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INHALT WORKSHOP 1 Mathematik, Naturwissenschaft, Technik – altersdurchmischt und interdisziplinär WORKSHOP 2 Lernmanagement – Lernwege und Kompetenzraster WORKSHOP 3 Lerntheoretische Einbettung und Umsetzung der Studie ‹perLen› WORKSHOP 4 Kaninchen, Kot und allerlei Kompetenzen WORKSHOP 5 Förderung der Problemlösefähigkeit WORKSHOP 6 Jeder kann forschen! WORKSHOP 7 Ein Konzept ‹Kooperatives Lernen› WORKSHOP 8 Fernsehserien WORKSHOP 9 Erfolgreich kommunizieren in Beratungssituationen WORKSHOP 10 Vom Lehrmittel zum Lernmittel WORKSHOP 11 Vom E-Book zum interaktiven Lernsystem WORKSHOP 12 Rosinen sammeln, picken und behalten WORKSHOP 13 Schulen lernen von Schulen WORKSHOP 14 Qualitätsraster zur Beurteilung personalisierter Lernarrangements WORKSHOP 15 Was wirkt? Die Stiftung Mercator Schweiz stellt sich vor PODIUMSDISKUSSION Hattie-Studie: Ein Killerargument gegen offene Lernformen? INSPIRATIONEN FÜR DEN UNTERRICHT DOKUMENTATION DIE KOORDINATIONSTAGUNG DES PROJEKTS ‹PERSONALISIERTES LERNEN IN HETEROGENEN LERNGEMEINSCHAFTEN› VOM 12. JANUAR 2013 GAB EINBLICKE IN VERSCHIEDENE TEILPROJEKTE

dokumenT aTIon InspIratIonen für den UnterrIcht · InHal T worksHop 1 mathematik, naturwissenschaft, Technik – altersdurchmischt und interdisziplinär worksHop 2 lernmanagement

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  • InHalT

    worksHop 1mathematik, naturwissenschaft, Technik – altersdurchmischt und interdisziplinär

    worksHop 2 lernmanagement – lernwege und kompetenzraster

    worksHop 3 lerntheoretische einbettung und umsetzung der studie ‹perlen›

    worksHop 4 kaninchen, kot und allerlei kompetenzen

    worksHop 5 Förderung der problemlösefähigkeit

    worksHop 6Jeder kann forschen!

    worksHop 7ein konzept ‹kooperatives lernen›

    worksHop 8Fernsehserien

    worksHop 9erfolgreich kommunizieren in beratungssituationen

    worksHop 10Vom lehrmittel zum lernmittel

    worksHop 11Vom e-book zum interaktiven lernsystem

    worksHop 12rosinen sammeln, picken und behalten

    worksHop 13schulen lernen von schulen

    worksHop 14Qualitätsraster zur beurteilung personalisierter lernarrangements

    worksHop 15was wirkt? die stiftung mercator schweiz stellt sich vor

    podIumsdIskussIonHattie-studie: ein killerargument gegen offene lernformen?

    InspIratIonen für den UnterrIcht

    dokumenTaTIon

    dIe koordInaTIonsTagung des proJekTs ‹personalIsIerTes lernen In HeTerogenen lerngemeInsCHaFTen› Vom 12. Januar 2013 gab eInblICke In VersCHIedene TeIlproJekTe

  • ImpressIonen

  • Liebe Leserinnen und Leser

    In einem Projekt, an dem viele Partner beteiligt sind, ist es wichtig, sich regelmässig auszutauschen. Auch im Konsortium ‹Persona- lisiertes Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften› der Stiftung Mercator Schweiz spielt der Wissenstransfer eine entscheidende Rolle: Über 50 Schulen aus der Deutschschweiz setzen in diesem Rahmen zusammen mit Hochschulen, Lehrmittelverlagen und Soft- ware-Spezialisten zehn selbst erarbeitete Teilprojekte um. Gemein- sam möchten sie das personalisierte Lernen weiterentwickeln. Am 12. Januar 2013 kamen 130 am Projekt beteiligte Personen – die meisten von ihnen Lehrpersonen und Schulleiter – im Zürcher Gymnasium Unterstrass zu einer Koordinationstagung zusammen. Sie informierten sich über den Verlauf der Teilprojekte und nah- men viele Anregungen für den eigenen Berufsalltag mit nach Hause.

    Das Konzept der Tagung entsprach der Idee des Gesamt- projekts: Für die Inhalte waren die Verantwortlichen der Teilpro-jekte zuständig. In 15 Workshops gaben diese Einblicke in ihre Projekterfahrungen. So lernten die Tagungsteilnehmer verschie-dene personalisierte Unterrichtsmodule für Berufsschulen und Gymnasien kennen. Sie erfuhren, wie sie Jugendliche zu Forschern machen und deren Problemlösungsfähigkeiten fördern können. Lernwegmanagement und digitalisierte Lernmittel waren ebenso Thema in den Workshops wie Qualitätsraster zur Beurteilung personalisierter Lernarrangements, Coachingkompetenzen von Lehrpersonen oder Schulentwicklung durch Peer Review. Eine Podiumsdiskussion gab Antworten auf eine Frage, die viele Lehr-personen beschäftigt: Ist die Hattie-Studie ein Killerargument gegen offene Lernformen?

    Die Teilnehmer haben nicht nur die zahlreichen Praxisbei- spiele geschätzt, sondern vor allem auch den Austausch und die Vernetzungsmöglichkeiten mit Kolleginnen und Kollegen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. Diese Dokumenta- tion fasst die Inhalte der Tagung zusammen.

    Bruno Hofer, Projektkoordinator

    vorwort

  • workshop 1

    In der ersten Unterrichtseinheit lernen die Kinder die Wasserversorgung im eigenen Dorf kennen. Sie arbeiten mit Plänen und setzen sich in Experimenten und im Rah- men von Besuchen im Ort mit den Themen Wassertransport, Wasserkreislauf, Wasser und seine Aggregatzustände sowie mit Fragen der Wasseraufbereitung auseinander. Mit den erworbenen Erkenntnissen gestalten die Schülerinnen und Schüler eine Website als Grundlage für den Austausch mit anderen Projektschulen. Die zweite Unterrichtsein-heit befasst sich mit dem Thema Licht. Darin beschäftigen sich die Kinder mit der Bedeu- tung des Lichts für das Leben von Menschen und Pflanzen. Sie untersuchen mit Hilfe unterschiedlicher Lichtquellen Phänomene wie Schattenbildung, Lichtreflektion und -brechung. So können sie Gesetzmässigkeiten erkennen.

    teilnehmer als regenmacher / Die Work- shopteilnehmer konnten sich im Rahmen einer kleinen experimentellen Kostprobe als Regenmacher versuchen. So erhielten sie anhand eines konkreten Beispiels einen Ein- blick in die fachdidaktischen Grundlagen der Unterrichtseinheiten. Beide Unterrichts-einheiten basieren auf einem konstruk- tivistischen Lehr- und Lernverständnis: Das individuelle Vorwissen bildet den Aus- gangspunkt aller Lernprozesse. Diese Prozesse werden stets sichtbar gemacht, in- dem das Vorwissen und neu Gelernte erho- ben werden. Damit verbunden sind auch die altersdurchmischte, soziale Interaktion und das aktiv-entdeckende, problem- bezogene Lernen in authentischen Situa- tionen wichtig im Projekt. «Wie kann ich Regen herstellen?» Zu dieser Frage sollten die Workshopteilnehmer ihre Vermutungen und Ideen äussern und

    In den Südtiroler, Walliser und Bündner Alpen sind viele Kleinschulen mit jahrgangs- übergreifenden Klassen aus demografischen Gründen von der Schliessung bedroht. Diese Schulen garantierten bisher die Ele- mentarbildung der Bevölkerung dieser Regionen, sie sind ein wichtiger Teil des Kulturerbes. Noch heute kämpfen die Klein- schulen mit Vorurteilen. Die Bedenken betreffen vor allem den jahrgangsübergrei-fenden Unterricht. Er wird als Überforde- rung für Lehrpersonen und für Schülerinnen und Schüler angesehen. Aktuelle Diskus- sionen und Untersuchungen zum Lernen in heterogenen Klassen widerlegen diese Be- fürchtungen. Sie zeigen, dass altersdurch-mischter Unterricht einige pädagogische und didaktische Vorteile hat, die es zu erkennen und nutzen gilt.

    interdisziplinäres projekt / Die Work-shopleiter stellten ein für Kleinschulen konzipiertes interdisziplinäres Unterrichts-entwicklungsprojekt vor, das die Pädagogi-schen Hochschulen Graubünden und Wallis gemeinsam mit Partnerschulen in den Regionen Wallis, Graubünden und Südtirol und mit weiteren interessierten Schulen des ländlichen Raums durchführen. Im Rah- men dieses Projekts wurden exemplarisch zwei Unterrichtseinheiten erarbeitet und erprobt, die Mathematik, Naturwissenschaft und Technik verbinden und die Vorteile elektronischer Lernressourcen nutzen. Beide Unterrichtseinheiten umfassen etwa 40 Lektionen in einem Zeitraum von vier Wochen. Sie sind für das 4. bis 6. Schuljahr konzipiert.

    workshopleitung

    Bernhard matter und josiane tardent, pädagogische hochschulen graubünden und wallis

    mathematik, naturwissenschaft, technik – altersdurchmischt und interdisziplinär

    in Gruppen diskutieren. Mit dem zur Verfü-gung stehenden Material gestalteten sie eine eigene Versuchsanordnung und überprüf- ten ihre Vermutungen. Ergebnisse und Versuchsanlagen wurden anschliessend im Plenum besprochen. Die enge Zusammen- arbeit zwischen Lehrpersonen der betei-ligten Schulen und den Dozierenden der Pädagogischen Hochschulen ist im Projekt besonders wertvoll, stellten die Workshop- teilnehmer fest. Diese Auffassung konnten die Referierenden bestätigen: Diese Zu- sammenarbeit hat wesentlich zum Gelingen des Projekts beigetragen. Mit der Zeit entwickelte sich ein Arbeitsklima, das es den Beteiligten ermöglichte, die unterschiedli-chen Erfahrungen nutzbringend einfliessen zu lassen. Durch die aktive Mitwirkung der Lehrpersonen wurde die Praxistauglichkeit einzelner Sequenzen der Unterrichtsein- heiten stets hinterfragt und angepasst. Die Lehrpersonen ihrerseits konnten sich in neuere fachdidaktische Erkenntnisse vertie- fen und profitierten von der Methodenviel- falt und von den Erfahrungen mit jahrgangs-übergreifendem Unterricht.

    teilprojekt: mint-alp

    text / Bernhard matter und josiane [email protected]@phzh.ch

  • workshop 2

    einzubauen. Zudem sind die einzelnen Kom- petenzen mit entsprechenden Lernaufga-ben zu verknüpfen. In der Diskussion mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass Schulen abhängig von ihrem pädagogischen Konzept unterschiedliche Herangehenswei-sen an Kompetenzraster haben. Eine Lösung, die so vielen Schulen wie möglich gerecht werden soll, muss entsprechend eine grosse Flexibilität aufweisen.

    individuell angepasst / Mit der Veröffent-lichung der offiziellen Inhalte des Lehr- plans 21 sollen die Kompetenzraster in die IT-Plattform integriert werden und allen Nutzern zur Verfügung stehen. Entscheidend ist, dass die Kompetenzraster personalisiert und individuell an die einzelnen Schüler angepasst werden können. Bestehende und neue Lernaufträge werden in der IT-Platt-form mit den entsprechenden Kompetenzen verknüpft. Jeder Lernauftrag kann eine oder mehrere Kompetenzen beeinflussen. Die Er- und Bearbeitung ist im Teamwork mög- lich, da die Plattform IT-basiert ist. Lehr- personen können auf die Datenbank zugrei- fen, die darin enthaltenen Lernaufträge übernehmen, beziehungsweise anpassen und den Schülern individuell zuordnen. Durch Statusmeldungen behalten sie dabei den Überblick über die Lernfortschritte der Ein-zelnen und der gesamten Gruppe. Von den Schülern abgeschlossene Lernaufträge können mit den Bewertungen ‹Kompetenz erreicht› (grün), ‹Kompetenz teilweise er-reicht› (gelb) und ‹Kompetenz nicht erreicht› (rot) versehen werden. Diese Bewertung liegt in der professionellen Entscheidung der Lehrperson. Das personalisierte Raster eines Schülers zeigt nicht nur farblich hinterlegte Kompe-tenzfelder, die auf einen Blick in Ampelfarben

    Im Verein der Mosaik-Sekundarschulen ar- beiten Sekundarschulen aus mehreren Kantonen zusammen. Sie entwickeln ihre sehr ähnlichen personalisierten Lernkon- zepte und die gemeinsame IT-Plattform für das Lernwegmanagement weiter. Mit der IT-Plattform lassen sich Lernaufgaben für mehrere Schulen verwalten und im Unter-richt einzelnen Schülerinnen und Schü- lern zuteilen. Damit kann personalisiertes Lernen in altersdurchmischten Klassen auf der Sekundarstufe I zielgerichtet gestal- tet und abgebildet werden. Mit dem neuen Deutschschweizer Lehrplan 21 muss diese Aufgaben-Datenbank an die neuen Vor- gaben angepasst werden. Dies ist das Ziel des Teilprojekts ‹Kompetenzcenter›, das im Workshop mit den grundlegenden Überle-gungen und weiteren Planungen vorgestellt und diskutiert wurde.

    lehrplan 21 / Frühere Lehrpläne haben in Form von Inhalten und Lernzielen vorge- geben, was die Schüler zu lernen haben. Der Lehrplan 21 formuliert die Vorgaben nun in Form von Kompetenzen, die die Lernen-den im Laufe ihrer Schulzeit erwerben sollen. Diese Kompetenzen werden in den einzelnen Schulfächern über die obliga-torischen Schuljahre hinweg in Matrixform, in den so genannten Kompetenzrastern, dargestellt. Die Mosaik-Sekundarschulen möchten ihre IT-Plattform nun auf den neuen Deutschschweizer Lehrplan 21 und damit auf die Kompetenzorientierung umstellen. Dabei geht es darum, diese Kom- petenzraster je Fachbereich für die Schul-jahre 7 bis 9 in einer übersichtlichen und zweckdienlichen Form in die IT-Plattform

    workshopleitung

    rolf schönenberger, claudia vennemann

    lernmanagement – lernwege und kompetenzraster

    eine Komplettübersicht geben. Durch Kli- cken auf die Kompetenzfelder öffnet sich ein Popup-Fenster, in dem nachzulesen ist, welche Lernaufträge der Kompetenzbe-wertung zugrunde liegen, in welchem Arbeitsstatus sie sich befinden und wie der Kompetenzerwerb beurteilt wurde. Zudem sind in diesem Popup-Fenster Vorschläge für Lernaufträge hinterlegt, die dem Schüler zugewiesen werden können, um dessen Kompetenzerwerb weiter zu fördern. Die per- sonalisierten Raster können dem Lehrer als Grundlage für das Lerncoaching, dem Schüler und der Schülerin als Roadmap für den eigenen Lernprozess und den Eltern als Mittel des Verständnisses zu den Prozes-sen in der Schule dienen.

    text / claudia [email protected]

    teilprojekt: kompetenzcenter

  • workshop 3

    «Die Herausforderung an das Kerngeschäft liegt in den Tiefendimensionen des Unter-richts, nicht allein in den Methoden. Was in- teressiert, ist die Qualität der kognitiven Aktivierung, der adaptiven Instruktion und der individuellen Lernbegleitung in hetero-genen Lerngruppen.»

    Zentrale Forschungsfragen ergeben sich dabei aus theoretischen Konzepten und den politischen Bedingungen von Schule: Wie wirkt Unterricht im Kontext von Bildungs-standards und Kompetenzorientierung? Was konstituiert Unterricht als professionelle Handlungsaufgabe? Wo zeigen sich Grenzen des personalisierten Lernens im öffentli-chen Schulsystem? Die veränderte didakti-sche Kultur der Schule – vom gemeinsamen Frontalunterricht zu parallel laufenden, differenzierten Unterrichtsangeboten, vom lehrgesteuerten zum selbstgesteuerten Lernen, von einer monologischen zu einer dialogisch-interaktiven Unterrichtsfüh- rung – erfordert von den Lehrenden eine hohe Qualität an individueller und adaptiver Lernunterstützung. 50 Beteiligte schulen / Am Projekt perLen beteiligen sich 50 Schulen aus zehn Kanto-nen. Die Stichprobe ist in zwölf Fallschulen und 36 Online-Schulen gegliedert. Das mehrperspektivische Längsschnittdesign der Studie erstreckt sich über drei Schuljahre und kombiniert unterschiedliche Erhebungs- und Auswertungsverfahren. In den Fall- schulen werden Schuldokumente analysiert, Interviews mit Schulleitungen und Lehr- personen geführt, Unterrichtssituationen gefilmt, standardisierte Befragungen durch- geführt sowie fachliche und überfachli- che Leistungen erfasst. Die Lehrenden und Lernenden der Online-Schulen nehmen einmal jährlich an einer Online-Befragung

    Heterogene Schulklassen sowie gesellschaft-liche und bildungspolitische Veränderungen veranlassen immer mehr Schulen, Lehr- Lernkulturen zu entwickeln, die sich stärker als bisher an persönlichen Voraussetzungen und individuellen Entwicklungszielen der Schülerinnen und Schülern orientieren. Einige Schulen sind in diesem Prozess schon weit fortgeschritten. Sie zeichnen sich da- durch aus, dass Zeitstrukturen und Schüler-gruppierungen flexibilisiert, geführter und offener Unterricht kombiniert, kooperatives sowie eigenständiges Lernen kultiviert, dif- ferenzierende Lernangebote bereitgestellt und individuelle Lernwege unterstützt wer- den. Man spricht auch von Schulen mit personalisierten Lernkonzepten.

    tiefendimensionen des unterrichts /

    Die Projektgruppe ‹perLen› (Personalisierte Lernkonzepte in heterogenen Lerngrup- pen) am Lehrstuhl Pädagogische Psycholo-gie und Didaktik der Universität Zürich untersucht unter der Leitung von Professor Kurt Reusser, PD Dr. Christine Pauli und Dr. Rita Stebler Schulen mit personalisierten Lernkonzepten. Die Längsschnittstudie möchte innovative Unterrichtskonzepte, Pro- zessqualität und Wirkungen von Lernen und Lernbegleitung ebenso dokumentieren wie die damit zusammenhängenden Anfor- derungen an Lehrende und Lernende. Wie Kurt Reusser im Workshop betonte, geht es vorrangig darum, den Unterricht tiefen- strukturell zu erfassen und die Wirkungen einer veränderten Unterrichtsgestaltung auf die Lernqualität und auf fachliche wie über- fachliche Bildungsziele sichtbar zu machen:

    workshopleitung

    prof. kurt reusser, dr. rita stebler und patricia ackermann, universität zürich

    lerntheoretische einBettung und umsetzung der studie ‹perlen›

    teil. Auf die Lernenden warten zudem zwei Mal im Laufe der Studie fachliche und überfachliche Leistungstests. Die Datener-hebungen konzentrieren sich auf die Primarstufe (4. – 6. Schuljahr) und die Se- kundarstufe I (7. – 9. Schuljahr). Die Schulen profitieren von Weiterbildungen, können das Netzwerk ‹personalisierte Lernkonzepte› nutzen und erhalten Rückmeldungen zu Unterrichts- und Leistungsentwicklungen.

    teilprojekt: personalisierte lernkonzepte in heterogenen lerngruppen (perlen)

    text / dr. rita [email protected]

  • workshop 4

    aufwändig, aBer sinnvoll / Die gemein- same Reise im Workshop sollte zeigen, wieso der Fokus auf Kompetenzen im Unterricht sehr sinnvoll oder sogar notwendig sein kann: Für das Bestehen in einer komplexen Umwelt brauchen Schülerinnen und Schü- ler mehr als nur Wissen; sie brauchen entsprechende Kompetenzen, damit umzu- gehen. Diese muss man üben, am besten zielgerichtet, selbstständig und wiederkeh-rend. Hierin waren sich die Workshop- teilnehmer einig. Einig waren sich auch alle, dass Planung, Organisation und Durch- führung eines solchen Projekts sehr zeitauf- wändig sind. Entsprechend prominent war die Frage nach der realistischen Umsetzung solcher Projekte im regulären Unterricht. «Mit Spass und Leidenschaft ist es möglich», war eine Antwort. Weitere Diskussions- punkte waren die Vernachlässigung des Lern- stoffes zugunsten der Kompetenzen (was klar verneint wurde) und die Nachhaltigkeit des Gelernten (worauf noch keine Antwor- ten gegeben werden konnte). Die Fragen, in- wiefern die Schülerinnen und Schüler ihren Lernprozess tatsächlich selbst bestim- men können und wie die Lehrperson ihre Ergebnisse kontinuierlich überprüfen kann, machten noch Verbesserungspotenzial im vorgestellten Projekt deutlich.

    Aus Sicht des Workshopleiters hat sich die ‹virtuelle Reise› mit den Teilnehmern sehr gelohnt: Gegenseitiger Austausch und kleine Inspirationen sind oft der Beginn neuer Ideen und Entwicklungen. Und eine unablässige Entwicklung sollten Lehr- personen nicht nur von Schülerinnen und Schülern, sondern auch von sich selbst erwarten. Schliesslich sind sie es, die die ‹Reise› der Jugendlichen leiten und sie ein Stück weit durch die komplexe und sich stetig verändernde Welt führen dürfen.

    «Man muss nichts auswendig lernen, sondern einfach nur verstehen.» Dieses Zitat einer 15-jährigen Schülerin hat den Workshop er- öffnet und das Ziel vorgegeben: das Kennen-lernen und kritische Hinterfragen eines stark personalisierten und kompetenzorien-tierten Semesterprojekts für 1. Gymnasial- klassen, das durch eine hohe Schülerakti- vität insbesondere die Selbstverantwortung und das ganzheitliche Denken fördern will.

    neues wissen / Die Workshopteilnehmer be- gaben sich auf eine virtuelle Reise in einen etwas anderen Biologieunterricht: Der Weg führte über 14 Aufträge zum Thema ‹Ernährung und Verdauung› zu einem indi- viduell aufgebauten biochemisch-mikro- skopisch-anatomisch-ökologischen Modell des Menschen. Mit diesem Modell sollen die Schüler neues Wissen selbstständig er-schliessen und einordnen können. Im Semes- terprojekt trainieren sie ihre Fähigkeit zur Analyse, Transformation und Kombina- tion verschiedenster Texte und Modelle. Sie lernen, Dinge genau zu betrachten und zu protokollieren. Sie begegnen ihrem eige- nen Urin und Kot, einem sehr ruhigen Kaninchen und vielen Schnittpräparaten der menschlichen Organe. Sie arbeiten mit Foto- apparaten, Videokameras und Modellbau-kästen und erleben die Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer kontinuierlichen Teamarbeit. Und sie erfahren, dass auch Eng- lisch und das bildnerische Gestalten mit der Biologie zu tun haben können. Schliess-lich dürfen sie sich einer mündlichen Über- prüfung ihres Könnens stellen, an der sie populärwissenschaftliche Texte miteinander und mit dem gelernten Stoff verknüpften.

    workshopleitung

    patrick muff, kantonsschule romanshorn

    kaninchen, kot und allerlei kompetenzenteilprojekt: personalisiertes, kompetenzBasiertes lernen (kompBas)

    text / patrick muff [email protected], http://goo.gl/afwcm

  • workshop 5

    deckenden, sozialen und problemlösenden Lernens wichtige Kompetenzen. Die Lehr- person erfährt durch diese Methode, wie die Schüler Wissen konstruieren, was sie be- reits verstanden haben und wo noch Schwie-rigkeiten bestehen. Ausführliche Informa- tionen und Beispiele zu FLEMO finden sich unter www.flemo.net. Die Diskussionen im Workshop haben ge- zeigt, dass die Problematik des Stoffdrucks nicht auf allen Schulstufen gleich brisant ist. Die Teilnehmenden hatten grosses Inte- resse an der Methode des flexiblen Modellie-rens. Anhand des AVIVA-Modells wurde ihnen aufgezeigt, dass die FLEMO-Methode in allen Phasen des Unterrichts angewen- det werden kann. Das AVIVA-Modell teilt Un- terricht in die fünf Phasen auf:

    — a (ankommen / einstimmen)— v (vorwissen aktivieren)— i (informieren)— v (verarbeiten)— a (auswerten)

    Informationen zum AVIVA-Modell bietet das Buch ‹Kompetenzorientiert unterrichten – das AVIVA-Modell›, das im hep-Verlag er- schienen ist.

    Die Halbwertszeit des Wissens wird immer kürzer, der technologische Wandel im- mer schneller. Und ein beachtlicher Teil der Lernenden wechselt nach der Lehre oder kurze Zeit später seinen erlernten Beruf. Wie kann ich als Lehrperson diesen Anforde-rungen begegnen und gleichzeitig guten Ge- wissens den Fachkundestoff unterrichten? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Work- shop ‹Förderung der Problemlösefähigkeit›.

    Die Lehrpläne vieler Bildungsverord- nungen quellen förmlich über. Um in der vorgegebenen Zeit die enorme Menge an Fachkundestoff durchzuackern, lassen Lehr- personen auch mal die Förderung der Hand- lungskompetenzen beiseite. Die eingangs genannten Entwicklungen zeigen jedoch auf, dass die Lernenden nicht nur reines Fach- wissen für ihre berufliche Zukunft benötigen, sondern Kompetenzen, um sich auch nach der Lehre selbst wichtiges Fachwissen aneig- nen zu können. Wer dieses Bedürfnis ernst nimmt, kommt nicht darum herum, entspre- chende Kompetenzen zu fördern.

    flexiBles modellieren / Die Workshopteil- nehmer erfuhren, wie man mit der Me- thode des flexiblen Modellierens (FLEMO) kompetenzbasiertes Lernen fördern kann. Die Methode eignet sich für Themen im Un- terricht, die sich gut veranschaulichen lassen. Eine ‹Box› stellt entsprechende Mate- rialien zur Verfügung (Spielfiguren, Papier, Holzstäbe, Knete etc.), mit denen die Schüler auf einfache Weise verschiedene Sachverhalte illustrieren können. Die Aufträge werden als Probleme aus der Praxis gestellt, um die Lernenden auf einer Ebene abzuholen, die ihnen vertraut ist. Die Kom- plexität der Aufgaben kann stufengerecht angepasst werden. Die Schüler arbeiten in Gruppen und trainieren mit Hilfe des ent-

    workshopleitung

    kilian gertschen, gewerblich-industrielle Berufsschule Bern

    förderung der proBlemlösefähigkeitteilprojekt: personalisiertes, kompetenzBasiertes lernen (kompBas)

    text / kilian gertschen [email protected]

  • workshop 6

    erschliessen. Der Erfolg des Fallstudien- unterrichts hängt vom gewählten Thema ab. Die Lernenden sollten sich mit diesem gut identifizieren können. Ideal ist eine Per- son zu einem festgesetzten Zeitpunkt in einem Geschehen (zum Beispiel ein histori- scher Kriminalfall, die Interpretation eines literarischen Werkes), die Simulation einer Situation mit festen Rollen (zum Bei- spiel ein diplomatisches Treffen), aber auch die Analyse der Teilprobleme eines Gross- bereichs (zum Beispiel einzelne Aspekte der Umweltverschmutzung). suche nach antworten / Die Lehrperson gibt den Lernenden zunächst eine Ein- führung anhand eines ähnlichen Beispiels. Anschliessend wird ihnen das eigentliche Thema der Fallstudie vorgestellt. Von jetzt an sind die Jugendlichen frei, sich selbst- ständig mit diesem auseinanderzusetzen. Dazu erhalten sie eine kurze Handlungsan-leitung und einen Reader zum Thema (ein schriftliches Dokument, es sind aber unter anderem auch Videoausschnitte oder Blogs möglich). Dieser Reader bietet ihnen alle Unterlagen, um selbstständig auf die Suche nach Fragen und Antworten gehen zu können. Abgesehen von einer gemeinsamen Einführung zu Beginn des Fallstudienunterrichts sind die Schüler frei in der Erarbeitung ihrer Themen. Sie können Gruppen bilden (maximal fünf Per- sonen), sich die ihnen zur Verfügung gestellte Zeit selbst einteilen und auch den Arbeitsort frei wählen. Die Lehrperson steht ihnen als Berater zur Seite. Ziel ist, dass die Lernenden am Schluss ihrer Analyse ein Ergebnis vorweisen können, das sie im Plenum präsentieren, zum Beispiel mit Plakaten, Powerpoint oder Videos.

    Wie fallbasierter Unterricht funktioniert, ver- deutlicht das Beispiel der drei weisen Affen: Einer verdeckt sich die Augen, der andere den Mund, der dritte die Ohren. Interpre- tiert werden diese Affen zumeist als Bild für mangelnde Zivilcourage – die Affen sehen weg, sie hören weg und wollen das Schlechte nicht wahrhaben. Die ursprüngliche Be- deutung ist jedoch eine andere: Das japani- sche Sprichwort, auf das die Gruppe der drei Affen zurückgeht, ist die Aufforderung, weise über das Schlechte hinwegzusehen. Das Bild ist damit eigentlich keine Aufforde-rung zum Widerstand gegen gesellschaft- liche Ungerechtigkeit, sondern eine buddhis-tische Bekenntnis zur Sittlichkeit. Ist die erste Auslegung deshalb falsch? Die Figuren-gruppe bietet viele Auslegungsmöglich- keiten. Ein Betrachter kann die Affen als Zeugen für Dummheit deuten, als Sinnbild für den Mangel an zwischenmenschlicher Kommunikation oder als stures Beharren auf einer vorgefassten Meinung. Bei der Suche nach der ‹richtigen› Interpretation wird er feststellen, dass es mehr als eine Deutung gibt. Er wird erkennen, dass diese von seinem Standpunkt und seinen persönlichen Erfah- rungen abhängt.

    identifikation mit dem thema / Genau dies ist auch der beabsichtigte Lerneffekt des Fallstudienunterrichts: Die Schülerinnen und Schüler stellen Fragen an ein Beispiel und versuchen diese vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen und ihres Wis- sens zu analysieren – und das eröffnet ihnen wiederum neue Fragen. Dadurch werden sie zu Forschern, die sich ein Wissens- gebiet aufgrund ihrer eigenen Interessen

    workshopleitung

    klara hübner, universität fribourg

    jeder kann forschen!

    stolz aufs ergeBnis / Fallstudienarbeit eignet sich bereits ab vier bis sechs Lektionen (à 45 Minuten). Bessere Ergebnisse erhält man allerdings in Spezialwochen oder in einer über ein Semester angelegten Projekt-dauer. Der Aufwand ist für die Lehrperson zunächst verhältnismässig hoch, da sie nicht nur einen entsprechenden Reader zusam-menstellen, sondern auch ein passendes Pa- rallelbeispiel vorbereiten muss. Mit der Dauer des Projekts verlagert sich der Arbeitsauf-wand jedoch zunehmend auf die Schüler. Die Erfahrungen mit dem Fallstudienunter-richt zeigen, dass die Auflösung des bis- herigen Rollenverständnisses von Lernenden und Lehrenden gleichermassen geschätzt werden: Nicht der Lehrer bestimmt den Aus-gang des Lernexperiments, sondern die Schülerinnen und Schüler. Obwohl sie den Arbeitsaufwand als gross empfinden, sind die Schüler am Ende besonders stolz auf ihr eigenständig formuliertes Ergebnis.

    teilprojekt: personalisiertes, kompetenzBasiertes lernen (kompBas)

    text / klara hü[email protected]

  • workshop 7

    — positive abhängigkeit – «man braucht einander» verantwortung der gesamten gruppe für die erreichung ihrer gruppenziele. individuelle verantwortung jedes gruppenmitglieds, seinen anteil an der arbeit zu leisten.

    — verbindlichkeit – «jeder kann drankommen»/ «ich muss alles können» jeder muss demons- trieren, dass das zu lernende verstanden ist. jeder kann individuell vom lehrer oder von anderen schülern kontrolliert werden.

    — direkte fördernde interaktion – «auge in auge» die schüler erklären einander, was sie gelernt haben und helfen sich gegenseitig, das gelernte zu verstehen und die aufgaben fertigzustellen.

    — soziale fähigkeiten – «nichtakzeptiertes auf respektable weise mitteilen» kommunikation, vertrauen bilden, konflikte lösen, entschei-dungen treffen.

    — evaluation – «jedes mal besser sein wollen»

    das konzept in romanshorn / Die Klasse wird in Dreier- und Vierergruppen einge- teilt, starke und schwache Schüler werden gemischt. Idealerweise sind alle Gruppen gleich stark. Die Stammgruppen bleiben für lange Zeit bestehen. In manchen Unter-richtssequenzen werden die Gruppen jedoch vermischt, damit die Schüler lernen, in verschiedenen Teams zusammenzuarbeiten. Im Unterricht werden folgende Methoden verwendet:

    — zum wiederholen oder während der einfüh- rung (methode: think, pair, share) es wer-

    den kurze, vorwiegend konzeptuelle fragen mittels Beamer auf die tafel projiziert. die schüler machen sich zwei minuten lang gedanken über die frage und suchen nach antworten. anschliessend diskutieren sie untereinander ihre überlegungen (ungefähr drei minuten). der würfel entscheidet, wer die antwort seiner gruppe vorträgt. material: eine durchnummerierte liste der schüler, ein würfel mit so vielen seiten wie schüler in der klasse sind oder ein online random number generator.

    Erfolgreich wendet die Kantonsschule Ro- manshorn seit einem Semester ein Konzept des kooperativen Lernens in vier Klassen in den Fächern Mathematik und Physik an. Das Konzept kann ohne grosse Anpassungen der Lehrmittel angewendet werden. Für die Kantonsschule Romanshorn sprechen ver- schiedene Gründe für das kooperative Lernen: Lernen wird durch soziale Kontakte verbes- sert – durch die Möglichkeiten, eigene Ideen zu artikulieren, auszuprobieren und mit- einander auszutauschen; durch das Beobach- ten, wie es die Mitschüler machen; durch das Diskutieren verschiedener Ideen. Ausser- dem fördert das kooperative Lernen so- ziale Kompetenzen und hilft dabei, die eige- nen Fähigkeiten zu erkennen.

    herausforderungen / Doch Gruppenarbei- ten misslingen bisweilen. Wenn dies der Fall ist, liegt es meist daran, dass die Lehrper- sonen von den Schülern etwas erwarten, das sie überhaupt nicht können. Woher auch? Sie sind es gewohnt, vorwiegend alleine und mit sehr viel Anleitung und Struktur zu arbeiten. Damit Gruppenarbeiten gelingen, ist es wichtig, dass jeder Schüler weiss, dass die Gruppe nur Erfolg hat, wenn jeder Verantwortung übernimmt. Jeder muss eine Aufgabe haben, die nicht von anderen Mitgliedern übernommen werden kann. Nur wenn alle ihre Aufgabe erledigen, kann die Arbeit erfolgreich abgeschlossen werden.

    fünf erfolgskriterien / Fünf Kriterien müssen erfüllt sein, um kooperatives Lernen erfolgreich und über eine lange Zeit im Unterricht durchzuführen:

    workshopleitung

    wolfgang geist, kantonsschule romanshorn

    ein konzept ‹kooperatives lernen›

    — aufgabenverteilung (methode: gruppenpuzzle) aufgaben zum tieferen verständnis des unterrichtsstoffes werden in der gruppe auf- geteilt. die schüler können ihre aufgaben alleine oder mit anderen schülern bearbeiten. nach der vorgegeben zeit treffen sich die schüler wieder in ihren stammgruppen und besprechen ihre aufgaben auf den white-boards. die lehrkraft kontrolliert, dass alle schüler aufgaben auf den whiteboards erklären. material: whiteboards, whiteboard-stifte und whiteboardwischer.

    — gruppenklausur (methode: gruppenpuzzle) vor jeder einzelklausur findet eine gruppen-

    klausur statt. die aufgaben werden mit der gruppenpuzzle-methode bearbeitet. die lehrkraft bestimmt, welcher schüler was bearbeitet. in der zweiten stunde besprechen die schüler in ihren stammgruppen die aufgaben auf den whiteboards, um dann die ergebnisse in das examensblatt einzutragen, das benotet wird. nach einem bestimmten Bonuspunktesystem werden in den gruppen-klausuren punkte vergeben. die einzelnote kann dadurch nur verbessert werden. material: whiteboards, whiteboardstifte und white-boardwischer.

    — gruppenbesprechung und gruppenfeier alle sechs bis acht wochen findet eine gruppen- reflexion und -evaluation mit pizzaessen statt. die schüler sollen 30 punkte untereinander aufteilen, um die einzelnen Bemühungen zu bewerten.

    teilprojekt: personalisiertes, kompetenzBasiertes lernen (kompBas)

    text / wolfgang [email protected]

  • workshop 8

    stützt, dass die Ermittlungen im Labor er- folgen, dass das Umfeld der Tat ausgeblendet wird. Kurz: Der Schüler, der nach diesem Modell vorgeht, geht auf Distanz zur Serie, untersucht sie auf der Grundlage von Modellen der Filmsprache, der Medientheo-rie, der Interpretation und kommt zu eigen- ständigen Aussagen. – Wie sind die Ergebnisse? Die Aussagen können eher vordergründig-filmtechnisch sein: «In ‹Breaking Bad› wird vor allem durch Vorwegnahmen Spannung erzeugt.» Sie können aber auch in die Sozialpsycho- logie führen: «Der Zuschauer identifiziertsich mit dem Mörder Dexter, da er in sich selbst ähnliche Handlungsmotive entdeckt, und da Dexter sich immer für eine Gerechtigkeit einsetzt, die die Justiz nicht verwirklichen kann.» In beiden Fällen werden sich die Schüler gemäss ihren Fähigkeiten Theorien und Verfahren aneignen, um eine (im Gespräch mit der Lehrperson) mühsam ent- wickelte Fragestellung, beziehungsweise Hypothese zu untersuchen.– Wo liegen die Probleme? Wie bei Matura- arbeiten ist die Fragestellung die ent- scheidende Weichenstellung und schwierig zu bewältigen. Ihr muss man – als ersten Meilenstein – viel Zeit und Energie wid- men. Die Schüler müssen zudem motiviert werden, sich die theoretischen Grundlagen wirklich anzueignen, damit die Analysen fruchtbar werden, und damit die Klasse in der Diskussion eine gemeinsame Sprache verwenden kann.– Welches sind die Varianten? Die Diskus- sion im Workshop an der Koordinations- tagung zeigte die Fragen auf, die sich jede Lehrperson stellen wird: Geht es mir darum, dass jede Gruppe ihre Fragestellung in einer Präsentation beantwortet? Habe ich den Anspruch, dass die Präsentationen zu

    Fragen Lehrpersonen ihre Schüler, wie sie sich abends entspannen, so hören sie oft, dass diese sich eine Folge ihrer Lieblingsserie ansehen. Die Lehrer werden merken, dass die Jugendlichen die Figuren als real auffas- sen oder sich gar zum Vorbild nehmen. Das ist eigentlich schon Anlass genug, um Fern- sehserien fürs personalisierte Lernen auf- zuarbeiten. Hinzu kommt, dass Philosophen und Literaturwissenschaftler Fernsehse- rien als Fortführung und Weiterentwicklung der abendländischen Romantradition be- trachten. Der Workshop stellte das konkrete Vorgehen eines solchen Projekts vor. Dies sind die zentralen Projektschritte: — Wie startet man das Projekt? Die Lehr- person prüft weit im Voraus das Interesse der Schüler fürs Thema (Es wird gross sein!). Sie lässt die Schüler eine Serie auswäh- len, zu der sie forschen möchten. Die Schü- ler vertiefen ihre Kenntnisse zu dieser Serie, indem sie sich zu Hause einige Folgen bewusst anschauen. – Wie leitet man die Schüler an? Als Start- punkt zeigt man den Schülern eine Folge aus der Serie ‹C.S.I. Las Vegas›, die allen be- kannt ist. Die Lehrperson bestimmt das Genre: Krimi. Sie zeigt, wie die Serie film- technisch gemacht ist (Farbgebung, Ein- stellungsgrössen, Schnitte). Sie weist die Ju- gendlichen auf die Seriendramaturgie hin: Spannungsmomente, weiterführende Erzähl- stränge, Konstruktion der Figuren. – Welches Ziel verfolgt man? Mit diesen Analysebefunden untermauert die Lehrperson ihre These, dass der aktuelle Detektiv in vielen Krimiserien im Team arbeitet, dass er sich vor allem auf die Naturwissenschaften

    workshopleitung

    georges hartmeier, kantonsschule Büelrain winterthur

    fernsehserien

    vertiefenden Diskussionen in der Klasse füh- ren müssen? Bin ich zufrieden mit einer medientechnischen Analyse? Will ich einen deutenden Bezug zu psychologischen oder soziologischen Gegebenheiten? Je nach Ansprüchen und Zielen wird die Lehrperson die Auswahl einengen müssen: Die Klasse kann ein Genre bestimmen, innerhalb dessen sie die Serien auswählt. – Was sind die Voraussetzungen? Die theo- retische Beschäftigung mit Fernsehserien boomt. Deshalb muss die Lehrpersonen aus- wählen und Anleitungen für die verschiede-nen Analysen bereitstellen – zum Beispiel auf einer Lernplattform, auf www.dropbox.com oder auf Google Drive. Wichtig ist auch eine sorgfältige Modell-Präsentation.

    teilprojekt: personalisiertes, kompetenzBasiertes lernen (kompBas)

    text / georges [email protected]

  • workshop 9

    verstanden hat. Markus hat das Gespräch mit Einwilligung der Schülerin auf Video auf- gezeichnet. Er schaut sich zuhause das Ganze noch einmal an und wählt einen Aus- schnitt aus, in dem er meint, die Unsicherheit und seine Bedenken am ehesten zu spü- ren. Er schreibt sich den Gesprächsverlauf ab. Mit dieser Transkription kommt er in die Intervisionsgruppe.

    Dort trifft Markus auf drei Kolleginnen und vier Kollegen. Nach einer kurzen Be- grüssungsrunde werden die Rollen verteilt: Neben einer Leitung werden Beobachter bestimmt. Diese konzentrieren sich auf ver- bale, non-verbale oder para-verbale Merk- male in der Gesprächssituation. Da Markus das Gefühl äussert, er sei in solchen Situa- tionen generell immer etwas dominant, werden die Beobachter auch die Gesprächs-anteile von Markus und Sonja verglei- chen. Sie werden darauf achten, wie Fragen formuliert sind und Gesprächspausen interpretieren.

    Markus macht schliesslich eine Einfüh-rung zum Gespräch, er beantwortet Ver- ständnisfragen und zeigt die Filmaufnahme. Anschliessend erhält Markus eine Rück- meldung durch die Beobachter. Diese ver- suchen in einer ersten Runde Wahrneh- mungen ohne Interpretationen darzustellen. Schliesslich formulieren sie in einer zwei- ten Runde eigene Gefühle oder Hypothesen zum Gesprächsverlauf. Markus hat sich Notizen gemacht und erklärt, was er aus dem Feedback mitnimmt: Er möchte bei einem nächsten Gespräch nicht mehr am Lehrer-pult sitzen, von wo er Dominanz aus- strahlt. Er möchte länger warten bei Fragen, geduldiger und aktiver zuhören und mehr Augenkontakt suchen. Beim nächs-ten Treffen wird er berichten, was ihm gelungen ist.

    Unter den Top Ten der Erfolgsfaktoren für nachhaltiges Lernen von Schülerinnen und Schülern steht in der aktuell viel disku- tierten Studie des neuseeländischen Bil- dungsforschers John Hattie (Visible Learning 2009) das Feedback der Lehrpersonen bezüg- lich Zieldefinition und Zielerreichung und die Formulierung der nächsten Arbeits- schritte. Doch wie können Lehrpersonen ihre Kompetenzen in diesem Bereich weiter- entwickeln? Das Teilprojekt RoKoSOL er- arbeitet entsprechende Lösungen: Es beschäf- tigt sich mit den Rollenveränderungen und den dafür notwendigen Kompetenzen in SOL-Prozessen (SOL = selbstorganisiertes Lernen). Im Rahmen des Projekts entstehen unter der Leitung des Zürcher Gymnasi- ums Unterstrass konkrete Anleitungen und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehr- personen. Die Verantwortlichen des Projekts RoKoSOL spielten in ihrem Workshop eine der wirkungsvollsten Methoden mit den Teilnehmern durch: Es handelt sich dabei um die Technik des ‹Microteachings› oder – wie es im Teilprojekt des Gymna-siums Unterstrass genannt wird – ‹Video-based Learning› in Kombination mit Intervision.

    videoBased learning – ein Beispiel / Eine Lehrperson, nennen wir sie Markus, be- treut eine Maturitätsarbeit. Es steht ein Gespräch an. Die Schülerin Sonja bringt ein Feinkonzept mit. Das Gespräch verläuft in der Wahrnehmung von Markus in gutem Einvernehmen. Trotzdem bleibt am Schluss ein Gefühl der Unsicherheit zurück und die Frage, ob man sich gegenseitig richtig

    workshopleitung

    kurt müller klusman, gymnasium unterstrass, und cornelia maccabiani, institut unterstrass

    erfolgreich kommunizieren in Beratungssituationen

    fragestellungen für die zukunft /

    Die nächsten Herausforderungen für das Projekt ‹RoKoSOL› können gerade im Hinblick auf eine mögliche weitere Verbrei-tung der Erkenntnisse und entwickelten Instrumente folgende Fragestellungen bein- halten: Was kann man tun, dass Lehr- personen das Bedürfnis haben, sich auf eine solche Art weiterzubilden? Wie kann man eine solche Trainingsform in einem Kolle- gium etablieren? Wie kann man Widerstände gegenüber Videoaufnahmen verringern?

    teilprojekt: rollenrepertoire und coachingkompetenzen in sol-prozessen (rokosol)

    text / kurt müller [email protected]

  • workshop 10

    Zeitgefässe. Im ersten Jahr werden Visionen entwickelt, im zweiten Jahr wird das Kon-zept (mit Planungsraster) erstellt. Im dritten Jahr werden Materialien/Lehrmittel ge-sichtet und neu zusammengefügt, und es wird eine Datenbank erstellt. Im vierten Jahr geht es schliesslich an die Umsetzung. Wo nötig, werden nach laufenden Über-prüfungen Korrekturen und Anpassungen vorgenommen.

    klare struktur / Das Planungsraster eines Fachs ist immer gleich: Auf Grundlage der Lehrwerke wird es gefüllt und allenfalls durch weitere Materialien ergänzt. Die Themen und Inhalte der Lehrmittel werden auf Mehr- jahrespläne verteilt. So werden themati- sche Wiederholungen vermieden. Die Schüle- rinnen und Schüler lernen auf diese Weise beispielsweise die Grammatik im Englischun- terricht an immer neuen Themen. Der Ein- satz der ‹Lernmittel› im Unterricht folgt nach einer klaren Struktur: 1) Hinführung zum Thema/Inhalt, 2) Forschen und Entdecken, 3) Vertiefen und Üben. Im Fremdsprachenun- terricht ist explizit ein Zeitgefäss für Kom- munikation reserviert, zudem sind täglich zehn Minuten als Übungszeit vorgesehen. Die Schüler sollen mit den Materialien möglichst selbstständig (individuell und kooperativ) lernen und arbeiten können, die Lehrperso-nen sollen mehr Zeit für die Lernbeglei- tung haben. Das Unterrichtskonzept gibt den Schülern und auch den Lehrpersonen eine klare Struktur. Es garantiert auch bei einem Wechsel der Stufe oder bei einem Lehrer-wechsel eine Kontinuität.

    unterschiedliche auslöser / Die Gründe dafür, einen Fachbereich für das Alters-durchmischte Lernen aufzubereiten, können ganz verschieden sein: Es kann einmal die

    Die Schule Brühlberg in Winterthur enga- giert sich im Teilprojekt ‹Vom Lehrmittel zum Lernmittel› und bringt ihre über 15- jährigen Erfahrungen im Altersdurchmisch-ten Lernen (AdL) in das Projekt ein. Bevor die Schule 1997 auf AdL umstellte, suchte sie eine Schulstruktur, die Kindern mit Lern- defiziten und auch solchen mit besonderen Begabungen gerecht wird. Das Kind und sein Lernen sollten im Zentrum stehen. Im Altersdurchmischten Lernen fand das dama- lige Schulteam die Antwort. Je zwei alters- durchmischte Lerngruppen (1. bis 3. Primar- klasse und 4. bis 6. Primarklasse) werden parallel geführt. Als öffentliche Schule ist die Schule Brühlberg jedoch dem Lehrplan des Kantons Zürich und den verbindlichen Lehrmitteln verpflichtet. Da Lehrplan und Lehrmittel jahrgangsorientiert sind, lassen sie sich nicht ohne Aufbereitungsarbeit im Altersdurchmischten Lernen einsetzen. So ist die Schule seit 15 Jahren kontinuier-lich daran, Werkzeuge auf der Basis der verbindlichen Lehrmittel für den AdL-Unter- richt zu entwickeln. Im Workshop gab sie Einblicke in ihre Erfahrungen bei der Er- arbeitung von Lernmitteln für den AdL-Unterricht.

    längerer prozess / Die Umstellung auf AdL wurde an der Schule Brühlberg nicht in allen Fachbereichen gleichzeitig in Angriff genommen. Die Erfahrungen zeigen, dass dieser Prozess in einem Fachbereich etwa vier Jahre dauert und auf eine gute Zusammenarbeit der Lehrpersonen angewie-sen ist. Die Stufenteams reservieren sich für die Aufbereitung der Lehrmittel eigens

    workshopleitung

    lucia agosti, gilian lienhard, christoph stüssi, schule Brühlberg winterthur

    vom lehrmittel zum lernmittel

    Einführung eines neuen Lehrmittels durch das Volksschulamt sein, ein anderes Mal die Überzeugung der Lehrpersonen, dass jahrgangsorientiertes Lernen im Fremdspra-chenunterricht zu sehr einengt. Ein Haupt- motiv ist aber immer die positive Erfahrung aus anderen Fachbereichen mit dem AdL und der Wunsch, das Lernen möglichst durchgehend altersdurchmischt zu organi-sieren. Wird ein Fachbereich auf Alters-durchmischtes Lernen oder auf ein neues Lehrmittel umgestellt, hat sich eine gestaf- felte Einführung bewährt: Gestartet wird zuerst mit den beiden tieferen Jahrgängen (4. /5.Klasse), und die 6. Klasse wird erst in einem zweiten Schritt integriert. So kann die aktuelle 6. Klasse noch nach dem alten System die Stufe fertig machen.

    ähnliche herausforderungen / Am Workshop haben vor allem Schulvertreter teilgenommen, die bereits auf Altersdurch-mischtes Lernen umgestellt haben oder die sich noch im Umstellungsprozess befin- den. Die Diskussion und die Fragen haben gezeigt, dass gewisse Herausforderungen bei allen Schulen dieselben sind: Die Aufberei-tung der Lehrmittel bleibt den Schulen nicht erspart. Es kann hilfreich sein, wenn diese Arbeit im Team nach einem gemein- samen Konzept erfolgt. Einige zentrale Punkte, die es dabei zu beachten gilt, konn- ten im Workshop aufgezeigt und disku- tiert werden, andere muss jede Schule nach den eigenen Vorstellungen erarbeiten.

    teilprojekt: vom lehrmittel zum lernmittel

    text / esther germann [email protected]

  • workshop 11

    zurzeit mehrheitlich eng an bestehende Print-Lehrwerke gekoppelt. Bisherige Investitionen in Innovationen haben sich nur zu einem kleinen Teil ausbezahlt. Darum verharren viele Verlage in abwarten-der Haltung. Entwicklungen fanden und finden heute in verschiedenen Bereichen statt: Es gibt Download-Materialien in Ergänzung zu Print-Publikationen. Es existieren interaktive, teils multimediale Lern- und Übungsprogramme. Diese sind meistens integriert in hybride Lehr- werke, die sowohl Print- wie ICT-Teile umfassen. Eine neue Form von digitalisier-tem Kommentar wurde entwickelt, der von Lehrpersonen mit eigenem Material angereichert wird. Datenträger sind immer weniger CDs und immer mehr serverge-stützte Online-Applikationen.

    viele fragen / Die Workshopteilnehmer setzten sich kritisch mit dem Thema ausei- nander – und dabei hinterfragten sie auch ihre eigene Rolle als Lehrpersonen: Sind sie überhaupt ausreichend für stärker indivi- dualisiertes und gegebenenfalls digital unter- stütztes Lernen aus- und weitergebildet? Wie steht es um die Motivation der Lehrper-sonen im Bereich von ICT? Würden sie effektiv nutzen wollen und können, was in Zukunft seitens der Verlage und aus anderer Quelle angeboten wird? Auch mit Blick auf die Heterogenität der Kinder müsse man sich die Frage stellen, ob wirklich alle für digitale Lernangebote stärker motiviert sind als für analoge.

    Interessanterweise wechselten die Work- shopteilnehmer auch die Perspektive vom Nutzer zum Anbieter und nahmen die aktuelle und künftige Situation eines Verlegers in den Blick: Gibt es in naher Zu- kunft einen ausreichend grossen Markt,

    Technische Möglichkeiten, Geräte und Pro- gramme entwickeln sich rasant. Die Viel- falt ist gross, es gibt keine allgemeinen Stan- dards – Kosten und Risiken sind deshalb für Anbieter und Abnehmer hoch. Während im Bereich der PCs, iBooks und Laptops auf der Software-Ebene herstellerunabhängi-ge Lösungen gefunden wurden, entsteht bei Tablets und Smartphones mit ihren unter- schiedlichen Betriebssystemen und Appli- kationen ein neuer Wildwuchs. Die Käufer befinden sich in geschlossenen Systemen, die sie an bestimmte Hersteller binden. Über die Entwicklungen der nächsten Jahre herrscht weitgehend Unklarheit.

    grosse kluft / Lehrmittelverlage bewegen sich damit auf unsicherem Grund. Sie können sich nicht auf technologische Stan- dards verlassen. Gleichzeitig ist die Nut-zung von digitalen Angeboten in den Schulen noch bescheiden: Das Bewusstsein für Ein- satzmöglichkeiten digitaler oder hybrider Lernsettings, der Ausrüstungsgrad, die lern- psychologischen Konzeptionen, die finan- ziellen und organisatorischen Gegebenheiten sind in den Schulen extrem heterogen. Während einzelne wenige Schulen schon ex- trem weit sind, sind andere noch kaum im digitalen Zeitalter angekommen. Ein an- sehnlicher Teil der aktuell unterrichtenden Lehrkräfte kann man nicht als ‹ICT-affin› bezeichnen. Die Kluft zwischen ‹analogen› und ‹digitalen› Lehrpersonen ist gross. Den- noch ist den Lehrmittelverlagen klar, dass die Zukunft zu einem grösseren Teil digital sein wird und blosse E-Books die wach-senden Bedürfnisse kaum werden abdecken können. Die Angebote der Verlage sind

    workshopleitung

    peter uhr, schulverlag plus ag

    vom e-Book zum interaktiven lernsystem

    der es für Verlage auch ökonomisch interes-sant macht, entsprechende Materialien zu entwickeln? Schliesslich wäre es für die Teil- nehmenden interessant gewesen, von mehr als bloss einem Verlag zu hören, was er im Bereich von simplen E-Books bis zu komple- xen interaktiven Lernsystemen tut. Die Teil- nehmer fragten sich, welche Verlage in diesem Bereich wohl welche Konzeptionen verfolgen.

    teilprojekt: digitale lehrmittel

    text / peter [email protected]

  • workshop 12

    Bereits im Workshop haben die Teilnehmer die Liste ergänzt. Folgende für öffentliche Schulen bis anhin gratis nutzbare Produkte betrachtete der Workshop genauer:

    Die Rundschau begann mit ‹iTunes U›, einer Online-Lernwegumgebung aus der Hand Apples, die die iOS-Geräte wie iPhone oder iPad unterstützt. Sie ist hübsch ge- macht, mit schnellem niederschwelligen Zu- gang und viel Speicherplatz für den ein- zelnen Nutzer. Der Workshop streifte die Welt der ‹Google Apps›, mit dem grossen Hinter-grund an Schulsoftware aus dem englisch-sprachigen Raum. Die Google-Welt benutzt die Sekundarschule Ruggenacher als Kom- munikationsplattform mit gemeinsam geführten Kalendern, Dokumenten und In- ternetseiten. Die Gruppe betrachtete in diesem Zusammenhang das Potenzial eines ‹Chromebooks› – einem sehr günstigen Laptop, der sich nahtlos in die Google-Welt einbettet und (solange er online ist) als Arbeitsinstrument einem PC oder MacBook kaum nachsteht. Die Google App verwal- tet die Geräte online ohne Verkabelung, wo immer die Laptops ins Netz gehen. Natürlich wurde ‹Educanet› erwähnt, das sich ins- besondere durch die schnell erstellten und austauschbaren Online-Lernwege und den gesicherten Datenschutz auszeichnet. Der Workshop erkannte daneben den Wert der bisherigen individualisierten Unter-richtsformen wie Wochenplan und Arbeits- hefte als Gegengewicht zu den digitalen Welten.

    Schliesslich kam der Workshop zu den beiden Gesamtsystemen von Lernpass- Stellwerk-Check und Klett Deutschland. Beides sind geschlossene Umgebungen, die Steuerung und Inhalte auf komfortable Weise zusammenführen. Das ‹Lernpass›-Angebot folgt dem Stellwerk-Check. Das im

    Als die Sekundarschulen Regensdorf und Buchs die Arbeit mit personalisierten Lern- formen starteten, waren sie der Meinung, dass die Steuerung der Lernwege und ihrer Inhalte durch ein umfassendes organisa- torisches System abgedeckt werden sollte: Alle Lerninhalte, deren Verteilung und der jeweilige Entwicklungsstand jeder Schü- lerin und jedes Schülers sollte abgebildet werden können. Dieser Ansatz erwies sich als ungenügend. Zudem wurde der Alltag für die Schüler mit immer ähnlichen Auftrags-formaten zu monoton. Gleichzeitig ent- wickelten sich sehr attraktive Angebote digi- taler und klassischer Art bei Verlagen, Softwarefirmen und vielen engagierten Ein- zelpersonen. Die Verantwortlichen in den Schulen fragten sich: Wie könnten sie das vielfältige Angebot in ihren personalisierten Unterricht integrieren?

    Der neue Grundsatz der Sekundarschule Ruggenacher ist gekennzeichnet durch eine Trennung von Steuerung und Inhalten des personalisierten Lernens. Die Daten- bank übernimmt weiterhin die Terminorga-nisation in den Lernwegen sowie die da- zugehörende Kompetenzabbildung. Die Lern- wege sind aber nun häufig Verweise und Links zu den bestehenden Lehrinhalten, auf die unten in einer Rundschau eingegan- gen wird. Daneben soll es für die Schüler möglich sein, eigene Lernwege zu konstruie-ren und mit der Klassenlehrperson zu teilen.

    eine rundschau / Welches sind die besten Lernumgebungen, die der Schule in den vergangenen Jahren begegnet sind? Natürlich ist die Aufführung nicht abschliessend und sicher fehlen einige wertvolle Angebote.

    workshopleitung

    olaf rusert, sekundarschule ruggenacher

    rosinen sammeln, picken und Behalten

    adaptiven Text gefundene persönliche Stärken- und Schwächenprofil verweist auf einen darauf abgestimmten Aufgaben- pool, der hilft, Defizite aufzuarbeiten. Die Lernpass-Verwaltung entwickelt sich zu einer Gesamtumgebung zur Betreuung von Schülern weiter. Klett Deutschland bildete mit anderen Verlagen die Plattform ‹digitale Schulbücher›, die seit Sommer 2012 auch aus der Schweiz genutzt werden kann. Klett geht aber noch einen Schritt weiter und stellte die Umgebung ‹Testen und Fördern› bereit, in der Tests geschaffen wurden, die ebenfalls ein persönliches Stärkenprofil er- rechnen. Analog zum Stellwerk-Check werden danach sinnvolle Aufgaben aus den eigenen Lehrmitteln zusammengestellt und ein personalisiertes Arbeitsdossier als pdf mit Lernvertrag und Elternbrief erzeugt. Ein Geschäftsinteresse von grossen Verlagen und Softwarefirmen ist es, eine Umgebung zu schaffen, die Verwaltung, Inhalte und Kom- petenzausweise zusammenführt.

    teilprojekt: digitale lehrmittel

    text / olaf [email protected], lernweg.ruggenacher.ch

  • workshop 13

    Rückmeldung an die besuchte Schule auf- grund der Eindrücke und Beobachtungen vor Ort im Vordergrund, doch die Schul- besuche sind immer auch Anlässe gegensei-tigen Lernens. So besteht ein Teil der schriftlichen Rückmeldung an die Schule darin, den eigenen Lernprozess beim Be- obachten zu beschreiben. Die Besuchenden erhalten Anregungen für die eigene Schule mit Bezug auf Vorgehen, Fachkenntnisse und Materialien.

    erfahrungen Beteiligter schulen / Sechs Schulen bilden die Pilotgruppe von ‹Zaun- gäste›: Im Jahr 2012 fanden Besuche in der Sekundarschule Rüschlikon (Mai) und an der Primarschule Dättlikon (Oktober) statt. Schwerpunkt bildete das Thema ‹Perso- nalisiertes Lernen›. Gastgeber berichteten im Workshop von den Erfahrungen, die sie bei den Schulbesuchen gemacht haben. Sie betonten neben dem günstigen Ver- hältnis von Aufwand und Ertrag den Wert der Rückmeldungen: «Diese waren professio- nell und machten mir die Qualität meiner Schule bewusst.» «Die Fragen und Anregun-gen der Gäste führen uns zu neuen Ent- wicklungsschritten.» Auch die Gäste waren zufrieden: «Ein solcher Besuch ist eine hoch wirksame Weiterbildung.» «Ich bekam Lust, das Gesehene in meiner Klasse um- zusetzen.»

    fragen und antworten / Die Workshop- teilnehmer diskutierten unter anderem folgende Fragen:

    — wie finden sich die schulen? meist durch per- sönliche kontakte von einzelnen lehrpersonen.

    — wie kommt man zu relevanten Beobachtungs-schwerpunkten? die fragestellung «was aus unserem pädagogischen konzept nehmen die gäste im unterricht wahr?» erwies sich

    Wie ist das Projekt ‹Zaungäste› entstanden? Professor Hans Brügelmann von der Uni- versität Siegen hatte im Jahr 2010 an einer Tagung der Pädagogischen Hochschule Zürich über das Projekt ‹Blick über den Zaun› berichtet, das in Deutschland seit 20 Jahren von mittlerweile über 100 Schulen getra- gen wird. Grundidee sind gegenseitige Schul- besuche von Praktikern durch Praktiker. Aus dem deutschen Projekt wurde die Schwei- zer Variante ‹Zaungäste›. Das Projekt gehört zum Angebot des Vereins QuiSS (Qualitäts-entwicklung in innovativen Schweizer Schu- len), das im Workshop ausführlich vorge-stellt wurde.

    fokussierte rückmeldungen / Nach dem Motto ‹Schulen besuchen Schulen› geht es bei den Zaungästen um fokussierte Rück- meldungen an eine besuchte Schule durch die Besuchenden. Für die gegenseitigen Be- suche wird jeweils ein Themenschwerpunkt ausgewählt. Darauf bezieht sich schliess- lich auch der an die besuchte Schule abge- gebene Bericht. Die mit Zaungästen durch- geführte ‹Peer Review› ist eine soziale Form der Evaluation, bei der sich die beteiligten Lehrpersonen auf Augenhöhe begegnen und voneinander lernen können.

    Bildungspolitisch gesehen unterschei- det sich ‹Zaungäste› von der externen (staatlich organisierten) Schulaufsicht, die von Experten durchgeführt wird. Innova- tive Schulen erhalten in diesem Projekt von Lehrpersonen anderer Schulen, die sich mit ähnlichen Themen befassen, Hinweise auf ihre Qualität – ohne dass diese von Hierarchie und Kontrolle geprägt sind. In der Peer Review steht zwar die differenzierte

    workshopleitung

    mark plüss und dieter rüttimann, verein Quiss

    schulen lernen von schulen

    als ertragreich für die rückmeldungen an die schule dättlikon.

    — was verändert sich an einer besuchten schule? welche wirkungen haben die rückmeldun- gen langfristig? das ist das thema der Beglei- tuntersuchung durch dr. lutz oertel, der das projekt wissenschaftlich betreut.

    — geht es bei den zaungästen stets ums perso- nalisierte lernen? nein. die methode kann auch für andere fragestellungen verwendet werden, etwa zum thema partizipation. dann würden wahrscheinlich auch schülerinnen und schüler als zaungäste in andere schulen kommen.

    — was könnte andere schulen zur teilnahme mo- tivieren? jede schule hat die pflicht zur selbst- evaluation. die zaungäste sind dazu eine gewinnbringende methode, die wenig aufwand verursacht.

    Die Workshopteilnehmer äusserten sich posi- tiv zum Projekt. Einzelne von ihnen inte- ressieren sich dafür, mit ihren Schulen in die zweite Staffel der ‹Zaungäste› einzusteigen. Mit ihnen wurde ein Folgetreffen vereinbart.

    teilprojekt: zaungäste

    text / mark plü[email protected]

  • workshop 14

    — das lernarrangement ist schliesslich geprägt durch verschiedene methoden (zum Beispiel in- struktion, gruppenarbeit). von Bedeutung ist auch, wie die unterschiedlichen leistungen bewertet werden. die Beurteilung sollte das lernen fördern. nicht zuletzt gilt es die rolle der lehrperson beim individualisierten unterricht möglichst lernförderlich zu gestalten.

    Das Qualitätsraster teilt diesen drei Be- reichen neun Dimensionen zu: 1) Aufgabe, 2) Kompetenzorientierung, 3) Lernziele, 4) Materialien/Medien, 5) Differenzierung in der Lernumgebung, 6) Methode/Sozialform, 7) Lerncoaching, 8) Beurteilung, 9) Diffe- renzierung im Lernarrangement. Für jede Dimension sind Kriterien in vier Qualitäts-stufen aufgeführt, die von Stufe zu Stufe an- spruchsvoller werden.

    willkommenes instrument / Die Teilneh-mer des Workshops probierten das Qualitäts-raster an einem ausgeteilten Lernarrange-ment zum Thema ‹Risiko› aus. Anschliessend diskutierte die Gruppe ihre Erfahrungen mit dem Instrument und ihre Erkenntnisse zu Optimierungsmöglichkeiten des von ihnen gesichteten Arrangements. Eine Aus- wahl aus den rundum positiven schrift- lichen Kurz-Rückmeldungen zeigt, dass das Raster sowohl als Bewertungs- wie auch als Planungsinstrument willkommen ist:

    — die ziele, die mit dem Qualitätsraster verbun- den sind, sind mir klargeworden. die dimen-

    sionen sind für mich nachvollziehbar.

    — ich habe ein umfangreiches dokument und ei- nen überblick erhalten, um mich mit der Be- urteilung von unterlagen auseinanderzusetzen.

    — das raster hilft mir zur planung und überprü-fung unseres Quintals (sommer- bis herbst- ferien) auf der grundstufe.

    — wir haben erfahren, wie komplex die wissen-schaftlich gestützte Beurteilung eines lern- arrangements ist.

    Lehrpersonen setzen ab und zu umfangrei-chere thematische Lerneinheiten ein, die es den Schülerinnen und Schülern ermögli-chen, ihr Lernen selbst zu organisieren. Dabei kann es sich um kleinere Projekte, um zusätzliches Übungsmaterial oder um Posten einer Werkstatt handeln. Aber halten diese Lerneinheiten, was man sich von ihnen ver- spricht? Wenn sie sich bewähren, setzt man diese gerne mehrmals ein oder tauscht sie mit Kolleginnen und Kollegen aus – was aller- dings erfahrungsgemäss noch eher selten der Fall ist. Da würde es sich doch lohnen, die Stärken und Schwächen solcher Arrange-ments zu bestimmen, um die Einheiten gege-benenfalls zu optimieren.

    stärken und schwächen / Im Workshop lernten die Teilnehmenden ein Qualitäts- raster für personalisierte Lernarrangements kennen, das es ihnen erlaubt, a) die eige- nen Lerneinheiten nach wissenschaftlichen und praktischen Kriterien selbst einzu- schätzen und b) gezielt zu erkennen, wo bei fremden Lernarrangements die Stärken und Schwächen liegen. Ein Lernarrangement besteht aus drei Bereichen:

    — im kernbereich geht es um gute aufgaben. diese beziehen sich auf ziele aus dem lehrplan

    und fördern wichtige kompetenzen. sie er- möglichen es schülerinnen und schülern mit unterschiedlichen fähigkeiten (innerhalb oder zwischen den leistungsstufen) nachhaltig zu lernen.

    — die lernumgebung wird geprägt durch ziele, kompetenzen, differenzierung und auch durch die verwendeten medien (Buch, dvd etc.) und materialien (für experimente, präsentatio-nen etc.).

    workshopleitung

    alois keller und robbert smit, pädagogischehochschule st. gallen

    Qualitätsraster zur Beurteilung personalisierter lernarrangements

    — es gibt ein taugliches raster, um lernarrange-ments einzuschätzen, und ich verstehe es genügend gut.

    — mit dem Beurteilungsraster habe ich konkrete anhaltspunkte kennengelernt, um aufgaben- stellungen zu verbessern.

    Die Teilnehmenden zeigten reges Interesse am Weiterbildungsmodul ‹Arbeiten mit und Bewerten von komplexen Lernarrange-ments›, das im Herbst 2013 stattfindet. Alle am Gesamtprojekt ‹Personalisiertes Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften› teilnehmenden Schulen erhielten das Programm und die Einladung zur kosten- losen Teilnahme.

    teilprojekt: Qualitätsraster

    text / alois [email protected]

  • workshop 15

    wie Projekte ausgestaltet sein müssen, um tatsächlich die gewünschte Wirkung zu entfalten. Und sie möchte wissen, wie sie als Stiftung die Projekte auch neben einer finanziellen Förderung unterstützen kann. Denn darin sieht die Stiftung Mercator Schweiz eine wichtige Aufgabe: Sie möchte eine verlässliche Partnerin sein, die Pro- jekte aufmerksam und konstruktiv-kritisch begleitet. Denn ihr Erfolg als Stiftung ist immer der Erfolg ihrer Partner.

    potenziale und tücken / Im Workshop diskutierten Fachleute aus Schulpraxis, Wei- terbildung, Forschung und Verlagswesen die Potenziale und Tücken der Wirkungsmes- sung. Als wichtiges Kriterium für die Wirkung von Projekten im Bildungsbereich identifizierten sie die Anschlussfähigkeit der Projekte: Es bringe den Schülern wenig, wenn sie zum Beispiel auf der Primarstufe personalisiert lernen können, es für sie dann in der Sekundarstufe I jedoch nicht in einem vergleichbaren Modell weitergeht. Diese Herausforderung erkennt auch die Stiftung Mercator Schweiz. Deshalb zieht sie regel- mässig Experten für Einschätzungen und Be- darfsanalysen zu Rate. Und sie arbeitet, wo immer möglich, mit den zuständigen Insti- tutionen des Staates zusammen oder ver- wirklicht gemeinsam mit ihnen Projekte. So ist die Anschlussfähigkeit der Projekte gewährleistet.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Wirkungsmessung ist die Frist, in der Wir- kung betrachtet wird, bemerkten die Workshopteilnehmer: Kann man Wirkung überhaupt schon bei Abschluss eines Pro- jekts feststellen? Kann man diese nicht erst langfristig, gar rückblickend, erkennen? Dieser Herausforderung könne man begeg- nen, indem man zwischen lang- und

    Was wirkt? Für die Stiftung Mercator Schweiz ist das eine zentrale Frage. Denn sie möchte nicht nur interessante Projekte in den drei Bereichen ‹Wissenschaft›, ‹Kinder und Jugendliche› und ‹Mensch und Umwelt› fördern. Die Projekte sollen auch eine Wir- kung entsprechend ihrer Stiftungsziele erreichen. Doch wann sind Projekte erfolg- reich? Wann wirken sie? Und wann ist die Arbeit der Stiftung ein Erfolg?

    wirkungsmodell giBt aufschluss / Um Projektwirkungen zu erkennen, arbeitet die Stiftung Mercator Schweiz seit Mitte 2011 mit einem Wirkungsmodell. Darin werden die in einem Projekt vollzogenen Aktivitäten in eine Kausalrelation zu einem definierten Oberziel gesetzt. Die Projektpartner wer- den jeweils vor dem Start ihrer Projekte ge- beten, dieses Wirkungsmodell auszufüllen: Sie beschreiben ein Oberziel (Impact), Pro- jektziele (Outcomes), Leistungen / Produkte (Outputs) und ihre Projektaktivitäten (Activities). Zu jedem dieser Punkte nennen sie Indikatoren und Zielgrössen, die Erhe-bungsmethoden und externe Faktoren, die Risiken für die Projektdurchführung dar- stellen könnten. Auch die Ressourcen (In- puts), die für die Durchführung der Akti- vitäten nötig sind, werden im Wirkungsmo-dell zusammengefasst.

    Alle Projektpartner verfassen Zwischen- und Schlussberichte, in denen sie ihren Projektverlauf reflektieren. Diese Berichte beziehen sich immer auf das Wirkungs-modell. Die Stiftung Mercator Schweiz er- hofft sich von dieser Berichterstattung mehr Klarheit darüber, welche Wirkung die Projekte erzielen. Sie möchte erfahren,

    workshopleitung

    nadine felix, stiftung mercator schweiz

    was wirkt? die stiftung mercator schweiz stellt sich vor

    kurzfristigen Wirkungszielen unterscheidet, sagten die Teilnehmer. Zudem könne man Prozesse in der Wirkungsmessung etablieren, die einem längerfristig Aufschluss über Projekterfolge geben. Dies könne zum Bei- spiel ein Bericht x Jahre nach Projektab-schluss sein.

    Die Teilnehmer hat der Workshop ermu- tigt, Projekte zu lancieren, die über die Grenzen der eigenen Organisation hinausge-hen, und Förderstiftungen als Partner für die Realisierung ihrer Visionen in Betracht zu ziehen. Gerade der Bildungsbereich, darin sind sich die Workshopteilnehmer und die Stiftung Mercator Schweiz einig, bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten.

    text / nadine [email protected]

  • podiumsdiskussion

    Ist die Hattie-Studie ein Killerargument gegen offene Lernformen? In einer spannen-den Podiumsdiskussion setzten sich die Pro- fessoren Wolfgang Beywl, Kurt Reusser, Dieter Rüttimann und Michael Schratz mit dieser Frage auseinander. Um das Fazit der Experten vorwegzunehmen: Obwohl die Studie reinen Strukturveränderungen im Unterricht wenig Wirkung zuschreibt, eigne sie sich keineswegs als ‹Killerargument› gegen Altersdurchmischtes Lernen oder Per- sonalisierung in heterogenen Lerngemein-schaften. Sie sei vielmehr eine Aufforderung, bei der Unterrichtsentwicklung den indivi-duellen Lernstand der Schüler ins Zentrum zu stellen und stets herausfordernde Ziele zu setzen.

    podiumsgäste

    — prof. wolfgang Beywl (pädagogische hoch- schule der fachhochschule nordwestschweiz)— prof. kurt reusser (universität zürich)— prof. dieter rüttimann (gesamtschule unterstrass zürich)— prof. michael schratz (universität innsbruck)

    leitung

    — jürg Brühlmann (leiter lenkungsausschuss des projekts ‹personalisiertes lernen in heterogenen lerngemeinschaften›)

    hattie-studie: ein killerargument gegen offene lernformen?

    In seiner aktuell viel diskutierten Studie hat der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie über 900 englischsprachige Meta-Analysen zum erfolgreichen Lernen ausgewertet. Diese Meta-Analysen greifen wiederum auf über 60 000 Studien zu- rück, an denen mehr als 250 Millionen Schü- ler beteiligt waren. In seiner umfassenden Studie ermittelte John Hattie in über 15- jähriger Forschungsarbeit 150 Faktoren, die in unterschiedlicher Stärke mit den Lern- leistungen der Schüler in Beziehung stehen. Die zentrale Aussage seiner zwei Bü- cher mit dem Titel ‹Visible Learning›: Die einzelne Lehrperson kann mit einer profes- sionellen Unterrichtsgestaltung zu einem sehr grossen Teil den Lernerfolg der Schüler beeinflussen.

    Breites methodenrepertoire / «Hattie bevorzugt eine direktive Lehrperson», erläu- tert Professor Beywl. Darunter versteht er eine Lehrperson mit klaren Vorstellungen zu Zielen und zur Strukturierung des Unterrichts. «Doch das bedeutet keines- falls, ausschliesslich oder auch nur überwie-gend auf Frontalunterricht zu setzen», be- tont der Übersetzer der Hattie-Studie. Diese – oftmals genannte – Annahme sei ein Missverständnis. Auch kooperative Unter-richtsformen, Selbstevaluationen der Lehr- personen und regelmässiges Feedback an die Schüler wirken sich laut Hattie-Studie positiv auf das Lernen aus, erklärt Wolfgang Beywl. Der Lehrer sei in Hatties Verständ- nis ein Regisseur, der ein Arbeitsbündnis mit den Schauspielern eingeht und sie zu einer gelungenen Vorstellung bringt. Für diese anspruchsvolle Aufgabe benötigt ein guter Lehrer ein breites Methodenrepertoire. Er entwickelt seine Lehrkompetenzen stetig weiter und betrachtet seinen Unterricht

    spannende einblicke in die hattie-studie: der übersetzer des Buches ‹visible learning›, professor wolfgang Beywl, fasst zentrale erkenntnisse zusammen.

  • podiumsdiskussion

    neue erkenntnis / Bei aller Kritik macht die Studie einige wichtige Zusammenhänge deutlich: «Gemäss der Forschungssynthese können 30 Prozent der Leistungsunter- schiede von Schülern auf Variablen zurück-geführt werden, die mit der Lehrperson zusammenhängen», erklärt Kurt Reusser. «Diese Erkenntnis ist durchaus neu.» Lange Zeit habe man in der Forschung und Bildungspolitik den Blick einseitig auf die Intelligenz der Schüler, auf soziokultu-relle Daten und Schulstrukturen gerichtet. Die Studie zeige, dass die Qualität eines strukturierten lehrpersonenbezogenen Han- delns für die Lernqualität und Lernerfolge zentral sei. Was zahlreiche Detailaussagen der Studie angeht, lohne es sich, diese genauer anzusehen und kritisch zu reflek-tieren, betont Kurt Reusser. Für Dieter Rüttimann als Vertreter der Schulpraxis bedeutet die Hattie-Studie vor allem eins:

    «mit den Augen der Schüler». «Lehrperso- nen müssen sich stets fragen, was ihr Unter- richt bewirkt», sagt Michael Schratz. Das stelle neue Herausforderungen an die Lehrer- bildung: Wie kann man das Lehren ver- bessern? Wie kann man die Perspektive der Schüler ins Unterrichten integrieren? Das Podium erkennt die grosse Forschungsleis-tung von John Hattie an, doch es steht der Studie auch kritisch gegenüber: Die Studie berücksichtigt nur englischsprachige Un- tersuchungen und konzentriert sich damit auf angelsächsische Bildungssysteme. Die zugrunde gelegten Studien seien von sehr unterschiedlicher Qualität, kritisiert die Runde. Im Mittelpunkt stehen die Fachleis-tungen der Schüler. Die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen wie Lernstra- tegien, Motivation oder sozio-emotionale Faktoren, die im Zentrum des personalisier-ten Lernens stehen, ist in der Betrachtung zweitrangig. Auch Lernprozesse nimmt die Hattie-Studie kaum in den Blick. Proble- matisch seien in der aktuellen Diskussion zudem grobe Vereinfachungen der sehr kom- plexen Studienergebnisse.

    «Gewisse Strukturen in der Unterrichtsent-wicklung sind hilfreich, aber nicht zentral. Es kommt darauf an, was wir als Lehrperso-nen daraus machen.» Es gehe schlussendlich um die Einstellung und Haltung der Lehr-personen; darum, wie sie ihren Unterricht durchführen, wie sie mit den Kindern umgehen. Und bezüglich des personalisier-ten und kooperativen Lernens hat Dieter Rüttimann eine klare Position: «Die Schule hat einen Bildungsauftrag. Es geht nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch soziale Kompetenzen zu stärken.» Mit reinem Frontalunterricht sei dies nicht möglich. Er ist überzeugt: Kinder sollten deshalb in Lerngmeinschaften zusammenar-beiten. Sie sollten auch lernen, eigenständig zu arbeiten.

    interessiert folgen die tagungsteilnehmer den aus- führungen der experten auf dem podium. unter der leitung von jürg Brühlmann diskutieren die professo-ren kurt reusser, michael schratz, dieter rüttimann und wolfgang Beywl (v. l.) über die hattie-studie und ihre Bedeutung für die unterrichtsentwicklung.

    text / nadine [email protected]

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