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Die Stiftung Interkultur und das Netzwerk der Interkulturellen Gärten mit Gudrun Walesch von der www.stiftung-interkultur.de

Die Stiftung Interkultur und das Netzwerk der ... · Die Stiftung Interkultur ist Service- und Koordinationsstelle des bundesweiten Netzwerks Interkultureller Gärten, einem loser

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Die Stiftung Interkultur und das Netzwerk

der Interkulturellen Gärten

mit Gudrun Walesch von der

www.stiftung-interkultur.de

www.stiftung-interkultur.de

Die Internationalen Stadtteilgärten Hannover,

Steigerweggartengemeinschaft

Ikebana Ausstellung mit Produkten aus den Internationalen Gärten

Göttingen

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Sozialräume für jung und alt

Bunter Garten Neugablonz (Kaufbeuren) - entstand auf einer

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Wurzelgarten Dachau: die Fläche gehört einem Bauern

Internationaler Garten Brückenhof in Kassel (Frühjahr) auf der Fläche

einer Wohnungsbaugenossenschaft

Allerweltsgarten Mönchengladbach: Teil einer Schrebergartenanlage

Der Interkulturelle Garten Altenkirchen hat keine Zäune

Mehrgenerationengarten Lippstadt

Grünes Klassenzimmer im Potsdamer Integrations- und Internationalen

Schulgarten

Weidentheater im Interkulturellen Garten Neubrandenburg

Nützlingshotel im Internationalen Frauengarten Kassel

Kräuterspirale im Pyramidengarten Neukölln

Vietnamesische Kürbisse im Bewohnergarten Neuperlach (München)

Tischbeet im Bunten Garten Neugablonz

Urbarmachung von Brachen: Die Internationalen Stadtteilgärten

Hannover

Kalenderprojekt im Bewohnergarten München Neuperlach

Kalenderprojekt im Bewohnergarten München Neuperlach

Miteinander und voneinander lernen: Bienenhaltung

Sehr geehrte Damen und Herrn,

Interkulturelle Gärten – Sozialräume für Partizipation und Wissensaustausch

Die Stiftung Interkultur und das bundesweite Netzwerk der Interkulturellen

Gärten

Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung&ertomis – www.anstiftung-ertomis.de

erforscht und fördert urbane Subsistenz, also das, was jenseits des Markts

wichtig und relevant ist für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft, aber

auch für die Fruchtbarmachung der vielfältigen Fähigkeiten von Menschen, die

sich im konkreten Selbermachen entfalten. Der größte Arbeitsbereich ist das

urbane Gärtnern

Zu diesem Arbeitsfeld gehört auch die Stiftung Interkultur.

Die Stiftung Interkultur ist Service- und Koordinationsstelle des bundesweiten

Netzwerks Interkultureller Gärten, einem loser Verbund, dem 194

Interkulturelle Gärten angehören, davon bestehen 126 und 68 sind im

Aufbau/in Planung (Stand April 2012). Die Stiftung Interkultur fördert die

Gartenprojekt durch Beratung, Workshops und Seminare, finanziellen Anschub,

Austauschtreffen und Tagungen, Publikationen, Forschung und

Öffentlichkeitsarbeit

Es gibt keine „Aufnahmekriterien“, sondern alle Gartenprojekte, die von sich

sagen, sie sind ein IG oder auch „interkultureller Austausch spielt eine Rolle“

und sich so in diesen Zusammenhang einordnen, sind willkommen. Wichtig ist

uns, dass es Nutzgärten sind. Das Netzwerk ist sehr heterogen und offen und es

gibt keine feste Abgrenzung zu „anderen“ Gemeinschaftsgärten (die wir ja

ähnlich beraten und fördern)

Interkulturelle Gärten sind Gemeinschaftsgärten, oft Nachbarschafsgärten –

und Schnittpunkte von Natur, Kultur und Sozialität.

In den interkulturellen Gartenprojekten bauen Menschen mit und ohne

Zuwanderungsgeschichte aus allen sozialen Schichten zumeist auf individuellen

Parzellen Obst und Gemüse an, bewirtschaften darüber hinaus oft

Gemeinschaftsflächen, auf denen z.B. ein Haus für die Gartengeräte und

anderen Utensilien steht, manchmal ein Lehmofen, Spielgerät für die Kinder,

große Kräuterspiralen uvm. Die GärtnerInnen gärtnern privat und gemeinsam,

tauschen Saatgut und Verwendungsmöglichkeiten der Pflanzen in Küche und

Hausapotheke aus, bauen Insektenhotel, Totholzhecken und kochen, grillen,

imkern, und feiern zusammen.

Die Gärten sind Sozialräume, in denen sich mehrere Generationen und

Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen gleichzeitig aufhalten

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und wohlfühlen können. Es treffen unterschiedliche Sprachen, aber auch

verschiedene soziale Milieus aufeinander. Hier mischen sich Intellektuelle,

Hausfrauen, KünstlerInnen, Arbeiter, Flüchtlinge, viele Leute aus der

„Mittelschicht“, Leute, die wenig Geld haben, Alleinstehende und Familien und

jung und alt – Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Die anspruchsvolle

Aufgabe, die sich in den Projekten stellt, besteht darin, Gemeinsames zu

entdecken. Das ist nicht immer einfach und kein Garten funktioniert „einfach

so“. Die Menschen finden nicht ohne weiteres zueinander. Aber das

gemeinsame Projekt erleichtert das ambitionierte Vorhaben: Gemeinsam ein

Stück Land gestalten, das Eigene wachsen sehen und es und sich selber ins

Verhältnis zum Anderen setzen, sich austauschen über das Wachstum der

Pflanzen wie über die eigenen Fort- und Rückschritte, sich annähern

aneinander und wieder zurückziehen können, das sind die großen und kleinen

Möglichkeiten, die ein Garten bietet.

Es geht in Interkulturellen Gärten nicht um vermeintliche Defizite der

MigrantInnen oder Einheimischen, sondern um die Fragen: was bringen sie

mit? Welche Kompetenzen haben sie? Dieser ressourcenorientierte Ansatz

vermischt dabei die Unterschiede die es ja gibt nicht, sondern macht eher auf

sie aufmerksam und schafft u.a. gerade darüber ein lebendiges Feld für

Begegnung.

Die Gärten sind produktive Lernräume. Hier kommt unterschiedliches Wissen

zusammen und kann ausgetauscht werden, hier wird miteinander und

voneinander gelernt. Beim gemeinsamen Bewirtschaften von Land oftmals

mitten in der Stadt entstehen neue Verbindungen und Zugehörigkeiten. Es

besteht die Chance, neben dem Gemüseanbau Differenzen und

Gemeinsamkeiten zu entdecken, auszudrücken und zu deuten. Ein WIR kann

entstehen, was ergänzend und stärken wirken kann für alle Beteiligten und das

Individuum. In Interkulturellen Gärten steht das Tätigsein im Mittelpunkt.

Die Gärten sind Orte der Partizipation und des Empowerment. Die

GärtnerInnen können sich ein Stück weit selber versorgen, sie gewinnen

Souveränität über ihre Nahrungsmittelversorgung und damit auch über ihre

Lebensverhältnisse wieder. Sie erweitern ihre Handlungsmöglichkeiten, können

sich an Projekten beteiligen und eigene Ideen verwirklichen. Von der eigenen

Parzelle kann der öffentliche Raum des Gartens angeeignet werden und dann

können Schritte aus dem Schutzraum Garten in die weitere Umgebung gewagt

werden.

Neben der Kultivierung des Bodens entstehen weitere „Früchte“ der auch

sozial produktiven Prozesse: Sprachkurse, künstlerische und handwerkliche

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Aktivitäten, Theaterworkshops, Musik, Beratungstätigkeiten, vielfältige

Angebote für Kinder, Fortbildungen in Ernährungs-, Gesundheits- und

Gartenthemen, Betriebsbesichtigungen und Exkursionen finden in IGs statt.

Die Aktivitäten in Interkulturellen Gärten besitzen über die Berührung von so

elementaren Dingen wie Erde und Pflanzen ein kulturübergreifendes,

verbindendes Potenzial.

Ebenso wichtig wie der Reichtum an Gemüse und Obst ist das, was in den

Gärten außerdem noch produziert wird: Kommunikation, Kooperation und

neue Perspektiven. Verloren gegangene Bindungen und Zusammenhänge

behutsam wieder herzustellen und den Migrant/innen die Möglichkeit zu

geben, ähnlich wie beim Wurzeln Schlagen von Pflanzen, „neuen Boden unter

den Füßen zu gewinnen“, darin liegt der Sinn Interkultureller Gärten. Sie sind

Refugien und Orte der Erinnerungsarbeit zugleich. Und sie sind Passagen.

Passagen zwischen Herkunfts- und Ankunftsland, zwischen Vergangenheit und

Gegenwart. Darin liegt die besondere Qualität der Gärten: Hier können die

Migrant/innen ankommen, ihr mitgebrachtes Wissen anwenden, Neues kennen

lernen - und sich eigene Wege in den neuen Lebenszusammenhang bahnen.

Das Tätigsein in einem halböffentlichen Raum und sei es auch erst einmal für

sich auf der eigenen Parzelle, bedeutet für viele ein Zugewinn an Handlungs-

und Gestaltungsmacht. Einen Ort haben, zu dem man gehen kann, sich dort frei

bewegen zu können, der frei ist von Konsumzwang, im eigenen Rhythmus das

Beet mit dem zu bestellen, was man will, alleine zu sein oder andere zu treffen,

auch ohne Verabredung, kann schon viel sein.

Die Idee von Interkulturellen Gärten entstand während des Jugoslawien-Kriegs

im Frauencafé des Göttinger Beratungszentrums für Flüchtlinge. Bosnische

Flüchtlingsfrauen waren es leid, immer nur Tee zu trinken und Tischschmuck zu

basteln. Sie wollten raus aus den Einrichtungen der Sozialen Arbeit und ihren

Alltag wieder eigenhändig gestalten. Sie sagten auf eine Frage der

Sozialarbeiterin, was sie eigentlich am meisten vermissen in Deutschland:

unsere Gärten. Das war 1995. Ein Jahr später konnte der Verein „Internationale

Gärten“ – das erste Grundstück anpachten. Das so viele Leute inspirierende

„Mutterprojekt“ der Interkulturellen Gärten entstand. Aus dem

Gartenbauprojekt für bosnische Frauen entwickelte sich das Konzept der

Interkulturellen Gärten nach und nach aus der Praxis. In Göttingen gibt es

mittlerweile 3 Gartenprojekte mit vielfältigen Bezugspunkten zum

nachbarschaftlichen Umfeld und einem reichen Erfahrungsschatz an

Projektarbeit. Noch heute wird vieles hier in der Praxis erprobt und dann dem

Netzwerk zur Verfügung gestellt.

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Die GärtnerInnen ernten Gemüse und Kräuter für den eigenen Bedarf – und

neben der Selbstversorgung bieten sie eine Grundlage für Tauschökonomie:

verschenken, empfangen, weitergeben, tauschen und sogar verkaufen. Die

Zirkulation und der Tausch beschränkt sich in den Gärten nicht nur auf die

Gartenfrüchte, sondern schließt neben (weiteren) materiellen auch nicht-

materielle Werte ein – und eröffnet den beteiligten viele Zugänge zu

Ressourcen, zur Weiterentwicklung, Gemeinschaft und Anerkennung. Und das

durch Geben und Nehmen.

Mit der Gartengründung entsteht ein Sozialraum eigener Art, mit spezifischen

Ressourcen und Möglichkeiten, die von den Einzelnen in unterschiedlicher

Weise aufgenommen und umgesetzt werden können. Wie die Anregungen und

Ansatzpunkte jeweils aufgegriffen werden, ist weder immer gleich noch

vorhersagbar, Interkulturelle Gärten werden ganz individuell und ganz

unterschiedlich genutzt: Während bei einigen Vereinsmitgliedern die

Gartenarbeit im Vordergrund steht und weniger das Gemeinschaftsleben, liegt

für andere der Schwerpunkt ihres Interesses und Engagements genau dort.

Alle Gärten sind unterschiedlich: Lage, Größe, Eigentümer und Zustand der

Fläche, Ausstattung, Pacht, Anzahl und Zusammensetzung der GärtnerInnen,

Kontakt zur Nachbarschaft, Bekanntheit, Aktivitäten, Pflanzen, Konflikte,

Miteinander….), jeder ein „eigenes Universum“ mit der für seine Entwicklung

eigenen Zeit und Geschwindigkeit.

- Die Flächen stellen u.a. Kommunen, Kirchengemeinden, Stadtteilzentren,

Umweltbildungseinrichtungen, Bauern, Schulen, zunehmend

Wohnungsbaugesellschaften und ab und an Privatleute zur Verfügung. Einer

entstand auf einem aufgegeben Sportplatz, in Hannover gibt es zwei

Interkulturelle Gärten auf den Dächern von nicht mehr genutzten

Tiefgaragen, mehrere sind auf einer Fläche, die Garten und aber auch Park

ist. Auch in einigen Schrebergartenanlagen gibt es Interkulturelle Gärten

(mehrere Parzellen werden dann zusammengelegt, z.B. der vom BUND in

Mönchengladbach initiierte Allerweltsgarten in der größten

Schrebergartenanlage Mönchengladbachs und der Interkulturelle Garten in

Braunschweig

- Nicht immer ist der Boden für eine gärtnerische Nutzung geeignet und muss

ausgetauscht werden. Ab und an wird in Säcken und Hochbeeten gegärtnert

und einige Initiativen lassen sich von den Prinzessinnengärten in Berlin

anregen.

- Der kleinste Interkulturelle Garten im bundesweiten Netzwerk ist 100m²

groß: hier wird das Abstandsgrün einer Seniorenfreizeitstätte zum gärtnern

in Hochbeeten von einer Gruppe SeniorInnen und Kinder einer nahen Kita

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genutzt. Der größte Interkulturelle Garten (Berlin-Lichtenberg) haben

13.000m² Fläche. Hier gibt es ein großzügiges Lehmhaus, eine

Umweltkontaktstelle, ein Biotop mit Feldhasen, einen Teich und andere

Natur“attraktionen“ mitten in der Stadt. Und es gibt jegliche Größe

dazwischen.

- Ca. die Hälfte der Gartenprojekte hat eigene Vereine gegründet, die

anderen sind Teil/Projekt einer bestehenden Organisation.

- Nur einige Gartenprojekt haben „hauptamtlich“ Beschäftigte (halbtags im

Rahmen von BAMF- Projekten, Stellenanteile von anderen Jobs, Honorare,

Minijobs). Dabei ist die Koordination eines Interkulturellen Gartens eine

sehr wichtige Aufgabe. Jemand muss die treibende Kraft sein,

AnsprechpartnerIn und Ansprechender, jemand muss Anstöße geben, Ideen

aufnehmen, der Gruppe einen Rahmen geben, zu Sitzungen einladen, sich

erkundigen, ermutigen. Aufgaben warten darauf verteilt zu werden, nicht

alle können und wollen sich im gleichen Maß einbringen, nicht alle haben

Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Es gilt, nach innen und nach außen zu

kommunizieren.

- Ganz überwiegend sind die Gartenprojekte halböffentliche Räume: wenn

GärtnerInnen im Garten sind, können auch andere Leute reinkommen.

Einige der Gartenprojekte sind immer offen, da gibt es teilweise nicht mal

Zäune, andere haben nur Hecken/niedrige Zäune oder es gibt Türen, die

einfach immer offen stehen, so dass die Nachbarn die Fläche auch nutzen

können.

Ein Blick in die lebendige, aber keinesfalls konfliktfreie Praxis: Was passiert

neben dem Gärtnern

Interkulturelle Gärten sind meistens in der Stadt und die Übergänge in die

Nachbarschaft sind oft fließend. Ist ein Kindergarten in der Nachbarschaft, hat

dieser sehr häufig eine Parzelle im Garten.

- Immer mehr Gartenprojekte sind von Anfang an so angelegt oder

entwickeln sich dann dahin, dass neben den gärtnerischen Aktivitäten noch

anderes stattfinden kann und sie Treffpunkte für einen Stadtteil werden

oder auch weitere Fläche mitgepflegt und gestaltet werden. In Lippstadt

gibt es neben Beeten eine Boulebahn, ein öffentliches Schachfeld, einen

Sinnespfad, eine Bühne und einen Naschgarten, in Ihlow ist der

Interkulturelle Mehrgenerationengarten Teil der Umnutzung eines

ehemaligen Freibads. In Mannheim ist der Garten U5 neben der

gärtnerischen Nutzung auch Naturerfahrungsraum für Kinder,

Erholungsfläche für die Nachbarschaft und (Natur)Lernort für Kitas und

Schulen. In Marburg pflegen GärtnerInnen eine Streuobstwiese mit und es

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ist ein Abenteuergarten mit „Krabbel-AG“ (also Insektenbeobachtung)

entstanden

- Auch Schulen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, aber auch

Beschäftigungsträger, der BUND, Jugendeinrichtungen, Mütterzentren,

Hortgruppen und Kinderhäuser haben Parzellen in den Gärten.

- Es finden (Schul)Projekte, Projekttage Nachmittags- und/oder

Ferienangebote statt, hauptsächlich zu Themen der Umweltbildung, in

einigen Gärten auch internationale Jugendworkcamps.

- Der Interkulturelle Garten Potsdam ist Interkultureller Garten und

gleichzeitig Schulgarten, der Zukunftsgarten in Hannover ist ein

Gartenprojekt einer Hauptschule, der Interkulturelle Garten in Berlin- Mitte

ist auf dem Gelände eines Schulumweltzentrums

- Im Mädchengarten Gelsenkirchen haben im Juli 2011 10 Mädchen im Alter

von 9-12 ihr Abschlusszertifikat als Pflanzenfärberexpertinnen bekommen.

Sie geben ihr Wissen im und mit dem geplanten Färbermobil an Schulen,

Kitas und auf Festen weiter. Im Mädchengarten sind auch die Gartenladies

aktiv: eine Gruppe Mädchen einer Sonderschule, die hier ihr Werkstattjahr

machen.

- In fast allen Gärten wird Saatgut von zumindest einigen GärtnerInnen selber

vermehrt. In Haßloch hat „Freie Saaten“ eine Parzelle und arbeitet mit den

GärtnerInnen zusammen und oft ist im Garten jemand, der Kenntnisse hat

und diese weiter gibt oder es gibt Kooperationen (wie mit Social Seeds). Das

Interesse an Saatgutvermehrungsworkshops ist groß!

- Kurse zu Weidenbau, Baumschnitt, Rankhilfen aber auch Malen, Yoga,

Entspannung sind auch offen für Leute aus der Nachbarschaft, in Dachau

und Marburg werden sie über die VHS (= Volkshochschule) angekündigt.

- Bedrohte Tiere und Pflanzen (Bienen, Igel und Co) finden eine Heimat. In

vielen Gärten gibt es Insektenhotels und „wilde Ecken“, in einigen Bienen,

die in der Nachbarschaft auf ebenso reges Interesse wie Kräuterspiralen

stoßen. Interkulturelle Gärten sind Lernorte für Umweltwissen.

- Es werden Pflanzen angebaut, die nicht häufig oder auch noch gar nicht in

den Stadtteilen wuchsen. Oft entstehen Gespräche über das Interesse an

den Pflanzen: Andere (oft GärtnerInnen, Nachbarn, Spaziergänger) können

sie und ihre Verwendungsmöglichkeiten kennenlernen

- In Rosenheim sind einige der GärtnerInnen im Rollstuhl, in Kaufbeuren und

Milbertshofen gibt es Tischbeete, in vielen Hochbeete, in einigen wird

darauf geachtet, dass die Grundstücke für Rolli-FahrerInnen und Menschen

mit Gehbehinderungen zugänglich sind.

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In den Interkulturellen Gärten passiert noch weit mehr, als das, was ich Ihnen

hier kurz skizziert habe. Dabei ist wichtig zu wissen, dass nicht in allen Gärten

Projekte laufen. Jeder Garten ist anders!

Doch fest steht: Die Gärten verändern die Orte, an denen sie sich befinden. Das

Engagement aus – oft vermüllten, wild überwucherten, teilweise belasteten –

Brachen oder aus ungenutzten Flächen von Kirchengemeinden, Kommunen

und Wohnungsbaugesellschaften – blühende Gärten zu machen, schafft neue

Orte – nachbarschaftliche Begegnungs- und Kommunikationsräume entstehen!

An diesen Orten können die Vorstellungen eines interkulturellen Miteinanders

geprobt und verhandelt werden – und die Menschen können Wurzeln schlagen

wie die Pflanzen.

2 Beispiele: Umweltbildung durch Partizipation und Wissensaustausch

Das partizipative, ressourcenorientierte Umweltbildungsprojekt „Vielfalt im

Gemüsebeet“ des Interkulturellen Bewohnergartens von Zusammen Aktiv in

Neuperlach (München) – Der Interkulturelle Garten als Raum für Partizipation

und Austausch:

Zusammen mit den Mitgliedern des Bewohnergartens München-Neuperlach ist

schon 2008 ein Kalender entstanden, der ihre Nutzpflanzen porträtierte und

das Wissen darüber dokumentierte.

Zunächst legten die GärtnerInnen einen Schaugarten an, der zum praktischen

Einstieg des Kalenderprojekts wurde. Die GärtnerInnen erzählten ausgehend

von ihren Pflanzen z. B. über die Trockenheit ihrer Heimatstadt, die die

Bittermelonen zum Ausreifen benötigen oder über die Schwierigkeiten der

landwirtschaftlichen Produktion von Haselnüssen durch die ungewöhnliche

Trockenheit sowie die Landflucht der jüngeren Bevölkerung. Es ergaben sich oft

Gespräche über gesundheitliche Probleme, über die Familie, immer über das

Essen und über Erinnerungen an Früher.

Die gemeinsame Thematisierung von Nutzpflanzen aus dem Gartenprojekt und

die Gestaltung eines Kalenders schaffte eine breite positive Berührungsbasis für

Austausch und Kommunikation zwischen den Teilnehmern/innen. Die

Gartenarbeit funktionierte als verbindendes Medium, das Kommunizieren über

Pflanzen als Vehikel für soziale Prozesse. Die Dokumentation des Wissens

bedeutete Anerkennung und Wertschätzung. Die eigene Pflanze im Kalender zu

sehen machte viele stolz, brachte Freude und ehrgeizige

Verbesserungsvorschläge.

„Nachfolge-Projekt-Vorhaben“ ist das: „Kochbuch der Kulturen – Saatgut auf

Wanderschaft“. Das alltägliche Essen in Verbindung mit dem Saatgut zu sehen,

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aus dem es gewachsen ist, thematisiert die generelle Frage, woher unsere

Lebensmittel kommen, wer sich um die kontinuierliche Vermehrung der

Nutzpflanzen, um den dauerhaften Erhalt der Sorten kümmert. Wie

funktioniert Vermehrung? Welche Rolle spielen Gentechnik und

Saatgutkonzerne für eine scheinbar selbstverständliche tägliche Nahrung? Das

Thema Ernährung eignet sich gut, einen Bezug zu solch komplexen

Zusammenhängen herzustellen und Sensibilität zu wecken. Es soll ein Kochbuch

entstehen, das Wissen und Erfahrungen aus den Gärten und über Herkunft und

Anbau der Nutzpflanzen vermittelt. Das Kochbuch ist eingebettet in einen

Prozess, in dem es um Austausch und gegenseitige Wertschätzung über das

Sichtbarmachen der Kompetenzen und deren Bedeutung und Wichtigkeit

innerhalb komplexer Entwicklungen der globalen Welt geht.

2011 hat die Gruppe Bohnen zum Schwerpunktthema gemacht: die

unterschiedlichen Sorten, woher sie kommen, wie sie wachsen, was man damit

machen kann – und es wurde ein Bohnensaatgutarchiv begonnen.

Lehrimkerei Göttingen – Gemeinsam lernen, eigenes Projekt aufbauen,

Kooperationen suchen, Angebote für die Nachbarschaft machen

Bienen sind Leben! Und Interkulturelle Gärten sind Orte, an denen Bienen

einen Lebensraum finden.

In einer von der SI geförderten mehrmonatige Fortbildungsreihe

„Bienenprojekt“ lernten die TN die Grundlagen der Bienenhaltung kennen. Die

TeilnehmerInnen hatten keine Erfahrung mit Bienenhaltung. Zur Projekt-Praxis

der Seminarreihe gehörten u.a. die Beobachtung des Bienenstocks und der

Bienen bei der Arbeit auf Blüten oder bei der Befruchtung, außerdem wurden

Honigproben genommen, Propolis und Wachs aufbereitet und

Wildbienenhäuser gebaut. Die Gruppe arbeitete mit Fachbüchern,

Zeitungsartikeln, Videos und Fotos und unternahm auch Exkursionen. Die

Internationalen Gärten Göttingen haben im Anschluss an das Bildungsprojekt in

Kooperation mit dem örtlichen Imkerverband eine Lehrimerkei aufzubauen.

D.h. in dem Garten werden Bienen gehalten, es wird Honig geerntet und

Kerzen gedreht, es gibt ein regelmäßiges Angebot für Schulen und Kitas, es

finden Honigfeste statt, es gibt öffentliche Vorträge über Bienenhaltung in

anderen Ländern – und im Sommer 2010 fand der erste Bienenworkshop für

andere Interkulturelle Gärten statt. Das Bienenprojekt in Göttingen hat andere

Interkulturelle Gärten inspiriert und es gibt in immer mehr Interkulturellen

Gärten „Bienenprojekte“ – oder Bienen befreundeter Imker finden einen Platz.

Beim letzten Workshop zu Bienenhaltung, den ich im Feb organisiert hatte, ging

es um das Imkern mit der Bienenkiste.