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Die Neuregelung der Verjährung Professor Dr. Detlef Leenen, Freie Universität Berlin

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Die Neuregelung der Verjährung

Professor Dr. Detlef Leenen,

Freie Universität Berlin

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[Folie 2] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

"Objektive" und "subjektive" Verjährungsfristen

Terminologie

Anknüpfung an die Entstehung des Anspruchs, die Ablieferung der Kaufsache, die Abnahme des Werkes, die Rückgabe der Mietsache, etc.

Objektive = absolute Fristen

Anknüpfung an die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen oder an die Erkennbarkeit dieser Umstände.

Subjektive = relative Fristen

Subjektiv:

Objektiv:

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Die "regelmäßige Verjährungsfrist" (§§ 195, 199 BGB n.F.) Überblick

Die regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195 BGB n.F.) beträgt drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB n.F.

• mit dem Schluss des Jahres, in dem • der Anspruch entstanden ist, und• der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste.

Fehlt Kenntnis/Erkennbarkeit, so verjähren Ansprüche gem. § 199 Abs. 2 - 4 BGB n.F. 

• taggenau (also nicht zum Jahresende) • in objektiven Fristen • von 10 oder 30 Jahren (§ 199 Abs. 2 – 4 BGB n.F.).

Die "regelmäßige Verjährungsfrist" ist also Teil eines Fristensystems, das die kurze "subjektive" Frist mit langen "objektiven" Fristen kombiniert ("deckelt").

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Die subjektive Regelfrist (§§ 195, 199 BGB n.F.) Beispiele

Vertragliche Erfüllungsansprüche: Abweichung von § 196 BGB a.F.: Einheitliche Verjährungsfrist für

Anspruch auf die Sachleistung wie auf die Gegenleistung.  

Zinsen und "wiederkehrende Leistungen" (§ 197 BGB a.F.): Sonderregelung entbehrlich – keine Gefahr des "Aufsummens" bei

subjektiver Regelfrist. 

Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung: Verkürzung der Verjährungsfrist bei Kenntnis/Erkennbarkeit um 90 %!

 Ansprüche aus Delikt: Aufhebung des § 852 BGB a.F.; Änderung der subjektiven Erfordernisse!

 Ansprüche aus Haltbarkeitsgarantie (§ 443 BGB n.F.): Beachte die abweichende Verjährung gegenüber Ansprüchen aus

Mängelgewähr!

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Wer hat Kenntnis/Erkennbarkeit zu

beweisen?

Prinzipien des Europ. Vertragsrechts Neuregelung des BGB

Art. 17:105 PECL

Die Verjährung ist gehemmt, solange der Gläubiger (a) die Person seines Schuldners oder (b) die Umstände, auf denen sein Anspruch beruht, einschließlich der Art des Schadens bei einem Schadenersatz-anspruch nicht kennt und vernünftigerweise nicht kennen kann.

Beweislast: Gläubiger

§ 199 BGB

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Beweislast: Schuldner

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Objektive 10-Jahresfrist

Die Maximalfrist beträgt grundsätzlich zehn Jahre ab Entstehung des An-spruchs: § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und § 199 Abs. 4 BGB n.F.

Diese 10-Jahresfrist gilt für alle Ansprüche mit Ausnahme der in § 199 Abs.2 BGB n.F. geregelten Schadensersatzansprüche wegen Verletzung besonders schutzwürdiger Persönlichkeitsgüter.

Die gesetzliche Regelung ist unnötig kompliziert: In getrennten Bestim-mungen wird für “sonstige Schadensersatzansprüche” und für “andere Ansprüche als Schadensersatzansprüche” dieselbe Rechtsfolge vorgesehen.

Die Entstehung von Schadensersatzansprüchen setzt den Eintritt eines Schadens voraus.

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Langzeitschäden aus unerkannter Verletzung von Körper / Gesundheit: 199 Abs. 2 BGB n.F.

Beispiel: Der Kläger ist im Jahre 2002 unerkannt einer zu hohen Strahlenbelastung ausgesetzt. Im Jahr 2008 treten Gesundheitsschäden auf, deren wirkliche Ursache ungeklärt bleibt. Im Jahre 2020 stellen sich die wahren Zusammenhänge heraus.

Ersatzansprüche des Klägers sind nicht verjährt, § 199 Abs. 2 BGB n.F.  Ob der Anspruch mit der unbemerkten Strahlenexposition (2002) oder erst beim Auftreten krankhafter Befunde (2008) entsteht, bedarf keiner Klärung, weil § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB n.F. (10 Jahre ab Entstehung des Anspruchs) für Körperschäden nicht gilt. Beachte: § 199 Abs. 2 BGB n.F. gilt nur für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F. unterliegen, also nicht für Schadensersatzansprüche des Gewährleistungsrechts, deren Verjährung besonders geregelt ist (dazu unten).

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"Andere Verjährungsfristen" (§ 200 BGB n.F.)

Beispiele

Mängelansprüche (§§ 438, 634 a BGB n.F.): Objektive Fristen ab Lieferung der Kaufsache, Abnahme des Werkes (siehe unten) Ansprüche auf dingliche Rechtsänderungen an Grundstücken (§ 196 BGB n.F.): Frist: 10 Jahre; Fristbeginn: Entstehung des Anspruchs (§ 200 BGB n.F.) Herausgabeansprüche aus Eigentum (§ 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.): Frist: 30 Jahre; Fristbeginn: Entstehung des Anspruchs (§ 200 BGB n.F.) Rechtskräftig festgestellte Ansprüche (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F.):Frist: 30 Jahre; Fristbeginn: Rechtskraft der Entscheidung (§ 201 BGB n.F.) Spezialgesetzliche Regelungen außerhalb BGB: § 51 b BRAO, § 68 StBerG, § 51 a WirtschPrO (Frist: 3 Jahre);§§ 439 Abs. 1 Satz 1, 475 a Satz 1 HGB (Frist: 1 Jahr)etc. (Abstimmung mit Neuregelung BGB fehlt).

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[Folie 9] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Aus § 477 BGB a.F. wird ...

Aus 6 Monaten werden ...

Aus der analogen Anwendung des § 477 BGB a.F. auf PVV wird ...

Aus § 478 wird ...

alt neu

... § 438 BGB n.F.

... Zwei Jahre.

... die Einbeziehung der Schadens-ersatzansprüche gemäß § 437 Nr. 3 BGB n.F. in die Verjährung gemäß § 438 BGB n.F.

... § 438 Abs. 4 BGB n.F.

... und es kommt ganz Neues hinzu

Die Verjährung von Mängelansprüchen beim Kauf: § 438 BGB n.F.

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Regelung: 5-Jahresfrist für eine Sache, die „entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat“, § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.

Zweck: Ausräumung der „Verjäh-rungsfalle“ für Handwerker.

Aber: Anwendungsbereich von „Ver-jährungsfalle“ unabhängig.

Die 5-Jahresfrist für Baumaterialien und Bauwerke: § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.

Baumaterialien (Nr. 2 b) Bauwerke (Nr. 2 a)

Übernahme und Erweiterung der BGH-Rechtssprechung zur Anwen-dung von Werkvertragsrecht auf Sachmängelansprüche des Käufers neu errichteter Häuser und Eigen-tumswohnungen.

Keine Beschränkung auf den Kauf neu hergestellter Bauwerke.

Bei „gebrauchten“ Bauwerken Gewährleistungsausschluss auch in AGB möglich.

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Bauwerk i.S.v. § 438 Abs. 1 Nr. 2 b BGB nF

Begründung zum Regierungsentwurf vom 9.5. 2001, BT-Ds. 14/6040, Seite 227 f.:

Hinsichtlich der Frage, ob eine Sache „für ein Bauwerk“ verwendet worden ist, kann auf die zu dem bisherigen § 638 Abs. 1 Satz 1 (künftig § 634a Abs. 1 Nr. 1 RE) entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Danach ist ein Bauwerk eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Erfasst sind nicht nur Neuerrichtungen, sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem bereits errichteten Bauwerk, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden werden (Palandt/Sprau, § 638 Rdn. 9 bis 11). Beim bloßen Austausch einer Badezimmerarmatur beispielsweise liegt demnach keine Verwendung „für ein Bauwerk“ vor. Es bleibt dann bei der allgemeinen Verjährungsfrist für Mängelansprüche von zwei Jahren gemäß der Nummer 3.

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Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln der Sache: §§ 438 Abs. 1, 437 Nr. 3 BGB

n.F.

Beispiel "Druckkessel": Die Verkäuferin stellt Druckkessel her. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt konnte ihr nicht verborgen bleiben, dass das verwendete Material längerfristig den Belastungen nicht standhalten wird. Ein Käufer wird drei Jahre nach Lieferung durch einen explodierenden Kessel schwer verletzt.

Vertragliche Schadensersatzansprüche aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB n.F. sind gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB n.F. verjährt, und zwar auch bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit: Die Sondervorschrift des § 199 Abs. 2 BGB greift insoweit nicht ein, weil der vertragliche Schadensersatzanspruch des Käufers wegen eines Mangels der Sache nicht der regelmäßigen Frist unterliegt. Der Käufer ist ggf. auf unverjährte Deliktsansprüche angewiesen. Canaris ZRP 2001, 336: "durch nichts gerechtfertigte Privilegierung des Verkäufers gegenüber sonstigen Fällen der Schadensersatzhaftung“.

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Schadensersatzanspruch wegen eines Mangels oder wegen einer sonstigen Pflichtverletzung?

"Tankverwechslung-Fall" (BGHZ 107, 249): Ein Mineralölhändler befüllt beim Kunden die jeweils falschen Tanks mit "Super"- und "Normal"-Benzin.

Folgt man der Argumentation des BGH, dass nicht fehlerhaftes Benzin geliefert, sondern bei der Lieferung fehlerfreier Ware die Nebenpflicht zur Befüllung der richtigen Tanks verletzt wurde, so ergibt sich der Schadensersatzanspruch des Kunden nicht aus § 437 Nr. 3 BGB n.F. in Verb. mit § 281 BGB n.F., sondern unmittelbar aus § 280 BGB n.F. Der Anspruch verjährt damit nicht in der objektiven Zwei-Jahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F., sondern kenntnisabhängig (§ 199 Abs. 1 BGB n.F.) in drei Jahren (§ 195 BGB n.F.).  Ob sich die schuldhafte Pflichtverletzung auf einen Mangel bezieht oder nicht, bleibt für die Verjährung weiterhin relevant.  

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Die Einrede der Verfristung von Rücktritt und Minderung:

§ 218 Abs.1 Satz 2 BGB n.F.

Beispiel "Unfallwagen": Im Sommer 2004 stellt sich heraus, dass der im Frühjahr 2002 von V als unfallfrei an K verkaufte Gebrauchtwagen in Wirklichkeit einen Vorunfall erlitten hatte. K tritt vom Vertrag zurück. V beruft sich auf Verjährung.

I. Rücktrittsrecht der K: Vertrag wirksam (§ 311a BGB n.F.) Rücktrittsrecht der K gemäß §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB n.F.

II. Wirksamkeit des Rücktritts: 1. § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.: Nacherfüllungsanspruch der K kann nicht

verjähren, weil gemäß § 275 Abs. 1 BGB n.F. ausgeschlossen (Unfallwagen kann nicht unfallfrei geleistet werden).

 2. § 218 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.: Würde (!) ein Nacherfüllungsanspruch

entgegen § 275 Abs. 1 BGB n.F. bestehen, wäre (!) er gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB n.F. (zwei Jahre ab Lieferung der Sache) verjährt.

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Verjährung von Rückgriffsansprüchen:§ 479 Abs. 2 BGB n.F.

Beispiel (aus der Begründung zum Regierungsentwurf): Ein Unternehmer V hat eine vom Lieferanten L bezogene Sache ein halbes Jahr gelagert, bevor es ihm gelingt, sie an einen Verbraucher K weiter zu veräußern. Kurz vor Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist wendet sich K wegen eines Mangels der Sache an seinen Verkäufer.

Ohne § 479 Abs.2 BGB n.F. wären Ansprüche des V gegen L verjährt, weil mehr als zwei Jahre verstrichen sind, seit V die Sache vom Lieferanten bezogen hat. § 479 Abs.2 Satz 1 BGB n.F. verhindert den Eintritt der Verjährung. V hat nach Erfüllung der Ansprüche des K zwei Monate Zeit, um seine Rückgriffsansprüche gegen L geltend zu machen. Nach dem Zweck der Vorschrift soll die Hemmung der Verjährung nur einem Verkäufer zugute kommen, der Gewährleistungsansprüche des Käufers erfüllt hat. Der Wortlaut des § 479 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. bringt dies nicht angemessen zum Ausdruck (näher Ernst/ Gsell, ZIP 2001, 1389, 1399 f).

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Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln des Werkes

§§ 634a Abs. 1 Nr. 1, 634 Nr. 4 BGB n.F.

Beispiel "Motoryacht": Mangelhaft ausgeführte Reparaturarbeiten an einer Motoryacht führen dazu, dass das Schiff drei Jahre später auf hoher See sinkt. Der Eigner und Auftraggeber überlebt mit schweren Gesundheitsschäden.

Rechtslage bis 31.12.2001:Der Verlust des Schiffes und die Gesundheitsschäden begründen unverjährte Ersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung ("entfernte Mangelfolgeschäden").  Rechtslage ab 01.01.2002:Alle vertraglichen Schadensersatzansprüche wegen der mangelhaft ausgeführten Werkleistung (§ 634 Nr. 4 BGB n.F.) sind gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. (Reparatur = "Veränderung einer Sache") verjährt.

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Arglistverjährung von Mängelansprüchen beim Werkvertrag I

Beispiel: "Dachpfetten-Fall" (BGHZ 117, 318). Infolge grob fehlerhafter Verankerung der Träger eines Flachdaches stürzt ein Teil der Decke des vom Unternehmer errichteten Gebäudes 20 Jahre nach Fertigstellung ein. Der Besteller verlangt Ersatz der Reparaturkosten, der Unternehmer beruft sich auf Verjährung (§ 638 BGB). v

BGH: Grober Organisationsmangel ist "wie Arglist" zu behandeln Verjährungsfrist 30 Jahre (§ 195 BGB a.F.).  Ab 01.01.2002 gilt gemäß § 634a Abs.3 BGB n.F. die "regelmäßige Frist", d.h.:

• 3 Jahre (§ 195 BGB n.F.) ab Schluss des Jahres, in dem Mangel bekannt oder erkennbar wird (§ 199 Abs. 1 BGB n.F.) = (hier) Einsturz der Decke.

• Ohne Kenntnis / grobfahrlässige Unkenntnis: o 10 Jahre ab Entstehung des Anspruchs (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB n.F.) =

für Reparatur der Decke (Mangelschaden) Zeitpunkt der Abnahme des Werkes.

o Maximal 30 Jahre ab Pflichtverletzung (§ 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB n.F.)

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[Folie 18] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Abwandlung "Dachpfetten-Fall" (BGHZ 117, 318). Beim Einsturz der Decke wird ein in der Halle abgestelltes Kfz beschädigt. Der herbeieilende Besteller = Eigentümer wird von Mauerwerk getroffen und verletzt.  Bei Arglist des Unternehmers (§ 634a Abs. 3 BGB n.F.) bleibt die Unterscheidung von Mangelschaden und Mangelfolgeschaden für die Maximalfristen der Verjährung (§ 199 Abs. 2 und 3 BGB n.F.) relevant.

Mangelschaden Mangelfolgeschaden

Eigentum Körper/Gesundheit

§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F.= 10 Jahre ab Entstehung des Anspruchs

§ 199 Abs. 2 BGB n.F.30 Jahre ab Pflichtverletzung

Anspruch entsteht mit Abnahme des mangelhaften Werkes

Anspruch entsteht mit der Verletzung des Eigentums = Beschädigung des Kfz

Frist beginnt mit Abnahme des mangelhaften Werkes

Arglistverjährung von Mängelansprüchen beim Werkvertrag II

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Die neue Abgrenzungsfrage: "Körperliches" oder "unkörperliches" Werk?

Beispiel: "Alarmanlagen-Fall" (BGHZ 115, 32). Ein Juwelier lässt zum Schutz seiner Ausstellungsstücke von der bekl. Fachfirma eine Alarm-anlage planen und installieren. Jahre später gelingt es einem Dieb, den Mechanismus zu überwinden und das Schaufenster auszuräumen. BGH: § 638 BGB a.F. ist nicht einschlägig („entfernter Mangelfolgeschaden“); es gilt § 195 BGB a.F. Der Unternehmer haftet für den Schaden.

Ab 01.01.2002 lässt sich dieses Ergebnis im Hinblick auf § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. nur erreichen, wenn davon ausgegangen wird, dass

• es nicht um die Herstellung oder Veränderung einer Sache geht,

• daher auch keine Planungsleistung hierfür erbracht wird, sondern

• das Sicherungskonzept als unkörperliches Werk einen Fehler aufweist.

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[Folie 20] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Neue Fragen der AGB-Kontrolle bei Verkürzung der Verjährungsfrist für Mängelansprüche

Beispiel: Ein gewerblicher Kfz-Händler verkauft an einen Verbraucher einen Gebrauchtwagen mit der Klausel: "Gewährleistung: 1 Jahr". Klausel wirksam?

• Zeitliche Schranken des § 475 Abs. 2 BGB n.F. gewahrt,

• § 309 Nr. 8b BGB n.F. für Gebrauchtwagen nicht einschlägig.

• Aber: Verstoß gegen § 309 Nr. 7a und b BGB n.F., weil Verkürzung der Verjährung eine "Begrenzung der Haftung" für

Pflichtverletzungen darstellt, die auf einem Verschulden des Verkäufers beruhen (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.!).

Also: Klausel unwirksam (Leenen, JZ 2001, 552, 557 f.; Dauner-Lieb, DStR 2001, 1572, 1576;für geltungserhaltende Reduktion „in der schwierigen Übergangszeit“: Mansel, NJW 2002, 89, 97).

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[Folie 21] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Überleitungsrecht: Grundsätze

Allgemeine Überleitungsvorschrift

Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht

Art. 229 EGBGB § 5

Auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, sind das BGB, das AGBG, das HGB, ... (u.v.a.), soweit nicht ein anderes bestimmt ist, in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzu-wenden.

Art. 229 EGBGB § 6

Die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung finden auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung.

Vor dem 01.01.2002 geschlossene Verträge unterliegen "altem" Recht. Am Stichtag unverjährte Ansprüche aus solchen Altverträgen verjähren – mit Modifikationen - nach "neuem" Recht. Unterschiede in den Fristen Art. 229 EGBGB § 6 Abs. 3 und 4.

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[Folie 22] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Überleitung bei laufenden Fristen I

Neue Frist länger als alte Frist Neue Frist kürzer als alte Frist

Art. 229 EGBGB § 6 Abs. 3

 

Verjährung ist mit Ablauf der "alten" Frist vollendet.

 

Beispiel: Mängelansprüche (neue Frist: 2 Jahre objektiv).

Kaufvertrag vom 31.10.2001, Lieferung am 15.11.2001.

Verjährung von Mängelansprüchen am 15.05.2002 (§ 477 BGB a.F.).

Art. 229 EGBGB § 6 Abs. 4

 

Die neue (kürzere) Frist wird ab 01.01.2002 gerechnet (sofern nicht die "alte" Frist früher abläuft).

Beispiel: Bereicherungsansprüche (neue Frist: 3 Jahre subjektiv).

Anspruch 1999 entstanden und dem Gläubiger bekannt.

Verjährungsfrist ab 01.01.2002 drei Jahre.

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[Folie 23] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Überleitung bei laufenden Fristen II

Art. 229 EGBGB § 6 Abs. 4 Satz 2

Beispiel: Zinsen, geschuldet seit 10.06.1998.

neue Frist = §§ 195, 199 = 3 Jahre

alte Frist = § 197 BGB a.F. = 4 Jahre

Aber: Keine Verlängerung der lau-fenden Verjährung ab 01.01.2002 um 3 Jahre, sondern Ablauf in der alten Frist gem. § 6 Abs. 4 Satz 2.

Neue Frist länger als alte Frist Neue Frist kürzer als alte Frist

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[Folie 24] Professor Dr. Detlef Leenen: Die Neuregelung der Verjährung

Verjährung von Mängelansprüchen aus Altverträgen

Lieferung vor dem 01.01.2002 Lieferung nach dem 31.12.2001

Kaufvertrag vom 31. 10. 2001, Lieferung am 15.11.2001.

Entstehung und Inhalt von Mängel-ansprüchen richten sich nach altem Recht, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.

Verjährung der Ansprüche in der alten (weil kürzeren) Frist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB, also am 15.05.2002 (6 Monate gemäß § 477 BGB).

Kaufvertrag vom 31.10.2001, Lieferung am 15.01.2002.

Entstehung und Inhalt von Mängel-ansprüchen richten sich nach altem Recht, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.

Verjährung in der neuen 2-Jahres-Frist, da Anspruch nach dem Stich-tag entstanden. Ergebnis unbefrie-digend, da legislative Erweiterung des vom Verkäufer zu tragenden Mängelrisikos.