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Die Slovakei : Umrisse einer Kulturgeographie des Jungstaates

Author(en): Wetter, E. / Winkler, E. Objekttyp: Article

Zeitschrift:

(Der) Schweizer Geograph = (Le) gographe suisse

Band(Jahr): 19(1942) Heft 1-2 Persistenter Link: http://dx.doi.org/10.5169/seals-17735

Erstellt am: 03.02.2012

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SEALSEin Dienst des Konsortiums der Schweizer Hochschulbibliotheken c/o ETH-Bibliothek, Rmistrasse 101, 8092 Zrich, [email protected] http://retro.seals.ch

BERN, MRZ 1942

He 1/2

NEUNZEHNTER JAHRGANG

DER SCHWEIZERLESOWIEDER

GEOGRAPHGESELLSCHAFTEN

GOGRAPHE SUISSEZEITSCHRIFT DES VEREINS SCHWEIZ. GEOGRAPHIE-LEHRER

GEOGRAPHISCHEN BERN, BASEL UND ZURICH

VON

REDAKTION:

PROF.

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ZOLLIKOFEN

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VERLAG:

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GEOGRAPHISCHER

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5.

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SLOVAKEI.des JungstaatesWinkler, Zrich.

Umrisse einervonE.

KulturgeographieWetter undE.

Mit der am 14. Mrz 1939 proklamierten Selbstndigkeit der Slovakei ist ein Staat entstanden, der zahlreiche Analogien mit der schwei zerischen Eidgenossenschaft aufweist. Ihn einmal in seinen Wesensz gen dem schweizerischen Verstndnis nher zu bringen, kann im In teresse vertiefter Eigenkenntnis unserer Heimat wie derjenigen des Schwesterlandes nur von Nutzen sein, zumal zwischen beiden sich zu nehmend engere Wirtschafts- (und Kultur)beziehungen anbahnen. das sich Das Land der Slovaken (Slovenska Republika), gleich Bhmen und Mhren nach der Trennung von diesen Gebieten unter deutschen Schufz stellte, begreift im wesentlichen das westkarpatische Gebirgsland mit einem schmalen Streifen Donautieflandes im Sden Es sind Landschaften, in sich. die mit Ausnahme des Poprad alle nach der Donau und Theiss entwssern. In diesem freilich nur noch einen Teil der ehemaligen tschechoslovakischen Slovakei umfassenden Rahmen besitzt das Land eine Flche von 39,000 qkm, auf welcher nahezu 2,7 Mill. Menschen wohnen. Dadurch, dass rund 86/o davon slovakischer Abkunft sind, erhlt es den Charakter eines vlkisch grossteils einheit lichen Sfaates. Dennoch bieten naturgemss die Minderheiten (die slovakische Verfassung und Nationalittenpolitik kennt diesen Begriff nicht, sondern spricht von Volksgruppen), unter denen die Deutschen mit 130 000, gegenber etwa 89 000 Juden, 69 000 Russen, 58 000 Ma gyaren, 78 000 Zigeunern, 4 000 Polen dominieren, mannigfache Pro bleme, deren Konsolidierung nicht vor Jahren zu erwarten sein wird, Eine Skizzierung der politisch-geographischen Verhltnisse bliebe da her ein vorlufig kaum unternehmungswerter Versuch. Umso anziehen der gestalten sich dem gegenber die kulfurlandschaftlichen Charak termerkmale des Landes, auf die deshalb im folgenden das Schwerge wicht gelegt sei.

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Die Naturlandschaft. Wie alle kulturgeographischen Probleme, isf auch die Slovakei als Kulturlandschaff nur aus der Doppelbetrachtung der Landesnatur und der sie gestaltenden Menschheit zu verstehen. Genetisch und physiognomisch gebhrt der ersteren zweifellos der Vortritt. Denn das Gesicht des Landes bestimmen auch heute trotz lan ger Kultivierung Waldtler im einsamen Gebirge und relativ kleine Flachlandschaften, in denen die menschliche Arbeit die Krfte der Natur berwiegt. Als erste Aufgabe ergibt sich daher eine Entzifferung der slovakischen Naturlandschaft. Da nun zeigt die bisherige Forschung, an der neben einheimischen besonders tschechische und deutsche Wis senschafter beteiligt sind, dass der sich mit dem Staatsgebiet deckende Karpatenausschnitf hnlich wie die Alpen aus einer hier allerdings zwei geteilten kristallinen Kernzone besteht, die aussen ein wechselnd brei ter Mittelgebirgsgrfel von Sandstein und Flyschbergen begleitet, wh rend die Innenseite andesitisch-trachytische Vulkanmassen vom Pan nonischen Tiefland trennen, das indes durch Buchten mit den Miozn becken des Kerns verbunden ist. Die morphologischen Leitlinien ziehen im Westen und Osten vorwiegend meridional (Weisse Karpafen, Kleine Karpaten, Waagtal, Galgoczer-, Rajeczergebirge, Kleine Fafra, Arvaer Magura, Neutratal, Becken von St. Martin, unteres Grantal und Grosse Fatra Hernadtal, Micol, Soyargebirge, Ondavafal, Vihorlatgebirge) ; in der Mittelslovakei herrscht mehr die W-E Komponente (Hohe Tatra, Kleine Tatra Gerlsdorferspitze 2663 m, Dumbier 2043 m, oberes Waag; :

fal,

oberes Granfal, slovakisches Erzgebirge).

Diese orographische Gliederung entspricht im Ganzen der tekto nischen Anlage des Gebietes. Sie steht wohl im Zusammenhang mit der Grossfaltung aus der Geosynklinale der Tethys, bei der das bhmi sche und das podolische Massiv eine hnliche Stauwirkung auf die Bogenform der Karpafen ausgebt zu haben scheinen, wie Schwarz wald und Vogesen fr Jura und Alpen. Im Einzelnen ist die Tektonik sie stellt das Resultat eines ersten palozoischen freilich verwickelt Zusammenschubs der lngst eingerumpffen Kerngebirgszone und kretazeisch-tertirer Faltungs- und Ueberschiebungsbewegungen dar, die Beckenbrche, Lavaeruptionen und Hebungen der Bruchschollen be gleiteten. Die Zertalung konnte somit teils den durch die Faltung an gelegten Haupfabdachungen, teils Bruchlinien folgen. Sie zeigt heute;

vorherrschend fluviales Geprge, obgleich diluviale Vereisung nament lich im Gebirgsinnern, wie bekanntlich besonders schn Partsch fr die Tatra zeigen konnte, keineswegs fehlte, im Gegenteil sogar in Gipfelund Talformen, Karseen usw. wesentlich zur Steigerung der Landschaffs schnheit beigetragen hat. Aus den durch Gebirgscharakfer und Lage des slovakischen Staa Umstnden er tes am Uebergang von Mittel-Osteuropa gegebenen klren sich sodann die Hauptzge seines Klimas. Sie kennzeichnen sich durch massig grosse jahreszeitliche Temperaturschwankungen (um 20 bis 23) bei Jahresmitteln, die zwischen 5 und 10 C (Januarmittel -1 bis -6, Juli 1522) variieren, mittlere Niederschlge (600800 mm

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Tieflande und Osten, 9001000 mm und mehr im nordwestlichen Gebirgsland), vorwiegend nrdliche und nordstliche Winde. Infolge geringer Hhen- und Breitenerstreckung gebhrt den Karpaten nicht die Rolle einer ausgesprochenen Wetter- und Klimascheide. Kaltluft einbrche wie Hitzewellen vermgen die Landschaften daher gleicher weise zu durchdringen, wobei die zahlreichen Talbecken, in denen sich unter dem Einfluss anticyklonaler Luftdruckverteilung extreme Tem peraturen entwickeln knnen, besonders eigenartige Lokalklimate (Arvaveralja bis -36,7 und 34,3 C, Schwankung 71) ausbilden. Der trotz dem 'im ganzen einheitliche Klimacharakfer spiegelt sich im vorherr schend durch Wald bestimmten natrlichen Pflanzenkleid. Es tritt frei lich, wie anderorts in Zentraleuropa kaum mehr in der Vergesellschaf tung auf, welche der Mensch bei seiner ersten Besiedelung trat. Welche Urlandschaft damals bestanden haben mag, Ist daher kaum mehr ab zuklren. Pollenanalytische und andere Untersuchungen machen jedoch wahrscheinlich, dass, nachdem das Diluvium bereits mehrfache Aenderungen bedingt hatte, eine mannigfaltige Laubwaldflora (mit Eichen, Hasel, Linde, Hainbuche) das Postglazial einleitete, dem auf Grund einer Abkhlung eine vorherrschend Nadelwaldzeit (Fichte) folgte, die schliesslich abermals, noch vor der ltesten Besiedelung durch den Menschen, durch einen Uebergang zu Laubwald (Buche) abgelst wurde. Ob der in der Folge berhandnehmende Fichten-Tannen-Bu chenwald mehr klimatischen, pedologischen oder anthropogenen Ein flssen zuzuschreiben ist, bleibt problematisch. Auf jeden Fall darf an genommen werden, dass, mit Ausnahme des wohl von jeher steppen artigen pannonischen Tieflandsaumes, in erster Linie Rodungen, die ehemals wohl gut 2/3 bis 8/B der Flche einnehmenden Wlder auf die heutigen 3040 /o dezimiert haben (davon sind rund 55 /o Na del-, 45% Laubwald).im

Diesiven

Kulturlandschaftsentwicklunghat daherzu einem wesentlichen Teil1

auchin

der

West

karpatenlnder Wandel von ursprnglich vorherrschenden u. 2.) turparklandschaft bestanden. (Abb. Wann er einsetzte, ist noch fraglich. Doch beweisen Einzelfunde, dass die heutige Slovakei schon palolitisch besiedelt war und dass zur Broncezeit bereits die meisten Beckenlandschaften in Kultur stan den. Die Herkunft der ersten Einwanderer bedarf ebenfalls noch ein gehenderem Studiums. Ist doch selbst fr das Eindringen der Slaven und damit der Slovaken (das Ins 5.7. Jahrhundert gesetzt wird) nichts sicheres hierber ausgemacht, obgleich die Annahme illyrischer Erst vlker und nachfolgender germanischer Quaden nicht mehr von der Hand zu weisen sein wird. Entscheidend fr die Ausgestaltung des Kul turlandschaftsbildes der Gegenwarf war indes, dass seit dem 6. Jahr hundert ununterbrochen Slovaken die Westkarpaten besiedelt hielten. Offensichtlich im Gefolge der Awaren eingewanderf, setzten sie sich nach deren Unterwerfung durch Karl den Grossen 883 endgltig rest was den Schluss auf ein angestammtes Bauernvolk nahelegt und

einem sukzes Waldgebiet zur Kul

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Quellen

Abb.

1.

Die

vorgeschichtliche Landschaff (Naturlandschaft).

krftigen Staat an der mittle ren Donau, der unter dem Namen Grossmhrisches Reich bekannt ist. Schon gegen Ende des 10. Jahrhunderts kam er freilich mit seinem sdlichen Teil (Slovakei) unter die Herrschaft der Ungarn, die sich nach der Niederlage bei Augsburg 955 anschickten, sesshaft zu werden. Im Rahmen dieses Staates erhielt sich die Slovakei als konsolidiertes Land und wichtiges Glied des Grossmhrischen Reiches bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts eine gewisse Autonomie. Dann aber geriet sie ganz unter magyarisches Regiment, das die Slovaken einerseits mehr und mehr in die Berge drngte, andrerseits von ihnen nicht nur den Acker bau, sondern auch das Christentum bernahm. Indem der slovakische Bauer gezwungen wurde, durch Rodung in den Karpaten Neuland zu erschliessen, bildete er sich gleichzeitig zur Schutzwehr gegen Einflle Helvetier nach der Niederlage durch C aus dem Norden (Vergleich sar) aus. Diese strategische Rolle kam in zahlreichen, z. T. an prhisto rische Refugien anknpfenden Burgen zum Ausdruck. Sie bewhrte sich besonders in den Mongolen- und Trkenstrmen (13. und 16. Jahr hundert), whrend welcher Zeit die zwar blockierten aber nie besiegfen Karpatenbewohner mit der Waffe in der Hand das christliche Euro pa verteidigen halfen. Da ihre Zahl schon seit den Anfngen zu gering war, hatten bereits im 12. Jahrhundert ungarische Knige deutsche Ko lonisten herberufen, die ebenso als Grenzwchter wie als Kultivato ren wesentliche Verdienste um das Land gewannen. Auf jene Zeit gehen gufteils die heutigen Stdte zurck, die als Zentren des Berg baues (Kremnica, Banska Bystrica, Stavnica-Kremnitz-Neusohl, Schemnitz), des Gewerbes und des Handels in den wichtigsten Talzgen und Becken, namentlich aber am Karpatensdrand entstanden. Damit er hielt das Waldland ein zivilisierteres Gesicht und einen gewissen Wohl-

begrndeten mit andern Stmmen einen

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