Die Innere Burg

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  • 8/14/2019 Die Innere Burg

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    Teresa von Avila

    Die innere Burg

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    Andr Rademacher

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    KAPITELREGISTER(Das Kapitelregister steht nicht im Originalmanuskript. Es stammt wohl von einemKopisten und wurde als Orientierungshilfe fr den Leser schon in die Erstausgabe von1588 aufgenommen.)

    DIE ERSTE WOHNUNG

    Erstes Kapitel: Darin von der Schnheit und Wrde unserer Seelen die Rede ist. Die Autorin gebraucht ein Gleichnis zum besseren Verstndnis und spricht von demGewinn, den es bringt, wenn man dies versteht und die Gnadenerweise kennt, die wirvon Gott empfangen. Sie erklrt, warum die Pforte dieser Burg das Gebet ist.Zweites Kapitel: Das zeigt, was fr ein hlich Ding eine Seele ist, die in Todsndelebt, und berichtet, wie Gott jemandem davon eine Ahnung schenken wollte. Auchhandelt es von der Selbsterkenntnis. Es ist ntzlich zu lesen, denn es enthlt einige bemerkenswerte Punkte. Die Autorin erklrt, wie man diese Wohnungen sichvorzustellen habe.

    DIE ZWEITE WOHNUNG

    Einziges Kapitel: In dem davon die Rede ist, wie sehr man der Beharrlichkeit bedarf,um zu den letzten Wohnungen zu gelangen; welch heftigen Kampf der Satan einemdabei liefert und wie ratsam es ist, am Anfang nicht vom Wege abzuirren, wenn manans Ziel gelangen will. Die Autorin nennt ein Mittel, das sich bei ihr als uerst

    wirksam erwiesen hat.

    DIE DRITTE WOHNUNG

    Erstes Kapitel: Darin die Rede ist von der geringen Sicherheit, die wir haben knnen,solange wir in dieser Verbannung leben, sei unser Stand auch noch so erhaben, undwie ratsam es ist, immer in Furcht zu wandeln. Es enthlt einige gute Punkte.Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Darstellung der Drrezeiten im Gebetund der Folgen, die sie nach Meinung der Autorin haben knnen. Weshalb es ntig ist,da wir uns prfen. Die Prfungen, denen der Herr diejenigen unterzieht, die sich in

    diesen Wohnungen befinden.

    DIE VIERTE WOHNUNG Erstes Kapitel: Das von dem Unterschied handelt, der zwischen den Freuden undRhrungen beim Gebet und den Wonnen besteht. Die Autorin spricht von derBefriedigung, die es ihr gewhrte, als sie begriff, da das Denken und der Verstandnicht dasselbe sind. Es ist ntzlich fr den, der sich beim Gebet leicht zerstreut.Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Durch ein Gleichnis wird erklrt, was

    Wonnen sind und wie man sie erlangt, ohne sich darum zu bemhen.Drittes Kapitel: Darin dargelegt wird, was ein Gebet der Sammlung ist, das der Herrmeist vor der bisher besprochenen Gebetsweise schenkt. Die Autorin erklrt dessen

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    Wirkungen und die Folgen des vorhin besprochenen Gebets, mit dem zusammen dieWonnen geschildert worden sind.

    DIE FNFTE WOHNUNG

    Erstes Kapitel: Die Autorin beginnt davon zu reden, wie im Gebet die Seele sichvereint mit Gott. Sie sagt, woran zu erkennen sei, da es keine Tuschung ist.Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Die Autorin erklrt das Gebet derVereinigung durch ein feines Gleichnis; sie spricht von den Wirkungen, die es in derSeele hinterlt. Dieses Kapitel ist sehr beachtenswert.

    Drittes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Die Autorin spricht von einer anderenArt der Vereinigung, welche die Seele durch die Gunst Gottes erlangen kann, und sagt,welche Bedeutung die Nchstenliebe dabei hat. Dieses Kapitel ist sehr ntzlich.Viertes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen, wobei die Autorin diese Gebetsweisenoch genauer erklrt. Sie sagt, wie wichtig es ist, bedachtsam vorzugehen, weil derSatan groen Scharfsinn aufwendet, um die Seele vom eingeschlagenen Wegeabzubringen.

    DIE SECHSTE WOHNUNG Erstes Kapitel: Wie die Leiden zunehmen, wenn der Herr grere Gnaden zu verleihen beginnt. Die Autorin nennt einige dieser Leiden und schildert, wiediejenigen, die schon in dieser Wohnung sind, sich dabei verhalten. Dieses Kapitel ist

    gut fr jene, die innerliche Leiden zu bestehen haben.Zweites Kapitel: Es handelt von den verschiedenen Weisen, auf die unser Herr dieSeele erweckt. Es scheint, da es dabei nichts zu befrchten gibt, obwohl es sehrerhabene Geschehnisse und groe Gnadenbeweise sind.

    Drittes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Die Autorin spricht von der Art undWeise, in der Gott zur Seele redet, wenn es ihm beliebt, und rt, wie man sich dabeiverhalten soll. Nicht dem eigenen Gutdnken darf man folgen. Sie gibt einige Zeichenan, die erkennen lassen, ob es eine Tuschung ist oder nicht. Dieses Kapitel ist vongroem Nutzen.Viertes Kapitel: Es spricht davon, wie Gott die Seele im Gebet aufhebt mit einerVerzckung, Ekstase oder Entrckung - was nach meiner Meinung ein und dasselbe ist- und welch groen Mutes es bedarf, um solch groe Gnaden von Seiner Majestt zuempfangen.

    Fnftes Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Es wird dargestellt, wie Gott die Seeledurch einen Geistesflug in anderer Weise erhebt, als es bisher geschildert worden ist.Die Autorin nennt verschiedene Grnde, warum dabei Mut erforderlich ist. Sie erklrtmanches an dieser Gnade, die der Herr auf wunderbare Weise schenkt. Dieses Kapitel

    ist von groem Nutzen.Sechstes Kapitel: Darin die Rede ist von einer Wirkung jener Gebets weise, ber dieim vorigen Kapitel gesprochen worden ist. An ihr lt sich erkennen, da es Wahrheit

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    und keine Tuschung ist. Die Autorin spricht noch von einer anderen Gnade, welcheder Herr der Seele erweist, um sie zu seinem Lobe anzuregen.Siebtes Kapitel: Die Autorin spricht davon, wie sehr die Seelen, denen Gott diegenannten Gnaden erweist, von der Erinnerung an ihre Snden gepeinigt werden. Sie

    sagt, welch groer Irrtum es wre, nicht wieder und wieder die Menschlichkeit unseresHerrn und Erlsers Jesus Christus uns zu vergegenwrtigen, seine Passion, sein Leben,seine glorreiche Mutter und die Heiligen. Dieses Kapitel ist sehr ntzlich.Achtes Kapitel: Darin wird dargestellt, wie Gott durch eine intellektuelle Vision sichder Seele mitteilt. Die Autorin gibt dazu einige Hinweise. Sie nennt die Wirkungen, diesich zeigen, wenn es eine Vision ist. Sie empfiehlt, diese Gnaden geheimzuhalten.Neuntes Kapitel: Wie der Herr durch eine bildhafte Vision sich der Seele mitteilt. Die Autorin rt dringend, man mge sich vor dem Wunsch hten, auf diesem Wegegefhrt zu werden. Sie nennt dafr einige Grnde. Dieses Kapitel ist sehr ntzlich.Zehntes Kapitel: Die Autorin spricht von weiteren Gnaden, die der Herr der Seeleerweist; von der anderen Weise, in der dies geschieht, und vom groen Nutzen, dendie Gnaden hinterlassen.Elftes Kapitel: Die Autorin spricht von einem Verlangen, das Gott der Seele eingibt,von einer Sehnsucht, sich seiner zu erfreuen, die so gro, so heftig ist, da die Seele indie Gefahr gert, das Leben zu verlieren. Auch wird gesagt, welch groen Nutzen diesevom Herrn gewhrte Gnade bewirkt.

    DIE SIEBTE WOHNUNG Erstes Kapitel: Es handelt von groen Gnaden, die Gott den Seelen erweist, die so weit gelangt sind, da sie in die siebte Wohnung eintreten drfen. Die Autorin sagt, weshalb ihrer Meinung nach zwischen der Seele und dem Geist ein gewisserUnterschied besteht, obgleich beide eines sind. Dieses Kapitel enthlt bemerkenswerteDinge.Zweites Kapitel: Fortsetzung des Begonnenen. Die Autorin spricht von demUnterschied, der zwischen der geistlichen Vereinigung und der geistlichenVermhlung besteht. Sie erklrt es mit feinen Vergleichen. Drittes Kapitel: Es handelt von den groen Wirkungen, die das besprochene Gebethervorruft. Man mu sie aufmerksam betrachten; denn der Unterschied zu denWirkungen der frheren Gebetsweisen ist bewundernswert.Viertes Kapitel: Die Autorin schliet ihre Darlegungen, indem sie erklrt, was nachihrer Meinung unser Herr erstrebt, wenn er der Seele solch groe Gnaden erweist, undwarum es ntig ist, da Martha und Maria beisammen bleiben. Dies zu lesen ist vongroem Nutzen.

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    JHS

    Wenige Dinge, die mir der Gehorsam geboten hat, sind mir so schwer gefallen wie jetztdie Aufgabe, ber das Gebet zu schreiben. Einmal, weil ich nicht den Eindruck habe,

    da der Herr mir dazu Geist oder Lust verleiht; und zum anderen, weil ich schon seitdrei Monaten ein solches Drhnen und eine solche Schwche im Kopfe fhle, da ichselbst die unumgnglichen Schreibarbeiten nur mhsam erledigen kann. Doch da ich wei, da die Kraft des Gehorsams Dinge zu bewltigen pflegt, die unberwindlicherscheinen, so entschliet sich der Wille, es gern und mit herzlichem Eifer zu tun, auch wenn es der Natur hart anzukommen scheint. Denn der Herr hat mir nicht sovielTugend verliehen, da der Kampf mit der stndigen Krankheit und Beanspruchungenvieler Art ausgefochten werden knnte ohne heftigen Widerspruch der eigenen Natur.Mge Er es tun, der andere, schwierigere Dinge vollbracht hat, um mir seine Gnade zuerweisen, und auf dessen Erbarmen ich vertraue.

    Ich glaube zwar, da ich nicht viel mehr zu sagen wei, als ich bei anderenGelegenheiten, da man mir zu schreiben befahl, schon gesagt habe. Ich frchtevielmehr, da es fast das gleiche sein wird; denn es geht mir genau wie den Vgeln, dieman das Sprechen lehrt: sie knnen nichts anderes sagen, als was man ihnenbeigebracht hat oder was sie gehrt haben, und wiederholen es ein ums andere Mal. Will der Herr, da ich etwas Neues sage, so wird Seine Majestt es mir geben, oder

    wird er sich damit begngen, mir das ins Gedchtnis zu rufen, was ich frher gesagthabe. Ich wre auch damit zufrieden; denn ich habe ein so schlechtes Gedchtnis, daes mich freuen wrde, einiges wieder zu finden, von dem man behauptet hat, es sei gutausgedrckt gewesen - fr den Fall, da es verloren gegangen sein sollte. Wenn derHerr mir auch dies nicht gewhren sollte, so wird es mir dennoch ein Gewinn sein, umdes Gehorsams willen mich abzumhen und meine Kopfschmerzen zu mehren, selbstwenn meine Worte zu gar nichts ntze wren. Und so beginne ich denn heute, am Tagder Allerheiligsten Dreifaltigkeit des Jahres 1577, hier im Kloster des heiligen Josephvom Karmel in Toledo, wo ich derzeit weile, diese Pflicht zu erfllen, mich in allem, was ich sage, dem Urteil derer unterwerfend, die mir zu schreiben befohlen haben, welches Personen von hohem Wissen sind. Sollte ich etwas sagen, was nicht demGlauben der heiligen rmisch-katholischen Kirche entspricht, so geschieht es ausUnwissenheit und nicht aus bser Absicht. Dessen kann man so gewi sein, wie essicher ist, da ich durch Gottes Gte ihr immer ergeben bin und es sein werde und esstets gewesen bin. Ihm sei Ruhm und Ehre in Ewigkeit, Amen.

    Der mir zu schreiben befohlen hat, sagte mir, da die Nonnen in diesen Klstern

    Unserer Lieben Frau vom Karmel jemanden brauchten, der ihnen einige Zweifelwegen des Gebets zerstreue.

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    Da er den Eindruck habe, da Frauen die Sprache von ihresgleichen am bestenverstehen, wren meine Worte - bei der Liebe, die sie fr mich hegten - ihnen wohl amdienlichsten. Er sei daher der Meinung, da es nicht belanglos wre, wenn es mir

    gelnge, dazu etwas zu sagen. Mit dem, was ich im Folgenden schreiben werde, wendeich mich also an sie. Und da der Gedanke, es knne fr andere Personen vonirgendwelcher Bedeutung sein, tricht erscheint, so wird mir unser Herr Gnade genugerweisen, wenn meine Worte einer dieser Nonnen dazu dienen, Ihn ein wenig mehr zuloben. Seine Majestt wei wohl, da ich nach nichts anderem strebe, und meineSchwestern werden ohne Zweifel erkennen, da es nicht mein Werk ist, wenn etwasdavon treffend ausgedrckt sein sollte, es sei denn, sie htten so wenig Einsicht, wie ichTalent fr dergleichen Dinge besitze, falls der Herr es mir nicht schenkt in seinerBarmherzigkeit.

    DIE ERSTE WOHNUNG

    ERSTES KAPITEL

    Wie ich heute unseren Herrn anflehte, er mge durch mich reden - weil ich nichts zusagen fand und nicht wute, wie ich mit der Erfllung dieser Aufgabe beginnen sollte -,da bot sich mir dar, was ich nunmehr sagen und als Fundament gebrauchen mchte:nmlich unsere Seele als eine Burg zu betrachten, die ganz aus einem Diamant odereinem sehr klaren Kristall besteht und in der es viele Gemcher gibt, gleichwie imHimmel viele Wohnungen sind. Denn wenn wir es recht betrachten, Schwestern, so ist

    die Seele des Gerechten nichts anderes als ein Paradies, in dem der Herr, wie er selbstsagt, seine Lust hat. Nun, was meint ihr, wie wohl die Wohnstatt sein mag, in der einsolch mchtiger, weiser und reiner Knig, der so reich an Gtern jeglicher Art ist, sichergtzt? Ich finde nichts, mit dem sich die groe Schnheit einer Seele, ihre Weite undihre hohe Befhigung vergleichen liee. Und wahrlich, unsere Einsicht und unser Verstand - so scharfsinnig sie sein mgen - reichen schwerlich aus, sie zu begreifen,genauso wenig wie sie Gott sich auszudenken vermgen; denn er selbst sagt, da eruns schuf nach seinem Bilde. Ist dies wirklich so - und es ist so -, dann brauchen wir

    uns nicht abzumhen in dem Verlangen, die Schnheit dieser Burg zu erfassen.Obgleich zwischen ihr und Gott der Unterschied besteht, der den Schpfer trennt vomGeschpf - da sie ja etwas Erschaffenes ist -, so gengt doch das Wort Seiner Majestt,

    INDEX

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    da sie nach seinem Bilde geschaffen ist, um die groe Wrde und Schnheit der Seeleuns als kaum fassbar erscheinen zu lassen.Nicht wenig Elend und Verwirrung kommen daher, da wir durch eigene Schuld unsselber nicht verstehen und nicht wissen, wer wir sind. Erschiene es nicht als eine

    schreckliche Unwissenheit, meine Tchter, wenn jemand keine Antwort wte auf dieFrage,wer er ist, wer seine Eltern sind und aus welchem Lande er stammt? Wre dies ein Zeichen viehischen Unverstands, so herrschte in uns ein nochunvergleichlich schlimmerer Stumpfsinn, wenn wir uns nicht darum kmmerten, zuerfahren, was wir sind, sondern uns mit diesen Leibern zufriedengben und folglichnur so obenhin, vom Hrensagen, weil der Glaube es uns lehrt, davon wten, da wireine Seele haben. Aber welche Gter diese Seele in sich bergen mag, wer in ihr wohntund welch groen Wert sie hat, das bedenken wir selten, und darum ist man so wenigdarauf bedacht, ihre Schnheit mit aller Sorgfalt zu bewahren. All unsere Achtsamkeitgilt der rohen Einfassung, der Ringmauer dieser Burg, das heit: den Krpern.Denken wir uns also, da diese Burg - wie ich schon gesagt habe - viele Wohnungenhat, von denen einige oben gelegen sind, andere unten und wieder andere seitwrts,und da sie ganz innen, in der Mitte all dieser Wohnungen, die allerwichtigste birgt: jene, wo die tief geheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der Seele vor sich gehen.Es ist ntig, da ihr auf dieses Gleichnis achtet. So Gott will, kann ich euch damit etwas von den Gnaden verstndlich machen, die Gott nach seinem Belieben den Seelenverleiht, und von den Unterschieden, die zwischen ihnen bestehen (soweit dies nach

    meinem Verstndnis mglich ist; denn alle zu verstehen, vermag niemand, somannigfaltig sind sie; und schon gar nicht jemand, der so armselig ist wie ich). Dennwenn der Herr euch solche Gnaden erweisen sollte, wird es fr euch ein groer Trostsein, zu wissen, da dies mglich ist; und fr die, denen dies nicht widerfhrt, wird esein Grund sein, seine groe Gte zu loben.

    Es schadet uns ja nicht, darber nachzusinnen, was im Himmel ist und was die Seligengenieen, vielmehr freut es uns und spornt uns an, dasselbe zu erlangen, was siegenieen - und genausowenig wird es uns schaden, wenn wir sehen, da schon hier in

    der Verbannung dieser Welt ein solch groer Gott sich mit Wrmern abgeben kann,die voll blen Geruches sind, und da eine so vollkommene Gte, ein solchunermeliches Erbarmen uns liebt.

    Wem die Erkenntnis der Mglichkeit, da Gott diese Gnade hier in der Verbannunguns erweist, schaden sollte, dem mte es - davon bin ich fest berzeugt - sehr anDemut und Nchstenliebe fehlen. Denn wie sollten wir uns sonst nicht darber freuen,da Gott diese Gnaden einem unserer Brder erweist (was ihn ja nicht hindert, sie

    auch uns zu erzeigen) und da Seine Majestt ihre Gre offenbart, an wem sie nun will? Manchmal wird der Herr es ja allein zu dem einen Zwecke tun, seine Gresichtbar zu machen (wie er es sagte, als er dem Blinden das Augenlicht schenkte und

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    die Apostel Ihn fragten, ob dieser wegen seiner eigenen Snden oder wegen derSnden seiner Eltern erblindet sei). Er tut es also nicht, weil diejenigen, denen ersolche Gnaden erweist, heiliger wren als die anderen, denen er sie nicht erweist,sondern darum, da man seine Gre erkenne (wie wir es am heiligen Paulus und an

    der Magdalena sehen) und da wir ihn preisen in seinen Geschpfen.Man knnte nun sagen, diese Dinge erschienen unmglich, und es sei gut, denSchwachen kein rgernis zu geben. Doch es ist weniger verloren, wenn dieseZaghaften nicht glauben, als wenn diejenigen um den Gewinn gebracht werden, denenGott solche Gnaden erweist und die sich darber freuen und dadurch ermuntert werden, ihn mehr zu lieben, der soviel Barmherzigkeit erzeigt, obgleich seine Machtund Herrlichkeit so gro sind. Das sage ich mit umso grerer Gewiheit, als ich wei,da bei denen, mit welchen ich rede, diese Gefahr nicht besteht; denn sie wissen undglauben, da Gott noch grere Zeichen der Liebe vollbringt. Auch wei ich, daniemand, der hieran nicht glaubt, es aus eigenem Erleben erfhrt; denn Gott liebt essehr, da man seinen Werken keine Schranke setzt. Und darum, Schwestern, mgetihr, die der Herr nicht auf diesem Wege fhrt, nie in solchen Unglauben verfallen.

    Doch kehren wir zu unserer schnen, beglckenden Burg zurck, und schauen wir, wiewir hineingelangen knnen. Es scheint, als sagte ich einen Unsinn; denn wenn dieseBurg die Seele ist, so ist doch klar, da man nicht hineingehen mu, da man ja selbstdie Burg ist. Genauso nrrisch erschiene es, wenn man jemandem sagte, er mge in ein

    Zimmer gehen, in dem er sich bereits befindet. Doch ihr mt verstehen, da zwischenDarinnensein und Darinnensein ein groer Unterschied besteht. Es gibt viele Seelen,die sich im Wehrgang der Burg aufhalten - also dort, wo die Wachen stehen - unddenen nichts daran gelegen ist, ihre inneren Anlagen zu betreten. Sie wissen nicht, wasan diesem wundervollen Ort zu finden ist, noch wer darin weilt, ja nicht einmal, was frGemcher die Burg umschliet. In manchen Andachtsbchern habt ihr gewi schonden Rat vernommen, die Seele mge in sich gehen. Damit ist genau dasselbe gemeint.Ein groer Gelehrter sagte mir unlngst, die Seelen ohne Gebet glichen einemgelhmten, bewegungsunfhigen Krper, der zwar Hnde und Fe besitze, ihnen

    aber nicht gebieten knne. Und wahrlich, so ist es. Es gibt Seelen, die so krank sind, diesich so daran gewhnt haben, in ueren Dingen befangen zu sein, da es vlligundenkbar erscheint, sie knnten jemals in sich gehen. Denn es ist ihnen schon so zurGewohnheit geworden, stndig mit dem Gewrm und Viehzeug umzugehen, das ringsum die Burg sich regt, da sie schon fast ebenso tierisch geworden sind, obwohl sie vonNatur aus so reich begabt und fhig sind, mit keinem Geringeren als Gott selber zureden. Bemhen sich diese Seelen nicht, ihr Elend zu begreifen und ihm abzuhelfen,so mssen sie zur Salzsule erstarren, weil sie den Blick nicht zurck auf sich selber

    richten (wie es - umgekehrt - dem Weibe des Lot geschah, weil es zurckschaute).Nach meiner Erfahrung sind das Gebet und die Andacht das Tor, durch das man dieBurg betreten kann. Damit meine ich das mndliche Gebet nicht minder als das Gebet

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    im Geiste; denn um Gebet zu sein, bedarf beides der Ehrfurcht und Andacht. EinGebet, bei dem man nicht darauf achtet, mit wem man redet und was man erbittet, werder Bittsteller ist und wer der Angeflehte, das nenne ich kein das nenne ich kein Gebet,mag man dabei auch noch so viel die Lippen bewegen. Wird manchmal, auch wenn

    man nicht mit dieser Aufmerksamkeit dabei ist, dennoch ein Gebet daraus, so nurdeshalb, weil man bei anderen Gelegenheiten die ntige Andacht aufgebracht hat. Doch wenn jemand gewohnt ist, mit der Majestt Gottes so zu reden, als spreche er mitseinem Sklaven, ohne darauf zu schauen, ob er unrecht rede, sondern einfach sodaherschwatzt, was ihm in den Mund kommt und was er von frher auswendig wei,so halte ich das fr kein Gebet, und Gott verhte, da irgendein Christ es dafr halte.Ich hoffe auf Seine Majestt, Schwestern, da dies unter euch nicht geschehe; denn ihrseid es ja gewohnt, euch mit innerlichen Dingen zu befassen. Das ist ein recht gutesMittel, um nicht in solchen Schwachsinn zu verfallen.

    Doch wir wollen nicht mit diesen lahmen Seelen reden, die sich in argem Elend undgroer Gefahr befinden, wenn nicht der Herr selber kommt und ihnen (wie jenemManne, der dreiig Jahre neben dem Teich gelegen war) gebietet, sich zu erheben,sondern wollen zu den anderen Seelen sprechen, die schlielich in die Burg eingehen.Obwohl sie tief in der Welt stecken, haben sie doch ein gutes Verlangen, und zuweilen- wenn auch selten - empfehlen sie sich dem Schutze unseres Herrn und denkendarber nach, wer sie sind, sei es auch nicht sehr grndlich. Auch beten sie jeden

    Monat irgendwann einmal, von tausend Geschften erfllt, mit denen ihre Gedankenfast immer umgehen. Sie sind so daran gefesselt - denn wo ihr Schatz ist, dahin gehtihr Herz -, da sie sich zuweilen vornehmen, sich davon frei zu machen. Von groerBedeutung ist es da, wenn sie sich selbst erkennen und sehen, da sie nicht auf demrechten Wege sind, der zur Burgpforte hineinfhrt. Endlich treten sie in die ersten derunteren Gemcher ein; doch mit ihnen dringt so viel Gewrm ein, da sie weder dieSchnheit der Burg zu sehen vermgen noch zur Ruhe kommen knnen. Schwergenug ist es ihnen gefallen, berhaupt hereinzukommen.Diese Schilderung wird euch unangebracht erscheinen, meine Tchter, da ihr durchGottes Gte nicht zu diesen Menschen gehrt. Ihr mt Geduld haben, denn ich weinicht, in welcher Weise ich euch sonst verstndlich machen knnte, wie ich gewisseinnere Dinge des Gebets verstehe. Der Herr gebe, da es mir gelingt, etwas zu sagen.Was ich euch gern erklren wrde, ist nmlich recht schwierig zu verstehen, wenn manes nicht selbst erfahren hat. Habt ihr es erlebt, so werdet ihr erkennen, da esunumgnglich ist, an das zu rhren, wovon wir - so der Herr will - verschont bleibenmgen, um seiner Barmherzigkeit willen.

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    Zweites KapitelBevor ich fortfahre, mchte ich euch bitten, euch auszudenken, welchen Anblick dieseschne und strahlende Burg bieten mag, diese orientalische Perle, dieser Baum desLebens, der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens, also in Gott, gepflanzt ist -,

    wenn die Seele in eine Todsnde fllt. Es gibt keine unheimlichere Finsternis, und esgibt nichts, was so dunkel, so schwarz wre, da sie daneben nicht noch viel finsterererschiene. Begehrt nicht mehr zu wissen, als da es so ist, als wre die Sonne, die ihr so viel Glanz und Schnheit verlieh, die Sonne, die doch noch immer in der Mitte derSeele ist, nicht mehr vorhanden; als knne die Seele nicht mehr teilhaben an ihm, sie,die doch genauso dazu befhigt ist, sich Seiner Majestt zu erfreuen, wie der Kristalldie Sonne in sich aufleuchten zu lassen vermag.

    Da hilft ihr nichts, und deshalb bleiben alle guten Werke, die sie vollbringt, solange siein Todsnde lebt, unfruchtbar und dienen nicht dazu, da sie die Seligkeit erlangt. Weil diese Taten nicht aus dem Urgrund stammen, welcher Gott ist, der unsereTugend zur Tugend macht, sondern in der Trennung von ihm entstanden sind,knnen sie seinen Augen nicht gefllig sein. Wer eine Todsnde begeht, hat ja auchnicht die Absicht, ihn zu erfreuen, sondern dem Satan ein Vergngen zu machen. Dadieser die Finsternis selber ist, so ist auch die arme Seele zur gleichen Finsternisgeworden.

    Ich wei von einer Person, der unser Herr zeigen wollte, was aus einer Seele wird, diesich tdlich versndigt. Diese Person behauptet, ihrer Meinung nach knne einer, derdies wirklich begriffen hat, berhaupt nicht mehr sndigen. Lieber wrde er alleerdenklichen Leiden auf sich nehmen, um so den Gelegenheiten zur Snde zuentrinnen. Der Herr flte dieser Seele zugleich den brennenden Wunsch ein, alleMenschen mchten dies begreifen. Und so mge er auch euch, Tchter, das Verlangeneingeben, viel zu Gott zu beten fr jene, die in diesem Zustand leben und gleich ihrenWerken zu vlliger Finsternis geworden sind.

    Wie die Bchlein, die einer sehr klaren Quelle entspringen, rein und lauter sind, so istes auch die Seele, die in der Gnade lebt. Da ihre Werke den Augen Gottes und derMenschen wohlgefllig sind, hat seine Ursache nur darin, da sie jener Quelle desLebens entspringen, in welcher die Seele wurzelt, eingepflanzt wie ein Baum, der nichtdie Frische und Fruchtbarkeit bese, wenn sie ihm nicht von dorther zuflssen. Dieserhlt ihn und macht, da er nicht verdorrt und gute Frucht bringt. Entfernt sich eineSeele aus eigener Schuld von dieser Quelle und senkt sich in eine andere mitpechschwarzem Wasser von widerlichem Gerche ein, so ist auch alles, was aus ihr

    hervorgeht, nichts als Schmutz und Unheil.

    INDEX

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    Hier ist zu bedenken, da die Quelle, da jene strahlende Sonne, die sich in der Mitteder Seele befindet, ihren Glanz und ihre Schnheit nicht verliert. Sie bleibt bestndigdarin, und nichts kann sie ihrer Schnheit berauben. Breitet man aber ber einenKristall, der in der Sonne hegt, ein tiefschwarzes Tuch, so wird freilich, auch wenn die

    Sonne auf ihn scheint, ihr Leuchten in dem Kristall keine Wirkung hervorbringen.

    O Seelen, die ihr losgekauft seid mit dem Blute Jesu Christi! Erkennet euch und habtErbarmen mit euch selbst! Wie ist es mglich, da ihr dies versteht und euch nicht bemht, dieses Pech von dem Kristall zu entfernen? Nie wieder werdet ihr euch andiesem Licht erfreuen, wenn so euer Leben endet. O Jesus, welchen Anblick bietet eineSeele, die von ihm geschieden ist? In welch erbrmlichen Zustand geraten dieGemcher der Burg! Wie verwirrt irren die Sinne umher, die darin wohnen! Und dieSeelenkrfte, die 2u Burgvgten, Verwaltern und Mundschenken bestellt sind - mitwelcher Blindheit treiben sie ihr schlimmes Regiment! Welche Frucht kann auch einBaum bringen, der in einen Grund gepflanzt wurde, welcher des Teufels ist?

    Ich hrte einmal einen geistlichen Mann sagen, da es ihn nicht vor dem schaudere,was einer, der in Todsnde lebt, tue, sondern vor dem, was er nicht tue. Gott bewahreuns durch sein Erbarmen vor einem solch schrecklichen bel. Nichts in diesem Lebenverdient es, ein bel geheien zu werden, auer diesem Unheil; denn es zieht ewigebel nach sich, die kein Ende haben. Das ist es, Tchter, was wir auf unserem Wege zu

    frchten haben. Wir mssen Gott in unseren Gebeten anflehen, da er uns davorbehte; denn wenn er nicht die Stadt bewacht, so ist unser Tun umsonst, da wir dieVergeblichkeit selber sind. Jener Mann sagte mir, er verdanke der Gnade, die Gott ihmerwiesen habe, zweierlei. Erstens: eine ungeheure Furcht, ihn zu beleidigen; unddeshalb flehe er, weil er ein solch entsetzliches Unheil vor Augen habe, den Herrnstndig darum an, ihn nicht fallen zulassen.

    Und zweitens: einen Spiegel fr die Demut; denn er sehe jetzt, da eine Wohltat, die wir vollbringen, ihren Ursprung nicht in uns selber hat, sondern in der Quelle, inwelche der Baum unserer Seele gepflanzt ist; in der Sonne, die unseren Werken ihreWrme spendet. Er sagt, dies sei ihm so klar geworden, da er stets, wenn er irgendetwas Gutes tue oder bei einem anderen gewahre, nach der Herkunft des Guten sucheund dann erkenne, wie wir ohne diese Hilfe nichts vermchten. Dies bewog ihn, Gottzu loben, so da er meist gar nicht daran dachte, was er selber vielleicht Gutes getanhatte. Die Zeit, Schwestern, die ihr mit dem Lesen dieser Worte zubringt und die ichaufwende, um sie zu schreiben, wre nicht verloren, wenn sie uns diese zwei Dingeeinbrchte. Den Weisen und Gelehrten sind sie wohl vertraut; doch unser weibliches

    Ungeschick bedarf dringend aller erdenklichen Hilfe.

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    Darum will der Herr vielleicht, da uns derartige Vergleiche zur Kenntnis gelangen.Mge es seiner Gte gefallen, uns dazu seine Gnade zu schenken.Diese inneren Dinge sind so dunkel und schwierig zu verstehen, da jemand, der sowenig wei wie ich, zwangslufig viele berflssige und sogar unsinnige Dinge sagt, um

    das eine oder andere treffend auszudrcken. Wer es liest, bedarf derselben Geduld, dieich aufbringe, um etwas zu schreiben, was ich nicht wei; denn manchmal greife ichnach dem Papier, als wre ich ein Ding ohne Verstand, und wei nicht, was sagen undwie anfangen. Dabei verstehe ich wohl, wie wichtig es fr euch ist, da ich euch, so gutich kann, einige innere Erfahrungen erklre. Wir hren immer, wie gut das Gebet sei;und unsere Regel schreibt uns vor, ihm bestimmte Stunden zu widmen. Doch manerklrt uns nichts, was wir uns nicht selbst erklren knnen. Und von dem, was derHerr in einer Seele bewirkt - dem bernatrlichen, das in ihr geschieht -, wird unswenig gesagt. Wrde dies in vielfltiger Weise uns dargelegt und erlutert, so schenkteman uns damit den groen Trost, dieses himmlische Kunstwerk in unserem Innerenbetrachten zu knnen, das von den Sterblichen so wenig verstanden wird, obgleich soviele darin umhergehen. In anderen Schriften, die ich verfat habe, hat der Herr zwareiniges verstndlich gemacht, doch ich erkenne, da ich damals verschiedenes - vorallem von den schwierigsten Dingen - nicht so gut verstanden habe wie spter.Mhsam ist nun blo, da ich, ehe wir zu diesen gelangen, wohl viele sattsam bekannteDinge sagen werde, da es meinem unbeholfenen Geist nicht anders mglich ist.

    Kehren wir nun also wieder zu unserer Burg mit jenen vielen Wohnungen zurck. Ihrdrft euch nicht vorstellen, da diese Wohnungen wie aufgereiht eine hinter deranderen liegen. Richtet vielmehr eure Augen auf die Mitte, die das Gemach und derPalast ist, wo der Knig weilt, und stellt die Burg euch vor wie eine Zwergpalme, beider viele Hllen das kstliche Herzblatt umschlieen. So liegen dort rings um diesenRaum viele andere Gemcher, und ebenso darber. Denn die Dinge der Seele muman sich immer in Flle und Weite und Gre denken. Damit erhht man siekeineswegs, sie, die viel mehr vermag, als wir uns vorstellen knnen, und die beralldurchdrungen ist von der Sonne, die in diesem Palaste strahlt.

    Sehr wichtig fr jede Seele, die sich - viel oder wenig -dem Gebet widmet, ist es, daman sie nicht in einen Winkel pfercht oder einengt. Man lasse sie durch all dieseWohnungen wandeln, aufwrts und abwrts und nach den Seiten hin; denn Gott hatihr eine so groe Wrde verliehen. Auch drnge man sie nicht dazu, lange Zeit ineinem einzigen Gemach zu bleiben, nicht einmal in dem der Selbsterkenntnis, so wichtig diese - wohlgemerkt -selbst fr diejenigen ist, die der Herr in die gleiche Wohnung eingelassen hat, in welcher er selber weilt; denn so hoch die Seele auch

    stehen mag - nie wird etwas anderes die Selbsterkenntnis ersetzen knnen, ob mandies will oder nicht.

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    Die Demut wirkt nmlich wie die Biene, die im Stock den Honig bereitet. Ohne siegeht alles verloren. Bedenkt aber, da die Biene es nicht versumt, hinauszufliegen, umden Nektar der Blten zu sammeln. Genauso mu es die Seele mit derSelbsterkenntnis halten. Glaubt es mir und fliegt zuweilen aus, um die Gre und

    Majestt eures Gottes zu betrachten. Da wird die Seele ihre Niedrigkeit eherentdecken als in sich selber, und sie wird weniger belstigt sein von dem Gewrm, dasin die ersten Gemcher - eben die Selbsterkenntnis - mit eindringt. Obwohl es, wiegesagt, ein groes Erbarmen Gottes bedeutet, wenn man sich darin bt, so kommt esdoch auf das rechte Ma an.Nicht zuviel und nicht zuwenig - wie man zu sagen pflegt. Und man glaube mir, dawir mit der Kraft Gottes eine sehr viel hhere Tugend erwirken, als wenn wir zh anunserer Erde kleben.Ich wei nicht, ob ich es recht verstndlich gemacht habe; denn es ist eine so wichtigeSache, dieses Erkennen unseres eigenen Ichs, da ich wnschte, ihr mchtet niemalsdarin ermatten, so hoch ihr auch in den Himmeln emporgestiegen sein mget. Solange wir uns auf dieser Erde befinden, gibt es nichts, was fr uns wichtiger wre als dieDemut. Und darum sage ich nochmals, da es sehr gut und ganz vortrefflich ist, wennman danach strebt, zuerst in jenes Gemach zu gelangen, wo es um diese Tugend geht,ehe man zu den anderen fliegt. Denn dies ist der Weg. Und wozu sollten wir, solange wir auf sicherem und ebenem Gelnde gehen knnen, uns Flgel zum Fliegen wnschen, anstatt zu sehen, wie wir auf diesem Wege weiterkommen? Doch nach

    meiner Ansicht werden wir mit unserer Selbsterkenntnis nie zu Ende kommen, wennwir nicht danach trachten, Gott zu erkennen. Im Anblick seiner Gre entdecken wirunsere Niedrigkeit, und angesichts seiner Reinheit sehen wir unseren Schmutz. DieBetrachtung seiner Demut lt uns erfahren, wie weit wir davon entfernt sind, demtigzu sein. Das bringt uns zweierlei Gewinn. Der erste: da etwas Weies neben demSchwarzen offensichtlich sehr viel weier erscheint, und ebenso umgekehrt dasSchwarze neben dem Weien.Der zweite: da unser Verstand und Wille sich veredeln und ertchtigen zu allemGuten, wenn wir, statt mit uns selbst, mit Gott verkehren. Steigen wir nie aus demSchlamm unserer eigenen Erbrmlichkeit heraus, so bedeutet das ein schweresHindernis. Von den Menschen, die in Todsnde leben, sagten wir, wie schwarz undbel riechend die Gewsser um sie sind. Und auch bei denen, die immer im Elendunserer Erde stecken bleiben (welche freilich ganz und gar nicht so sind wie dievorigen - Gott bewahre uns davor, da wir dies mit dem Vergleich sagen!), wird dieStrmung nie aus dem Schlamm der ngste herauskommen, aus der Verzagtheit undFeigheit, die furchtsam fragt, ob man auf mich schaut oder nicht auf mich schaut; obmir, wenn ich diesem Weg folge, etwa ein Unheil zustt; ob ich es wagen kann, jenes

    Werk zu beginnen; ob es Hochmut ist; ob es recht ist, da eine solch elende Personsich mit einer solch hohen Sache wie dem Gebet befat;

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    ob man mich fr etwas Besseres hlt, wenn ich nicht den allgemeinen Weg gehe. Dennbertreibungen sind nicht gut, auch nicht in der Tugend. Da ich so sndhaft bin,werde ich sonst nur umso tiefer strzen und den Guten dadurch schaden. So eine wieich verdient ja nichts Besonderes.

    Oh, Gott bewahre, meine Tchter! Wie viele Seelen hat der Satan durch solcheMattherzigkeit um reichen Gewinn gebracht! All diese Bedenken erscheinen ihnen alsDemut, und vieles andere mehr, was ich noch nennen knnte. Die Ursache davon ist,da wir uns selbst nicht ganz verstehen. Der Satan verdreht unsere Selbsterkenntnis,und wenn wir nie aus uns selbst herausgehen, so wundert es mich nicht, da solcheund hnliche ngste in uns auftauchen knnen. Darum, Tchter, sage ich: Lat unsdie Augen auf Christum richten, unser Heil, wo wir die wahre Demut erfassen, und latuns auf seine Heiligen schauen. Dann wird sich, wie ich gesagt habe, unser Verstand veredeln und unsere Selbsterkenntnis davor bewahrt werden, zur Kriecherei undFeigheit zu entarten. Obwohl dies die erste Wohnung ist, birgt sie doch groenReichtum und ist von hohem Wert. Gelingt es der Seele, hier dem Gewrm zuentrinnen, so wird sie gewi noch weiter vorankommen. Aber schrecklich sind dieTcken und Rnke, die der Satan ersinnt, damit die Seelen sich nicht selbst erkennenund ihre Wege nicht verstehen.

    Aus eigener Erfahrung knnte ich von dieser ersten Wohnung eine recht gute

    Beschreibung geben. Deshalb sage ich, man mge sich bei dieser Bezeichnung nichteinige wenige Zimmer vorstellen, sondern eine Unzahl von Gemchern. Auf vielerleiWeisen kommen Seelen hier herein, und alle in guter Absicht.Doch da der Satan immer seinen bsen Zweck verfolgt, gibt es dort wohl in jedemRaum viele Legionen von Dmonen, die dafr kmpfen, da die Seelen nicht zu dennchsten Rumen vordringen knnen. Weil die arme Seele ahnungslos ist, stellt er unsmit tausenderlei Gaukeleien seine Fallen. Weniger wirksam sind seine Finten beidenen, die dem Orte nher sind, wo der Knig weilt. Doch hier, wo die Seelen nochvon der Welt durchtrnkt sind, wo sie noch in irdischen Vergngungen befangen sindund verwirrt werden von weltlichen Ehren und Ansprchen, hier haben die Vasallender Seele - die Sinne und Geisteskrfte, die Gott ihr von Natur aus gegeben hat - nochnicht die ntige Kraft. Und darum werden diese Seelen leicht besiegt, auch wenn siedie Sehnsucht fhlen, Gott nicht zu beleidigen, und obwohl sie gute Werkevollbringen. Wer in dieser Lage ist, der mu, sooft er kann, Seine Majestt um Hilfeangehen, die gebenedeite Mutter als Vermittlerin nehmen und seine Heiligen bitten,da diese fr ihn streiten, weil den eigenen Dienern noch die Kraft mangelt, sich zuwehren. Wahrlich, immer und berall sind wir darauf angewiesen, da wir diese Kraft

    von Gott erhalten. Seine Majestt mge sie uns schenken aus seiner Barmherzigkeit,Amen.

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    Wie erbrmlich ist das Leben, in dem wir uns regen. Da ich schon bei andererGelegenheit viel davon gesprochen habe, wie sehr es uns schadet, meine Tchter,wenn wir die Bedeutung der Demut und der Selbsterkenntnis nicht recht erfassen, sowill ich es hier damit bewenden lassen, obgleich diese Einsicht fr uns das Dringlichste

    ist. Der Herr gebe, da ich etwas gesagt habe, was euch von Nutzen ist.

    Ihr werdet gewahren, da in diese erste Wohnung noch beinahe nichts von jenemLichte dringt, das von dem Palast ausgeht, wo der Knig weilt. Sie ist zwar nicht sofinster und schwarz wie der Zustand einer Seele, die in Snde lebt, doch ist es auch hierirgendwie dster, so da derjenige, der darin ist, das Licht nicht sehen kann. Aber nichtdas Gemach ist daran schuld - ich wei nicht, wie ich es verstndlich machen soll -,sondern da so viele bse Wesen, Nattern und Ottern und anderes giftige Getier, mitder Seele herein gelangt sind und ihr nun das Licht verdecken. Es ist, wie wenn jemandirgendwo hineinkommt, wo viel Licht hereinfllt, doch seine Augen sind mit Lehmverschmiert, so da er sie kaum ffnen kann. Der Raum ist hell, aber die Seele genietes nicht, weil dieses wilde Getier sie daran hindert. Es zwingt sie, die Augen zuschlieen, damit sie nichts sieht auer diesen scheulichen Wesen. So mu es wohlmeines Erachtens einer Seele gehen, die zwar nicht bse lebt, aber doch so tief in denDingen der Welt steckt, sich so voll gesogen hat mit Besitz oder Ehre oder Geschften,da sie, obwohl sie wirklich den Wunsch hat, sich zu sehen und ihrer eigenenSchnheit sich zu erfreuen, der Umgarnung durch so viel Hinderliches anscheinend

    nicht entschlpfen kann. Um in die zweite Wohnung gelangen zu knnen, ist es sehrwichtig, da man sich - soweit es der Stand erlaubt, dem man angehrt - bemht, sichaller unntigen Dinge und Geschfte zu entledigen. Dies ist so dringend erforderlich,da ich es fr unmglich halte, es knne einer je bis zur Hauptwohnung kommen, wenn er nicht damit den Anfang macht. Er wird sogar in der Wohnung, wo er sich befindet, in groer Gefahr schweben, obwohl er ja bereits in die Burghereingekommen ist; denn unter so viel giftigem Gewrm ist es undenkbar, da ernicht den einen oder anderen Bi erhlt.

    Wie wre es aber erst, Tchter, wenn Menschen, die schon frei sind von solchenHemmnissen, wie wir es sind - wenn wir, nachdem wir schon sehr viel tiefer, zuanderen geheimen Wohnungen der Burg vorgedrungen sind, aus eigener Schuldumkehren wrden und wieder hinausgingen in jenen Tumult und Wirrwarr? Es gibtsicher viele, denen Gott Gnaden erwiesen hat und die durch eigene Schuld sich erneutin dieses Elend strzen. Wir hier sind uerlich frei - gebe Gott, da wir es auchinnerlich sind. Mge er uns frei machen.

    Htet euch, meine Tchter, vor fremden Sorgen. Erkennt, da es wenige Wohnungenin dieser Burg gibt, wo die Dmonen den Kampf aufgeben. Es ist wahr: in einigen sind

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    die Wchter (das sind die Seelenkrfte, wie ich - glaube ich - bereits gesagt habe) starkgenug zum Streit. Doch es ist dringend ntig, da wir stets auf der Hut sind vor denTcken des Satans und uns nicht berlisten lassen, wenn er als Engel des Lichts sichuns zeigt; denn es gibt vielerlei Dinge, mit denen er uns schaden kann. Schritt um

    Schritt schleicht er sich herein, und wir erkennen das Unheil erst, wenn es bereitsgeschehen ist.

    Ich sagte schon ein andermal, da er wie eine lautlose Feile ist. Wir mssen ihn deshalbgleich zu Beginn erkennen. Ich will ein Beispiel nennen, um euch dies verstndlicherzu machen. Einer Schwester flt er ein heftiges Verlangen nach Bue ein, so da siemeint, sie finde keine Ruhe, wenn sie sich nicht foltere und martere. Dieser Anfang istgut. Wenn aber die Priorin geboten hat, ohne ihre Erlaubnis keine Bubungen zumachen, und der Satan in dieser Schwester nun die Meinung weckt, einer so gutenSache zuliebe drfe man wohl schon etwas wagen, und wenn sie es heimlich so treibt,da sie ihre Gesundheit ruiniert und gegen die Ordensregel verstt, dann seht ihr ja, wo dieser gute Anfang sein Ende nimmt. Einer anderen gibt der Satan ein groes,eifriges Begehren nach Vollkommenheit ein. Dieser Eifer ist sehr gut, doch es knnteso weit kommen, da ihr jeder kleine Fehler an ihren Schwestern als furchtbaresUnheil erscheint; da sie darber wacht, ob sie solche Fehlerchen begehen, und dannzur Priorin rennt. Es knnte sogar vorkommen, da sie vor lauter Eifer um die wahreFrmmigkeit ihre eigenen Fehler bersieht. Und da die anderen ihr nicht ins Herz

    blicken knnen, sondern nur sehen, wie sie aufpat, so knnte es sein, da sie darberungehalten werden.

    Was der Satan hier anstrebt, ist nicht wenig: nmlich das Mitleid und die gegenseitigeNchstenliebe abzukhlen. Gelnge es ihm, so wre das ein groer Schade. Lat unsverstehen, meine Tchter, da die wahre Vollkommenheit die Liebe zu Gott und demNchsten ist und da wir desto vollkommener werden, je vollkommener wir diese zweiGebote halten. Unsere ganze Ordensregel und ihre Satzungen dienen nur als einMittel, damit wir diesen beiden Forderungen immer mehr und immer besserentsprechen. Lassen wir darum alles frwitzige Eifern, das uns groen Schaden antunkann. Ein jeder schaue auf sich selber. Weil ich an anderer Stelle euch hierber genuggesagt habe, will ich nicht lnger davon reden.

    Diese gegenseitige Liebe ist so wichtig, da ich wollte, ihr wrdet sie niemalsvergessen; denn wenn wir herumgehen und auf nichtige Kleinigkeiten blicken, die wiran anderen auszusetzen haben und die manchmal gar keine Mngel sind, sondern die wir vielleicht nur wegen unseres beschrnkten Wissens als anstig betrachten, so

    kann unsere Seele den Frieden verlieren und sogar die der anderen beunruhigen.Schaut, ob solche Vollkommenheit uns nicht zu teuer kme!

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    Der Satan knnte mit derlei Versuchungen auch der Priorin zusetzen - was nochgefhrlicher wre. Da bedarf es vieler Klugheit. Geht es um Dinge, die gegen die Regelund die Satzung sind, so darf man nicht alles ungergt lassen, sondern mu sie daraufhinweisen, und wenn sie sich nicht bessert, es dem Vorgesetzten melden. Dies gebietet

    das Mitleid. Das gleiche gilt im Verhltnis zu den Schwestern, wenn es sich um eineschwerwiegende Sache handelt. Alles geschehen zu lassen aus der Furcht, es knnteeine Versuchung fr uns sein, das wre ebenfalls eine Versuchung. Doch sollte mansehr darauf bedacht sein, nicht untereinander davon zu reden; denn daraus knnte derSatan groen Gewinn schlagen und die Gewohnheit der blen Nachrede entstehen. Wie gesagt: Man sollte sich damit nur an denjenigen wenden, der Abhilfe schaffenkann. Hier sind wir, Gott sei Dank, dieser Gefahr nicht so sehr ausgesetzt, da wirbestndiges Stillschweigen ben; doch es ist gut, wenn wir auf der Hut sind.

    DIE ZWEITE WOHNUNG

    einziges Kapitel

    Lat uns nun davon reden, welche Seelen es sind, die in die zweite Wohnung eintreten,und was sie darin tun. Ich will mich dabei kurz fassen, denn anderswo habe ich dies

    recht ausfhrlich dargelegt. Ich werde nicht umhinknnen, vieles davon zu wiederholen, weil ich mich nicht mehr genau erinnere, was ich damals gesagt habe.Sollte ich es in wenig vernderter Form wieder aufwrmen, so wei ich jedenfalls, daihr euch nicht darber rgert. Wir werden ja auch nie der Bcher mde, die davonhandeln, obgleich es so viele gibt.Es geht hier um diejenigen, die schon begonnen haben, das Gebet zu ben, und diebegriffen haben, wie wichtig es fr sie ist, nicht in der ersten Wohnung zu verweilen.Sie haben jedoch noch nicht die Entschlukraft, da sie darauf verzichten knnten,sich fters darin aufzuhalten. Sie geben die Gelegenheiten zum Bsen noch nicht auf.

    Das ist recht gefhrlich. Doch es ist eine groe Barmherzigkeit von Gott, da siezuweilen den Schlangen und anderen giftigen Wesen zu entfliehen suchen undeinsehen, wie gut es ist, sich von ihnen zu entfernen.Diese Seelen haben in mancher Hinsicht sehr viel mehr Leiden zu erdulden als dievorher genannten, obwohl sie nicht in solch groer Gefahr schweben; denn es hat den Anschein, als kennten sie die Gefhrdungen schon, und es besteht groe Hoffnung,da sie tiefer vordringen knnen. Ich sage, sie haben mehr Leiden zu erdulden, weil dieErstgenannten jenen Stummen gleichen, die auch nicht hren knnen und darum

    leichter die Qual ertragen, nicht reden zu knnen. Das fllt denen viel schwerer, diewohl hren, aber nicht sprechen knnen.

    INDEX

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    Trotzdem wnscht man sich in dieser Lage nicht das Schicksal der anderen, die auchnicht hren; denn schlielich ist es etwas Groes, das zu verstehen, was man uns sagt.So vernehmen die Seelen, von denen wir hier reden, die Rufe, welche der Herr an sierichtet. Da sie tiefer eingedrungen und dem Ort, wo Seine Majestt weilt, nher

    gekommen sind, haben sie in Ihm, in seiner Barmherzigkeit und Gte, einen sehrguten Nachbarn, auch wenn sie noch immer an unserem Getndel und unserenGeschften hngen und sich nicht frei gemacht haben von den Vergngungen undtrgerischen Geschften der Welt, auch wenn sie noch immer in Snden fallen undsich wieder daraus erheben.

    Die Tiere, die wild durcheinander wimmeln, sind so giftig, und so gefhrlich ist ihreNhe, da es ein Wunder ist, wenn sie einen nicht straucheln lassen und zu Fallbringen. Doch dem Herrn liegt so viel daran, da wir ihn lieben und uns bemhen, zuihm zu kommen, da er nicht aufhrt, uns wieder und wieder zu rufen, damit wir zuihm finden. Und diese Stimme ist so lieblich, da die arme Seele vergeht, wenn siedann nicht tut, was die Stimme ihr befiehlt. Und darum ist dies - wie gesagt -schmerzlicher, als wenn man sie nicht hrt. Ich sage nicht, da diese Stimme und dieseRufe den anderen gleichen, von denen ich spter reden werde. Die hier dringen zu unsaus Worten, die wir von guten Menschen hren, oder aus Gebeten, aus der Lektreguter Bcher sowie aus vielen anderen Dingen, von denen ihr gehrt habt, da Gottdurch sie die Menschen ruft: seien es Krankheiten, Mhsale oder irgendeine Wahrheit,

    die er uns in den Augenblicken lehrt, wo wir im Gebet sind. Mge dies noch soschwach sein - Gott schtzt es hoch. Achtet auch ihr, meine Schwestern, diese ersteGnade nicht gering, und verzagt nicht, wenn ihr dem Herrn nicht antworten knnt.

    Seine Majestt ist geduldig genug, um viele Tage und Jahre zu warten, besonders wenner Beharrlichkeit und guten Willen sieht. Diese Ausdauer ist hier das Wichtigste, dennmit ihr werden wir nie leer ausgehen, sondern reichen Gewinn erlangen. Doch dieSchlacht, welche die Dmonen uns hier mit tausenderlei Waffen liefern, ist entsetzlichund schmerzlicher fr die Seele als alles zuvor; denn damals war sie stumm und taub -zumindest hrte sie sehr wenig - und leistete weniger Widerstand, wie einer, der dieHoffnung auf den Sieg zum Teil schon verloren hat. Hier dagegen ist die Vernunftlebendiger, die Geisteskrfte sind wendiger, und die Hiebe sausen so heftig hernieder,die Geschtze donnern so mchtig, da die Seele es nicht mehr berhren kann. Hierlassen die Dmonen alle Schlangengestalten der weltlichen Dinge einem vor Augenfhren; alle Befriedigungen, welche die Erde gewhrt, lassen sie hier als etwas beinaheEwiges erscheinen : das Ansehen, das man auf ihr geniet, die Freunde und Verwandten, die Gesundheit - vor allem dann, wenn man gerade Bue tut (denn

    immer fhlt die Seele, die hier eintritt, am Anfang das Verlangen, sich einer Bue zuunterwerfen). Solche und tausend andere Anfechtungen begegnen der Seele hier.

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    O Jesus, welchen Tumult erregen da die Dmonen, und welche Qual befllt die armeSeele, die nicht wei, ob sie weitergehen oder in die erste Wohnung zurckweichensoll. Die Vernunft freilich deckt ihr die Tuschung auf und gibt ihr den Gedanken ein,da all dies belanglos ist, verglichen mit dem, wonach sie strebt. Der Glaube lehrt sie,

    was ihre Pflicht ist. Das Gedchtnis macht ihr klar, wie all diese Dinge enden, indem esihr den Tod solcher Menschen vor Augen fhrt, welche die geschauten Dinge imberflu genossen hatten; indem es ihr zeigt, wie manche jhlings vor ihren Augenhingerafft worden waren und schleunigst von allen vergessen wurden; wie Leute, diesie in groem Reichtum gesehen hatte, unter den Boden kamen, wo jeder ber siehinwegging; wie auch sie selber schon oft ber die Grber derjenigen hinweggegangenwar, in deren Leibern nun die Wrmer wimmeln. Solche und viele andere Bilder kanndie Erinnerung ihr in den Sinn rufen. Der Wille neigt sich in Liebe dahin, wo er sounzhlige Taten und Zeichen der Liebe gesehen hat, und mchte sie mit etwas vergelten. Ganz klar und deutlich zeigt sich ihr jedoch vor allem, wie dieser wahreLiebhaber sie nie verlt, sie treu begleitet, ihr Leben und Wesen schenkt. Dann eiltder Verstand herbei, um ihr zu erklren, da sie niemals einen besseren Freundgewinnen knne, mge sie noch so viele Jahre leben; da die ganze Welt vollerFalschheit sei und die Freuden, welche der Satan ihr darbiete, aus Mhsal, Sorgen undWidersprchen bestnden.

    Und er sagt ihr, da sie gewilich auerhalb dieser Burg weder Sicherheit noch Friede

    finden wrde; sie solle nicht lnger in fremde Huser laufen, denn das ihre sei vollerGter, die sie genieen knne, wenn sie nur wolle. Wen gibt es denn, der alles, was er braucht, gleichsam im eigenen Hause findet und der vor allem einen solchenGastgeber hat, welcher ihn zum Herrn ber alle Gter macht, unter der einenBedingung, da er nicht wie der verlorene Sohn umherstreunen und vom Fra derSchweine essen will?Das sind Vernunftgrnde, mit denen man die Dmonen berwinden kann. Doch - oHerr und mein Gott! - die Gewhnung an die eitlen Dinge und die Erfahrung, da alleWelt sich mit ihnen abgibt, verderben alles. Unser Glaube ist so tot, da wir mehr nachdem begehren, was wir sehen, als nach dem, was er uns verheit; wo wir doch inWahrheit nichts als schlimmes Unheil an denen sehen, die diesen sichtbaren Dingennachgehen. Daran sind die giftigen Wesen schuld, mit denen wir uns einlassen. Wird jemand von einer Viper gebissen, so vergiftet dieser Bi den ganzen Leib, und erschwillt an. Genauso ist es hier, weil wir uns nicht gengend vorsehen. Zur Heilung bedarf es natrlich vieler Kuren, und Gott erweist uns eine groe Gnade, wenn wirnicht daran zugrunde gehen.

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    Wahrlich, die Seele erlebt hier viele Leiden, vor allem wenn der Satan merkt, da siedurch ihre Veranlagung und ihre Sitten die Eignung besitzt, weit voranzukommen. Dawird er die ganze Hlle versammeln, um sie wieder aus der Burg zu vertreiben.Oh, mein Herr! Hier ist eure Hilfe ntig; denn ohne sie knnen wir nichts tun. Lat es

    nicht zu, um eurer Barmherzigkeit willen, da die Seele der Tuschung erliegt und dasBegonnene aufgibt. Erleuchte sie, damit sie erkennt, da hierin ihr ganzes Heil liegt,und sich von den bsen Gefhrten trennt; damit ihr klar wird, was fr eine groe,hochwichtige Sache es ist, mit Menschen umzugehen, die nach demselben Zielestreben, und wie sehr es darauf ankommt, sich nicht nur an die zu halten, die imgleichen Rume sind, wo sie sich selber befindet, sondern auch an jene, von denen siewei, da sie schon weiter zur Mitte vorgedrungen sind.

    Dies wird ihr eine groe Hilfe sein, und der Umgang mit ihnen kann dazu fhren, dadiese sie zu sich ziehen. Immer sei die Seele darauf bedacht, sich nicht bermannen zulassen; denn wenn der Satan sieht, da sie fest entschlossen ist, lieber das Leben unddie Ruhe und alles, was er ihr bieten mag, zu verlieren, als in die erste Wohnungzurckzukehren, so wird er sehr bald von ihr ablassen. Sie sei mannhaft und gehrenicht zu denen, die sich buchlings zum Trinken hinwarfen, als man in die Schlachtzog (ich wei nicht mehr, gegen wen). Entschlossen mge sie den Kampf wider alleDmonen wagen, in der berzeugung, da es keine besseren Waffen gibt als die desKreuzes.

    Ich habe es zwar schon des fteren gesagt, doch will ich es hier, um seiner Wichtigkeit willen, noch einmal wiederholen: Man glaube ja nicht, da es zu Beginn diesesUnternehmens irgendwelche Annehmlichkeiten gebe. Dies wre ein schlechtesFundament fr ein solch herrliches, groes Bauwerk. Baut man aber auf Sand, so wirdalles einstrzen. Nie wird man das Unbehagen und die Versuchungen loswerden.Denn hier sind noch nicht die Wohnungen, wo es Manna regnet. Die liegen weiterinnen. Dort schmeckt alles so, wie die Seele es sich wnscht, weil sie nichts anderes will, als was Gott will. Es ist schon recht seltsam: Noch stecken wir in tausendSchwierigkeiten und Unvollkommenheiten, und die Tugenden haben noch nichteinmal das Laufen gelernt, weil sie ja eben erst sich angeschickt haben, das Licht derWelt zu erblicken (Gott gebe, da sie sich dazu angeschickt haben!) - schmen wir unsda nicht, vom Gebet Genu zu erwarten und uns ber Drre zu beklagen? Niemalskomme euch so ein Gedanke, Schwestern.

    Klammert euch an das Kreuz, das euer Brutigam auf sich nahm, und erkennet, dadies euer Auftrag ist. Wer mehr zu erleiden vermag, der leide mehr fr ihn, und er wird

    umso mehr die Befreiung erfahren. Das brige betrachtet als etwas Beilufiges, undsollte es der Herr euch schenken, so dankt ihm dafr von Herzen.

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    Ihr meint vielleicht, ihr wret wohl bereit und entschlossen, die ueren Leiden aufeuch zu nehmen, wenn nur der Herr euch innerlich beschenkt. Seine Majestt weibesser, was gut fr uns ist. Wir haben keinen Grund, ihm Ratschlge zu geben, was eruns schenken soll; denn er kann mit Recht uns sagen, da wir nicht wissen, was wir

    bitten, Wer sich dem Gebet zu widmen beginnt - verget das nie, denn es ist sehr wichtig -, der mu allein danach streben, sich mit allem Flei und Eifer, mit allerEntschlossenheit, deren er fhig ist, sich darauf einzustellen, da sein eigener Wille mitdem Willen Gottes bereinstimme.

    Und nehmt es als ganz gewi, da hierin - wie ich euch spter noch sagen werde - allehhere Vollkommenheit besteht, die man auf dem geistlichen Weg erlangen kann.Wer das am vollkommensten vermag, der wird am meisten des Herrn teilhaftig werdenund ist am weitesten auf diesem Wege fortgeschritten. Denket nicht, da es hierauerdem seltsam-geheimnisvolle Rtselreden oder unerhrte und unbegreiflicheDinge gibt; denn in dem Gesagten besteht unser ganzes Heil. Wenn wir am Anfangirren und wnschen, da der Herr nach unserem Willen verfhrt und uns fhrt, so wiewir uns das vorstellen welche Festigkeit kann da dieses Bauwerk besitzen? Bemhenwir uns, das zu tun, was an uns liegt, und hten wir uns vor diesem giftigen Gewrm;denn oft will der Herr, da bse Gedanken uns verfolgen und qulen, die wir nichtabschtteln knnen, so da Drre ber uns kommt. Zuweilen lt er es sogar zu, dadas bse Getier uns beit, damit wir uns spter besser in acht zu nehmen wissen, und

    um zu erproben, ob es uns sehr bedrckt, wenn wir ihn beleidigt haben.

    Darum lat den Mut nicht sinken, wenn ihr einmal fallen solltet, und hrt nicht auf,vorwrts zu streben; denn auch diesen Sturz wird Gott zum Guten wenden, wie es derTheriakverkufer tut, der zuerst Gift trinkt, um zu beweisen, da die Arznei heilkrftigist. Wrden wir nirgends sonst wo unser Elend und den groen Schaden erkennen,den uns das Umherstreunen einbringt, als in dieser Schlacht, die wir durchzufechtenhaben, um uns wieder zu sammeln, so wre dies schon genug. Kann es etwasSchlimmeres geben, als da wir uns in unserem eigenen Haus nicht zurechtfinden?Wie knnen wir hoffen, in anderen Husern Ruhe zu finden, wenn wir sie im eigenennicht zu finden vermgen?Selbst so groe, so echte Freunde und Verwandte wie unsere Seelenkrfte, mit denenwir immer, ob wir es wollen oder nicht, zusammenleben mssen, scheinen mit uns imStreit zu liegen, als wren sie verrgert durch die Feindschaft, mit der unsere Laster sie befehdet haben. Friede, Friede! - mit diesem Wort, meine Schwestern, ermahnteder Herr so oft seine Jnger. Denn glaubt mir: wenn wir ihn im eigenen Haus nichthaben und nicht dafr sorgen, da er darin herrscht, so werden wir ihn auch in den

    fremden Husern nicht finden.

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    Macht endlich Schlu mit diesem Streit! Um des Blutes willen, das er fr unsvergossen hat, bitte ich diejenigen, die noch nicht damit begonnen haben, in sich zugehen; und die anderen, die schon angefangen haben, flehe ich an, es damit nichtbewenden zu lassen und nicht zurckzuweichen. Sie sollen bedenken, da der Rckfall

    schlimmer ist als der Fall. Meinen sie schon ihre Niederlage zu sehen, dann sollten sieauf Gottes Barmherzigkeit vertrauen, nicht auf sich selbst. Und sie werden sehen, wieSeine Majestt sie von Wohnung zu Wohnung fhrt und in das Land bringt, wo diewilden Tiere sie weder anrhren noch mde hetzen knnen.

    Die Seele macht sie vielmehr alle sich untertnig und spottet ihrer, und sie genietmehr Gter, als sie wnschen knnte, und zwar noch in diesem Leben, das sage icheuch. Schon am Anfang habe ich gesagt, da ich bereits anderswo fr euch beschriebenhabe, wie ihr euch in diesen Verwirrungen, die hier der Satan stiftet, verhalten sollt.Nicht gewaltsam mt ihr vorgehen, wenn ihr euch zu sammeln beginnt, sondern mitSanftheit, damit ihr es mit grerer Bestndigkeit tun knnt. Ich will hier nichts weiterdazu sagen, als da es meines Erachtens sehr vorteilhaft ist, sich mit erfahrenenPersonen zu besprechen; denn manchmal werdet ihr vielleicht meinen, da Dinge, dienotwendigerweise getan werden mssen, einen schrecklichen Schaden anrichten. DerHerr wird alles zu unserem Nutzen lenken, auch wenn wir niemanden finden, der unsbelehren knnte - es sei denn, wir geben es auf; denn gegen dieses Unheil gibt es keinMittel (auer dem einen, da man von vorne beginnt), und die Seele erleidet von Tag

    zu Tag einen immer rgeren Verlust, und Gott gebe, da sie es merkt. Es knnte nuneine von euch auf den Gedanken kommen, wenn es etwas so Schlimmes ist, wiederumzukehren, dann wre es besser, niemals zu beginnen und auerhalb der Burg zubleiben.

    Ich sagte euch schon am Anfang - und der Herr selber sagt es -, da der, welcher sich inGefahr begibt, darin umkommt und da das Tor, durch welches man in diese Burgeintritt, das Gebet ist. Der Gedanke, wir wrden in den Himmel kommen, ohne in unszu gehen, ohne uns selber zu erkennen, unser Elend zu bedenken, unsere Schuld vorGott, und ohne ihn vielmals um Erbarmen zu bitten, ist also tricht und widersinnig.

    Der Herr selber sagt: Niemand kommt zum Vater denn durch mich (so heit es,glaube ich; doch ich wei es nicht genau). Und ferner: Wer mich sieht, der siehtmeinen Vater. Wenn wir ihn also nie anschauen, wenn wir nie den Tod betrachten,den er fr uns erlitten hat, nie bedenken, was wir ihm schulden, so wei ich nicht, auf welche Weise wir ihn erkennen und in seinem Dienste Werke vollbringen knnten.Denn bringt der Glaube keine Werke hervor und kommt zu diesen nicht der Wert der

    Verdienste Jesu Christi, unseres Herrn, hinzu - welchen Wert knnten sie haben undwer erweckte unsere Liebe zu diesem Herrn?

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    Mge es Seiner Majestt gefallen, uns die Einsicht zu geben, wieviel wir ihn gekostethaben, und uns erkennen zu lassen, da der Diener nicht mehr ist als der Herr; da wirWerke schaffen mssen, um uns seiner Herrlichkeit zu erfreuen, und da es deshalbntig ist zu beten, damit wir nicht immer in Versuchung sind.

    DIE DRITTE WOHNUNG

    Erstes KapitelWas sollen wir denen, die durch Gottes Erbarmen diese Kmpfe siegreich bestandenhaben und beharrlich bis in die dritte Wohnung vorgedrungen sind, anderes sagen als:Selig der Mann, der den Herrn frchtet? Es ist keine geringe Gunst, da der Herrmich jetzt verstehen lt, was der spanische Wortlaut dieses Verses hier besagen will;

    denn fr gewhnlich fllt es mir nicht leicht, den rechten Sinn eines solchen Textes zubegreifen. Wahrlich, mit Recht nennen wir diesen Mann selig. Kehrt er nmlich nichtum, so geht er - soweit wir es verstehen - auf sicherem Wege seiner Erlsung entgegen.Hier werdet ihr erkennen, Schwestern, wie wichtig es ist, da die Seele in denvorhergehenden Kmpfen den Sieg erringt; denn ich halte es fr gewi, da der Herrdann niemals sumen wird, ihr die Sicherheit des Gewissens zu gewhren, und das istkeine geringe Gabe. Ich sage Sicherheit und habe mich damit schlecht ausgedrckt;denn die gibt es nicht in diesem Leben. Wenn ich davon rede, so mt ihr verstehen,da ich es immer unter dem Vorbehalt meine: falls die Seele nicht aufhrt, demeingeschlagenen Weg zu folgen.Ein schlimmes, schmerzliches Unheil ist es, da wir uns in diesem Leben stets so verhalten mssen wie Menschen, vor deren Tor die Feinde liegen, so da sie wederschlafen noch essen knnen, ohne Waffen bei sich zu haben, und immer in der Angstleben, die Gegner knnten irgendwo in die Festung einbrechen. O mein Herr undmein Heil! Warum willst Du, da man ein solch erbarmungswrdiges Leben begehrt?Denn es ist unmglich, darauf zu verzichten und Dich zu bitten, da Du uns ihmentreiest, wenn einen nicht die Hoffnung erfllt, es fr Dich zu verlieren, es

    wahrhaftig in Deinem Dienste hinzugeben, und wenn einem die Erkenntnis mangelt,da dies Dein Wille ist. Wenn dies Dein Wille ist, mein Gott, dann wollen wir mit Dirsterben, wie der heilige Thomas sagte; denn ohne Dich zu leben, in der Furcht, Dichvielleicht fr immer zu verlieren, das bedeutet dasselbe wie oftmals zu sterben. Darumsage ich, Tchter, da die Seligkeit, um die wir bitten mssen, jenes Glck ist, schonjetzt in Sicherheit bei den Seligen zu sein. Solange wir diese Angst im Herzen haben -welche Freude knnte da der empfinden, dessen ganze Freude es ist, Gott zu erfreuen?Und bedenkt, da manche Heilige, die in schwere Snde fielen, dieselbe und eine nochviel grere Angst erfuhren. Und wir sind nicht sicher, da Gott uns die Hand reichen wird, damit wir dem Bsen entkommen und Bue tun wie sie, durch seinenbesonderen Beistand.

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    Wahrlich, meine Tchter, ich schreibe dies hier mit so viel Angst, da ich nicht wei,wie ich es schreibe, noch wie ich berhaupt leben kann, wenn mir dies zu Bewutseinkommt, und das geschieht sehr oft. Bittet, meine Tchter, da Seine Majestt immer in

    mir lebe; denn tut der Herr das nicht - welche Sicherheit kann es dann fr ein so belvergeudetes Leben wie das meine geben? Lat euch durch diese Erkenntnis nicht so bedrcken, wie ich es manchmal an euch beobachtet habe, wenn ich dies zu euchsagte. Es schmerzt euch, weil es euer Wunsch ist, ich wre recht fromm gewesen. Undihr habt recht damit; auch ich wollte dies gern. Doch was soll ich tun, nachdem ich esallein durch meine eigene Schuld vertan habe! Denn ich werde mich nicht ber Gott beklagen, da er mir nicht so viel Hilfe geboten hat, wie ich gebraucht htte, damiteure Wnsche sich erfllten. Ich kann das nicht ohne Trnen und ohne groeVerwirrung sagen, weil ich sehe, da ich hier etwas fr Menschen schreibe, die mich belehren knnten. Eine harte Gehorsamspflicht ist es mir gewesen! Der Herr gebe -denn es geschieht um seinetwillen -, da es euch irgendetwas ntzt.

    Bittet ihn, da er dieser elenden, anmaenden Person verzeihe. Doch Seine Majestt wei wohl, da ich mich nur seines Erbarmens rhmen kann und da ich nichtaufhren kann, die zu sein, die ich gewesen bin. Es gibt fr mich keine andere Rettung,als mich an ihn zu wenden und auf die Verdienste seines Sohnes und dessen jungfrulicher Mutter zu vertrauen, deren Kleid ich unverdienterweise trage. Lobet

    ihn, meine Tchter, die ihr ebenfalls dieses Kleid traget; denn ihr seid wahrhaftig dieTchter dieser Herrin und mt euch, da ihr eine solch gute Mutter habt, nichtschmen, weil ich verderbt bin. Folget ihrem Beispiel und bedenkt, wie erhaben dieGre dieser Herrin sein mu und wie gro das Glck, unter ihrer Schutzherrschaft zustehen; denn meine Snden und die Art meines Wesens haben nicht ausgereicht,diesem heiligen Orden auch nur das Geringste von seinem Glanz zu nehmen.

    Doch ich gebe euch den Rat, euch nicht deswegen in Sicherheit zu wiegen, weil ihr zudiesen Tchtern gehrt und eine solche Mutter habt. David war sehr heilig, und ihrwit ja, was Salomon gewesen. Haltet euch nichts zu-gut auf die Abgeschlossenheit, inder ihr lebt, noch auf eure Bubungen. Auch sollt ihr euch nicht in Sicherheitwhnen, weil ihr immer von Gott redet, euch stndig im Gebet bt, so fern von denweltlichen Dingen lebt und sie - wie ihr meint - verschmht. Das ist alles gut, doch esgengt nicht - wie ich schon sagte -, um uns von der Angst zu befreien; und darum rufteuch oft diesen Vers in die Erinnerung: Beatus vir, qui timet Dominum.Ich wei nicht mehr, was ich sagte; denn ich bin weit abgeschweift, und wenn ich anmich selbst denke, so zerbrechen mir die Flgel, die ich brauchte, um etwas Gutes zu

    sagen.

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    Deshalb will ich jetzt damit aufhren und zurckkehren zu dem, was ich euch ber jene Seelen zu sagen begonnen hatte, die in die dritte Wohnung gelangt sind unddenen der Herr keine geringe, nein, eine sehr groe Gnade erwiesen hat, als er sie dieersten Schwierigkeiten berwinden lie. Ich glaube, solche Seelen gibt es - dank der

    Gte Gottes - viele auf der Welt. Ihr ernster Wunsch ist es, Seine Majestt nicht zu beleidigen; selbst vor den llichen Snden nehmen sie sich in acht und lieben dieBue, die Stunden der inneren Sammlung; sie machen einen guten Gebrauch von ihrerZeit, ben sich in Werken der Nchstenliebe, sind sehr zuchtvoll in ihrem Reden, ihrerKleidung und der Art, in der sie ihr Haus verwalten, falls sie eines haben. Wahrlich, einStand, den man sich wnschen mu. Und es scheint keinen Grund zu geben, warumsolchen Seelen der Eintritt in die letzte der Wohnungen verwehrt werden sollte. Auchwird der Herr es ihnen nicht verweigern, wenn es ihr Wunsch ist, hineinzugelangen;denn sie sind wohl vorbereitet, die volle Gnade von ihm zu empfangen.

    O Jesus! Und wer wrde sagen, da er ein so groes Gut nicht wollte, vor allem wenner schon das grte Leid erlebt hat? Nicht ein einziger. Wir alle sagen, da wir es wollen, doch da noch mehr erforderlich ist, damit der Herr die Seele ganz in Besitznimmt, gengt es nicht, da wir es sagen - genauso wenig wie es bei dem Jnglinggengte, dem der Herr sagte, was er tun msse, wenn er vollkommen sein wolle.Seitdem ich von dieser dritten Wohnung zu reden begonnen habe, ist mir dessenGestalt vor Augen; denn wir sind tatschlich in genau der gleichen Lage. Fr

    gewhnlich haben die groen Drrezeiten, die wir in unserem Gebet erleben, hier ihreUrsache, wenngleich es freilich noch andere Grnde dafr gibt. Verschiedene innereLeiden, von denen viele gute Seelen unertrglich gepeinigt werden und an denen sienicht die geringste Schuld haben (aus welchen der Herr sie aber stets mit groemGewinn hervorgehen lt), will ich einmal beiseite lassen; ebenso die Qualen solcherMenschen, die von der Melancholie und anderen Krankheiten heimgesucht werden.Die Ge-richte Gottes mssen wir berhaupt auerhalb unserer Errterung lassen. Diehufigste Ursache der Drre ist jedoch meines Erachtens das, was ich gesagt habe. Dadiese Seelen von sich selbst wissen, da sie um nichts in der Welt eine Snde begehenwrden, da viele von ihnen nicht einmal ein lliches Vergehen mit Bewutsein sichzuschulden kommen lassen und da sie ihr Leben und ihren Besitz gut anwenden,knnen sie es nicht mit Geduld ertragen, da ihnen die Tr zu dem Raum verschlossenist, wo unser Knig weilt, fr dessen Vasallen sie sich halten, und das sind sie jatatschlich.

    Ein irdischer Knig mag viele Diener haben, und doch drfen nicht alle in seineKammer ein-treten. Geht hinein, meine Tchter, geht hinein in das Innere. Kommt

    ber eure kleinen, drftigen Werke hinaus; denn um Christen zu sein, mt ihr dasalles tun und noch viel mehr.

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    Und es sei euch genug, da ihr Vasallen Gottes seid. Begehrt nicht so viel, da ihr amEnde leer ausgeht. Schaut die Heiligen an, die in die Kammer dieses Knigs gelangtsind, und ihr werdet den Unterschied erkennen, der zwischen ihnen und uns besteht.Fordert nicht, was ihr nicht verdient habt; und es sollte uns nicht in den Sinn kommen,

    soviel wir auch dienen mgen, da wir dessen jemals wrdig sein knnten - wir, die wirGott beleidigt haben.

    O Demut, Demut! Ich wei nicht, welche Versuchung ich in dieser Hinsicht fhle;denn ich werde die Vermutung nicht los, da es demjenigen, der diese Drrezeiten sobejammert, ein wenig an dieser Eigenschaft mangelt.Die groen inneren Leiden, von denen ich gesprochen habe, lasse ich wie gesagt -beiseite; denn sie sind keineswegs nur ein Mangel an Andacht. Prfen wir uns selbst,meine Schwestern, oder es prfe uns der Herr, der dies kann, auch wenn wir es oftnicht einsehen wollen. Kommen wir also zu den Seelen, die so rechtschaffen sind, undschauen wir, was sie Gott zuliebe tun. Da werden wir erkennen, da wir kein Rechthaben, uns ber Seine Majestt zu beklagen. Denn wenn wir dem Herrn den Rckenkehren und traurig fortgehen, wie der Jngling im Evangelium, sobald er uns sagt, waswir tun mssen, um vollkommen zu sein - was erwartet ihr dann vom Herrn, der denPreis nach dem Ma der Liebe zuteilen wird, die wir fr ihn hegen? Und diese Liebe,Tchter, darf nicht das Werk unserer Einbildung sein, sondern sie mu durch Tatenerwiesen werden. Denkt aber nicht, da der Herr unserer Werke bedarf; er braucht die

    Entschlossenheit unseres Willens.

    Uns, die wir ein geistliches Gewand tragen, das wir aus freien Stcken gewhlt haben;die wir alle weltlichen Dinge und unsere Habe ihm zuliebe verlassen haben (seien esauch nur die Netze des heiligen Petrus gewesen; denn viel glaubt der zu geben, welchergibt, was er hat) - uns mag es so vorkommen, als sei alles schon getan. Es ist eine rechtgute Vorbereitung, wenn man standhaft darauf beharrt und sich nicht zurckwendetzu dem Gewrm in den ersten Gemchern, auch nicht mit begehrlichen Gedanken;denn wer sich aller irdischen Dinge entledigt hat und in vlligem Verzicht beharrt,wird gewilich das erreichen, wonach er strebt. Doch nur unter der Bedingung - merktgenau, was ich euch rate -, da man sich als nutzlosen Knecht betrachtet (wie es derheilige Paulus oder Christus selber gesagt hat) und da man nicht glaubt, man habedamit unseren Herrn verpflichtet, einem solche Gnaden zu erweisen, sondernvielmehr der berzeugung ist, da man als einer, der mehr empfangen hat, ihm um sogreren Dank schuldet.Was knnen wir fr einen so gromtigen Gott denn tun, der fr uns gestorben ist, deruns erschaffen hat und uns das Wesen gibt? Mssen wir uns nicht glcklich schtzen,

    wenn wir - ohne dafr neue Gnaden und Geschenke zu verlangen - etwas von derSchuld abtragen, die wir ihm gegenber haben, durch das,

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    was er getan hat in unserem Dienst? (Widerstrebend habe ich dieses Wort gebraucht,doch es ist so: sein ganzes Erdenleben ist nichts anderes als ein Dienen gewesen.)Achtet genau, meine Tchter, auf verschiedene Dinge, die hier angedeutet sind, wennauch verworren; denn ich wei es nicht besser zu erklren. Der Herr wird es euch zu

    verstehen geben, damit die Drre euch den Gewinn der Demut bringt und nichtUnruhe euch berkommt, wie es der Satan will. Und glaubt es: wo wahre Demutherrscht, da wird Gott, auch wenn er niemals besondere Gaben gewhrt, einen Friedenund Einklang stiften, in dem ihr frhlicher leben mget als andere, denen Geschenkezuteil werden; denn oft gibt sie die gttliche Majestt, wie ihr gelesen habt, denSchwchsten, von denen ich freilich glaube, da sie diese Gnaden nicht fr die Strkejener, die in der Drre leben, zum Tausch geben wrden. Wir lieben die Freuden mehrals das Kreuz. Prfe Du uns, Herr, der Du die Wahrheit weit, damit wir uns selbsterkennen.

    Zweites KapitelIch habe manche, ja ich kann wohl sagen, ziemlich viele Menschen gekannt, die indiesen Stand gelangten und viele Jahre in dieser Rechtschaffenheit und Harmonielebten, mit Leib und Seele, soweit dies zu erkennen war, und die hernach, wie sieanscheinend bereits Herr ber die Welt geworden waren - oder sich doch zumindestgrndlich deren Tuschung entzogen hatten -, durch Seine Majestt in nicht sehr

    groen Dingen geprft wurden und deshalb in solche Unruhe strzten, sich so bedrckt in ihrem Herzen fhlten, da ich ihnen vllig hilflos und recht ngstlichgegenberstand. Ihnen Ratschlge zu geben, hat keinen Wert; denn da sie schon solange mit der Tugend zu tun haben, meinen sie, andere belehren zu knnen, undglauben, mehr als berechtigt zu sein, sich ber jene Dinge zu hrmen.

    Ich habe jedenfalls kein Mittel gefunden und finde auch jetzt keines, mit dem solcheMenschen zu trsten wren, auer dem einen, da man ihnen zeigt, wie viel Mitgefhlman fr ihren Kummer hat. Man mu wirklich zusehen, wie sie unter ihrem Elend

    leiden, und kann ihnen doch nicht widersprechen, weil sie sich alle einig sind in demGedanken, da sie dies fr Gott erdulden. Darum kommen sie auch nicht zu derEinsicht, da ihre eigene Unvollkommenheit daran schuld ist. Damit erliegen dieseMenschen, die so weit fortgeschritten sind, einer weiteren Tuschung. Da siedarunter leiden, braucht einen nicht zu verwundern, obwohl - nach meiner Ansicht -die Traurigkeit wegen solcher Dinge rasch vorbeigehen mu.

    Denn oft will Gott, da seine Erwhlten ihre eigene Armseligkeit fhlen, und entzieht

    ihnen darum ein wenig seine Gunst; mehr braucht es fr gewhnlich nicht, damit wirsehr rasch zur Selbsterkenntnis finden. Und dann versteht man diese Art von Prfung;denn man erkennt klar und deutlich seinen Fehler, so da es einen manchmal mehr

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    bekmmert, sehen zu mssen, da einem - ohne da man dagegen aufkommen knnte- irdische und nicht sehr wichtige Dinge genauso zu Herzen gehen wie dieses Leid. Dashalte ich fr eine groe Barmherzigkeit Gottes, und obwohl ein Fehler die Ursache ist,bedeutet es einen groen Gewinn fr unsere Demut.

    Bei den Personen, von denen ich zuerst gesprochen habe, ist dies aber nicht der Fall. Inihrem Herzen wird die eigene Unruhe von ihnen gebilligt, und sie htten darum auchgern, da andere sie gutheien. Ich will einige Beispiele nennen, damit wir uns selbererkennen und uns prfen, bevor der Herr uns prft; denn es wrde sehr viel fr unsbedeuten, wenn wir darauf vorbereitet wren und uns zuvor selbst erkannt htten.Ein reicher Mensch, der weder Kinder noch sonst jemanden hat, dem zuliebe er seinenBesitz erhalten wollte, verliert etwas von dieser Habe, aber nicht so viel, da der Rest,der ihm verbleibt, nicht dazu ausreichen wrde, ihm das Ntigste fr seine Person undfr sein Haus zu bieten; er hat vielmehr noch immer mehr als genug. Wre dieserMensch nun so aufgeregt und ruhelos, als habe er kein Stckchen Brot mehr zu essen -wie sollte unser Herr da von ihm fordern, da er um seinetwillen alles verlasse? DerBetreffende wendet ein, es tue ihm nur leid, weil er es fr die Armen bewahren wolle.Ich glaube, Gott ist mehr daran gelegen, da ich in das einwillige, was Seine Majestttut, und da ich trotz meiner eigenen Absichten meine Seelenruhe bewahre. Gelingteinem das nicht, weil der Herr einem noch nicht so nahe gekommen, dann ist dasverzeihlich; aber man sollte dann auch einsehen, da einem diese Freiheit des Geistes

    noch fehlt. Dadurch macht man sich bereit, da der Herr sie einem gibt; denn manwird ihn darum bitten.

    Ein anderer Mann hat reichlich zu essen, ja im berflu. Da bietet sich ihm dieGelegenheit, noch mehr Besitz zu erwerben. Nimmt er, was man ihm gibt - schn undgut; doch wenn er sich darum abmht und, nachdem er es bekommen hat, mehr undimmer mehr haben will, aus welch guter Absicht auch immer (denn die hat er sicher,da es sich ja, wie gesagt, um lauter tugendhafte, dem Gebet ergebene Personenhandelt), so mag man dessen sicher sein, da er niemals zu den Wohnungenemporsteigen wird, die dem Knig am nchsten sind.

    Das gleiche geschieht, wenn diese Menschen eine Geringachtung erfahren oder wennman ihre Ehre ein wenig schmlert. Gott erweist ihnen zwar die Gnade, da sie es oftmit Geduld ertragen knnen (denn er hilft sehr gern der Tugend vor der Umwelt auf,damit nicht die Tugend selbst mit denen zu leiden habe, die sie zu verkrpernscheinen; vielleicht auch deshalb, weil diese Menschen ihm gedient haben, denn derHerr, unser Heil, ist sehr gut), aber dennoch erfllt sie eine solche Unruhe, die sie

    vllig aus der Fassung bringt und der sie sich nicht so rasch entwinden knnen. AchGott, sind dies nicht dieselben Menschen, die schon seit so langer Zeit in der

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    Betrachtung leben, wieviel der Herr gelitten hat, wie gut das Leiden ist, und die sichselber sogar danach sehnen? Sie htten gern, da alle ein solch mavolles, ordentlichesLeben fhren wie sie, und Gott gebe, da sie nicht denken, die Pein, die sie erleiden,rhre von fremder Schuld her, und da sie es sich in ihren Gedanken nicht noch als

    Verdienst anrechnen.

    Ihr werdet nun meinen, ich wiche von meinem Vorsatz ab und redete nicht mehr zueuch, weil diese Dinge ja bei uns nicht zu finden sind; weil wir weder einen Besitzhaben noch ihn begehren, noch uns darum bemhen, und weil auch niemand unsbeleidigt. Darum sind diese Gleichnisse auch nicht wrtlich zu nehmen. Es sind darausviele andere Dinge, die geschehen knnen, zu entnehmen; Dinge, die wir lieber nichtnher bezeichnen wollen. Dazu besteht auch kein Grund. Mit Hilfe dieser Gleichnissewerdet ihr erkennen, ob auch keine Faser mehr von dem an euch ist, was ihr verlassenhabt; denn es zeigen sich kleine Dinge - wenn auch nicht von genau derselben Art -, dieeuch sehr gut erproben und erkennen lassen, ob ihr Herrinnen eurer Leidenschaftenseid. Und glaubt mir, da es nicht darauf ankommt, ob man ein geistliches Gewandtrgt oder nicht, sondern darauf, da man danach trachtet, die Tugenden ttig zu benund unseren Willen dem Willen Gottes in allem anheimzugeben; da nichts anderesdie Ordnung unseres Lebens sei, als was Seine Majestt verfgt, und da wir nichtwnschen, da unser Wille, sondern da sein Wille geschehe.

    Sind wir aber noch nicht so weit gelangt, dann heit es, wie gesagt, Demut wahren;Demut, die eine Salbe fr unsere Wunden ist; denn wenn sie in Wahrheit vorhandenist, so wird - mag es auch eine Weile anstehen - der gttliche Wundarzt kommen, umuns zu heilen.Die Bubungen, die diese Seelen machen, sind so mavoll wie ihr ganzes Leben, dasihnen lieb und wert ist, weil sie unserem Herrn damit dienen wollen - was alles nichtschlecht ist. Deshalb sind sie auch mit groer Klugheit darauf bedacht, bei diesenbungen ihrer Gesundheit nicht zu schaden. Frchtet nicht, da sie sich dabeiumbringen knnten. Ihre Vernunft ist klar in sich gefestigt. Noch ist die Liebe nicht da,die einen der Vernunft entreit. Doch ich wollte, wir htten sie, damit wir uns nicht begngen, auf diese Weise Gott zu dienen: immer langsam, Schrittchen umSchrittchen; denn so nimmt der Weg fr uns nie ein Ende. Und da wir immer weiterzugehen meinen und dabei mde werden - denn glaubt mir, es ist einanstrengender Weg -, so ist es ein groes Glck, wenn wir unterwegs nicht zugrundegehen. Meint ihr, Tchter, wenn wir den Weg von einem Land in ein anderes in achtTagen zurcklegen knnten, da es dann gut wre, wenn wir uns dazu ein Jahr lang inSchenken, im Schnee und Regen und auf schlechten Straen herumtreiben wrden?

    Wre es nicht besser, es auf einmal hinter sich zu bringen? Denn all dieseUnannehmlichkeiten erwarten uns sonst, und wir sind von Schlangen bedroht.

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    Oh, wie genau knnte ich euch das beschreiben! Und Gott gebe, da ich selbstdarber hinaus bin; denn recht oft will mir das Gegenteil scheinen.Weil wir uns so bedachtsam und wohlberlegt bewegen und uns vor allem frchten,darum setzt uns alles zu, krnkt uns und tut uns weh, und darum wagen wir nicht,

    vorwrts zu schreiten, und tun so, als ob wir zu diesen Wohnungen gelangen knnten, whrend andere den Weg fr uns gehen. Das ist unmglich. Lat uns alle Kraftzusammennehmen, meine Schwestern, aus Liebe zum Herrn. bergeben wir unsere Vernunft und unsere ngste seinen Hnden und vergessen wir die natrlicheSchwche, die uns viel zu schaffen machen kann. Die Sorge fr unseren Leib sollen die Vorgesetzten tragen. Komme, was da mag - wir wollen nur unserem Herrnentgegeneilen, um ihn zu schauen. Denn obwohl die Bequemlichkeit, die ihr habt,gering ist - falls sie berhaupt vorhanden ist -, knnte euch doch die Sorge um eureGesundheit betrgen, und zwar um so rger, weil diese dadurch nicht besser wird. Dashabe ich erfahren, und berdies wei ich, da es nicht auf den Krper ankommt - dasist das wenigste -, sondern darauf, da wir den Weg beschreiten in groer Demut. Habtihr das verstanden, wird euch auch klar sein, warum ich glaube, da hier das bel dererzu suchen ist, die nicht weiterkommen. Es mu uns vorkommen, als htten wir erstwenige Schritte getan. Das sollen wir glauben.

    Und es mge uns scheinen, als eilten unsere Schwestern uns mit geschwindenSchritten voraus. Auch sollen wir es nicht nur wnschen, sondern dafr sorgen, da

    man uns als die Armseligste von allen ansieht.Halten wir es so, dann ist dieser Zustand vortrefflich; andernfalls werden wir jedochunser ganzes Leben lang darin stecken bleiben, unter tausend Kmmernissen undErbrmlichkeiten. Denn weil wir uns selbst noch nicht aufgegeben haben, ist der Wegsehr mhsam und beschwerlich. Hart lastet auf uns die Erde unseres Elends, von derjene nicht mehr bedrckt werden, die zu den hheren Gemchern emporsteigen. Dortversumt es der Herr nicht, gerecht, ja barmherzig zu belohnen; denn er gibt immersehr viel mehr, als wir verdient haben, und schenkt uns Freuden, die viel grer sind alsjene, die uns die Annehmlichkeiten und Zerstreuungen des Lebens gewhren knnen.Ich denke aber nicht, da er uns viele Wonnen zuteil werden lt, auer das eine oderandere Mal, um die Seelen einzuladen. Da lt er sie schauen, was in den brigenWohnungen geschieht, auf da sie sich rsten, um dort hineinzugelangen.

    Ihr werdet wohl meinen, da Freuden und Wonnen ein und dasselbe seien, undwerdet fragen, warum ich die beiden Begriffe unterscheide. Nach meiner Ansicht gibtes da einen sehr groen Unterschied. Ich kann mich auch tuschen. Was ich darunter

    verstehe, werde ich bei der vierten Wohnung sagen, welche die nchste ist. Da dieWonnen, die der Herr dort schenkt, ein wenig erklrt werden mssen,

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    ist es dort mehr am Platz. Erscheint es auch unntz, so kann es doch von einigemVorteil sein, wenn ihr erkennt, was das eine und was das andere ist, und danach euch bemhen knnt, dem Besseren nachzugehen. Und es ist ein groer Trost fr dieSeelen, da Gott solches tut, und zugleich eine Verwirrung fr jene, die meinen, da

    sie alles haben. Sind sie demtig, so mu es sie zum Dank bewegen. Mangelt es ihnendaran irgendwie, so wird es ihnen innerlich einen sinnlosen Verdru bereiten. Denndie Vervollkommnung besteht nicht in den Wonnen, sondern darin, da man mehrliebt - dem entspricht auch der Lohn - und da man gerechter und wahrhaftigerhandelt. Ihr werdet euch fragen, wozu es dann gut sei, von diesen inneren Gnaden zureden und sie zu erklren, wenn dies wahr ist (und es ist wahr). Ich wei es nicht. Manfrage den, der mir befohlen hat, dies zu schreiben; denn es ist nicht mein Amt, mit denOrdensvorstehern zu disputieren, sondern zu gehorchen, und anders wre es auchnicht gut. Was ich euch in Wahrheit sagen kann, ist dies: Als ich jene inneren Gnadennoch nicht empfangen hatte, wute ich weder aus Erfahrung davon, noch dachte ichberhaupt daran, es je im Leben erfahren zu knnen (und mit Recht, es wre mir jaschon eine groe Befriedigung gewesen, zu wissen oder zu vermuten, da ich Gott inirgend etwas gefallen knnte).

    Als ich damals in den Bchern von diesen Gnaden und Trstungen las, die der Herrden Seelen, die ihm dienen, zuteil werden lt, freute es mich ungemein, und es warmir ein Anla, da meine Seele Gott berschwnglich lobte. Wenn meine, die doch so

    verderbt war, dies tat, so werden ihn die guten und demtigen Seelen noch viel mehrpreisen. Und schon um einer einzigen willen, die ihn lobt, ist es meines Erachtens sehrgut, da man es ausspricht und da wir die Freuden und die Wonnen erkennen, dieuns durch unsere eigene Schuld verloren gehen; um so mehr, als diese Erquickungen, wenn sie von Gott kommen, Liebe und Strke mit sich bringen, die uns das Gehenerleichtern und uns wach sen lassen in unseren guten Werken und Tugenden. Denktnicht, da es wenig darauf ankommt, ob wir etwas dazu tun. Wenn der Mangel nicht anuns liegt - der Herr ist gerecht, und Seine Majestt wird euch auf anderen Wegen daszukommen lassen, was er euch auf diesem nimmt, ganz nach seinem Wissen; dennseine Geheimnisse sind unerforschlich. Ohne Zweifel wird er uns zumindest immerdas schenken, was uns am meisten frommt.

    Meines Erachtens wre es sehr ntzlich fr uns, die wir durch Gottes Gte in diesemStande sind (denn, wie gesagt, der Herr erweist den Seelen damit nicht wenigErbarmen, da sie nun nahe davor sind, weiter emporsteigen zu knnen), wenn wir dieschnelle Bereitwilligkeit des Gehorsams recht erlernten. Und auch fr Menschen, dienicht dem geistlichen Stande angehren, wre es sehr wichtig, jemanden zu haben, bei

    dem man sich Weisung holen kann (wie es viele Personen tun), um in nichts nach demeigenen Willen zu handeln; denn darin liegt die Ursache unseres Schadens.

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    Dazu sollte man nicht einen anderen Menschen von gleicher Gemtsart suchen; alsokeinen, der mit der gleichen tastenden Zaghaftigkeit sich bewegt, sondern man solltesich jemanden verschaffen, der sich von nichts Irdischem mehr blenden und tuschenlt. Denn der Umgang mit einem Menschen, der die Welt schon kennt, trgt viel dazu

    bei, da wir uns selber erkennen. Und wenn wir sehen, da manche Dinge, die unsunmglich erscheinen, anderen sehr wohl mglich sind; wenn wir gewahren, wie leichtund gelassen diese es vollbringen, so ermuntert uns das sehr, und es ist, als ob wir, wenn wir sie fliegen sehen, selber zu fliegen wagten, genau wie Vogelkinder, die dasFliegen lernen. Knnen sie sich auch nicht gleich in die Weite schwingen, so ahmen siedoch ganz allmhlich ihre Eltern nach.

    Das ist eine groe Hilfe; ich habe es selbst erfahren. Richtig ist es auch, wenn solcheMenschen, trotz all ihrer Entschlossenheit, den Herrn nicht zu beleidigen, sich nicht inGelegenheiten begeben, wo sie das tun knnten. Sie sind noch nicht weit entfernt vonden ersten Wohnungen, und so knnte es leicht geschehen, da sie dorthinZurckgehen, weil ihre Strke noch nicht auf so festem Boden gegrndet ist wie dieKraft derer, die schon im Leiden erfahren sind, die Strme der Welt kennen undwissen, wie wenig diese zu frchten und wie wenig deren Freuden zu begehren sind.Und es wre mglich, da sie durch eine harte Verfolgung zurckgetrieben werden.Denn der Satan versteht es wohl, dergleichen anzustiften, um uns zu schaden, so dawir im guten Eifer, andere von ihren Snden zu befreien, selber den Dingen nicht zu

    widerstehen vermchten, die uns dabei begegnen knnten.

    Schauen wir auf unsere eigenen Fehler und lassen wir die fremden; denn es geschiehtoft, da solche Menschen, die so ordentlich leben, vor allem und jedem erschrecken.Dabei knnte es vielleicht sein, da wir von demjenigen, ber den wir bestrzt sind, imWesentlichsten wohl etwas zu lernen vermchten und da wir ihm nur in der uerenHaltung und im Benehmen berlegen sind. Das ist aber nicht das Wichtigste, obwohles etwas Gutes ist. Es gibt auch keinen Grund, warum wir wnschen sollten, allemchten unseren Weg gehen, oder weshalb einer, der selber vielleicht keine Ahnunghat, was fr eine Sache das ist, sich nun anschicken sollte, den Weg des Geistes zulehren. Aus dem von Gott uns eingegebenen Verlangen nach dem Heil der Seelenknnen wir, meine Schwestern, viele Irrtmer begehen. Es ist darum besser, wenn wiruns an das halten, was unsere Regel sagt: Immer in Schweigen und Hoffnung lebenzu wollen. Denn der Herr selber wird fr seine Seelen besorgt sein. Wenn wir nichtnachlassen, Gott anzuflehen, so erweisen wir ihnen damit durch seine Gunst einengroen Dienst. Er sei gepriesen in Ewigkeit.

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    DIE VIERTE WOHNUNG

    ERSTES KAPITEL

    Ehe ich nun von der vierten