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Trudi Canavan Die Meisterin Die Gilde der Schwarzen Magier 3 Roman Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Die Gilde der schwarzen Magier - Die Meisterin

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Page 1: Die Gilde der schwarzen Magier - Die Meisterin

Trudi Canavan

Die MeisterinDie Gilde der Schwarzen Magier

3

Roman

Ins Deutsche übertragenvon Michaela Link

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Die Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel»The High Lord. The Black Magician Trilogy Book Three«

bei Voyager/HarperCollins Australia.

Umwelthinweis:Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches

sind chlorfrei und umweltschonend.

1. AuflageDeutsche Erstveröffentlichung September 2006 bei Blanvalet,

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © by Trudi Canavan 2003Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 20006by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Design Team MünchenUmschlagillustration:

Steve Stone represented by Artist Partners Ltd., LondonRedaktion: Alexander Groß

V. B. · Herstellung: Heidrun NawrotSatz: Uhl+Massopust, Aalen

Druck und Einband: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany

ISBN-10: 3-442-24396-3ISBN-13: 978-3-442-24396-9

www.blanvalet-verlag.de

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Erster Teil

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1. Die Botschaft

In der alten kyralischen Dichtung heißt der Mond das Auge.Wenn das Auge weit offen ist, schreckt seine alles durch-

dringende Aufmerksamkeit vor bösen Taten ab – oder treibtdiejenigen, die es gewagt haben, sich unter seinem Blick zuversündigen, in den Wahnsinn. Wenn das Auge so weit ge-schlossen ist, dass nur noch eine schmale Sichel seine Ge-genwart verrät, lässt es zu, dass im Verborgenen begangeneTaten – sowohl gute als auch böse – unbemerkt bleiben.

Mit einem schiefen Lächeln blickte Cery zum Mond empor.Es war nur noch eine schmale Sichel des Auges sichtbar, sowie es heimliche Liebhaber bevorzugten, aber zu solcher Artvon Stelldichein war er in der Dunkelheit der Stadt nichtunterwegs. Seine Absicht war von finstererer Natur.

Ob seine Taten aber gut waren oder schlecht, war für ihnschwer zu entscheiden. Die Männer, die er verfolgte, verdien-ten ihr Schicksal, aber Cery hatte den Verdacht, dass der Auf-trag, mit dem er betraut war, noch anderen Zwecken dienteals nur demjenigen, die Anzahl der Morde zu verringern, diedie Stadt in den letzten Jahren heimgesucht hatten. Er wusstenicht alles über das ganze schmutzige Geschäft – so viel standjedenfalls fest –, aber vermutlich wusste er mehr als jederandere in der Stadt.

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Auf seinem Weg überdachte er noch einmal seine bisheri-gen Erkenntnisse. Er hatte festgestellt, dass diese Morde nichtvon einem einzigen Mann, sondern von einer ganzen Reihevon ihnen begangen worden waren. Außerdem hatte er be-merkt, dass diese Männer alle der gleichen Rasse angehör-ten – es waren Sachakaner. Und das Wichtigste: Er wusste,dass sie allesamt Magier waren.

Soweit Cery bekannt war, gab es in der Gilde keine Sacha-kaner.

Wenn die Diebe irgendetwas von dieser ganzen Angele-genheit wussten, dann behielten sie ihr Wissen jedenfalls fürsich. Bei einem Treffen der Diebe vor zwei Jahren hatten sichdie Führer dieser locker verbündeten Gruppen der Unterweltüber Cerys Vorschlag, den Mörder zu finden und aufzuhal-ten, lustig gemacht. Diejenigen, die hinterhältig fragten, wa-rum Cery nach so langer Zeit immer noch keinen Erfolg ge-habt hatte, mochten angenommen haben, dass es nur eineneinzigen Mörder gab, oder sie hatten ihn glauben machenwollen, dass sie so dachten.

Jedes Mal, wenn Cery mit einem der Mörder fertig war, be-gann ein anderer sein grausiges Werk. Unglücklicherweisemusste es den Dieben so vorkommen, als scheitere Cery anseiner Aufgabe. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihre Fra-gen abzutun und zu hoffen, dass sein Erfolg bei anderen un-terweltlichen Aktivitäten es wieder wettmachen würde.

Aus dem dunklen Viereck eines Hauseingangs löste sichdie Gestalt eines hochgewachsenen Mannes. Unter dem Lichteiner fernen Laterne erkannte Cery ein grimmiges, vertrautesGesicht. Gol nickte kurz und schloss sich Cery an.

Sie erreichten einen Platz, an dem fünf Straßen zusammen-liefen, und hielten dort auf ein keilförmiges Gebäude zu. Alssie durch die offenen Türen eintraten, nahm Cery den schwe-ren Dunst von Schweiß, Bol und Küchengerüchen wahr. Zuder frühen Abendstunde war das Bolhaus gut besucht. Sie

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fanden einen Platz an der Theke, und Gol bestellte zwei KrügeBol und eine Portion gesalzener Bohnen.

Gol hatte bereits die Hälfte der Bohnen verzehrt, bevor erdas erste Wort sprach.

»Ganz hinten. Der Mann mit dem protzigen Ring. Wasmeinst du, Sohn?«

Wenn sie ihre wahre Identität nicht preisgeben wollten –und das wollten sie in diesen Tagen in der Öffentlichkeit nurin den seltensten Fällen –, gaben Cery und Gol sich oft alsVater und Sohn aus. Cery war zwar nur um einige Jahre jün-ger als Gol, aber dank seiner kleinen Statur und seines jun-genhaften Gesichts wurde er oft für viel jünger gehalten, alser war. Nun wartete er einen Moment lang, bevor er den Blickunauffällig über den hinteren Teil des Schankraums schwei-fen ließ.

Selbst in dem überfüllten Bolhaus war der Mann, den Golmeinte, leicht zu erkennen. Sein charakteristisch breites, brau-nes Sachakaner-Gesicht war inmitten der blassen Kyralierunübersehbar. Der Mann beobachtete seine Umgebung sorg-fältig. Nachdem ein flüchtiger Blick auf die Hand des MannesCery einen stumpfen Silberring mit einem roten Funkeln inder Mitte gezeigt hatte, wandte er sich wieder seinem Bol-krug zu.

»Was meinst du?«, murmelte Gol.Cery nahm seinen Krug und tat so, als trinke er einen guten

Schluck Bol. »Für uns zu schwierig, Pa. Soll sich jemand an-ders um ihn kümmern.«

Gol murmelte etwas in seinen Krug, während er ihn leerteund dann absetzte. Cery folgte ihm hinaus. Ein paar Straßen-ecken von dem Bolhaus entfernt, griff er in seine Jacken-tasche, zog drei Kupfermünzen hervor und drückte sie Gol indie Hand. Gol seufzte und machte sich davon.

Cery lächelte schief, bückte sich dann und öffnete ein ineine Mauer eingelassenes Gitter. Einem Fremden würde Gol

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in jeder Situation vollkommen gleichmütig erscheinen. AberCery kannte diesen Seufzer. Gol hatte Angst – und das ausgutem Grund. Solange diese Mörder unter ihnen waren,schwebte jeder Mann, jede Frau und jedes Kind in den Hüt-tenvierteln in Gefahr.

Cery schlüpfte in den Gang hinter dem Gitter. Die dreiMünzen, die er Gol gegeben hatte, waren die Bezahlung fürdrei Straßenkinder, um eine Botschaft zu überbringen – dreifür den Fall, dass eine Botschaft verloren ging oder erst ver-spätet überbracht wurde. Die Empfänger der Nachricht wa-ren irgendwelche Handwerker, die die Botschaft über dieStadtwache einem Botenjungen oder einem eigens dafür ab-gerichteten Tier übergeben würden. Niemand, der dieseNachricht weiterleitete, kannte die Bedeutung ihres Inhalts.Nur der Mann, für den die Botschaft letzten Endes bestimmtwar, würde verstehen, was es damit auf sich hatte. Und dannwürde die Jagd aufs Neue beginnen.

Nach der Unterrichtsstunde ging Sonea langsam durch dasGedränge und den Lärm des Hauptflurs der Universität. Fürgewöhnlich zollte sie den Mätzchen der anderen Novizenkaum Aufmerksamkeit – aber heute war es etwas anderes.

Genau heute vor einem Jahr habe ich Regin in der Arena besiegt,dachte sie. Ein ganzes Jahr ist seit der Herausforderung vergan-gen, und so viel hat sich seither geändert. Die meisten Novizenwaren zu zweit oder in kleinen Gruppen auf dem Weg zumhinteren Treppenhaus und zur Mensa. An der Tür eines Un-terrichtsraums steckten ein paar Mädchen tuschelnd die Köp-fe zusammen. Am Ende des Gangs kam gerade ein Lehrer auseinem Unterrichtsraum, gefolgt von zwei Novizen, die großeKisten trugen.

Sonea beobachtete die Gesichter der wenigen Novizen, dievon ihr Notiz nahmen. Niemand starrte sie an oder sah auf sieherab. Einige Erstsemester konnten den Blick allerdings nicht

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von dem Incal auf ihrem Ärmel abwenden – dem Symbol, dassie als Schützling des Hohen Lords auswies.

Am Ende des Korridors ging sie die elegante, durch Magiegeformte Treppe der Eingangshalle hinab. Die Stufen unterihren Stiefeln gaben bei jedem Schritt einen weichen, glocken-ähnlichen Ton von sich. Als noch weitere Schritte die Stufenzum Klingen brachten, hallte das Geläut in der ganzen Hallewider. Sonea blickte auf und sah, dass ihr drei Novizen ent-gegenkamen, und unwillkürlich lief ihr ein kalter Schauerüber den Rücken.

Der Novize in der Mitte des Trios war Regin. Die beiden an-deren waren seine engsten Freunde, Kano und Alend. Mit un-bewegtem Gesicht setzte sie ihren Weg fort. Als Regin sie sah,erstarb sein Lächeln. Einen Moment lang trafen sich ihre Bli-cke, bevor Regin sich abwandte und an ihr vorüberging.

Mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung sah Sonea ihmnach. Seit der Herausforderung war jede ihrer Begegnungennach diesem Muster verlaufen. Regin spielte die Rolle desguten Verlierers, und sie gestattete es ihm. Es wäre befriedi-gender gewesen, ihn seine Niederlage spüren zu lassen, abersie war davon überzeugt, dass er in diesem Fall irgendwelcheMöglichkeiten finden würde, sich insgeheim dafür zu revan-chieren. Besser, sie ignorierten einander einfach.

Ihr Sieg über Regin in einem öffentlichen Kampf hatte aller-dings mehr bewirkt als nur das Ende seiner Schikanen. Sieschien damit auch den Respekt der anderen Novizen und dermeisten Lehrer gewonnen zu haben. Jetzt war sie nicht mehrnur das Hüttenmädchen, dessen Kräfte sich zum ersten Malin einem Angriff auf die Gilde gezeigt hatten – während derjährlichen Reinigung der Stadt von Herumtreibern und an-deren unerwünschten Personen. Die Erinnerung an jenen Tagentlockte ihr unwillkürlich ein Lächeln. Ich war ebenso über-rascht, dass ich Magie benutzt hatte, wie sie es waren.

Es hing ihr auch nicht weiter nach, dass sie eine »wilde Ma-

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gierin« gewesen war, die sich ihrer Gefangennahme durcheinen Handel mit den Dieben entzogen hatte. Damals schiendas eine gute Idee zu sein, dachte sie. Ich glaubte, dass die Gildemich töten wollte. Schließlich hatten sie nie zuvor jemanden ausge-bildet, der nicht aus einem der Häuser stammte. Für die Diebe wares allerdings ein schlechtes Geschäft. Ich war nicht in der Lage,meine Kräfte so weit zu kontrollieren, dass sie von irgendwelchemNutzen gewesen wären. Obwohl ihre Zugehörigkeit zur Gildemanchen immer noch ein Dorn im Auge war, wurde sie auchnicht länger als die Außenseiterin betrachtet, die Lord Fer-guns Ruin verschuldet hatte. Nun, sie hatte ihn schließlichnicht dazu gezwungen, Cery einzusperren und mit seiner Er-mordung zu drohen, um sie zu erpressen, auf seine Pläne ein-zugehen. Er hatte seinerzeit die Gilde davon überzeugen wol-len, dass man Menschen niederer Herkunft keine Magie an-vertrauen dürfe, stattdessen aber nur bewiesen, dass aucheinige Magier dieser Macht nicht würdig waren. Bei dem Ge-danken an die vielen Novizen, die ihr soeben im Flur begeg-net waren, musste Sonea lächeln. Nach deren vorsichtigerNeugier zu schließen, schienen sie bei ihrem Anblick in ersterLinie daran zu denken, wie leicht sie ihren Herausforde-rungskampf gewonnen hatte. Sie fragten sich, wie stark sienoch werden würde. Sonea vermutete, dass sogar einige derLehrer ein wenig Angst vor ihr hatten.

Vom Fuß der Treppe aus ging sie quer durch die Eingangs-halle zu den offenen Toren der Universität. Von der Schwelleaus blickte sie zu dem grauen, zweigeschossigen Bau amRand des Gartens hinüber, und ihr Lächeln verflog.

Ein Jahr ist seit der Herausforderung vergangen, aber einiges hatsich eben nicht geändert.

Obwohl sie den Respekt der Novizen gewonnen hatte,hatte sie immer noch keine wirklichen Freunde, was keines-wegs daran lag, dass sie alle Angst vor ihr hatten – oder vorihrem Mentor. Seit der Herausforderung hatten einige der

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Studenten durchaus versucht, sie in ihre Gespräche einzube-ziehen. Während des Unterrichts oder in den Unterrichts-pausen ließ sie sich nur allzu gern darauf ein – aber sie ver-mied es, irgendwelche Verabredungen für ihre Freizeit zutreffen.

Mit einem Seufzer stieg sie die Stufen vor der Universitäthinab. Jeder, mit dem sie sich befreundete, wäre für denHohen Lord ein weiteres Werkzeug, das er gegen sie einset-zen könnte. Wenn sich jemals die Gelegenheit fand, der Gildeseine Verbrechen zu offenbaren, wären alle Menschen, andenen ihr lag, in Gefahr. Es machte wenig Sinn, Akkarin einenoch größere Auswahl möglicher Opfer zu präsentieren.

Soneas Gedanken wanderten zurück zu der Nacht, in dersie zusammen mit ihrem Freund Cery auf das Gelände derGilde vorgedrungen war. Das lag nun über zweieinhalb Jahrezurück. Obwohl sie damals geglaubt hatte, die Gilde trachteihr nach dem Leben, war ihr das Risiko vertretbar erschienen.Damals hatte sie ihre magische Kraft noch nicht kontrollierenkönnen, so dass sie für die Diebe nutzlos gewesen war. Ceryhatte gehofft, dass sie vielleicht etwas lernen würde, wenn siedie Magier bei deren Ausbildung beobachtete.

Nachdem sie an diesem Abend und in der Nacht bereitsZeugin vieler faszinierender Dinge geworden war, hatte siesich dem grauen Haus genähert, das etwas abseits von denanderen Gebäuden lag. Dort hatte sie durch einen Lüftungs-schacht gesehen, wie in einem Kellerraum ein schwarz ge-wandeter Magier einen merkwürdigen Ritus vollzog…

Der Magier nahm den funkelnden Dolch und sah den Diener an.»Der Kampf hat mich geschwächt. Ich brauche deine Kraft.«Der Diener kniete nieder und streckte den Arm aus. Der Magier

ließ die Klinge über die Haut des Mannes gleiten und drückte dannseine Hand auf die Wunde…

…Dann spürte sie eine merkwürdige Empfindung, als ob Insek-ten in ihren Ohren flatterten.

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Die Erinnerung ließ Sonea frösteln. Sie hatte damals dieBedeutung dieser Dinge nicht verstanden, und danach war soviel geschehen, dass sie versucht hatte, es zu vergessen. IhreKraft war auf so gefährliche Weise angewachsen, dass dieDiebe sie an die Gilde ausgeliefert hatten und sie auf diese Artund Weise herausfand, dass die Magier keineswegs ihren Todwollten. Sie beschlossen vielmehr, sie in die Gilde aufzuneh-men. Dann hatte Lord Fergun Cery gefangen genommen undsie erpresst, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Die Plänedes Kriegers waren allerdings fehlgeschlagen, da man Cery inseinem Gefängnis unterhalb der Universität entdeckte undSonea einer Wahrheitslesung durch Administrator Lorlen zu-stimmte, um so Ferguns Erpressungsversuch zu beweisen.Und erst während dieser Wahrheitslesung war ihre Erinne-rung an den schwarz gewandeten Magier in dem Kellerraumwieder zum Vorschein gekommen. Lorlen hatte den Magierals seinen Freund Akkarin erkannt, den Hohen Lord derGilde, und er hatte sofort gewusst, dass es sich bei dem ver-botenen Ritual um schwarze Magie handelte. Aus LorlensGedanken hatte Sonea erfahren, wozu ein schwarzer Magierin der Lage war. Durch den Gebrauch dieser verbotenen Kunstmusste Akkarin Kräfte weit über seine natürlichen Grenzenhinaus angesammelt haben. Der Hohe Lord war ohnehinschon für seine ungewöhnlich große Kraft bekannt gewesen,und als schwarzer Magier war er, fürchtete Lorlen, so stark,dass es nicht einmal der ganzen Gilde mit ihrer vereintenKraft möglich sein würde, ihn zu besiegen.

Lorlen war daher zu dem Schluss gekommen, dass eineAuseinandersetzung mit dem Hohen Lord nicht infrage kam.Sein Verbrechen musste so lange ein Geheimnis bleiben, bisein Weg gefunden werden konnte, Akkarin mit einiger Sicher-heit unschädlich zu machen. Nur Rothen, der Magier, derSoneas Mentor werden sollte, durfte in das Geheimnis einge-weiht werden; wenn er sie unterrichtete, würde er wahr-

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scheinlich in ihrem Gedächtnis auf die Erinnerung an Akka-rin stoßen und die Wahrheit auf diese Weise ohnehin erfah-ren.

Bei dem Gedanken an Rothen wurde sie zuerst traurig,dann zornig. Rothen hatte ihr mehr bedeutet als ein Mentoroder Lehrer; er war wie ein Vater für sie gewesen. OhneRothens Unterstützung hätte sie Regins Schikanen vielleichtnicht ertragen. Und als Dank für seine Mühen hatte er dieFolgen der von Regin in die Welt gesetzten bösartigen Ge-rüchte ertragen müssen, dass er sich seine Dienste als Mentorim Bett vergelten ließ.

Und gerade, als diese Verdächtigungen ein Ende gefundenzu haben schienen, war alles anders geworden. Eines Tageswar Akkarin in Rothens Gemächern aufgetaucht; er hatte he-rausgefunden, dass sein Geheimnis offenbar geworden war.Er hatte Lorlens Geist einer Lesung unterzogen und wolltedas Gleiche nun bei Rothen und Sonea tun. Da sie wussten,dass Akkarin zu mächtig war, um sich gegen ihn wehren zukönnen, hatten sie sich gefügt. Danach war Akkarin im Raumauf und ab gegangen.

»Ihr beide würdet mich bloßstellen, wenn ihr könntet«, sagte er.»Ich werde verlangen, dass man mich zu Soneas Mentor bestimmt.Sie wird mir Euer Schweigen garantieren. Solange sie mir gehört,werdet Ihr niemals irgendjemanden wissen lassen, dass ich schwar-ze Magie praktiziere.« Er blickte zu Sonea hinüber. »Umgekehrtwird Rothens Wohlergehen mir deinen Gehorsam sichern.«

Sonea hatte inzwischen den Pfad zur Residenz des HohenLords erreicht. Diese Auseinandersetzung lag schon so langezurück, dass sie das Gefühl hatte, als sei jemand anders als sieselbst darin verwickelt gewesen, vielleicht sogar nur eineFigur aus einer Geschichte, die sie einmal gehört hatte. Siewar jetzt seit anderthalb Jahren Akkarins Schützling, und daswar keineswegs so schlimm gewesen, wie sie anfangs be-fürchtet hatte. Der Hohe Lord hatte sie weder als Quelle für

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zusätzliche Kraft missbraucht noch versucht, sie in seine üblenTaten zu verwickeln. Abgesehen von den üppigen Mahlzei-ten, die sie jeden Freitagabend mit ihm einnahm, bekam sieihn kaum zu Gesicht. Und wenn sie miteinander sprachen,dann nur von ihrer Ausbildung an der Universität.

Ausgenommen diesen einen Abend, dachte sie.Bei der Erinnerung daran hielt sie inne. Vor vielen Monaten

hatte sie bei ihrer Rückkehr vom Unterricht aus dem Kellerunter der Residenz Lärm und Geschrei gehört. Nachdem siedie Stufen in den Keller hinabgestiegen war, hatte sie mitangesehen, wie Akkarin einen Mann mit schwarzer Magie tö-tete. Er hatte behauptet, der Mann sei ein sachakanischerAssassine, ein auf ihn angesetzter Meuchelmörder.

»Warum habt Ihr ihn getötet?«, fragte sie. »Warum habt Ihr ihnnicht einfach an die Gilde ausgeliefert?«

»Weil er und seinesgleichen, wie du zweifellos erraten habenwirst, viele Dinge über mich wissen, von denen es mir lieber wäre,dass die Gilde sie nicht erführe. Du fragst dich gewiss, wer dieseLeute sind, die meinen Tod wünschen, und welche Gründe sie dafürhaben. Ich kann dir nur so viel verraten: Die Sachakaner hassen dieGilde noch immer, aber sie fürchten uns auch. Von Zeit zu Zeit schi-cken sie mir einen dieser Leute, um mich auf die Probe zu stellen.«

Sonea wusste so viel über Kyralias Nachbarland wie jederandere Novize in seinem dritten Ausbildungsjahr. Alle Novi-zen nahmen den Krieg zwischen dem sachakanischen Reichund den kyralischen Magiern durch. Man brachte ihnen bei,dass die Kyralier den Krieg gewonnen hatten, indem sie sichzur Gilde zusammengeschlossen und ihre magischen Kennt-nisse vereint hatten. Sieben Jahrhunderte später war dassachakanische Reich immer noch nicht wiedererstanden, undgroße Teile des Landes lagen nach wie vor verwüstet da.

Angesichts dieser Tatsache, überlegte sie, war es durchausglaubhaft, dass die Sachakaner die Gilde immer noch hassten.Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum Sachaka

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nicht zu den verbündeten Ländern gehörte. Anders als Kyra-lia, Elyne, Vin, Lonmar und Lan war Sachaka nicht an dieÜbereinkunft gebunden, nach der alle Magier nur durch dieGilde unterrichtet und ihrer Beobachtung unterstellt wurden.Möglicherweise gab es in Sachaka wirklich noch Magier, ob-wohl Sonea bezweifelte, dass sie gut ausgebildet waren.

Wenn diese Magier tatsächlich eine Bedrohung darstellten,müsste die Gilde eigentlich darüber informiert sein. Sonearunzelte die Stirn. Vielleicht wussten einige Magier wirklichdavon. Vermutlich handelte es sich um ein Geheimnis, in dasdie Höheren Magier und der König eingeweiht waren. DemKönig konnte nicht daran gelegen sein, dass sich seine Un-tertanen über die Existenz sachakanischer Magier beunruhig-ten – zumindest solange die Sachakaner nicht zu einer ernst-haften Bedrohung wurden.

Stellten die Assassinen eine solche Bedrohung dar? Soneaschüttelte den Kopf. Wenn ab und zu ein Meuchelmörder auf-tauchte, um den Hohen Lord zu töten, war das kein wirklichernsthaftes Problem, denn Akkarin wurde offensichtlich mü-helos mit ihnen fertig.

Sie verlangsamte ihre Schritte. Vielleicht konnte Akkarinsich der Assassinen nur erwehren, weil er sich immer wiederdurch schwarze Magie stärkte. Ihr Herz setzte einen Schlagaus. Das würde heißen, dass die Assassinen über furchterre-gende Kraft verfügten. Akkarin hatte angedeutet, dass sie vonseinem Gebrauch schwarzer Magie wussten. Und sie würdenihn gewiss nicht angreifen, wenn sie nicht glaubten, eine guteChance gegen ihn zu haben. Bedeutete das, dass sie ebenfallsschwarze Magie benutzten?

Ihr wurde kalt. Und ich schlafe jede Nacht im gleichen Haus wieder Mann, den sie zu töten versuchen.

Vielleicht war das auch der Grund, warum Lorlen angeb-lich noch keine Möglichkeit gefunden hatte, sich Akkarins zuentledigen. Vielleicht wusste er, dass Akkarin gute Gründe

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für die Verwendung schwarzer Magie hatte. Vielleicht beab-sichtigte er in Wirklichkeit gar nicht, Akkarin bloßzustellen.

Nein, dachte sie. Wenn Akkarins Beweggründe ehrenwert wä-ren, hätte er mich nicht als Geisel genommen. Wenn er beweisenkönnte, dass er aus guten Motiven handelte, hätte er versucht, ge-nau das zu tun, statt zuzulassen, dass zwei Magier und eine Novi-zin ständig nach Mitteln und Wegen suchten, um ihn zu überwäl-tigen.

Und wenn ihm auch nur das Geringste an meinem Wohlerge-hen liegt, warum behält er mich dann in seiner Residenz, in der die Assassinen vermutlich wieder angreifen werden? Sie war sichsicher, dass es Lorlen um ihr Wohlergehen zu tun war. Er hättees ihr gesagt, wenn er gewusst hätte, dass Akkarins Beweg-gründe ehrbar waren. Er hätte sie nicht in dem Glauben be-lassen, ihre Lage sei schlimmer, als es den Tatsachen ent-sprach.

Plötzlich fiel ihr der Ring an Lorlens Finger wieder ein. Seitmehr als einem Jahr gingen in der Stadt Gerüchte über einenMörder um, der einen silbernen Ring mit einem roten Steintrug. Einen Ring wie den, der an Lorlens Finger steckte.

Aber das konnte nur ein Zufall sein. Sie hatte einen gewis-sen Einblick in Lorlens Geist gehabt und konnte sich nichtvorstellen, dass Lorlen irgendjemanden ermordete.

An der Tür der Residenz angekommen, hielt Sonea kurzinne und holte tief Luft. Und wenn der Mann, den Akkaringetötet hatte, gar kein Assassine gewesen war? Wenn es sichum einen sachakanischen Diplomaten gehandelt hatte, derAkkarins Verbrechen entdeckt hatte? Konnte Akkarin ihn inseine Residenz gelockt haben, um ihn dort umzubringen…und dann herauszufinden, dass der Mann ein Magier war?

Halt! Genug!Sie schüttelte den Kopf, als könne sie das von diesen frucht-

losen Überlegungen befreien. Schon seit Monaten überdach-te sie diese Möglichkeiten, ging wieder und wieder durch,

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Trudi Canavan

Die Gilde der Schwarzen Magier 3Die Meisterin

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Klappenbroschur, 704 Seiten, 12,5 x 18,3 cm50 s/w AbbildungenISBN: 978-3-442-24396-9

Blanvalet

Erscheinungstermin: August 2006

Ein neues hinreißendes Fantasy-Epos voller Magie, Abenteuer und Leidenschaft – für Leserjeden Alters! Sonea hat viel gelernt, seit sie von der Magiergilde aufgenommen wurde. Doch es gibt einiges,das sie lieber nie erfahren hätte – die Dinge, die sie in dem unterirdischen Gewölbe desgeheimnisvollen Gildenmeisters Akkarin erblickt hat. Sonea fürchtet, dass seine Zuneigung nurein hinterlistiges Spiel sein könnte …