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Ausgefranste Jagdhemden, Leder-Mokassins und lange messingbeschlagene Vorderladerbüchsen im Waldläufer-Stil bilden heute einen Fall für geschichtsbewusste Nostalgiker – der Tomahawk aber macht sich gerade fürs 21. Jahrhundert fertig. D er Ahornsirup der kanadischen Fir- ma Alleghanys Maple Farms Inc. und der Marschflugkörper BMG- 109 vom US-Rüstungskonzern Raytheon haben eins gemeinsam: Beide tragen die Bezeichnung „Tomahawk“. Damit erin- nern ihre Hersteller an einen Gegen- stand, der als die indianische Waffe schlechthin gilt. Und die feiert seit eini- gen Jahren fröhliche Urständ: Zum Ers- ten als Kopie der originalen „Hawks“ aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Das begann im 20. Jahrhundert mit der Bewegung der Messermacher, Vorderladerschützen und der als „Buckskinner“ bekannten Waldläufer- und Trapper-Reenactors. Zum Zweiten entwickelte sich der Toma- hawk zum Sportgerät: Pfadfinder wie Western-Hobbyisten benutzen entspre- chend ausgelegte Stücke bei Wettkämp- fen im Zielwerfen. Und wer sich dem von alten Indianer-Kampftechniken abge- leiteten, jungen Martial Arts-Sport des Okichitaw widmet, braucht dazu auch so eine Hieb-/Handwurfwaffe. Und zum Dritten wandelte sich das alte Indianer- Beil zum Tactical Tomahawk. Dabei handelt es sich um eine mit Blick aufs Militär entwickelte Blankwaffe. De- Die Idee des Irokesen TEST & TECHNIK | Tactical Tomahawks 60 | VISIER. de Juli 2013

Die Idee des Irokesen - Helmut Hofmann GmbHhelmuthofmann.de/pdf/Testberichte/V 7 060-067 Tactical Tomahawks.pdfOkichitaw widmet, braucht dazu auch so eine Hieb-/Handwurfwaffe. Und

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Ausgefranste Jagdhemden, Leder-Mokassins und lange messingbeschlagene Vorderladerbüchsen im Waldläufer-Stil bilden heute einen Fall für geschichtsbewusste Nostalgiker – der Tomahawk aber macht sich gerade fürs 21. Jahrhundert fertig.

Der Ahornsirup der kanadischen Fir-ma Alleghanys Maple Farms Inc. und der Marschfl ugkörper BMG-

109 vom US-Rüstungskonzern Raytheon haben eins gemeinsam: Beide tragen die Bezeichnung „Tomahawk“. Damit erin-nern ihre Hersteller an einen Gegen-stand, der als die indianische Waffe schlechthin gilt. Und die feiert seit eini-gen Jahren fröhliche Urständ: Zum Ers-

ten als Kopie der originalen „Hawks“ aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Das begann im 20. Jahrhundert mit der Bewegung der Messermacher, Vorderladerschützen und der als „Buckskinner“ bekannten Waldläufer- und Trapper-Reenactors. Zum Zweiten entwickelte sich der Toma-hawk zum Sportgerät: Pfadfi nder wie Western-Hobbyisten benutzen entspre-chend ausgelegte Stücke bei Wettkämp-

fen im Zielwerfen. Und wer sich dem von alten Indianer-Kampftechniken abge-leiteten, jungen Martial Arts-Sport des Okichitaw widmet, braucht dazu auch so eine Hieb-/Handwurfwaffe. Und zum Dritten wandelte sich das alte Indianer-Beil zum Tactical Tomahawk.

Dabei handelt es sich um eine mit Blick aufs Militär entwickelte Blankwaffe. De-

Die Idee des Irokesen

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ren Äußeres erinnert in Material wie Form oft nur in Ansätzen, mitunter gar nicht mehr an das Gerät aus der Wald-läuferzeit. Spätestens mit dem „War against Terror“ setzten sich diese Beile auf breiter Ebene bei den GIs durch. Schon vor zehn Jahren bemerkten US-Journalisten wie David Tillett von ABC News, dass immer mehr US-Soldaten To-mahawks mit ins Gefecht führen: „Mit-

glieder der Air Force Security Groups (Luftwaffensicherheit), der Army Rangers und der Special Forces gehören unter an-derem zu den Verbänden, die sich dazu entschlossen haben, Tomahawks zu ihrer Grundausrüstung hinzuzufügen.“ Sie die-nen zum Nahkampf, zur Unfallrettung und für alle Arbeiten im Camp. Daher fi n-den sie zusehends Anhänger in der Out-door-Gemeinde und bei Sammlern.

Tomahawk ist nicht Tomahawk: Es boomt – ein Beleg: Die Herstellerzahl beginnt unübersichtlich zu werden. Kleine Firmen wie American Tomahawk Company, American Kami, Branton Knife Company, Guild Knives, Ranger Knives, RMJ Forge oder Mineral Mountain Hat-chet Works sowie diverse einzelkämpfe-rische Designer ebneten den Weg. Seit den 1990ern fertigt die US-Firma Cold

Der Vater des Tactical Tomahawk: Peter LaGana (r.) ersann das erste der als Kampfgerät, Werkzeug und Notrettungsgerät konzipierten Instrumente. Er gründete die originale American Tomahawk Company (ATC, www.americantomahawk.com)

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Steel als erster Vertreter der „Mainstream“-Messerindustrie eine ei-gene Linie moderner Tomahawks. Da entdeckte auch die Konkurrenz das Feld: Ob Benchmade, Gerber, Columbia River Knife & Tool (CRKT) oder SOG Specialty Knives & Tools – in den USA fertigen vie-le Messerhersteller solch kleinen Beile. Firmen wie Walther bringen Modelle he-raus, bei denen weniger der praktische Nutzen als vielmehr der Sammelaspekt im Vordergrund steht. Und das alles stellt nur die Spitze des Eisbergs dar.

Entsprechend variantenreich zeigt sich das Feld. Dennoch lassen sich die meis-ten Tactical Tomahawks so einteilen:1) Die seit Waldläufer-Zeiten

klassische Bauweise: Der Beilkopf sitzt per Ohr (= Öse) auf dem Stiel. Das Ohr ist rund, oval oder tropfenförmig, der Stiel massiv oder hohl.2) Das moderne Konzept: Kopf und Griff bestehen aus einem Stück. Die Handhabe ist wie bei einem Messer mit Griffschalen belegt.Weitere Unterschiede: Die Köpfe kom-men mit Hammerflächen oder Schlag-dornen gegenüber der Hauptschneide. Es gibt diverse, oft quer laufende Zu-satzschneiden, unten wie oben. Längst bestückt man die Hawks auch mit Ele-menten, die anno Falkenauge noch un-denkbar waren: Viele Designer gestalten Stiele und Griffe ergonomisch. Der neue Gerber Downrange kommt mit Kuhfuß-

klaue à la Brechstange und durchbro-chenem Kopf. Messermacher Daniel Winklers Modell R & D gibt es auch mit zusätzlichem Spike in der Schneide. Al-len Jensen entwarf für Messerhersteller TOPS das „Hawk and Knife Emergency Tool“ (Haket): Dreht man die Schraube am Stiel ab, hat man den Kopf und damit ein Messer in der Hand. Am weitesten variierte William Ryan: Sein Multi-pur-pose Survival Tool erweist sich als ab-nehmbar und ist aus Schlagring sowie Ulu-Messer der Inuit gemixt: Man kann den Hawk-Kopf auf die Finger stecken, um zu sägen oder zu schneiden (anders-wo – in Deutschland nicht: Ryans Ent-wurf fällt wegen seiner „Faustmesser-“ und Schlagring-Eigenschaften gleich doppelt unter die Verbote des WaffG).

Für Fernost: Diese modernen, multi-funktionalen Tomahawks nahmen ihren Anfang mit der Firma American Toma-hawk Company (ATC) und deren „VTAC“,

Vietnam-Tomahawk von Cold Steel (l.): 344 mm lang, à la LaGana in Olivgrün mit burgunderroter Lederscheide, gebaut in Taiwan. Rechts der New LaGana Tactical Tomahawk der American Tomahawk Company. Griff: modifiziertes Nylon, 352 mm. Kopf: gesenkgeschmiedeter 1060er Stahl. Bei dem Duo handelt es sich um Spike-Tomahawks, der New LaGana weist rechts und links auch unten zwei Schneiden auf.

Peter LaGana zeigt mit perfekter Haltung, wie das mit dem Tomahawk-Wurf funktioniert.

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also dem „Vietnam Tactical Tomahawk“. Frühe Stücke wechseln längst für vier-stellige Beträge den Besitzer. Doch gäbe es weder ATC noch VTAC ohne Peter LaGana (1927-2002), Nachfahre eines irokesischen Kriegers und im II. Welt-krieg Soldat im US Marine Corps. LaGana blieb dem USMC zeitlebens mit Leib und Seele verbunden. Wegen seines großen Nahkampf-Fachwissens verpflichtete das USMC ihn als Ausbilder. Vor gut 50 Jahren kam LaGana auf die Idee, die Sol-daten mit einer modernisierten Toma-hawk-Variante auszustatten. Diese Waf-fen waren nie ganz verschwunden; mancher (mitunter belächelte) GI schleppte derlei auch mit nach Old Euro-

pe, in den Pazifik und nach Korea. Doch mit dem Vietnam-Krieg (1957-75) kam schnell ein vermehrter Bedarf an robus-ten Nahkampf-Waffen. So kramte LaGa-na Konzepte aus Wk-II-Tagen hervor und tüftelte: Bis 1965 hatte er einen Ent-wurf fertig. Damit stieß er anfangs nur auf Ablehnung. Die Wende kam bei ei-nem Besuch des USMC in Quantico (Vir-ginia). Als LaGana im Nahkampf sein Können mit dem Hawk sowie dessen Qualitäten beim Hacken, Haken, Ritzen, Schneiden sowie beim Blockieren von Angriffen und bei der Durchdringkraft bewies, kauften gleich 18 Marineinfan-teristen bei ihm ein. Nach einigen Ver-besserungen lag dann der Ahne der mo-

dernen Tactical Tomahawks vor. Ab 1966 lieferte LaGana seine Stücke über die eigens gegründete Firma ATC.

Das Design: LaGanas Konzept weist bis heute den Weg – der Irokese entwarf einen Tomahawk-Kopf des Typs „Spike Head“. Also mit einer Beilschneide und

Zweimal Cold Steel (v. l., www.coldsteel.com): Norse Hawk und Spike Hawk – Wikinger trifft Indianer. Köpfe: gesenkgeschmiede-ter 1055er Carbonstahl. Der ist differentiell gehärtet, die Schneide voll, der Rest ist weicher zugunsten größter Zähigkeit. Das ist auch typisch für gute Tactical Tomahawks. Stiele: 55 cm, Hickory-Holz. Import: Helmut Hofmann (www.helmuthofmann.de)

Eddie Killian (www.k5tactical.com) entwarf den 172 Forged Tomahawk von Benchmade (www.benchmade.com): Ein Spike-Tomahawk mit Klauenfuß zum Aufbrechen. 412 mm lang, 4140-Stahl, gesenkgeschmiedet, G-10-Griffschalen . Die Kunststoff-Hülle ist Multi-Carry- tauglich, u.a. MOLLE und Tek-Lok.

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gegenüber einer pickelartigen Spitze. Prinzipiell nichts Neues. Früher besa-ßen die Beilpicken aus dem Schanzzeug vieler europäischer Armeen und dem Equipment mancher Feuerwehren einen ähnlichen Kopf. Auch gab es zu Koloni-alzeiten solche Tomahawks – es heißt, die als Rogers‘ Rangers bekannte Spä-her- und Guerillatruppe aus dem French and Indian War (1754-63) habe derlei bei ihren Streifzügen geführt.

Jedoch verpasste LaGana seinem Beil-kopf aus 1060er Werkzeugstahl unter Schneide und Spitze je noch einen

scharfen Schliff, was die Einsatzmög-lichkeiten im Nahkampf erhöhte. Die ATC-Hawks hatten einen im Querschnitt ovalen und sich nach oben verjüngen-den Hickory-Stiel. Mitführen ließ sich das mittels einer oben über den Hawk gezogenen Scheide aus naturfarbenem Rindsleder. Nach den ersten 500 Mus-tern kamen die als „Vietnam Toma-hawks“ bekannten ATCs zwecks besserer Tarnung grün gestrichen und mit dunk-lerem Lederfutteral. Auch gab es kurz eine Variante mit Glasfasergriff. Samm-ler suchen sie heute: Sie war nicht stabil genug und wurde fl ugs eingestellt.

Genau das tat Peter LaGana mit seiner Firma nach zirka 3800 Tomahawks, als die USA sich aus Nam zurückzuziehen begannen. Doch kamen danach stets Anfragen nach dem VTAC. Dann schlüpf-te Cold Steel in die Bresche und über-nahm den Namen ATC. Schließlich brachten Enthusiasten wie Bobby Bran-ton und Andy Prisco LaGana vor seinem Tod dazu dazu, die originale ATC wieder-zubeleben – die Folge: ein Rechtsstreit mit Cold Steel um die Namensrechte. Vielleicht war es bei alldem dem alten Marineinfanteristen ein Trost zu sehen, mit welcher Begeisterung berühmte

RMJ – das steht für den Schmied Ryan Johnson ausTennessee (www.rmjtacti cal.com), wie Killian ein Hawk-Afi cionado: Oben ein 357 mm langer Kestrel mit Beilpickenkopf und Paracord-Wicklung. Unten: RMJ-Hawk mit Poll Head, 470 mm lang, G-10-Scha-len. Typisch RMJ: Kydex-Scheiden mit dem Verweis auf den Bibel-Psalm 144.

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amerikanische Knifemaker wie Daniel Winkler, Gil Hibben, Ernest Emerson, Ryan Johnson (RMJ Forge) oder Eddie Killian seine Ideen aufnahmen und weiterentwickelten.

Vorteile hier, Nachteile da: So-bald es für eine Anforderung mehr als eine Lösung gibt, streitet die Fachwelt, welche die bessere ist. So auch hier:1) Poll gegen Spike. Auf Deutsch: Hammer-schlagfl äche gegen Pi-ckelspitze. Für den Hammer spricht, dass man damit mehr Hand-werkliches verrichten kann. Und dass der Besitzer im Handgemenge nicht Gefahr läuft, sich die Spitze in ein Auge zu rammen. Verfechter der Spitze betonen den militärischen Nutzen, weil

amerikanische Knifemaker wie Daniel Winkler, Gil Hibben, Ernest Emerson, Ryan Johnson (RMJ Forge) oder Eddie Killian seine Ideen aufnahmen und

Vorteile hier, Nachteile da: So-bald es für eine Anforderung mehr als eine Lösung gibt, streitet die Fachwelt, welche die bessere ist.

1) Poll gegen Spike.

man damit mehr Hand-werkliches verrichten kann. Und dass der Besitzer im Handgemenge nicht Gefahr läuft, sich die Spitze in ein Auge zu rammen. Verfechter der Spitze betonen den militärischen Nutzen, weil

Der Chogan T-Hawk von CRKT (l., www.crkt.com): Entwurf: Ryan Johnson. Poll Head, einteilig mit pulverbeschichtetem SK5-Carbonstahl. Griff-schalen aus glasfaserverstärktem Nylon. 355 mm.Der Condor TRT Tactical Rescue Tomahawk (r., www.acma.de): 1075CS-Carbonstahl, Paracord-Wicklung, Lederetui. Cleverer Rohrstiel-Spike Hawk mit zwei Schneiden und Aufbruchhaken. 432 mm.

Gefertigt von Fox Knives, Military Division (FKMD, www.fkmdknives.com) aus Italien, handelt es sich beim FKMD ATC Comanche um eine Koproduktion mit Hawk-Kenner Shane Sibert (www.sibert

knives.com) und der ATC. Stahl: Österreichischer N690Co, Tefl on-beschichtet, Griffschalen aus G-10 in OD-Green. Den ATC Comanche gibt es in zwei Längen, im Bild die kurze Version.

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man damit auch durch einen Helm oder eine Körperschutzausrüstung schlagen kann. Einige Hersteller lösen das Prob-lem salomonisch und bieten Spike- wie Poll-Versionen an.2) Einteilig gegen zweiteilig: Ein-teiler sind stabiler. Aber dafür kann man bei Zweiteilern einen defekten Stiel fix ersetzen. Etwa, indem man im Busch ei-nen neuen schneidet und sein oberes Ende passend fürs Ohr zuschnitzt. Zu-dem lassen sich da die Grifflängen bes-ser variieren. Auch kann man einen sol-chen Stiel abnehmen und den zerlegten Hawk platzsparend verstauen.3) Leicht oder schwer: Ein klassi-scher Tomahawk wiegt wenig. LaGanas VTAC lag bei einem Pfund. Denn der Sol-dat muss das Beil ja zusätzlich zu seiner restlichen Ausrüstung mitführen. Und da zählt jedes Gramm. Dennoch gibt es Hawks, die das Doppelte und mehr wie-gen. Deren Anhänger betonen, dass da-mit mehr Impulskraft einhergeht, vor allem, wenn von kräftiger Hand geführt.

Eins zum Schluss: Rechtlich sieht es bei Tactical Tomahawks aus wie bei arre-tierbaren Einhandmessern. Man kann sie

in Deutschland frei kaufen. Jedoch darf man sie kaum beim Spaziergang in Army-Ranger-Manier am Gurt führen oder sie einfach auf dem Beifahrersitz zwischen-lagern: Wegen Paragraph 42a WaffG kommt da das berühmte „verschlossene Behältnis“ ins Spiel. Alles in allem bildet so ein Hawk aus deutscher Sicht weniger ein Einsatzgerät als vielmehr einen Ge-genstand zum Sammeln – einen ebenso variantenreichen wie faszinierenden.

Die Redaktion dankt Dietmar Pohl, dem Chef der Pohl Force GmbH (www.pohl-force.de): Er half mit Sammlerstücken sowie mit Fachliteratur weiter. Und den Firmen Acma Reus, CRKT, Helmut Hof-mann und Walther, welche die übrigen Tactical Tomahawks zur Verfügung ge-stellt haben.

Text: Matthias S. Recktenwald Fotos: Michael Schippers,

Matthias S. Recktenwald, Archiv

Auch von Walther (www.carl-walther.com) kommt ein Tactical Tomahawk. Material: pulverbeschichteter 420er Stahl, der Tomahawk-Kopf ist in einen Schlitz des Stiels gesteckt und da verschraubt. Der Stiel besteht aus faserverstärktem Kunststoff. Die Gesamtlänge beträgt 420 mm.

Unten: Bei Gerbers Downrange handelt es sich um einen Hawk mit einer verstärkten Hammerschlagfläche und einem durchbrochenen Kopf: Der dient als Griff, wenn man mit dem Brechstangen-Klauenfuß am anderen Ende arbeiten will. Stahl: 420 HC, Griffschalen: glasfaserverstärktes Nylon, Farbton: TAN 499. 489 mm. www.gerbergear.com

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Der Tomahawk an sich:

Wie die US-Autoren Harold L. Peterson in „American Indi-an Tomahawks“ und David Grant in „Tomahawks – Traditio-nal to Tactical“ ausführen, stammt das Wort aus der india-nischen Algonkin-Sprachfamilie. Es heißt so viel wie Schneidgerät. John Baldwin listet in „Tomahawks, Pipe Axes: Of the American Frontier“ auf: „Indianisches Wort für TOMAHAWK – laut Captain John Smith ‚tomahock‘; laut Webster(-Wörterbuch): ‚tomahaac‘. Die indianischen Ur-sprünge, linguistisch gesehen: – Algonkin ‚tomehagen‘ – Mo-hegan ‚tumnahegan‘ – Delaware ‚tamoihecan‘ – Cree-Dialekt ‚otomahuk‘, er wird niedergeschlagen, und ‚otomahwaw‘, er wurde niedergeschlagen. Diese Deutungen betreffen alle Ty-pen von Tomahawks.“ Die frühesten europäisch geprägten Defi nitionen kamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als die Pilgerväter Nordamerikas Atlantikküste besiedelten. Anfangs beschrieb der Terminus ein Mittelding zwischen Keule, Beil und Axt mit Holzstiel und Steinkopf. Die Fach-welt nennt das heute „Iwatajinga“ (wieder Algonkin). Die Einwanderer nahmen es lässiger. Sie belegten mit „Toma-hawk“ erst mal jede Art von Holzkeulen, Steinbeilen sowie solchen mit eingesetzten Eisenklingen oder aufgesteck-ten Metallköpfen, beides meist aus England geliefert. Das änderte sich erst, als die Grenzer im 18. Jahrhundert leich-te Metallbeile standardmäßig zu führen begannen. Und im Slang der Wälder verkürzte sich das Wort zu „Hawk“.

Die Tomahawk-Blütezeit fällt ins 18. Jahrhundert und an den Beginn des 19.: in die Ära indianischer Freiheitskämp-fer wie dem Ottawa Pontiac, dem Delaware Shingas oder dem Shawnee Tecumseh, in die Zeit der Waldläufer wie Kasper Mansker, Ludwig „Lewis“ Wetzel oder Daniel Boo-

ne. Sie alle benutzten Hawks. Als Werkzeug wie als Nah-kampfwaffe, gelegentlich als Wurfgerät im Stil einer mit-telalterlichen Franziska. Typisch war der leichte Kopf mit der dünnen Schneide. Er senkte das Gewicht auf zirka ein Pfund. So ließ sich das für einhändigen Gebrauch gedachte Gerät gut transportieren. Es gab Schlichtes aus Massen-produktion ebenso wie luxuriös Handgefertigtes mit auf-wändigem Zierat. Zudem unterscheiden sich die Typen nach Form und Material der Köpfe und Schneiden. Einen Sonderfall bilden die Ende des 17. Jahrhunderts zum Indi-anerhandel entwickelten „Pipe Tomahawks“ oder „Smoak Tomahawks“: Statt Hammerkopf oder Pickelsporn saß ge-genüber der Klinge ein Pfeifenkopf. Der Stiel war länge-lang hohl, damit die Indianer aus dem Hawk ihre als „Kin-nikinnick“ bekannten Blatt- und Rindenmischungen rauchen konnten. Diese Axt-Pfeifen prägten schließlich das Image der ganzen Schneidwarenart am stärksten – bis heute. David Grant: „Aber es waren nicht die Indianer, die die Masse der Tomahawks in Nordamerika verwendeten. Es waren die Grenzer, die Pionierarbeit leistenden Siedler (...)“ Tomahawks gehörten gut 250 Jahre lang so zum Grenzer-Dasein wie Birkenrinde ans Kanu eines Penobscot- oder Abenaki-Indianers. Jedoch sank die Bedeutung, als sich die Siedlungsgrenze über die Mississippi-Missouri-Linie hinaus gen Westen verschob. Was in bewaldetem Gebiet Fußgängern nutzte, verlor zu Pferd und in den Weiten der Prärie an Praxiswert. Und für Nahkampfl agen kamen nun mehrschüssige Kurzwaffen auf. Einige Fotos vom Ende des 19. Jahrhunderts zeigen noch Prärieindianer mit Toma-hawk. Aber der hatte da schon längst den Charakter eines Trachtteils, Statussymbols und Zeremonialgeräts inne.

Hawk-Repliken im alten Stil: Hobbyist Dr. Peter „Doc“ Richter schuf diese Iwatajinga mit Steinkopf sowie Knochen- und Rohhautwicklung. Und US-Messermacher Daniel Winkler (www.winklerknives.com) fertigte den lederbekleideten Tomahawk im Zuge des Film „Der letzte Mohikaner“.

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