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    IEFINSTITUT FR SYSTEMISCHE ENTWICKLUNG UND FORTBILDUNG

    2013

    Die Kunst der Co-

    Mediation

    Abschlussarbeit im Rahmen der

    Mediationsausbildung am IEF (Institut fr

    Entwicklung und Fortbildung)

    Rafael Kamp

    W W W . I E F - Z H . C H

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    Inhaltsverzeichnis

    1. Vorwort S. 2-4

    2. Die Kunst der Co-Mediation S. 5-6

    2.1. Vorteile der Co-Mediation S. 6-9

    2.2. Gefahren der Co-Mediation S. 9-10

    2.3. Vorbereitung und Training der Co-Mediation S. 10-13

    3. Falldokumentation P S. 14-24

    3.1. Erstgesprch S. 14-16

    3.2. Zweite Sitzung S. 16

    3.3. Dritte Sitzung S. 16-20

    3.4. Vierte Sitzung S. 20-22

    3.5. Fnfte Sitzung S. 22-23

    3.6. Sechste Sitzung S. 23-24

    4. Zusammenfassung S. 25-26

    5. Literaturliste S. 27

    6. Anhang

    6.1. Trennungskonvention a-d

    6.2. Flipcharts mediationsanaloge Konzeptentwicklung A-B

    Zrich, September 2013, Rafael Kamp

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    1. Vorwort

    Schon jetzt ist Vermittlung eigentlich nicht Sache von Juristen, Psychologen, Therapeuten,

    Philosophen oder Managern, sondern von Vermittlern. Auch der Vorteil der Ko-Mediation liegt

    nicht in erster Linie darin, dass zwei oder mehr Berufe sich zusammentun, nur weil jeder von

    seinem Fach her etwas beitrgt. Sie sind alle vom gleichen Fach. Das andere Geschlecht und dieUnterschiede in den Personen sind da wichtiger und knnen Synergien erzeugen, die Vorteile

    bergen (knnen, nicht mssen)(Joseph Duss-von Werdt, 2011, S. 18).

    Diese Arbeit fokussiert auf das Thema Co-Mediation, insbesondere auf die in der

    Scheidungs-Mediation hufig anzutreffende Arbeitssituation der Zusammenarbeit einer

    psychosozialen und einer juristischen Fachperson. Diese Ausgangslage ist zwar blich, jedoch

    durch Beitrge und Verffentlichungen nicht gebhrend reflektiert. Co-Zusammenarbeit ist

    unabhngig vom Kontext, sei dieser beispielsweise eine Mediation oder eine Paarberatung,

    komplex und vielschichtig neben den vermuteten offensichtlichen Synergien sind darinauch Fallstricke und ungenutzte Chancen enthalten.

    In meiner beruflichen Anstellung arbeite ich als Paar- und Familientherapeut ab und zu, und

    als Mediator (bei Trennung und Scheidung) ausschliesslich im Co-Setting. Zudem ist es so,

    dass ich im Einzelsetting als Therapeut und Berater, wo es mir ntzlich erscheint, meditative

    Methoden anwende und dass ich in einer Co-Mediation auch mal therapeutische

    Schlaufen oder therapeutisch orientierte Interventionen wage. Mittlerweile habe ich in all

    diesen Kontexten in sehr verschiedenen Co-Beziehungen gearbeitet.

    Dieser Erfahrungshintergrund ldt zu einer Reflexion auf verschiedenen Ebenen ein:

    - Zusammenarbeit der Co-Mediatoren: Unter welchen Voraussetzungen gelingt eine

    solche Zusammenarbeit, wann wird sie dysfunktional?

    - Auswirkungen des Co-Settings (und dessen Qualitt) auf die Medianten.

    - Vorzge, Nachteile und Chancen der Co-Arbeit.

    - Unterscheiden sich Co-Mediation, Co-Therapie oder Co-Beratung, wenn man von den

    unterschiedlichen Zielsetzungen und Methoden mal absieht? Was ist das

    Wesentliche am Co-Setting?

    - Reflexion der Interdisziplinaritt in der Co-Mediation. Wo und wann ist derGrundberuf gefragt, wann ist er hinderlich, wann ist die gemeinsame Identitt der

    Mediatoren als Mediatoren gefragt?

    - Welche Arten von Co-Mediation lassen sich unterscheiden?

    - Wie kann man Co-Mediation lernen oder verbessern?

    Meine berufliche Sozialisation, welche in dieser Arbeit wie selbstverstndlich zum Tragen

    kommt, sei folgendermassen skizziert:

    Als systemischer Therapeut fhle ich mich in einem Welt- und Menschenbild heimisch, das

    zunchst von Experten oder Spezialisten absieht. Klienten erachte ich als autonom und

    eigentliche Experten ihrer Lebensumstnde. Diagnosen oder Fachtitel sind Konstrukte mit

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    begrenzter Reichweite sie vermitteln eine berechtigte und ntige Sicherheit, indem sie

    Komplexitt reduzieren und ein gewisses Fachwissen in Aussicht stellen, knnen aber auch

    unntigerweise begrenzen und den Blick auf Vernderungsmglichkeiten und Ressourcen

    (der Medianten wie der Mediatoren) begrenzen. Dies geschieht beispielsweise, wenn sich

    eine juristische Mediatorin eine durch die Paardynamik begrndete Hypothese verkneift,weil sie denkt, der Psychologe nebenan wsste schon besser Bescheid, was Sache sei.

    So wie ich es sehe sind das Menschenbild der systemischen Therapieformen und die

    Grundhaltung der Mediation dieselben. Autonomie und Selbstverantwortlichkeit auf Seiten

    der Klienten, sowie Allparteilichkeit und Lsungs- resp. Ressourcenorientiertheit auf Seiten

    der Berater sind wichtige Einstellungen fr den Beratungsprozess. Dabei ist die Mediation

    ein stark durchstrukturiertes und lsungsorientiertes Verfahren die Strukturelemente

    (Visualisierung, Prozessschritte, Gesprchsregeln etc.) sind sinnvoll, weil sich Mediation im

    Kontext eines von den Parteien mehr oder weniger stark und gefhrlich erlebten Konfliktesum Lsungen bemht. Je mehr Gefahr, Verletzung und Affekt, desto mehr Struktur brauchen

    Teilnehmer um lsungsorientiert zu bleiben. Die Frage, wie viel Konfliktbearbeitung oder

    Konflikttransformation in einer Mediation geschehen kann und soll, wird kontrovers

    diskutiert.

    Eine konflikttransformierende Sichtweise betont, dass, wenn ein Konflikt nicht aktualisiert

    wird und mit ihm die dahinter stehende Macht der negativen Gefhle bearbeitet werde, nur

    eine Oberflchen-Beruhigung stattfinden kann. Das Erreichte ist ungeschtzt gegenber

    Neuinszenierungen des alten Konflikts. Das Credo ist hier: Der einzige Weg hinaus fhrt

    hindurch (Thomann, Prior, 2010, S. 42). Erst durch eine sorgsame Bearbeitung der

    Verletzungen, der Krnkungen und der damit verbundenen negativen Gefhle ist der

    Konflikt geklrt und die Parteien knnen sich auch emotional in ihren Beziehungen neu

    orientieren. Wieviel Konfliktklrung in der Mediation mglich sei, wird aber unterschiedlich

    beantwortet. So etwa von Duss-von Werdt: Vermittlung lst primr Probleme, nicht

    Konflikte(2011, S. 45).

    Wir haben es hier mit einem Kontinuum zu tun. Wie viel Konfliktbearbeitung geschehen soll

    und kann, hngt letztlich massgebend vom Auftrag und der Bereitschaft der Klienten ab. Das

    Thema Konflikt ist in diesen Vorbemerkungen zentral, weil es in zweifacher Hinsicht immer

    auch ein entscheidendes Thema der Co-Mediation darstellt. Einerseits ist die gemeinsame

    Beurteilung des Konfliktniveaus der Medianten in der Vorbereitung und in der

    Nachbesprechung durch das Co-Team von Bedeutung. Noch entscheidender sind m.E.

    jedoch die eigene Haltung resp. die individuellen Konditionierungen (die internalisierte

    Konfliktkultur), die die Mediatoren in Bezug zum existenziellen Phnomen Konflikt im

    Laufe ihres Lebens erworben haben. Wird Konflikt als eine transformierende Kraft

    interpretiert oder als eine Strung, als evolutionr oder als destruktiv?1 In der Mediation

    1In der abendlndischen Geistesgeschichte sind diese Positionen gut sichtbar geworden. So z.B. bei Heraklit

    oder Hegel, in deren Denken der Konflikt eher als positives Prinzip fr Vernderung herausgearbeitet wurde.

    Hierzu komplementr die Positionen von Aristoteles, der Konflikt als Strung und negative menschliche

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    stehen wir hufig vor der Frage, wie viel Auseinandersetzung, Streit oder storming fr die

    Medianten und den Verlauf der Mediation konstruktiv sei? Manchmal scheinen die

    Auseinandersetzungen der Medianten notwendig und transformativ zu sein, oftmals aber

    sind sie es nicht. Woran erkennt man den Unterschied?

    Gerade auch im Umgang mit solchen Fragestellungen zeigen sich Strken und Vorteile der

    Co-Mediation, aber es wird auch deutlich, weshalb diese Arbeitsform als anspruchsvoll zu

    gelten hat. Die verschiedenen Mediatoren beurteilen die Ausgangslage der Medianten oft

    unterschiedlich. Nicht nur als Fachpersonen, sondern in erster Linie als Menschen mit

    Gefhlen und einem individuellen emotionalen und kognitiven Sensorium. Reagieren sie auf

    den ihnen prsentierten Streit und die negative Emotionalitt mit Abwehr oder lassen sie

    diesen Raum? Im Austausch untereinander entwickeln die Mediatoren hinsichtlich Konflikt,

    Paardynamik, Bedrfnissen, Fairness, Lsungen etc. eine grssere Perspektiven- und

    Meinungsvielfalt als dies ein einzelner Mediator zu Stande bringt. Diese kann denMediationsprozess bereichern aber auch stren. Der berschuss an Sichtweisen und

    Hypothesen ist dann frderlich, wenn er der Komplexitt der Situation der Medianten

    gerecht wird und diese anregt, Vernderungsmglichkeiten zu nutzen.

    Wenn hingegen die unterschiedlichen Sichtweisen der Co-Mediatoren nicht ausbalanciert

    werden, im Sinne eines Spiels von relativen Bedeutungen, wenn im Gegenteil die

    Mediatoren in eine Konkurrenz um die wirkliche Sichtweise (wie die Medianten sind und

    was sie brauchen und wie die Mediation zu verlaufen hat) geraten, dann ist die vielzitierte

    Modellfunktion, die ein Co-Mediatoren-Paar fr die Klienten haben knnte, gefhrdet.

    Davon wird spter noch genauer die Rede sein. Hier sei festgehalten: Co-Mediation erfordert

    zwischen den Mediatoren hohe Kommunikations- und Beziehungskompetenz

    (Reflexionsbereitschaft, Kritikfhigkeit, Perspektiventoleranz). Von Beginn weg sind die Co-

    Mediatoren nicht nur mit den Medianten unterwegs, sondern auch mit sich auf der

    Beziehungsebene gefordert als ein wie auch immer geartetes Paar. Hiervon handelt diese

    Arbeit.

    Eigenschaft denkt, welche es zu eliminieren gilt, oder spter von Freud der in frhkindlichen Konflikten den

    Ursprung von psychischen Strungen sah (vgl. hierzu: Hanaway, 2012, S. 6ff.).

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    2. Die Kunst der Co-Mediation

    In diesem Abschnitt sollen die Besonderheiten, die Vorzge und Nachteile wie auch die

    weniger offensichtlichen Mglichkeiten der Co-Mediation knapp und dennoch umfassend

    dargestellt werden. Beginnen wir zunchst mit einer schlichten Arbeitsdefinition: Als Co-

    Mediationen sind solche zu verstehen, in denen mehrere Mediatoren resp. Mediatorinnen

    einbezogen sind. Bekannt und verbreitet ist die gemischtgeschlechtliche Co-Mediation im

    Duett in der Trennungs- und Scheidungsmediation. Prinzipiell spricht man jedoch von Co-

    Mediation bei einer Mediatorenzahl von zwei und grsser. Bei Mediationen in grossen

    Teams oder in sehr komplexen und unbersichtlichen Situationen mit mehreren

    Konfliktparteien ist diese Form die Wahl, weil durch sie die gegebene Komplexitt

    regulierbar wird.

    ber die Geschichte der Co-Beratung (-Therapie, -Mediation) kann ich hier nur wenig

    anmerken. Es scheint, dass erst mit dem Aufkommen systemisch-konstruktivistischer

    Paradigmen in der Ausbildung von Beratern oder Therapeuten, der Nutzen von mehreren,

    gleichzeitig mit dem Klientensystem arbeitenden Fachpersonen grundstzlich erkannt und

    professionalisiert wurde. Historische Vorlufer oder Pioniere in der Ko-Therapie waren aber

    schon Adler (1930), Whitaker (1950) und Dreikurs (1950) (vgl. Selvini: in Schweitzer, 1994, S.

    164). In der Gruppentherapie, Familientherapie und Gestalttherapie wurde die Bedeutung

    der gemischtgeschlechtlichen Therapeuten-Dyade (als Eltern- und Paarvorbild) schon frh

    erkannt. Grundstzlicher jedoch und radikaler entwickelte die Systemtheorie Formen der

    Multipersonen-Beratung. Die Systemtheorie (ab den 60er Jahren) wie auch der

    Konstruktivismus betonen, dass Wahrheit oder Sinn immer sozial-kontextuell gebunden,

    perspektivisch (und nicht objektiv) ist. Schon frh hat der bekannte Wegbereiter der

    Systemtherapie, Gregory Bateson, auf die synergetische Vorteile von mehreren Beobachtern

    hingewiesen. Prinzipiell kann eine besondere Tiefe in einem metaphorischen Sinne immer

    dann erwartet werden, wenn die Information fr die beiden Beschreibungen auf

    unterschiedliche Weise gewonnen oder codiert wurde (zit. in: Schweitzer, 1994, S. 168).

    Systemisch-konstruktivistische Erkenntnistheorien markieren eine deutliche Abkehr von der

    Mglichkeit, Wahrheit objektiv festzustellen oder zu diagnostizieren. Die Konsequenz in

    systemisch orientierten Beratungsformen und als erstes wahrscheinlich in derFamilientherapie war daher, die Kontexte und Beziehungsgefge der Klienten zu erfassen

    und deren Komplexitt als Unterschiede die einen Unterschied (Bateson) machen, als

    Muster oder Spielezu verstehen, um Vernderungen zu planen. In einem solchen System

    orientiert sich jeder Teilnehmer mit seinen eigenen Perspektiven (Hypothesen,

    Interpretationen, die als Wahrheiten gelten, Interpunktionen von Beziehung etc.). Um

    mehrere gleichzeitig anwesende Teilnehmer/Klienten umfassend zu verstehen und zu

    beraten, ist folglich eine multiperspektivische Toleranz und allparteiliche Aufmerksamkeit

    angebracht. Diese aufzubringen ist fr einen Berater/Therapeuten ungleich schwieriger als

    fr zwei oder mehrere. Schon seit den 50er Jahren arbeiteten Therapeuten mit demEinwegspiegel, d.h. ein professionelles Team beobachtete in einem separaten Raum das

    Therapiegeschehen hinter einem Spiegel. Heutzutage mag dieses Vorgehen befremden,

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    sieht man diese Situation doch nur noch als Verhrsituation in Filmen. Jedenfalls generierte

    das Team hinter dem Spiegel wohlmeinende und hilfreiche Hypothesen und Beobachtungen

    zur Familie und liess diese dann dem Therapeuten und der Familie in einem zweiten Schritt

    zukommen. Der norwegische Therapeut Tom Anderson experimentierte mit diesem Setting

    und wandelte es dahingehend ab, dass die Familie schon die Diskussion und die Reflektiondes externen Therapeuten-Teams mitverfolgen konnte. Die Ergebnisse waren sehr

    ermuntern und positiv. The family liked it; the interviewer and the reflecting team liked it;

    and everyone we talked to about it liked it. This is how the `reflecting-team ` began

    (Anderson, 1987, S. 1). Das Reflecting-Team gilt heute als Standartinterventionsmglichkeit

    in systemischen Beratungsformen und kann schon von zwei Beratern oder Mediatoren

    durchgefhrt werden. Das Reflektierende Team ist nicht nur eine interessante Methode

    sondern zeigt wohl auch paradigmatisch, wie zwei oder mehrere Therapeuten, Berater oder

    Mediatoren effektiv und kooperativ mit ihren Klienten umgehen knnen und wie durch die

    Vielfalt von Beobachtungen und Ideen positive Vernderungsprozesse angestossen werdenknnen.

    Man mag nun einwenden, dass solche systemisch-konstruktivistischen Erwgungen nicht die

    Grnde sind, warum im Arbeitskontext der Trennungs- und Scheidungsmediation eine

    Mediatorin und ein Mediator zusammenarbeiten. Hauptschlich ist es ja die bentigte

    fachliche Ergnzung von Expertenwissen (aus Recht und Psychologie), die es fr eine

    Institution rechtfertigt, die zustzlichen Gelder zu sprechen. Diese Ergnzung ist unbestritten

    sinnvoll und evident, umfasst aber bei weitem nicht die Strken und Synergieeffekte, die

    eine Co-Mediation ausmachen knnen.

    2.1. Vorteile der Co-Mediation

    Das amerikanische Autoren- und Co-Therapeutenpaar Roller und Nelson reflektierten als

    erste ausfhrlich die Thematik der Co-Therapie (1993). Hess (2003, S. 265) fasst die Vorteile

    der Co-Therapie aus einer systemischen Perspektive zusammen. Wenn man die

    Begrifflichkeiten dieser beiden Beitrge anpasst, gelten diese m. E. mit gewissen

    Einschrnkungen auch fr den Beratungskontext der Co-Mediation. Diez, Krabbe undThomson (2005, S. 187) listen negative und positive Praxiserfahrungen in Co-Mediation auf

    und gehen auch knapp auf deren methodische Varianten ein. Hanaway (2012) informiert fr

    den angelschsischen Raum ber die Vorzge und Eigenheiten einer psychologisch

    orientierten Co-Mediation. Der folgende Katalog von Vorteilen und Nachteilen der Co-

    Mediation ist diesen Arbeiten entnommen, jedoch nicht vollstndig. Die Auswahl gibt

    wieder, was auch ich aus meiner begrenzten Erfahrung als relevant erachte und besttigen

    kann.

    Optimalere Kontakt- und Beziehungsgestaltung fhrt zu besserer Kooperation: DasEinfhlen und Eindenken in die Situation der Medianten (im systemischen Jargon Joining

    und Rapportgenannt) gelingt leichter. Je umfassender die Beziehungsaufnahme erfolgt,

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    desto weniger ist mit Widerstnden oder Blockaden (welche die Beziehung zu den

    Mediatoren betreffen) zu rechnen.

    Gender-Balance: Erwartungsgemss fllt es dem in der Regel gemischt geschlechtlich

    zusammengesetzten Co-Team leichter, genderspezifische Anliegen der Medianten zu

    erfassen und zu bercksichtigen.

    Das Erheben von Bedrfnissen und Interessen geschieht umfassender. Gerade in dieser

    Phase der Mediation (Bedrfnisse und Interessen) ist es von grossem Nutzen, wenn die

    Medianten von beiden Mediatoren Hilfestellungen bei der Ausformulierung ihrer

    tieferliegenden Bedrfnisse und Anliegen erhalten. Das vielzitierte 4-Augenprinzip erweist

    sich gerade auf der Ebene der Gefhle oder der Einfhlung als enorme Ressource. Hier wre

    m.E. eine starre Aufgabenteilung auf Mediatorenseite klar ein Nachteil.2

    Modellfunktion:3

    Die Mediatoren werden von den Medianten nicht nur als beauftragtesFachteam gesehen, sondern auch in ihrer Beziehung zueinander wahrgenommen. Dies

    erffnet vielfltige Perspektiven, die m.E. fr eine Co-Paartherapie nutzbarer sind als fr

    eine Mediation. Die Idee ist hier, dass die Art und Weise, wie das Co-Team Aufgabe, Rollen,

    Meinungsverschiedenheiten oder ganz generell die Kommunikation untereinander reguliert,

    einen Lerneffekt (Modelllernen) auf die Medianten ausbt. Ein co-therapeutisches Team ist

    in seiner Vorbildfunktion Lehrer und Ausbilder in der hohen Kunst zwischenmenschlicher

    Beziehung (Roller, 1991, S.33). Was in einer Paartherapie oftmals das erklrte Ziel darstellt,

    nmlich die Optimierung der Paarkommunikation, scheint in der Mediation als erfreulicher

    Nebeneffekt registriert zu werden. So hren wir von den Co-Mediatoren Birgit Keydel undPeter Knapp (2003, S. 60): Wir hatten schon Mediationsparteien, die uns baten, das

    Flipchart mit den Gesprchsregeln mitnehmen zu drfen, um es fr ein anstehendes

    Gesprch ohne Mediatoren zu verwenden. Die Konflikt- respektive Verhandlungs-

    kompetenz der Mediatoren kann sich durch Lernen am Modell auf die Medianten

    bertragen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es bedeutsam, dass die Mediatoren

    Hypothesen, Meinungsverschiedenheiten, Rollenabsprachen und dergleichen offen vor den

    Medianten verhandeln, in einer egalitren und wertschtzenden Weise. So betont auch

    Hanaway (2012, S. 93): Both co-mediators will have their every move watched by the

    2 Auf diesen Vorteil bei der Erhebung von Bedrfnissen und Interessen wird in der Literatur nicht explizit

    hingewiesen. Mir scheint er jedoch beraus bedeutsam und zentral. Die Phase Interessen/Bedrfnisse ist frMedianten wie Mediatoren gleichermassen anspruchsvoll die Aufgabe der Mediatoren, die Bedrfnisse klarzu erfassen respektive den Medianten diesen Klrungsprozess zu ermglichen, erfordert Feingehr wie auch

    Feingefhl. Oftmals ist ein mehrstufiges Herantasten an das, was eigentlich gemeint sein knnte, notwendig.

    Mediatoren geben das, was sie zu verstehen meinen, als Hypothese den Medianten zurck, diese przisierenoder verneinen, die Mediatoren reformulieren und geben zurck; dieser Abgleichungsprozess wiederholt sich,bis die Medianten sagen knnen ja das ist es. Das genaue Verstehen und Nachvollziehen gelingt den

    Mediatoren immer auch durch Nachvollziehen des Kontextes der Medianten dieses Nachvollziehen wird

    erleichtert, wenn eigene Lebenserfahrungen (als Ressourcen) mit der Situation der Medianten verbunden

    werden knnen. Auch hier punktet das Co-Team, es verfgt beispielsweise ber vielfltigere Gender-,Beziehungs-, Arbeits-, Familien-, Konflikt-, und Trennungserfahrungen.3Dieser Aspekt wird in der besagten Literatur einstimmig genannt, scheint mir jedoch einer zu sein, der am

    erklrungsbedrftigsten ist. Eine Auseinandersetzung damit, wre ein eigenes Arbeitsthema wert.

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    parties. This is one reason why it is important that the mediators have a collaborative

    relationship wich is based on trust and respect for each others differences.

    Korrekturfunktion und Prozessoptimierung: Wenn ein Mediator eine Gefhlsladung4

    (Antipathie oder auch bermssige Sympathie) zu einem Medianten entwickelt, so wird er

    dies vielleicht vordergrndig und aus einer professionellen Haltung heraus verbergen

    knnen, auf para- und nonverbaler Ebene ist dies aber fast unmglich. Es ist ratsam, solche

    Beobachtungen und Gefhlsreaktionen unmittelbar nach der Sitzung mit dem Co-Partner

    auszutauschen und zu erforschen. Dieser kann seinem Kollegen durch korrigierende

    Beobachtungen die den betreffenden Medianten in ein besseres oder auch

    verstndlicheres Licht rcken- wieder eine neutralere Haltung ermglichen. Das

    Controlling von die Medianten betreffenden Gefhlsreaktionen, ist eine entscheidende

    Ressource der Co-Situation. Oftmals wird ein Mediatoren-Paar in der Nachbesprechung oder

    in der Supervision die Erfahrung machen, dass bei der Klrung ihrer Meinungs-verschiedenheiten sich auch etwas vom Konflikt der Medianten wiederspiegelt oder

    abbildet. Diese Einsichten knnen sodann als Hinweise zur Hypothesenbildung in praktisch

    allen Phasen der Mediation genutzt werden. Ein gut eingespieltes und mit sich vertrautes

    Co-Mediatoren-Paar kann sich ad-hoc supervidieren und autokorrigieren. Blinde Flecken

    der Beratenden werden vom Kotherapeuten aufgezeigt und knnen korrigiert werden.

    (Hess, S. 265). Fr einen Mono-Mediator ist eine solche Reflexion und Anpassung ungleich

    schwerer zu leisten.

    Damit sich das Co-Team gewinnbringend gegenseitig justieren kann, mssen die

    Mediatoren einerseits ber gengend Selbstvertrauen verfgen, um sich gegenseitig zu

    konfrontieren, und andererseits die ntige Bereitschaft zur Selbstreflexion mitbringen. Ist

    dies gegeben und nehmen sich die Co-Mediatoren gengen Zeit fr Nach- und

    Vorbesprechungen, so erfllen sie die Voraussetzungen, ihre Allparteilichkeit und den

    Mediationsprozess als Ganzes zu optimieren. Auch schon whrend einer Mediation kann sich

    derjenige Mediator, der gerade emotional aktiv mit einer Partei indentifiziert ist, bewusst

    zurcknehmen (d.h. passiv werden und sich eine emotionale Auszeit nehmen), um seine

    Allparteilichkeit zurckzugewinnen.

    4Mit diesem Punkt verwandt ist das ursprnglich psychoanalytische Konzept der bertragung. Die Situationder gemischtgeschlechtlichen Co-Mediation bietet den Medianten quasi eine ideale Projektionsflche an, umbiographische Erfahrungen an den eigenen Eltern und spteren Partnern zu wiederholen (und um es vorweg zu

    nehmen, Umgekehrtes gilt auch: die Mediatoren werden ebenso eingeladen Erfahrungen mit ihren Eltern

    und ehemaligen Partnern auf die Medianten zu bertragen). Diese Wiederholung oder eben bertragung vonGefhlsreaktionen in der Mediation geschieht nicht bewusst. Hufig drckt sich eine bertragungsdynamik inunerklrlichen Sympathien oder Antipathien gegenber dem Mediator oder der Mediatorin aus und meistens

    wird bertragung wohl auf Seiten der Mediatoren als Strung wahrgenommen (beispielsweise provoziert ein

    Klient die Mediatorin auf subtile Weise) und ldt zur Gegenbertragung ein (dem zeig ichs aber, ich lasse

    ihn leerlaufen). Nun es ist hier sicherlich nicht der Ort, um das bertragungs-Phnomen zu seinemtiefenpsychologischen Ursprung zurck zu verfolgen. Es ist jedoch alltglich und allzu menschlich, als dass man,

    es vernachlssigen drfte. Weil die bertragung die Allparteilichkeit und damit die Beziehung zu den

    Medianten konstant gefhrdet, sollte sie registriert und korrigiert werden.

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    Methodenvielfalt: Mehrere gleichzeitig arbeitende Mediatoren verfgen ber die

    ausgezeichnete Mglichkeit, Methoden zu verwenden, die einem Einzelnen nicht zur

    Verfgung stehen. Hier zu nennen sind paralleles Arbeiten in Untergruppen oder

    gleichzeitige Einzelgesprche, die Mglichkeiten eines Reflecting Teams (Schlippe, 1998, S.

    199f.)

    oder das Gemischte Doppel (Watzke, 1997, S. 31f.). Vorausgesetzt ist natrlich, die Co-Mediatoren sind mit der Methode vertraut. Ist dem so, gilt auch hier: Die in der Co-

    Mediation mglichen Methoden nicht einzusetzen, wre eine vergebene Chance (Keydel,

    2003, S. 59).

    Die Co-Mediatoren profitieren und lernen voneinander: Die Co-Mediatoren lernen nicht

    nur auf einer interdisziplinren Ebene voneinander, sondern auch von ihrer

    unterschiedlichen Kontakt- und Beziehungsgestaltung. Sie wachsen oder co-evolvieren in

    ihrer Beziehung zueinander. Dieser Prozess braucht Zeit, Neugier, Interesse und Wohlwollen

    fr einander. Ein gut arbeitendes Co-Mediatoren-Team gibt sich gegenseitig Wertschtzung,Lob und Anerkennung, aber auch Aufmunterung und Humor in emotional anspruchsvollen

    Situationen.

    Psychohygiene und Wohlbefinden: Letztlich kann die Co-Arbeit durch die interne

    Austauschmglichkeit, die sie bentigt, auch zur Psychohygiene und Burn-out-Prvention

    der Mediatoren beitragen (vgl. hierzu Roller, S. 26f). Die emotionale Belastung in den oft

    schwierigen Situationen und Abschnitten der Mediation kann besser verarbeitet werden.

    2.2. Gefahren der Co-Mediation

    Neben den Vorteilen sei auch auf Gefahren, Risiken oder Stolpersteine in der Co-Mediation

    hingewiesen. Auch hier gibt zunchst Hess (2003, S. 266) prgnante Hinweise, erstaunlich

    deutlich auch Diez, Krabbe und Thomson (2005, S. 187). Bei der Sichtung der vorhandenen

    Literatur berwiegen jedoch die positiven Aspekte. Insbesondere favorisiert Hanaway (2012)

    doch recht vehement die Co-Mediation als eigentliche Form der Mediation in diversen

    Kontexten. Auch die kritischen Aspekte seien hier tabellarisch zusammengefasst:

    Konkurrenz:Die Mediatoren konkurrieren aus welchen Grnden auch immer miteinanderund verlieren dadurch die optimale Entwicklung der Mediation aus den Augen. In der von

    mir gesichteten Fachliteratur wurde dieser Punkt, nebst den hheren Kosten und dem

    grsseren zeitlichen Aufwand in der Vor- und Nachbereitung, weitaus am hufigsten

    genannt. Bei Konkurrenz geht es um Status und Anerkennung, um eine erstrebte

    Selbstwerterhhung. Auch Mediatoren sind durch narzisstische Besttigung verfhrbar und

    manipulierbar. Even if mediators think of themselves being experts in the art of

    cooperation and non-competitive conflict resolution, our inner life is much more dependent

    on applause, admiration and other sources of narcissus confirmation (Fechler, S. 2).

    Tatschlich ist fr ein Co-Setting ein Teilen und Abstimmen der sprachlichen und

    krperlichen Prsenz (und damit der narzisstischen Selbstverwirklichung) der Mediatoren

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    untereinander erforderlich. Insbesondere ist Flexibilitt und gegenseitige Rcksichtname

    erforderlich. Die Freude am spielerische Umgang und Austausch von Hypothesen und

    Perspektiven sollte berwiegen und das Wer hat Recht-Spiel unterminieren, ohne in eine

    konstruktivistische Beliebigkeit auszuarten.

    bervorsichtigkeit: Auch eine Art Schonhaltung der Mediatoren untereinander kann den

    Mediationsprozess behindern, indem beispielsweise wichtige Kurskorrekturen nicht

    angesprochen werden. Das gegenseitige Lernen voneinander, das gegenseitige berprfen

    von Hypothesen oder die Reflexion eigener Gefhlsreaktionen wird dadurch blockiert.

    Vermgen die Co-Mediatoren nicht, sich gegenseitig kritisch zu konfrontieren und zu

    hinterfragen, sind auch Selbsttuschungen als Team mglich. Das Co-Team schliesst sich

    zusammen und hinterfragt Hypothesen nicht mehr, sondern nimmt diese als Wahrheiten hin

    und verteidigt diese womglich hartnckig gegen aussen (vgl. Speed, 1994, S. 191f.).

    Rollenfixierung:Bei einem interdisziplinr zusammengesetzten Mediatorenpaar knnte sich

    die juristische Fachperson auf die Rolle der Einfhrung des Rechts beschrnken oder die

    Fachperson aus dem psychosozialen Bereich fhlt sich einzig und allein fr die

    psychologischen Fragestellungen verantwortlich bzw. erachtet diese gar als ihr

    Hoheitsgebiet. Hier gilt, wie schon oben erwhnt (am Beispiel Bedrfnisklrung als

    Angelegenheit beider Mediatoren), dass wertvolle Ressourcen und Synergien nicht genutzt

    werden, wenn man so praktiziert. Abhilfe schafft eine Rck-Besinnung auf die gemeinsame

    Identitt als Mediatoren. Diese Identitt ist primr, sekundr ist der Heimatberuf.

    Spaltung des Mediationsteamsdurch die Medianten oder Bndnisbildung von Mediator mitMedianten: Hier haben wir es mit den oben schon erwhnten bertragungsphnomenen zu

    tun. Im Hinblick auf die Allparteilichkeit als Grundhaltung in der Mediation sind die

    individuellen Gefhlsreaktionen zu berprfen. Falls dies dem Mediatorenteam in der

    Nachbesprechung nicht gelingt, ist Supervision indiziert.

    2.3. Vorbereitung und Training der Co-Mediation

    Mediatoren, die co-arbeiten wollen, knnen zunchst strukturelle Absprachen undVorbereitungen vor einer Sitzung treffen und ihre Rollen in der anstehenden Mediation

    definieren. Beispiele fr solche Absprachen sind die Aufteilungen in Prozess (ein Mediator

    fhrt das Gesprch und behlt den Prozess im Auge) und Visualisierung (der andere fhrt

    Protokoll oder visualisiert Inhalte an der Flip-Chart), inhaltliche Absprachen und

    Aufteilungen (jemand bernimmt bspw. Fragestellungen, welche die Kinder betreffen, der

    andere solche, die die Paarbeziehung angehen), die Zuweisung kommunikativer

    Verhaltensweisen (jemand verhlt sich eher konfrontativ, der andere sttzend-empathisch)

    oder die Aufteilung von Rolle und Beteiligung orientiert sich - wie schon erwhnt - am

    unterschiedlichen Expertenwissen der Mediatoren (vgl. Diez, Krabbe, Thomson, 2005, S.

    185f.).

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    Solche Absprachen mgen in einigen Fllen durchaus Sinn machen, zu eng sollten sie jedoch

    nicht definiert sein. Sicherlich kann bei einem Ersttermin vorbesprochen werden, wer die

    Einleitung macht und wer oder ob gemeinsam in die Regeln der Mediation eingefhrt wird.

    Auch knnen einzelne Techniken und Methoden vorbereitet werden (vgl. Keydel & Knapp,

    2003).

    Ein Mediatoren-Team muss sich jedoch immer darauf gefasst machen, dass die Sitzung

    komplett anders verluft als geplant. Oftmals mssen die Mediatoren dann ad hoc eine neue

    Strategie finden. Ein erfahrenes und miteinander vertrautes Co-Paar wird sich durch solche

    berraschungen nicht verunsichern lassen und diese intuitiv (z.B. ber Blickkontakt, Mimik)

    oder offen-transparent (durch offene Absprachen) regulieren. Fr ein frisches Co-Team kann

    es hilfreich sein, einen Plan B vorzubereiten oder ein Stoppsignal fr die Flle

    unvorhergesehener Situationen zu vereinbaren. Es gibt aber auch Argumente gegen solche

    Signale. Wir raten von abgesprochenen Zeichen ab, weil sie oft genug schneller von denKonfliktparteien als vom Co-Mediator wahrgenommen und zudem fehlinterpretiert werden

    (Knapp, 2012, S. 72). Ist eine Absprache der Mediatoren notwendig, sollte sie nicht als eine

    Strung oder als Fehler betrachtet, sondern als eine Gelegenheit genutzt werden, ein

    wertschtzendes-kommunikatives Modell live vorzuleben. Die Mediatoren knnen als Team

    vor den Medianten ber den weiteren Verlauf, die Struktur oder auch ber das weitere

    methodische Vorgehen offen und partnerschaftlich diskutieren und danach mit der

    eigentlichen Mediation fortfahren. Einerseits hat sich durch dieses Vorgehen das

    Mediatoren-Team neu abgestimmt, andererseits haben auch die Medianten durch diese

    Intervention einen Nutzen. Bei einer offenen Absprache der Mediatoren, wie die Sitzungweiterverlaufen sollte, knnten die Medianten mitverstehen, dass es nicht um die eine

    richtigeund endgltige Erklrung geht, sondern um eine Vielfalt von Ideen, die helfen, zu

    einer Lsung zu kommen (Knapp, 2012, S. 221).

    Beginnt ein Co-Mediationsteam mit der Zusammenarbeit, so mchte ich im Folgenden einige

    bungen zur Vorbereitung vorschlagen. Ich habe sie, ausgehend von den von Ulrich Lessin

    fr einen co-therapeutischen Kontext vorgeschlagenen bungen, fr den Mediations-

    Kontext abgewandelt (Lessin, 1999, S. 111ff.).

    bung 1 (Anfangsphase, womglich vor der ersten Co-Mediation):

    Die zwei Co-Mediatoren setzen sich gegenber und nehmen Blickkontakt auf. Im ersten Teil

    der bung hat jeder/jede Zeit ca. 5min. darber zu sprechen, was sie dazu bewegt, co-

    mediativ zu arbeiten. Beide hren dem anderen wechselseitig aufmerksam zu, ohne zu

    unterbrechen. In einem zweiten und dritten Teil wiederholt sich der gleiche Ablauf mit

    folgenden Fragen: 2. Was wnsche ich mir in der gemeinsamen Arbeit von meinem Co-

    Partner? 3. Was sind meine Ressourcen (Fachwissen, Vorerfahrungen, menschliche Strken),welche ich in die Co-Arbeit einbringen mchte?

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    Kommentar: Die bung fokussiert bewusst und behutsam auf die Beziehungsebene und

    nicht auf technische Aspekte der Co-Mediation. Sie ermglicht ein erstes Herantasten an den

    anderen und soll gegenseitige Neugier und Austausch anregen.

    bung 2 (Anfangsphase)

    Sich blind vertrauen? Die beiden Co-Mediatoren machen einen Vertauensspaziergang,

    dabei hat der eine Partner die Augen verbunden und wird wortlos vom anderen gefhrt.

    Nachher werden die Rollen gewechselt. Danach folgt ein Austausch anhand folgender

    Fragen: - Woran erkenne ich, dass ich dem anderen vertraue? Welche Verhaltensweisen des

    anderen strken mein Vertrauen in ihn? Welche Erfahrungen aus dieser bung lassen sich in

    den Kontext der Co-Mediation bertragen?

    Kommentar: Nur geeignet fr ein Co-Team welches offen fr Selbsterfahrung dieser Art ist.

    Die bung frdert einen achtsamen Umgang miteinander und Vertrauen in den anderen.

    bung 3 (mittlere bis spte Phase der Co-Zusammenarbeit, das Co-Team verfgt schon

    ber gemeinsame Arbeitserfahrung):

    Die Partner beantworten fr sich folgende (zirkulre) Fragen und schreiben die Antworten in

    Stichworten auf: 1. Welche Gerechtigkeitsvorstellung oder Fairnesskriterien hat mein Co-

    Partner? 2. Welche Vermutungen ber sein Konfliktverstndnis und seinen Umgang mit

    Gefhlen in der Mediation habe ich? 3. Welche Fairnesskriterien, welches

    Konfliktverstndnis und welchen Umgang mit Emotionen in der Mediation attestiert mir

    mein Co-Partner? Wie hoch (auf einer Skala von 0-10) beurteilt er meine Fhigkeit zur

    Allparteilichkeit? Danach erfolgt ein Austausch ber jede dieser Fragen.

    Kommentar: Diese bung fokussiert einerseits auf zentrale Haltungen und Werte in der

    Mediation und ermuntert zu Feedback und Austausch ber Hypothesen.

    bung 4: Mediationsanaloge5Vorbereitung fr ein neues Mediatoren-Paar.

    Die beiden Mediatoren gestalten eine gemeinsame Flipchart mit den je eigenen Themen

    welche fr die kommende Zusammenarbeit in der Mediation fr sie wichtig sind. Das

    Flipchartblatt wird wie blich in der Mitte in zwei Hlften fr jede Partei eine- unterteilt,

    auf der die Themen aufgeschrieben werden. Ist dies gemacht, einigen sich die beiden

    Parteien bei welchem Thema sie beginnen wollen und in welcher Reihenfolge sie diese

    5Diesen Begriff habe ich von Heiner Krabbe bernommen, der bekanntlich eine mediationsanaloge Supervisionund Ausbildung anbietet. Die Bezeichnung hat mich inspiriert den Mediationsprozess auf verschiedene

    Kontexte zu bertragen. So knnen z.B. Arbeitskonzepte (den Aufbau dieser Arbeit habe ich auch

    mediationsanalog erarbeitet) oder Projekte mediationsanalog geplant werden.

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    bearbeiten werden. Den fnf Phasen der Mediation folgend klren sie wechselseitig beim

    anderen zunchst dessen Bedrfnisse/Interessen zu jedem Themenpunkt (auch bei

    identischen) und halten diese auf der Flipchart fest. Sodann sollte ein ausgiebiger Austausch

    ber die verschiedenen Bedrfnisse stattfinden (Window II), insbesondere ber diejenigen,

    die von einer Partei nicht so ohne weiteres nachvollziehbar sind. Danach suchen die beidenMediatoren nach Optionen (in diesem Fall wohl hauptschlich Formulierungen) und

    vereinbaren, was sie davon schriftlich festhalten wollen. Zum Schluss sollte eine Art Codex

    fr die gemeinsame Co-Arbeit schriftlich zur gemeinsamen Unterzeichnung vorliegen.

    Die Mediatoren sind frei, wann sie Fairnesskriterien resp. Gerechtigkeitskriterien (fr die

    Zusammenarbeit im Co-Setting) erarbeiten wollen. Sie sollen diese aber in jedem Fall

    erheben. Falls die Mediatoren bei dieser bung Gesprchsregeln bentigen, ist von einer Co-

    Zusammenarbeit vorerst abzuraten.

    Kommentar: Die bung dient zur Vorbereitung und Klrung eines Arbeitsbndnisses. Es liegt

    auf der Hand, dass dies im Falle einer Co-Mediation auch mediationsanalog erfolgen kann.

    bung 5:

    Jeder der beiden Partner beantwortet fr sich schriftlich folgende Fragen; danach tauschen

    sich die beiden Mediatoren ber ihre Antworten aus: -Wie viel Distanz brauche ich zu

    meinen Klienten, wie viel Nhe will ich zulassen?Wie viel Persnliches von mir sollen meine

    Klienten erfahren?Wie gehe ich mit meinen eigenen Gefhlen in der Mediation um? Wie

    bringe ich meine Hypothesen ins Spiel? Arbeite ich lieber sttzend oder konfrontierend?

    Wie gehe ich mit bertragung um?Wie gehe ich mit Strungen, mit Widerstand um?

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    3. Falldokumentation P

    Die theoretischen berlegungen sollen nun mit einer Falldarstellung verdeutlicht werden.

    Ein authentisches Praxisbeispiel wird natrlich kaum einer komplexen theoretischen

    Fragestellung in allen Facetten gerecht werden knnen. Das Umgekehrte gilt zudem auch,

    die Praxis ist immer komplexer als die Theorie.

    3.1. Erstgesprch

    Soziale Situation:

    Paar P ist verheiratet, beide sind 36, haben 2 Tchter (6 und 4 Jahre alt). Das Ehepaar P lebt

    schon seit Juni 2012 getrennt. Herr P ist ausgezogen. Er arbeitet als Informatiker (100%), sie

    als Juristin (40%, hat Zusatzausbildung in Mediation). Sie wollen eine

    Trennungsvereinbarung erarbeiten.

    Situation Co-Mediation:

    Meine Co-Mediatorin arbeitet frisch mit mir zusammen und ersetzt meine langjhrige Co-

    Partnerin, die ihren Mutterschaftsurlaub bezieht.

    Ablauf der Sitzung:

    Zunchst erfolgt eine Vorstellung von mir und meiner Co-Mediatorin, danach eine

    Einfhrung/ Vorstellung des Ablaufs einer Mediation. Sodann Einstieg mit dem Erarbeiten

    einer Themensammlung.

    1. ThemensammlungHerr P Frau P

    Umgang im Alltag Organisation und Absprachen Sprachregelung gegenber Kindern Trennung Elternebne und

    Beziehungsebene

    Besuchsrecht (Ferien, Feiertage) Unterhaltsbeitrag

    (Ehegattenunterhalt undKinderunterhalt)

    Auto, Wohnwagen, Stellplatz(Aufteilung, Nutzung)

    Informationsaustausch

    Die Medianten entscheiden rasch und unkompliziert zuerst das Thema Unterhalt weiter zu

    verhandeln und ich erklre, um was es in der Phase der Interessen und Bedrfnisse geht.

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    2. Interessen/ Bedrfnisse: Unterhalt

    Folgende Interessen und Bedrfnisse werden festgehalten:

    Herr P Frau P

    Vaterrolle emotional als auch finanziellwahrnehmen

    involviert werden bei wesentlichenEntscheidungen

    faire finanzielle Lsungen (Angst vorfinanziellen Nachteilen)

    Sicherung des Lebensstandards derFamilie nach Mglichkeit

    wesentliche Vernderungen(finanzieller Natur) nicht allein tragen

    Konsequenzen fr die nchstenSteuerrechnungen andenken

    Lsung fr ausserordentliche AuslagenKinder

    Die Window II-Bearbeitung zeigt, dass die Medianten die Bedrfnisse des Partners verstehen

    und gut nachvollziehen knnen. Auch zeigt es sich nun, dass Schritte in die Optionen

    (Unterhalt, Budget) von Frau P schon gemacht wurden, als Juristin besitzt sie das ntige

    Vorwissen und hat eine Vorlage Bedarfs- und Unterhaltsberechnung vom Internet

    runtergeladen und ihre Betrge zusammengestellt. Daraus hat sie auch schon einen

    provisorischen Unterhalt berechnet und ihrem Mann vorgelegt. Diesem erschienen die

    Betrge zwar zu hoch, dennoch leben die beiden seit der rumlichen Trennung diese

    finanzielle Lsung. Wir erklren dem Paar nochmals die grundstzlichen berlegungen und

    die Vorgehensweise bei der Bedarfsberechnung. Wir geben den Medianten zum Schluss derSitzung unsere mehrheitlich verwendete Vorlage mit und regen an, diese als Vorbereitung

    fr die nchste Sitzung auszufllen und die ntigen Unterlagen (Lohnausweise, ev.

    Mietvertrag) mitzubringen. Zum Schluss bestimmen wir den Tarif und mediieren den

    Kostenteiler (50/50). Auch geben wir den Mediationsvertrag zur Durchsicht mit. Wir

    vereinbaren den Folgetermin und verabschieden uns mit einem Kompliment betreffend des

    erfolgreichen Einstiegs in die Mediation.

    Ebene der Co-Zusammenarbeit:

    Die Zusammenarbeit wurde in struktureller Hinsicht nicht vorbesprochen, man knnte von

    einer chaotischen oder ad hoc- Zusammenarbeit sprechen. In der Vorstellung und

    Einleitung haben ich und meine Co-Partnerin uns frei ergnzt. Themensammlung und die

    Phase Interessen/ Bedrfnisse wurden von mir eingefhrt (wobei meine Co-Partnerin

    ergnzte) und danach auch von mir an der Flipchart moderiert, wobei v.a in der Phase

    Interessen/Bedrfnisse auch mein Co sich deutlich einbrachte. Durch die Angaben auf der

    Anmeldung (Intake-Formular welches von einer Kollegin am Telefon ausgefllt wurde)

    haben wir schon gewusst, welche beruflichen Ttigkeiten die Medianten ausben. Der

    Umstand, dass Frau P selbst Juristin und Mediatorin ist, hat meine Co-Partnerin ein wenig

    nervs gemacht und uns mit der Zusatzmotivation versorgt, es besonders gut zu machen.

    Auch war meine Co-Partnerin relativ frisch mit mir zusammen, sie hat meine angestammte

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    Co-Mediatorin in ihrem Mutterschaftsurlaub fr rund 6 Monate ersetzt. Ich war mit unserer

    Zusammenarbeit in der Sitzung vollauf zufrieden. Es ging alles flssig und zgig voran.

    Nachbesprechung: Hypothesen/ Reflektion

    -Herr P verhielt sich in der ersten Sitzung zurckhaltend, Frau P war deutlich dominanter,schneller und initiativer. Der Beruf von Frau P liess sie sicherlich selbstbewusst auftreten, fr

    sie war es schliesslich ein Heimspiel. Dies knnte bedeuten, dass wir hinsichtlich

    Allparteilichkeit, Eigenverantwortung aber auch Tempo die Beziehungsgestaltung zu Herr P

    im Auge behalten mssen.

    -Das Konfliktniveau von beiden ist schwierig einzuschtzen. Die Kooperation und der

    Gesprchston der Medianten in der Sitzung war khl und sachlich. Gut mglich jedoch, dass

    die Emotionen noch kommen. Wir haben auch die Vermutung, dass Herr P in einer neuen

    Beziehung ist.

    -Mir fllt auf, dass Herr P eher weiche oder im weitesten Sinne kommunikative Themen

    formuliert, wohingegen Frau P eher sachliche artikuliert. Dies passt so gar nicht ins Stereotyp

    des Informatikers. Die sanfte und ruhige Art von Herrn P und die bestimmte und sachliche

    Erscheinung von Frau P lassen mich auch Hypothesen ber die Beziehungs- und

    Konfliktdynamik der beiden bilden. Die beiden sprechen definitiv verschiedene Sprachen.

    3.2. Zweite Sitzung:

    Wir unterzeichnen zunchst den Mediationsvertrag. Danach erarbeite ich mit denMedianten Fairnesskriterien, resp. Gerechtigkeitsvorstellungen. Ich habe diesen Schritt mit

    meiner Co-Mediatorin kurz vor der Sitzung abgesprochen. Der Beweggrund hierzu bei mir

    war, dass ich die Medianten noch mehr spren und erfassen wollte.

    Herr P Frau P

    Gleichmssiges Verteilen vonverschiedene Ressourcen (Zeit, Geld,Rechte u. Pflichten)

    Gegenseitiges Verstndnis fhrt zuAkzeptanz

    In einem nchsten Schritt erstellen wir an der Flipchart die Budget-Aufstellung. (vgl. Flip).

    Dafr brauchen wir fast die ganze Sitzung, obwohl sich die Medianten auf die Sitzung mit

    unserer Vorlage vorbereitet haben. Immer wieder gibt der eine oder andere Betrag Anlass

    zur Diskussion. Dennoch eine undramatische Sitzung.

    3. 3. Dritte Sitzung

    Das Paar hat in der lngeren Pause (6 Wochen) an der Unterhaltsfrage

    (Budget/Bedarfsberechnung) weitergearbeitet. Sie haben die eher knappe Kalkulation des

    Budgets erweitert und sich zudem auf einen Unterhaltsbetrag seitens des Mannes einigen

    knnen. Am Vorabend zur heutigen Sitzung jedoch kam es wegen einer Korrektur (100.-) zu

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    einer "Verstimmung", die wir jedoch zu Beginn der Sitzung aushandeln knnen, sodass das

    Budget und der Unterhalt als vereinbart gilt. In einem nchsten Schritt einigt sich das Paar,

    den Themenpunkt Betreuung Kinder anzugehen. Ich fasste hier die Themenpunkte

    Organisation/Absprachen (Herr P) und Besuchsrecht (Frau P) zusammen nachdem ich

    nachgefragt und das Einverstndnis der Medianten eingeholt habe. Die Medianten meinenmit zwei verschiedenen Bezeichnungen eigentlich das Gleiche, nmlich die Betreuung und

    den Umgang mit den Kindern. Whrend dieser Phase gerieten die bis zu diesem Zeitpunkt

    der Mediation eigentlich sehr ruhigen Medianten jedoch heftig aneinander, insbesondere

    Frau P war emotional sehr aufgebracht. Offensichtlich war Herr P bereits in einer neuen

    Beziehung und die neue Partnerin hatte schon einige Male Umgang mit den Kindern. Die

    Gesprchsatmosphre in diesem Abschnitt der Sitzung war sehr emotional und hitzig. Wir,

    das Co-Team, waren berrascht nach drei relativ ruhigen, sachlichen und flssigen Sitzungen

    mit solch einer Strung konfrontiert zu sein.

    Folgende Bedrfnisse wurden erhoben:

    Herr P Frau P

    mchte einbezogen werden weiter wichtige Rolle als Vater

    einnehmen

    Stabilitt (Sicherheit) fr Kinder imjeweiligen Zuhause

    (Kontakt der Kinder zur neuen Partnerin istjedoch fr Frau P ein Problem. Sie mchte,dass diese keinen Kontakt zu den Kindernhat. Ich starte an diesem Punkt eine

    psychoedukative Schleife (Dauer ca. 20min.) Spontaneitt und Flexibilitt soll Platz

    haben.

    Sicherheit und Vertrauen frdern (4.Sitzung)

    Zunchst usserte Herr P die obigen zwei Bedrfnisse, danach erklrte Frau P, dass es ihr

    wichtig wre, dass die Kinder Stabilitt und Sicherheit im jeweiligen Zuhause erfahren. Dies

    wre nmlich in letzter Zeit nicht der Fall, die Tchter kmen jeweils ziemlich durch den

    Wind vom Papi-Wochenende nachhause. Eine Tochter htte sie tatschlich gefragt, ob dieFrau beim Papi nun ihre neue Mutter sei. Und sie mchte nicht, dass die neue Freundin mit

    den Kindern Umgang hat. Ungefhr hier eskalierte das Gesprch. Um den Gesprchsverlauf

    zu regulieren setzte ich zu einem lngeren psychoedukativen Exkurs an. Wenn man selber

    spricht, mssen die anderen schliesslich Ruhe geben. Ich legte mich dabei ganz schn ins

    Zeug und nach der Sitzung war ich denn auch sprbar mde. In meinen Erklrungen

    versuchte ich einerseits, die Situation zu normalisieren (Einfhrung neuer Partner in

    Patchwork-Konstellationen ist immer wieder eine Herausforderung), andererseits versuchte

    ich, die Lage von Frau P empathischzu wrdigen (sie htte das schwierige Los und wre mit

    einer emotional sehr anspruchsvollen Situation konfrontiert, sie und nicht die anderen).Danach beleuchtete ich die Situation der Kinder; was brauchen diese, um mglichst optimal

    mit dieser Situation umzugehen. Hier folgte der Hinweis, dass neue Partner den Kindern in

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    einer kindgerechten Weise als neuer Freund oder neue Freundin vorgestellt werden sollten.

    In einer Art die verdeutlicht, dass es sich bei der neuen Partnerin nicht um eine Ersatzmami

    handelt sondern dass der leibliche Elternteil immer Elternteil bleibt (dieser Hinweis war an

    Herrn P gerichtet). Sodann versuchte ich zu zeigen, in welchen Loyalittskonflikt Kinder

    geraten knnen, wenn sie mit neuen Partnern ihrer getrennten Eltern zu tun haben. Und wiees diesen hilft, wenn sie vom anderen Elternteil die Erlaubnis erhalten, sich auf diesen

    neuen Partner beziehen zu drfen. Letztendlich habe ich durch meinen bemhten Vortrag

    auch eine Umdeutung (reframing)der Situation (Kinder haben ein Problem mit der neuen

    Partnerin) in eine Entwicklungsaufgabe (ich als erwachsene Person muss mich der Situation

    stellen, dass mein Ex eine Neue hat; eigentlich habe ich primr ein Problem damit und nicht

    die Kinder) im Sinn gehabt. Meine Annahme hier ist, dass erst mit einer solchen

    Vernderung der Sichtweise ein aktiver Bewltigungsprozess bei Frau P in Gang kommt. Ob

    diese Neurahmung angenommen wurde oder nicht, ist schwierig zu beurteilen. Wie dem

    auch sei, jedenfalls war nach diesem Exkurs die emotionale Energie verpufft. Ich war mde,Frau P auch, Herr P sass recht entspannt im Sessel und meine Co-Mediatorin blickte

    nachdenklich. Erstaunlicherweise formulierte Frau P dann noch ein Bedrfnis (Spontaneitt

    und Flexibilitt). Danach schlossen wir die Sitzung.

    Nachbesprechung:

    Auch meine Co-Partnerin war von der Eskalation in dieser Sitzung berrascht worden. Sie

    fragte sich, ob der Umgang mit neuen Partnern, insbesondere ein Kontakt-Verbot mit

    diesem, berhaupt verhandelbar sei. Zu meiner psychoedukativen oder therapeutischen

    Schlaufe meinte sie kritisch, dass es sich wie aus dem Lehrbuch anhrte, aber sie zweifle, ob

    dies bei Frau P angekommen sei. Gefhlsmssig wre Frau P nicht abgeholt worden. Diese

    wre schliesslich berechtigterweise wtend oder verzweifelt, weil Herr P schon eine Neue

    hat. Die Co-Mediatorin fragte sich sodann, wieso sie als Frau der Mediantin nicht mehr

    emotionale Untersttzung gegeben habe. Sie fhlte sich in gewisser Weise schuldig, weil ich

    Frau P so viel zugemutet habe und sie Frau P nicht empathisch untersttzt htte. Die Co-

    Mediatorin schlgt vor, diesen Fall zu supervidieren. Ich begrsse dies, zumal wir gerade am

    Tag darauf einen Supervisionstermin haben, bei dem wir Flle einbringen knnen.

    Exkurs Supervision:

    Kurzbeschrieb der Methodik dieser Supervision: Mediationsanaloge Supervision,Teilnehmer fungieren in erster Linie als Reflecting Team und formulieren nach derausfhrlichen Fallprsentation Hypothesen auf drei Ebenen (a: zum Paar, b: zummethodischen Vorgehen, c: ber uns als Mediatoren ). Die supervidierten Mediatorennehmen aus der Perspektiven und Hypothesenvielfalt heraus, was sie fr angemessen undzutreffend empfinden.

    Codewort: Patchwork & Verhandelbarkeit

    Unsere Fragestellung: Umgang mit Verboten und Tabus (in der Mediation).

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    Hypothesen (aus der Mediationsgruppe)a) zum Paar:-Wissen und Unwissen des Paares produziert Phantasien-Zeit resp. Entschleunigung begnstigt Verhandelbarkeit des Themas-Wenn Parteien ber ihre ngste sprechen knnen, kommen weitere Bedrfnisse ans

    Tageslicht-Frau formuliert Bedrfnisse der Kinder und noch nicht ihre als Mutter-auch Vater traut sich nicht, seine Bedrfnisse auszudrcken-Kinder fhlen sich verantwortlich, Verantwortung wird auf die Kinder verschoben-Frau hat in der Beziehung die Macht gehabt-Umdeutung knnte vom Paar angenommen worden sein, aber vielleicht von der Frau nuran der Oberflche im Sinne einer Anpassung-der Mann fhlt sich noch nicht kompetent als Vater, ist nur zu 40% Vater-Thema sind nicht die Kinderb) zur Methode:

    -Vermischung von Kompetenzen knnte Mediation in Gefahr bringen, Umgekehrtes giltauch (nicht Einbringen von Kompetenzen)-Schlaufe ist risky, htte auch in die Hose gehen knnen-Mediation hat schon viel in Bewegung gebracht-Einfhrung von psychologischem Know-How kann eine Ressource sein-Psychoedukation war v.a fr die Frau, knnte eine Schwchung fr sie bedeuten(Indexklientin)-das Verbot ist eine normale zulssige Position-es gibt keine unverhandelbare Themenc) ber uns als Mediatoren

    -Der Vater hat in den Mediatoren ein gutes Sprachrohr gefunden-der Mediator ist zum Stellvertreter des Vaters geworden. Er steht fr dessen Anliegen inder Beziehung-Geflle zwischen dem Paar hat auch ein Gewichtungsgeflle bei den Mediatoren erzeugt-Vorteile von einem mnnlichen und weiblichen Mediator werden genutzt-das Mediatorenpaar muss seine Haltungen hinterfragen und austauschen-Ko-Absprachen whrend der Mediationssitzung sind frderlich und kreativ

    Lernerfahrung aus der Supervision:Mir hat vor allem eingeleuchtet, dass ich zum Vertreter des Mannes in dieser

    Konfliktsituation mutierte. Ich wurde ein Stckweit sein Sprachrohr in einer Situation, woer eigentlich Positionen gegenber dem von Frau P gewnschten Kontaktverbotentwickeln und einbringen msste. Einerseits habe ich ihm damit Arbeit abgenommen(oder gar eine Entwicklung in Richtung Selbstbehauptung seinerseits blockiert), anderseitshaben wir als Co-Mediatoren-Team den Konflikt ein Stck auf unsere Arbeitsbeziehungbertragen. So macht sich meine Co-Partnerin fr die nachvollziehbaren Affekte (Wut,Eifersucht, Angst) von Frau P stark und ich nehme konfrontierend Stellung fr dieZumutbarkeit der Situation und die Autonomie von Herrn P.Dass eine Umdeutung nur oberflchlich von Frau P angenommen wurde, quasi aus einemimpliziten normativem Druck heraus, halte ich ebenfalls durchaus fr mglich. Im

    Nachhinein wre eine abwartende Haltung oder die Arbeit an den Bedrfnissen oder auchngsten der Medianten selbstverstndlich auch eine Strategie gewesen. Eine solche httewomglich falls sie nicht destruktiv verlaufen wre- im Sinne einer tieferen

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    Konfliktbearbeitung gewirkt. Hier ist dann wieder die Ermessens-Frage im Raum, wie vielKonfliktklrung in einer Mediation sinnvoll sei.

    Letztlich hoffe ich, dass mein Input sich so hnlich wie ein Reflecting Team auf dieMedianten ausgewirkt haben knnte und diese einfach das herausnehmen, was ihnen

    richtig und angemessen erscheint. Zudem erachte ich den Einwand meiner Co-Mediatorin,dass die Gefhle von Frau P zu wenig Raum hatten, fr berechtigt. Hier bin ichaufgefordert, meine emotionale Allparteilichkeit zu berprfen. Ich frage mich auch, wiedie Sitzung verlaufen wre, wenn mein Co die Gefhlsseite von Frau P angesprochen undgespiegelt htte. Womglich htten die Medianten aus diesen beiden Perspektiven, meinereher systemisch-kognitiven und der empathischen meiner Partnerin, mehr Modell-Anregungen fr einen konstruktiven Umgang mit diesem Problem bekommen.Quintessenz dieser Supervision war fr mich und mein Co, dass wir vereinbarten, dasThema Kontaktverbot in der Folgesitzung erneut anzusprechen und die Medianten

    nochmal offen ber diesen Punkt verhandeln zu lassen.

    3.4. Vierte Sitzung

    Ich thematisiere zu Beginn der Sitzung den Input aus der Supervision. Ich betone, dass meine

    Erklrungen zur Situation der Kinder in Patchwork-Situationen und der Einbezug von neuen

    Partnern zwar gut gemeint waren, ich aber nicht sicher sei, wie mein Beitrag bei Frau P

    angekommen sei. Insbesondere htte der Eindruck entstehen knnen, ich htte ihr das

    Verbot (Umgang der Kinder mit der neuen Partnerin) mit meinen Erluterungen quasi

    ausreden wollen. Frau P besttigt sodann, dass ihr von meiner Seite in der letzten Sitzung

    viel zugemutet wurde, spielt dies aber auch herunter mit der Aussage "sie dachte, das sei

    eben typisch Mann." Aber es ging ihr nach der letzten Sitzung nicht so gut. In der

    Zwischenzeit (4-5 Wochen seit der letzten Sitzung) htte sich die Situation aber verbessert,

    es wre mehr Ruhe eingekehrt, die Kinder wren nicht mehr so verunsichert. Auf meine

    Frage (auf die Flipchart Bedrfnisse hinweisend), ob ich jetzt doch noch dieses Verbot oder

    das Bedrfnis dahinter aufnehmen soll, relativiert sie, "ja so absolut wrde sie das nicht

    meinen". Es ginge eben darum, dass Herr P mehr auf die Situation und die Anliegen der

    Kinder eingehen solle. Die Kinder bruchten mehr Sicherheit und Vertrauen an den

    Wochenenden. So einigen wir uns darauf, dass das Bedrfnis/ Interesse mit "Sicherheit undVertrauen frdern" aufgefhrt werden soll. Irgendwie ist das Thema des Verbotes vom Tisch,

    es geht im weiteren Verlauf mehr um die elterlichen Kompetenzen von Herrn P. Ich stoppe

    nach einigen Minuten das freie Gesprch und frage nochmals nach, ob die Bedrfnisse/

    Interessen auf der Flipchart komplett wren, oder ob ihnen noch etwas einfllt. Beide

    verneinen. Sodann leite ich Window II ein mit der Anregung, doch mal auf die andere Seite

    zu schauen und sich zu berlegen, welche Bedrfnisse sie dort verstehen (diese wrde ich

    sodann rot unterstreichen), welche sie ein wenig verstehen (diese wrde ich sodann

    gestrichelt unterstreichen) und welche sie berhaupt nicht nachvollziehen knnen (diese

    wrde ich gar nicht unterstreichen). Es zeigt sich, dass sie jeweils alle Bedrfnisse der andernPartei verstehen knnen. Ich rege sodann an, beim Partner nachzufragen, wenn noch Fragen

    oder Unklarheiten zu einzelnen Bedrfnissen bestnden. Frau P hat eine Frage zum Punkt

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    "weiterhin wichtige Rolle als Vater einnehmen": Das lge doch an ihm und nicht an ihr, er

    htte es doch in der Hand? Schon meint Herr P, aber er msse auch in Entscheide ein

    bezogen werden und als Vater bercksichtig werden.

    Zusammenfassend betone ich, dass - da sie praktisch jedes Bedrfnis des anderen

    nachvollziehen knnen - Herr und Frau P auch gute Voraussetzungen haben, um zu diesem

    Themenpunkt gute konkrete Vereinbarungen, Lsungen oder eben Optionen zu finden. Mit

    diesem Statement fhre ich in die Phase der Optionen ber.

    Herr P Frau P

    Nachfragen Elterngesprche Wnscht sich derzeit Infos (Kinderbetreffend) per mail

    Die Medianten fhren in der Folge eine offene Diskussion darber, wie ber wichtige

    Belange oder auch die Verfassung der Kinder informiert werden sollte. Hier zeigt sich: Herr P

    hat ein grsseres Bedrfnis ber die Kinder Informationen zu erhalten als umgekehrt. Dies

    liegt auf der Hand, da er den Lebenszusammenhang der Kinder nach der Trennung nicht

    mehr teilt. Er ist auf den Good-Will von Frau P angewiesen. Sie wiederum findet, sie

    mchte derzeit keine Treffen wegen Absprachen, sie wolle dies per Mail machen. Ich stelle

    eine Frage in die projizierte Zukunft: In 5 Jahren, wenn dies alles Schnee von gestern ist, wie

    tauschen Sie sich dann ber die Kinder aus?Frau P sagt zwar "sicher entspannter, dann

    knnen wir -wenn alles gut luft- wieder miteinander reden." Danach relativiert sie diese

    Aussage jedoch wieder und meint, es wre schwierig, sich zum jetzigen Zeitpunkt diesvorzustellen.

    Die Sitzung neigt sich dem Ende zu und ich leite den Abschluss ein. Ich fasse zusammen, was

    heute in der Mediationssitzung lief: Viel Austausch ber die elterliche Zusammenarbeit

    (Themenpunkt: Trennung Elternebene-Beziehungsebene, Organisation und Absprachen,

    Informationsaustausch, Besuchsrecht). Ich betone, dass dieser Austausch wichtig war, dass

    jedoch noch mehr konkrete Optionen denkbar wren. Wir geben die Hausaufgabe, auf das

    nchste Mal noch daran zu arbeiten, was sie konkret zu diesem Punkt in der Konvention

    festgehalten haben wollen. Ganz zum Schluss hole ich ein Feedback zur heutigen Sitzung ein:

    Wie fhlen Sie sich, wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf (Tempo)?Herr P findet, in der

    letzten Sitzung wre mehr gegangen - von ihm aus knnte es zgiger gehen. Es wren aber

    wichtige Themen von ihm besprochen worden. Frau P findet, sie fhle sich gut und besser

    als nach der letzten Sitzung. Fr sie knnte es aber auch schneller vorwrts gehen. Sie hat

    auch noch ein neues Thema, welches sie deponiert haben mchte: Ihr berufliches

    Fortkommen. Sie htte sich vermehrt Gedanken gemacht, wie sie sich beruflich

    weiterentwickeln mchte. Ich ergnze das entsprechende Flip um dieses Thema.

    Nachbesprechung

    In der Nachbesprechung entwickle ich mit meiner Co-Mediatorin unterschiedliche

    Hypothesen zu diesem Punkt. Diese findet Aussagen aus der Supervision besttigt, die

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    Aussage etwa, Herr P wre erst zu 40% in der Vaterrolle angekommen. Er nehme die

    Vaterrolle wenig aktiv war. Ich halte es fr mglich, dass es bei diesem Punkt eher um die

    Qualitt der elterlichen Zusammenarbeit geht. Ich registriere auch einige subtil abwertende

    und disqualifizierende Bemerkungen seitens Frau P zur vterlichen Kompetenz von Herrn P.

    Auch ich finde Aussagen aus der Supervision besttigt, wonach Frau P die Beziehungsmachthatte. Zudem traut sie Herrn P als Vater eigentlich wenig zu (tatschlich vielleicht nur 40%)

    und auch ich denke, Herr P sollte sich hier selbstbewusster zeigen; er wartet quasi bis ihm

    Frau P die Kompetenz zuspricht. Ich hre bei ihm auch ngste oder Befrchtungen heraus,

    Frau P knne seinen Kontakt zu den Kindern limitieren und er msse deshalb akzeptieren,

    was sie ihm anbietet (z. b. bei der konkreten Planung der Wochenenden). Er nimmt an

    diesem Punkt tatschlich eine abwartend-passive Haltung ein, die aber nicht in einer

    Unfhigkeit oder in einem fehlenden parentalen Engagement begrndet zu sein scheint,

    sondern eher in einer erzieherischen Vormachtstellung von Frau P.

    3.5. Fnfte Sitzung

    Vorbesprechung: Meine Co-Mediatorin schlgt vor, mit den Medianten eine Grobstruktur

    des Konventionsentwurfs an der Flipchart zu mediieren. Wir reagieren damit auf die

    Tempownsche (Rckmeldung am Schluss der letzten Sitzung) der Medianten. Zunchst

    holen wir jedoch die HA (Optionen zur Betreuung Kinder) ein. Es kommen jedoch keine

    neuen Vorschlge fr Optionen. Meine Co-Mediatiorin moderiert schliesslich an der

    Flipchart einen Konventionsentwurf in Stichworten. Dies funktioniert ganz gut und wir haben

    bis zum Ende der Doppelstunde praktisch alle Hauptpunkte und Unterpunkte zusammen.

    Stolpersteine waren jedoch:

    Der Persnlicher Verkehr resp. direkte Absprachen zw. den Eltern v.a. Ferienplanung:Wie konkret und wann soll die Ferienorganisation beginnen?

    Eine allfllige Absichtserklrung betreffend Austausch auf der Elternebene: Hierdriften die beiden Anliegen auseinander. Herr P mchte umfassend informiert und

    einbezogen sein. Frau P mchte aber nicht verpflichtet sein, ihn nach seinem Gusto

    zu informieren. Ihre Haltung pendelt zwischen Pragmatik und Widerstand. Dieser

    Punkt wird ja als Absichtserklrung zur Elternzusammenarbeit formuliert sein. Frau P

    gibt klar zu verstehen, dass es hierbei nicht um einen juristisch durchsetzbaren Punkt

    geht, sondern eben nur um eine Absichtserklrung.

    Frau P bringt noch ein, dass sie, wie schon in der letzten Sitzung erwhnt, einwichtiges Thema hat: Fortbildung (sie mchte sich zum Fachanwalt weiterbilden und

    somit auch ihre Anstellungsmglichkeiten verbessern). Dabei schwebt ihr vor, dass

    dies aus der gemeinsamen Errungenschaft finanziert wird. Wir machen uns

    berlegungen, wie wir dies in die Konvention einbauen knnten (Rckstellung im

    Budget, ein Und-Konto fr Rckstellungen etc.). Letztlich wird der Punkt aber nicht zu

    Ende gedacht.

    Zum Schluss der Sitzung stelle ich Kontroll-Fragen und fordere die Medianten auf zu prfen,

    ob die Skizze der Konvention auch alle ihre Themen beinhaltet und ob sie ihren

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    Fairnesskriterien entspricht oder ob Kurskorrekturen ntig wren. Herr P merkt an, dass sein

    Themenpunkt Sprachregelung gegenber Kindernnoch nicht so befriedigend gelst wre.

    Er wre einerseits unter Punkt 4 drin, jedoch sei es in letzter Zeit schon zu Umgehungen

    gekommen. Es sei zu Situationen gekommen, wo die Kinder schon in einer gewissen Weise

    informiert gewesen seien, er aber nicht. Ich biete den beiden an, in einer nchsten Sitzungdiesen Themenpunkt nochmals zu vertiefen.

    Hypothesen zum Schluss der Sitzung:

    Ich tausche per mail meine Hypothesen mit meiner Co-Mediatorin aus. Der Themenpunkt

    Umgang mit den Kindern ist noch unausgegoren, es sind zu wenig Optionen fr diesen

    Themenpunkt entwickelt worden. In einer nchsten Sitzung knnten wir dies

    nachverhandeln. Zwar bekunden beide Elternteile kein Interesse an einer eigentlichen

    Elternvereinbarung, dennoch scheinen aber v.a. fr Herrn P diesbezgliche Regelungen noch

    zu fehlen.

    Eine vertiefende Klrung des Themas Elternkommunikation oder gemeinsame Elternschaft

    wrde womglich wieder tiefer in das Konfliktgeschehen fhren und die Mediation vom

    schnellen Kurs und absehbaren Ende (in 1-2 Sitzungen) wegfhren. Andererseits knnte eine

    Konfliktklrung auf dieser Ebene eine nachhaltigere Optimierung der gemeinsamen

    nachehelichen Elternschaft begnstigen.

    Die Mglichkeit bestnde, nach Abschluss der Mediation, eine solche Elternberatung

    anzubieten. Die Motivation seitens Frau P schtze ich aber tief ein.

    Vielleicht war die Erarbeitung eines Konventionsentwurfs ein wenig vorauseilend. Mit dem

    expliziten Eingehen auf das Thema von Herrn P (Trennung von Beziehungsebene und

    Elternebene) knnte nochmals eine Auseinandersetzung angestossen werden. Am besten

    scheint mir, wenn ich die Medianten zu Beginn der nchsten Sitzung frage, ob wir dies tun

    sollen.

    3.6. Sechste Sitzung

    Abschlusssitzung: Im Vorfeld der Sitzung habe ich mit der Co-Mediatiorin die Vertiefung

    einer Konfliktklrung im Hinblick auf eine optimalere elterliche Zusammenarbeit nach der

    Trennung diskutiert. Wir haben diese Mglichkeit dann zu Beginn dieser Sitzung

    angesprochen. Das Paar ist jedoch nicht darauf eingestiegen. Insbesondere Frau P hat

    deutlich gemacht, dass sie einfach nur abschliessen mchte, damit sie fr die nchste Zeit

    Ruhe hat. An einer erneuten Auseinandersetzung mit der Gefahr, dass alter Streit neu

    aufbricht, ist sie nicht interessiert. Herr P meint, dass es schon ein paar "heisse Eisen" gebe.

    Vorher hat er noch eingebracht -er hat dieses auch in einem Telefonat vor der Sitzung mit

    mir angesprochen, ob es nicht sinnvoll wre, gleich eine Scheidung zu machen. Davon

    mchte Frau P nichts wissen, sie mchte auch keine Grnde angeben, wieso. Wir einigen unsdarauf, dass der Konventionsentwurf (diesen haben die Medianten im Vorfeld dieser Sitzung

    per Mail erhalten) nun zu Ende korrigiert werden sollte. Wir przisieren einige Details. Beim

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    Punkt 5. Vermgensrechtliche Anordnung (Rckstellungen aus dem Vermgen) fr die

    zuknftige Ausbildung von Frau P, flammt nochmals ein kleiner Streit auf. Frau P signalisiert,

    dass sie Herrn P nicht traut, was die Finanzen angeht. Letztlich meint sie aber doch, dass sie

    zu diesem Punkt keine spezielle Abmachung wnscht und Herrn P nun einfach vertraut, dass

    er das gemeinsame Vermgen nicht verantwortungslos ausgibt. Auf die Idee meiner Co-Mediatorin, die Konten - wo mglich und sinnvoll - doch einfach aufzuteilen, mchte Frau P

    auch nicht mehr eingehen, sondern einfach abschliessen. Wir versprechen die besprochenen

    Korrekturen in der Konvention anzubringen, und ihnen diese zur Durchsicht zuzusenden.

    Falls dann keine Przisierungen mehr notwendig sind, werde ich den Medianten drei

    Exemplare auf offiziellem Briefpapier zur Unterschrift zukommen lassen. Ein

    unterschriebenes Exemplar werden sie fr die Akten an mich retournieren. Wir

    verabschieden uns mit einigen Komplimenten fr die gelungene Konvention und den

    erfolgreichen Abschluss der Mediation.

    Nachbesprechung: Die Co-Mediatorin und ich klopfen uns wechselseitig verbal auf die

    Schultern. Wir freuen uns und sind stolz auf das Resultat. Der Abschluss dieser Mediation

    bedeutet auch fr uns als Co-Team einen Abschied, denn meine angestammte Co-

    Mediatorin ist aus dem Mutterschafturlaub zurck. Ich spreche meiner Kollegin meinen

    Dank aus und hoffe, dass wir vielleicht in Zukunft wieder einmal zusammenarbeiten knnen.

    Ich finde, wir waren ein sehr fhiges Team, dass sich gut ergnzt hat, sich aber auch kritisch

    hinterfragen konnte.

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    4. Zusammenfassung:

    Co-Arbeit ist, was die Beziehungsebene der Mediatoren untereinander anbelangt, hoch

    anspruchsvoll.

    Schon meine Erluterungen zu den Vor- und Nachteilen der Co-Mediation verdeutlichten,dass sich Co-Mediatoren zueinander immer zwischen den Polen Vertrauen und

    Konfrontation bewegen und dabei eine lebendige Balance finden mssen. Nur durch

    gegenseitiges Vertrauen werden sie ihre Andersartigkeit in eine Synergie transformieren

    knnen und nur durch Dialog und Konfrontation werden sie fhig, zu lernen und zu wachsen,

    um als Co-Mediatoren der Komplexitt und Unberechenbarkeit des Prozessverlaufs einer

    Mediation Rechnung tragen zu knnen. Es erstaunt nicht, dass diese Balance fr jede

    Beziehung, insbesondere auch fr eine gelingende Paarbeziehung, wesentlich ist. Dieses

    Gleichgewicht ist im seltenen Fall von Anbeginn gegeben, sondern muss erarbeitet und

    sodann gepflegt werden.

    Ich denke, im oben dargestellten Praxisbeispiel hat diese Balance gut funktioniert obwohl

    die Co-Mediatoren keine oder nur wenig Arbeitserfahrung miteinander teilten.

    Die Interdisziplinaritt im Co-Team (juristisches und psychosoziales Fachwissen) ist zunchst

    eine Erleichterung fr die Co-Mediatorenes minimiert die Mglichkeit von Konkurrenz und

    weist jedem sein vertrautes Gebiet zu, was zunchst den Sicherheitsbedrfnissen der

    Mediatoren entgegenkommt. Wie im theoretischen Teil (Rollenfixierung) erwhnt, ist jedoch

    damit auch die Gefahr verbunden, dass empathische Ressourcen, Genderhypothesen undtransformative Hypothesen nicht voll genutzt werden. Im Praxisbeispiel wurde deutlich, wie

    die juristische Co-Mediatorin wertvolle psychologische Hinweise, kritische Hypothesen und

    auch empathische Wahrnehmungen in den Prozess einbrachte und damit die Mediation

    positiv mitgestaltete. Je grsser der Stellenwert der Konflikttransformation in einer

    Mediation ist, desto wichtiger erscheint mir dieser Aspekt. Das Tiefen-Niveau der

    Konfliktklrung wurde im Praxisbeispiel durch die Medianten bestimmt, dies wird vor allem

    durch die Interventionen in der 5. und 6. Sitzung deutlich. Die Medianten erreichten damit

    nach 6 Sitzungen eine gut genug-Lsung, ohne dabei alle Konflikte gelst zu haben.

    Zur Bedeutung und Folgewirkung einer therapeutischen Schlaufe (hier Psychoedukation

    mit einer impliziten Umdeutung), wie sie in der dritten Sitzung erfolgte, mchte ich

    Folgendes anmerken. Meines Erachtens hat sich diese Intervention nicht negativ auf die

    Mediation ausgewirktobwohl sie riskant war. Sie war riskant, weil ich damit der Mediantin

    wie auch meiner Beziehung zu ihr, viel zumutete. Gnstig war sicherlich, dass ich meine

    Erklrungen aus der Position des Psychologen und Kinderpsychologen deklarierte. Der Sache

    frderlich war wahrscheinlich auch, dass bis zu nchsten Sitzung einiges an Zeit (6 Wochen)

    lag. Die Aussage von Frau P in der nachfolgenden Sitzung (sie fhlte sich nach der Sitzung

    schlecht und ich htte ihr viel zugemutet) kann - muss aber nicht - als Annahme derUmdeutung (sie muss damit fertig werden) und auch als eine angemessenere

    Trennungsverarbeitung (bittere Pille) angesehen werden. Wichtig war auch hier die

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    selbstkritische Nachbesprechung mit meiner Co-Mediatorin. Durch diesen Zwischenschritt

    habe ich meine eher spontan erfolgte Intervention reflektieren knnen. In der Supervision

    erhielten wir darber hinaus, wichtige Anregungen, um die Mediation achtsam weiter zu

    fhren.

    Was zwischen den Mediatoren wachstumsfrdernd istdie Balance zwischen Vertrauen und

    Konfrontation - erscheint mir auch im Verhltnis des Mediators zu den Medianten zentral zu

    sein. Was mute ich den Klienten zu und auf welcher Basis des Vertrauens tue ich dies? Die

    achtsame Gestaltung der Beziehungspole Nhe/Vertrauen und Distanz/Differenz ist letztlich

    im ganzen Beziehungsraum einer Mediation von entscheidender Bedeutung.

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