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Die Sahara || Siedlungsgeographie Des Sahara-Raums

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Page 1: Die Sahara || Siedlungsgeographie Des Sahara-Raums

Siedlungsgeographie Des Sahara-RaumsAuthor(s): Horst HagedornSource: Africa Spectrum, Vol. 2, No. 3, Die Sahara (1967), pp. 48-59Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/GermanyStable URL: http://www.jstor.org/stable/40173403 .

Accessed: 14/06/2014 01:10

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Siedlungsgeographie des Sahara-Raums

Einleitung

Es wäre vermessen, auf den wenigen Seiten, die für dieses Thema zur Verfü- gung stehen, eine vollständige Siedlungsgeographie des Riesenraums der größten Wüste der Erde schreiben zu wollen; ganz abgegesehen davon, daß die Entwick- lung in der Gegenwart sehr differenziert mit unterschiedlichem Tempo in den Teilräumen der Sahara verläuft. Es kann daher nur versucht werden, einen Ein- druck von der Kulturlandschaft und den Bewohnern der Wüste zu geben und einige Probleme anzuschneiden.

In der Darstellung wird das Hauptgewicht notwendigerweise auf den tradi- tionellen Siedlungsformen und den überkommenen Funktionen liegen müssen. Durch sie wird gegenwärtig noch das Bild der Kulturlandschaft in der Sahara bestimmt, wenn auch die Wandlungen und der Verfall überall deutlich werden.

Die Beispiele, an denen einzelne Fragen und Probleme erörtert werden sollen, stammen hauptsächlich aus dem Fezzan und Tibesti-Gebirge, die ich von ver- schiedenen Reisen und Untersuchungen her genauer kenne; die Hinweise auf heutige Entwicklungstendenzen beruhen ebenfalls überwiegend auf Untersuchun- gen, Befragungen usw. in den genannten Gebieten.

Fast neun Zehntel der Sahara sind völlig unbewohnt und für eine agrarische Nutzung unbrauchbar. Sie bestehen aus sterilen Sand-, Kies- und Felsschuttflä- chen mit seltener, punkthafter oder entlang der Wadis linienhafter, dürftiger Vegetation. Aus dem restlichen Zehntel sind nur die Gebiete für den Anbau von Nutzpflanzen geeignet, in denen das Grundwasser in erreichbarer Nähe ist.

Die Weidegebiete im Gefolge der episodischen Niederschläge in den Gebirgen, Hochländern und Randgebieten der Wüste werden von den Herden der Hirten- nomaden genutzt, die von diesen seltenen Regen abhängen. In diesem Zusam- menhang taucht die Frage nach der Abgrenzung der Wüste auf, ein Problem, das die Forschung schon ausgiebig beschäftigt hat. Ein häufig benutzter Grenzwert ist der mittlere Jahresniederschlag von 200 mm. Für die Fragen der Siedlungs- geographie scheint mir die auf der Grundlage von Vegetationsgrenzen gegebene Abgrenzung von Capot-Rey (1953) geeignet. Die Wüste findet im N dort ihr Ende, wo die Dattelpalme (Phoenix dactylifera) nicht mehr fruchtet; im S endet sie an der Verbreitungsgrenze von "had" (Cornulaca monacantha), einer von den Kamelen bevorzugten Weidepflanze, und "cram-cram" (Cencbrus biflorus). Ausnehmen möchte ich die innerhalb des so abgegrenzten Raumes liegenden Küstenstreifen von Tunesien, Libyen und Ägypten; auch die Niloase wird bei der Betrachtung ausgespart.

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Der Lebensraum der Sahara-Bewohner

Die bedeutendsten Oasengebiete in den oben angegebenen Grenzen sind fol- gende:

die Mauretanischen Oasen im W, die Wadi Draa Oasen und Tafifalet Oasen, im NW, die Oasen an der Straße der Palmen von Bechar bis Ain Salah (Touat, Tidikelt), die Mzab, Rir und Souf Oasen am Nordrand der algerischen Sahara, die Fezzan Oasen, die nordlibyschen Oasen (Augila, Diarabub, Siwa), der Oasen- Archipel von Kufra, die Kaouar Oasen und die Oasen im Tibesti-

Gebirge sowie im Borkoubergland in der zentralen und südöstlichen Sa- hara und

die Oasen in der ägyptischen Senke westlich des Nils im Osten der Sahara. Außer diesen genannten Oasengruppen existieren noch eine Anzahl kleiner

Oasen, die als Relaisstationen für den Verkehr eine wichtige Aufgabe und große Bedeutung haben. Dieses gilt auch noch mit gewissen Einschränkungen in der Ära des Lastkraftwagens.

Zusammen mit den Schweifgebieten der Nomaden und den Siedlungen bei den Minen und sonstigen Rohstoffquellen bilden die aufgezählten Oasengebiete den Bereich der Ökumene, deren Ausdehnung in der großen Wärmewüste lau- fenden Schwankungen ausgesetzt ist. Der tägliche Kampf um den Lebensraum ist das Kennzeichen, das alle Wüstenbewohner verbindet und zu ähnlichen Ver- haltensweisen in den Teilräumen geführt hat. Das gemeinsame kulturelle Erbe hat diese Ähnlichkeiten noch verstärkt; was sich in einem recht einheitlichen Siedlungsstil manifestiert. Erst heute lockert sich dieses Bild in unterschied- licher Weise auf.

Die zahlreichen Felsbilder und große Fülle der Artefakte bezeugen noch im ausgehenden Neolithikum eine relativ dichte Besiedlung der Sahara. Mit zuneh- mender Aridität ändert sich dieses Bild. Aber zur Blütezeit Roms ist nicht nur der nördliche Küstenstreifen - die Kornkammer Roms - besiedelt gewesen. Die römischen Geschichtsschreiber und vor ihnen auch die griechischen, z. B. Herodot, berichten von Stämmen und Völkern, die tief im Innern der Wüste lebten und ein Bindeglied zwischen dem römischen und später byzantinischen Kulturkreis der Mediterraneis und den schwarzen Völkern der südlichen Savan- nen waren. Zwar sind unsere Kenntnisse von diesen Völkern, z. B. den Gara- manten im heutigen Fezzan, noch sehr ungenau und lückenhaft, sie beweisen je- doch eine Siedlungskontinuität, die sich auch heute noch dem Reisenden in er- staunlich zahlreichen Siedlungsspuren, Wüstungen, Grabfeldern usw. darbietet.

Welche Überraschungen sich hinsichtlich der Besiedlung der Sahara bei der Aufhellung der Geschichte noch ergeben können, sind zur Zeit nur zu ahnen. So wissen wir heute, daß sich auch die großen Sudan-Reiche im Laufe ihrer Ge- schichte in weite Bereiche der südlichen und mittleren Sahara erstreckten und Angehörige der Sahara- Volksgruppen in den Führungsschichten dieser Reiche eine große Rolle gespielt haben; als Beispiel sei nur das Kanem-Bornu-Reich genannt, das einst bis zu den Oasen Traghen und Zuila im südlichen Fezzan reichte und zu dessen staatstragender Schicht Stämme der Tubu aus der Südost- Sahara gehörten.

Ein bedeutender Einschnitt mit weittragenden Konsequenzen in der an großen Ereignissen nicht armen Geschichte der Sahara-Bevölkerung trat mit der Einfüh- rung des einhöckerigen Kamels (Dromedars) ein, dessen Pflege und Zucht zusam-

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men mit der Dattelpalmenkultur Grundlage sämtlicher wirtschaftlicher Betätigun- gen der Wüstenbevölkerung ist. In Anpassung an die vorgegebenen Bedingungen des Naturraumes haben diese wirtschaftlichen Grundfaktoren das Siedlungsbild mitgeprägt und die Sozialstruktur, die bei verschiedensten Volksgruppen ähnlich ist, mit beeinflußt. Der Kamel-Nomadismus in Symbiose mit der Oasenkultur fand in der Religion des Islam den adäquaten Hintergrund, auf dem sich ein spezifischer Wirtschaftsgeist entwickelte, der noch heute im Wirtschaftsleben der Wüstenstaaten Nordafrikas und Vorderasiens eine große Rolle spielt und die mit ihnen wirtschaftlich verbundenen Länder häufig vor schwierige Probleme stellt.

Die Wirtschaftsweise der Nomaden

Den natürlichen Bedingungen gut angepaßt ist die nomadische Wirtschafts- weise. Kamele, Schafe und Ziegen sind der Reichtum der saharischen Nomaden. Esel als Transporttiere - ihr Fleisch wird in der Sahara fast nirgends gegessen - Hühner und Hunde als Begleiter der Hirten kommen hinzu. Die Wanderungen der Herden richten sich im einzelnen nach den Weideverhältnissen; in großen Zügen laufen sie aber traditionell im gleichen Rhythmus ab. In der West-Sahara wandern die maurischen Hirten im Sommer vom zentral gelegenen Adrar, wo sie den Winter verbringen, nach N und S in die Halbwüsten. Gerade umgekehrt ist die saisonale Wanderung der Hirten im SW Mauretaniens; hier ziehen die Herden zum Sommer und Herbst nach Norden (Gebiet von InchirH in die Wüste hinein und verbringen den Winter sowie das Frühjahr in den Halbwüsten im S (Gebiet von Iguidi) der Sahara (Capot-Rey, 1953).

Unregelmäßig, den episodischen Regenfällen folgend, wandern die Nomaden der zentralen Hochländer und Hochgebirge (Hoggar1), Tibesti, Air, usw.) von Weidegebiet zu Weidegebiet. Die Weideflächen sind zwar nach Stämmen geglie- dert, aber die großen Schwankungen in den Regenfällen zwingen häufig dazu, in das Weidegebiet des Nachbarstammes einzudringen, was zu zahlreichen Feh- den Anlaß gab und wegen der üblichen Blutrache zur Dezimierung der Bevöl- kerung beigetragen hat. Erst die Europäer haben diesen Gewohnheiten ein Ende gemacht.

Im verhältnismäßig regelmäßig beregneten Tibesti-Gebirge sind auch saiso- nale Wanderungen (Transhumance) zwischen den Hochgebieten und den Tief- ländern bekannt. Auf Semi-Nomaden mit saisonalen Getreideanbau und Dat- teloalmenkultur trifft man im Tibesti und in der algerischen Sahara; als Beispiel sei auf die Stämme der Doui Menia und Zab Chergui hingewiesen.

Für den Lebensunterhalt der Nomaden spielte der Karawanenverkehr durch die Sahara eine bedeutende Rolle. Sie profitierten als Transporteure und Geleit- schutz von diesem Transithandel. Wurde ihre Begleitung abgelehnt, so hielten sie sich an den Karawanen schadlos; gelegentliche Oberfälle auf Karawanen und eine „Rezzou* gegen eine nichttributpflichtige Oase gehörten zu den Nebenbe- schäftigungen der Nomaden, die dadurch zu einigem Wohlstand kamen.

Der hauptsächlich N-S verlaufende Transitverkehr durch die Sahara, der auf die wenigen großen Karawanenstraßen beschränkt war und schon zur Römerzeit eine führende Position im Handelsverkehr der mittelmeerischen Küstenstädte

*) In Atlanten und auf Karten auch Ahaggar genannt.

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Kart.: J.Schulz

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Entw.:H. Hagedorn

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innehatte und diesen große Blüte und Wohlstand brachte, wie z. B. Leptis Magna beweist, verband die Sudan-Staaten mit dem Wirtschafts- und Kulturraum des Mittelmeeres. Mit welcher Selbstverständlichkeit dieser Handelsverkehr durch die Wüste betrachtet wurde, zeigen Reiseberichte venezianischer Kaufleute, die über die Teilnahme an Karawanen in den Sudan wie über Reisen in Italien be- richten. Die Sperre, die die Sahara für die Europäer am Ende des 18. und 19. Jhd. bildete, erklärt sich mehr aus dem Wirken der Christen feindlichen Senus- sia-Bewegung, die zu dieser Zeit gerade die Wüste erobert hatte, als aus den natürlichen Schwierigkeiten, mit denen die Reisenden in der Wüste zu kämpfen hatten.

An Waren holte man aus den Sudan-Staaten Gold, Elfenbein, Leder, Edelhöl- zer und Sklaven. Ein Bericht aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts spricht von jährlich 5 000 Sklaven allein aus Kano, von denen nur ca. 2 - 3 000 Murzuk erreichten. Von dort gelangten sie dann nach Nordafrika und in den Orient. Die unzähligen Skelette an den Karawanenstraßen zeigen noch heute, wo die fehlenden 2 - 3 000 Menschen geblieben sind. In die Sudan-Staaten wurden europäische Waren und Sahara-Salz gebracht. Der Handel und die Gewinnung von Salz in den Minen von Taoudenni, im Fezzan, Bilma und Borkoubergland - um nur einige wichtige Abbaustätten zu nennen - gehörte zu den Aktiv- posten in der Wirtschaftsbilanz der Wüstenbewohner. Salzkarawanen verkehren auch heute noch in der Sahara. Sonst ist der Karawanenverkehr seit dem Zwei- ten Weltkrieg verschwunden. Der Lastkraftwagen ist an seine Stelle getreten und hat den Nomaden die Beschäftigung genommen. Damit wurde eine Grund- lage ihres Wirtschaftslebens beseitigt, ein Vorgang, der sich auch in der Sied- lungsstruktur bemerkbar machte.

Oasenwirtschafl

In wirtschaftlicher Symbiose leben die Nomaden mit den seßhaften Oasen- bauern, die mit Hilfe der künstlichen Bewässerung auf Terrassen an den Wadis sowie an den Rändern der Sandfelder und Sebkhas einen dürftigen Boden kul- tivieren. Der Anbau von Getreide, Gemüse und Dattelpalmen auf den mineral- reichen aber unfruchtbaren Skelettböden ist eigentlich ein Paradoxon, wie Ca- pot-Rey (1953) treffend bemerkt. In dem Bemühen, dem Boden einige Erträge abzuringen, haben sich verschiedene Bewässerungsmethoden herausgebildet, deren Verbreitung auf der beigefügten Karte angegeben ist. Wenn das Grundwasser nicht zutage tritt, so geschieht die einfachste Form der Wasser-Gewinnung mit- tels eines Brunnens, aus dem man mit einem Gefäß das Wasser heraufholt. Zur Erledigung dieser Arbeit legt man einen langen Balken über ein hohes Ge- rüst und versieht ihn mit einem Gegengewicht, das das Heraufholen des Was- sers erleichtert. Dieser Brunnen wird als Shaduf bezeichnet und ist zum Zieh- brunnen weiterentwickelt worden. Eine spezielle Art der Gewinnung des Grund- wassers sind die Fogarras2), unterirdische Kanäle, die das Wasser in einer höher gelegenen wasserspeichernden Gesteinsschicht anzapfen und zu den Gärten sowie Palmenhainen leiten. Eine Nutzung des Regenwassers durch Abdämmen der

2) Diese Bewässerungstechnik wurde von persischen Einwanderern nach Nordafrika gebracht, wie Prof. Troll in einem Vortrag in der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin am 1.12.67 aus- führte.

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Wadis wird besonders am Rande der Sahara- Atlas vorgenommen. Eine Variante dieser Art der Wassergewinnung sind Dämme in den Alluvionen der Gebirgs- wadis im Hoggar, die den Grundwasserstrom im Wadi stauen und nahe an die Oberfläche bringen, wodurch anbaufähiges Land gewonnen wird.

Begünstigt sind die Oasen, die über Quellen oder artesische Brunnen verfügen und damit die Arbeitskraft für die Wassergewinnung sparen. Hier treten jedoch andere Probleme auf. Der Wert einer Oasen-Parzelle wird durch die auf sie entfallenden Wasser anteile bestimmt; dadurch ist ein kompliziertes Wasserrecht entstanden. Eine generelle Erscheinung in der Sahara ist, daß der Besitz an Palmen oder sonstigen Bäumen vom Bodenbesitz getrennt ist. Der Boden ist in der Gesamtheit Stammeseigentum. Nur bebauter Boden, der über Wasser ver- fügt, ist privater Besitz und häufig auch nur für die Dauer der Nutzung.

Der Anbau geht in Form kleiner rechteckiger oder trapezförmiger Beete vor sich, die durch Dämme voneinander getrennt sind und über ein ausgedehntes Kanalnetz bewässert werden. Der Umriß eines Gartens ist ungleichmäßig von meist rundlicher Gestalt; die Größe liegt je nach den äußeren Umständen zwi- schen wenigen 100 qm und 1 ha. Diese Form der agrarischen Nutzflächen ist Gemeingut in den Oasen der Sahara; damit wird den Siedlungen eine einheitliche Note verliehen. Wie wir später noch sehen werden, gilt dieses nicht für die Wohnplätze. Abweichungen von der geschilderten Form der Anbauflächen fin- den wir nur dort, wo geplant neue Flächen erschlossen worden sind z. B. bei neuerbohrten artesischen Brunnen. Diese Formen sind am geradlinigen rechtecki- gen Schema zu erkennen.

Der Anbau des Getreides erfolgt, von den zu kalten Hochgebirgsoasen abge- sehen, im Winter. Im Sommer wird Gemüse und Luzerne als Viehfutter ange- baut. Die Fläche der Sommerfrucht nimmt im Fezzan nur rd. V3 der Winter- fruchtfläche ein. In den Gärten des Fezzan und Tibesti ist eine Rotation üblich mit V3 der Nutzfläche als Brache; ähnliche Relationen sind nach der Literatur auch aus anderen Gebieten der Sahara bekannt.

Erfolgt der Anbau von Getreide unter Palmen, so ist im Winter wöchentlich nur einmal Bewässerung nötig, ohne den Schutz der Palmen zweimal. Der Was- serbedarf variiert mit den Bodenverhältnissen und den Anbauprodukten. Für ein Beet von 2 qm Fläche, mit Getreide bebaut, werden für eine Bewässerung 90 bis 100 1 Wasser gebraucht; das bedeutet, daß im Fezzan bei einer Anbau- fläche von 1/i ha ein Arbeiter mit dem Shaduf 40 Stunden Wasser schöpfen muß. Der Ertrag an Getreide liegt im Mittel bei 10 - 12 dz/ha ohne künstliche Dün- gung.

Die Dattelpalmen müssen in manchen Oasen ebenfalls bewässert werden. Bei einem Besatz von rd. 120 Palmen pro ha werden jährlich 8 - 10 000 cbm Wasser benötigt, die je nach Jahreszeit in kürzeren oder längeren Abständen den Pflan- zungen zugeführt werden müssen3). Wo die Palmen das Grundwasser erreichen - wie im Fezzan - beschränkt sich die Arbeit an den Dattelpalmen auf die Be- fruchtung, die Ernte und das Ausschlagen der trockenen Blattwedel. Der Ertrag der Dattelpalme liegt im Durchschnitt bei 20 - 25 kg, das Maximum beträgt 100 kg pro Baum. Einer besonderen Art des Anbaus und der Pflanzung begeg- nen wir in den Souf Oasen. Elliptische „Sandkrater" sind 6 - 15 m tief ausge- schaufelt worden, um unter dem Sand des Erg in die Nähe des Grundwassers

3) In der Literatur werden als Extremwerte 25 000 cbm/ha/Jahr genannt.

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zu kommen. (Niemeier, 1956). Hier ist an die Stelle des Wasserschöpf ens die Arbeit des ständigen Abtransports des eingewehten Sandes getreten. In den Souf Oasen bleibt die ständige Absenkung des Grundwassers durch die starke Übervölkerung der Oasen ein gravierendes Problem; durch diesen Umstand sind die Bauern gezwungen, den Boden ihres „Sandkraters" laufend tiefer zu legen, um dem Grundwasser zu folgen. Weitere Gefahren für die agrarischen Nutzflä- chen in der Sahara liegen in der Versalzung des Bodens, die von den Oasen- bauern nur unvollkommen überwunden worden sind. Einer Ausweitung des An- baus ist auch von dieser Seite eine Grenze gesetzt, die in jüngster Zeit viele wohl- gemeinte Entwicklungsprojekte zum Scheitern gebracht hat.

Für die angeführten Bewässerungsarbeiten braucht man viele Arbeitskräfte, die sich die reichen Familien in den Oasen und die wohlhabenden Nomaden früher durch die Sklaven beschafften. Nach Aufhebung der Sklaverei dehnte sich ein neues System der Arbeitskraftbeschaffung merklich aus, das neben der Sklaverei in der Oasenwirtschaft auch früher schon eine Rolle gespielt hat. Der reiche Besitzer gibt seinen Garten an einen besitzlosen Bewohner zur Bearbei- tung, der dafür Vs der Ernte erhält (daher der Name „khammes"). Diese Pacht- anteile variieren je nach Früchten und Gegend, sind aber in allen Oasengebieten der Sahara bekannt. Diese Art des Arbeitsverhältnisses existiert zur Zeit noch im Fezzan und anderen Oasenbereichen; es ist aber stark rückläufig.

Durch den Mangel an Arbeitskräften ist der Anbau in den Oasen des Fezzan z.B. stark zurückgegangen, ähnliches gilt auch für andere Oasen. Die Nomaden, denen häufig mehr als 2/s der Gärten und Palmen gehören, sind auf Grund ihres Wirtschaftsgeistes nicht Willens, die Bearbeitung des Bodens zu übernehmen. Die besitzlosen Oasenbauern verdienen in den Städten, in denen der ölboom eine Wirtschaftsblüte hervorgebracht hat, mehr als in den Oasen. Aber auch der besitzende Bauer zieht die leichtere Arbeit in der Stadt vor. Allen Anstrengun- gen seitens der libyschen Regierung, durch die Verbesserung der äußeren Lebens- bedingungen und den Einsatz von Motorpumpen, die Oasenflucht einzuschrän- ken, ist bisher nur ein geringer Erfolg beschieden gewesen.

Bevölkerung

Die Gesamtbewohnerzahl der Sahara, ein Gebiet von rd. 7 Mill. qkm Wüste, liegt etwa bei 2 Mill. Menschen. Diese auf den ersten Blick recht hohe Zahl kommt allerdings nur dadurch zustande, daß die Randgebiete im N und S, die zwar weniger als 200 mm Jahresniederschlag erhalten, wegen der Regelmäßig- keit der Niederschläge aber als sichere Weidegebiete ständig genutzt werden können, mit ihrer großen Bevölkerungszahl in die Zahlen eingehen. Die „innere" Sahara hat dagegen nur eine Bevölkerung von rd. 200 000 Einwohnern (Schif- fers, 1962)4).

Bezieht man die Einwohnerzahlen in den Oasengebieten auf die kultivierte Fläche, so ergeben sich Bevölkerungsdichten bis zu 1 200 Einw./qkm, wie z.B. in der Oase Djerid (Capot-Rey, 1953).

4) Die Zahlen über Einwohnerzahlen können nur Größenordnungen angeben. Die Statisti- ken der 11 Länder, die an der Sahara Anteile haben, sind sehr unterschiedlich und sondern die

Wüstengebiete überwiegend nicht aus. Einen Unsicherheitsfaktor bilden die Nomaden, die häufig über die Landesgrenzen hinwegziehen und gar nicht oder doppelt gezählt werden.

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Die Zusammensetzung der Bevölkerung der Sahara ist vielgestaltig und in der ethnischen Zugehörigkeit und Herkunft bei vielen Gruppen noch völlig ungeklärt.

Der größte Teil der Oasenbewohner ist dunkler Hautfarbe. In der West- Sahara und Teilen der Zentral-Sahara (Hoggar) sind es die Haratin (Einz. Har- tani), die unter dem „Schutz" der sozial höhergestellten Nomaden Getreide an- bauen und die Dattelpalmen pflegen. Sie müssen für diesen „Schutz" einen gro- ßen Teil der Ernte an die Nomaden abtreten, die nur so wirtschaftlich einiger- maßen lebensfähig sind. Die Herkunft der Haratin, die sich in Sprache und Sitte ihren Herren angepaßt haben, ist nicht genau geklärt. Sie sind vielleicht Reste einer älteren, dunkelhäutigen, nichtnomadischen Bevölkerung, die sich mit Skla- ven aus den Sudan-Ländern vermischt hat.

In ihrer sozialen Stellung gleichen die Kamadjer der Südost-Sahara den Ha- ratin. Diese Volksgruppe setzt sich überwiegend aus freigelassenen Sklaven der Tubu-Nomaden zusammen, was sich auch in ihrem stärker negriden Habitus ausdrückt.

Eine weitere, dunkelhäutige Bevölkerungsgruppe haben wir in den Fezzani, den Oasenbewohnern des libyschen Landesteils Fezzan, vor uns; sie sind in ihrer sozialen Stellung sehr unterschiedlich und weisen tributpflichtige Bauern, Handwerker und besitzende Kaufleute auf. Die rassische Zugehörigkeit der Fezzani ist genau so ungeklärt wie die der Tubus, den „schwarzen Nomaden" des Tibesti-Gebirges und ihnen verwandten Gruppen in der Südost-Sahara. Die Bezeichnung „Äthiopide", die von einigen Forschern für diese Bevölkerung gewählt wurde, besagt letztlich nur, daß sie einer nichtnegriden, dunkelhäutigen Menschengruppe angehören.

Die Tubus, eine nomadisierende Bevölkerung, haben Besitz an Dattelpalmen und Gärten in den Oasen, die sie bis 19405) von Sklaven und Freigelassenen bewirtschaften ließen. Die Sklaven aus den Ländern südlich der Sahara waren die eigentlich negride, dunkelhäutige Bevölkerungsgruppe in der ganzen Sahara bis zur Aufhebung der Sklaverei in diesem Jahrhundert. Stark negriden Ein- schlag haben die Nubier, die - größtenteils seßhaft - als Volk dunkler Haut- farbe in der Ost-Sahara wohnen.

Unter den Bewohnern heller Hautfarbe sind die bekanntesten die Tuareg (Einz. Targi), die in den Gebirgsländern der Zentral-Sahara leben. Sie sind No- maden und haben eine ausgesprochen aristokratische Gesellschaftsordnung gepflegt. Ihre Sprache, das Tamaschek, die eine eigene Schrift - Tifinagh - besitzt, ist den Berbersprachen verwandt. Im Gegensatz dazu haben das Tedaga und das Da- zaga der Tubu-Völker Beziehung mit den Sudansprachen und sind schriftlos.

Die größte Volksgruppe heller Hautfarbe sind die Arabo-Berber, von denen die Mauren der West-Sahara überwiegend Nomaden sind. Sonst ist diese in der West- und Zentral-Sahara anthropologisch im einzelnen kaum in Berber und Araber zu trennende Bevölkerung sowohl nomadisierend als auch seßhaft als Händler, Unternehmer usw. tätig. Nur sprachlich lassen sich Araber und Berber in zwei Bevölkerungsgruppen gliedern.

Diese Einteilung der Bevölkerung nach dunkler und heller Hautfarbe darf nicht zu wörtlich genommen werden und ist nur ein Hilfsmittel zur groben Klassifizierung. So sind einige Stämme der Tuareg dunkelhäutig durch die Ver- mischung mit ethnischen Gruppen aus den Sudanländern. Das hat aber keinen

5) In diesem Jahr wurde die Sklaverei endgültig verboten.

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Einfluß auf ihre soziale Stellung und Zugehörigkeit zum Tuareg-Volk. Entschei- dend für die soziale Stellung sind allein die Herkunft und zu einem guten Teil die Erziehung des Einzelnen und nicht seine anthropologischen Merkmale.

Die Siedlungen

Nomadismus einerseits und Bewässerungsanbau von Getreide und Gemüse mit Pflege der Dattelpalmenkultur andererseits sind die Basis der Wirtschafts- weise der saharischen Bevölkerung. Daher unterscheidet man in „bodenstete" und „bodenvage" Siedlungsarten. Diese Unterscheidung ist an der Form der Behausungen erkennbar.

Die Nomaden - ich fasse für das hier angeschnittene Problem diesen Begriff sehr weit mit Einschluß der Semi-Nomaden, Transhumance usw. - haben alle schnell auf- bzw. abzubauende Hütten und Zelte. Die Hütten bei den Tubu- Nomaden z.B. bestehen aus einem ovalen Gerüst von Akazienästen und Palm- blattrippen, das mit Matten aus Schilf oder Blättern der Dumpalme (Hyphaene tbebaica) bedeckt ist. Bei der Wanderung werden Matten und Gerüst mitgenom- men; lediglich in der Nähe der Oasen bleibt manchmal ein Gerüst aufgebaut ohne Matten bis zum nächsten Aufenthalt stehen. Die Tuareg haben vereinzelt eine ähnliche Hütte wie die Tubus, vorwiegend aber Zelte aus gegerbten Fellen. Die Mauren sowie die sonstigen arabischen und berberischen Nomaden besitzen große Zelte aus Stoffbahnen.

Zur bodenvagen Siedlungsart zählen auch die in der Wüste anzutreffenden Lager der Bohrtrupps und sonstiger Explorationsgruppen. Die Behausungen die- ser „Industrienomaden" sind vollklimatisierte Wohnwagen mit allem Komfort.

Die Gebäudeformen bei der bodensteten Siedlungsart sind außerordentlich unterschiedlich. In den Oasen des Tibesti-Gebirges finden wir neben einer Schilf- hütte, die der bei dem nomadisierenden Teil der Tubus gleicht, ein Rundhaus mit lehmverputzter Naturstein-Mauer und einem halbkugelförmigen Dach aus Akazienzweigen und Palmblattrippen als Dachgerüst, das mit Schilf gedeckt ist. Daneben gehören zu einem Gehöft noch Dattelspeicher, eine auf 4 - 6 Ständern stehende Plattform für die Trocknung der Datteln und ein kleiner Viehkral. Der Datteltrockner und die Speicher sind weit verbreitet in der Sahara. Auch die Schilfhütte - an Stelle von Schilf verwendet man in manchen Oasen Palm- wedel - ist sehr beliebt.

Die eigentliche Behausung des seßhaften Oasenbewohners ist das Hofhaus. Um einen oder mehrere Höfe gruppieren sich die aus Lehmziegeln mit flachem Dach errichteten Räume. In bedeutenden Oasen, wie z.B. Murzuk im Fezzan, sind einzelne Gebäude sogar zweigeschossig. Eine Sonderform der Behausung in den Oasen sind die Höhlenwohnungen im tripolitanischen Djebel.

Die jüngste Entwicklung im Wohnungsbau bilden die modernen, unter Ver- wendung von Zement aus Natursteinen gebauten Häuser, wie sie in den Oasen des Fezzan in immer größerer Zahl anzutreffen sind. In ihrer genormten, ein- tönigen Bauweise stellen sie zusammen mit öffentlichen Gebäuden, die nach einschlägigen südeuropäischen Vorbildern errichtet worden sind, ein neues Ele- ment in den Siedlungen dar.

Die temporären Wohnplätze der saharischen Nomadenvölker bestehen in der Regel aus 2 - 5 Zelten oder transportablen, zerlegbaren Hütten, die weitabstän- dig (bis mehrere 100 m) in den Weidegebieten errichtet werden. Das Lager

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befindet sich dabei selten in unmittelbarer Nachbarschaft einer Wasserstelle; diese ist zumeist ein selbstgegrabener Brunnen oder eine „Guelta", eine mit Regenwas- ser gefüllte Vertiefung, die durch steile, teilweise überhängende Felswände vor sofortiger Verdunstung geschützt ist. Besitzt die Nomadenfamilie überwiegend Kamele, die nur alle 2 - 4 Tage getränkt werden müssen, so kann die Wasser- stelle über eine halbe Tagesreise vom Lager entfernt sein. Das wenige Kleinvieh - Ziegen und Schafe - werden aus den „Guirbas", den aus Ziegenhäuten bestehenden Wassersäcken, getränkt, die mit Kamelen oder Eseln in das Lager gebracht werden. Bei größerer Kleinviehhaltung muß man näher an der Wasser- stelle lagern, um die Tiere täglich unmittelbar tränken zu können.

Neben den bodenvagen Behausungen besitzen nomadisierende Bevölkerungs- gruppen auch bodenstete in den Oasen6). Bei den Tubus im Tibesti besitzen die Familien Behausungen in mehreren Oasen, die sie während der Dattelernte aufsuchen (Hagedorn, 1966). Die saisonale Siedlungsart geht in diesem Gebiet in die Dauersiedlung über, deren Bewohner heute Kamadjer und Frauen mit Kindern der auf Wanderschaft befindlichen Tubus sind, während früher ein Großteil der Einwohnerschaft Sklaven waren. Bei den Tuareg werden die weni- gen Dauersiedlungen überwiegend von den Haratin bewohnt.

Die Siedlungsplätze der Tubus im Oasenbereich liegen in lockerer, unregel- mäßiger Bebauung meist auf einer Terrasse am Rande der Palmenhaine und Gartenareale, die eigentlich die Oase bilden. Im Gebiet einer Oase gibt es meist mehrere Siedlungen, die jeweils von einer bestimmten Sippe oder Stammes- gruppe (und deren Kamadjern) bewohnt werden; diese soziale Gliederung ist allerdings gegenwärtig in Auflösung begriffen.

Der beherrschende Typ in den Dauersiedlungen der Sahara ist jedoch der „Ksar" (Mehrzahl „Ksour"). Es sind dieses geschlossene Dörfer, die physiogno- misch kleinen Festungen gleichen. Nicht wenige besitzen eine Ummauerung und eine Burg, die „Kasbah", die von der herrschenden Sippe oder dem Vertreter der jeweiligen Machthaber bewohnt wird. Der Grundriß der Ksour ist orienta- lisch mit einer oder wenigen Durchgangsstraßen und vielen blind endenden Knick- und Tunnelgassen. Daneben tritt in der West-Sahara auch ein schach- brettartiger Grundriß auf, der nach Niemeier (1956) in der Regel bei jüngeren Siedlungen im Sprachgebiet der Berber zu finden ist.

Außerhalb des geschlossenen Ortes sind im Bereich der Palmenhaine und des Fruchtlandes verstreut Hütten zu beobachten, die während der Zeit des Garten- baus von den arbeitenden Familien bewohnt werden.

Ein dritter Typ der Dauersiedlungen ist die Streusiedlung mit Einzelhöfen und kleinen Weilern, die besonders ausgeprägt im Wadi Aatba (Fezzan) auf- tritt, aber auch im Wadi Shati und anderen Gebieten vorkommt.

Wenn auch die Ksour vorwiegend die Wohnplätze für die in den Oasen mit der Boden- und Dattelpalmenkultur beschäftigten Bevölkerung sind und den saisona- len Wohnsitz der besitzenden und herrschenden Nomaden bilden und daher ein Ortsbild ohne größere Differenzierung widerspiegeln, die außer den Wohnhäu- sern nur noch Gebetsplatz oder Moschee und eventuell eine Kasbah enthalten, so sind doch eine große Anzahl der Ksour über dieses Stadium hinausgewachsen und haben weitergehende Funktionen übernommen. Besonders im südlichen

8) Eine Verknüpfung der bodenvagen Siedlung allein mit dem Nomadismus ist für einzelne Siedlungselemente nicht gegeben, wie sich hier zeigt. Hierauf hat besonders Niemeier (1967) in letzter Zeit hingewiesen.

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Vorland des Sahara-Atlas treffen wir Ksour mit stark differenziertem inneren Gefüge an. Sie haben Markt (Souk), Schule, Moschee und Verwaltungsbehörden in der Kasbah. Hier sind Orte entstanden, die Funktionen ausüben, die in der Siedlungsgeographie Städten zugeordnet werden; Niemeier (1956) nennt sie daher auch Dorfstädte. Ein differenzierter Handel und Gewerbe, innere soziale Gliederung und überörtliche zentrale Dienste sowohl für ein „agrarisches" Oasen-Umland als auch für die Nomaden kennzeichnen diese Städte, die über- wiegend in der algerischen Sahara, aber auch im Fezzan entlang der alten Karawanenstraßen, zu finden sind.

In der nördlichen Sahara im Dreieck Bechar-Ain Salah-Gab^s finden wir die Mehrzahl der Wüstenstädte. Hier waren es besonders die Mozabiten, die als geschlossene strenggläubige, berberische Gemeinschaft aus den mittelalterlichen Religionskämpfen zwischen Herätikerbewegungen und orthodoxen Mohamme- danern hervorgegangen sind, die städtische Siedlungen anlegten. Mit Geschick schalteten sie sich in die Handelsbeziehungen ein und bauten ihre Städte zu blü- henden Handelsplätzen aus. Ein zweiter wichtiger Wirtschaftsfaktor war eine Art Wanderarbeitertum der Mozabiten, die sich in den Städten des Maghreb verdingten; diese Erwerbsform ist auch heute noch üblich, wie die Wanderungs- statistiken der algerischen Sahara-Departements zeigen (Niemeier, 1956). Die Städte haben - wie viele Ksour - den typisch orientalischen Stadtgrundriß, dazu kommen schachbrettähnliche Grundrisse der Städte aus dem 16. Jahrhundert.

Dem Trans-Sahara-Handel verdankte auch Murzuk, die ehemals bedeutendste Stadt der zentralen Sahara, ihren Reichtum. Als Umschlagplatz für Sklaven in

ganz Nordafrika bekannt, im Schnittpunkt N - S und O - W verlaufender ̂ Ka-

rawanenwege gelegen, war Murzuk die „Medina" der Sahara. Mit reichhaltigem ^

Gewerbe besetzt, übte die Stadt eine große Anziehungskraft auch auf die übrigen Oasenbewohner des Fezzans und die Nomaden, wie Tuareg und Tubu, aus. In den Sklavenhandel eingeschaltet waren auch Ghat und Ghadames, die zusammen mit Traghen und Zuila nach Murzuk die bedeutendsten Orte der zentralen Sahara waren.

Neben der Handelsfunktion war Murzuk auch lange Zeit Zentrale der über-

geordneten Verwaltung, zuletzt der türkisdien, die aber nur auf die Oasen -

wie sonst auch in der Sahara - beschränkt war. Diese Funktionen hat Murzuk heute nicht mehr. Die Stadt ist auf die Bedeutung eines regionalen Zentrums

abgesunken - ein Schicksal, das sie mit den meisten saharischen überregionalen Zentren teilt.

Der Rückgang des Karawanenverkehrs und die andersartigen Interessen der Kolonialmächte, die in diesem Jahrhundert die Wüste überwiegend von N her in Besitz genommen hatten, haben die nördlich und südlich der Wüste gelegenen volkreichen Länder, zwischen denen die Bewohner der Sahara den Handels- und Kulturaustausch vollzogen, getrennt und in der Wüste ein Vakuum hinter- lassen. Die Aufteilung des in vielem einheitlichen Naturraumes unter 11 Staaten hat neue Verwaltungszentren und damit neue Bevölkerungsagglomerationen ent- stehen lassen. Beispiele für diese neuen Städte mit überörtlichen Funktionen sind Sebha im Fezzan, Faya-Largeau im nördlichen Tschad, Tamanrasset im

Hoggar und Nouakchott in Mauretanien. Siedlungen mit spezialisierten Funkti- onen sind die neuen Orte, die im Gefolge der Erschließung der Mineralschätze der Sahara entstanden sind. Der Rohstoffbedarf der modernen Weltwirtschaft und der Zwang der jungen Entwicklungsländer, auch wirtschaftlich unabhängig zu werden, hat zu einer regen Explorationstätigkeit in der Wüste geführt und

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die Sahara zu einem wichtigen Rohstofflieferanten gemacht. Die wichtigsten Siedlungen im Gefolge dieser Entwicklung sind: die über 5 000 Einwohner zäh- lende Bergbaustadt Zouerate an der Eisenerzgrube von Kedia Idjil in Maure- tanien mit der Hafenstadt Cansado, dem Endpunkt der Erzbahn von Zouerate am Cap Blanc, wo das Erz verschifft wird; die 16 000 Menschen beherbergende Bergarbeiterstadt Kenadoa bei den Kohlengruben in der Nähe von Bechar; die Erdölsiedlungen von Hassi Messaoud, Maison Rouge bei Edjeleh in Algerien und die Siedlungen beim Djebel Zelten in der libyschen Sahara.

In den letztgenannten Siedlungen mit spezieller Funktion wird die Wandlung im Siedlungsgefüge der saharischen Kulturlandschaftsoasen sichtbar. Eine Eigen- schaft der neuen Wirtschaftsstruktur ist ihr geringer Arbeitskräftebedarf. Die wenigen wirtschaftlich bedeutenden Orte werden nur von einer kleinen Zahl Experten bewohnt, deren Arbeitskraft nur von wenigen ungelernten Arbeitern ergänzt werden muß. Welche Problematik für die Siedlungen und die Lebens- möglichkeiten in den Oasen hierdurch entstehen, möchte ich. am südlichen Fez- zan - einer echten innersaharischen Landschaft - zeigen.

Einzelbeispiel Murzuk

Auf die Bedeutung Murzuks in der Vergangenheit und seine Funktion im Gesamtgefüge des saharischen Verkehrsraumes wurde schon wiederholt hinge- wiesen. Nachtigal (1879) schätzt die Einwohnerzahl im Jahre 1869 auf rd. 3 500 Personen; Scarin gibt 1934 die Bevölkerungszahl mit 681 an, und 1966 betrug sie nach eigener Befragung ca. 1 500; in den übrigen Oasen des südlichen Fezzan zeigt die Bevölkerungsstatistik den gleichen Trend. Die überregionale Handels- und Verwaltungsfunktion hat Murzuk verloren; ein Prozeß, der nach Nachtigals Angaben schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts begonnen hatte. Zur Zeit der italienischen Besetzung war der Fezzan nahezu entvölkert, wozu neben dem wirtschaftlichen Niedergang auch die Verseuchung der Oasen durch Malaria mitgewirkt hat. Nach der Gründung des Königreichs Libyen und der energischen Bekämpfung der Malaria im neuen Landesteil Fezzan nahm die Bevölkerung wieder zu. Durch die Rückkehr vieler Auswanderer aus den Sudan-Staaten, besonders im Gefolge des Erdölbooms, die auch von der Regierung kräftig gefördert wurde, stiegen dann in den letzten Jahren die Bevölkerungszahlen sprunghaft an. Die überregionale Verwaltungsfunktion fiel aber nicht an Murzuk zurück, sondern wurde von der Neugründung Sebha übernommen, dessen Ein- wohnerzahl von 6 000 im Jahre 1954 auf 17 400 Ende 1966 angestiegen ist. Mit dem Bau einer asphaltierten Straße von der Küste bis Sebha ist der Ort auch zum beherrschenden Marktzentrum des Fezzan geworden. Bei der Neu- ordnung der Verwaltungsgebiete mußte Sebha in den letzten Jahren einen Teil seiner Funktionen an Ubari abtreten. Den Verlust versucht man durch Industrie- ansiedlungen (Teppichfabrik usw.) auszugleichen.

Murzuk ist heute ein regionaler Marktort im südlichen Fezzan wie Traghen und andere; lediglich das Hospital und weiterführende Schulen heben es funkti- onal etwas von den übrigen ab. In der Struktur der Stadt zeigt sich noch die frühere Bedeutung; Souk, Geschäftsviertel, die Aufteilung der Wohngebiete in mehrere Gabilahs - den Ksour in den Städten der algerischen Sahara ähnlich - sind strukturelle Elemente, die den übrigen regionalen Markt- und Verwaltungs- orten Traghen, Umm el Araneb, Zuila und El Gatrun fehlen. Diese zeigen noch

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überwiegend die Merkmale der agrarischen Siedlung, wie sie in den übrigen Oasen die Regel ist: geschlossener Wohnort aus Lehmziegelbauten, Dattelpalmen- haine und auseinandergezogene Gärten der weiter oben beschriebenen Form und Größe, in deren Nähe sich kleine Hütten - die „Zeriba" - befinden.

Schlußbemerkung

Die positive Bevölkerungsbilanz, die der Parole vom Oasensterben zu wider- sprechen scheint, läßt diese Siedlungen noch in hergebrachter Funktion erschei- nen. Sieht man einmal von der Unzulänglichkeit der Statistik ab, die die Bevöl- kerung auf der Grundlage der Gabilahs ermittelt, die aber nicht mit einem Ort jeweils gleichzusetzen sind, so paßt aber auch z.B. die Angabe von 10 ha Garten- land für 4 Oasen am Südrand der Sebkha von Traghen nicht in das Bild einer rein agrarischen Siedlung; denn 10 ha Land sind auch in der Sahara für 450 Personen zum Lebensunterhalt zu wenig, selbst bei Berücksichtigung der Pal- menhaine. Eine Befragung der Sheiks der Orte ergab ein völlig anderes Bild. Der Großteil der Bewohner lebt von Zuwendungen, die ihnen von Familienmit- gliedern gemacht werden, die außerhalb der Oasen in Sebha oder an der Küste Arbeit haben. Die jüngeren männlichen Bewohner verlassen die Oasen und suchen sich Arbeit. Da sie aber noch zur Gabiiah gehören, gelten sie statistisch noch als Oasenbewohner. Dieser Wanderungsverlust an jungen Arbeitskräften bringt den Anbau in den Oasen immer mehr zum Erliegen und macht die Orte zu Rentnerdörfern.

Die Regierung versucht diese unerfreuliche Entwicklung durch Verbesserung der Verkehrsverbindungen und Subventionierung der Landwirtschaft zu ver- hindern. Motorpumpen, Traktoren, Mähdrescher und der Rat von Landwirt- schaftsexperten stehen den Bauern zu niedrigem Zins oder unentgeltlich zur Verfügung. Für die Agrarprodukte fehlt der Absatz. Ein Export der Erzeugnisse ist wegen der hohen Transportkosten völlig unwirtschaftlich. Audi der Ankauf eines Teils der Dattelernte seitens der Regierung, die diese Datteln dann im Lande als Schulspeisung kostenlos verteilen läßt, ist nur eine Subventionsmaß- nahme, die nicht zur wirtschaftlichen Gesundung beitragen kann.

Verlassene Felder und halbverfallene Häuser sind äußerlich sichtbares Zeichen dieser Umstrukturierung im Siedlungsbild des südlichen Fezzans. Der Mangel an Kapital und Verdienstmöglichkeiten macht es den Einwohnern unmöglich, ihre Häuser nach den seltenen Regenfällen wieder zu reparieren. So sind in Murzuk seit dem Regen von 1963, der 80% der Häuser beschädigte oder ganz zerstörte, nur einzelne wiederaufgebaut.

Die aus dem südlichen Fezzan geschilderten Verhältnisse, der Wandel in der Funktion und der Struktur der Siedlungen, sind in veränderter Form in vielen Gebieten der Sahara anzutreffen und stellen die Verantwortlichen vor große Probleme. Der Umbruch in der Siedlungsstruktur der Wüstenbewohner Nord- afrikas ist noch in vollem Gange.

Horst Hagedorn

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