sagte Hubert Wei-ger, Vorsitzender des Bundesverbandes Umwelt- und Naturschutz (BUND). Green-peace sprach von einer „großen Enttäuschung“. Es bestehe die Gefahr, dass der Kom-promiss lediglich zu einem lose bindenden Abkommen führen werde, sagte der Leiter 60 der Internationalen Klimapolitik von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Auch die Wirtschaft reagierte enttäuscht. Der große Wurf für den globalen Klima-schutz sei misslungen, da offenbleibe, wie verbindlich ein künftiges Abkommen aus-sehen werde, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie 65 (VCI), Utz Tillmann. „Für die deutsche Chemieindustrie reicht das nicht. Sie braucht ein Abkommen mit gleichen Rahmenbedingungen für alle großen Verursacher von Treibhausgasen, um Chancengleichheit zu gewährleisten“, sagte Tillmann. Nach Ansicht der Rückversicherung Munich Re hat der Gipfel von Durban „ein ent-70 täuschendes Ergebnis gebracht, das der dramatischen Lage des Weltklimas nicht ge-recht wird“. Nach Durban rücke effizienter Klimaschutz noch weiter in die Zukunft. „Es werden weitere neun Jahre vergehen, bis verbindliche Ziele wirksam werden, und selbst danach ist noch sehr unsicher, wie die Reduktionsziele am Ende ausfallen“, sagte Peter Höppe, Leiter Georisikoforschung von Munich Re. Das gelte trotz der 75 Verhandlungsführung von Deutschland und der Europäischen Union, der es zu ver-danken sei, dass überhaupt ein Ergebnis zustande gekommen sei. Wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden soll, bis zu dem die Erderwärmung noch für beherrschbar gehalten wird, müssten die Treibhausgasemissionen ab 2020 80 sinken, sagte Höppe. Nach dem Beschluss von Durban werde aber erst im Jahr 2020 ein internationales Klimaschutzabkommen verpflichtend. Und es stehe nicht fest, wie streng dieses Abkommen ausfalle. Als härtester Verfechter einer möglichst unverbindlichen Formulierung für die Umset-85 zung eines internationalen Klimaschutzabkommens hatte sich im Laufe der letzten Stunden des Verhandlungsmarathons Indien erwiesen. Umweltministerin Jayanthi Na-tarajan wandte sich gegen Vorwürfe, ihr Land habe den Gipfel an den Rand des Schei-terns getrieben. Man habe viel Flexibilität bewiesen und lasse sich nicht einschüchtern und an den Pranger stellen. „Was ist das Problem, eine Option mehr aufzunehmen?“ 90 fragte sie mit Blick auf die Aufweichung. Ihr Land sowie China und die USA lehnten bisher verbindliche Abkommen komplett ab.

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    Der dritte Verhandlungsstrang in Durban betrifft den „Green Climate Fund“. Die In-dustriestaaten hatten sich bereits beim Klimagipfel in Kopenhagen 2009 dazu ver-pflichtet, den ärmsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern ab 95 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll den Län-dern helfen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, etwa durch den Bau von Dämmen. Außerdem soll es eingesetzt werden, um die Erderwärmung zu be-kämpfen, beispielsweise durch eine Umstellung von fossilen auf regenerative Ener-gien. In Durban verständigte sich die Staatengemeinschaft auf die Architektur des 100 Fonds, der bereits ab dem kommenden Jahr arbeitsfähig gemacht werden soll. Um den Sitz des Fonds bewerben sich mehrere Länder, darunter Deutschland, Singapur und Südkorea. Konkrete Zahlungszusagen für den Fonds gab es in Durban noch nicht. Als gescheitert bewerten Klimaschützer das Kapitel zum Waldschutz, mit dem sich die Konferenz in Durban ebenfalls befasste. „Das ist jetzt das dritte Mal, das wir dazu 105 nichts abschließen konnten“, sagte Greenpeace-Experte Kaiser mit Blick auf die Kon-ferenzen von Kopenhagen und Cancún. Das Geld für den Waldschutz soll künftig wohl vor allem von Industrie- und Kraftwerksbetreibern kommen: Sie könnten dann Waldzertifikate kaufen, um selbst weiter große Mengen Kohlendioxid ausstoßen zu können. Der Waldschutz soll verhindern, dass noch mehr Kohlendioxid in die Atmo-110 sphäre gelangt. Wälder haben im globalen Klimasystem eine wichtige Funktion, weil sie Kohlendioxid binden. Die Abholzung von Wäldern beschleunigt die Treibhausgas-konzentration. Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 240, 12.12.2011, 13 115

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    Klimaexperte Ottmar Edenhofer: „Dieses Chaos ist ineffizient“ Was hat der Klimagipfel in Durban gebracht? Welche Aufgaben kommen auf die Eu-ropäer zu? Darüber sprach Handelsblatt-Korrespondent Klaus Stratmann mit dem Chefökonomen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer. 5 Handelsblatt: Herr Edenhofer, wie bewerten Sie das Ergebnis des Klimagipfels von Durban? Ottmar Edenhofer: Es ist mehr dabei herausgekommen als erwartet. In Durban hat sich die Staatengemeinschaft auf gemeinsame Schritte in einem globalen Rahmen ver-10 ständigt. Dieser Ansatz ist neu. Werden die Maßnahmen ausreichen, um die erforderlichen Emissionsreduktionen zu erreichen? Nein, das ist eindeutig nicht der Fall. Den Scheitelpunkt der Emissionen wird man so 15 nicht bis 2020 erreichen. Dabei wäre das zur Vermeidung des gefährlichen Klimawan-dels dringend erforderlich. Das neue internationale Abkommen, das alle Staaten einbindet, soll durch ein „Ver-fahren mit Rechtskraft“ umgesetzt werden. Ist das nicht etwas zu unverbindlich? 20 Ich denke: Nein. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass der internationale Prozess eine Form und eine Richtung bekommen hat. Wir haben jetzt die Chance, mit allen Staaten über konkrete Ziele zu reden. Das gibt, so zwiespältig das Ergebnis von Dur-ban auch ist, Anlass zur Hoffnung. 25 Die Freude darüber, dass man weiter verhandeln kann, rettet das Klima allerdings nicht. Das stimmt. Die Beschlüsse auf UN-Ebene allein sind zunächst einmal nur Papier – es kommt jetzt darauf an, sie mit Leben zu füllen. Hierbei ist es aus meiner Sicht auch unverzichtbar, dass etwa die G20-Staaten parallel zum UN-Verhandlungsprozess bei 30 einer Reduktion der Emissionen die Initiative ergreifen. Wir brauchen dringend ein Signal zusätzlich zu den hoffentlich kommenden völkerrechtlich verbindlichen Re-geln. Am Ende kommt es darauf an, 20 große Länder zusammenzuführen, die für 80 Prozent der weltweiten Emissionen stehen. Die Europäer könnten dabei eine Schlüs-selrolle spielen, indem sie den Beweis antreten, dass sich Wirtschaftswachstum und 35 Dekarbonisierung – die Energiewende weg von Kohle und Öl – nicht ausschließen. Wir müssen verhindern, dass in Asien und Afrika in den nächsten zehn Jahren beim Bau von Kraftwerken oder Städten Infrastrukturen geschaffen werden, die eine Trend-umkehr bei den Emissionen auf Jahrzehnte hinaus blockieren. 40 Für wie effizient halten Sie die Klimagipfel? Dieses Chaos gerade am Ende der Gipfel wirkt ineffizient. Natürlich dienen diese Ma-rathonverhandlungen dazu, den Druck für einen Abschluss zu erhöhen. Aber statt um das beste Ergebnis geht es dann manchmal vielleicht nur noch um irgendein Ergebnis. Man sollte die Struktur dieser Gipfel und der einzelnen Verhandlungspakete überden-45 ken. Es steht zu viel auf dem Spiel – das lässt sich nicht als großer Basar organisieren.

    Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 240, 12.12.2011, 13

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    BGH prüft Tankstellen-Oligopol Die großen Mineralölgesellschaften stehen weiter unter Kartellverdacht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hält es für möglich, dass die fünf großen Mineralölge-5 sellschaften den deutschen Tankstellenmarkt gemeinsam unter sich aufgeteilt haben. Das oberste deutsche Berufungsgericht kassierte am Dienstag ein Urteil des Oberlan-desgerichts (OLG) Düsseldorf, das einen ausreichenden Wettbewerb in Sachsen und Thüringen gesehen hatte. Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. 10 Der Rückschluss vom ständigen Auf und Ab der Benzinpreise auf einen funktionie-renden Wettbewerb greife zu kurz, rügte der Kartellsenat des BGH. Damit ist das Ar-gument vom Tisch, mit dem der Mineralölkonzern Total im vergangenen Jahr das Düsseldorfer Oberlandesgericht vom Nicht-Vorhandensein eines Oligopols überzeugt hatte. 15 Die neue Entscheidung des BGH ist Wasser auf den Mühlen des Bundeskartellamts, das Beschwerde gegen das OLG-Urteil eingelegt hatte (Az.: KVR 95/10). Das Kartell-amt hatte im Mai nach einer breit angelegten Untersuchung des Kraftstoffmarkts in Deutschland festgestellt, dass Aral, Esso, Jet, Shell und Total den gesamten Tankstel-20 lenmarkt beherrschten. „Die fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland machen sich gegenseitig keinen wesentlichen Wettbewerb“, sagte damals Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Des-halb will die Behörde ihnen auch zukünftig Übernahmen untersagen oder durch Auf-25 lagen erschweren. Vor dem BGH ging es um den geplanten Verkauf von 59 Tankstellen der österreichi-schen OMV in Sachsen und Thüringen an Total im Jahr 2009. Da Total dort schon besonders stark vertreten war, hatte das Kartellamt die Übernahme untersagt, war aber 30 damit vor dem OLG abgeblitzt. Der BGH rügte nun, das OLG habe maßgebliche Fraugen zur Marktstruktur und zur Preistransparenz nicht ausreichend geklärt. Praktische Bedeutung für die Region und die Tankstellenkunden wird das neue Urteil des OLG nicht mehr haben: OMV hat die Tankstellen inzwischen anderweitig ver-35 kauft. Quelle: Reuters, Handelsblatt, Nr. 237, 07.12.2011, 26

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    Iran droht der Welt mit der Ölwaffe Das Militär will die Schließung des Öltransportwegs „Die Straße von Hormus“ üben. Das iranische Militär will nach Angaben eines Parlamentariers in einem Manöver die 5 Schließung der Straße von Hormus üben, des für den Öltransport wichtigsten Wasser-wegs der Welt. Die Streitkräfte lehnten am Montag eine Stellungnahme zu den Äuße-rungen des Abgeordneten Parwis Sawari ab. Die Ankündigung sorgte am Rohölmarkt am Montag kurzzeitig für Unruhe. 10 „Wir werden in Kürze in einem Manöver die Schließung der Straße von Hormus üben“, sagte Sawari, der Mitglied im Ausschuss für Nationale Sicherheit des Parla-ments ist. „Wenn die Welt die Region unsicher macht, werden wir die Welt unsicher machen.“ 15 Der iranische Ölminister hatte für den Fall einer Eskalation im Streit über sein Atom-programm den Einsatz der „Ölwaffe“ angekündigt. Die Weltgemeinschaft wirft der Islamischen Republik vor, unter dem Deckmantel der Stromerzeugung an Atomwaffen zu arbeiten. Die Regierung in Teheran bestreitet das. 20 Israel hat eine Militäraktion gegen iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen. Für den Fall eines Angriffs hat Iran Schläge gegen die Vereinigten Staaten und Israel angedroht. Eine Aktion könnte Analysten zufolge gegen die Straße von Hormus ge-richtet werden. Über die nur 6,4 Kilometer breite Wasserstraße zwischen Oman und 25 dem Iran wird nahezu der gesamte Ölexport Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabi-schen Emirate, Kuwaits, Iraks und Irans abgewickelt. Außerdem verschifft Katar sein flüssiges Naturgas fast ausschließlich über die Meerenge. Vor zwei Jahren passierte gut ein Drittel des weltweit auf dem Seeweg transportierten 30 Rohöls nach amerikanischen Angaben die Straße von Hormus. Zu deren Sicherheit kreuzen US-Kriegsschiffe in der Region. Quelle: Reuters, Handelsblatt, Nr. 241, 13.12.2011, 17

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    Gewinnschmelze bei Eon Deutschlands größter Energiekonzern hat jahrelang glänzend verdient, doch jetzt rutscht er in die Krise. Eon kämpft nicht nur mit dem Atomausstieg. Der Versorger muss auch Milliarden auf teure Zukäufe abschreiben – und wird erstmals einen Ver-5 lust ausweisen. Auf Eon konnten sich die Aktionäre stets verlassen. Seit Veba und Viag sich im Sommer 2000 zu Eon zusammenschlossen, hat Deutschlands größter Energiekonzern seinen Anteilseignern Jahr für Jahr hohe Dividenden ausgeschüttet. Das Unternehmen 10 erwirtschaftete Milliardengewinne und gehörte regelmäßig zu den fünf Dax-Konzer-nen mit der höchsten Dividendenrendite. „Wir verfolgen seit vielen Jahren eine nach-haltig aktionärsorientierte Ausschüttungspolitik“, sagte Konzernchef Johannes Teys-sen noch im Mai 2010. Damit ist jetzt Schluss. Eon wird 2011 erstmals unter dem Strich einen Fehlbetrag ausweisen – wahrscheinlich mehr als eine Milliarde Euro. Das 15 erfuhr das Handelsblatt gestern aus Konzernkreisen. Analyst Matthias Heck von der Großbank Macquarie schätzt den Fehlbetrag auf bis zu 1,4 Milliarden Euro. 2010 hat-te Eon noch 6,3 Milliarden Euro Überschuss erzielt. Jetzt hingegen schockiert Vorstandschef Teyssen die Aktionäre mit der Nachricht, 20 dass Eon den Wert von Auslandstöchtern um drei Milliarden Euro verringern muss. In Spanien und Italien ist die Stromnachfrage schwach, in der Slowakei, Ungarn und den Niederlanden deckeln staatliche Vorgaben die Gewinne. Vor allem mit vielen Gas-kraftwerken verdient Eon in diesen Ländern kein Geld, weil der Brennstoff derzeit teuer ist. Trotz dieser Probleme kommt der Milliardenverlust auch für Fachleute wie 25 Analyst Heck „völlig unerwartet“. Nur weil Eon die Dividende am „bereinigten Über-schuss“ bemisst, aus dem außerplanmäßige Abschreibungen herausgerechnet sind, können die Aktionäre überhaupt noch eine Dividende erwarten. Mit einem Euro pro Anteilsschein wird sie aber 50 Cent niedriger sein als zuletzt. 30 In diesem Sommer hatte Teyssen Eons Probleme noch auf den Atomausstieg gescho-ben, der das diesjährige Konzernergebnis mit 1,9 Milliarden Euro belasten würde. Aber jetzt zeigt sich, dass nicht nur deutsche Politiker das Unternehmen in Schwierig-keiten gebracht haben, sondern auch die eigenen Manager. Eon zahlt nun die Rech-nung für die teuren Einkaufstouren von Teyssens Vorgänger Wulf Bernotat. Der hatte 35 sich 2008 für 11,5 Milliarden Euro bei Unternehmen in Spanien, Italien und Frank-reich eingekauft. Allein in Italien und Spanien musste Eon jetzt Wertberichtigungen von 2,1 Milliarden Euro vornehmen. Außerdem leidet der Konzern immer noch unter der aufgeblähten Verwaltung, die durch die Fusion von Veba und Viag sowie die Ü-bernahme des Gasimporteurs Ruhrgas entstand. Teyssen will deshalb 11.000 der der-40 zeit 80.000 Stellen streichen. Das kann er nicht mehr allein mit dem Atomausstieg be-gründen, wie ihm gestern auch von höchster politische Stelle klargemacht wurde. Der Arbeitsplatzabbau in der Energiewirtschaft sei „nicht monokausal“ auf den Atomaus-stieg zurückzuführen, sagte Kanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Ge-werkschaftern. 45 Quelle: Flauger, J., Handelsblatt, Nr. 242, 14.12.2011, 1/6

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    Getrennte Wege in der Energiewende Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Umweltminister Norbert Röttgen ziehen beim Ökostrom-Ausbau nicht an einem Strang. Die Wirtschaft ist alarmiert. 5 Die Umsetzung der Energiewende kommt kaum voran. Der Streit um Zuständigkeiten zwischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) blockiert zunehmend wichtige Reformvorhaben. Gestern gingen die beiden wieder getrennte Wege. Der Umweltminister startete eine groß angelegte Ge-sprächsserie mit Versorgern, Industrie und Netzbetreibern. Rösler hat für heute rund 10 20 Vertreter der Energiebranche zu sich ins Ministerium geladen. Seit die schwarz-gelbe Koalition im Sommer die Stilllegung von acht Atomkraftwer-ken beschlossen hat, rangeln die beiden Ministerien um die richtigen Reformschritte. Rösler ist für den Ausbau der Kraftwerke und der Netze zuständig, Röttgen überwacht 15 den Ausbau der erneuerbaren Energien. Eine Aufgabenverteilung, die jedoch nicht funktioniert. Zuletzt konnten sich beide Minister nicht auf eine einheitliche Linie zur EU-Energieeffizienzrichtlinie einigen. Deutschland hat seitdem als einziges EU-Land keine abgestimmte Haltung dazu. Rösler drängt zudem Röttgen zu neuen Kürzungen bei der Förderung erneuerbarer Energien wie Photovoltaik oder Biogasanlagen. Das 20 sind nur zwei Unstimmigkeiten unter vielen. Die Energiewirtschaft reagiert kritisch auf die derzeit getrennt laufenden Gespräche mit den beiden Ministerien. Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI), fehlt die „eindeutige Zuordnung der Verant-25 wortlichkeiten“. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert eine bessere Koordinierung. Ein Wunsch, der sich nicht so schnell erfüllen dürfte. Röttgen zieht das politisch wich-tige Thema weiter an sich und trifft bis Freitag in vier Terminen Vertreter aus den ver-30 schiedensten Bereichen der Energiewirtschaft. Im Wirtschaftsministerium hieß es ges-tern dazu verschnupft, wenn das Umweltministerium endlich etwas dazulerne und sich an die Arbeit mache, sei dies nur wünschenswert. Die Spitzenbeamten verweisen auf den seit Monaten laufenden Fachdialog mit Kraftwerks- und Netzbetreibern. 35 Laut einem dem Handelsblatt vorliegenden Strategiepapier des Wirtschaftsministeri-ums laufen die Arbeiten an einem „zehnjährigen Netzentwicklungsplan“ auf Hochtou-ren. Er soll im Sommer kommenden Jahres fertiggestellt sein. Bei der „Förderinitiati-ve Energiespeicher“ seien etwa 400 Projektvorschläge eingetroffen, von denen erste „Leuchtturmprojekte im Frühjahr 2012“ starten sollen, heißt es in dem Papier. 40

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    Das Ministerium unterstützt zudem grundsätzlich die Forderung der Wirtschaft, ein „Kontrollzentrum Energiestrategie Deutschland“ einzurichten. „Das Zentrum muss alle Fragen zur Energiewende bündeln, gegebenenfalls nachsteuern und zugleich die Chancen der Energiewende für die deutsche Wirtschaft stärker in den Fokus rücken“, forderte BDI-Hauptgeschäftsführer Kerber gestern vor dem Gespräch mit Röttgen. 45 Kritik übte die Industrie am geplanten Monitoring durch das Wirtschaftsministerium: „Wir brauchen Transparenz und Ehrlichkeit über die tatsächliche Entwicklung der Energiewende“, sagte Kerber. Das Monitoring der Bundesregierung sei im Ansatz richtig, allerdings kämen die ersten Auswertungen erst Ende 2012 und damit „viel zu spät“. 50 Vorwürfen von Kritikern, die Energiewende komme nicht voran, hielt Umweltminis-ter Röttgen gestern entgegen: „Es gibt wirklich einen Aufbruch.“ Die nächste Heraus-forderung sei der Stromnetzausbau. Wie schleppend dieser jedoch verläuft, zeigt der Ausbau der nötigen 3.800 Kilometer neuer Hochspannungsleitungen, von denen in 55 den letzten Jahren nur 200 Kilometer gebaut wurden. Dass die Energiewende für den Arbeitsplatzabbau bei Energieriesen wie Eon verant-wortlich sei, weist man im Wirtschaftsministerium zurück: „Der Arbeitsplatzabbau spielt sich in Bereichen ab, in denen eine Umstrukturierung auch ohne Energiewende 60 nötig gewesen wäre.“ „Wer sich das genau anschaut, kann schnell entlarven, welche Gründe nur vorgeschoben werden.“ Laut Bundesregierung schafft die Energiewende in der Summe mehr Arbeitsplätze als sie vernichtet. Quelle: Sigmund, T., Handelsblatt, Nr. 242, 14.12.2011, 13 65