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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 433 MEDIZIN Differenzialdiagnose der Schwerhörigkeit Thomas Zahnert ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Nach der „Global Burden of Disease“-Studie der der WHO zählen Hörstörungen in den Industrieländern zu den sechs häufigsten, die Lebensqualität am meisten beein- trächtigenden Erkrankungen. Gründe für die steigende ge- sellschaftliche Bedeutung können die demografische Ent- wicklung mit Zunahme der Schwerhörigkeit im Alter sein, aber auch die vermehrte Betroffenheit von Jugendlichen durch ein verändertes Freizeitverhalten mit zum Teil exzessi- ver Lärmbelastung. Dem gegenüber stehen verbesserte Möglichkeiten in der Versorgung von Hörstörungen durch technische Entwicklungen in der Ohrchirurgie, Hörgeräte- und Cochleaimplantattechnik, so dass es heute für nahezu jede Form der Schwerhörigkeit einen Rehabilitationsansatz gibt. Voraussetzung für einen effektiven Versorgungsweg ist die rechtzeitige und differenzierte Diagnosestellung. Methodik: Selektive Literaturrecherche unter Einbeziehung nationaler Leitlinien. Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Datenlage zur Epi- demiologie der Schwerhörigkeit in Deutschland ist unzu- reichend. Schätzungsweise geht man von etwa 13 bis 14 Millionen behandlungsbedürftigen Betroffenen aus. Unter den permanenten Schwerhörigkeiten sind die Schwerhö- rigkeit des Alters, die Schwerhörigkeit infolge chronischer Otitis media und die Lärmschwerhörigkeit am häufigsten zu beobachten. Passagere Schwerhörigkeiten finden sich bedingt durch Tubenbelüftungsstörungen besonders im Kindesalter. In der Versorgung der hochgradigen angebo- renen Schwerhörigkeit aber auch der Schwerhörigkeit des Alters ergeben sich durch technische Weiterentwicklung der Cochlea-Implantate Indikationserweiterungen. Zitierweise Zahnert T: The differential diagnosis of hearing loss. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(25): 433–44. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0433 S elbst geringe Hörstörungen können in einer Welt des immer schneller werdenden Informationsaus- tausches zum Nachteil werden. Wer dem hörsprachli- chen Austausch nicht mehr schnell genug folgen kann, läuft sogar Gefahr, beruflich, familiär oder sozial iso- liert zu werden. Für die Rehabilitation dieser Behinde- rung stehen heute neue Wege zur Verfügung. Hörstö- rungen zählen, nach der „Burden of Disease“-Studie der WHO, in den Industrieländern zu den sechs häufigs- ten Erkrankungen, neben Krankheiten wie ischämische Herzkrankheit, Depression und M. Alzheimer, die die Lebensqualität am meisten beeinträchtigen (1). Lernziele dieses Artikels Lernziele für den Leser sind: die aktuell existierenden Schwerhörigkeitsformen kennenzulernen, einen Überblick über die teils historisch ent- wickelte Klassifikation der Schwerhörigkeit zu erhalten und die Vielfalt der Therapieverfahren und möglichen Indikationen zu verinnerlichen. Methode Selektive Literaturrecherche in den Literaturdaten- banken Medline und Cochrane (2000–2011) sowie der Leitlinien: „Periphere Hörstörungen im Kindes- alter“ der Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V., „Cochlea-Implantat – Versorgung“ und „Hörsturz“, beide von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals- Chirurgie. Begriffsbestimmung Unter Schwerhörigkeit (Hypakusis) versteht man eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne, be- ginnend von subjektiv kaum empfundenen Hörstörun- gen bis hin zur Gehörlosigkeit. Ursächlich kommen Probleme mit der Schallleitung zum Innenohr, mit der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Dresden: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Zahnert 3 Punkte cme Teilnahme nur im Internet möglich: aerzteblatt.de/cme Definition Unter Schwerhörigkeit (Hypakusis) versteht man eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne, beginnend, von subjektiv kaum empfunde- nen Hörstörungen bis hin zur Gehörlosigkeit.

Differenzialdiagnose der Schwerhörigkeit

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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 433

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Differenzialdiagnose der SchwerhörigkeitThomas Zahnert

ZUSAMMENFASSUNGHintergrund: Nach der „Global Burden of Disease“-Studie der der WHO zählen Hörstörungen in den Industrieländern zu den sechs häufigsten, die Lebensqualität am meisten beein-trächtigenden Erkrankungen. Gründe für die steigende ge-sellschaftliche Bedeutung können die demografische Ent-wicklung mit Zunahme der Schwerhörigkeit im Alter sein, aber auch die vermehrte Betroffenheit von Jugendlichen durch ein verändertes Freizeitverhalten mit zum Teil exzessi-ver Lärmbelastung. Dem gegenüber stehen verbesserte Möglichkeiten in der Versorgung von Hörstörungen durch technische Entwicklungen in der Ohrchirurgie, Hörgeräte- und Cochleaimplantattechnik, so dass es heute für nahezu jede Form der Schwerhörigkeit einen Rehabilitationsansatz gibt. Voraussetzung für einen effektiven Versorgungsweg ist die rechtzeitige und differenzierte Diagnosestellung.

Methodik: Selektive Literaturrecherche unter Einbeziehung nationaler Leitlinien.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Datenlage zur Epi-demiologie der Schwerhörigkeit in Deutschland ist unzu-reichend. Schätzungsweise geht man von etwa 13 bis 14 Millionen behandlungsbedürftigen Betroffenen aus. Unter den permanenten Schwerhörigkeiten sind die Schwerhö-rigkeit des Alters, die Schwerhörigkeit infolge chronischer Otitis media und die Lärmschwerhörigkeit am häufigsten zu beobachten. Passagere Schwerhörigkeiten finden sich bedingt durch Tubenbelüftungsstörungen besonders im Kindesalter. In der Versorgung der hochgradigen angebo-renen Schwerhörigkeit aber auch der Schwerhörigkeit des Alters ergeben sich durch technische Weiterentwicklung der Cochlea-Implantate Indikationserweiterungen.

►Zitierweise Zahnert T: The differential diagnosis of hearing loss. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(25): 433–44. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0433

S elbst geringe Hörstörungen können in einer Welt des immer schneller werdenden Informationsaus-

tausches zum Nachteil werden. Wer dem hörsprachli-chen Austausch nicht mehr schnell genug folgen kann, läuft sogar Gefahr, beruflich, familiär oder sozial iso-liert zu werden. Für die Rehabilitation dieser Behinde-rung stehen heute neue Wege zur Verfügung. Hörstö-rungen zählen, nach der „Burden of Disease“-Studie der WHO, in den Industrieländern zu den sechs häufigs-ten Erkrankungen, neben Krankheiten wie ischämische Herzkrankheit, Depression und M. Alzheimer, die die Lebensqualität am meisten beeinträchtigen (1).

Lernziele dieses ArtikelsLernziele für den Leser sind:● die aktuell existierenden Schwerhörigkeitsformen

kennenzulernen,● einen Überblick über die teils historisch ent-

wickelte Klassifikation der Schwerhörigkeit zu erhalten und

● die Vielfalt der Therapieverfahren und möglichen Indikationen zu verinnerlichen.

MethodeSelektive Literaturrecherche in den Literaturdaten -banken Medline und Cochrane (2000–2011) sowie der Leitlinien: „Periphere Hörstörungen im Kindes -alter“ der Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V., „Cochlea-Implantat – Versorgung“ und „Hörsturz“, beide von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie.

Begriffsbestimmung Unter Schwerhörigkeit (Hypakusis) versteht man eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne, be-ginnend von subjektiv kaum empfundenen Hörstörun-gen bis hin zur Gehörlosigkeit. Ursächlich kommen Probleme mit der Schallleitung zum Innenohr, mit der

Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Dresden: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Zahnert

3Punkte

cmeTeilnahme nur im Internet möglich: aerzteblatt.de/cme

DefinitionUnter Schwerhörigkeit (Hypakusis) versteht man eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne, beginnend, von subjektiv kaum empfunde-nen Hörstörungen bis hin zur Gehörlosigkeit.

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Schallempfindung durch die Sinneszellen der Cochlea oder mit der Schallverarbeitung entlang des Hörnerven, der Hörbahn oder der Hörzentren in Frage. Schwerhö-rigkeit ist somit nur ein Symptom der Erkrankung des Hörorganes. Sie ist abzugrenzen von anderen Formen der Hörstörung wie der Hyperakusis (Überempfind-lichkeit gegenüber Schall), dem fluktuierenden Gehör oder dem Tinnitus.

Häufigkeit der Schwerhörigkeit in DeutschlandNach epidemiologischen Studien liegt die Prävalenz von behandlungsbedürftigen Hörstörungen in Deutsch-land bei etwa 19 % (2). Dabei wurden alle Personen als schwerhörig eingeschätzt, die in fünf Testfrequenzen zwischen 0,5 und 4 kHz eine Minderung der Hörfähig-keit um mindestens 40 dB aufwiesen. Dies entsprach im Jahr 2001 etwa einer Gesamtzahl von etwa 13,2

Millionen Menschen in Deutschland. Tatsächlich dürfte die Zahl jedoch höher liegen, weil zum einen Kinder bis 14 Jahre in die Studie nicht einbezogen wurden und zum anderen nach Einschätzung der WHO bereits ab 25 dB von einer geringgradigen Schwerhörigkeit aus-zugehen ist.

Zur Prävalenz der verschiedenen Schwerhörigkeits-formen nach der Ursache gibt es keine Studie, die alle Schwerhörigkeitsformen erfasst.

Im Kindesalter überwiegt die passagere Schalllei-tungsschwerhörigkeit infolge eines Paukenergusses mit einer Häufigkeit von 10 bis 30 % der Kinder in den ers-ten drei Lebensjahren und einer Prävalenz von bis zu 8 %. Angeborene permanente bilaterale Schwerhörigkei-ten weisen dagegen eine Prävalenz von 1,2 pro 100 000 auf, während beim Erwachsenen die sensorineurale Schwerhörigkeit des Alters überwiegt (Presbyakusis, Häufigkeit 40 % aller Menschen ab dem 65. Lebensjahr).

PrävalenzEpidemiologischen Studien zufolge liegt die Prä-valenz von behandlungsbedürftigen Hörstörungen in Deutschland bei etwa 19 %.

Angeborene bilaterale SchwerhörigkeitAngeborene permanente bilaterale Schwerhörig-keiten weisen eine Prävalenz von 1,2 pro 100 000 Neugeborenen auf.

TABELLE 1

Einteilung der Schwerhörigkeit nach dem Schweregrad (WHO) und allgemeine klinische Empfehlungen*1

*1 Für den Mittleren Hörverlust werden für jedes Ohr getrennt die Mittelwerte des Hörverlustes aus den Frequenzen 500 Hz, 1000 Hz, 2000 Hz und 4000 Hz ermittelt, modifiziert nach WHO: Grades of hearing impairment;

www.who.int/pbd/deafness/hearing_impairment_grades/en/index.html

Grad der Schwerhörigkeit

0 – normalhörig

1 – geringgradige Schwerhörigkeit

2 – mittelgradige Schwerhörigkeit

3 – hochgradige Schwerhörigkeit

4 – Hörreste oder Taubheit

mittlerer Hörver-lust im Reinton-Audiogramm

25 dB oder besser

26–40 dB

41–60 dB

61–80 dB

81 dB oder mehr

klinischer Befund

keine oder nur leichte Probleme bei der Kommunikation, Patient kann Flüstersprache hören

Umgangssprache wird 1 m vor dem Ohr verstanden

lautes Sprechen wird 1 m vor dem Ohr verstanden

einige Worte werden bei sehr lautem Sprechen auf dem besseren Ohr verstanden

keinerlei Sprachverständnis bei maximaler Lautstärke

Empfehlung

Beratung, Verlaufskontrolle, bei Schall-leitungsschwerhörigkeit OP-Indikation prüfen

Beratung, Hörgerät gegebenenfalls emp-fehlenswert, bei Schallleitungsschwerhörig-keit oder kombinierter Schwerhörigkeit ge-gebenenfalls operative Versorgung

Hörgerät ist zu empfehlen, bei Schall-leitungsschwerhörigkeit oder kombinierter Schwerhörigkeit gegebenenfalls operative Versorgung

Hörgerät nötig. Falls kein Hörgerät möglich, prüfen, ob andere Hörsysteme in Frage kommen (implantierbares Hörgerät, Cochlea-Implantat) Lippenlesen und Zeichensprache unterstützend

Hörgerätetrageversuch, bei Scheitern in der Regel heute Indikation zur Cochlea-Implan-tation gegebenenfalls auch Hirnstammim-plantatversorgung, ergänzend gegebenen-falls Lippenlesen/Zeichensprache

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Dieser folgt die permanente Schallleitungs- beziehungs-weise kombinierte Schwerhörigkeit infolge einer chroni-schen Otitis media (Inzidenz 1,5 % der Bevölkerung) und die Lärmschwerhörigkeit (Inzidenz 0,05 %) (3–8).

Klinisches ErscheinungsbildEine beginnende Schwerhörigkeit kann von den Be-troffenen relativ lange kompensiert werden. Häufig verhalten sich Schwerhörige so, dass sie das Radio- oder Fernsehgerät lauter stellen oder bei einseitiger Schwerhörigkeit das gesunde Ohr zur Schallquelle hin-wenden. Bei zunehmender Hörminderung wird vor al-lem der visuelle Sinn mit in die korrekte Spracherken-nung einbezogen, indem „von den Lippen abgelesen“ wird. Weitere Auffälligkeiten sind das häufige Nachfra-gen oder die inhaltlich falsche Beantwortung von Fra-gen, sowie die zu laute Sprechstimme.

Evidenzlage der Therapie der SchwerhörigkeitRandomisierte Studien existieren zu den mittelohrchir -urgischen Verfahren, zur Versorgung mit implantierba-ren Hörgeräten und zur Cochlea-Implantatversorgung. Geringere Evidenz herrscht dagegen in Studien zur me-dikamentösen Therapie akuter Innenohrstörung – insbe-sondere des Hörsturzes. Neu ist, dass heute nahezu jede Form der permanenten Schwerhörigkeit behandelbar ist.

Einteilung der SchwerhörigkeitIm klinischen Gebrauch sind vor allem Einteilungen nach dem Schweregrad anhand des Reintonaudio -grammes verbreitet (Tabelle 1) und die grundlegende topografisch-funktionelle Differenzierung zwischen Schallleitungsstörung, Schallempfindungsstörung und Schallverarbeitungsstörung (Grafik 1). Daneben exis-tieren Einteilungen nach dem Alter (zum Beispiel kind-liche Schwerhörigkeit, Altersschwerhörigkeit), dem zeitlichen Verlauf, dem Schweregrad und dem Fre-quenzverlauf der Hörschwelle (9, 10).

Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit Schallwellen gelangen über die Ohrmuschel und den Gehörgang an das Trommelfell, das wie eine Mikrofon-membran in mechanische Schwingungen versetzt wird. Anschließend werden die Schwingungen über die Gehörknöchelchenkette an die Peri- und Endolymphe der Cochlea übertragen. Alle Störungen auf diesem Weg der Schallleitung sind mechanischer Natur und werden als Schallleitungschwerhörigkeit zusammen-gefasst (Grafik 2).

Ein zweiter Weg ergibt sich durch Körperschall-ausbreitung. Wird der Schädelknochen akustisch an-geregt – beispielsweise durch das Aufsetzen einer

Klinisches ErscheinungsbildHäufige Verhaltensweisen sind das Lauterstellen des Radio- oder Fernsehgerätes oder bei einseiti-ger Schwerhörigkeit die Hinwendung des gesun-den Ohres zur Schallquelle.

Einteilung der SchwerhörigkeitEs gilt die grundlegende topografisch-funktionelle Differenzierung zwischen Schallleitungsstörung, Schallempfindungsstörung und Schallverarbei-tungsstörung.

GRAFIK 1 Topografisch-funktionelle Ein-teilung der Schwerhörigkeit nach den verschie-denen Ebenen des Hörorganes.

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Stimmgabel – schwingt die Basilarmembran der Cochlea in gleicher Weise wie nach Anregung über die Steigbügelfußplatte. Diesen Weg der Schallaus-breitung zum Innenohr bezeichnet man als Knochen-leitung. Bei Störung der Knochenleitungswahrneh-mung liegt die Störung im Bereich der Cochlea selbst oder den nachgeschalteten Abschnitten der Hörbahn. Man spricht von Schallempfindungsschwerhörigkeit, wenn das Neuroepithel der Cochlea, von neuraler Schwerhörigkeit, wenn der Hörnerv und von zentra-ler Schwerhörigkeit, wenn die zentrale Hörbahn be-ziehungsweise die Hörrinde betroffen sind (Grafik 1, 2). Häufig wird von sensorineuraler Schwerhörigkeit gesprochen, wenn die Cochlea und der Hörnerv beteiligt sind.

Häufige Ursachen der Schwerhörigkeit nach LokalisationGehörgangSchallleitungsschwerhörigkeit: Diese entsteht bereits, wenn der äußere Gehörgang verlegt ist. Klinische Be-spiele sind der obturierende Zeruminalpfropf oder die Gehörgangsatresie. Letztere führt zu einer Schwerhö-rigkeit von bis zu 60 dB, so dass bei beidseitigem Vor-liegen in den ersten zwei bis drei Lebensmonaten eine Versorgung mit Knochenleitungshörgeräten erfolgen sollte, um eine normale Hör- und Sprachentwicklung zu sichern.

Trommelfell, Paukenhöhle und GehörknöchelchenkettePassagere Schallleitungsschwerhörigkeit: In Selbstversuchen konnte gezeigt werden, dass sich nach Verschluss der Tuba eustachii innerhalb von zwei Stunden in der Paukenhöhle ein Unterdruck von 165 mmWs (daPa) herausbildet (11), der die Trom-melfellschwingung vor allem in den tiefen Frequen-zen hemmt (e1). Hält die Tubenblockade über Mona-te an, entsteht ein mukoseröser Paukenerguss mit Übertragungsverlusten im gesamten Frequenzbe-reich bis 40 dB. Kinder sind durch die engen anato-mischen Verhältnisse und die hohe Infektanfälligkeit häufiger betroffen als Erwachsene. Zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr entwickeln 10 bis 30 % der Kinder einen Paukenerguss mit resultierender Schallleitungsstörung (3). Deutlich erhöht ist die In-zidenz bei Fehlbildung des Gaumens- und der Tube beispielsweise bei Patienten mit Trisomie 21 oder dem Ullrich-Turner-Syndrom und bei Kindern mit Lippen-, Kiefer- Gaumenspalte. Bei einem über drei

Tonaudiogramm• Bei Schallempfindungsstörung decken sich im

Tonaudiogramm Luft- und Knochenleitungs- kurve.

• Bei Schallleitungsstörung verlaufen Luft- und Knochenleitungsschwelle unterschiedlich.

Häufige Schwerhörigkeiten• Passagere Schallleitungsschwerhörigkeit im

frühen Kindesalter• Permanente sensorineurale Schwerhörigkeit

des Alters

GRAFIK 2

a) Schallleitungsstörung: Testung über Kopfhörer und Kno-chenleitungshörer. Die Ursache liegt im äußeren Ohr oder Mit-telohr. Im Reintonaudiogramm verlaufen Luftleitungs- (x-x-x) und Knochenleitungsschwelle (<-<-<) unterschiedlich.

b) Schallempfindungsstörung: Testung über Knochenleitung und Knochenleitungshöhrer. Die Ursache liegt in der Cochlea. Im Reintonaudiogramm decken sich Luft- und Knochenleitungskurve.

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Monate bestehenden Paukenerguss sollten eine Pau-kendrainage und gegebenenfalls eine Adenotomie er-folgen, um Sprachentwicklungsstörungen zu vermei-den (6).

MittelohrPermanente Schallleitungsschwerhörigkeit: Die häufigsten Ursachen für eine permanente Schalllei-tungsschwerhörigkeit sind chronische Entzündungen des Mittelohres mit den beiden Hauptformen chroni-sche Schleimhauteiterung (Otitis media mesotympa-nalis) und chronischer Knocheneiterung (Cholestea-tom). Die Schwerhörigkeit resultiert in beiden Fällen aus der Dämpfung (Granulationen, Cholesteatom), Zerstörung (enzymatischer Abbau) oder entzündli-chen Fixation von Trommelfell und Ossikelkette. Aus der Höhe der Schwerhörigkeit (30–60 dB) lässt sich nur selten auf das Ausmaß der Destruktion schließen, weil das entzündliche Gewebe in der Paukenhöhle selbst Schwingungen übertragen und somit Defekte akustisch überbrücken kann (12). Die Therapie der Wahl ist die Operation mit dem Ziel der Eradikation und mikrochirugischen Rekonstruktion der Ossikel-kette (Abbildung 1).

OtoskleroseMit einer klinischen Prävalenz von 0,3 bis 0,4 % führt die Otosklerose über eine Fixation des Steigbü-gels zur Schallleitungsschwerhörigkeit in den tiefen

Frequenzen bis 40 dB (13). Pathophysiologisch ver-antwortlich sind Knochenumbauprozesse an der knö-chernen Cochleawand, die letztlich auch den Steig-bügel und die Rundfenstermembran erfassen kön-nen. Kausal werden neben entzündlichen Faktoren (Autoimmunprozess, Masernvirus) auch genetische, metabolische und hormonelle Ursachen diskutiert (e2). Der Altersgipfel liegt zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr, Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Schwerhörigkeit lässt sich heute mit einer Erfolgsquote von 94 % mikrochirurgisch durch eine Stapesplastik beheben (14).

Schallempfindungsschwerhörigkeit (Synonym: sensorische Schwerhörigkeit)Die Funktionseinheit für die Umwandlung der Peri-lymphschwingung in ein Nervenpotenzial ist das Corti-sche Organ (Grafik 3). Die Schwingung der Basilar-membran führt zu einer mechanischen Auslenkung der Stereozilien und zu einem damit verbundenen Elektro-lyteinstrom mit anschließender Depolarisation der Haarzellen. Durch Motoproteine in den Zellwänden der äußeren Haarzellen wird dieser elektromechanische Transduktionsprozess in einem bestimmten Dynamik-bereich nichtlinear verstärkt (15). Bei allen Schallemp-findungsschwerhörigkeiten ist die Funktion des Corti-schen Organs gestört. Am häufigsten betroffen sind da-bei die äußeren Haarzellen mit der Konsequenz eines Abfalls der Knochenleitungsschwelle bis 50 dB, einem

OtoskleroseNeben entzündlichen Faktoren werden kausal ge-netische, metabolische und hormonelle Ursachen diskutiert. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr, Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

SchallempfindungsschwerhörigkeitBei allen Schallempfindungsschwerhörigkeiten ist die Funktion des Cortischen Organs gestört. Am häufigsten betroffen sind dabei die äußeren Haar-zellen.

Abbildung 1: a) Kleines Cho-

lesteatom im hinteren obe-ren Trommel-fellquadranten mit Zerstörung des Amboss-schenkels.

b) Zustand nach Rekonstruktion mit einer Winkel-prothese (nach Plester) mit Überbrückung des Defektes zwischen Am-boss und Steig-bügel.

a b

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Verlust der nichtlinearen Verstärkung (Recruitmentphä-nomen) und der eingeschränkten Frequenzselektivität (Verzerrungen).

Permanente Schallempfindungsschwer- hörigkeit im KindesalterDie Prävalenz von kongenitalen sensorineuralen bilate-ralen permanenten Hörstörungen mit einem Hörverlust von mindestens 35 dB wird in Deutschland mit 1,2 pro 1 000 Lebendgeborene angegeben (16). Es handelt sich dabei in 25 % der Fälle um eine genetisch bedingte Schwerhörigkeit. 18 % der Fälle sind auf eine erworbene Schwerhörigkeit zurückzuführen und bei 57 % der Be-

troffenen besteht die Schwerhörigkeit ohne dass eine ei-ne Ursache eruiert werden kann (Tabelle 2). Etwa 30 % der angeborenen Schwerhörigkeiten sind besonders zwi-schen dem 3. und 6. Lebensjahr progredient, so dass auch eine als geringgradig eingestufte Schwerhörigkeit im Kindesalter im Abstand von drei bis sechs Monaten kontrollbedürftig ist.

Genetisch bedingte Hörstörungen sind in 30 % syndromal und 70 % nicht-syndromal gebunden. Von den nicht-syndromalen sind 70–80 % autosomal re-zessiv, 10–25 % autosomal dominant und 2–3 % X-chromosomal bedingt (6). Insgesamt sind über 300 mit Schwerhörigkeit einhergehende kongenitale Syn-

Angeborene Schwerhörigkeit30 % der angeborenen Schwerhörigkeiten sind zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr progredient, so dass auch eine geringgradig eingestufte Schwerhörigkeit im Kindesalter im Abstand von drei bis sechs Monaten kontrollbedürftig ist.

Kongenitale SchwerhörigkeitInsgesamt sind über 300 mit Schwerhörigkeit ein-hergehende kongenitale Syndrome bekannt.

GRAFIK 3Cortisches Organ mit äußeren und inneren Haarzellen (Schema menschli-che Cochlea) sowie aufsitzenden Stereozilien vor und nach Lärmtrauma (Chinchilla). 1. mit freundlicher Genehmigung

Dr. Roger C. Wagner, Professor Emeritus of Biological Sciences, University of Delaware, Newark, Delaware 19716 USAN. www.udel.edu/biology/Wags/histopage/ histopage.htm

2. modifiziert nach Fukushima N, White P, Harrison R V: Influence of acoustic deprivation on reco-very of hair cells after acoustic trauma. Hearing Res. 1990; 50 (1–2): 107–18

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Die Schwerhörigkeit wird eingeteilt in• Schallleitungsschwerhörigkeit• Schallempfindungsschwerhörigkeit• neurale Schwerhörigkeit• zentrale Schwerhörigkeit

Die audiologische Diagnostik umfasst unter anderem• orientierende Tests: Stimmgabel, Hörweitenbestimmung• Reinton- und Sprachaudiogramm, Impedanzmessung, über-

schwellige Tests• otoakustische Emissionen, elektrische Reaktionsaudiometrie

TABELLE 2

Synopsis der Schwerhörigkeit nach Ursache und Symptomatik mit Diagnosebeispielen

Ursache

Symptomatik

mögliche Diagnose

audiologische Diagnostik

Schallleitungsschwerhörigkeit

– akusto-mechanische Störung der Schallausbreitung im Gehörgang, am Trommelfell oder an der Ossikelkette

bei Ursache im Gehörgang: – Schallintensität wird verringert

(leisere Wahrnehmung)

bei Ursachen am Trommelfell oder der Ossikelkette: – Schallintensität und Frequenz

werden verändert (Dämpfung oder Verstärkung der „Höhen“ oder „Tiefen“)

akut: – Cerumen obturans – Tubenkatarrh – Paukenerguss – traumatische Trommelfell-

perforation– akute Otitis media/Otitis

externa

permanent: – Gehörgangsstenose/-atresie – Trommelfell- oder Kettendefekt

bei chronischer Schleimhaut- eiterung

– Cholesteatom – Missbildung – Otosklerose – Tympanosklerose

– Stimmgabeltest – Flüstertest – Hörweitenbestimmung – Reintonaudiogramm – Impedanzaudiometrie

Schallempfindungs-schwerhörigkeit

– Störung der Haarzellfunkti-on oder ihrer synaptischen Verbindungen zum Hörnerven bei Betroffenheit der äußeren Haarzellen Verlust des coch-leären Verstärkers und damit der Verstärkung für mittlere Schallintensitäten (Recruit-ment)

– Verlust der scharfen Frequenz-auflösung

– verminderte Zeitauflösung

– Intensitätsverlust und Ein-schränkung der Dynamik- steuerung

– leise Geräusche oder Sprache werden zu leise und zu laut wahrgenommen

– häufig verzerrte Wahrnehmung

akut: – idiopathischer Hörsturz – akutes Lärmtrauma – Knalltrauma – Explosionstrauma – bakterielle/virale Labyrinthitis

hereditär/permanent: – heriditäre Schwerhörigkeit – Presbyakusis – Lärmschwerhörigkeit – medikamentös-toxische

Schwerhörigkeit– idiopathisch-chronisch

progrediente Schwerhörigkeit– Nebenwirkungen von

Medikamenten– Entstehung von Infektionen

und Hörstürze

– Stimmgabeltest – Flüstertest – Hörweitenbestimmung – Reintonaudiogramm – Sprachaudiogramm – otoakustische Emissionen

neurale Schwerhörigkeit

– Störung der Hörnervenfunktion– Verzögerung der Reizleitung– Störung der Codierung des

akustischen Signals

– ähnliche Symptomatik wie bei Schallempfindungsschwerhö-rigkeit, jedoch meist einseitig

– schlechtere Sprachwahrneh-mung im Verhältnis zur Ton-wahrnehmung

– Akustikusneurinom (Vestibularisneurinom)

– andere Tumoren des Felsen-beins oder Kleinhirnbrücken-winkels (Meningeom, Chor-dom, Chondrosarkom)

– Kompressionssyndrom

– Reintonaudiogramm – Sprachaudiogramm – überschwellige Testverfahren – Hörermüdungstests – elektrische Response-Audio-

metrie

zentrale Schwerhörigkeit

– Störung der Hörbahn- beziehungsweise Hörrinden-funktion (Signalvergleich beider Seiten, Synchronisation, Modulation des Signals, Wiedererkennung, Störsignal-unterdrückung)

– Tongehör kann ungestört sein – Störung der schnellen Sprach-

verarbeitung– Störung der Geräuschlokalisa-

tion, des Sprachverständnis-ses im Störgeräusch und des akustischen Gedächtnisses

– Infarkte– Blutungen– Tumore– Multiple Sklerose– auditive Wahrnehmungs- und

Verarbeitungsstörung

– Hörweitenbestimmung – Reintonaudiogramm – Sprachaudiogramm – überschwellige Testverfahren – Hörermüdungstest – elektrische Response-

Audiometrie

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drome bekannt, von denen einige stellvertretend in genannt sind (Kasten 1). Die weitaus häufige -ren, nicht-syndromal autosomal rezessiv vererbten Schwerhörigkeiten sind oft durch Mutation eines Gens für die Synthese des Transmembranproteins Connexin 26 und 30 bedingt, das an den Haarzellen zu Störung des Ionentransports führt (gap junction-protein). Bei Verdacht auf eine genetische Schwerhö-rigkeit sollte nach Connexin-26- und -30-Mutationen gesucht werden. Rezessiv vererbte Schwerhörigkei-

ten sind in der Regel hochgradig, treten häufig nur sporadisch auf und sind deshalb schwer zu diagnosti-zieren (17).

Pränatal, perinatal oder postnatal erworbene Hörstö-rungen haben häufig infektiöse, toxische oder traumati-sche Ursachen, die auch in späteren Phasen der kindli-chen Entwicklung für progrediente und neu auftretende Hörstörungen relevant sind. Liegen ausgewiesene Risi-kofaktoren vor, ist eine ausführliche Hördiagnostik in-diziert (Tabelle 2).

Neugeborene haben seit dem Jahr 2008 einen gesetz-lichen Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung der Hörstörungen durch das Neugeborenen-Hörscree-ning. Ziel ist dabei die Erkennung eines Hörverlustes ab 35 dB bis zum Ende des dritten Lebensmonats und eine entsprechende Therapie bis Ende des sechsten Le-bensmonats. Für die Diagnostik werden objektive au-diometrische Verfahren gefordert:● TEOAE (Transitorisch Evozierte Ototakustische

Emissionen) und/oder ● AABR (Automatic Auditory Brainstem Response).Die Therapie der kindlichen Schwerhörigkeit erfolgt

heute interdisziplinär mit frühzeitiger Hörsystemver-sorgung und Förderung des Hör- und Spracherwerbes in pädaudiologischen Zentren. Bei einer angeborenen Taubheit beziehungsweise Schwerhörigkeit sind heute Cochleaimplantate ab einer Hörschwelle von 91 dB konventionellen Hörgeräteversorgung überlegen (e3). Dabei werden den Spracherwerb betreffend die besten Ergebnisse erreicht, wenn die Kinder innerhalb der ers-ten beiden Lebensjahre und auf beiden Ohren mit ei-nem Cochlea-Implantat versorgt werden (18).

Akute Schallempfindungsschwerhörigkeit im ErwachsenenalterAkute Hörstörungen durch Schädigung der Sinneszel-len oder der Homöostase des Innenohres können:● traumatisch bedingt sein (zum Beispiel Schädel-

basisfraktur),● eine toxisch-infektiöse Ursache haben ● oder idiopathisch sein. Charakteristisch für das Knalltrauma (zum Beispiel

durch Knallkörper) ist die kurzzeitige Schallbelastung mit sehr hohen Pegeln über 140 dB und die sehr kurze Dauer des Druckanstieges (< 1,5 ms). Davon abzugren-zen ist das Explosionstrauma mit längeren Druckanstie-gen (> 2 ms) und dadurch folgender Trommelfellruptur. Symptomatisch ist in beiden Fällen eine akute, meist über Stunden anhaltende Hörminderung mit Tinnitus.

Kindliche EntwicklungPränatal, perinatal oder postnatal erworbene Hör-störungen haben häufig infektiöse, toxische oder traumatische Ursachen, die auch in späteren Pha-sen der kindlichen Entwicklung für progrediente und neu auftretende Hörstörungen relevant sind.

Akute Hörstörungen durch Schädigung der Sinneszellen oder der Homöostase des Innen-ohres können • traumatisch bedingt sein • toxisch-infektiöse Ursache haben oder • idiopathischer Natur sein.

KASTEN 1

Ursachen und Verteilung kongenitaler Schallempfindungsschwerhörigkeit● unbekannte Ursache (57 %)● erworben (18 %)

– infektiös: Toxoplasmose, Zytomegalie, Herpes, Mumps, Masern, Meningitis, Sepsis– metabolisch: Asphyxie, Hyperbilirubinämie– toxisch: Alkohol, Thalidomid, Chinin– geburtstraumatisch: (intrakranielle Blutung, Schädeltrauma, Lärm)

● genetisch bedingt (25 %)– davon nicht-syndromal (70 %):

autosomal rezessiv (80 %) autosomal dominant (17 %) X-chromosomal (3 %)

– davon syndromal (30 %) beispielsweise*1: Alport-Syndrom (mit fortschreitender Niereninsuffizienz) Pendred-Syndrom (mit Struma bei Jodverwertungsstörung) Cogan-Syndrom (mit interstitieller Keratitis) Waardenburg-Syndrom (mit partiellem Albinismus, Lateralverlagerung der

Tränenpünktchen) Usher-Syndrom (mit Retinitis pigmentosa) Osteogenesis imperfecta (Kollagenstörung, Knochenbrüche) Goldenhar-Syndrom (Ohrmuschelfehlbildung, Gesichtsdysmorphie) Pierre-Robin-Syndrom (Mikrogenie, Gaumenspalte) Franceschetti-Syndrom (kraniofaziale Dysmorphie)

*1 Von den über 300 syndromalen Schwerhörigkeiten sind nur einige beispielhaft genannt. Modifiziert nach (4, 6)

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In der Silvesternacht beträgt die Inzidenz eines Knall-traumas 28 bis 107 Personen pro 100 000 in Deutsch-land (19). Von akutem Lärmtrauma spricht man dage-gen, wenn Lärm mit relativ hohen Pegeln über längere Zeit (Sekunden bis zu Stunden) einwirkt (zum Beispiel Rockkonzerte). Hier kommt es weniger zu strukturellen Schäden an den Sinneszellen als vielmehr zu schweren metabolischen Störungen (oxidativer Stress), die je nach Dauer reversibel oder irreversibel sind und eben-falls durch einen Hochtonverlust um 4 kHz und einen Tinnitus in diesem Frequenzbereich symptomatisch werden. Therapeutisch kommen Infusionsbehandlun-gen mit Rheologika und Kortison in Frage.

Akute toxische InnenohrschwerhörigkeitMedikamente und bakterielle oder virale Toxine kön-nen über die Rundfenstermembran, den Liquor oder die Blutversorgung an das Innenohr gelangen und die Haarzellen irreversibel schädigen. Zu den bekanntesten Medikamentengruppen zählen Aminoglykoside, Zyto-statika, Schleifendiuretika, Salizylate und Chinin. Das Risiko der medikamentösen Haarzellschädigung kann heute durch Kontrolle von Serumkonzentrationsspie-geln reduziert werden kann (Kasten 2).

Daneben wirken Bakterientoxine beziehungsweise Entzündungsmediatoren bei Virusinfekten toxisch auf das Innenohr (Labyrinthitis). Beispiele sind die toxische Labyrinthitis im Rahmen der Grippeotitis, der eitrigen Meningitis oder der chronischen Otitis media. Virale Allgemeininfektionen (Mumps, Masern, Röteln, Zyto-megalie, HIV) erreichen hämatogen das Labyrinth (e4).

HörsturzIm englischen Sprachgebrauch wird der Hörsturz als „Sudden Sensorineural Hearing loss“ geführt. Der Na-me soll darauf hinweisen, dass es sich um eine plötzlich auftretende Hörstörung handelt, die nicht allein durch das Innenohr hervorgerufen wird. Symptomatisch kann der Hörsturz auftreten bei (20):● Infektionen in 12,8 % (zum Beispiel Meningitis,

Lues oder HIV-Infektion) ● Ohrerkrankungen in 4,7 % (zum Beispiel Choles-

teatom), ● traumatisch in 4,2 % (zum Beispiel Knalltrauma,

Schädelbasisfraktur), ● kardiovaskulär in 2,8 % oder ● paraneoplastisch in 2,2 %. In 71 % der Fälle findet sich jedoch trotz Stufendia-

gnostik keine Ursache (idiopathischer Hörsturz). Mo-

dellvorstellungen gehen dabei von einer unbekannten viralen, vaskulären oder immunologischen Genese aus, die letztlich zu einer Homöostasestörung des Innen-ohres führen (e5).

Permanente Schallempfindungsschwerhörigkeit im ErwachsenenalterPresbyakusisEs handelt sich um eine sensorineurale beidseitige Schwerhörigkeit multifaktoriellen Ursprungs ab dem 5. bis 6. Lebensjahrzehnt, die sich reintonaudiometrisch durch einen Hochtonverlust auszeichnet. Ursächlich werden physiologische Alterungsprozesse, besonders in der mikrovaskulären Versorgung der Haarzellen (senso-rischer Typ) mit den Folgen der Ischämie, Hypoxie und oxidativem Stress angenommen. Daneben können die Ganglienzellen (neuronaler Typ) oder die Stria vascula-ris (metabolischer Typ) betroffen sein. Von der Presbya-kusis sind etwa 40 % der Menschen ab dem 65. Lebens-jahr betroffen (7). Bisher gibt es keine Präventionsoptio-

Akute toxische InnenohrschwerhörigkeitZu den bekanntesten Medikamentengruppen, die zu einer akut-toxischen Innenohrschwerhörigkeit führen, zählen Aminoglykoside, Zytostatika, Schleifendiuretika, Salizylate und Chinin.

Ototoxische Ursachen für Schallempfindungsschwerhörigkeit• Medikamente, gewerbliche Stoffe• Sucht-und Genussmittel• Viren- oder Bakterientoxine• metabolische Ursachen

KASTEN 2

Ototoxische Ursachen für Schallempfindungsschwerhörigkeit (nach e4)● Medikamente

– Aminoglykoside ( Gentamycin, Streptomycin, Tobramycin, Amikacin)– Zytostatika ( Cisplatin, Cyclophosphamid)– Diuretika ( Furosemid, Etacrynsäure)– andere ( Salicylate, Chinin)

● gewerbliche Stoffe– Schwermetalle (Quecksilber, Blei, Arsen)– Lösungsmittel ( Aminobenzole, Nitrobenzole)– andere (Kohlenmonoxid, Fluor-, Schwefel-, Tetrachlorkohlenstoffverbindungen)

● Sucht- und Genussmittel– Kokain, Heroin, Tabak, Alkohol

● Viren- oder Bakterientoxine– Bakterientoxine (Pneumokokken, Staphylokokken, Streptokokken, Haemo-

philus) bei: Otitis media, Meningitis, Scharlach, Sepsis, Lues– Virusinfektionen: Mumps, Masern, Röteln, Influenza, HIV, Zytomegalie

● metabolische Ursachen– Vitamin-B12-Mangel, Hyperlipidämie, Folsäuremangel

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nen. Symptomatisch kommt eine Hörsystemversorgung ab einem Hörschwellenverlust von 30 dB in den Sprach-frequenzen in Frage. Bei hochgradigen Schwerhörigkei-ten im Alter mit weitgehendem Verlust des Sprachver-ständnisses sind Cochlea-Implantate indiziert.

Gewerblich bedingte SchwerhörigkeitUnter den anerkannten Berufskrankheiten ist die Lärm-schwerhörigkeit mit 40 % die häufigste Berufserkrankung überhaupt (e6). Für die Entstehung ist der Energieeintrag in das Innenohr entscheidend, dass heißt die Zeitdauer und Intensität. In der Regel entsteht die Schwerhörigkeit nach langjähriger Exposition von Lärm mit einem Pegel von mindestens 85 dB über acht Stunden. Die Schädigung der äußeren Haarzellen beginnt charakteristisch im Be-reich von 4 kHz (C5-Senke im Reintonaudiogramm) (21).

Eine weitere Form der chronisch bedingten Schwer-hörigkeit ist die chronisch-toxisch bedingte gewerbli-che Schwerhörigkeit. Hier sind Schwermetalle, Benzo-le und Kohlenstoffverbindungen zu nennen, die nach jahrelanger Expositionszeit zur Schwerhörigkeit führen können. Dabei ist in der Regel ein symmetrischer An-stieg der Hörschwelle charakteristisch (Kasten 2).

Neurale SchwerhörigkeitHierunter werden alle durch den Hörnerv – einschließ-lich seiner Synapsen – bedingten Schwerhörigkeitsfor-men zusammengefasst. Ursachen sind vor allem Tumo-re (Meningeom, Chordom, Chondrosarkom) oder ent-zündlich bedingte Destruktionen des Felsenbeines (Cholesteringranulom, Cholesteatom).

Mit einer Inzidenz von 1,74 pro 100 000 Einwohner ist das Akustikusneurinom (Synonym: Vestibularis-schwannom) die häufigste Ursache der neuralen Schwerhörigkeit (e7). Bei einem einseitigen permanen-ten Abfall der Knochenleitungskurve im Reintonaudio-gramm ohne erkennbare Ursache sind deshalb die Ab-leitung der Hirnstammpotenziale (BERA) und ein MRT mit Kontrastmittelgabe indiziert. Die Therapieentschei-dung wird heute interdisziplinär getroffen, wobei neben einer operativen Entfernung die Radiatio und die eng-maschige Observation – bestehend aus MRT, Hör- und Gleichgewichtsdiagnostik – in Betracht kommen.

Eine Sonderform neuraler Schwerhörigkeiten ist die auditorische Synaptopathie/Neuropathie, die als Teil ei-ner generalisierten Neuropathie oder auch isoliert auf-tritt und die Synapsen der inneren Haarzellen betrifft. Es kommt hier zu Störungen der zeitlichen Verarbei-tung bis hin zum Erregungsleitungsblock (22).

Zentrale SchwerhörigkeitEntlang der Hörbahn erfolgt die Verarbeitung und Co-dierung des ursprünglich akustischen Signals auf ver-schiedenen Ebenen. Je höher die Störung lokalisiert ist, desto komplexer werden die Hörfunktionen, wie das Erkennen von bestimmten Signalen im Störgeräusch, die Verarbeitung von simultanen Sprachsignalen oder das Erkennen von Klangfarben.

Beim Erwachsenen sind zentrale Schwerhörigkei-ten im Rahmen von traumatischen Ausfällen der Hör-bahn und Hörzentren, Infarkten oder raumfordernden Prozessen (Tumor, Blutungen) beziehungsweise ent-zündlichen Prozessen möglich. Bulboponine Hörstö-rungen gehen meist mit zentralem Schwindel, Ataxie und anderer neurologischer Hirnstammsymptomatik einher. Der Nachweis gelingt durch Hirnstammau-diometrie mit Messung der mittleren Potenziale. Bei mesenzephalen Hörstörungen (etwa bei Multipler Sklerose) steht die neurologische Symptomatik mit motorischen und sensiblen Ausfällen im Vorder-grund, während sich Parakusis (falsche akustische Wahrnehmung) und Diplakusis (Doppeltonhören) erst durch eine gezielte Anamnese erkennen lassen (23). In funktionellen Tests können weiterhin das Richtungshören und die schnelle Spracherkennung pathologisch sein.

Eine Sonderform der zentralen Schwerhörigkeit ist die im Schulalter anzutreffende auditive Verarbei-tungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS). Es han-delt sich dabei um eine Schwäche in der zentralen, modalitätsspezifischen auditiven Verarbeitung. Um-stritten ist, ob diese Störung lediglich als eine Ko-morbidität bei Entwicklungsstörungen, Intelligenz-minderungen, multimodalen Perzeptionsstörungen und Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen auf-tritt oder eine eigenständige Entität darstellt (24). Die Behandlung besteht in einer interdisziplinären Thera-pie mit gezieltem Training der auditiven Funktions-störungen.

Interessenkonflikt Prof. Zahnert erhielt Reisekostenunterstützung bei Vorträgen und Workshops sowie Honorare für wissenschaftliche Vortragstätigkeit von den Firmen Med-El Deutschland, Cochlear GmbH, ATOS, MIP Pharma GmbH, Merck Pharma GmbH, HNO-Update GmbH. Es bestehen Beratertätigkeiten und wissenschaftli-che Kooperationen mit den Firmen Kurz-Medizintechnik GmbH, Med-El, Coch-lear GmbH, Omega Consulting GmbH mit der Unterstützung von Drittmittel- projekten. Prof. Zahnert unterhält 11 Patentanmeldungen zu Mittelohrimplan-taten und implantierbaren Hörssystemen.

Manuskriptdaten eingereicht: 26. 1. 2011, revidierte Fassung angenommen: 17. 5. 2011

Gewerblich bedingte SchwerhörigkeitUnter den anerkannten Berufskrankheiten ist die Lärmschwerhörigkeit mit 40 % die häufigste Be-rufserkrankung.

Neurale SchwerhörigkeitHierunter werden alle durch den Hörnerv beding-ten Schwerhörigkeitsformen zusammengefasst. Ursachen sind vor allem Tumore oder entzündlich bedingte Destruktionen des Felsenbeines.

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Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. habil. Dr. h. c. Thomas ZahnertUniversitäts-HNO-Klinik Dresden Fetscherstraße 7401307 [email protected]

SUMMARY

The Differential Diagnosis of Hearing Loss

Background: According to the World Health Organization, hearing loss is one of the six leading contributors to the global burden of disease. It is becoming an ever more important problem in society at large, not just because the population is aging, but also because young people increas-ingly spend their leisure time in activities involving excessive exposure to noise. On the other hand, the treatment of hearing loss is improving as the result of technical developments in otological surgery, hearing aids, and cochlear implants; for nearly every type of hearing loss, there is now some type of rehabilitative treatment. The prerequisite to effec-tive care is a timely and accurate diagnosis.

Method: Review of pertinent literature and national guidelines.

Results and Conclusion: The available epidemiological data on hearing loss in Germany are inadequate. It is roughly estimated that 13 to 14 million people in Germany are in need of treatment for hearing loss. The most common types of permanent hearing loss are those associated with old age, chronic otitis media, and acoustic trauma. Transient hea-ring loss is particularly common in childhood as a result of inadequate ventilation of the middle ear. The further technical development of coch-lear implants has now widened their indications to include severe con-genital deafness and presbycusis.

Zitierweise Zahnert T: The differential diagnosis of hearing loss. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(25): 433–44. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0433

@ Mit „e“ gekennzeichnete Literatur: www.aerzteblatt.de/lit2511

The English version of this article is available online: www.aerzteblatt-international.de

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Lösungen zur cme-Einheit in Heft 17/2011:Bufler P, et al.: Chronische Bauchschmerzen bei Kindern und Jugendlichen Lösungen: 1b, 2a, 3a, 4c, 5d, 6c, 7a, 8e, 9d, 10c

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M E D I Z I N

Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.

Frage Nr. 1Zu welcher Form der Schwerhörigkeit können Trommelfelldefekte führen?a) Schallleitungsschwerhörigkeit b) Schalllempfindungsschwerhörigkeitc) sensorische Schwerhörigkeitd) zentrale Schwerhörigkeite) auditive Verarbeitungs-Wahrnehmungsstörung

Frage Nr. 2Was ist die häufigste Form passagerer Schwerhörigkeiten im Kindesalter?a) akute Otitis media purulentab) Mittelohrfehlbildungc) Otosklerosed) Paukenergusse) chronische Otitis media

Frage Nr. 3Welche der genannten Medikamentengruppen wirkt nicht ototoxisch?a) Schleifendiuretikab) Zytostatikac) Salizylated) Kortikoidee) Aminoglykoside

Frage Nr. 4Was ist das häufigste Ergebnis der Ursachenforschung eines Hörsturzes?a) eine lokale Ohrenerkrankungb) eine Virusinfektionc) eine Herz-Kreislauf-Erkrankungd) ein Akustikusneurinome) keins

Frage Nr. 5Welche Tonfrequenz ist bei einer beginnenden Lärmschwerhörigkeit besonders betroffen?a) 500 Hzb) 1 kHzc) 8 kHzd) 4 kHze) 15 kHz

Frage Nr. 6Ab welchem Alter beträgt die Inzidenz für eine Presbyakusis 40 Prozent?a) ab dem 25. Lebensjahrb) ab dem 35. Lebensjahrc) ab dem 45. Lebensjahrd) ab dem 55. Lebensjahre) ab dem 65. Lebensjahr

Frage Nr. 7Welche Diagnose ist mit einer zentralen Schwerhörigkeit assoziiert?a) Morbus Meniéreb) Otosklerosec) auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungd) Akustikusneurinome) Presbyakusis

Frage Nr. 8Bei einem Patienten zeigt sich im Reintonaudiogramm ein mittlerer Hörverlust von 30 dB. Er klagt über Hörschwierigkeiten und dass er Gespräche oder Ansprachen nicht richtig verstehen kann, wenn sie weiter als 1 Meter entfernt sind.Wie hoch ist nach der Einteilung der WHO der Grad der Schwerhörigkeit?a) Grad 0, normalhörigb) Grad 1, geringradige Schwerhörigkeitc) Grad 2, mittelgradige Schwerhörigkeitd) Grad 3, hochgradige Schwerhörigkeite) Grad 4, Hörreste oder Taubheit

Frage Nr. 9 In welcher Zeitspanne sollte das Neugeborenenhörscreening durchgeführt werden?a) innerhalb der ersten 30 Lebenstageb) innerhalb der ersten drei Lebenstagec) innerhalb der ersten sieben Lebenstaged) innerhalb des ersten Lebenstagese) innerhalb der ersten 14 Lebenstage

Frage Nr. 10In welchem Zeitraum sind angeborene Schwerhörigkeiten häufig progredient?a) innerhalb der ersten sechs Lebensmonateb) innerhalb der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahresc) zwischen dem ersten und dritten Lebensjahrd) zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahre) zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr

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Differenzialdiagnose der SchwerhörigkeitThomas Zahnert

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3Punkte

cmeTeilnahme nur im Internet möglich: aerzteblatt.de/cme