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Die Bedeutung der Rbntgendiagnostik beim Vorliegen einer Mund-Antrum-Verbindung Wurde nach der Extraktion eines Zah- nes eine Mund - Antrum - Verbindung (MAV) diagnostiziert, so ist esfur das therapeutische Vorgehen und die pro- gnostische Beurteilung wichtig, den Zu- stand der Kieferh6hle zu kennen. Dazu werden verschiedene R6ntgentechniken herangezogen. Diese sind der Zahnfilm, die Panoramaschichtaufnahme der Kie- fer und die Obersichtsaufnahmen des Schadels sowie Spezialprojektionen zur Darstellung der Kieferh6hlen. Hinzu kommen R6ntgendarstellungen mit Kon- trastmitteln und die R6ntgentomografie des Kieferh6hlenbereiches. Der Zahnfilm hat nur eine beschrankte Aussagekraft uber das Bestehen einer oro-antralen Perforation. Mathis und Hie/scher wiesen darauf hin, daB nur Perforationen erkannt werden, die im Bereich der Abzeichnungsflache gele- gen sind (10). DerBefund gilt dann als gesichert, wenn die Verdichtungslinie unterbrochen ist. Jedoch ist der kon- tinuierliche Verlauf der Linie nicht im entgegengesetzten Sinne auszulegen. Wie auf Abb. 1 zu erkennen ist, ent- spricht die r6ntgenologische Verdich- tungslinie nicht dem Sinusboden, son- dern dem latero-basalen Anteil des Recessus alveolaris (Strahlengang I). Demnach sind Perforationen nur zu er- kennen, wenn sie sich bis indie laterale Kieferh6hlenwand erstrecken (12). Diese diagnostischen MaBstabe wurden bei 129 Zahnfilmen angelegt, die un- mittelbar nach Entstehung einer MAV angefertigt waren. Die klinisch gesi- cherte Diagnose einer MAV konnte da- bei nur in 32% der Faile erkannt wer- den. Da die klinischen Methoden zur Feststellung einer MAV (Nasenblasver- such, Sondierung mit der stumpfen Sonde, Probespulung) eine ausreichen- de Sicherheit bieten, kommt demnach dem Zahnfilm bei der Diagnosestellung keine Bedeutung zu. 1st es bei der Extraktion eines Zahnes im Kieferh6hlenbereich zu einer Wurzel- fraktur gekommen und ist die Wurzel nicht mehr unter Sicht zu lokalisieren, so kann die R6ntgendiagnostik eine wertvolle Hilfe sein. Der Zahnfilm wird aufgrund seiner Gr6Be nur dann den Wurzel rest zeigen, wenn dieser nicht oder nur gering yon seinem ursprung- lichen Ort disloziert ist. Aus der Tat- sache,daB die Kontinuitat der Alveolen- innenlinie erhalten ist, folgt, daB die Radix nicht frei in das Antrum ragt (10). Eine Hilfe bietet auch die Feststellung, ob sich die Achsenrichtung der Wur- zelspitze - kenntlich am Wurzelkanal - gegenuber ihrer ursprunglichen Lage verandert hat oder ob sie noch der so- genannten "Apexlinie" aufsitzt (10). Ein diagnostischer Irrtum ist m6glich, wenn dieWurzel zwischen der auBeren Wand des Alveolarfortsatzes und dem Periost in die H6he gedrangt wurde (13). 1st diese Situation durch vestibulare Pal- pation ausgeschlossen, so kann der Wurzelrest zwar am Boden der Kiefer- h6hle, jedoch unter der Schleimhaut liegen (in 13% der dislozierten Wur- zein) (14). Bei den hier zur Befundung vorliegen- den Zahnfilmen konnten 78% der Wur- zelreste, die klinisch gefunden wurden, auf dem Zahnfilm lokalisiert werden. Da zuweilen nach der Extraktion nicht sicher ist, ob die Wurzel disloziert oder etwa abgesaugt wurde, kann in einem doch recht hohen Anteil schon durch einen Zahnfilm Sicherheit verschafft werden. Daraus wird auch deutlich, daB in 4/5 der Faile die Radix in der direk- ten Umgebung der Perforation zu fin- den ist. Sollte jedoch der Zahnfilm den vermiBten Wurzel rest nicht zeigen und besteht weiterhin der Verdacht, daB er in die Kieferhbhle hineingestoBen wur- de, so ist auf jeden Fall mit anderen Aufnahmen weiter zu suchen. 2. Die Panoramaschichtaufnahme der Kiefer Um eine MAV auf einem Orthopantomo- gramm (OPG) erkennen zu kbnnen, muB diese in der entsprechenden Schicht liegen, da es sich um ein tomographi- sches Verfahren handelt. Der horizon- tale Strahlengang laBt eine MAV dann sichtbar werden, wenn sie in der basa- len Verdichtungslinie Iiegt (vergl. Abb. 1, Strahlengang II). Entsprechend wurden nur bei 32% der 142 zur Befundung vorliegenden Orthopantomogrammen die MAV bestatigt. Obwohl das OPG einen gr6Beren Ausschnitt der Kiefer- hbhle zeigt als der Zahnfilm, konnte nur die gleiche Anzahl yon Wurzel- resten darauf lokalisiert werden (78%). Es waren dies jedoch nicht die glei- chen Wurzelreste. Zwar konnten radices gefunden wer- den, die weiter yon der perforierten Alveole entfernt waren und auf dem Zahnfilm nicht zur Darstellung kamen, andere wiederum waren jedoch nicht zu sehen, da sie durch Oberlagerun- gen unscharf erschienen oder nicht in der Schicht lagen. Durch den Zahnfilm und das OPG ge- meinsam konnten 36 yon 37 in die Kie- ferhbhle dislozierten Wurzelresten 10- kalisiert werden. Nur eine Radix war

Die Bedeutung der Rbntgendiagnostik beim Vorliegen einer

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Die Bedeutung der Rbntgendiagnostikbeim Vorliegen einer Mund-Antrum-Verbindung

Wurde nach der Extraktion eines Zah-nes eine Mund - Antrum - Verbindung(MAV) diagnostiziert, so ist es fur dastherapeutische Vorgehen und die pro-gnostische Beurteilung wichtig, den Zu-stand der Kieferh6hle zu kennen. Dazuwerden verschiedene R6ntgentechnikenherangezogen. Diese sind der Zahnfilm,die Panoramaschichtaufnahme der Kie-fer und die Obersichtsaufnahmen desSchadels sowie Spezialprojektionen zurDarstellung der Kieferh6hlen. Hinzukommen R6ntgendarstellungen mit Kon-trastmitteln und die R6ntgentomografiedes Kieferh6hlenbereiches.

Der Zahnfilm hat nur eine beschrankteAussagekraft uber das Bestehen eineroro-antralen Perforation. Mathis undHie/scher wiesen darauf hin, daB nurPerforationen erkannt werden, die imBereich der Abzeichnungsflache gele-gen sind (10). Der Befund gilt dann alsgesichert, wenn die Verdichtungslinieunterbrochen ist. Jedoch ist der kon-tinuierliche Verlauf der Linie nicht imentgegengesetzten Sinne auszulegen.Wie auf Abb. 1 zu erkennen ist, ent-spricht die r6ntgenologische Verdich-tungslinie nicht dem Sinusboden, son-dern dem latero-basalen Anteil desRecessus alveolaris (Strahlengang I).Demnach sind Perforationen nur zu er-kennen, wenn sie sich bis in die lateraleKieferh6hlenwand erstrecken (12).

Diese diagnostischen MaBstabe wurdenbei 129 Zahnfilmen angelegt, die un-mittelbar nach Entstehung einer MAVangefertigt waren. Die klinisch gesi-cherte Diagnose einer MAV konnte da-bei nur in 32% der Faile erkannt wer-den. Da die klinischen Methoden zur

Feststellung einer MAV (Nasenblasver-such, Sondierung mit der stumpfenSonde, Probespulung) eine ausreichen-de Sicherheit bieten, kommt demnachdem Zahnfilm bei der Diagnosestellungkeine Bedeutung zu.

1st es bei der Extraktion eines Zahnesim Kieferh6hlenbereich zu einer Wurzel-fraktur gekommen und ist die Wurzelnicht mehr unter Sicht zu lokalisieren,so kann die R6ntgendiagnostik einewertvolle Hilfe sein. Der Zahnfilm wirdaufgrund seiner Gr6Be nur dann denWurzel rest zeigen, wenn dieser nichtoder nur gering yon seinem ursprung-lichen Ort disloziert ist. Aus der Tat-sache, daB die Kontinuitat der Alveolen-innenlinie erhalten ist, folgt, daB dieRadix nicht frei in das Antrum ragt (10).Eine Hilfe bietet auch die Feststellung,ob sich die Achsenrichtung der Wur-zelspitze - kenntlich am Wurzelkanal -gegenuber ihrer ursprunglichen Lageverandert hat oder ob sie noch der so-genannten "Apexlinie" aufsitzt (10). Eindiagnostischer Irrtum ist m6glich, wenndie Wurzel zwischen der auBeren Wanddes Alveolarfortsatzes und dem Periostin die H6he gedrangt wurde (13). 1stdiese Situation durch vestibulare Pal-pation ausgeschlossen, so kann derWurzel rest zwar am Boden der Kiefer-h6hle, jedoch unter der Schleimhautliegen (in 13% der dislozierten Wur-zein) (14).

Bei den hier zur Befundung vorliegen-den Zahnfilmen konnten 78% der Wur-zelreste, die klinisch gefunden wurden,auf dem Zahnfilm lokalisiert werden.Da zuweilen nach der Extraktion nichtsicher ist, ob die Wurzel disloziert oderetwa abgesaugt wurde, kann in einemdoch recht hohen Anteil schon durcheinen Zahnfilm Sicherheit verschafft

werden. Daraus wird auch deutlich, daBin 4/5 der Faile die Radix in der direk-ten Umgebung der Perforation zu fin-den ist. Sollte jedoch der Zahnfilm denvermiBten Wurzel rest nicht zeigen undbesteht weiterhin der Verdacht, daB erin die Kieferhbhle hineingestoBen wur-de, so ist auf jeden Fall mit anderenAufnahmen weiter zu suchen.

2. Die Panoramaschichtaufnahmeder Kiefer

Um eine MAV auf einem Orthopantomo-gramm (OPG) erkennen zu kbnnen, muBdiese in der entsprechenden Schichtliegen, da es sich um ein tomographi-sches Verfahren handelt. Der horizon-tale Strahlengang laBt eine MAV dannsichtbar werden, wenn sie in der basa-len Verdichtungslinie Iiegt (vergl. Abb. 1,Strahlengang II). Entsprechend wurdennur bei 32% der 142 zur Befundungvorliegenden Orthopantomogrammen dieMAV bestatigt. Obwohl das OPGeinen gr6Beren Ausschnitt der Kiefer-hbhle zeigt als der Zahnfilm, konntenur die gleiche Anzahl yon Wurzel-resten darauf lokalisiert werden (78%).Es waren dies jedoch nicht die glei-chen Wurzelreste.

Zwar konnten radices gefunden wer-den, die weiter yon der perforiertenAlveole entfernt waren und auf demZahnfilm nicht zur Darstellung kamen,andere wiederum waren jedoch nichtzu sehen, da sie durch Oberlagerun-gen unscharf erschienen oder nicht inder Schicht lagen.

Durch den Zahnfilm und das OPG ge-meinsam konnten 36 yon 37 in die Kie-ferhbhle dislozierten Wurzelresten 10-kalisiert werden. Nur eine Radix war

Abb. 1. Ronlgenaufnahmen im Bereich desRecessus alveolaris des Sinus maxillarisbei Mund-Anlrum-Verbindung. 1m Sirahlen-gang I (Zahnfilm) komml der lalero-basaleAnleil des Anlrums als Verdichlungsliniezur Darslellung. Die Perforalion kann nichlerkannl werden. 1m Sirahiengang II (Pano-ramaschichlaufnahmen) wird eine basal ge-legene Perforalion im Ronlgenbild sichl-bar durch Unlerbrechung der Verdichlungs-linie (in Anlehnung an Malhis-Hielscher).

so weit nach cranial disloziert, daB siesich dem Ausschnittsbereich dieser bei-den Rontgenaufnahmenverfahren ent-zog. Nur durch die Kombination vonZahnfilm und Panoramaschichtaufnah-me der Kiefer kann also eine ausrei-chende Zuverlassigkeit bei der rontge-nologischen Auffindung von disloziertenWurzelresten erreicht werden.

Die Panoramaschichtaufnahmen der Kie-fer bieten keinen Vorteil bei der Be-urteilung der Kieferhohle (7). Wennauch bei 14% der Orthopantomogram-me Kieferhohlenveranderungen erkanntwerden konnten (11), so erlauben dieseBefunde keine weiteren diagnostischenSchlusse und konnen nur die Notwen-digkeit einer genaueren Kieferhohlen-diagnostik unterstreichen.

3. Die rontgenologische Darstellungder Kieferhohlen

Die groBte Bedeutung bei der rontgeno-logischen Darstellung der Kieferhohlenhat die Schadelaufnahme im posterior-anterior - cranial - exzentrischen (pace)Strahlengang. Wenn diese Aufnahmeeine Aussage erlaubt, so ist keine wei-tere Aufnahme erforderlich (1). Liegteine MAV vor, so ist es fur das weiteretherapeutische Vorgehen entscheidend,den Zustand der Kieferhohlenmucosazu kennen. Dabe! spielt die Rontgen-diagnostik zwar eine wichtige, jedochnicht die allein entscheidende Rolle.Es ist bekannt, daB bei der antroskopi-schen Oberprufung von radiologischen

Befunden der Kieferhohle diese sowohlfalsch positiv als auch falsch negativsein konnen (8, 3). Mann et al. wiesendarauf hin, daB die radiologische Dia-gnose einer Schleimhautverdickung in37,5% durch den endoskopischen Be-fund korrigiert werden muBte und daBbei 8% der Faile mit einer totalenRadioopazitat der Kieferhohle die Si-nusskopie eine normale Mucosa zeigte(8). Zudem weiB man, daB 26% dergesunden Bevolkerung rontgenologischeVeranderungen der Kieferhohle aufwei-sen (2). DaB aus einer Kieferhohlen-aplasie eine totale Radioopazitat derKieferhohle resultiert, ist sicher eineRaritat (6).

In Abb.2 sind die Befunde aufgefUhrt,die anlaBlich einer Mund-Antrum-Ver-bindung uber die Kieferhohle in derSchadel-Obersichtsaufnahme im pace-Strahlengang erhoben werden konnen.Andere Befunde, die bei der MAV kei-ne Rolle spiel en, sollen hier nicht er-ortert werden. Die Radiotransluzenzder kontralateralen nicht betroffenenKieferhohle dient bei der Beurteilungder erkrankten Seite als Hilfe. Liegtauf der nicht beteiligten Seite ebenfallseine Radioopazitat vor, so ist die Be-urteilung der beteiligten Seite erschwertund legt bei seitengleichen Befundenatiologisch eine rhinogene Sinusitisnahe.

Auf diese Weise wurden 150 Rontgen-aufnahmen der Kieferhohle befundet.Bei Behandlungsbeginn wurden nur in21% der Faile seitengleich transparen-te Kieferhohlen festgestellt. Ein sehrhoher Prozentsatz, namlich 43% derradiologisch dargestellten Kieferhoh-len, zeigte eine totale Radioopazitat.Etwa gleichviele Patienten wiesen einegleichmaBige randstandige Reaktion dergesamten Kieferhohlenmucosa (17%)und eine basale Alteration der Mucosaauf (15%). Es uberrascht der geringeAnteil an Patienten, bei denen es nurzu einer regionalen (= basalen) Reak-tion der Schleimhaut gekommen war,da dieser Bereich in der nachsten Um-gebung der Perforation liegt. Die Tat-sache, daB nur in 3% rontgenologischein Spiegel dargestellt wurde, jedochin 13% Pus aspiriert werden konnte,zeigt, daB in der Mehrzahl der purulen-ten Sinusitiden die Sekretmenge nichtzur radiologischen Darstellung ausreicht.Mit der Aufnahme am seitlich geneig-

Abb. 2. Mogliche Ronlgenbefunde der Kie-ferhohle bei MAV (Schadel p. a. c. e.), a)seilengleiche Radiolransluzenz beider Kie-ferhohlen, b) gleichmaBige IOlale Radio-opazilal der erkranklen Kieferhohle, c) rand·slandige Radioopazilal, d) basil Ie Radio-opazilal im Rezessus alveolaris, e) hori-zonlale Spiegelbildung, f) Spiegelbildungim Recessus zygomalicus am seillich ge-neiglen Palienlen.

ten Patienten (vergl. Abb. 2 f) kann die-ser Anteil erhoht werden. Eine direkteGegenuberstellung dieser Prozentzah-len erscheint nicht sinnvoll, da dasZeitintervall zwischen Entstehung derMAV und dem Beginn der Therapieinterindividuell verschieden war. Dem-entsprechend wurden die Befunde inAbb.3 aufgegliedert. Man sieht, daBmit der Zunahme des Zeitintervallesder prozentuale Anteil der im Rontgen-bild pathologisch veranderten Kiefer-hohle zunimmt. Da dieser Zusammen-hang aus nicht normal verteilte~ Reihennachzuweisen ist und in drei Gruppennur kleine Zahlen vorliegen, v:urde zumstatistischen Nachweis eine Spearman'-sche Rangkorrelation bei Bindungendurchgefuhrt. Die Range der einen Rei-he waren durch das Zeitintervall gege-ben und in der anderen durch denRontgenbefund, der in der Reihenfolgeseitengleiche Transluzenz-partielle Opa-zitat - totale Opazitat als zunehmendschlechter definiert wurde. Anhand derStudent-Verteilung wurde gefunden,daB auf dem 1% Niveau eine signifi-kante Beziehung zwischen dem Zeit-

intervall nach Entstehung einer MAVund dem Grad der Veranderung in derR6ntgendarstellung besteht

(\

(t = 2,65 > 2,61 = t147; 0,01).

Da die Anzahl der Patienten, die nach48 Stunden, nach vier Tagen und nacheiner Woche zur Behandlung kamen,sehr gering ist, k6nnen keine statistischgesicherten Angaben daruber gemachtwerden, wie lange etwa eine MAV to-leriert wird, ohne daB pathologischeErscheinungen auftreten. Die Tatsachejedoch, daB auch bei der sofortigenDiagnosestellung einer MAV schon in213 der Faile eine pathologische Ver-anderung der Kieferh6hle im R6ntgen-bild vorliegt, laBt annehmen, daB eineadaquate Therapie gar nicht fruh ge-nug einsetzen kann. Haanaes zeigte,daB in 35% der von ihm untersuchtenFaile bereits vor der Extraktion eineradiologisch darstellbare pathologischeVeranderung des Sinus vorlag (4).

Anhand einer Kasuistik sei das ebenGeschilderte illustriert. Abb.4 zeigt dieR6ntgenbilder eines Patienten, der ei-nen Tag post extractionem uberwiesenwurde. Nach klinischer und radiolo-gischer Diagnostik war der Patient nichtbereit, sich der vorgeschlagenen Be-hand lung zu unterziehen. Er stellte sicherst drei Tage spater wieder vor, alsbereits die ersten sinusitischen Be-schwerden aufgetreten waren. Bei derExtraktion des Zahnes 26 war es zueiner Wurzelfraktur und einer anschlie-Benden Dislokation der mesiobuccalenWurzel in die Kieferh6hle gekommen.Das bei der Erstaufnahme angefertigteR6ntgenbild (Abb. 4 a) der Kieferh6hlezeigt noch keine pathologische Veran-derung, wahrend drei Tage spater be-reits ein horizontaler Spiegel in der lin-ken Kieferh6hle festzustellen ist (Abb.4 b). Man sieht, daB dieser Spiegel aufdem OPG nicht zur Darstellung gelangt.Der Wurzel rest hat sich weiter von derAlveole entfernt. Der Patient war an-schlleBend doch zur Behandlung bereitund es wurde durch eine konservativeTherapie (Kieferh6hlenspulung, antibio-tische Abdeckung, vasokonstriktorischeNasentropfen) ein Ruckgang des ent-zundlichen Geschehens erreicht. Da-nach konnte der Wurzel rest aus derKieferh6hle entfernt und die MAV pla-stisch gedeckt werden (sog. sekundareplastische Deckung).

Zeilpunktder sotart bis bis bis bis Spilter

Rtl. ~ Diagnose 48h 4Tage 1 Woche 1 MonalBefund (n-611 (n-lO) (n'Sl (noll) (n-Z4) (n-)))

seitengleicheTransluzenz 36 40 15 11

partjelleOpazitllt 18 40 15 45 58 J)

totaleOpazit:lt 36 10 50 55 41 58

Abb. 3. Rontgenbefunde der Kieferhohlebei bestehender MAV in Abhiingigkeit vomZeitintervall zwischen Entstehung der MAVund Beginn der Therapie in Prozent (n =150).

Abb. 4a. Rontgenaufnahmen einen Tag postextractionem 26 (Erliiuterung im Text).

Abb. 4. Rontgenaufnahmen vier Tage postextraclionem 26 ohne Therapie (s. Text).

Abb. 5. Die Beziehung zWischen dem Ront-genbefund der Kieferhohle bei Behand-lungsbeginn und der Notwendigkeit einerKieferhohlenoperation.

Zur Vervollstandigung der radiologi-schen Kieferh6hlendiagnostik wurdenals weitere Aufnahmetechniken der la-terale und axiale Strahlengang empfoh-len. Diese Aufnahmen erlauben jedochkeine weiteren Schlusse als nicht schondurch die Schadel- pace -Aufnahmenbekannt waren (1). R6ntgenaufnahmender Kieferh6hle, die nach Instillationeines radioopaken Materials erfolgen,sind zwar selten vonn6ten (5), k6nnenjedoch bei zweifelhaften Befunden einenentscheidenden Hinweis geben. Vor al-lem die Diagnose einer radikularenZyste, die ja zuweilen das Volumen derKieferh6hle erreichen kann, und die beider Extraktion er6ffnet wurde, kanndurch die Kontrastaufnahme gestelltwerden. Sollte die Aufnahme im poste-rior-anterioren Strahlengang (die "Aus-blendung" der Pyramiden ist hier nichtnotwendig) nicht genugend Klarheit ver-schaffen, so k6nnen zusatzlich seitlicheAufnahmen angefertigt werden. Diesewerden je nachdem, ob die anterioreoder posteriore Kieferh6hlenwand dar-gestellt werden soil, in Stirn- oder Hin-terhauptslage ausgefuhrt (9). Zudemkann die Eliminationsgeschwindigkeitdes Kontrastmittels aus der Kieferh6h-Ie zur Funktionsprufung des Flimmer-epithels herangezogen werden. Beinormaler Flimmertatigkeit wird dasKontrastmittel binnen 24 Stunden aus-geschieden (10). Nur bei seltenen dia-gnostischen Zweifeln, die bei Mund-Antrum-Verbindungen kaum vorkommendurften, ist die r6ntgentomographischeUntersuchung der Kieferh6hle ange-zeigt.

4. Die Relevanz der Radiodiagno-stik in bezug auf die Therapie

Da die Radiodiagnostik fur die durch-zufuhrende Therapie eine wichtige Ent-scheidungshilfe darstellt, wurden diesebeiden Parameter einander gegenubergestellt. Dabei konnte in einem Chiqua-drat-Neun-Felder-Test die Nullhypothe-se widerlegt werden, d. h., es bestehtein ausgesprochen deutlicher Zusam-men hang zwischen dem R6ntgenbefund(Grad der Radioopazitat des Sinus ma-xillaris) und der Art der operativenTherapie der Kieferh6hle (Signifikanzauf dem 0,1 % Niveau). Abb. 5 zeigt diesin graphischer Darstellung.

randstandige Opazitat 22,0%Spiegel 1,5%

10,6%22,0% 1,2%

9,4%nur plast. Deckung

3,2%8,1%

14,5%3,2% , .

Abb. 6. Vergleich der pra- und posltherapeutischen Rontgenbefunde (Schadel p. a. c. e.)in Abhangigkeit vom operativen Vorgehen bei der MAV.

plast. Deckung und Radikal-operation der KieferhOhle

Wahrend bei der Gruppe, die im Rbnt-genbild eine gesunde Kieferhbhle ver-muten lieB, nur 6,2% einer Radikal-operation unterzogen werden muBten,waren dies bei der Gruppe, die einetotale Verschattung der Kieferhbhleaufwies, 67,7%. Einerseits zeigt dieseTatsache die Grenzen der VerlaBlich-keit des Rbntgenbefundes auf, da an-zunehmen ist, daB bei den Patienten,deren Rbntgenbild zunachst keinen pa-thologischen Befund zeigte, trotzdemschon ein solcher vorgelegen habenmuB, der im spateren Veri auf der The-rapie schlieBlich zur Radikaloperationfuhrte. Andererseits wird deutlich, daBimmerhin 23% der Patienten, derenRbntgenbild eine totale Opazitat zeigte,durch die konservative Therapie aneiner Radikaloperation vorbeigefuhrtwerden konnten. Es sollte ein Bestrebensein, diesen Anteil weiter zu erhbhen.Hier blieb noch 07,7% der Patienteneine Radikaloperation der Kieferhbhlenicht erspart. Die partielle Ausraumung,d. h. die Belassung gesunder Schleim-hautareale der Kieferhbhle, wurde amhaufigsten bei den Patienten durchge-fuhrt, die im Rbntgenbild keinen patho-logischen Befund aufwiesen (in 25%).Dies mag darauf zuruckzufUhren sein,daB geringe pathologische Veranderun-gen im Bereich der MAV auf der Kiefer-hbhlenaufnahme nur sehr schwer zuerkennen sind, da der Rezessus alveo-laris die meisten Oberlagerungen zeigt.Bei der plastischen Deckung fallen die-se Befunde durch antroskopische Be-urteilung oder unter direkter Sicht je-doch auf. Es wird klar, daB das an-

fangliche Rbntgenbild kein absoluterMaBstab fur die Planung der Therapiesein kann. Es muB vielmehr im Zusam-menhang mit den klinischen Sympto-men und dem Veri auf beurteilt werden.

5. Zur Rontgendiagnostik nach Be-hand lung der MAV

Die bei Behandlungsende erhobenenRbntgenbefunde mussen in Zusammen-hang mit der durchgefuhrten Therapiegesehen werden. Es wurde deshalbzwischen den Patienten, bei denen eineplastische Deckung durchgefuhrt wurdeund jenen, bei denen zusatzlich eineRadikaloperation der Kieferhbhle er-forderlich war, unterschieden. Wurdenun ausschlieBlich eine plastische Dek-kung vorgenommen, so kann es beider Kontrolluntersuchung als Erfolg ge-wertet werden, wenn die Kieferhbhlenseitengleich total radiotransluzent sindoder nur eine basale Radioopazitatvorliegt. Letzterer Befund tritt auf, wennnach durchgefUhrter AuBenplastik nachRehrmann!Wassmung Blutungen in derKieferhbhle auftreten und das am Bo-den der Kieferhbhle entstehende Ko-agulum nicht ganzlich durch die Flim-merbewegungen aus der Kieferhbhleentfernt wird. Das im Wundbereich zu-ruckbleibende Koagulum wird organi-siert und ruft eine Radioopazitat hervor.Diese befriedigenden Rbntgenbefundekonnten bel 78,8% der Patienten er-hoben werden (s. Abb. 6). Bei den ubri-gen Patienten muB auf jeden Fall eineeingehende klinische Untersuchung er-folgen und bei Bestatigung des patho-

logischen Rbntgenbefundes eine Thera-pie eingeleitet werden.

Bei den radikal operierten Kieferhbh-len macht der Anteil der zufriedenstel-lenden Rbntgenbefunde nur 38,8% aus.Die pathognostische Bedeutung desradiologischen Befundes nach einer Ra-dikaloperation der Kieferhbhle ist je-doch schwieriger zu beurteilen. Sokbnnte durchaus eine randstandige odertotale Radioopazitat der operierten Kie-ferhbhle als Zeichen einer verschieden-gradigen Bildung yon Granulationsge-we be angesehen werden. Bei den Auf-nahmen, die als totale Radioopazitatklassifiziert wurden, zeigte sich, daBdiese Verminderung der Strahlendurch-lassigkeit nicht homogen war, sonderndaB Strukturen erkennbar waren, dieals Narbenzuge oder Septenbildungengedeutet werden kbnnen. Insofern istes schwierig, wenn nicht unmbglich,uberhaupt eine klinisch relevante Aus-sage uber ein Kontrollrbntgenbild einerradikal operierten Kieferhbhle zu ma-chen.

Um auf diese Problematik naher einzu-gehen, wurden die Rbntgenbefunde derKontrolluntersuchung und die Haufig-keit des Auftretens yon postoperativenBeschwerden verglichen. Dabei konntedie Unabhangigkeitshypothese im Chi-quadrat-6-Felder-Test auf dem 5% Ni-veau nicht widerlegt werden. Es be-steht also kein statistisch signifikanterZusammenhang zwischen dem Rbntgen-befund der Kieferhbhle und den Be-schwerden, die nach der Therapie ei-ner MAV gefunden werden.

Es erschien weiterhin interessant, obzwischen den posttherapeutisch erho-benen Rbntgenbefunden der Kieferhbh-Ie und den bei Behandlungsbeginn er-hobenen klinischen Befunden ein Zu-sammenhang besteht. Wenn eine Zahn-wurzel in die Kieferhbhle disloziert war,so war posttherapeutisch ein erheblichbesseres Erscheinungsbild der Kiefer-hbhle gegeben als bei den ubrigen Fal-len. Dieses Ergebnis ist auf dem 5%Niveau statistisch signifikant. Ais Er-klarung fur diesen prima vista uberra-schenden Zusammenhang mag gelten,daB im Faile der Dislokation einerZahnwurzel in die Kieferhbhle in derRegel sofort bei der Extraktion die Dia-gnose gestellt wird und eine Oberwei-sung an die Klinik erfolgt. Die Recht-

zeitigkeit der Diagnose und Therapieist jedoch ein entscheidender Faktor furdie Prognose der MAV. Die postthera-peutische Befundung der purulenten Si-nusitiden ergab keinen bedeutendenUnterschied zu den ubrigen Fallen. Dieswiderspricht der Beobachtung vonFlemming et aI., daB nach der Sinusitispurulenta fast immer eine Heilung er-folgl.

Zahnfilm und Panoramaschichtaufnah-me spiel en bei der Diagnostik der MAVnur dann eine Rolle, wenn ein dislo-zierter Wurzel rest lokalisiert werdenmuB. Die Rbntgendiagnostik der Kiefer-hbhle ist zwar wichtig zur Beurteilungdes Kieferhbhlenzustandes bei Behand-lungsbeginn, sie darf jedoch nicht alsalleiniges Kriterium fur das weiteretherapeutische Vorgehen herangezogenwerden. Die Verschlechterung des Rbnt-genbefundes der Kieferhbhle mit zu-nehmendem Zeitintervall zwischen Ent-stehung und Diagnose der MAV wird

statistisch belegl. Zwischen dem Rbnt-genbefund der Kieferhbhle und den Be-schwerden, die nach der Therapie einerMund-Antrum-Verbindung gefundenwerden, besteht kein statistisch sign i-fikanter Zusammenhang.

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Aus dem Zentrum der Zahn-, Mund- undKieferheilkunde, Abteilung fur Zahn-,Mund- und Kieferchirurgie, Frankfurt.