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Ausgabe 44 / IV. Quartal 2011 Spektrum der Mediation www.bmev.de Die Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation e. V. Mediation & Wissenschaft? Berichte zum Thema Mediation und Wissenschaft Konfliktinterventionsmodell Mediation erforschen Interkulturelle Mediation Mediation mit Fremdsprachen Der Gastbeitrag Die Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes Berichte aus dem BM Der neue Vorstand

der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

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Page 1: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Ausgabe 44 / IV. Quartal 2011

Spektrum der Mediation

www.bmev.deDie Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation e. V.

Mediation & Wissenschaft?Berichte zum Thema

Mediation und WissenschaftKonfliktinterventionsmodellMediation erforschen

Interkulturelle Mediation

Mediation mit Fremdsprachen

Der Gastbeitrag

Die Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes

Berichte aus dem BM

Der neue Vorstand

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Page 3: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Das Portrait 4 InderMediationaufReisengehenDerMediatorundFotografLarsHofmann

Berichte zum Thema 5 MediationundWissenschaftH.-D.Will

10 ZweiWeltenK.Kreuser

12 GibteseineMediationswissenschaftinDeutschland?J.v.Oertzen

17 EinmediationstauglichesKonfliktinterventionsmodellT.Robrecht

22 Mediationerforschen–oderlieberdochnicht?C.-H.Mayer&D.Busch

25 KonfliktmanagementM.Nöldeke

28 Mediation–einStiefkindderFriedens-undKonfliktforschungA.Vermeer

32 Gefühlsbegriffe,dieweiterhelfen!A.Weckert

Interkulturelle Mediation35 MediationmitFremdsprachenM.Carroll

39 EuropäischesNetzwerkJ.Walker

42 MediationineinerbinationalenEheS.AzadundT.Strobel

Qualitätssicherung & Weiterentwicklung46 MediatorIn:BerufsbildoderMenschenbild?A.Rafi

48 QualitätvonMediationT.Robrecht

Mediation & Politik 52 MediationimBundesjustizministeriumangelangt,TeilVIJ.Hohmann

54 »DieNamenserteilungistkeingleichgültigesAnliegen...«A.v.Hertel

Der Gastbeitrag 56 DieAnwendungdeslösungsfokussiertenAnsatzesB.Furman

Berichte aus dem BM 58 ZurWahldesneuenVorstands

Bücher und mehr 60 WirtschaftsmediationinderPraxis:KonfliktineinemBauprojekt,DVD

62 Mitdirzuredenistsinnlos!...Oder?I.Holler

63 SchmerzgrenzeJ.Bauer

64 WortesindSilber–wasistGold?A.Pestalozzi-Bridel

Ankündigung65 MediationgemeinsamgestaltenS.Rapp

Hinweise66 Impressum

InhaltMediation & Wissenschaft?

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

einFragezeichenaufdemTitelverdeut-

lichtdieVerunsicherung,diedasThema

dieserletztenAusgabeimJahr2011her-

vorgerufenhat.WashatWissenschaft

mitMediationzutun?GibteseineWis-

senschaft,diesichmitMediationals

Verfahrenbeschäftigt?Gibtesbereits

wissenschaftlicheErgebnisseüberMe-

diationenund/oderMediatorInnen?Die

nunvorliegendenBeiträgebietenviele

FacettenundverschiedeneVersuche,

sichdemThemazustellen.VonderBe-

standsaufnahme(S.5)bishinzurZu-

sammenarbeitvonWissenschaftlerund

Wirtschaftsunternehmen(S.25)zeigen

dieAutorInnennichtnurihrVerständ-

nisvonMediationsondernauchvonWis-

senschaftauf.DiepraktischeUmsetzung

unddieErfahrungenderMediatorInnen

sindfürdieWissenschaftlerInneneben-

sowichtigwiedietheoretischeAuseinan-

dersetzung.DieDiskussionsollgenauso

angeregtwerdenwiederfachlicheAus-

tauschunddasSpektrumderMediation

kanndafüreinePlattformbieten.

EineIdeevonErwinRuhnauwurde

indiesemHeftwiederaufgegriffen:

Künstler,indiesemFalleinFotograf,

stellenBilderihrerArbeitenkostenfrei

zurVerfügung.UnterdenMediatorInnen

gibtesvieleMultitalente,dietanzen,sin-

gen,musizieren,schauspielernundeben

auchBilderoderSkulpturenschaffen.Wir

möchtenalleLeserInnenaufrufen,sichzu

melden,wennsieunsbeiderGestaltung

einesHeftesmitBildernunterstützen

möchten.OderSiekenneneinenKünstler

odereineKünstlerin,diesichfreut,wenn

dieBildervielleichtzumerstenMalveröf-

fentlichtwerden?

DasRedaktionsteamwünschtallen

LeserinnenundLeserneinefroheWeih-

nachtszeitundeinengutenStartindas

neueJahr.UndbleibenSieunsundIhrer

Fachzeitschrifttreu.

Ihre Redaktion

Christine Oschmann

Page 4: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

4 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Das Portrait

habemichmitProjektenwie»Kronach

leuchtet«fürsieeingesetzt.

Du hast von Perspektivwechsel

beim Reisen gesprochen. Da klingen

MediatorInnen sofort die Ohren.

IneinerMediationgehenwiraufRei-

sen.DieseAnalogiebieteichauchger-

nemeinenMediandInnenan.Wirbe-

steigengemeinsameinenBerg.Ichbin

derBergführerundübernehmedie

VerantwortungfüreinensicherenWeg

nachobengenausowieauchwiederhi-

nab.DieMediandInnendürfenaufdem

Gipfelnichtalleingelassenwerden.

Dasheißt,diefreieSichtaufdieKon-

fliktlinienundaufdieInteressenund

BedürfnisseallerBeteiligtenhatFol-

gen,dieauchschmerzhaftseinkönnen.

AlsMediatorwillichdenProzesswie-

derabschließen,sieindieEbenefüh-

ren,wosiesichsicherauchohnemeine

Unterstützungbewegenkönnen.

DieMediationerweitertwiedieReise

denBinnenblickundhilftKompetenzen

zuerwerbenundsichzuentwickeln.

WieaufeineReisebereiteichmichauf

dieMediationvor.Ichmöchtegenau

hinschauen,genauzuhörenundoffen

seinfüralles.

Verändert sich der Blick durch

das Fotografieren?

FürmichaufalleFälle.Ichgehevielzu

FußundschauedabeiindieFerneund

achteaufDetails.WieinderMediation

hilftdabeidieTemporeduzierung.Wenn

wirgehen,fallenunsDingeauf,diewir

sonstnichtsehenwürden.DieFotoszei-

gen,wasich»gesehen«habe;aberda

istnochmehrdahinteroderdanebenzu

sehen.SieverbindensichmitGerüchen

undGeräuschen,oftmitGefühlen.Da-

rumsetzeichmeineFotosauchgerne

inderTeamentwicklungundinMedia-

tionenein:inBilderschneckenoderfür

Einstiegs-bzw.Ausstiegsrunden.

Auf welchem Kontinent bist Du noch

nicht gewesen?

DieAntarktishabeichnochnichtbe-

reist.Dochichmöchtenicht«umje-

denPreise«dorthin.Dennesgehtmir

nichtumdas»Sammeln«vonLändern

oderAbenteuern,sondernumdasErle-

benundKennenlernen.Reisenhatfür

michimmeretwasmitNaturschutzzu

tun:WievieleMenschenverkraftetei-

neLandschaft?Möchteichmichimmer

insFlugzeugsetzen,umwoandersan-

zukommen?DiesesDilemmahabeich

nochnichtauflösenkönnen.

DasGesprächführte

ChristineOschmann.

Danke, dass Du eine Auswahl Deiner

Fotos für diese Ausgabe honorarfrei zur

Verfügung gestellt hast. Wie viele Fotos

befinden sich auf Deinem Rechner?

Ichfotografiereerstseit2009digital.In

Diakästensindvielleicht20000Bilderar-

chiviertodermehr,ichhabesienichtge-

zählt.Das,wasichhierzurVerfügungge-

stellthabe,isteinekleineAuswahlaus

meinenersten7000digitalenBildern.

Welche Impressionen sehen wir

in diesem Heft?

DieBilderstammenvoneinerReise,

diemichfünfMonaterundumdieWelt

geführthat.»Unavuelta«istderTitel

derSerie,dieinLadakh(Indien),Neu-

seeland,TahitiunddenOsterinselnund

Patagonienentstandenist.Dazugibt

eseinReiseblogunterunavuelta.de.

IndenWintermonatenpräsentiereich

dieBilderinShows,dieauchmitMu-

sikundGeräuschenausdenentspre-

chendenLändernunterlegtsind.Doch

ichreisenichtnur,umzufotografieren.

Was bedeutet das Reisen für Dich?

Weite,EntdeckungandererKulturräu-

me,Veränderungmeinerselbstund

meinesBlickesaufandereMenschen

unddieHeimat,letztendlichPerspek-

tivwechsel.IchbinimZonenrandge-

bietaufgewachsen.Eswarallessehr

engimFrankenwald.ErstzumStudi-

umbinichrausindie»weiteWelt«

gekommen.SohatsichNürnberg

damalsjedenfallsangefühlt.AlsSo-

zialpädagogehabeicheinenJugend-

austauschnachBurundiorganisiert.

Daswar1993kurzvordemBürgerkrieg.

DieFeierzurfriedlichendeutsch-deut-

schenGrenzöffnungmiteinerinterna-

tionalenJugendbegegnunghatmich

ebenfallsgeprägt.Ichhabegemerkt,

dassmichReisenverändernundich

derHeimateineneueBedeutungge-

be.DieRegion,inderichaufgewachsen

bin,istmirwichtiggewordenundich

In der Mediation auf Reisen gehen Der Mediator und Fotograf Lars Hofmann im Porträt

*LarsHofmannMediatorBM®undCoachfürTeamsundGruppenimöffentlichenRaum,inderAus-undFortbildungtätig

*E-Mail:[email protected]

Kontakt

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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 5

Berichte zum Thema

1.Mediation als Wissenschaft?Schwierigkeiten der Definitionen

AlsichalsVertreterderWissenschaft

undAusbildervonMediatorInnendie

Anfrageerhielt,zudemThema»Me-

diationundWissenschaft«einen

kurzenÜberblickzugeben,ahnteich

nochnicht,woraufichmichdamitein-

gelassenhatte.Ichholtemeineum-

fangreicheLiteraturausdemRegal

undmusstebaldfeststellen,dassan-

gesichtseinerVielzahlvonAnwen-

dungsfeldern,Praxisbeispielenundvon

gedanklichenwieanwendungsorien-

tiertenZugängenundAusformungen

vonMediationwenigzufindenist,was

denAnspruchaufMediationalseine

wissenschaftlicheDisziplinuntermau-

ernkönnte.GerhardFalkcharakteri-

siertenachdenbeideninternationa-

lenSymposien»WeltderMediation«

1996und1997inKlagenfurtdieSitu-

Hans-Dieter Will

DasVerhältnisvonMediationundWissenschaftsollinvierSchrittengenaueruntersuchtwerden:

MediationalsWissenschaft,MediationalswissenschaftlichfundiertePraxis,MediationalsGegen-

standvonWissenschaftundForschungundMediationalswissenschaftlicheAusbildung.DerAutor

kommtzudemSchluss,dasseseineMediationswissenschaft(noch)nichtgibt,dassdasVerhältnis

vonMediationundWissenschaftnochsehreklektischistundverbessertwerdenkann.Anstößeda-

zuerhofftersichvonderEtablierungvonMediationimRahmenderBachelor-undMasterstudien-

gängeundderdadurchangeregtenuniversitärenForschung.

ationso:»DieLandschaft–derMedia-

tion–istalsoheterogen,eineallgemei-

neTheorieliegtnichtvor.Zahlreiche

Praxisberichte,BefragungenundEva-

luationenzeigenaber,dassMediation

›funktioniert‹«.1AuchzehnJahrespäter

sindim1350-seitigen»HandbuchMe-

diation«wedereineeindeutigeDefini-

tionfürMediationnochklareHinwei-

sefürihreQualitätalsWissenschaftzu

finden,obgleichkonstatiertwird,dass

MediationinDeutschlandeinfesterBe-

standdesRepertoiresfriedlicherKon-

fliktregulierungist.2

EineoffizielleDefinitionvonMedia-

tionliefertinzwischendieMediations-

richtliniederEU.Demnachist»Me-

diationeinstrukturiertesVerfahren

unabhängigvonseinerBezeichnung,

indemzweiodermehrStreitparteien

mitHilfeeinesMediatorsauffreiwil-

ligerBasisselbstversuchen,eineVer-

einbarungüberdieBeilegungihrer

Streitigkeitenzuerzielen.«3DieDefi-

nitionbasiertaufvierPrinzipien,die

einenCodexdarstellen,dernochkei-

nenHinweisaufdiewissenschaftliche

Qualifizierungdieses»Verfahrens«be-

inhaltet.BeidemVersuchdenCharak-

tervonMediationpräziserzufassen,

stoßeichvonAutorzuAutoraufver-

schiedeneZuordnungen,diebeimir

immerneueFragenaufwerfen:IstMe-

diationeine»Interventionsformzur

LösungvonKonflikten«,eineschlichte

»MethodezurStreitbeilegung«,eine

»Kommunikationstechnik«,eine»Stra-

tegiefürdenUmgangmitKonflikten«,

eine»Verhandlungsstrategie«,oderist

Mediation und Wissenschaft

1 Falk, G.: Einleitung in: Falk/Heintel/Pelikan, S.13.

2 Haft, F./von Schlieffen, K.: S. IX.3 EU-Mediationsrichtlinie vom 21.5.2008. In: Amtsblatt der EU vom 24.5.2008, L136/6.

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Berichte zum Thema

6 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

esmehreine»Haltung«undGrund-

einstellung,gareine»Philosophie«,

ohnedieMediationzumseelenlosen

manipulativenWerkzeugverkommt?

BasiertMediationgaraufeiner«Intui-

tion«,zudermanbegabtseinmuss,

einentsprechendesCharismabraucht,

umwirksamzusein?Oderistdieviel

zitierteAchtsamkeit,Empathiefähig-

keitundAuthentizitätdertätigen

MediatorIneinemwissenschaftlichen

Kompetenzerwerbebensozugänglich

wievieleandereakademischeBerufe

auch?LässtsichihreWirksamkeitin

einenrationalfassbaren,theoretisch

begründbarenErklärungszusammen-

hangeinordnen,derfüreinewissen-

schaftlichangeleiteteAusbildung

konstitutivist?

Offensichtlichist,dasssichdieZunft

derMediatorInnennichtdamitzufrie-

dengebenwill,dassMediationalsein

beliebigeinsetzbaresInstrumentzur

Konfliktbearbeitungverstandenwird.

Das»Gute«anderMediationsollaus

ihrselbstkommen,indemsieuntrenn-

barmiteinermediativenHaltungver-

bundenwird,diedasBerufsethosder

MediatorInnengleichsaminsichträgt.

»MediationisteinProzessderAufklä-

rung,EmanzipationundZivilisation«

postuliertChristineKabstimentspre-

chendenSchwerpunktheft»Haltung

inderMediation«.4IstbeidieserSelbst-

zuschreibungderMediationnurder

WunschderVaterdesGedankensoder

kannsichMediationdabeiaufeinewis-

senschaftlicheGrundlageberufen?

Handwerk, Kunst, Religion

oder Wissenschaft?

LarsKirchhoffundKirstenSchroe-

ter,diefüreinestandardisierteMe-

diationsausbildungeinLehrmodul

»Mediationswissenschaft?«zusam-

mengestellthaben,setzenhinterdie-

senBegriffeinFragezeichenundge-

benaufdieselbstgestellteFrage,ob

MediationeinHandwerk,Kunstoder

Wissenschaftsei,diediplomatische

Antwort:»ImBereichvonMediation

greifenHandwerk,KunstundWissen-

schaft–mitfließendenÜbergängen

–ineinander«5.Gleichzeitigbeharren

siedarauf,dassMediationauchei-

ne»Kunst«(HaltungoderBegabung?)

sei,diesichreinwissenschaftlich-

logischerAusbildungnichtautoma-

tischerschließt.

NocheinenSchrittweitergehtdie

GruppevonMediatorInnen,diesich

der»transformativenMediation«ver-

schriebenhaben,undfürsichund»ih-

re«Mediationpersönlichkeits-und

gesellschaftsveränderndeZiele(Wir-

kungen?)postulieren.6Dasbeinhal-

teteineganzheitlicheSichtderKon-

fliktbearbeitung,diesichunterdem

BegriffeinerdurchMediationverän-

derten»Konfliktkultur«zusammen-

fassenlässt.DasVersprechenvon

MediationliegtdabeiineinerVerbes-

serungderKonfliktkulturzumehrFair-

ness,GewaltfreiheitundKooperation.

DieSchulmediationmitihrenvielfäl-

tigenStreitschlichterprogrammenlebt

ebensovondieserHoffnungwiedie

jüngsteErklärungderUNO-Resolution

zur»StärkungderRollederMediation

zurfriedlichenBeilegungvonStreitig-

keitenundderVerhinderungundLö-

sungvonKonflikten«vomJuni2011.

DerRückgriffderMediationspraxisauf

bewusstseinsveränderndequasi-reli-

giösePraktiken,wiez.B.Meditation

undBuddhismusistdannnichtmehr

weit7.DernormativeCharaktervon

Mediationistdabeiunübersehbar.Me-

diationwirdzumProgramm,dasmit

derUmsetzungzugleichseineWirk-

samkeitverheißt!Daswirktauchauf

michsympathisch,schafftBefürwor-

ter,quasieineFan-Gemeinde,beant-

wortetabernichtdieFragenachder

Wissenschaftlichkeit.Nachalldenvie-

lenpositivenErfahrungsberichten,wie

segensreichMediationdochfürdiezu-

künftigeStreitbeilegungsbemühungen

seinwird–wennmansiedennauch

anwendet!–beschleichtmichdieban-

geFrage,obdieserdieMediationslite-

raturprägendeOptimismusauchet-

wasmitderWissenschaftsferneder

aktuellenMediationsszenezutunha-

benkann?FreinachdemMottoaus

demFaust:waskümmertmichdie

graueTheorie,wennichdesLebens

grünenBaumauchohneBeschäfti-

gungmitihrgenießenkann!

4 Kabst, C.: Berufsethos der Mediatoren. In: Spektrum der Mediation 18/2005, Schwer-punktheft »Haltung in der Mediation«, S. 32.

5 Kirchhoff, L./Schroeter, K.: Lehrmodul 4: Mediations»wissenschaft«? – zwischen Wis-senschaftstheorie und Praxis. In: ZKM 2/2006, S. 56.

6 Am 11./12. Nov.2011 fand in Lublijana/Slowenien der 1. Internationale Kongress für Transformative Mediation statt. www.rakmo.si/ktm-ang.htm

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 7

2.Wissenschaftliche Grundlagen der MediationIchmachemichauf,michdemThe-

maanderszunähern:BeiallerPraxis-

orientierungistnichtzuübersehen,

dasssichMediationinvielfältiger

WeiseaufQuell-undBezugswissen-

schaftenbezieht.Kirchhoff/Schröter

sprechenvonMediationals»Schnitt-

mengenwissenschaft«5.Daistein-

maldasHarvard-Modelldesguten

Verhandelns,dasausjahrzehntelan-

genForschungenüberVerhandlungs-

abläufegewonnenwurdeundgera-

deinderwirtschaftsnahenMediation

großeBedeutungerlangthat.8Diese

AusrichtungwirdstarkvonderCentra-

lefürMediationundihrerZeitschrift

fürKonfliktmanagement(ZKM)9reprä-

sentiert.ImdeutschsprachigenRaum

hatdasHandbuch»Konfliktmanage-

ment«vonFriedrichGlaslmitseinen

umfangreichenwissenschaftlichen

AusführungenzuKonfliktdiagnose,Es-

kalationsdynamikundInterventions-

strategienzueinerwissenschaftlichen

FundierungvielerMediationsausbil-

dungenbeigetragen.10Damitrücktne-

benderKommunikationswissenschaft

dieKonfliktforschunginsZentrumder

wissenschaftlichenAusrichtungvon

Mediation.DiemöglichenInterven-

tionsstrategienbeiKonflikten,wie

z.B.Mediation,werdeninAbhängig-

keitvonderKonfliktdynamikdarge-

stellt.AuchdieverschiedenenPersön-

lichkeitseigenschaften,wiemanmit

Konfliktenumgeht,obessichz.B.

umkompetitiveoderkonsensorien-

tierteStreittypenhandelt,bildengut

untersuchtewissenschaftlicheZugän-

gezurPrüfungderMediationseignung

vonverschiedenenKommunikations-

stilenund-mustern.11Diehumanis-

tischePsychologieunddieklienten-

zentrierteGesprächsführungnachCarl

Rogers12bildeneineweiterewissen-

schaftlicherforschteGrunddisziplin.

DerUmgangmitEmotionen,dasWis-

senumdieDifferenzierungundStruk-

turvonBedürfnissen,dieGruppen-

dynamik,FragenderMotivationund

vieleweitereThemenderPsycholo-

gieundVerhaltenswissenschaftenge-

hörenzumBasiswissen,aufdassich

MediatorInneninihrerPraxisbezie-

hen.MachtundHerrschaft(Politische

Wissenschaft,Demokratietheorie),Fa-

milien-undBetriebsstrukturen(Sozio-

logie),FragetechnikenundReframing

(Sprachwissenschaft),Normgeltung

undGerechtigkeit(Rechtswissenschaft

undEthik),Entscheidungsfindung

undKreativitätstechniken(Ökono-

mie,SpieltheorieundNeurowissen-

schaften)–esgibtnurwenigeWis-

senschafts-Disziplinen,diesichnicht

alsBezugsquelleneignen,umimMe-

diationsprozesskonstruktivverortet

zuwerden.Nebeneinereklektischen

UmgangsweisemitdenBasiswissen-

schaftengibtesauchsoetwaswie

»Schulen«inderMediationsszene,die

begrifflicheundmethodischeSchwer-

punktesetzen.Nebendembereitser-

wähntenHarvard-Konzeptistdiesin

DeutschlandinsbesonderedasKon-

zeptderGewaltfreienKommunikation

(GFK)nachMarshallRosenberg13.

Nichtzuübersehensindauchdieer-

kenntnistheoretischenImplikationen

vonMediation.Ganzoffensichtlichhul-

digtdieMediationeinemradikalen

Konstruktivismus.14EsgibtkeinRichtig

oderFalsch.DieUnvereinbarkeiten,die

konträrenZiele,AnsichtenundEmpfin-

dungen,diedenAusgangskonfliktun-

lösbarerscheinenlassen,werdenin

derMediationuntergegenseitigem

AustauschundRespektzueinerneu-

enKonstellationreorganisiert,dieLö-

sungenoderBefriedungermöglicht.

DamitdarausnichteineBeliebigkeitim

UmgangmitdenProblemenerwächst

oderzufälligeErgebnisseherauskom-

men,impliziertMediationaucheinbe-

stimmtes»Menschenbild«,dasheißt

siefußtaufbestimmtenanthropolo-

gischenGrundannahmen.InderGFK

sinddiesdieTrennungvonGefüh-

lenundBedürfnissenunddasPostu-

latderIntegritätbzw.Legitimitätvon

»echten«Bedürfnissen.Gewaltistfolg-

lichnureinAusdruckunerfüllterBe-

dürfnisse,jedochselbstkeinoriginäres

menschlichesBedürfnis.Ähnlichistes

mitdemHarvard-Modell:MitderTren-

nungvonPersonundSachebeider

Konfliktbehandlungwirdunterstellt,

dasseinePerson,dieWertschätzung

undRespekterhält,ambesteninder

Lageistkonstruktivundkooperativam

Sachkonfliktzuarbeiten.Dieseanthro-

pologischenGrundannahmenderMe-

diationscheinenmirmaßgeblichdafür

zusein,dassinderDiskussionumdas

WesenderMediationwederdiehand-

werklichenochdiewissenschaftliche

KompetenzimVordergrundstehen,

sonderndiederMediatorInspezifische

»Haltung«.DasDilemma,dasdarinbe-

steht,wieeineaufradikalemKonstruk-

tivismusbasierendeMediationmitklar

formuliertenethischenPrinzipienin

Einklangzubringenist,versuchtdie

KlagenfurterSchuleumPeterHeintel

mitderTheorieeiner»Prozessethik«zu

beantworten.Mirwäreeslieber,wenn

5 Vgl. Kirchhoff, L./Schroeter, K.: Lehrmodul 4: Mediations»wissenschaft«? – zwischen Wis-senschaftstheorie und Praxis. In: ZKM 2/2006, S. 56.7 Vgl. McConnell, J. A.; s. a. Hatlapa, C.: Medita-tion und Mediation. In: Spektrum der Mediati-on 18/2005, S. 9-12. Schieferstein, W.: Die Hal-tung in der Mediation, a .a. O., S. 13-15.8 Vgl. Fisher, R. u. a.: Das Harvard-Konzept.9 Siehe: www.centrale-fuer-mediation.de10 Glasl, F.: Konfliktmanagement. 11 Vgl. Haft, F.: Verhandlung und Mediation.12 Rogers, C.R.: Die klientenzentrierte Ge-sprächspsychotherapie.

13 Rosenberg, M.B.: Gewaltfreie Kommunikation. S. a. Spektrum der Mediation 28/2007.

14 Zum »Radikalen Konstruktivismus« s. kurso-risch in wikipedia.org (Zugriff vom 31.05.2011).

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Berichte zum Thema

8 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

dieanthropologischenPrämissentrans-

parentgemachtundwissenschaftlich

diskutiertwürden.15

AlldieseBezügeaufwissenschaftliche

QuellenoderBezugswissenschaften

fürMediationergebeninihrerGesamt-

schaunochkeineMediationswissen-

schaft.EsfehltdiezentraleFragestel-

lung,dasParadigma,dasnebender

TheorieunddenMethodeneineWis-

senschaftkonstituierenkann.Vielmehr

zeigendieambestenwissenschaftlich

elaborierten»Modelle«ausHarvard

oderGFK,dasssiesichalsMediations-

praxisverselbständigthabenundeiner

dringendenRückbindungindenWis-

senschaftsbetriebbedürfen.

3.Mediation als Gegenstand von Wissenschaft und ForschungDeshalbmöchteichnundenBlickda-

raufrichten,inwieweitdieMediations-

praxiszumGegenstandwissenschaft-

licherBetrachtungundForschung

gewordenist.Wennsicheinneu-

erGegenstandfürdiewissenschaft-

licheBetrachtungauftut,gehtesoft

umeineBestandsaufnahme,alsoUn-

tersuchungendazu,wievieleMedia-

tionenindenjeweiligenBereichentat-

sächlichstattfinden.Dasistfürden

Täter-Opfer-Ausgleich,dieMediation

anSchulenunddieFamilienmediation

rechtgutdokumentiert16;inanderen

BereichensindesmehrSchätzungen

alsbrauchbareStatistiken.Besser

siehtesmitFall-Studienundqualita-

tivangelegtenProzess-Evaluationen

aus,wiez.B.dieFlughafenmediation

Wien-Schwechat.17Zunehmendwird

auchdasPersonalderMediationun-

terdiewissenschaftlicheLupegenom-

men.Zurzeitlaufengerademehrere

BefragungenvonMediatorInnenzuih-

rerPraxis,insbesonderewasdenUm-

fangihrerFallarbeit,aberauchihrda-

beieingesetztesKompetenzrepertoire

betrifft.Vieleder,meistvonDiplo-

mandenoderDoktorandenangefertig-

ten,wissenschaftlichenArbeitenzur

MediationstelleneineProzess-Evalua-

tiondar,dokumentierenprimärwie

Mediationpraktiziertwird;mitdem

spannendenErgebnis,dassin60-80

ProzentderstattgefundenenMedia-

tionenaucheinErgebnis,spricheine

Mediationsvereinbarungabgeschlos-

senwurde.WasfehltsindWirkungs-

analysen,dieerforschen,wasgenau

zudemErgebnisbeigetragenoder

einErgebnisverhinderthat.Welche

Elementedervielfachelaborierten

Mediationskonzeptewarenwirksam,

welchewomöglich,undunterwelchen

Rahmenbedingungen,kontraproduk-

tiv?EsfehlensystematischeStudien

zuFragenwie:WelcheBedeutungha-

benEinzelgesprächeinderMediation?

WiewichtigistdiepersönlichePrä-

senzderKonfliktparteien?WelcheZu-

sammenhängegibteszwischendem

einzelnenMediationsfallundderKon-

fliktkultureinerOrganisation?

EsgibtimdeutschsprachigenRaum

nochkeineForschungen,diedemwis-

senschaftlichenAnspruchvonVer-

gleichsstudienmitKontrollgruppen,

sogenannten»blueprints«,gerecht

werden.DieMediationspraxiserklärt

sichnochweitgehenddadurch,dass

siestattfindet.WeitereHindernissezu

mehrTransparenzstellendiedenKli-

entenzugesicherteVertraulichkeitund

derunübersichtliche»Markt«dar,auf

demMediationengehandeltoderver-

handeltwerden.AbergeradevonSei-

tenderpotenziellenKundenkönntemit

einemsichdifferenzierendemMarktder

Druckwachsen,objektivierbareWirk-

samkeitsnachweisezuerbringen,sprich

MediationstärkerzumGegenstandvon

ForschungundWissenschaftzuma-

chen.Esistalsonötig,dassdieMedia-

tionsforschungausdenKinderschuhen

derBegleitforschungundProgrammeva-

luationzurWirkungs-undGrundlagen-

forschungweiterentwickeltwird.

4.Mediation als – wissenschaft-liche – AusbildungAlsletzteDimension,umdasVerhältnis

vonMediationundWissenschaftaus-

zuleuchten,solldieMediationsausbil-

dungnäherbetrachtetwerden.Dafällt

auf,dassesweitgehendaußeruniversi-

täreEinrichtungensind,diedieQuali-

fizierungvonMediatorInnenanbieten

undetablierthaben.Daessichbislang

beiderMediatorin–esgibtunterden

MitgliedernimBMnahezudoppeltso

vieleFrauenalsMänner–umeinenicht

geschützteBerufsbezeichnunghandelt,

kannsichauchjemandMediatorInnen-

nenohnenureineAusbildungsstun-

denachweisenzumüssen.Woransol-

lensichdieKundenorientieren,dieeine

qualifizierteMediatorInsuchen?Die

Mediationsverbändeversuchendiesem

UmstanddurchAnerkennungsverfahren

undStandardsinUmfangundInhaltder

15 Als Soziologe kann ich es nicht lassen, darauf hinzuweisen, dass Pierre Bourdieu in seiner Analyse moderner Gesellschaften den »Habi-tus« als zentrale Kategorie für soziales Handeln entwickelt. Er meint damit die Schnittstelle, an der im sozialen Austausch die gesellschaftlich gewonnene Erfahrung mit der autonomen In-dividualität immer wieder austariert werden muss. MediatorInnen wären demnach die Pro-fession, die am Habitus einer Gesellschaft be-wusst arbeiten und dessen Gestaltung aus der Anonymität sozialer Instanzen ins Bewusstsein der Akteure, sprich der Konfliktparteien, heben. S.a. Markus Schwingel: Pierre Bourdieu zur Ein-führung. S. 33-75.16 Zum Täter-Opfer-Ausgleich s. toa-service-buero.de\bibliothek; zur Schulmediation die bundesweite Studie »Mediation an Schulen« von Behn, S. u. a., Wiesbaden 2006. Zur Fa-milienmediation in Österreich die Studien von Pelikan, Ch. u. a., Familienmediation. For-schungsbericht des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien 1996. In Deutschland die Studien von Proksch, R. und Greger, R.

17 Perspektive Mediation. Beiträge zur Konflikt-kultur. Schwerpunktheft »Forschung und Me-diation« Heft 1/2009.

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 9

AusbildungRechnungzutragen.

SohabensichderBM,dieBAFMunddie

BMWAaufeinenUmfangvon200Zeit-

stundengeeinigt.DieAusbildungwird

als»Zusatzausbildung«verstanden,d.h.

diezukünftigeMediatorInsolltebereits

einenakademischenBeruferlerntha-

ben.AufdieseWeisewerdenfürviele

bereitseinakademischesGrundwissen

undderUmgangmitwissenschaftlichen

TextenundVerfahrenzurVorausset-

zung.VielleichtistdiesaucheinGrund,

weshalbbisherdiewissenschaftliche

SeitederAusbildungnichtbesonders

betontwurde.

SiehtmandieinhaltlichenStandards

desBMnäheran18,sowerdenvon

denobenangeführtenBezugswis-

senschaftennurdie»Konflikttheo-

rie«sowie»Grundkenntnisseaus

Psychologie,Sozial-undKommunika-

tionswissenschaften«genannt.Der

überwiegendeTeilbestehtausKon-

zeptenundMethodenderMediation,

Selbsterfahrungundebenjeneroben

auchbereitserwähntenethischab-

geleitetenmediativen»Haltung«.Der

BMerkenntnurAusbilderInnenmit

Fallpraxisan.DiesebietendieAusbil-

dungüberwiegendalsEinzelpersonen

oderimRahmenvonInstitutenan,die

nichtdemWissenschaftsbetriebzu-

zurechnensind,sondernimweitesten

SinneFortbildungbetreiben.

BeiderBAFMwerdennichtPersonen

sondernAusbildungsinstitute(inzwi-

schensindes14)zertifiziert.DieAus-

bildungsinhaltesinddenendesBM

vergleichbar,allerdingsumbereichs-

spezifischeGrundlagendesRechtsund

derPsychologieergänzt.Eswürdezu

weitführenalleInstitutionenaufzu-

führen,dieeineMediationsausbildung

anbieten.19Dasmachtdeutlichwieum-

fangreichderAusbildungsmarktinzwi-

schengewordenist.

GefordertwirdmehrPraxisnäheals

Wissenschaftlichkeit.Hochschullehre-

rInnensindunterdenAusbilderInnen

dieAusnahme.Deshalberstauntes,

dassinzwischenzunehmendHoch-

schulenMediationinihrLehrange-

*Hans-DieterWillMitinitiatordesBundesmodellprojektes»Handschlag«,mitdem1985derTäter-Opfer-AusgleichinDeutschlanderprobtundwissenschaftlichbegleitetwurde.1994-2008ProfessorfürMediationundEinzelhilfeanderFachhochschuleErfurt.ErleitetseitJahrenden2-semestrigenweiterbildendenStudienkurs»Mediati-on-CurriculumBM«derFHErfurt.

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

botaufnehmen,meistnichtalsBerufs-

qualifikation,sondernalsErgänzung

praktisch-methodischerThemen,einige

auchalsZusatzqualifikationimRahmen

deruniversitärenWeiterbildung.Beim

VergleichunterscheidensichdieCurri-

culaderHochschulenundderobenbe-

schriebenenAusbilderinstitutenicht.

SeltenersindberufsqualifizierendeMe-

diations-Grundausbildungenandeut-

schenHochschulen,bevorzugtwerden

Fernstudiengänge.Interessantscheint

dasAngebotvonMediationimRahmen

vonMasterstudiengängen,dieeineMe-

diatorInnenausbildungbereitsvoraus-

setzen.MitderMasterarbeitsinddie

Studierendengezwungen,einmedia-

tionsrelevantesThemawissenschaftlich

zubearbeiten.Dasgehtoftnichtohne

Orientierunganwissenschaftlichen

StandardsundwissenschaftlichenQuel-

len.UmdieStudiengängeandenHoch-

schulenkontinuierlichanbietenzukön-

nen,bedarfesauchentsprechender

Professurenunddiesegründenmedia-

tionsorientierteForschungsprojekte

undInstitute,wiedasInstitutfürKon-

fliktmanagement(IKM)inFrankfurt/

OderunddasContarini-Institutander

FernuniversitätHagen.Mangehtaufin-

ternationaleKongresseundtauschtFor-

schungsfragenundErgebnisseaus.So

kannmanhoffen,dasssichMediation

nichtnuralssympathischesozialeBe-

wegung,sondernauchalsernstzuneh-

mendewissenschaftlichreflektierte

Disziplinetabliert.

AlsHochschullehrerwarichfasziniert

vonderPraxisnähederMediationsaus-

bildung,dieichselbstamHeidelberger

InstitutfürMediationabsolvierte.Als

AusbildervonMediatorInnenwünsche

ichmirdennochmehrwissenschaftlich

angeleiteteTransparenzfürdenMedia-

tionsprozess.DenKundenvonMedia-

tionwünscheichmehrSicherheitund

Qualitätskontrollefürdasvonihnen

gewählteMediationsangebot.

Literatur*FalkG./Heintel/Pelikan:DieWeltderMediation.EntwicklungundAnwen-dungeinesinterdisziplinärenKonflikt-regelungsverfahrens.Klagenfurt1998.

*Fisher,R.u.a.:DasHarvard-Konzept.Campus2009.

*Glasl,F.:Konfliktmanagement.EinHandbuchfürFührungskräfte,BeraterinnenundBerater.Bern/Stuttgart1980;2011.

*Haft,F.:VerhandlungundMediation.DieAlternativezumRechtsstreit.München2000.

*Haft,F./vonSchlieffen,K.:HandbuchMediation.Verhandlungstechnik,Strategien,Einsatzgebiete.2.AuflageMünchen2009.

*McConnell,J.A.:AchtsameMediation(mindfulMediation).BuddhistischeWegederKonfliktbearbeitung.Minden2002.

*Rogers,C.R.:DieklientenzentrierteGesprächspsychotherapie.Frankfurta.M.1993.

*Rosenberg,M.B.:GewaltfreieKommunikation.Aufrichtigundein-fühlsammiteinandersprechen.NeueWegeinderMediationimUmgangmitKonflikten.Paderborn2002.

*Schwingel,Markus:PierreBourdieuzurEinführung.Kap.3»DieDispositionendesHabitusunddieDialektikvonHabitusundFeld«,Hamburg1995.

18 bmev.de, Ausbildungsstandards/Inhalte der Ausbildung.

19 Beispielhaft zu nennen sind die Centrale für Mediation, die Deutsche Gesellschaft für Me-diation, die internationale Mediationsorgani-sation EUCOM.

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10 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Berichte zum Thema

Zwei WeltenKarl Kreuser

suchederInstrumentalisierung.Erst

einindenRollengeklärterUmgang

miteinandereröffnetbeidenWelten,

MediationundWissenschaft,einenfür

beideprofitablenMöglichkeitsraum.

DieHerausforderungwirdfürdenWis-

senschaftlerbesondersdannspürbar,

wennerauchzurkochendenZunftge-

hört.FindenWissenschaftlerInnenzum

Beispielheraus,dassdiebeidenwe-

sentlichenRessourcenfürMediation

EmpathieundMachtgebrauchsind,

dannfreuensiesichandererstenEr-

kenntnisundhadernmitderzweiten,

dennderMediatorIninihristdochge-

radeangewaltfreierundMachtver-

meidenderKommunikationgelegen.

Daspasstnichtzusammen,dasind

WissenschaftlerInnenschoneinewirk-

lichguteErklärungschuldig.DieRed-

lichkeitderWissenschaftlerInnenver-

langt,beideErkenntnissegleichwertig

darzustellen.EinederKompetenzender

WissenschaftlerInisteineDarstellung

derDenkwege,QuellenundErgebnisse,

sodasssiefürMediatorInnennachvoll-

ziehbar–unddamitauchangreifbar–

werden.DieMediatorInkannselbstkri-

tischprüfen,obindenErkenntnissen

etwasfürdieArbeitNützlichessteckt.

UmbeimBeispielzubleiben:Wie

kommtdieWissenschaftlerInzueiner

MediationundWissenschaftunterscheidensichähnlichwieKochundLebensmittelchemiker.

MediationsforschungbirgtdieHerausforderunginsich,diesezweiWeltenzuverbinden.Zumindest

einedieserWeltenbrauchtdieanderenichtzwingend:Mankannauchmediieren,ohneMediation

definierenzukönnen.BeideProfessionenbearbeitenunterschiedlicheLeitdifferenzenundbrauchen

verschiedeneHandlungsmodalitätensowieKompetenzen.MediationbearbeitetdieDifferenzvonPro-

blemundLösung.InderWissenschaftgehtesumBeweisenundRechthaben.Genaudaswiderspricht

demKernanliegenvonMediation.InderTateineHerausforderung.

BeideSichtweisen,Wissenschaft

wieMediation,habenihreblin-

denFlecken.DieVerbindung

zweierDenkweltenistdannnützlich,

wennderBlickdesAnderenetwaser-

kennenlässt,dasbisherimeigenen

blindenFleckverborgenwar.Sokön-

nenbeidesichgegenseitigbeobachten

undsichdieErgebnisseundInterpreta-

tionenihrerBeobachtungenmitteilen.

Besondersdann,wennes»kochende

Laboranten«oder»analysierendeKö-

che«gibtoderwenneinerProfession

Erwartungenzugeschriebenwerden,

diediesenichterfüllenkann,istdie

VerknüpfungdieserzweiDenkwelten

anfälligfürManipulationenoderVer-

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 11

Erkenntnis?DieLogikderDistinktionen

isteinesystemischesoziologischeThe-

orie,mitderKonfliktundMediationer-

klärtwerdenkönnen.Nachihrwird

etwas(inunseremFallMediation)mög-

lich,wennzugleicheineAsymmetrie

undeineSymmetrieauftreten.Diefür

dieMediationerforderlicheAsymmetrie

bestehtinderUnterscheidungnachau-

ßen,waszurMediationgehörtundwas

nichtundwirddurchdasstrikteEinhal-

tenvonVertraulichkeiterkennbargesi-

chert.NachinnenschafftdieMediatorIn

AsymmetriedurchmoderierendePro-

zesssteuerungsowiedieFestlegungvon

Verhaltensregelnunddaskonsequente

Einfordern,dieseeinzuhalten.DieRes-

source,diedasermöglicht,nennenwir

Macht,essindEingriffeindieAutono-

miederKonfliktparteien.Ohnediese

Steuerungshoheit,wennjedeundjeder

machenwürde,wasgeradebeliebt,und

ohnestrikteAbgrenzungnachaußenist

Mediationnichtmöglich.

DieMachtderMediatorInistnicht

angeboren,sonderngeliehen.Die

MediandInnenverleihenderMediatorIn

auseigenerAutonomiefürdieDauer

desProzessesundjederzeitwiderruf-

bardieMachtzurSteuerungaufeinan-

gestrebtesZielhin.EsistkeineAllmacht,

dieetwaauchdieEntscheidungüber

KonsensoderLösungumfasst,

diesebleibtdenMediandInnen.Die

MediatorInmussalso,nebenderSteu-

erungdesProzesses,permanentam

HerstellenundAufrechterhaltender

eigenenVoraussetzung,derRessource

Machtarbeiten.DazuistdiezweiteRes-

sourceEmpathienotwendig.

Ineinerkonfliktären,emotionallabi-

lenSituation,inderstarkePolarisie-

rungen(Freund-Feind)wirken,mussdie

MediatorIndazuneutralerlebtwerden

(»istnichtFeind,auchwennsienicht

Verbündeteist«)unddarüberhinausall-

parteilich(»istFreund,obwohlsienicht

Verbündeteist«;imempathischenSinn

von»hatverstanden,wasmirwirk-

lichwichtigistundachtetmitderihr

vonmirdazuverliehenenMachtda-

rauf,dassdiesberücksichtigtwird«).Fer-

nerbedarfes,umaufDauerdiezurPro-

zesssteuerungerforderlicheMachtzu

bekommenundzuerhalten,derFähig-

keitendesstellvertretendenDeutens

unddesFallverstehens,wieUlrichOe-

vermannsiebeschreibt.MitsolchenFä-

higkeitengelingtes,denProzessimSinn

derMediandInnenzusteuern.Diesebei-

denKlassikerderProfessionssoziologie

kommenohneEmpathienichtaus.

GrundideevonMediationist,die

MediandInneninihreeigenenKom-

petenzenzubegleiten,sodassdiese

selbstorganisiertundselbstverantwor-

tet»ihren«Konsensfinden.Deshalb

mussdieMachtverteilungsosymme-

trisiertwerden,dasseinerseitsdie

MediatorInübergenügendRessource

fürihrerollenbedingteAufgabeverfügt

undandererseitsdieMediandInnenin

ihrerAutonomiederselbstorganisier-

tenKonsensfindung,Entscheidungund

Verantwortungbleiben.

MehralsdieseInformationkanndie

WissenschaftlerInnichtbereitstel-

len.Eswäreüberheblich,wennWis-

senschaftlerInnenbehauptenwürden,

siewüssten,wasfürdieMediatorInnen

wichtigsei.ObundwasMediation

(alsProfession,alsDienstleistung,

alsProzessbegleitungoderalsMe-

thode)beziehungsweiseauchdieIn-

teressensvertretungenundVerbän-

deoderdieMediatorInnenfürsich

persönlichdamitanfangenkönnen

oderwollen,istderenAngelegenheit.

WissenschaftlerInnenkönnenausder

ProfessionalitätherausMediatorInnen

beiderNutzenfindungunterstützen,

wennsiedazudieErlaubniserhalten.

DamitverleihendieMediatorInnenden

WissenschaftlerInnendefinierteMacht.

Dasistgenaudas,wasJürgenHaber-

masalsdeneigentümlichzwanglosen

ZwangdesbesserenArgumentsbe-

zeichnet.Nurwenndasgegenseitige

VerhältniszwischenMediationund

Wissenschaft»zwanglos«,alsofreivon

Manipulationen,VersuchenderInstru-

mentalisierungoderanderenErwar-

tungenandieGegenseiteist,kanndas

»bessereArgument«hilfreichundnütz-

lichwirken.WennJürgenHabermas

dasalseigentümlichbezeichnet,so

rechneterwohldamit,dassdiesnicht

selbstverständlicherwartbarist.Es

scheintwirklicheineHerausforderung

zusein,dermansichstellenundander

manarbeitensollte.DasführtzumAn-

fangdieseskleinengedanklichenAus-

flugszurück:EinimRollenverständnis

undingegenseitigenErwartungenge-

klärtesVerhältniszwischenMediation

undWissenschaftkannNutzenstiften.

*Dr.KarlKreuserPersonal-undOrganisationsentwicklermitSchwerpunktTalent-,Potenzial-undKompetenzmanagement

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

Literatur

*Habermas,Jürgen:TheoriedeskommunikativenHandelns,Band1und2.Frankfurt1981.

*Jokisch,Rodrigo:LogikderDis-tinktionen.Opladen1996.

*Kreuser,Karl:EntschiedenFragen–EinselbstkritischerKommentarzuSub-jektenundObjektenderMediationsfor-schung.In:Mayer,Claude-HélèneundBusch,Dominic(Hrsg.):Mediationer-forschen.Fragen–Forschungsmetho-den–Ziele.(Arbeitstitel,inDruck)2011.

*Kreuser,KarlundHeyse,VolkerundRobrecht,Thomas:Mediations-kompetenz.Münster2011.

*Oevermann,Ulrich:Hermeneu-tischeSinnrekonstruktion.In:Garz,DetlevundKraimer,Klaus(Hrsg.):BrauchenwirandereForschungs-methoden?Frankfurt1983.

Page 12: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

12 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Gibt es eine Mediations­wissenschaft in Deutschland? Empirische oder theoretische Ansätze – welche Pyramide bauen wir?

Jürgen von Oertzen

isteigentlichMediation?DieseFragen

zudiskutierenundwomöglichzube-

antworten,kannaufgesellschaftlicher

undpolitischerEbeneinsgesamtfürdas

ErscheinungsbildderMediationeben-

solohnenswertseinwieaufindividu-

ellerEbenefürpotenzielleKlientInnen

undMediatorInnen(unddamitauch

AusbilderInnen),diereflektiertüber

diegeeigneteVorgehensweiseimkon-

kretenFallentscheidenwollen.

EinmöglicherWeg,sichsolchen

grundsätzlichenwiepraktischenFra-

gensystematischzunähern,istder

wissenschaftlicheAnsatz.Daswärein

einererstenAnnäherungdasgezielte

SammelnundAuswertenvonDaten

sowiedasBildenundPrüfenvonTheo-

rienundHypothesen.Manchesistda-

ranattraktiv:Eskönnenaufdiesem

WegvielmehrFällezusammengetra-

genwerden,alseinEinzelneranErfah-

MediationinDeutschlandlebtundwächst.ImmerneueAusbildungenentstehen,immermehr

MediatorInnenstellenihrAngebotvor,organisierensichinVerbändenundtauschensichaufKon-

gressenaus.EsfindenwohlauchimmermehrMediationenstatt,zumindestgefühlt–eineechte

Statistikdarüberistschwerzuerstellen.DieserZuwachsistzubegrüßen,dennMediationistein

sehrgutes,vielleichtdasbesteVerfahrenderKonfliktbearbeitung–odernicht?

ErnsthaftgestelltistdieseFra-

genachderGütevonMediation

schwerzubeantworten:Woran

solltedieGütevonMediationfestge-

machtwerden?Fürwen,inwelchenFäl-

len,beiwelchenBedürfnissenistMe-

diationgeeignet?Undangesichtsder

VielzahlvonVariantenundAnbietern:

WelcheMediation?Wennmanhierwei-

terdenkt,stelltsichdieimmerimHin-

tergrundlauerndeIdentitäts-Frage:Was

Berichte zum Thema

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 13

rungenmachenkann,unddamitsind

prinzipiellAussagenüberdenEinzel-

fallhinausmöglich,sodassz.B.un-

geeigneteVorgehensweisenschonim

Vorfelderkanntundvermiedenwer-

denkönnen.EskannaufTheorienaus

verschiedenenRichtungenzurückge-

griffenodereigeneTheorienentwi-

ckeltwerden.Erreichtmaneineklare

UnterscheidungverschiedenerAnsät-

ze,lassensichkonkreteFall-Konstella-

tioneneinordnenunddamitleichter

handhabbarmachen.GibtesTheo-

rien,lassensichdarausgünstigenfalls

AnleitungenableitenoderIdeenge-

winnenauchfürSituationen,dieman

selbstnochnichterlebthat.Insge-

samtwirdsoeineQualitätsverbesse-

rungmöglich,dieauchzumAnsehen

derMediationinderÖffentlichkeit

beitragenkann.Mediationswissen-

schaftkannaberauch,wiejedeWis-

senschaft,aufEinwändestoßen,die

ernstzunehmensind.

Aberwiestehtesüberhauptumdie

MediationswissenschaftinDeutsch-

land?Wastutsie,woranorientiertsie

sich?WelcherNutzenistdarausprak-

tischzuziehen,welcheBedenkensind

begründetvorzutragen?Dasistder-

zeitkaumzusagen.Ichmöchteim

Folgendeneinen»archäologischen

Schnitt«versuchen,testweiseeinbe-

stimmtesLichtaufdieMediationsfor-

schungslandschaftwerfen,undzwar

mitHilfevonJohanGaltung,derselbst

Mediatorist,hieraberalsBeobach-

terderWissenschaftzitiertsei.Scharf-

züngigunterscheideterineinemEs-

say–nebenzahlreichenanderen

Ideen–zwischendem»teutonischen«

unddem»sachsonischen«intellektu-

ellenStilvonWissenschaftskulturen

(Galtung1985,orig.1982).Siehaben

nachGaltungihrenSchwerpunktin

DeutschlandeinerseitsundGroßbri-

tannien/USAandererseits,sindaber

nichtaufdiesebeschränktunddort

auchnichtalleinvertreten.Derteu-

tonischeintellektuelleStilseiwieei-

negroßePyramide,inderjedeThe-

sededuktivabgeleitetwirdauseinem

Grundgedanken,sodasssichgroßeGe-

dankengebäude(bildhaft:Pyramiden)

ergeben,indenenalleThesenlogisch

miteinanderverknüpftseien.Derteu-

tonischeStilneigezum»großenWurf«,

zuTheoriengroßerReichweite,dieal-

leszuerklärenversuchenundderen

StärkedielogischeStruktursei,und

dieempirischeBefundeeheralsBei-

spieledennalsBeweiseheranziehen.

DersachsonischeStilhingegenwird

vonGaltungalsvielekleinePyrami-

dengezeichnet,die»aufdemsoliden

BodenderEmpirieerrichtetsind«(S.

174).InduktivwerdenaufdiesemBo-

denThesenundTheorienkleinerund

allenfallsmittlererReichweitegebildet,

dieeinenbeschränktenRaumvonem-

pirischenBefundenpassendundsinn-

vollbeschreiben.Einetypische»sach-

sonische«FrageaneineThesewäre

dann:»Wielässtsichdasbelegen?«,

währendimteutonischenStilgefragt

wird:»VonwelcherTheorielässtsich

dieseTheseableiten?«(a.a.O.).

Die empirische Erforschung von MediationIndenUSAwäreeinidealtypisches

BeispielfürMediationsforschungim

sachsonischenStildasHarvardNegot-

iationProject,ausdemauchdiedeut-

scheMediationslandschaftunterdem

Stichwort»Harvard-Konzept«vielNut-

zengezogenhat(Fisher/Ury/Patton

2004).Esseientstanden»[m]ithilfe

unseresjeweiligenwissenschaftlichen

HintergrundsininternationalemRecht

undinAnthropologieunddurchdie

umfassendeundlangjährigeZusam-

menarbeitmitPraktikern,Kollegen

undStudenten[...]«(S.13).ZehnBe-

rufsgruppenhättendazuihreunter-

schiedlichenIdeenbeigetragen.

Vielesvondem,wasbisheranMe-

diationsforschungimdeutschspra-

chigenRaumerkennbaristund

genutztwird,lässtsichdiesemsach-

sonischenStilzuordnen.Esgibtei-

neReihevonForschungsansätzen,die

meistauskonkretempraktischemBe-

darfentstandensind,indenensichdi-

rektempirischeDatenwiderspiegeln

und/oderdieAspekteausverschie-

denenanderenAnsätzenzusammen-

führen.SoschreibtFriedrichGlaslzur

EntstehungdesStufenmodellsder

Konflikteskalation:»InderAuseinan-

dersetzungmitderLiteraturzurEska-

lationsdynamikkonntenwirunsere

eigenenBeobachtungenundAnaly-

senvonEskalationsprozessen[...]in

mehralsdreihunderteigenenPraxis-

fällen[...]zueinerPhasentheoriefüh-

ren.«(Glasl2002;S.233)EineTheo-

riemitklardefinierter,beschränkter

Reichweitealso(siebeziehtsichnur

aufKonflikteundhiernuraufderen

Phasen),dieseaberempirischstark

fundiert.

AuchdiePsychologiederKommuni-

kationvonSchulzvonThun(mitdem

»QuadratderNachricht«,dem»Inne-

renTeam«undanderem)stammtaus

demVersuch,verschiedeneAnsätze

unteranderemausder(frühen)hu-

manistischenPsychologie»unterei-

nenHut«zubringen(soSchulzvon

Thun2006;S.13,orig.1981).Darauf

wiederumbautdieKlärungshilfeauf

(zuerst:Thomann/SchulzvonThun

1988).UnddieempirischeForschung

gehtweiter:literaturwissenschaft-

Abb.1:sachsonischerundteutonischerStil,freinachGaltung

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Berichte zum Thema

14 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

licheUntersuchungen1,neurowissen-

schaftlicheExperimente2,Umfragen

zurTrennungs-undScheidungsme-

diation3,Forschungenzugrenzüber-

schreitendenMediationen4oderzu

KonfliktenbeiMoscheebauten5,ein

ProjektzurMediationskompetenz6,

zuKonfliktmanagementsystemenin

Unternehmen7oderdiezahlreichen

BefragungenunterschiedlicherQuali-

tät,diedieinDatenbankenerfassten

MediatorInneninihremE-Mail-Ein-

gangfindenkönnen,sindnureinige

BeispielefürdieBandbreitedieses

ForschungsstilsinDeutschland.

DieaussolchenAnsätzengewon-

nenenErkenntnisse,Modelleund

AnleitungenundkleinerenTheo-

rie-»Pyramiden«könnenfürdie

PraktikerInneneinegroßeHilfesein.

NuresfehlteineÜbersicht.Selbst

thematischengbeieinanderliegen-

deUntersuchungenwissengelegent-

lichnichtvoneinanderundschongar

nichtvonaktuellenForschungsbemü-

hungenausanderenDisziplinen.8Wie

auch–esgibtmeinesWissensimMo-

mentkeinenOrt,andemsolcheFor-

schungzusammenfließenwürde.

NachGaltungstecktdasPotenzialdes

sachsonischenAnsatzesabergeradein

derDebatten-undDiskussionskultur

überdiekleinenPyramidenhinweg

(a.a.O.,S.157)–wennerrechthat,

dannsolltesichunsereAnstrengung

daraufkonzentrieren,dieseDebatte,

woimmermöglich,zubefördern,gera-

deinden»anstrengenden«Bereichen

derdisziplin-undinstitutionenüber-

greifendenForschung.ErsteSchritte

dazuwärensicherlicheinegegensei-

tigverständlicheTerminologieundvor

allemeineÜbersichtdarüber,wases

überhauptgibt.

Die Suche nach »der« Theorie der MediationNebendemsachsonischenStilmei-

neichinderdeutschenMediations-

landschaftauchdenteutonischen

Stilzuerkennen,derdeduktivvor-

gehtundzunächsteineumfassende

Theorie(»großePyramide«)zugrun-

delegtoderdochzumindestfordert.

SonutztStephanBreidenbachinsei-

nerHabilitationdeduktiveAnsätze,

wiesiefürdiedeutscheRechtswissen-

schaftnaheliegendsind:Erklärtz.B.

sehrgrundsätzlichzunächstnorma-

tivdieZielevonMediationüberhaupt

undführtvondaausdieweitereUn-

tersuchungdurch:»DieAnalyseder

LeitzielevonMediationwirdimErgeb-

niseinedifferenzierterePerspektive

aufChancenundRisikenvonMedia-

tionvermitteln.Erstdannistesmög-

lich,fürbestimmteParteien(Macht)-

konstellationenjeweilsPotenzialund

entgegenstehendesRisikokonkreter

gegeneinanderabzuwägen,[...].«(Brei-

denbach1995,S.189)Breidenbachs

Zielgehtdarüberhinaus.Erführtden

BegriffderStreitbehandlungslehre

durchausimSinneeiner»großenPy-

ramide«ein:»DieMöglichkeitenund

GrenzendesEinsatzesvonMediation

sindhier[indieserUntersuchungins-

gesamt]thematischerAnlass,Ansätze

zueinerumfassenderenStreitbehand-

lungslehrezusuchen,dieeinweitaus

größeresSpektrumderRechtswirklich-

keiterfasst[alsnurdieStreitentschei-

dungslehre].«(Breidenbach1995,S.2,

H.i.O.).AuchandereAutorenunter-

stellenganzselbstverständlich,dass

wirdieeine,umfassendeMediations-

theoriebrauchen;alsBeispiel:»Die

AnlässeundGründefürdieinhaltliche

AusweitungvonMediation[...]füh-

renzueinergroßenDiversifikationdes

Begriffs.[...]Daswärezuakzeptieren

1 Aktuell z. B. eine narratologische Studie zum Umgang mit Arbeitskonflikten an der Universi-tät Hamburg (Evelyn Gius). 2 Vergleiche z. B. die neurowissenschaftliche Un-tersuchung zur Emotionsregulation (Seehau-sen 2011). Aktuell ist geplant, dass Versuchsper-sonen über reale Konflikte berichten und ihre Reaktion auf die Spiegelung von Emotio nen un-tersucht werden, um einen Schritt aus der La-borsituation in die reale Situation zu gehen (Seehausen, pers. Kommunikation). 3 So etwa die Untersuchung zu Mediation und Gerichtsverfahren in Sorge- und Umgangs-rechtskonflikten durch Reinhard Greger (Uni-versität Erlangen-Nürnberg) und aktuell durch Anne Christina Mess (Universität Hamburg). 4 Zum Beispiel Schubert-Panecka 2010. 5 An der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft FEST in Heidelberg (fest-heidelberg.de) gibt es dazu ein aktuelles Projekt.

6 Auf Grundlage ausführlicher Theoriearbeit (grundlegend: Erpenbeck, Jokisch, Haken und Baran) wurden in einem Projekt durch Be-fragung von MediatorInnen (N ≈ 600) Infor-mationen zur Mediationskompetenz gesam-melt; vgl. Rezension Spektrum der Mediation, 43/2011, S. 68. 7 Einige aktuelle Ergebnisse finden sich in der Studie von PricewaterhouseCoopers/ Viadrina 2011. 8 Diese Einschätzung beruht auf den Reaktio-nen, die ich beobachte, wenn es gelingt, Me-diationsforscherInnen mit ähnlichen Anliegen miteinander in Kontakt zu bringen.

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 15

–odervielleichtnochzuverhindern,

wenngeklärtwerdenkönnte,wasden

eigenständigenKernvonMediation

ausmacht,wasseineunverwechsel-

barenPrinzipiensind,welcheGeneral-

oderQuerschnittsthemenunverzicht-

barseinsollten.Kurz, es geht um die

Suche nach einem Weg zu einer Theorie

der Mediation.«(Glenewinkel2007,S.

92;HervorhebungdurchdenAutor)

AberdieeineTheorie–heißtdas

nicht:Einschränkung,Kanonisierung,

unddamitinderPraxisAusgrenzung,

alsodieGefahr,dass»meine«Media-

tiondanngarkeineMediationmehr

ist?Galtungschreibt,derteutonische

Stilwerde»unerträglich«(Galtung

1985:181),wennernichtpluralis-

tischsei,wennalsonichtverschie-

dene»großePyramiden«nebenein-

anderexistierendürften.

TatsächlichscheintmirdieGefahr,dass

wirzudereinengroßenMediations-

theoriekommen,derzeitgering:Esgibt

jaganzunterschiedlicheForschungs-

undTheoriebildungsansätzeausganz

unterschiedlichenDisziplinen–Rechts-

wissenschaftundPsychologie,umnur

zweiPolezunennen–mitihrenjeei-

genenKulturen.Vielleichtwürdees

dieArbeitvereinfachen,diesauchals

ZielimAugezubehalten:Alsonicht

dieumfassendeTheoriederMedia-

tionzusuchen,sondernnureineun-

termehrerendenkbarenTheoriengro-

ßerReichweiteanzustreben,dieneben

anderenbestehendarfunddieMedia-

tionslandschaftbereichernundklä-

renhelfenkann.ImMomentscheint

mirdieGefahrdes»Universalismus«

(a.a.O.,S.180)gering,dieSchwierig-

keit,sichüberhauptzuorientierenaber

umsogrößer.Mirjedenfallsgelingtes

nichtohneweiteres,dietheoretischen

Grundlagenauchnurdermirnäherbe-

kanntenMediationsausbildungenzu

bestimmenoderanzugeben,welche

bewusstenoderunbewusstenTheo-

rienvomKonflikt,vonMediation,vom

Menschenihrzugrundeliegen.Nur

diewenigstenAusbildungenmachen

dastransparent,nurdiewenigsten

MediatorInnensagenausdrücklich,

welcheFormvonMediationsiema-

chen.9Undwiesolltenwirauch?Es

gibtjakeinebekanntenEinteilungen,

denenwirunszuordnenkönnen,und

dienichtihrerseitswiederumgenauso

erklärungsbedürftigwären.

Erster Schritt: Übersicht und Verbindungen schaffenSowohldersachsonischealsauch

derteutonischeAnsatzbrauchenal-

soimMomentvorallemeines:Über-

sicht.DieÜbersichtüberErgebnisse,

übertheoretischeGrundlagenundüber

WissenschaftlerInnenundInstitutio-

nen,diedaranarbeiten.WerimFor-

schenundDenkensachsonischausge-

richtetist,wirddasnutzenkönnen,um

mehrKontaktezuanderenaufbauen

undmitihnendiskutierenzukönnen,

damitdereigeneAnsatzunddieeige-

nenErgebnisseüberprüfbarer,veror-

tetundverbessertwerdenkönnen.Wer

sicheherdemteutonischenStilnahe

sieht,wirdschondeshalbeineÜber-

sichtbrauchen,umsichüberhauptori-

entierenunddieeigenenBemühungen

umtheoriegeleiteteZusammenstel-

lungeneinordnenundabgrenzenzu

können.10Nichtzuletztkannichesmir

inderpraktischenArbeitundimMar-

ketingnützlichvorstellen,dieeigene

GrundlageundVorgehensweisetrans-

parentzumachenundabzugrenzen.

WelcheSchrittewärendenkbar,um

solcheÜbersichtenzugewinnenund

systematischeMediationswissen-

schaftzubetreiben?Manchesgibtes

schonoderistimEntstehen:EinSam-

melbandzugrundlegendenundme-

thodischenFragenderErforschung

vonMediation11undSammelbände

zueinzelnenFeldern12sowieeineei-

geneimengerenSinnegeplantewis-

senschaftlicheZeitschriftzuKonflikt-

bearbeitunginUnternehmen13sind

wichtigeSchritte,diedieDiskussion

ermöglichen.Unterandereminder

9Eine Ausnahme ist die Klärungshilfe nach Thomann/Prior, die sich aber auch nicht auf eine Mediationstheorie beruft, sondern sich transparent aus der humanistischen Psycho-logie herleitet. 10Es mag kein Zufall sein, dass ich gerade zu die-sem Ergebnis komme: Übersicht haben zu wol-len, klingt selbst schon nach dem Erklimmen großer »Pyramiden«, und so mag hier sichtbar werden, wie stark ich selbst im teutonischen Stil wissenschaftlich sozialisiert worden bin. 11Mayer/Busch 2012. 12Zum Beispiel die Reihe von Gläßer und Schroeter (Band 1: Gläßer/Schroeter 2011 zu gerichtlicher Mediation) und die Studien zur interkulturellen Mediation von Schröder/Busch/Mayer (s. o.). 13Die Zeitschrift »Konfliktdynamik: Verhan-deln, Vermitteln und Führen in Organisatio-nen« soll in 2012 erstmals herausgegeben werden.

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Berichte zum Thema

16 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

ForschungsgruppeMediation14wer-

dendarüberhinauseineReihewei-

tererAnsätzeverfolgt:aneinerÜber-

sichtübervorhandeneDefinitionen

vonMediationundfaktischbestehen-

de»Schulen«derMediation(wennes

dennwelchegibt)wirdgearbeitet;eine

DatenbankfürLiteratur,füreinschlä-

gigedisziplinäreZeitschriftenundwis-

senschaftlicheAbschluss-undQualifi-

kationsarbeitensindgeplant.Darüber

hinauskönnteeininstitutionalisierter

wissenschaftlicherAustauschüberdis-

ziplinäreundandereGrenzenhinweg

wichtigsein.BereitsbestehendeJunior-

undHonorarprofessurenfürMediation

undeinigeLehrstühle,diesichfaktisch

überwiegendmitKonfliktbearbeitung

beschäftigen,sindweiterewichtigeAn-

sätze–undwerweiß:vielleichtgibtes

jaaucheinmaleineProfessuroderei-

nenLehrstuhl,dernicht»eigentlich«

zurRechtswissenschaftoderPsycho-

logiegehört,sondernzueinerganzei-

gentlichenMediationswissenschaft.

DerWeiterentwicklungderMedia-

tionundihrerQualitätwäreeszu

wünschen.

Literatur

*Breidenbach,S.:Mediation.Struktur,ChancenundRisikenvonVermittlungimKonflikt.Köln1995.

*Fisher,R.,W.Ury,etal.:DasHarvard-Konzept.DerKlassikerderVerhand-lungstechnik.Frankfurt,NewYork2004.

*Galtung,J.:Struktur,Kulturundin-tellektuellerStil.EinvergleichenderEs-sayübersachsonische,teutonsich,gal-lischeundnipponischeWissenschaft.DasFremdeunddasEigene.A.E.Wier-lacher.München1985.S.151-195.

*Glasl,F.:Konfliktmanagement.EinHandbuchfürFührungskräfte,BeraterinnenundBerater.Bern,Stuttgart,Wien2002.

*Gläßer,U.andK.Schroeter,Eds.:Ge-richtlicheMediation–Grundsatzfra-gen,EtablierungserfahrungenundZu-kunftsperspektiven.Baden-Baden2011.

*Glenewinkel,W.:Mediation-Hand-werk,KunstoderWissenschaft?Meta-ÜberlegungenzurKontroverseumVor-gesprächeinderMediation.ZeitschriftfürKonfliktmanagement,91/2007.

*Mayer,C.-H.undBusch,D.:Eds.:Media-tionerforschen?Fragen–Forschungsme-thoden–Ziele.Studienzurinterkul-turellenMediation,Bd.6.2012.

*PricewaterhouseCoopersundE.-U.Vi-adrina,Eds.:Konfliktmanagement–VondenKomponentenzumSystem.Com-mercialDisputeResolution.o.O.2011.

*Schubert-Panecka,K.:PraktischeFragengrenzüberschreitenderMediation.ZeitschriftfürEuropäischesPrivat-recht(2).2010,S.453-457.

*SchulzvonThun,F.:Miteinanderreden1:StörungenundKlärungen:AllgemeinePsychologiederKommunikation(orig.1981).ReinbekbeiHamburg2006.

*Seehausen,M.:EmotionsregulationinderMediation:Aktuelleneuro-wissenschaftlicheErkenntnisse.Zeit-schriftfürKonfliktmanagement(5):2011,S.132-136.

*Thomann,C.undSchulzvonThun,F.:Klärungshilfe:HandbuchfürTherapeuten,Gesprächshelferu.ModeratoreninschwierigenGesprächen;Theorien,Methoden,Beispiele.ReinbekbeiHamburg1988.

*Dr.Dipl-Pol.JürgenvonOertzenMediatorM.A.undMediationswissen-schaftler

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

14Die Forschungsgruppe Mediation ist ein inter-disziplinärer, institutionen-unabhäniger Zusam-menschluss von MediationsforscherInnen und wissenschaftlich interessierten MediatorInnen; s. forschungsgruppe-mediation.eu

An

zeig

e

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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 17

Thomas Robrecht

Soziologen,KompetenzforscherundMediatorenbegannen2009mitderErforschungvonMedia-

tionskompetenz.Ende2010wurdeeineUmfrageunterden6.000MediatorInnenvonBAFM,BM,

BMWA,ÖBMundSDM/FSMdurchgeführt.ErsteForschungsergebnisseführtenzueinerkompetenz-

undstrukturtheoretischenDefinitionvonMediationundKonflikt,ausdeneneininnovativesKon-

fliktinterventionsmodellabgeleitetwerdenkonnte.DiesewissenschaftlichenErkenntnissebieten

PraktikerInnenfürihreMediationstätigkeitnützlicheOrientierung.

Berichte zum Thema

Ein mediationstaugliches Konfliktinterventionsmodell

Hintergrund WievieleStundenmusseineMedia-

tionsausbildungdauern?SeitJahren

beschäftigensichAusbildungsanbie-

tersowieihreVerbändeundInteres-

sensvertretermitderFrage,obfür

dasErlernenvonMediation90,150,

200odermehrAusbildungsstun-

denerforderlichsind.Hierwirdver-

sucht,QualitätmithilfevonQuanti-

tätzubeschreiben.FürdieErfüllung

unsererBM-Mission,Mediationinun-

sererGesellschaftzufördern,istdie-

seDiskussionsehrschädlich,weilsie

denEindruckeinerDisziplininKin-

derschuhenvermitteltunddiezarte

Pflanzeunserergesellschaftlichen

Anschlussfähigkeitgefährdet.Um

ernstgenommenzuwerden,müssen

wirerreichen,dassderBegriffMedia­

tionderBeliebigkeitentrissenwird

undfestundstabilaufwissenschaft-

lichbelastbarenundakzeptierten

Füßensteht.

DiesemZieldientedasin2009von

SOKRATeam(Dr.KarlKreuserund

ThomasRobrecht)gestarteteFor-

schungsprojektMediationskompe-

tenz,andemsichzahlreicheWissen-

schaftlerbeteiligthaben.Auchdie

deutschsprachigenMediationsver-

bändeBAFM,BM,BMWA,ÖBMund

SDM-FSMunterstützendieEnde2010

durchgeführteUmfragedurchdie

BeteiligungsmöglichkeitihrerMit-

glieder.Sehrerfreulichwarfüruns,

dasssichnichtnurdieVerbände,son-

dernauchalleanderenBeteiligten

ehrenamtlichengagierthatten,ge-

tragenvondergemeinsamenÜber-

zeugung,unsererGesellschaftdamit

einenwertvollenDienstzuleisten.

DieKompetenzbetrachtung,welche

sichinvielenLebensbereichenbe-

reitsalserfolgreicherwiesenhat,er-

schienunsvonAnfanganalssehrge-

eignet,sieauchaufdieMediation

undMediationsausbildungenanzu-

wenden.EinwesentlicherVorteilvon

KompetenzenbestehtinihrerMess-

barkeit,dennsiezeigensichinbeo-

bachtbarenHandlungen.Kompetenz

beschreibtBereitschaften(Werteund

Page 18: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Berichte zum Thema

18 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Wille)sowieFähigkeiten(Wissenund

Können),undermöglichensicheres

HandelninunsicherenSituationen.

AlsAusbilderBM®istesmireinzen-

tralesAnliegen,meineAusbildungs-

teilnehmerInnenzudieserSicher-

heitimUmgangmitderUnsicherheit

zuführen.DasversetztsieindieLa-

ge,auchdanneineMediationdurch-

zuführen,wennsichdieKonfliktpar-

teiennichtandiefünfPhasenhalten.

Kompetenzistalsoweitmehralsan-

gelesenesWissenundwirderstdurch

Handlungensichtbar.

ErgebnisseFürdieDefinitionvonMediationskom-

petenzhabenwirersteErgebnisseer-

halten,dieesnungemeinsammitden

Verbändenzudiskutierenundzuinter-

pretierengilt,umSchlussfolgerungen

fürdenAusbildungskontextabzulei-

ten.DieserSchrittwirdin2012folgen.

DieserBeitragbeschäftigtsichmitder

VoraussetzungfürdieDefinitionvon

Mediationskompetenz,nämlichderDe-

finitionihrerBasis.Hierhabenwiraus

struktur-undkompetenztheoretischer

SichtdreiFragenbeantwortet:

› Was ist ein Konflikt?

› Was ist Mediation?

› Was ist ein mediationstauglicher

Konflikt?

1. Was ist ein Konflikt?Zunächstsuchtenwirbeidenvorhan-

denenKonfliktbetrachtungsweisen.

Dabeifielunsauf,dasssieentweder

ErscheinungsformenoderArtenoder

EntstehungvonKonfliktenbeschrei-

ben,oderwiemanKonfliktemacht

undwiederwegmacht.Betrachtet

manderenBedeutungfürdieMedia-

tion,sodrängtsichderEindruckauf,

alswürdeeineMediationzuersteine

umfassendeAnalysederKonflikts,sei-

nerBeteiligtensowiedesKontextes

erfordern.DiesesVorgehenistgrund-

sätzlichgenausowenigschädlichwie

umsetzbar.Werbeispielsweiseineiner

Organisationmediierenwill,undüber

keineKontaktezuroberstenLeitungs-

ebeneverfügt,wirdunmöglicheine

umfassendeKonfliktanalysedurchfüh-

renkönnen.Deshalbmusseinemedia-

tionstauglicheKonfliktdefinitiondie-

senAspektderUnzulänglichkeiteiner

nichtvorhandenenVollständigkeitder

Analyseberücksichtigen.Dafüristes

erforderlich,mitdemzuarbeiten,was

sichinderMediationzeigtunddurch

BeobachtungundHinterfragenvon

aufBeobachtungenbasierendenInter-

pretationenfeststellbarist.

Handlungsmodus

Wiewirwissen,sindReaktionenvon

MenscheninKonfliktenunvorher-

sehbar.Wirwissenauch,dassdurch

Konflikteeineunterschiedlichstarke

emotionaleBelastungeinhergeht.Je

größerdiesewird,destogeringerwer-

dendieHandlungsmöglichkeiten.Bei

steigenderBelastungdrohtalsoauch

derVerlustderKompetenz.Konflikt-

kompetenzbeschreibtdieBereitschaft

undFähigkeitderKonfliktparteien,

mitdemKonfliktineinerangemes-

senenFormumzugehen.Dafüristes

erforderlich,dasssichdieMenschenin

einem»normalen«Handlungsmodus

(»stateofmind«)befinden,indemsie

überdenfreienZugangzuihrerKom-

petenzverfügen.Wirunterscheiden

drei»stateofmind«:

state of mind Normal Schwierig Instinktiv

Anatol Rapoport Debatte Spiel Kampf

Karl Berkel Die andere

Partei gilt als

Partner, der

überzeugt

werden soll.

Die andere

Partei gilt als

Gegner, der

besiegt

werden soll.

Die andere

Partei gilt als

Feind, der

vernichtet

werden soll.

Friedrich Glasl 1 Diskussionen

2 Zusammenstöße

3 Verhärtung

4 Koalitionen

5 Gesichtsverlust

6 Drohungen

7 Ausgrenzung

8 Zerstörungs-

schläge

9 Totale

Vernichtung

DieseUnterscheidungverdeutlichtdie

unterschiedlicheWirkung,diederKon-

flikterzeugt.FürdieMediationistes

wichtig,den»stateofmind«zuerken-

nen,umangemessenzuintervenieren.

Konfliktstruktur

WirkönnenalsoinderMediationnur

mitdemarbeiten,wasunsvorliegt.

UnddassindMenschenmit

ihrenbelastetenBe-

ziehungen.Dieses

Systemnennen

wirdieKonflikt­

struktur.Siebe-

stehtausden

Elementen(Kon-

fliktparteien)und

ihrersozialenRelation

(Beziehung).DiesesinddurchdieEle-

mentebelastetundgleichzeitigauch

vonihnengestaltbar.Deshalbkonzen-

trierenwirunsaufdieRelationundlas-

sendieElementeso,wiesiesind,oh-

nedieseverändernzuwollen.Auchhier

lässtsichdieRelationdurchreineBe-

obachtungohneinhaltlicheAnalyse

feststellen.DiesewirdimmerinHand-

lungensichtbar.DazuzweiBeispiele:

1) »Gehst Du mit mir ins Kino?« –

»Nein, ich lese ein Buch.«

»Na gut, dann gehe ich alleine. Ich

wünsche Dir viel Freude mit Deinem

Buch.« – »Danke. Ich wünsche Dir

auch viel Spaß.«

2) »Gehst Du mit mir ins Kino?« –

»Nein, ich lese ein Buch.« »Letzte Wo-

che hast Du es mir aber versprochen.

Page 19: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 19

Nie hältst Du Deine Zusagen ein.« –

»Jetzt reicht‘s mir aber. Nur weil ich

mich einmal an eine Zusage nicht

halte, kommst du gleich mit der Ver-

allgemeinerungs-Keule. Du könntest

auch ruhig mal ein Buch lesen, das ist

viel kreativer als sich so einen verblö-

denden Film reinzuziehen.«

ZweigleicheAusgangssituationen,die

unterschiedlicheHandlungsabsichten

beschreiben.ImerstenFallerzeugten

dieunterschiedlichenHandlungsab-

sichtenkeineBelastungderRelation.

ImZweitenFallwirddieBelastungder

Relationdeutlicherkennbar.Daraus

leitetsicheinestrukturtheoretische

DefinitionvonKonfliktab:

Konflikt =

Unterschiedliche Handlungsabsichten,

die als Begrenzung erlebt werden.

DaszeigtsichinderMediation.Wie

dieGeschichtemitdemHammervon

Watzlawickverdeutlicht,istesvöl-

ligunerheblich,obdieseunterschied-

lichenHandlungsabsichtenfantasiert

sindodernicht.Entscheidendfürdie

ExistenzeinesKonfliktsistdasErleben

derUnterschiedealsBegrenzung.

Konflikt und Zustand

DieExistenzeinesKonfliktesistweder

gutnochschlecht.ZwarwerdenimAll-

tagKonfliktealsetwasNegativesbe-

trachtet,aberuntergenauerBetrach-

tungistesdieArtdesUmgangsmit

demKonflikt,deralsgutoderschlecht

bewertetwird.Essindalsowieder

Handlungen,diedafürsorgen,dassdie

KonfliktstrukturinspezifischeZustän-

degelangt.DieserZustandlässtsich

überzweiFragenermitteln:

1) Gibt es einen Veränderungswunsch?

2) Wie schwer wird die Umsetzbarkeit

eingeschätzt?

WenndieFrage,obesfürdendurch

denKonflikthergestelltenZustandei-

nenVeränderungswunschgibt,bejaht

wird,stelltsichanschließenddieFra-

genachEinschätzungderUmsetzbar-

keit.Sokannessein,dassdieUmsetz-

barkeitalsleichteingeschätztwird.

DasistmeistdannderFall,wenndie

Beteiligtenwissen,dasssienurinRu-

hemiteinanderredenmüssen,umei-

nenAuswegzufinden.DiesenZustand

nennenwirLösung.Damitistnicht

etwazwingenddieLösungdesKon-

fliktsgemeint(diewiralsKonsensbe-

zeichnen),sondernvielmehreingelös­

ter UmgangmitdemKonflikt.Auch

hieristdieLösungdesKonfliktsei-

nemöglicheabernichtzwingender-

forderlicheNebenerscheinung.Denn

eskanndurchaussein,dassdieun-

terschiedlichenHandlungsabsichten

weiterhinalsBegrenzungerlebtwer-

den,ohnedassdieRelationunerträg-

lichbelastetwäre.SolcheSituationen

erlebenwirtagtäglich,ohnedasssie

imumgangssprachlichenSinnalsKon-

fliktbezeichnetwerden.Merkmal

desZustandsLösungist,dassdie

Konfliktparteienüberihrevolle

Konfliktkompetenzverfügen,und

sichim»stateofmind«von»nor-

mal«befinden.Dasistauchbeiunlös-

barenKonfliktenderFall,wennsich

dieKonfliktparteienanihrenKon-

fliktgewöhnthabenundziemlichent-

spanntdamitumgehenkönnen.Im

AlltaglässtsichdiesesPhänomenbei-

spielsweisebeiderAuseinanderset-

zungzwischenArbeitnehmer-undAr-

beitgebervertreternbeobachten.Die

ArbeitgeberwollenmehrLeistung,oh-

nedafürmehrLohnzubezahlenund

dieArbeitnehmerwollenmehrLohn,

ohnedafürmehrzuleisten.Beideer-

lebenihreunterschiedlichenHand-

lungsabsichtenalswechselseitigeBe-

grenzungundbefindensichdamitin

einemunlösbarenKonflikt.Gleichzei-

tigbefindetsichdieKonfliktstruktur

imZustandderLösung,weilsieimmer

wiederWegefinden,wiesiemitihrem

Konfliktverträglichumgehenundwei-

terhinkooperieren.

EinweitererZustandistdadurchge-

kennzeichnet,dasseszwareinenVer-

änderungswunschgibt,dieserjedoch

alsschwerodergarnichtumsetzbar

eingeschätztwird.IndiesemZustand

befindensichdieKonfliktparteien

meistim»stateofmind«von»schwie-

rig«unddieKonfliktstrukturbefindet

sichdamitimZustandProblem.

DerdritteZustandliegtvor,wennes

fürdenKonfliktgarkeinenVerände-

rungswunschgibt.Aufdenersten

BlickmagdieseSichtweisebefremd-

licherscheinen.InderPraxiserleben

wirdiesenZustandsehroft.DieSän-

gerinAnetteLousianbeschreibtinih-

remLied»DieLösung«diesenZustand

inmitdemText»geh’mirwegmitdei-

nerLösung–siewär’derTodfürmein

Problem…«.DiesenZustandnennen

wirSymbiose.

Konfliktkreis: Die Konfliktstruktur und ihre Zustände

DieseSichtweiseaufdenKonfliktkreis

mitseinerKonfliktstrukturundihren

dreiZuständenverdeutlicht,dassnicht

etwaderKonflikt,sonderndieZustände

derKonfliktstrukturüber»angenehm«

oder»unangenehm«entscheiden.

2. Was ist Mediation?SoeinfachdieseFrageklingt,so

schwierigerwiessichihreBeantwor-

tung.Daszeigtesichbeispielswei-

sebeiderKonferenzderAusbilderim

Mai2011inStuttgart,beideresnie-

mandenderTeilnehmendenaufAn-

hiebgelang,einefürLaienverständ-

licheDefinitionvonMediationzu

formulieren.SomachteesvielSinn,

zunächsteinewissenschaftlichbelast-

bareDefinitionvonMediationzufin-

Page 20: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Berichte zum Thema

20 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

den,umdarauseinealltagstaugliche

Varianteabzuleiten.

InMediationenerlebenwirdieKon-

fliktparteienineinem»stateofmind«

von»schwierig«.Umdiedamitein-

hergehendeBegrenzungaufzulösen,

isteineemotionaleEntspannunger-

forderlich.AktivesZuhören,Empathie,

wertschätzenderUmgangsowiekla-

reFührungdurchdenProzesssindei-

nigederwirksamenElemente,umein-

geschränkteWahrnehmungs-und

Handlungsmöglichkeitenwiederzuer-

weitern.Sogehenwirdavonaus,dass

durcheineemotionaleEntspannung

aucheineEntlastungderRelationein-

hergeht.DieseEntspannungeröffnet

wiederdenZugangzurKompetenz,

welchedieEntdeckungbislangver-

borgenerAuswegeermöglicht.Damit

sindwirbeieinereinfachenAntwort

aufdieFrage,wasMediationist:

Mediation

ermöglicht Konfliktkompetenz.

GenaugenommenistMediationweder

KonfliktlösungnochKonfliktbearbei-

tung,dennbeidesistAufgabeundVer-

antwortungderMediandInnen.Struk-

tur-undKompetenztheorieergeben

folgendeDefinitionvonMediation:

Mediation

ist das auftragsbezogene Ermög­

lichen von Handlungsstrukturen, in

denen MediandInnen zu selbstorga­

nisierten Lösungen fähig sind.

Damitwirdauchdeutlich,dassMe-

diationskompetenznichtetwaKon-

fliktkompetenzist,sondernStruktur-

kompetenz.Diedafürerforderlichen

RessourcenderMediatorInsindEmpa-

thieundMachtgebrauch.(SieheBei-

tragvonKarlKreuser»ZweiWelten«

indieserAusgabe).

Wendenwirunsnunderdrittenspan-

nendenFragezu.

3. Was ist ein mediations-tauglicher Konflikt?MitdemKonfliktkreisvonLösung,

ProblemundSymbiosekönnenwir

nundreiZuständebeschreiben,indie

eineStrukturdurcheinenKonfliktge-

langenkann.DieseUnterscheidung

istdeshalbnützlich,weiljederZu-

standeineandereInterventionerfor-

dert.DamitwirddieWirksamkeitvon

Interventioneneinschätzbar,wiewir

imKontextvonOrganisationennach-

weisenkonnten.

ImZustandLösungbrauchenKonflikt-

parteienkeineMediation,diedurch-

ausalsübergriffigeoderüberdosier-

teEinmischungerlebtwerdenkönnte.

ImZustandSymbioseistjedeDritt-

intervention,dieEinvernehmlichkeit

undeinkonstruktivesMiteinanderan-

strebt,zumScheiternverurteilt.

NurbeimZustandProblemsindInter-

ventionenDritterwieBeratung,Pro-

zessbegleitung,Coachingoderauch

Mediationgeeignet.

DieseBetrachtungsweisehatjedoch

einenHaken:DiemeistenSymbiosen

tarnensichalsProblem.Bleibtdies

unerkannt,scheiternInterventionen.

DeshalbistesfürdieDrittinterventi-

onerfolgsentscheidend,dasssichdie

KonfliktstrukturtatsächlichimZu-

standProblembefindetundeineSym-

bioseausgeschlossenwerdenkann.In-

dikatorenfürSymbiosensind

› SuchevonGründenstattLösungen:

»Es klappt nicht, weil …«

› DerGegnerdientalsLegitimation

deseigenenVerhaltens:

»Ich würde mich ja gerne anders

verhalten, aber der andere zwingt

mich ja …«

› AusblendendereigenenAnteile:

»Ich bin ok, der andere trägt alle

Schuld«

› Komplexitätsreduktiondurch

Stigmatisierung:

»Es wäre alles ganz einfach,

wenn der andere anders wäre«

› UnerfüllbareForderungenals

BedingungenfürVeränderung:

»Erst muss sich der andere entschul-

digen, dann bin ich gesprächsbereit«

› DeutlichreduzierteBereitschaftzur

Verantwortungsübernahmeder

eigenenHandlungen

»Ich bin das Opfer und der andere

der Täter.«

Wennesnichtgelingt,dieseIndizien

durchaktivesZuhören,Wertschätzung

undEmpathiezuverändern,dannist

vonMediationabzuraten.Hierwerden

Interventionenbenötigt,diezurVerän-

derungderSymbioseführen.

Veränderung von Symbiosen

EineVeränderungvonSymbiosen

kannnurüberImpulsevonaußener-

reichtwerden,diemeistenssehrkräf-

tigseinmüssen,damitsichüberhaupt

etwasbewegt.DieseImpulsekönnen

durcheinenMenschenmitKontext-

verantwortunginitiiertwerden.Wenn

beispielsweisezweistreitendeMitar-

beiterihrenKonfliktineinerArtaus-

tragen,diedenDaseinszweckderOr-

ganisation(=Mission)gefährden,und

mehrereIndikatorenfüreineSymbio-

segegebensind,dannliegtesinder

VerantwortungderFührungskraft,die-

seSymbiosedurchMachteingriffwie

beispielsweiseAndrohungvonVerset-

zungoderAbmahnung,zubeenden.

Dasisterforderlich,damiteinVerän-

derungswunschdesZustandserreicht

wird.EntwederdieStreitendenfinden

dannselbstindenZustandderLösung

durcheinemissionsverträglicheForm

derAuseinandersetzung,odersieneh-

mendieUnterstützungDritterinAn-

spruchwieCoachingoderMediation.

Das Konfliktinterventionsmodell

DiesesModelldientdemZiel,denEr-

folgvonMediationenzusichernund

ausMediationssicht»aussichtslose«

Zuständefrühzeitigzuerkennen.Da-

mitistnichtnurdenKonfliktparteien

undihrenKontextengedient,son-

dernauchderAkzeptanzvonMedia-

tion.Ausdrücklichmöchtenwirzum

Bekenntnisermutigen,dassesauch

unlösbareKonfliktegibt,fürderenBe-

arbeitungMediationeinedurchaus

geeigneteInterventionseinkann.An-

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 21

*Robrecht,Thomas:Organisationist

Konflikt.(inArbeit)2012

*ThomasRobrecht2.VorsitzenderimBundesverbandMEDIATION,MediatorundAusbilderBM®,Managementberaterund-trainer

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

dererseitsistnichtjederKonfliktzu-

standmediationstauglich.PaulWatz-

lawickmeint:»WeralsWerkzeugnur

einenHammerhat,siehtinjedemPro-

blemeinenNagel.«Wirmüssendafür

Sorgetragen,dasswirnurhammer-

tauglicheProblemealsNägelbetrach-

tenoderandersausgedrücktnurme-

diationstauglicheKonfliktemediieren.

Literatur

*Kreuser,Karl;Robrecht,Thomas;

Erpenbeck,John:Konfliktkompetenz,

Heidelberg2011.

*Kreuser,Karl;Heyse,Volker;

Robrecht,Thomas:Mediations-

kompetenz.Münster2011b

An

zeig

e

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22 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Berichte zum Thema

Mediation erforschen – oder lieber doch nicht?

Claude-Hélène Mayer & Dominic Busch

DassdieseBefürchtungenmiteiner

auchgegenwärtigfortschreitenden

InstitutionalisierungvonMediation

unterPraktikernbrennenderdennje

sind,hat–fürunsAutorInnenüberra-

schend–einepublizierteDiskussion

inderZeitschriftErwägen–Wissen–

Ethik(EWE)imJahre2009gezeigt.Leo

MontadahattehiereinenHauptarti-

kelunterdemTitel»Mediation–Pfade

zumFrieden«eingereicht,indemerei-

neeigenePerspektiveauftheoretische

undmethodischeGrundlagenvonMe-

diationdargelegthatte.Daraufant-

wortetenschriftlichetwa35Disku-

tantInnenkritisierend,ergänzend

undauchbefürwortend.

Überraschendstelltenhierzahlreiche

BeiträgeAspektevonMediationund

ihrerErforschunginFrage,dieso

grundlegendvomHauptautorgarnicht

zurDiskussiongestelltwordenwaren.

Fragezeichentatensichdabeinicht

nurgegenübereinergrundsätzlicher-

wünschtenErforschungvonMediation

auf.AuchmöglicheZieleundPotenzia-

leeinerMediationsforschungwurden

mitoffenemAusgangdiskutiert.

DiesenoffensichtlichenKlärungsbe-

darfhabenwirzumAnlassgenom-

men,dieindergenanntenDiskussion

neuaufgeworfenenFragenausunter-

schiedlichenSichtweisenweiterzu

WennmanDingeerforscht,dieansichgutsind,dannkannihreErforschungsieimGrundenur

nochbessermachen.DieserAnnahmesolltemangetrostfolgenkönnen,undauchderpositiveErtrag

einerErforschungvonMediationdürftezunächstaußerFragestehen.Dochschonaufdenzweiten

BlickwirddieSachekomplizierter.

IstMediationnichtaucheine

Kunst,dieaufdempersönlichen

Geschick,denErfahrungswerten

undvorallemaufdenindividuellen

undunmittelbarenGestaltungs-

spielräumenvonMediatorInnen

beiihrerArbeitberuht?Eineanaly-

tischeundsystematisierendeErfor-

schungundErgründungdieserPro-

zessekönntedazuführen,dassgenau

diesesunbedingterforderlichePo-

tenzialzukünftigausgetrocknetsein

wird.MediationkönnteinStrukturie-

rungenerlahmen,selbstwenndiese

nichtexplizitgelehrt,aberdochvon

MediatorInnenimSeitenblickwahr-

genommenwerden.

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 23

vertiefenundzuergründen.ImSom-

mer2010habenwirzuBeiträgenfür

einenentsprechendenSammelband

aufgerufen,derPotenzialeeinerMe-

diationsforschungergründensollte.

NebeneinemPlädoyerfüroderge-

geneineMediationsforschungsollten

Beiträgeausunterschiedlichenwis-

senschaftlichenDisziplinenundprak-

tischenTätigkeitsbereichenklären,

wasgenauanMediationerforscht

werdenundzuwelchemZieldies

geschehensolle,undwelchewissen-

schaftlicheHerangehensweisehierzu

geeigneterschien.

Ein Beitrag zum DiskussionsstandGelungenistunsmitdemSammel-

band»Mediationerforschen.Fragen

–Forschungsmethoden–Ziele«1,der

Anfang2012erscheinenwird,einak-

tuellesAbbilddergegenwärtigenDe-

batte.Eininterdisziplinäresundviel-

schichtigesSpektrumbereitendabei

dieinsgesamtzehnBeiträgevonAlex

vonSinner,KarlKreuser,DamianoAn-

geloSguaitamattimitSaraHellmüller,

KlausSchmidtmitKatharinaKriegel-

Schmidt,DominicBusch,Claude-

HélèneMayer,HenrikHartmann,

JürgenvonOertzen,RudiBallreich

undChristaSchäfer.Dashiereröff-

neteDiskussionsforumhatnuneinen

differenzierterenundzugleichhinrei-

chendgeschütztenReflektionsraum

geschaffen,innerhalbdessenfürdie

AutorInneneinebipolarePositions-

bestimmungfürodergegeneineEr-

forschungnichtmehrnotwendiger-

schien:Nunstandendiegenannten

undalsschützenswerterkanntenBe-

sonderheiteneinermediatorischen

PraxisimFokusderDebatteunder-

fuhreneinesorgsameSucheundFin-

dungvonForschungswegen,diewahr-

scheinlichinsbesondereinihrem

Zusammenspielvielversprechende

RichtungenundOrientierungenfürei-

nezukünftigeErforschungvonMedia-

tionaufzeigenkönnen.

NurkurzabgestecktseiandieserStel-

ledasdisziplinäreSpektrumderBei-

träge:BeiträgeausdenGeschichts-

wissenschaften,derangewandten

Philosophie,derpolitischenRechts-

philosophie,derObjektivenHerme-

neutik,derDiskursanalyse,derquali-

tativenInhaltsanalyse,derGrounded

Theory,derRhetoriksowieausder

Systemtheoriezeichneneinüberaus

vielfältigesBild.Verglichenmitdem

ursprünglichenAufrufderHerausge-

berInnenzeigtdabeidieheterogene

Positionierungaufunterschiedlichen

AbstraktionsebenenundTheorie-ge-

genüberEmpirie-Orientierungen,wie

vielschichtigdieÜberlegungensind,

mitderenHilfediekomplexeFrage-

stellungnachderErforschbarkeitbe-

antwortetwerdenkann.

Die drei zentralen Baustellen der MediationsforschungInnerhalbdieserFacettenkristallisie-

rensichdreigroßeBaustellenderge-

genwärtigenMediationsforschung

heraus,aufdiesichjeweilsmehrere

AutorInnenwiederholtundkontrovers

beziehen:Dabeigehtesauchweiter-

hinumeinegrundsätzlichePositions-

bestimmungvonMediationansich.

DarüberhinauslässtdenAutorInnen

dieFragenachmethodischenVer-

wandtschaftenundSynergieeffekten

derErkenntnismethodeninMediation

undWissenschaftkeineRuhe.EinZiel

einerMediationsforschungsehenviele

AutorInnenineinerErfassungund

NachzeichnungvonVerständigungs-

prozesseninderMediation.

Mediation braucht Selbstklä-rung – auch nach innenAuchweiterhinbegleitenunsdie

grundlegendenFragen:WasistMe-

diation?WorinbestehtihrKern?Wo

kommtsieher?DieAutorInnenge-

bensowohlverschiedeneAntwor-

tenalsauchunterschiedlicheBegrün-

dungenfürdiesenForschungsbedarf.

GeradedieSelbsteinschätzungvieler

MediatorInnenalsPraktikereinesin-

novativenVerfahrensverspürensie

häufigdasBedürfnisnacheinerSuche

nachweiterzurückreichendenWur-

zelnundTraditionen,ausdenenei-

nekontinuierlicheEntwicklungdes

Mediationsgedankensundeineall-

gemeinstärkendwirkendeKontinu-

itätsichtbarwerdensollen.Offen

bleibtdabei,wonacheigentlichge-

suchtwird:GehtesumVermittlerim

Allgemeinen?IstdieEinhaltungbe-

stimmterKriterienmaßgeblich?Oder

sindVermitlungsversuchesoomni-

präsent,dasseherdieEntstehungund

VerwendungdesWortesMediation

Orientierungbietenkann?

Begründenlässtsichdieseperma-

nenteSuchenachPositionsbestim-

mungenvonMediationaufminde-

stenszweiWeisen:Einerseitskann

Mediationweiterhinalsbesonders

jungeDisziplinaufgefasstwerden,die

sichimmernochineiner(Selbst-)Fin-

dungsphasebefindet.Andererseits

kannauchdiegroße,prinzipielleVer-

fahrensoffenheitund-variabilitätso-

wiediehoheKontextorientierungdes

VerfahrensderMediationeinenGe-

genstandhervorbringen,derselbstso

sehrimFlussist,dassdenbetroffenen

praktizierendenMediatorInnenso-

wohlOrientierungspunktealsauchdie

GelegenheitzurStandortreflektion

angebotenwerdenmüssen.Mitan-

derenWorten:EinVerfahrenmitei-

nerhohenReflektionsorientierungge-

genüberKlientInnenmussauchintern

miteinemerheblichenReflektionsauf-

wandmonitoriertwerden,umnicht

selbstzuverschwimmen.

MediatorInnen und ForscherIn-nen: Beide suchen KlärungMöglicherweisewirddasVerhältnis

zwischenWissenschaftund(media-

torischer)Praxisgeradedeshalbalsso

spannungsgeladenwahrgenommen,

weilbeideBereicheeinander–entge-

genvielerPostulierungenundGrenz-

ziehungen–garnichtsounähnlich

sind:SowohlMediationalsauchFor-

schungkönnenalsklärungsorientierte

Verfahrenverstandenwerden.Inbei-

denFällenwirdversucht,durchme-

thodengeleiteteVorgehensweisenet-

waszuerkennen,zuergründenoder

1Busch, Dominic/Mayer, Claude-Hélène (Hrsg.): Mediation erforschen. Fragen – Forschungsme-thoden – Ziele. Wiesbaden 2012.

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Berichte zum Thema

24 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

auseineranderenPerspektivezube-

trachten,wasvordemHintergrund

einerAlltagswahrnehmungnicht

zugänglichgewesenwäre.Einemög-

lichstprofessionelleingeübteEinhal-

tungmethodischerSchrittesolldabei

qualitätssicherndwirkenunddieEr-

kenntnisdifferenzgegenübereinerAll-

tagswahrnehmungaufrechterhalten.

NochoffensichtlicherwerdendiePa-

rallelenimFallvonMethodenausder

qualitativenSozialforschunggegen-

überHandlungsformenund-zielenin

derMediation.DiemethodischenVor-

gehensweisenzurGenerierungeines

empirischenMaterials,dasanschlie-

ßendgedeutet,interpretiertwird,ba-

siertinbeidenFällenaufeinemregel-

geleitetenkommunikationsbasierten

Handeln.Einegewisseintersubjek-

tivnachvollziehbareundzugleich

fruchtbringende,neuePerspektive

sollsowohlinder(Sozial-)Forschung

alsauchindermediatorischenPra-

xisdurchdieHerstellungeinerBeo-

bachterposition,einmaleingenom-

mendurchdenForscher,einanderes

MaleingenommendurchdenMedia-

tor,hergestelltwerden.

DieseimmenseParallelitätzwischen

ForschungundMediationinspiriert

zahlreicheAutorInnendazu,dieses

Verhältnisgenauerauszuloten:Kön-

nensichfüreineVerbesserungund

methodischeErweiterungderMedia-

tionspraxisauseinemBlickaufwis-

senschaftlicheVorgehensweisenneue

undzusätzlicheHandlungsformener-

geben?KannauchdieWissenschaft

durcheinenBlickaufmediatorische

Erkenntniserfolgeprofitieren?Und

welchezusätzlichenEinblickebietet

einewissenschaftlicheBetrachtung

vonMediationeigentlich?Könntesich

Mediationnichtquaseinereigenen

Verfahrengenausogutselbstmonito-

rieren?DieempfundeneNähebeider

VerfahrenzwingthierschnellzurPo-

sitionsbestimmungund-präzisierung:

WasunterscheidetMediationvonFor-

schungundumgekehrt?Erschwert

diemethodischeNäheamEndeeine

wirklichreflektierteErforschungvon

Mediation?

Nebenneugierigenundinspirierten

BlickenaufdieParallelitätzwischen

MediationundForschungkommenje-

dochauchkritischePlädoyerszuWort.

EinepräziseReflektionderZielstel-

lungen,aberauchdesGegenstands

vonMediationkannAspekteaufzei-

gen,indenensichdieOrientierungen

vonMediationundWissenschaftklar

voneinanderunterscheiden.EineVer-

mischungbeiderHerangehensweisen

ohnedieBerücksichtigungdieserun-

terschiedlichenZielstellungenkann

letztendlichsogarzuschwächerenEr-

gebnissenaufbeidenSeitenführen.

Verständigungsprozesse sichtbar machenEinevergleichsweisegroßeEinigkeit

bestehtunterdenAutorInneninAnt-

wortenaufdieFrage,wasdennei-

gentlichanMediationgenauerforscht

werdensolle:KlarimZentrumdesIn-

teressesstehthiereinegreifbareund

möglichstpräziseNachzeichnungvon

VerständigungsprozesseninderMe-

diation.GesuchtwirdnachWegen

undMethoden,mitdenenmöglichst

»gemessen«werdenkann,wiege-

nauundunterwelchenBedingungen

VerständigunginderMediationent-

steht.Gesuchtwirddemnachnachei-

nerErfassungdessen,waszahlreiche

MediatorInnenoffenbarhäufigerle-

ben,wasaberzugleich–zumindest

auswissenschaftlicherSicht–ver-

gleichsweiseunkontrolliertpassiert:

dieAnbahnungeinesverständigungs-

orientierteninterpersonalenVerhält-

nissesundsomitderBeginneinesVer-

ständigungsprozesses.StehtamEnde

alsodochnurderWunschnacheiner

EntzauberungvonMediation?Nein,

sodenkenwirangesichtsderBeiträge

unseresSammelbands.Zeigendiese

docheinmalmehr,dassdurchausein

konstruktivorientierter,interdiszipli-

närversierterundzugleichkritischer

AutorInnenkreiszusammengeführt

werdenkann,derumdieBesonder-

heitenvonMediationunddenerfor-

derlichenbehutsamenUmgangmitih-

nenweißundzugleichinderLageist,

einezukunftsorientierteErforschung

vonMediationanzuleiten.

*Claude-HélèneMayerProfessorinfürInterkulturelleWirt-schaftskommunikation(HAW,Hamburg),MediatiorinundAusbilderinBM®,syste-mische(Familien-)Therapeutin(SG),Hyp-nosetherapeutin(TIM)undSystemauf-stellerin(KI)

*E-Mail:[email protected]

*DominicBuschistProfessorfürInterkulturelleKom-munikationundKonfliktforschunganderUniversitätderBundeswehrMün-chen.AusbildungbeiderMediations-stelleFrankfurt(Oder).SeineDisser-tationzutheoretischenGrundlageninterkulturellerMediationwurde2004mitdemMediations-Wissenschafts-preisderCentralefürMediationKölnausgezeichnet.

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 25

DassWissenschaftundPraxis

einesehrdynamische,sichge-

genseitigbefruchtendeZu-

sammenarbeitinBezugaufKonfliktma-

nagementinUnternehmeneingehen

können,dieallenobengenanntenggfs.

vorhandenengegenseitigenVorurteilen

widerspricht,zeigtdieimJanuar2011

herausgegebeneStudie»Konfliktma-

nagement:vondenElementenzumSys-

tem«.InKooperationderWirtschafts-

prüfungs-undBeratungsgesellschaft

PricewaterhouseCoopers(PwC)undder

Europa-UniversitätViadrinaFrankfurt

(Oder)alswissenschaftlicherInstanz

wurdederVersuchunternommen,den

Erfahrungsschatzderim»RoundTable

MediationundKonfliktmanagementder

Marion Nöldeke

FürdiePraktikerInnenscheintsieaufdenersten–manchmalzugegebenermaßennichtganzvor-

urteilsfreien–Blick»trocken«und»weitweg«zusein:diewissenschaftlicheAuseinandersetzung

mitdemThemengebietKonfliktmanagement.Kritischfragensiesich,obesihnenbeidenHerausfor-

derungendesTagesgeschäftsunddeminvielenUnternehmenvorhandenenwirtschaftlichemDruck

etwasnützt,wenndieWissenschaftmöglicheWegezurEtablierungvonKonfliktmanagementinUn-

ternehmenaufzeigenwill.UmgekehrtkönntensichdieWissenschaftlerInnenfragen,obdieaufden

erstenBlicksehrunterschiedlichenundvielleicht»unstrukturiert«wirkendenAnsätzederPraxisim

UmgangmitKonfliktmanagementfürdietheoretischeAusformungdesThemasRelevanzhaben,

bzw.nutzbarundaufzubereitensind.

Berichte zum Thema

DeutschenWirtschaft«vertretenenUn-

ternehmenzuhebenundwissenschaft-

lichaufzubereiten.Diestrukturierte

AnalysevonEtablierungswegeninder

PraxiskombiniertmitFokusstudien

undpraxisnahenVorgehensmodellen

schaffenein»bestof«derErkenntnis-

seundAnsätzebeiderBlickwinkel.Die

Ideewar,dassderNutzerderStudie

aufpraxisnahdargestellteAnsätzeund

Handlungsempfehlungenzurückgrei-

fenundsovondeninderStudieüber-

sichtlichaufbereitetenErfolgsmodellen

derEtablierunglernenkann.

WichtigundfürdenpraktischenEinsatz

wesentlich:dieheterogenenundsehr

unterschiedlichenErfahrungenundHe-

rangehensweisenvonUnternehmen

zumThemaKonfliktmanagementwur-

denvonderWissenschaftnichteinfach

inModelle»gezwängt«,sondernalsEle-

mentegesehen,diealleihrejeeigene

BerechtigungundWichtigkeitfürdie

EtablierungvonKonfliktmanagement

inUnternehmenhaben.JederErkennt-

nisschrittindenUnternehmenwurde

alswichtigeVoraussetzungfürdenwei-

terenWeggewürdigt,derdurchdieun-

ternehmensspezifischeAdaptierung

derzusammengestelltenErfolgsmodel-

leundHandlungsempfehlungenweiter-

geführtwerdenkann.DieAufbereitung

derErgebnisseerfolgtso,dassUnter-

nehmenunabhängigvonihrerGröße

undvonderBrancheindersietätigsind

Konfliktmanagement Wie Wissenschaft und Praxis sich bereichern

Page 26: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Berichte zum Thema

26 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

dieStudienergebnisseschnellnutzen

undfürsichverwendenkönnen.

Dabeiistwesentlichundausmeiner

SichtebenfallshilfreichfürdiePraxis,

dassvonderWissenschaftdarüberhi-

nausderBlickaufeinGesamtsystem

gelenktwird:denAufbaueinesvoll-

ständigenKonfliktmanagement-Sys-

tems.DasinderStudievorgestellte

Viadrina-Komponenten-Modelleines

Konfliktmanagement-Systemsführt

dieElementeKonfliktanlaufstellen,

SystematikderVerfahrenswahl,Ver-

fahrensstandards,Konfliktbearbeiter,

Dokumentation,Controlling,Qualitäts-

sicherungundKommunikationverbun-

dendurcheineZentraleSteuerungund

eingebettetinUnternehmens-Normen

undUnternehmenskulturzueinem

Komponentensystemzusammen.

HierkönntesicheinskeptischerPrakti-

kerdieFragestellen:»Undwasmache

ichjetztmiteinemsolchenModell?«

bzw.»WiegeheichdieEinführungvon

KonfliktmanagementinmeinemUnter-

nehmenkonkretan?«Auchdaraufgibt

dieStudieAntworten:Zumeinenwer-

denPraxisbeispielegenannt,diesich

z.B.mitderEinführungeinesKonflikt-

management-SystemsfürKonflikteam

ArbeitsplatzodermitderEinführung

einesKonfliktmanagement-Systemsfür

externeUnternehmens-Konflikteals

EinstiegsmöglichkeitenindasGesamt-

systembeschäftigen.

ZumanderenwerdenineinerFokus-

studieinnerhalbderGesamtstudie(von

Oertzen/Nöldeke:»Konfliktmanage-

ment–EtablierungsprozesseundStra-

tegien«)aktuellinUnternehmendisku-

tierteweitereinterdisziplinäreThemen

ausdemBereichz.B.derInnovations-

wissenschaftenoderdemVerände-

rungsmanagementalsÜberlegungen

fürdieEtablierungmitherangezogen

underweiterndenBlickwinkel.

AuchindieserFokusstudiekonntenWis-

senschaftundPraxisvoneinanderpro-

fitieren:AusPraxisinterviewsu.a.zur

Frage»WaswarenbeiIhnenimUnter-

nehmendieVoraussetzungenfürdieer-

folgreicheEtablierungvonKonfliktma-

nagement?«wurdeeinPhasenmodell

füreinwirksamesundnachhaltigesEin-

führenherausgearbeitet:VomEinstiegs-

impulsgehtesübereinrealistisches

KonzeptundeineklareEntscheidung

überdieErfordernisvonbreiterUnter-

stützungbishinzurnotwendigenguten

VerankerungvonKonfliktmanagement.

DieeinzelnenPhasenkönneninunter-

schiedlicherReihenfolgeundIntensität

unternehmensspezifischdurchlaufen

werden.ZujederdieserPhasenwer-

deninderFokus-StudieErfahrungsbe-

richteausPraxisinterviewsergänztund

einemethodischeAufbereitungderda-

rinfüralleUnternehmenvorhandenen

»Erkenntnisperlen«angeboten.Wissen-

schaftlichundzugleichfürdiePraxis

sehrhilfreichistdieHinterlegungdes

VorgehensmitdemfürdieseFragestel-

lungverfügbargemachtenPromotoren-

Modell1.Promotoren,alsAkteure,auf

dieesankommt,unterstützenaufviel-

fältigeArtundWeisedenEtablierungs-

prozessvonKonfliktmanagementinUn-

ternehmen:Seiesalsderfachlichinder

KonfliktbearbeitungversierteFachpro-

motor,alsderimUnternehmengutver-

netzteunddamitfürdasKonfliktma-

nagementUnterstützungsichernde

Prozesspromotoroderalsdereinfluss-

reicheunddieGrundsatzentscheidung

fürdieEtablierungvonKonfliktmanage-

mentherbeiführendeMachtpromotor.

InderUnternehmenspraxisistdieser

BlickaufEigenschaftenundRollederje-

weiligenPromotorensehrhilfreich:in

denPrioritätendesTagesgeschäftsso-

wiedergenerellenunternehmerischen

ZielsetzungundStrategieeingebunden,

mussmansichmöglichsteffizienter

Analyse-Wegebedienen,umdieEtablie-

rungvonKonfliktmanagementvoran

zubringen.DerBlickaufdas»Promo-

toren-Gefüge«istfürdenImpulsgeber

fürdasKonfliktmanagementsehrhilf-

reich.Auchaufdieeigenedarinenthal-

teneRolleundderenZielezuschauen

verschaffteinenErkenntnisgewinn.

IndemIT-Unternehmen,indemichar-

beite,istesgängigeMethodik,sowohlin

internen,alsauchinexternenProjekten

umfangreichesKnow-howausdemBe-

reichProjektmanagementzunutzen.

Sobietetsichz.B.zuBeginneinesPro-

jektszurSondierungderAusgangssitu-

ationeinesogenannteStakeholder-

Analysean.DieStakeholdersindvom

Projekt,bzw.denAuswirkungenderPro-

jektarbeitunmittelbarodermittelbar

Betroffene,diemöglichstsoeingebun-

denwerdensollten,dasssiezuBeteilig-

tenwerden,diedasProjektergebnisam

Endemittragenbzw.bestenfallsalspo-

sitiveUnterstützerundFürsprecherhan-

deln.IneinerStakeholder-Analysewer-

dendieErwartungenundBefürchtungen

derBetroffenenermitteltunddieBedeu-

tungderProjektideefürihrenArbeits-

bereichanalysiert.NachderBewertung

dieserAnalysewerdenvomProjektlei-

terbzw.vomProjektumfeldMaßnah-

menundStrategienentwickelt,dieda-

zuführensollen,dassinsbesonderedie

kritischzumProjektstehendenStake-

holdergutundnachhaltigindasProjekt

eingebundenwerden.Hierkönnteman

dasPromotorenmodellvonvonOert-

zeninBezugaufdiepraktischeAnwen-

dungweiterführenundsichfragen:Was

müsstegeschehen,damitauseinemPro-

jekt-KritikereinpositiverUnterstützer,

BefürworterundsomitPromotorwird?

1Vgl. von Oertzen, Jürgen, Karlsruhe 2010.

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 27

DieseskleineBeispielzeigt,dassdiege-

genseitigeInspirationzwischenWissen-

schaftundPraxiszumBereichKonflikt-

managementanhältbzw.weitergeführt

wird.Aber:essollauchdaraufhingewie-

senwerden,dassmanerstzueinander

findenmuss,bzw.jederdie»Sprache«

desanderenverstehenlernen,bzw.sich

zunächsteingegenseitigesVerständnis

fürdieverschiedenenBlickwinkelentwi-

ckelnmuss.BeiderZusammenarbeit

mitJürgenvonOertzenzuro.g.Fokus-

studiehabenwirunstrotzgrößerer

räumlicherDistanzzuBeginnzunächst

persönlichgetroffen,umunsgegen-

seitigkennenzulernen,umdiesesge-

meinsameVerständniseinzuüben.

Daraufaufbauendarbeitetenwirtele-

fonischundperMailgemeinsamanden

Themenweiter.DurchInterviewsmit

denTeilnehmerInnendesRound

TableMediationundKonfliktmanage-

mentderDeutschenWirtschafthatte

JürgenvonOertzenbereitsvieleErfah-

rungengesammelt,diesegeclustertund

ausgewertet.Dasdarausentwickelte

ModellderEtablierungsprozesseund

Strategienspiegeltenwirdannnochmal

anmeinenPraxiserfahrungenunddis-

kutiertenausführlichdieverschiedenen

Facetten.

Erwähnenswertist,dassausdieserZu-

sammenarbeitauchnochalsZusatzpro-

duktfürdiePraxiseineEtablierungs-

matrixentstand.DieseArbeitshilfein

FormeinerstrukturiertenTabelleführt

dieempirischenAspektezurEtablierung

vonKonfliktmanagementübersicht-

lichundeinfachauswertbarzusammen.

Zielsetzung:JedesUnternehmen,das

dieMatrixnutztundunternehmens-

spezifischseineAusprägungendortein-

stellt,erhälteinenÜberblickunderste

konkreteAnsatzpunktedarüber,wasin

BezugaufdieEinführungvonKonflikt-

managementimeigenenUnternehmen

detaillierteruntersucht,bzw.bewertet

werdensollte.Beidenzubeachtenden

RahmenparameternfürdieEinführung

vonKonfliktmanagementwerdenzum

BeispieldieDimensiondesAnstoßes(=

Erstimpuls),Barrieren,Unternehmens-

kultur,Rahmenparameterundvorhan-

deneKonfliktmanagement-Strukturen

zurAuswahlangeboten.Beidenzutref-

fendenGrundsatzentscheidungengeht

esumdieWeitedesWurfs,dieGe-

schwindigkeitderEinführungsowie

diegewünschtezubearbeitendeKon-

fliktart.DiebetroffenenAkteurekönnen

Unternehmenspezifischhinzugewählt

werden.UndbeiderkonkretenAusge-

staltunggehtesdarum,welcherBereich

imUnternehmendieEinführungleitet,

welcheweiterenunternehmensspezi-

fischenManagementsystemebeachtet

werdenmüssen,welcherNutzener-

zieltwerdensollundwelcherOrganisa-

tionsbereichfürdieEinführungverant-

wortlichist.Diemehralssechziginder

MatrixenthaltenenEinzelaspektesind

dannwiederummiteinerChancenund

Risiken-Einschätzungversehendieaus

vielfältigenErfahrungeninderPraxis

stammt.DieEtablierungsmatrixkann

somiteinunterstützendesArbeitsmittel

fürdieIst-AnalysederKonfliktmanage-

ment-SituationdesjeweiligenUnter-

nehmensseinundbietetAnregungen

undHinweisefürdenBeginnderEta-

blierungvonKonfliktmanagementbzw.

einesKonfliktmanagement-Systems.

SomitistmeinepersönlicheErfah-

rung:Ja!WissenschaftundPraxisbe-

reichernsichinBezugaufdasKonflikt-

managementgegenseitig.Und:Beide

sindausmeinerSichtzwingendauf-

einanderverwiesen,umfürdieEta-

blierungvonKonfliktmanagement

zukunftsgerichtetweitereErkennt-

nisseaufzubereitenundWegezueb-

nen,umeinermöglichstgroßenAn-

zahlvonUnternehmen–gleichwelcher

GrößeundBranche–denEinstieg

unddieerfolgreicheEinführungvon

Konfliktmanagement(systemen)zueb-

nen.DieImpulseausdemRoundTa-

bleMediationundKonfliktmanage-

mentderDeutschenWirtschaft(www.

rtmkm.de)mitseinenerfahrenenPrak-

tikerninZusammenarbeitmitseiner

praxisorientiertenversiertenwissen-

schaftlichenBegleitunggebenhierfür

eineindrucksvollesBeispiel.

*MarionNöldekeBetriebswirtin,seit20Jahreninunter-schiedlichenBereichenundPositionenbeiderAareonAGinMainztätig,seit2004fachlicheBereichsleitung/Koordi-natorinInternationalesProduktmanage-ment,Projektmanagement-Fachfrau(GPM),AusbildunginMediationundWirtschaftsmediation,häufigeProjekt-leitungstätigkeitenbeigroßen,zumTeilausgeprägtkonfliktbelastetenProjekten.

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

Literatur

*vonOertzen,Jürgen:Wermacht´s?DieRollenvonPromotorenbeiderEtablierungvonKonfliktmanagement(systemen)inUnternehmen.Karlsruhe2010.

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28 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Berichte zum Thema

Mediation – ein Stiefkind der Friedens­ und Konfliktforschung

Andréa Vermeer

sterLiniedieKommunikationzwischen

denParteienaufbauen.Mankönnteal-

sodavonausgehen,dasssichdieMe-

diationzunächstkommunikationsthe-

oretischerModellebedient,jedochsind

dieErkenntnisseausderFriedens-und

Konfliktforschungunterschwelligeben-

soverankertohneexplizitgenanntzu

werden.DieBandbreitederwissen-

schaftlichenDisziplinenzeigt,wel-

cheAnknüpfungspunkteesfürdasFor-

schungsfeldMediationgebenkönnte.

SozialwissenschaftlicheKonflikttheo-

rienumreißenvierFelderderTheorie-

entwicklung:(1)klassischePositionen

(Hobbes,Marx,Weber,Simmel),(2)

KonflikttheorienderTheorieninterna-

tionalerBeziehungen(Neorealismus,

InternationalePolitischeÖkonomie,

Neoinstitutionalismus,Zivilisierungs-

theorie,postmoderneTheorien),(3)

KonflikttheoriensoziologischerGesell-

schaftstheorien(zivilgesellschaftlicher

Republikanismus,Hegemonietheo-

rie,autopoietischeSystemtheorie,fe-

ministischeTheorien,Anerkennungs-

theorien,Theoriedersymbolischen

Kämpfe,TheoriekollektiverAkteure),

(4)Konflikttheoriensozialwissen-

schaftlicherAkteurstheorien(Desinte-

grationstheorie,Theoriedersozialen

Identität,Interaktionsrituale,Psychoa-

nalyse,Rational-Choice-Theorie,Sozio-

biologie,Aggressionstheorie).

Grundsätzlichisteswichtig,sichbei

derAnwendungvonMediationüber

denStandpunktklarzusein,denman

hinsichtlichdesKonfliktbegriffsein-

AktuellgibtesguteGründe,darüberzudebattieren,warumesschwierigisteineEU-Richtlinieals

MediationsgesetzinDeutschlandzuratifizierenundwelchenBeitragdieFriedens-undKonflikt-

forschungversäumthat,umdiepraxisorientierteKonfliktregulationmitNamenMediationalsex-

plizitesForschungsobjektzuetablieren.EinknapperÜberblicksollüberdenaktuellenStandder

ForschunginBezugaufMediationseitensderFriedens-undKonfliktforschunginformieren.DerFor-

schungsbereichwirdeingerahmtunddiehistorischenEntwicklungendesForschungsgegenstandes

erklärt.KonkreteBeispielezeigen,inwelchenBereichendieMediationüberhauptalsThemaderFrie-

dens-undKonfliktforschungbetrachtetwirdundwiediesgeschieht.

EsgibtvielestreitbareGemüter

undmancheMenschenverstehen

es,ihrpolitisches,gesellschaft-

liches,sozialesoderpersönlichesRecht

durchzusetzenmittelsKlagewellen,mi-

litärischenEinsätzenundKriegen.Die

einenimNamenihrerGötter,imNa-

mendesVolkesoderwiederanderein

ihrerFamilie.Rechtsansprüchebezie-

hensichsomitaufjedwedeLebenswelt

vonMenschenundihrersozialenIn-

teraktion.DieMediationzieltnichtda-

raufabRechtsansprüchegeltendzu

machen,sondern,unddiesmaginun-

sererRechtskulturverwirren,aufdie

KlärungderdahinterliegendenEinstel-

lungenundEmotionen,diezumKon-

fliktführen.MediatorInnenüberneh-

mendieVerantwortungfürdenProzess

derKonfliktregulation,indemsieiner-

Page 29: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 29

nimmt.Konfliktebestehenaufunter-

schiedlichenEbenen,eineeindeutige

Konfliktdefinitiongibtesnicht.Ulrike

WasmuthweistaufvierUnterschei-

dungenhin:»Esistzunächstwichtig,

denKonfliktunvoreingenommenals

sozialenTatbestandzubetrachtenund

beiDefinitionsversuchenden›Kon-

flikt‹(a)nichtmitAustragungsformen

zuverwechseln;(b)nichtdurchBe-

wertungeinzugrenzenunddamitdes-

senAnalysezupräjudizieren;(c)nicht

durchseinenKontextunnötigerweise

aufMerkmalezureduzieren,diesei-

nerKomplexitätnichtgerechtwerden

und(d)nichtmitseinerUrsächlichkeit

zuvermischen.«1DieKonfliktparteien

könnenausEinzelpersonen,Gruppen,

Staatenetc.bestehen,hierentsteht

derKonfliktdannausUnterschieden

dersozialenLageund/oderInteres-

sen/Positionen.DieserHintergrund

istauchwichtigfüreinetheoretische

EinbettungderMediation,denndiese

stehtjenachsoziologischen,politik-

wissenschaftlichenodersozialpsycho-

logischenTheorietraditionenineinem

anderenKontext,wobeiichdensozio-

logischenundwenigerdenpolitikwis-

senschaftlichenAnsatzbevorzuge.

DieEinsicht,dassdiegesetzlicheNorm-

gebung–nationaleGesetzgebungoder

Völkerrecht–oftnichtausreichendist,

umFriedenzwischenKonfliktparteien

zustiften,findetanunterschiedlichen

StellenindenvergangenJahrenGehör.

DieUNgründete2009aufausdrück-

lichenWunschvonGeneralsekretär

BanKi-MooneineUnitmitMediation

SupportunddieEUgibteineRicht-

linieaufdenWeg,umaußergericht-

licheVerfahrensweisenzurKonfliktre-

gulationzufördern.AufArbeitsebene

istdieeuropäischeUnionseit2008da-

bei,dasVerfahren,oderbesser,denme-

thodischenAnsatzderMediationin

dieGesetzgebungeinfließenzulassen,

gleichberechtigtzuSchlichtungs-und

Schiedsgerichtsverfahren.Sollteessich

gesellschaftlichdurchsetzen,dassMen-

schenlernensichaußergerichtlichzu

einigen,dannwäreesoptimalerWeise

nurnochbeikriminellenTatbeständen

notwendig,GerichteundRechtsanwäl-

tezubemühen.DieReduktiondesKon-

flikt-ArbeitsfeldesvonJuristenunddie

gleichzeitigeErweiterungdesselbigen

fürweitereExpertenausanderenFach-

bereichenführtzuSpannungen,denn

auchimFeldderMediationgibtes

Rechtsansprüche,nurworaufsichdiese

genaubegründen,istnichtdeutlich.

DiegroßenProblemebeiderUmset-

zungderEU-RichtliniezurMediation

rührennichtzuletztdaher,dassdieGe-

mengelageunübersichtlichistundes

wenigeErkenntnisseübermethodische

Ansätze,wissenschaftlichfundierte

AnalysenundEvaluierungenzuMedia-

tionengibt.

DasFeldderMediationistkaum›er-

forscht‹undbasiertaufsehrbelie-

bigentheoretischenAnsätzen.Faktist,

dassniemandeineDeutungshoheit

hatüberdas,wasMediationzuleisten

hat,wiesiedurchzuführenistundwel-

cheKriterienerfülltseinmüssen,um

sieerfolgreichumzusetzen.Geschwei-

gedenn,dassesdieMediatorInge-

benkanngenausowenigwiedieLeh-

rerInoderdieFührungskraft.Dawirkt

eshilflos,wenndieIHKNürnberg,im

GegensatzzuanderenIHKs,einMin-

destaltereinführtundeigeneKriterien

füreinGütesiegelvonMediatorInnen

setzt,mangelsstaatlicherVorgaben.

BisherhabensichinderPraxisvor

allemdieMediationsmodelledesPo-

litikwissenschaftlersChristophBese-

mersowiedieAdaptionvonBallreich

&GlaslimdeutschsprachigenRaum

durchgesetzt.2Weltweitbefassensich

vieleWissenschaftlerInnenmitThe-

menzurKonfliktregulation.3Kennt-

nisseüberKonfliktregulierungspro-

zesseoderEskalationsstufengehören

nichtzurwissenschaftlichenAusbil-

dungvonJuristInnen,abersehrwohl

zujenerderFriedens-undKonfliktfor-

scherInnen.DerinterdisziplinäreStu-

diengang,zumeistausdenWissen-

schaftsbereichenPolitikwissenschaft,

SoziologieundSozialpsychologie,be-

schäftigtsichtiefgehendmitKon-

flikteninunterschiedlichenKontexten.

DasDilemmaderGreifbarkeitvonMe-

diationalsVerfahren,Methodeoder

AnsatzistaucheinResultatvonzuge-

ringerwissenschaftlicherAufmerk-

samkeitundwenigErkenntnisgewinn.

ErstindenvergangenenJahrenwer-

denakademischeStudiendurchge-

führt,umüberhauptAussagentref-

fenzukönnen,wasdennMediation

nuneigentlichumfasst,welcheThe-

orienihrzugrundeliegenundwelche

KenntnissebeiMediatorInnenvorhan-

denseinmüssten,ummitKonflikten

aufunterschiedlichenEbenenumge-

henzukönnen.

EinStandardwerkzurEinführungin

dieFriedens-undKonfliktforschungist

dasLehrbuchvondenHerausgebern

ImbuschundZollmitgleichnamigem

Titel.4Esbeschreibtdiepolitischen

HintergründedeskaltenKriegesso-

wiedieEinflüsseder68erunddiespä-

terenFriedensbewegungenaufdie

Friedensforschung.Bisheutestrei-

tenPolitikwissenschaftlermitSozio-

logInnenoderSozialpsychologInnen

1Wasmuth, U.: S. 7.2Besemer (1995) und Kessen/Troja (2002).3Diese Begrifflichkeit wird unterschiedlich verwendet und benannt: Konflikttransforma-tion, Konfliktlösung, Konfliktmanagement etc. Autoren mit theoretischen Ansätzen zur Kon-flikttransformation sind u.a.: Galtung, Azar, Senghaas, Krippendorf. Autoren mit Fokus auf non-violent Ansätzen: Sharp 1973, Wehr, Burgess & Burgess 1994, Clark 2000. S. a. www.berghof-handbook.net.

4s. Imbusch, Peter & Zoll, Ralf (Hrsg.).

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Berichte zum Thema

30 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

überBegriffewieFriedenundGewalt,

Kriegsursachen,Abrüstung,Rüstungs-

kontrolleundauchKonfliktmanage-

ment.SieallestehenzunächstimFo-

kusderForschung,dieMediationwird

explizitmitkeinemWorterwähnt.Tra-

ditionellwidmetsichdieFriedens-und

Konfliktforschungeherdenmakro-

politischenKonflikten.Dergesamte

ForschungsbereichdesBerghofFor-

schungszentrumsfürkonstruktive

KonfliktbearbeitunginBerlinrichtet

sichaufdiepolitischeEbene:

»Mediation is, at its core, a politi­

cal process in which conflict parties

(stakeholders) agree to accept one

or more third actors who are not

party to the conflict, who enjoy the

trust of the disputants, and who are

considered potentially supportive in

overcoming the deadlock triggered

by a stalemate in the conflict.«5

IndiesemKontextwirdMediationvor-

wiegendalskommunikationstheore-

tischesModellbehandelt,welchesim

SinnevonpolitischmotiviertenVer-

handlungsstrategieneinenoffiziellen

sowieinoffiziellenMediationsprozess

beschreibt.EinigevonGiessmann&

WilsbeschriebeneFunktionenderMe-

diationwidersprechendenAnsätzen

vonu.a.Besemer,Ballreich&Glasl,

zumBeispielinpunctoFreiwilligkeit.

DassKonfliktesichnichtnurvorwie-

gendimmakro-politischenKontextab-

spielen,beschreibtKarlheinzKoppein

seinerGeschichtederFriedens-und

Konfliktforschungundsprichthiervon

einemParadigmenwechsel»vonder

KriegsverhütungzurZivilisierungdes

Konfliktaustrags«.ErsiehtdieUrsachen

fürKonfliktenichtnurininternationa-

lenBeziehungensondernauchinge-

sellschaftlichenStrukturen.Sorücktdie

»AnalyseundBearbeitungallergloba-

lenundgrenzüberschreitendenGefähr-

dungendermenschlichenExistenz,(…

terroristischeGewalt…)«mehrinden

Vordergrund,verlässtaberdiePerspek-

tivederMakroebenenicht.6

Endeder80erJahre,Anfangder90er

wurdenStudienveröffentlicht,diesich

mitdemThemaVertrauenalsGrund-

kategorievonFriedenauseinander-

setzten.SobeschreibtzumBeispiel

NiklasLuhmannVertrauenalseinen

MechanismuszurReduktionvonso-

zialerKomplexitätundmeintdamit:

»OhnejeglichesVertrauenaberkönnte

er[derMensch]morgensseinBett

nichtverlassen.UnbestimmteAngst,

lähmendesEntsetzenbefielenihn.«7

Forschungsobjektebeziehenimmeröf-

terdenMenschenmitseinerFähigkeit

derEmpathieeinundwerdenineine

DefinitiondesFriedensbegriffs,sobei

DieterSenghaasetal.,integriert:»Um

Friedenzuerreichen,sinddeshalban-

haltendeBemühungenumRechtstaat-

lichkeit,Erwartungsverlässlichkeit,

ökonomischenAusgleichundEmpa-

thieerforderlich.«8Damitwirddierein

makro-politischePerspektiveverlas-

senunddiesozialeInteraktionsebene

vonMenscheneinbezogen.Senghaas

folgtunteranderemdenAnsätzendes

deutsch-jüdischenSoziologenNorbert

Elias,derinseinerZivilisierungstheorie,

zumProzessderZivilisation,denMen-

schenzentralstellt:

»Erst mit den Spannungen zwischen

den Menschen mit den Widersprü­

chen im Aufbau des Menschenge­

flechts können sich die Spannungen

und Widersprüche in den Menschen

mildern. Dann erst braucht es nicht

mehr die Ausnahme, dann erst kann

es die Regel sein, dass der einzel­

ne Mensch jenes optimale Gleich­

gewicht seiner Seele findet, das wir

so oft mit den großen Worten wie

›Glück‹ und ›Freiheit‹ beschwören:

ein dauerhaftes Gleichgewicht oder

gar den Einklang zwischen seinen

gesellschaftlichen Aufgaben, zwi­

schen den gesamten Anforderungen

seiner sozialen Existenz auf der ei­

nen Seite und seinen persönlichen

Neigungen und Bedürfnissen auf

der anderen. Erst wenn der Aufbau

der zwischenmenschlichen Bezie­

hungen derart beschaffen ist, wenn

die Zusammenarbeit der Menschen,

die die Grundlage für die Existenz

jedes einzelnen bildet, derart funk­

tioniert, dass es für alle, die in der

reichgegliederten Kette der gemein­

samen Aufgaben Hand in Hand ar­

beiten, zum mindestens möglich ist,

dieses Gleichgewicht zu finden, erst

dann werden die Menschen mit grö­

ßerem Recht von sich sagen kön­

nen, dass sie zivilisiert sind.«9

DieHerangehensweiseanMediation

gestaltetsichsehrverschiedenund

somitauchdieInterpretationdes-

senwas‚erlaubt‘istineinerMedia-

tionundwaseheralsdestruktivwahr-

genommenwird.Einentscheidender

PunktisthierbeiderHandlungsraum

derMediatorInnen.IhreRolleinma-

kro-politischenKonfliktenwirdoft

als›facilitator‹odergaralsStrate-

gemitSanktionsmöglichkeitenauf-

gefasst,diesichmittelbarindenkrea-

tivenLösungsraumeinmischenund

eigeneLösungsvorschlägeeinbringen.

DieswiederumgiltalseinTabuinan-

derenAnsätzen,daaussozialpsycho-

logischenErkenntnissendavonausge-

gangenwerdenkann,dassnureigene

vondenKonfliktparteienentwickelte

Lösungsvorschlägebzw.Konsensmo-

dellenachhaltigsindunddieKonflikt-

parteienindieEigenverantwortlich-

keitziehen.DerAnsatz,denProzess

derMediationalseinemultipleKom-

munikationsstrategieanzusehen(Vgl.

Giessmann&Wils,S.190),dieexpli-

zitauffordertmitDruckmitteln(Sank-

tionen,alsoDrohungen,garErpres-

sungen)zuarbeiten,darfzuRecht

kritisiertwerden.DieRealitätzeigtei-

negeringeErfolgsquotefürdieseArt

derKonfliktregulation.

DieWirksamkeitvonMediationwur-

deinEvaluationsstudienuntersucht

5s. Giessmann, H.J. & Wils, Oliver, S. 187.6 Ebd. S. 58.7Luhmann, N.: S. 1.8 Senghaas, D. & Senghaas-Knobloch, E.: S. 249.9Elias, N.: S. 453 - 454.

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Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 31

(zusammengestelltvonLisaGuten-

brunner,Marburg):Eszeigtesich,dass

StreitfälleimprivatenBereicheine

weitaushöhereErfolgsquotehaben

alsdieMediationvoninternationa-

lenKonflikten.Burrell,ZirbelundAllen

analysiertenüber43Evaluationsstu-

dienimBereichderPeer-Mediation:

BeiSchülerInnen,dieSchülerkonflikte

vermittelten,gabeseineEinigungin

93ProzentderFälle.Dabeiberichte-

ten88ProzentderTeilnehmerInnen,

dasssiemitderEinigungzufrieden

waren.DieErfolgsratebeiFamilien-

mediationenschwanktezwischen40-

85Prozent(untersuchtwurdensie-

benModellprojektemitinsgesamt450

Mediationen).Hierbeiwaren40-96

Prozentzufrieden.10

Bercovichetal.analysiertendieErfolgs-

quotevonpolitischerMediationin137

internationalenKonfliktenundkonnten

lediglichin8ProzenteinenErfolgfest-

stellensowiein37ProzenteinenTeiler-

folg(z.B.zeitweisenWaffenstillstand).

EineErklärungfürdengeringenErfolg

liegtmeinerMeinungnachdeutlich

anderInterpretationaufpolitikwis-

senschaftlicherEbene,wasMediation

überhauptleistenkann.DasVerfah-

renMediationwirdmitderledig-

lichstrategischenAuslegungvonVer-

handlungsführungverwechselt,die

nichtsmiteinerMediation,dieaufei-

nenkognitivenWendepunkt(Einstel-

lungsänderung)abzielt,zutunhat.An

dieserStelleseivorallemaufdasent-

scheidendeElementderFreiwilligkeit

hingewiesen.DieSozialpsychologie

hatzahlreicheAnsätze,diebeweisen,

dassEntscheidungen,diemittelseiner

erzwungenenZustimmung/Konformi-

tät(forcedcompliance)entwederüber

einVersprechenfüreineBelohnung

oderderAndrohungvonStrafen/Sank-

tionengefälltwerden,beiIndividuen

kognitiveDissonanzenauslösen.

InUntersuchungenwurdeaufge-

zeigt,dassPersonenzwareinerseits

demDrucknachgabenundsichöf-

fentlichmitihrerMeinungscheinbar

anpassten,aberspäterineinerano-

nymenUmfragedeutlichnochihreei-

geneMeinungvertratenauchwenn

siekonträrwar.

DieinterdisziplinäreFriedens-und

Konfliktforschungbietetdiebesten

VoraussetzungendasForschungsfeld

Mediationvoranzubringen.Esbleibt

einemethodischeHerausforderung,

geradehinsichtlichvonEvaluierungen,

diesichnurallzuhäufigmitMediation

aufderMikro-Ebenebefassen,Media-

tionindenwissenschaftlichenKontext

einzubetten.Sozialwissenschaftliche

undsozialpsychologischeAnsätzeund

ErkenntnissesolltenbeieinerMedia-

tionundderenEinsatzVorranghaben

gegenüberpolitikwissenschaftlichen

Verhandlungsstrategien,dienurallzu

ofteinenKuhhandelohneNachhaltig-

keitaufweisen.

*Dr.AndréaEleonoreVermeerFriedens-undKonfliktforscherinzumThemainterreligiöseundinterkulturelleWertkonflikte;FreiberuflicheJournalis-tin,MediatorinundAusbilderinBM®

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

Literatur

*Bercovitch,J.,Agnoson,J.T.&Wille,D.:Somecontextualissuesandempiricaltrendsinthestudyofsuccessfulmediationininternationalrelations.JournalofPeaceResearch,28/1991.*Burrell,N.A.,Zirbel,C.S.&Allen,M.:Eva-luatingPeerMediationOutcomesinEdu-cationalSettings:AMeta-AnalyticReview.ConflictResolutionQuarterly,21(1),2003.

*Elias,N.:ÜberdenProzessderZivilisa-tion.Band1und2,14.Auflage,Frankfurt/Main1989.*Festinger,L.:ATheoryofCognitiveDisso-nance.Standford1957.*Giessmann,H.J.&Wils,Oliver:SeekingCompromise?MediationthroughtheEyesofConflictParties.In:B.Austin,M.Fischer,H.J.Giessmann(eds.):AdvancingConflictTransformation.TheBerghofHandbookII.Opladen/FramingtonHills2011.Onlinewww.berghof-handbook.net.*Imbusch,Peter&Zoll,Ralf(Hrsg.):Frie-dens-undKonfliktforschung.EineEinfüh-rung.4.Auflage,Wiesbaden2006.*Luhmann,N.:Vertrauen.EinMechanis-muszurReduktionsozialerKomplexität,2.Auflage,Stuttgart1986.*Senghaas,D.&Senghaas-Knobloch,E.:Sivispacemparapacem.ÜberlegungenzueinemzeitgemäßenFriedenskonzept.In:Leviathan,Heft2,Bd.20,1992.

10Burrell, N.A., Zirbel, C. S. & Allen, M.: S. 7 - 26.11Bercovitch, J., Agnoson, J.T. & Wille, D., S. 7 - 17.

*Wasmuth,U.:FriedensforschungalsKon-fliktforschung.ZurNotwendigkeiteinerRückbesinnungaufdenKonfliktalszen-traleKategorie.In:AFB-TexteNr.1/1992.

Page 32: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

32 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Berichte zum Thema

Gefühlsbegriffe, die weiterhelfen! Was die Unterscheidung von Primär­, Sekundär­und Pseudogefühlen im Konflikt bewirkt

Al Weckert

undsteigenderAufmerksamkeitführt.

BeidiesemProzessistdieUnterschei-

dungzwischenechtenGefühlenund

Pseudogefühlenwegweisend.DieWie-

derholungvonPseudogefühlenführt

aufgerademWegindieVerstrickung,

dasBenennenvonechtenGefühlenzu

wachsendemVerständnisundRespekt.

Gefühle lassen sich nicht wil-lentlich kontrollierenSeitüber40JahrengehtderEmotions-

forscherPaulEkmanderFragenach,

obGefühlesichvonKulturzuKultur

unterscheiden.SeineForschungen

zeigen,dassGefühleuniversellsind.

SelbstihrspontanermimischerAus-

druckistüberallaufderWeltderGlei-

che.LassensichGefühlekontrollie-

ren?SeineAntwort:Weltweitbeweist

keineeinzigeStudie,dasssichemo-

tionaleProgrammewillentlichunter-

drückenlassen.JederGedanke,jede

HandlungundjedeBegegnungistmit

Gefühlenassoziiert.ImKonflikthan-

deltessichmeistensumstarkeunan-

genehmeGefühle.IndemMoment,

wounserGegenüberhandeltoder

spricht,werdenkurzunkontrollierbare

Gefühlebeiunsausgelöst.Wissen-

schaftlernennendiesenZeitraum

»Refraktärphase«.

BeeinflussenlässtsichdieLängeder

Zeitspanne,diewirunterdemEinfluss

starkerGefühleverbringen.Siedauert

mindestensdenBruchteileinerSekun-

de.WenndieAuslöserwiederholtsti-

muliertwerden,kannsichdiePhase

verlängern.DasMediationsteamun-

terbrichtdiesenTeufelskreis,wennes

dieAuslöser(meistensgegenseitige

Vorwürfe)indiedahinterliegenden

Anliegenübersetzt.Entscheidendfür

dieQualitätdesÜbersetzungsvor-

gangsist,dassnichtnurBedürfnisse,

sondernauchdiedazugehörigenGe-

fühlebenanntwerden.StarkeGefühle

wirkenbedrohlich,solangesiefürdie

DasNadelöhrbeiderBewälti-

gungeinesKonfliktsistder

Moment,indemzwischen

StreitparteienwechselseitigVerständ-

nisfürdieBedürfnissedesanderen

entsteht.Wasaber,wennimmerwie-

derstarkeGefühlezugegenseitigen

Schuldzuweisungen,Abwertungen,

AngstoderResignationführen?AlsSu-

pervisorerlebeichzahlreicheMedia-

tionen,indenendasMediationsteam

perfekterfassenundaussprechen

kann,worumesdenStreitparteienauf

derEbenederBedürfnissegeht.Trotz-

demwollendieBeteiligtennichtvon

ihrenPositionenabrücken.

DasFeedbackderKonfliktparteien

zeigt,dassMenschennurschwerauf

eineintellektuelleEbeneumschal-

tenkönnen,wennihreGefühlevorher

nichtklarerfasstundbenanntwerden.

DurchdasAnerkennenvonGefühlen

entstehtintuitivSicherheitundVer-

bindung,waszuStressverminderung

Page 33: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Berichte zum Thema

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 33

andereStreitparteialsGefahreinge-

stuftwerden.DieerzeugteAngstver-

hindertgegenseitigesVerständnis.

Starke Gefühlsäußerungen sind »Gold in schmutziger Verpackung«WenneineKonfliktparteivorWut

aufdenTischhautund»Scheiße!Du

hastmichbeidiesemProjekthängen

lassen«brüllt,kanndasbeimGegenü-

berOhnmachtoderGegenwehrauslö-

sen.Gleichzeitigistdieversteckte(in-

direktgeäußerte)Gefühlsbotschaft

Goldwert.WennesdemMediations-

teamgelingt,dieenthalteneIch-Bot-

schaftzuentschlüsseln,profitiertdie

gesamteGruppevondemErkennt-

nisgewinn.IstdieStreitparteiwü-

tend,weilihrinnerhalbeinesProjekts

dieUnterstützungderKollegenfehlt,

kanndasMediationsteamgenaudie-

senPunktunddendamitverbundenen

innerenZustandbenennen:»Sindsie

wütend,weilSiesichUnterstützung

wünschen?«Häufigmüssensolche

Aussagenerstdrastifiziertwerden,

bismandiewirklicheStimmungtrifft:

»Sindsiestinksauer?Sindsievölligau-

ßersich,weilsiesichbeiderProjektar-

beitalleinfühlen?Wünschensiesich,

dassdasheutewirklicheinmalgese-

henwird?«

DerGehirnforscherJoachimBauer

beschreibt,wassichinsolchenMo-

mentenindenunterschiedlichenGe-

hirnregionenabspielt.AlleBeteiligten,

sowohldieStreitparteienwieauchdas

Mediationsteam,sindüberSpiegel-

neuronedazufähig,dieNotdesSpre-

chersinnerlichzusimulieren.Voraus-

setzungist,dasssienichtaufgrund

vonAngstdieseFähigkeitzurSimula-

tionabgeschaltethaben.Indemdas

Mediationsteamimmerwiederge-

genseitigeSchuldzuweisungenunter-

brichtundindiedahinterliegenden

Ich-Botschaftenübersetzt,schafftes

beidenStreitparteiendieVorbedin-

gungenfürinnereSimulationundda-

mitverbundenesintuitivesVerständ-

nis.Genaudarumgehtes:Intuitives

VerständnisistdieuniverselleWäh-

rung,mitderjederVeränderungspro-

zess,allesWachstumundjedegegen-

seitigeAnnäherunggepowertwird.

Verstrickungsprozesse durch PseudogefühlePseudogefühlesindGefühlswörter,

dieeinTäter-Opfer-Szenariobestä-

tigenunddieStreitparteienimmer

weiterauseinandertreiben.Minde-

stens80ProzentallerSätze,diemit

derWendung»Ichfühlemich...«be-

ginnen,endenmiteinerSchuldzuwei-

sung:»IchfühlemichüberdenTisch

gezogen.«»IchhabedasGefühl,dass

michkeinerhierernstnimmt.«Wenn

dasMediationsteamsolcheRede-

wendungenzitiert,stößtesvollindie

WundederBeschuldigten:»FrauMei-

er,siefühlensichalsoindieEckege-

drängtundmöchten,dassHerrMül-

leraufhörtsiezuschneiden?«Durch

solcheÄußerungenverstricktsichdas

Mediationsteammitderanklagenden

ParteiverbalineinRichtig-Falsch-Den-

kenundineinenOpfer-Mythos.Der

BeschuldigteweitetseineGegenwehr

undseininnereAggressionunbewusst

aufdasMediationsteamaus.

Woran wir echte Gefühle erkennenEchteGefühleerkenntmanan

folgendenMerkmalen:

› JederMensch–aucheinBaby–

kannsämtlicheGefühleerleben.

MachenSiebeiUnsicherheiteinfach

den»Babytest«:WenneinWickelkind

esnichtempfindenkann,handeltes

sichwahrscheinlicheherumeinen

GedankenalsumeinGefühl.

› Gefühlesindkörperlichspürbar.

MutlosigkeitlähmtdenOrganismus,

NervositätdrücktsichdurchKribbeln

aus.WennSieesnichtkörperlichspü-

ren,sindSiemithoherWahrschein-

lichkeitinGedanken,nichtinIhrer

Gefühlswelt.

› EchteGefühledrückenkeineTäter-

Opfer-Beziehung(»Ichbinverletzt–

dubistschuld!«),sondernzunächst

einereineIch-Botschaftaus(»Ich

fühlemichangespannt«).

Was unterscheidet Primär-gefühle, Sekundärgefühle und Pseudogefühle?PrimärgefühlesindechteGefühle,die

sichkörperlichausdrückenundinei-

nerIch-Botschaftausgesprochenwer-

denkönnen.SiekönnenvonallenMen-

schen–auchvonBabys–empfunden

(undneuronalgespiegelt)werden.

SekundärgefühlesindGefühle,die

durcheinebestimmteArtzuDenken

hervorgerufenwerden.Wut,Ärger,

Hass,Scham,Schuld,Niedergeschla-

genheitundverwandteBegriffebein-

haltendenGedanken,dassjemandan-

deresnichtokayistoderdassichselbst

nichtokaybin.Trotzdemkannmandie-

seGefühledeutlichimeigenenKörper

spüren.Sekundärgefühlesindalsoein

»Zweikomponentenkleber«ausPrimär-

gefühlenundGedanken.

Pseudogefühledrückenlediglichaus,

wasichüberdasVerhaltenanderer

denkebzw.wieichderenVerhaltenbe-

werte.HinterPseudogefühlenverber-

gensichoftSekundärgefühle.

InderMediationarbeitenwirmitPri-

mär-undSekundärgefühlen.Manch-

malistspontannichterkennbar,

welchePrimärgefühlesichhinterSe-

kundärgefühlenverstecken.Scham

kannmitstarkenTabuthemenverbun-

densein.Esistkeinesfallshilfreich,

wenndasMediationsteamDruckauf

sichoderdieStreitparteienausübt,um

allePrimärgefühlezuerhellen.Ineiner

MediationlässtsichauchmitSekun-

därgefühlenproduktivarbeiten.

WenndieStreitparteienallerdings

durchzunehmendesVertrauenund

wachsendeSelbsterkenntnisspontan

aussprechen,wassiehinterihrerWut

oderihrerSchuldanursprünglichen

Gefühlenerleben,kanndasMedia-

tionsteamdieseÖffnungunddiesen

Erkenntnisgewinnalswesentlichen

ErfolgfürdieBeteiligtenverbuchen.

JetztergebensichfürdasVerständnis

derBedürfnisseundfürtragfähigeLö-

sungenMöglichkeitenvonbesonders

hoherQualität.

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Berichte zum Thema

34 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

*AlWeckertDiplom-Volkswirt,Organisationsent-wickler,MediatorBM®undTrainerfürGewaltfreieKommunikation

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

Mein Vorschlag für ein Vokabular echter GefühleMankannüberdieAbgrenzungechter

Gefühleendlosstreiten,außerdem

wirdeineListenureineAuswahlvon

Wörternwiedergeben.Dievorliegen-

denGefühlswörterhabeichimAb-

gleichmitFachpublikationen,eige-

nenErfahrungenundimDiskursmit

KollegInnenerstellt.Sieunterschei-

detnichtzwischenpositivenundnega-

tiven,sondernzwischenangenehmen

undunangenehmenGefühlen.Mit

demWort»negativ«assoziierenviele

MenscheneineBewertung.InKon-

fliktensindGefühlsäußerungenjedoch

grundsätzlichhilfreichundwillkom-

men,auchwennsiealsunangenehm

empfundenwerden.

Angenehme Gefühle

angeregt, aufgedreht, aufgeregt,

ausgeglichen, befreit, begeistert,

behaglich, belebt, berauscht, beru-

higt, berührt, beschwingt, bewegt,

dankbar, eifrig, ekstatisch, energe-

tisiert, engagiert, enthusiastisch,

entlastet, entschlossen, entspannt,

entzückt, erfreut, erfrischt, erfüllt,

ergriffen, erleichtert, erstaunt, er-

wartungsvoll, fasziniert, frei, fried-

lich, froh, fröhlich, gebannt, gebor-

gen, gefesselt, gelassen, gerührt,

gesammelt, gespannt, gesund,

glücklich, gutgelaunt, heiter, hell-

wach, hoffnungsvoll, inspiriert, klar,

kraftvoll, lebendig, leicht, locker,

lustig, motiviert, munter, mutig,

neugierig, optimistisch, ruhig, sanft,

satt, schwungvoll, selbstsicher, selig,

sicher, sorglos, still, stolz, überglück-

lich, überrascht, überwältigt, unbe-

schwert, vergnügt, verliebt, vertrau-

ensvoll, wach, weit, wissbegierig,

zärtlich, zufrieden, zugeneigt,

zuversichtlich

Unangenehme Gefühle

InmeinenAusbildungenarbeiteichzu-

nächstnurmitwenigenGefühlsbegrif-

fen,umeinenschnellenTrainingseffekt

zuerzielen.DieserWortschatzlässtsich

SchrittfürSchritterweitern.

alarmiert, angespannt, ängstlich,

apathisch, ärgerlich, aufgeregt, aus-

gelaugt, bedrückt, besorgt, bestürzt,

betroffen, betrübt, beunruhigt, bitter,

blockiert, deprimiert, durcheinander,

eifersüchtig, einsam, elend, empört,

enttäuscht, ernüchtert, erschlagen,

erschöpft, erschrocken, erschüttert,

erstarrt, frustriert, furchtsam, ge-

hemmt, geladen, gelähmt, gelang-

weilt, genervt, hart, hasserfüllt, hilf-

los, in Panik, irritiert, kalt, kraftlos,

leer, lethargisch, matt, miserabel, mü-

de, mutlos, nervös, niedergeschlagen,

ohnmächtig, panisch, perplex, rat-

los, resigniert, ruhelos, sauer, scheu,

schlapp, schüchtern, schwer, schwer-

mütig, sorgenvoll, teilnahmslos, tot,

träge, traurig, überwältigt, unbehag-

lich, ungeduldig, unglücklich, unru-

hig, unsicher, unter Druck, unwohl,

unzufrieden, verbittert, verspannt,

verwirrt, verzweifelt, widerwillig,

wütend, zappelig, zornig

Pseudogefühle

Sogenannte»Pseudogefühle«sindin

WirklichkeitkeineGefühle,sondernin

GefühlsformulierungenverpackteGe-

danken,Schuldzuweisungen,Anklagen,

VorwürfeundInterpretationen.Pseu-

dogefühlewerdenmanchmalauchals

Interpretationsgefühle,Nicht-Gefühle,

WolfsgefühleoderTätergefühlebe-

zeichnet.

NachfolgendeAusdrückewerdenbe-

sondershäufigalsPseudogefühlege-

nannt.BittebeachtenSie,dassesbei

manchenBegriffenaufdenKontext

unddieBetonungankommt.

abgelehnt, abgeschnitten, akzeptiert,

allein gelassen, an den Pranger ge-

stellt, an die Wand gestellt, angegrif-

fen, attackiert, ausgebeutet, ausge-

nutzt, ausgeschlossen , ausgestoßen,

beachtet, bedroht, belästigt, beleidigt,

belogen, benutzt, beschuldigt, be-

schützt , bestätigt, bestraft, betro-

gen, bevormundet, deplatziert, dis-

kriminiert, dominiert, entmu tigt,

enttäuscht, erdrückt, erniedrigt, ernst

genommen, festgenagelt, frustriert,

gedrängt, geehrt, gelangweilt, ge-

liebt, gemaßregelt, gemobbt, ge-

quält, geschmeichelt, gesehen , ge-

täuscht, gewürdigt , gezwungen,

gut beraten, herabgesetzt, herein-

gelegt, hintergangen, ignoriert, im

Mittelpunkt, in die Ecke gedrängt ,

in die Enge getrieben, isoliert, klein-

gemacht, lächerlich gemacht, ma-

nipuliert, minderwertig, missachtet,

missbraucht, missverstanden, nicht

anerkannt, nicht ehrlich behandelt,

nicht einbezogen, nicht ernst genom-

men, nicht geliebt, ungerecht behan-

delt, nicht gesehen, nicht respektiert,

nicht unterstützt, nicht verstanden,

nicht wertgeschätzt, provoziert, rein-

gelegt, sabotiert, schikaniert, schlecht

behandelt, schön, sympathisch, tot-

gequatscht, über den Tisch gezogen,

überfordert, übergangen, überlistet,

unerwünscht, ungehört, ungeliebt,

unter Druck gesetzt, unterbezahlt,

unterdrückt, unverstanden, unwich-

tig, verärgert, verarscht, verfolgt

Page 35: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 35

Zunahme der MehrsprachigkeitLautUN-Statistikengabes2005al-

leininEuropaetwa64MillionenMi-

granten1–Tendenzsteigend.ImJahr

2009betrugderausländischeAnteil

anderGesamtbevölkerunginDeutsch-

land8,8Prozent2.InÖsterreichwaren

es10,3Prozent3undinderSchweiz

21Prozent,wobeieingroßerTeil

derZuwandererkeineeinzigeder

vierSchweizerLandessprachenbe-

herrschte.VordiesemHintergrund

nehmenKonfliktezwischenMen-

schenmitunterschiedlichenMutter-

sprachenunweigerlichzu.Quantita-

tivimmerbedeutsamerwerdennicht

nurbi-undmultilingualeFamilien-,

Schul-undNachbarschaftsmediation,

sondernauchinternationaleFriedens-

gesprächeundgrenzüberschreitende

Handels-undprivateBeziehungen,die

anspruchsvollemultilingualeKommu-

Mary Carroll

InunserenGroßstädtengehörtderKlangvonFremdsprachenzumAlltag.DasFremdeistunsnäherge-

rücktunddamitauchVielsprachigkeitinsozialenBegegnungenundKonfliktsituationen.Geradewenn

Konflikteeskalieren,kannKommunikationinderMutterspracheeinstarkesBedürfnissein.GehtMe-

diationmitDolmetscheneinher,verändertsichallerdingsdieDynamikeinerMediation.Erforderlich

werdenzusätzlicheAbsprachenundklareRollendefinitionen,umoptimaleErgebnissezuerzielen.

nikationerfordern,wenneinKonflikt

bewältigtwerdenmuss.FüreinGelin-

genvonMediationmitFremdsprachen

reichteinfacheSprachbeherrschung

meistensnichtaus.

WirdinKonfliktsituationendieemo-

tionaleEbenetangiert,dannfehltes

denKonfligierendenoftanderFähig-

keitunddemVertrauen,sichineiner

Fremdspracheausreichendklaraus-

zudrücken,oderschonamVerständ-

nisderFremdsprache.Auchwenndie

Kommunikationvorherineinerge-

meinsamenSprachestattgefunden

hat,kannemotionaleErregtheitesun-

möglichmachen,sichaufeinefremd-

sprachlicheKommunikationeinzu-

lassen.Kommtdiegedolmetschte

MediationalsBrückeinsSpiel,dann

hilftsie,wennsiegutundprofessio-

nellläuft,sprachlicheHürdenzuüber-

windenundMachtasymmetrieauf

derBasisvonSprachkenntnissenaus-

zugleichen.Allerdingsbirgtunprofes-

sionellesDolmetschendieGefahrvon

Missverständnissen,vonbewusster

oderunbewussterManipulationund

derMissachtungvonGrundprinzipien

derMediation.AusdiesemGrund

empfiehltessich,dasThemaMedia-

tionmitDolmetschengenauerzu

betrachten.

Mediation mit Fremdsprachen Hürde und Chance

1United Nations, International Migration and Development: »UN statistics show migration as a dynamic and diversifying force in global deve-lopment”, http://www.un.org/migration/ presskit/pressrelease12sept.pdf (28.10.2011).

2http://de.statista.com/statistik/daten/studie/73995/umfrage/auslaenderanteil-an-der-bevoelkerung-der-laender-der-eu27/ (28.10.2011).

3Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, 2011, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/03.html (28.10.2011).

Interkulturelle Mediation

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Interkulturelle Mediation

36 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

ImFolgendengeheichvoneinerkon-

sekutivgedolmetschten4Mediation

aus,indereineDolmetscherIndieTri-

adeMediatorInundzweiodermehr

KonfliktparteiendirektbeiderMe-

diationergänzt.AndereKonstellatio-

nenwärenSimultandolmetschen,

beiderdieDolmetscherInnenge-

trenntvonderTriadeineinerKabi-

nesitzenunddieKonfliktparteienund

MediatorInnendieÜbersetzungüber

Kopfhörerempfangen,oderauchRe-

moteInterpreting,eineFormdesDol-

metschens,beiderdieMediationan

einemStandortstattfindetundeine

DolmetscherInüberVideoverbindung

mitdenParteieninKontaktist.

Grundprinzipien des DolmetschensDerBerufscodexvonprofessionellen

ÜbersetzerInnenundDolmetscherIn-

nenweistvieleÄhnlichkeitenmitdem

vonMediatorInnenauf:Neutralität,

Unparteilichkeit,Vertraulichkeit,Ver-

schwiegenheit,Professionalitätsowie

fachlicheundsprachlicheKompetenz.

AußerdemwerdenÜbersetzerInnen

undDolmetscherInnenzuregelmä-

ßigerWeiterbildungangehalten;vor

demjeweiligenEinsatzsindauchdie

finanziellenModalitätenzuklären.5

SprachmittlerInnenverstehensichals

Sprach-undKulturmediatorInnen,die

nichtnurWörtervoneinerSprachein

dieandereübertragen,sondernauch

einBündelvonKompetenzeneinset-

zen,umdiesignifikante,pragmatische

BedeutungvonÄußerungenzukom-

munizieren.AuchwennderBegriff

»Dolmetschkompetenz«nochetwas

schwammigbleibt,hilftdiepragma-

tischeBegriffsbestimmungderGe-

neraldirektionÜbersetzungderEuro-

päischenKommissionindiesemFall

weiter:»UnterKompetenzverstehen

wirdieGesamtheitderFähig-undFer-

tigkeiten,Kenntnisse,Vorgehens-und

(sozialen)Verhaltensweisen,diefür

dieErledigungeinerbestimmtenAuf-

gabeuntergegebenenUmständener-

forderlichsind.«6

Dolmetschkompetenz in der MediationAlleindieBeherrschungderMutter-

spracheundderFremdsprachereicht

keinesfallsaus,umbeieinerMedia-

tionkompetentdolmetschenzukön-

nen.AuchdieTatsache,dassjemand

eineSprachespricht,bedeutetkeines-

wegs,dassdiePersondieSpracheaus-

reichendbeherrscht,umdifferenziert

undnuancenreichÄußerungenindie

andereSprachezuübertragen.Genau

wiedasaktiveZuhören,dasParaphra-

sierenoderdas»Looping«gelerntund

geübtwerdenmüssen,bevormanes

erfolgreichinderMediationeinsetzen

kann,gehöreneineausgefeilteTechnik,

(Selbst-)ReflexionundErfahrungzum

effektivenDolmetschen.

MindestensdreieinzelneSchrittesind

beimDolmetschenVoraussetzung,da-

miteineäquivalenteAussageinderan-

derenSpracheerfolgt:Erstensmuss

dieDolmetscherInbegreifen,wasdie

KonfliktparteimiteinerÄußerungge-

naugemeinthat.Wieschondiemono-

lingualeKommunikationzeigt,istbei-

nahejedeÄußerungunterschiedlich

zuverstehen.ZweitensmussdieDol-

metscherInuntereinerVielzahlvon

MöglichkeiteneineEntscheidungda-

rübertreffen,wasdieäquivalenteAus-

sageinderzweitenSprachewäre.Wie

erfolgreichdiesesUnternehmenist,

hängtauchvonderbilingualenKom-

petenzderDolmetscherInab;derFä-

higkeitzuzuhörenunddasGesagteins

Gedächtniszuübertragen;dannvon

derjeweiligen(Lebens-)Erfahrung,die

maßgeblichbeeinflusst,wiedasGe-

hörteeingeordnetundbeurteiltwird;

schließlichvonübersetzerischenFä-

hig-undFertigkeiten.Drittensmuss

dieDolmetscherindiepragmatische

BedeutungderÄußerungindiezwei-

teSprachesoübersetzen,dassderZu-

hörergenaudasversteht,waserinder

Ursprungsspracheverstandenhätte.

DieTranslationswissenschaftlerin

SandraHalebehauptet,esseioftleicht,

einesemantischeÄquivalenzzufin-

den,abervielschwieriger,dieprag-

matischeBedeutungzuerfassen.Dies

führtoftdazu,dasssichdieBedeutung

einerAussagedurchDolmetschenun-

beabsichtigtverändert.7Nachempi-

rischenUntersuchungenvonHaleund

weiterenTranslationswissenschaft-

lern8passiertdiesimmerwiederauch

4Beim Konsekutivdolmetschen sitzt die Dolmet-scherIn im Kreis der Gesprächspartner. Die Ver-dolmetschung erfolgt zeitversetzt im Anschluss an die vorgetragenen Aussagen.

5International Federation of Translators: http://www.fit-europe.org/ (28.10.2011).

6EMT-Kompetenzprofil 2009: http://ec.europa.eu/dgs/translation/programmes/emt/key_ documents/emt_competences_translators_de.pdf (28.10.2011).

7Hale, Sandra S. 4.

8Vgl.u.a. Hertog, Erik & Bart van der Veer.

Page 37: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Interkulturelle Mediation

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 37

beiausgebildetenDolmetscherInnen.

DasRisiko,dassdiepragmatischeBe-

deutungeinerÄußerungnichtakkurat

übersetztwirdunddassdasGesagte

gefiltert,gekürztundteilweisenoch

kommentiertwird,istbeiLaiendolmet-

scherInnenerheblichhöher.Auchdies

wurdeinempirischenUntersuchungen

mehrfachbelegt.9

SchließlichsollteeineMediationsdol-

metscherInsozialeKompetenzenbe-

sitzen;sichmitderBerufsethikfür

DolmetscherInnen–insbesondereVer-

traulichkeit,Neutralität,Unparteilich-

keit,VerschwiegenheitundFachkom-

petenz–auseinandergesetzthaben;

möglichsteigeneErfahrungmitder

Mediationodermindestenseineselbst-

reflektierteHaltungzueigenemKon-

fliktverhaltenundzureigenenBiogra-

phiehaben.DiesistVoraussetzung,um

bessergewappnetzusein,umeska-

lierteKonflikteundschwierigeKommu-

nikationssituationenmitemotionalen

Ausbrüchenohnepersönliche

Betroffenheitauszuhal-

tenundInhaltege-

wissenhaftund

neutralindie

Fremdsprache

zuübertra-

gen.Zusam-

menfas-

sendkann

mandiein

derAbbildung

aufgeführten

Merkmalealsnot-

wendigeQualifikatio-

nenfürMediationsdol-

metscherInnenbenennen.

Koordinierung des Dialogs – Steuerung des VerfahrensDieKommunikationswissenschaftlerin

undGemeinwesendolmetscherinCe-

ciliaWadensjöidentifiziertzweizen-

trale,gleichzeitigwahrzunehmende,

untrennbareRollenvonDiskurs-Dol-

metscherInnen:Sieübersetzenund

koordinierendenDialog.10Wadens-

jöunterstreicht,dassnichtzurDebat-

testeht,obDolmetscherInnenüber-

setzenodermediieren–siemachen

beidesgleichzeitigundkönnengar

nichtverhindern,dasssieesmachen.

SiekoordinierendieReihenfolgeder

SprecherundbestimmendenVerlauf

desAustausches.DolmetscherInnen

lenkendenVerlaufdesGesprächs,

weilsieimHinblickaufdiekurzen

ReaktionszeiteninderkonkretenSitua-

tioneineganzeReihevonEntschei-

dungentreffenmüssen,indenensie

kaumalleAspekteundIntentionendes

Sprechers1:1übermittelnkönnen,die

inkomplexenÄußerungenliegen.So

gesehen,kannesbeigedolmetschter

Mediationunbeabsichtigt,aberleicht

passieren,dassdieVerantwortungfür

denMediationsprozessderKonflikt-

MediatorInentgleitet,wennnichtim

VorfeldKlarheitüberdiejeweiligen

RollengeschaffenwirdunddieDol-

metscherInnichteinMindestmaßan

WissenüberMediationstechniken,Me-

diationsverfahrenund-ablaufhat.

Änderung des ZeitbedarfsDasZwei-bisDreifachederZeitmuss

eingeplantwerden,wenneineMedia-

tiongedolmetschtwird.Dieskannzu

einerEntschleunigungführen,dieal-

leParteienfürReflexionnutzenkön-

nen.Eskanneinenheftigen,eskalie-

rendenSchlagabtauschverlangsamen

undneutralisierenundderMediatorIn

zusätzlichZeitgeben,umüberpas-

sendeInterventionennachzudenken.

AllerdingsgibtesauchdenNachteil,

dassemotionaleReaktionen,Mimik

undGestusdieandereKonfliktpar-

teiunddieMediatorInschnellererrei-

chenalsdiedazugehörigenAussagen,

sodassdieGründefürdieemotionale

Reaktionersterforschtwerdenkön-

nen,wenndieErregungabgeklungen

ist.NachteiligwirkenauchderBedarf

anzusätzlichenRessourcenundKos-

ten,diewegendesgrößerenZeitauf-

wandsanfallen.

Änderung der DynamikDerPsychotherapeutFerdinandHae-

nelbehauptet,dassdieIntervention

desDolmetschersnichtstandardi-

siertwerdenkann.Beigedolmetschter

Psychotherapiemittraumatisierten

Folteropfernhaterbeobachtet,wie

sichdieDynamikeinerTherapieän-

dert,wenneinDolmetscherausge-

tauschtwird,unddassPersönlichkeit,

HerkunftundBiographiedesDolmet-

scherseinenenormenEinflussauf

dentherapeutischenProzess

haben.Haenelundseine

Kollegenhabenfestge-

stellt,dassesBezie-

hungstriadenmit

DolmetscherInnen

gibt,diedenPro-

zessstabilhal-

tenundfürden

Fortgangproduk-

tivsind,undande-

re,diediesnichtleis-

ten.Außerdemwarnt

ervorderBildungvonKo-

alitionenaufderBasisvon

Sprache,biographischenGegeben-

heiten,ÜbertragungenundGegen-

übertragungen.Erfahrungenbeige-

dolmetschtenTherapienhabenzudem

gezeigt,dassdieoptimaleSitzordnung

sogestaltetwerdensollte,dassder

räumlicheAbstandzwischenallenBe-

teiligteneinschließlichdesDolmet-

schersimmergleichgroßist,dadiese

AnordnungSymmetrieaufderBezie-

9Vgl. u. a. Valero-Garcés, Carmen und Anne Martin.

10Wadensjö, Cecilia: S. 105 - 106.

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Interkulturelle Mediation

38 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

hungsebenefördere.11Angesichtsder

oftherrschendenemotionalenBetrof-

fenheitderKonfliktparteienbeieiner

Mediationistanzunehmen,dassBeo-

bachtungenausderZusammenarbeit

mitDolmetscherInneninderPsycho-

therapiebeigedolmetschterMedia-

tiongenausorelevantsind.

Co-Mediieren und DolmetschenEsgibtFällevoninterlingualenMedia-

tionen,beidenenCo-MediatorInnen

zusätzlichdieAufgabedesDolmet-

schensübernehmen.Dieslässtden

MediatorInnenwenigZeitzumNach-

denkenunderforderteinHöchstmaß

anAufmerksamkeit,damitdasGrund-

prinzipderAllparteilichkeitnichtver-

letztwirdundkeineAllianzennach

HerkunftundSprachegebildetwerden.

WeiterhinmüssendieMediatorInnen

sehrdeutlichabgrenzen,wannsiein

ihrerRollealsDolmetscherInundwann

siealsMediatorInagieren.Während

einDolmetscherz.B.eineÄußerung–

aucheineBeleidigungodereinenVor-

wurf–ohneVeränderungdespragma-

tischenSinnsübersetzenmuss,wird

eineMediatorIneherdiedahinterlie-

gendenBedürfnisseundWünscheiden-

tifizierenundzumAusdruckbringen.

DassdieseAbgrenzungderbeidenRol-

leneinesubstanziellekognitiveBelas-

tungfürdieMediatorInnenundeine

potenzielleQuellederVerunsicherung

fürdieMediandInnendarstellt,bleibt

unbestritten.

FazitTrotzdeszusätzlichenAufwandskann

gedolmetschteMediationeinegroße

Chancedarstellenundeinewichtige

RollebeiderAuflösungvonKonflikten

inunsererzunehmendglobalisierten,

multilingualenWeltspielen.Auf

derVerfahrensebenestellensichfür

MediatorInnenzusätzlicheHerausfor-

derungen,wenneineMediationgedol-

metschtwird.EinevorherigeKlärung

derjeweiligenRollenundeinedurch-

dachteSitzordnung,dieAllparteilich-

keitundNeutralitätfördernsoll,sind

unentbehrlich.DamitauchdieGrund-

prinzipienderMediationgewahrtwer-

den,istdieWahlderDolmetscherIn

hiervonbesondererBedeutung:Denn

Dolmetschkompetenzumfasstfürden

besonderenFallderMediationnicht

nurbilingualeSprachkompetenz,in-

terkulturelleKompetenzsowieÜber-

setzungsfähigkeitund-fertigkeit,son-

dernauchBerufsethik,bewussten

UmgangmitdereigenenBiographie,

KenntnisseüberMediationunddas

Mediationsverfahren,Konfliktfähigkeit

undsozialeKompetenz.

DerBedarfangedolmetschterMedia-

tionwächstinvielenBereichenganz

deutlich–alleindieZahlangrenzü-

berschreitendenKindesentführungen

durcheinenElternteilinLändermit

unterschiedlichenSprachenistwelt-

weitaufmehrals100.000imJahrge-

stiegen.12SolcheundandereEntwick-

lungenverweisenmitNachdruck

darauf,dasseserforderlichist,diePro-

fessionalisierungvonMediationmit

Fremdsprachenvoranzutreiben.

Literatur

*Baur,W.&A.Lindemann,(Hrsg.):FaireVerfahrenbrauchenqualifizierteSprachmittler.Berlin2011.*Haenel,Ferdinand:»SpezielleAspekteundProblemeinderPsychotherapiemitFolteropfernunterBeteiligungvonDol-metschern«.In:Systhema2/1997.*Hale,Sandra:TheDiscourseofCourtIn-terpreting.Amsterdam,Philadephia2004.*Hertog,Erik&BartvanderVeer,(Hrsg.):LinguisticaAntverpiensia,TakingStock:ResearchandMethodologyinCommunityInterpreting.Antwerpen5/2006.*Kiesewetter,Sybille&Paul,ChristopherC.,(Hrsg.):Cross-BorderFamilyMediation,InternationalParentalChildAbduction,CustodyandAccessCases.FrankfurtamMain2011.*Liebe,F.:InterkulturelleMediation–EineschwierigeVermittlung.BerghofReportNr.2,1996,http://www.berghof-center.org/uploads/download/br2d.pdf.*Paul,ChristophC.&SybilleKiesewet-ter(Hrsg.):MediationbeiinternationalenKindschaftskonflikten.2009.*Simon,Ina&EvaAichner:»ÜberGren-zen,dieunstrennen–Erfahrungsberichtauseinerdeutsch-tschechischenFami-lienmediation«inZKM–ZeitschriftfürKonfliktmediation,1/2011,S.24-26.*Valero-Garcés,Carmen&AnneMar-tin,(Hrsg.):CrossingBordersinCommu-nityInterpreting,DefinitionsandDilem-mas.Amsterdam,Philadelphia2008.

*Wadensjö,Cecilia:InterpretingasInteraction,London,NewYork1998.

11Haenel, Ferdinand in Systhema 2/1997, S. 136 - 144.

12Kiesewetter, Sybille und Paul, Christopher C., S. 9.

*MaryCarrollFacilitatorinundMediatorin(M.A.),MitgliedderTransmediaResearchGroup,desTransforums–KoordinierungderPraxisundLehrevonDolmetschenundÜbersetzungunddesBundesver-bandsderDolmetscherundÜbersetzer

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

Page 39: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 39

DasTrainingfandimRahmendes

Projekts»TraininginInternatio-

nalFamilyMediation«(TIM)

statt.GesamtlaufzeitdesEU-finanzier-

tenProjektesistJuli2010bisJuni2012.

ProjektpartnersinddiebelgischeNichtre-

gierungsorganisationChildFocus,dieKa-

tholischeUniversitätLeuvenunddasnie-

derländischeZentrumfürinternationale

Kindesentführung.DieRollevonMiKK

(MediationbeiinternationalenKind-

schaftskonfliktene.V.)wares,einTrai-

ningskonzeptzuentwickelnundzuer-

proben.DasersteTrainingimHerbst

2011wirdvonderUniversitätLeuven

evaluiert,dieaußerdemineinemersten

SchrittdenStandderFamilienmedia-

tionundderinternationalenFamilien-

mediationindenEU-Staatenermittelt

hat.ImFrühjahr2012wirdeindreiwö-

chiges»TrainingforTrainers«inBrüssel

stattfinden.Hierstrebenwiran,zweiFa-

milienmediationsausbilderInnenausje-

demEU-Mitgliedsstaat(insgesamt54

Jamie Walker

TrainerInnen)zugewinnen,dienachdem

TrainingeigeneNetzwerkevorOrtauf-

bauenundFortbildungenzugrenzüber-

schreitenderKindschaftsmediation

durchführen.ZieldesProjektsistderAuf-

baueineseuropäischenNetzwerksfür

internationaleFamilienmediation,das

zukünftigalsAnlaufstellefürMediations-

fällezwischenallenLänderndienensoll.

Die GruppeBeideTrainingsfindeninenglischerSpra-

cheinBrüsselstatt.DieTeilnehmenden

zahlenkeineKursgebühr,müssenaber

fürReisekostenundUnterkunftselbst

aufkommen.DieersteGruppevon21

TeilnehmerInnenwurdeaus60Bewerbe-

rInnenaus27Ländernausgesucht.Uns

wareswichtig,dassalleMediatorInnen

unterschiedlicherNationalitätwaren.

DawirentsprechendderBreslauerEr-

klärungbeigrenzüberschreitendenMe-

diationsfällenaufCo-Mediationachten,

solltenzusätzlichdieTeilnehmerInnen

verschiedeneBerufsgruppenvertreten,

vorallemdasjuristischeundpsychoso-

zialeBerufsfeldsollteumfassendabge-

decktundbeideGeschlechterausrei-

chendvertretensein.AufdieseWeise

warenMenschenmiteinersehrgroßen

BandbreiteanErfahrungmitMediation

undmitderThematikgrenzüberschrei-

tenderFamilienkonfliktezusammenge-

kommen.DieGruppespiegelteauchdie

unterschiedlichverlaufendeEntwick-

lungindeneinzelnenLändernwieder.

Dort,wosichdieFamilienmediationseit

Jahrenbereitsetablierthat,habenna-

turgemäßdieMediatorInnenvielmehr

ErfahrungalsineinemLand,inderdie

MediationsbewegungnochindenKin-

derschuhensteckt.DasFaszinierende

war,dassdieseMischungfunktionierte:

AllegingenvomerstenTagansehroffen

undwertschätzendaufeinanderzuund

warensehrneugierigaufdiegebotenen

InhalteundGasttrainerInnen.

Interkulturelle Mediation

Europäisches Netzwerk TIM – Training in International Family Mediation NichtweitderEU-Institutionenversammeltensich21TeilnehmerInnenaus21unterschiedlicheneu-

ropäischenLänderninBrüssel,umdieeinmaligeChancezunutzensichimRahmeneinesvonderEU-

Kommissionco-finanziertenProjektesübergrenzüberschreitendeKindschaftskonflikteundelterliche

Kindesentführungweiterzubilden.HochmotiviertarbeitetensiezweimalfünfTageundbegeisterten

sodie,teilweisevonÜberseeangereisten,ReferentInnenfürdieIdee,eineuropäischesNetzwerkin-

ternationalerFamilien-MediatorInnenaufzubauen.

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Interkulturelle Mediation

40 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Juristische GrundlagenDasTrainingskonzeptumfassteso-

wohlinformativealsauchinteraktive

Elemente.DieTeilnehmerInnenhatten

einigerelevanteGesetzestextesowie

FallstudiengelesenundbrachtenInfor-

mationenzumFamilienrechtinihren

jeweiligenLändernmit.Inderersten

TrainingswocheerhieltensiealsReader

dasdruckfrischeBuchvonChristophC.

PaulundSybilleKiesewetter.

EinwichtigesThemawarendiejuris-

tischenRahmenbedingungenderMe-

diation.DagrenzüberschreitendeMe-

diationenhäufigimRahmenelterlicher

Kindesentführungenstattfinden,stell-

teJulianeHirschvonderHaagerKon-

ferenzdas»HaagerÜbereinkommen

überdiezivilrechtlichenAspektein-

ternationalerKindesentführung«vom

25.10.1980(HKÜ)vor.DieBrüsselerAn-

wältinSilviaPfeiffhielteinensehran-

regendenVortragüberdie»Brüssel-IIa-

Verordnung«,überdieZuständigkeit

unddieAnerkennungundVollstre-

ckungvonEntscheidungeninEhesa-

chenundinVerfahrenbetreffendel-

terlicherVerantwortung.Paulund

KiesewettervonMiKKerarbeitetenmit

denTeilnehmerInneneinigeentschei-

dendeUnterschiedezwischennatio-

nalenGesetzen,soz.B.inHinblickauf

dieFrage,obElternnachderScheidung

gemeinsamesSorgerechterhalten,wel-

cheRolledieMediationbeiTrennung

undScheidungspielt,inwiefernsie

staatlichgefördertwirdundobKindes-

entführungeineStraftatsei.Schließlich

erörterteEberhardCarldieFrage,wieei-

neMediationsvereinbarunginbeiden

betroffenenLändernrechtlichbindend

umgesetztwerdenkann.Beiallenjuris-

tischenThemenwurdedaraufgeachtet,

»trockeneStoffe«durchÜbungenauf-

zulockern.

Besonderheiten internationaler FamilienmediationUmunserenBlickzuerweitern,luden

wiramviertenTrainingstagnebender

MitarbeiterinderMediatorindesEu-

ropäischenParlamentsfürgrenzü-

berschreitendeelterlicheKindesent-

führungen,Vertreternfranzösischer

MediatorInnenundeinerVertreterin

desInternationalSocialServicesaus

GenfauchVertreterinnenvonReunite

ausGroßbritannien,IKOausdenNie-

derlandenundMiKKein,dievonihrer

Arbeitberichteten.SowohlReunite,als

auchIKOarbeitenbeiHKÜ-Fällenmit

einemzeitlichbegrenztenCo-Media-

tionsmodell,imFallvonIKOmitjeei-

nerMediatorInmitjuristischembzw.

psychosozialemGrundberuf:DieMe-

diationfindetimRahmenvondrei

dreistündigenSitzungenanzweiauf-

einanderfolgendenTagenimVorfeld

derGerichtsverhandlungstattund

wirdvonstaatlicherSeitebezahlt.The-

maderMediationistentsprechend

desGegenstandesderGerichtsverein-

barungdieFrage»Rückführungdes

Kindes–jaodernein?«

MiKKlegtWertaufdieCo-Mediation

miteinemGender-Team,wobeinach

MöglichkeitbeideNationen/Sprachen/

Kulturenvertretenseinsollen.Auchist

derzeitlicheundthematischeRahmen

dervonMiKK-initiiertenMediationen

flexibler,d.h.eswerdenjenachAnlie-

genderParteienauchThemenwieKon-

taktzwischendemKindunddemzu-

rückgelassenenElternteilwährendder

Mediation,Lebensbedingungennach

derRückkehr,Besuchebeimnichtanwe-

sendenElternteil,KontaktzwischenBe-

suchenundfinanzielleFragenbishin

zurScheidungerörtert.Allerdingsmüs-

sendieElterndieKostenfürdieMedia-

tioninderRegelselbstübernehmen.

PaulundKiesewetterstelltenauchden

besonderenRahmenunddasspezifische

WerkzeuggrenzüberschreitenderMedia-

tionvor.Dasichbereitsheuteabzeich-

net,dassinZukunftimmermehrMedia-

tionenonlinegeführtwerden,wardas

InteresseandiesemThemagroß.Wir

hattendasGlück,zweiaustralischeRe-

ferentInnenzudiesemThemazugewin-

nen,dieeinevonRelationshipsAustralia

speziellentwickelteSoftwarefüronline-

Familienmediationdirektvorführten.

GespanntverfolgtenwirwieeineOn-

line-MediationzwischenAustralienund

BrüssellivevorbereitetundineinerDe-

monstrationauchdurchgeführtwurde.

Die Rolle von Sprache, Kommunikation und KulturDiebritischeMediatorin,Trainerinund

AutorinLisaParkinsonarbeitetemit

derGruppezumThema»Languageand

CommunicationinInternationalFamily

Mediation«undgingdabeiaufpoten-

zielleverbaleundnonverbaleQuellen

vonMissverständnissenein.

DurchdiezweiteTrainingswochebeglei-

tetenuns»CarmenundJaak«,einfik-

tiverspanisch-estnischerFall,beidem

dieMutterdasgemeinsameKindvon

TallinnnachMadridentführthatte.Den

EinstiegindiesenFallbotderspanische

MediationsausbilderDanielBustelomit

demThema»Culturalaspectsofcom-

munication,emotionsandmediation«.

SpäterübtendieTeilnehmerInnenbeim

RollenspieldieSpezifikaderMediation

beiKindesentführung.DerAustausch

wurdemitzweiweiterenRollenspielen

vertieft,beidenengedolmetschtwurde.

BeimerstenRollenspielfielendiebeiden

MediandInnenzeitweiseinihreMutter-

sprachenzurück,diejeweilsnurvonei-

nerMediatorInverstandenwurdeund

beimzweitenRollenspielsprach»Car-

men«nurnochSpanischundwurdevon

einemDolmetscherunterstützt,wasdie

DynamikderMediationsehrveränderte.

EinHighlightwarderWorkshopmitMo-

hamedKeshavjeeundRukhsanaAbdulla

zumThema»Thepotentialofmediation

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Interkulturelle Mediation

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 41

inchildabductioncaseswithnon-Hague

Muslimcountries«.VordemHintergrund

einigerInformationenzumislamischen

Rechtundanhandeinesbangladeshi-

britischenFallszeigtensieauf,wieman

ineinemkollektivistischenKontextan-

dersandieMediationherangehenmuss,

alswiresüblicherweiseinder»west-

lichen«Mediationmachen.Durchdas

EinbeziehenwichtigerStakeholderim

KonfliktwieÄlteste,Imam,Schwieger-

eltern,Arbeitgeberkönnensoentschei-

dendeFortschritteerzieltwerden.Faszi-

nierendwar,wiespielerischundintuitiv

dieReferentInnen,dieschoninsichsel-

berunterschiedlicheKulturenvereinig-

ten,mitkulturellenUnterschiedenum-

gehenkonnten,sichabersehrwohl

jedenSchrittesbewusstwaren.

EinehohePrioritäthattefürdie

TeilnehmerInnenderErfahrungsaus-

tauschuntereinander.Hiergingesda-

rum,wiedieEinzelnenin»normalen«

Familienmediationsfällenarbeiten,z.B.

inwiefernsielösungsfokussiertoder

ehergefühls-undbedürfnisfokussiert

arbeitenundobnurdieElternoderauch

andereBetroffeneindieMediationein-

bezogenwerden.Einweitereswichtiges

AnliegenwarfürsiedieDiskussionzum

Thema»StimmedesKindesinderMe-

diation«.SoberichteteeineNiederlän-

derindavon,wieBriefe,dieausInter-

viewsvonDrittenmitdembetroffenen

Kindentstandensind,indieKindesent-

führungsmediationeinbezogenwerden.

AnderehattenErfahrungmitdirekter

BeteiligungvonKinderninderMedia-

tionunddieungarischeTeilnehmerin

betonte,dasssiesichalsMediatorinund

alsFürsprecherindesKindesverstehe.

LastbutnotleasttrugendieRäumlich-

keitenunddasRahmenprogrammda-

zubei,eineeinmaligeAtmosphärezu

schaffen.DiebelgischenProjektpart-

nersorgtenfürgutesEssen;indenPau-

senkonkurriertenbelgischeunddeut-

scheSchokolademitverschiedenen

KöstlichkeitenausanderenTeilenEu-

ropas.AmerstenAbendstelltendie

TeilnehmerInnenihreLänderanhand

einesmitgebrachtenObjektsvor;die

Darbietungenreichtenvoneinemest-

nischenLiedmitTanz,überpolnische

Musikbishinzueinemselbstgemalten

BildausMalta.ChildFocusorganisierte

eineStadtbesichtigungundeinenMu-

seumsbesuchundzumAbschlussabend

luddiebelgischeTeilnehmerinzusich

nachHauseein.

FazitNichtnurfürdieTeilnehmerInnen,

sondernauchfürdieTrainerInnener-

wiesensichdiezweiWochenalsein

einmaligesErlebnis.AlsleitendeTraine-

rinhabeichmichsehrgefreut,Ragna

vonGlasenappalsUnterstützungund

wichtigen(lokalen)Anlaufpunktfürdie

GruppeanmeinerSeitezuhaben.

ErsteErgebnissederEvaluationzeigen,

dassdieTeilnehmerInnensowohldie

PraxiserfahrungunddenAustauschun-

tereinanderalsauchdieGelegenheit,

vonerfahrenenExpertInnenzulernen,

sehrschätzten.Positivgewertetwur-

denaußerdemdieZusammenarbeit

zwischenderGruppe,denTrainerInnen,

GasttrainerInnenunddenOrganisato-

rInnen.Besonderswohltuendwardas

FeedbackderbritischenMediatorin

MarianRoberts:

»Just a quick message to thank you

again for all your effort in making the

training program in Brussels so worth­

while and so enjoyable. It was a privilege

to be able to participate in this pionee­

ring enterprise and in the creation of an

expanding body of knowledge and expe­

rience in a vibrant and developing spe­

cialist field of family mediation. What

was created was a rare environment of

warmth, trust and serious endeavour.

You and your team must take every cre­

dit for that achievement. Wishing you

every success for the next round!«

Literatur

*SybilleKiesewetterundChristophC.Paul:Cross-BorderFamilyMediation.InternationalParentalChildAbduction,CustodyandAccessCases.Berlin2011.Überarbeitete und veränderte Ausgabe des 2009 erschienenen Buches »Mediation bei internationalen Kindschaftskonflikten«.

*JamieWalkerMediatorinundAusbilderinBM®,2.Vorsitzende,MiKKe.V.

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

An

zeig

e

Page 42: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

42 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Mediation in einer bina tio nalen Ehe Eine Fallstudie

Sosan Azad und Timo Strobel

ter(T.).GegenEnde2006beschließen

Mutter(M.)undVater(V.)mitS.und

T.nachDeutschlandüberzusiedeln.

SeitMitte2007lebensieinderNä-

hederElternderMutterinBerlin.Der

VatermusszunächstDeutschlernen

undhatSchwierigkeiten,eineAnstel-

lungalsIngenieurzufinden.Diesge-

lingtihmerstimFrühjahr2009–al-

lerdingsistseineneueStelleinhaltlich

undvomEinkommennichtmitderPo-

sitionzuvergleichen,dieerzuletztin

Pakistaninnehatte.

SeitdieFamilieinDeutschlandlebt,

beginntesinderEhezukriseln.ImAu-

gust2010teiltM.schließlichV.mit,

dasssiesichscheidenlassenmöch-

te.Siebefürchtet,dassV.mitdenKin-

dernzuseinerFamilienachPakistan

zurückkehrenkönnteundhatdeshalb

heimlicheineGrenzfahndunggegen

ihn(Grenzsperre)erlassen,damitV.

dieKindernichtmitinsAuslandneh-

menkann.SeitOktober2010lebenM.

undV.getrennt.SowohlM.alsauch

V.habensichAnwältegenommen,die

siebeiderScheidungvertretensollen.

DieKinderhabenihrenHauptwohn-

sitzbeiderMutter,sindaberein-bis

zweimalproWochebeimVaterund

übernachtendort.Mindestenszwei-

bisdreimalproMonatunternehmen

M.undV.gemeinsametwasmitden

UmeinegemeinsameVertrauensbasisfüreinedauerhafteRegelungfürdenUmgangmitden

Kindernzufinden,istesnotwendig,inMediationenbeibinationalenEhenunterschiedlichekultu-

relleErwartungenundVorstellungen–auchausdemweiterenFamilienkreisderKonfliktparteien–

zuberücksichtigen.Imvorliegendenafghanisch-deutschenKindschaftskonfliktwurdederKontaktzu

denMediatorInnendurchMiKKe.V.hergestellt.GemäßdemKonzeptvonMiKKsetztsichdasMedia-

torInnenpaarauseinerFrauundeinemMannzusammen,diedarüberhinausmitdemkulturellen

UmfeldderKonfliktparteienvertrautsind.

FallbeschreibungDieMutter,35Jahre,istKulturwissen-

schaftlerinundhatdenVater,36Jahre,

Ingenieur,imFrühjahr2002beieinem

StudienaufenthaltinPakistankennen

gelernt.ErkommtursprünglichausAf-

ghanistan,istabermitElternundGe-

schwisternbereitsimAltervonzwölf

JahrennachPakistanübergesiedelt

unddortheimischgeworden.Diebei-

denverliebensichundheiratenim

Sommer2003.DerMannverdientals

Ingenieurgutundsiekannihrewis-

senschaftlichenArbeitenvonzuhau-

seauserledigen.SielebeninPakistan,

woimHerbst2004ihrSohn(S.)ge-

borenwird,einJahrspäterdieToch-

Interkulturelle Mediation

Page 43: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Interkulturelle Mediation

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 43

Kindern,weilsiediesimHinblickauf

dasWohlderKinderfürwichtigerach-

ten.AbundzuistauchnochMsFami-

lieausBerlindabei.

Ablauf der MediationZeitrahmen

VorBeginnderMediationfindeteinIn-

formations-undKennenlerngespräch

miteinerDauervonca.zweiStunden

statt.DabeizeigensichsowohlM.als

auchV.imHinblickaufdasWohlder

KinderaneinereinvernehmlichenLö-

sungsehrinteressiertundstimmenei-

nerMediationzu.DieMediationläuft

übervierTerminejeweilsmiteiner

Dauervon2bis2,5Stunden.Zusätzlich

werdenzweizweistündigeEinzelge-

sprächegeführt.

Gesprächsatmosphäre

DieGesprächeverlaufenmeistensin

ruhigemundrespektvollemTon.Beide

hörensichgegenseitigzuundhaben

auchabundzufreundlicheWortefür-

einander.BeiM.kommteshäufigzu

Tränen.AuchV.mussgelegentlichmit

denTränenkämpfen.

DieMediatorInnenverspürenbeibei-

denKonfliktparteiengegenseitigen

RespektvorderKulturdes/deranderen

unddiegrundsätzlicheBereitschaft,bei

derErziehungderKinderWerteausbei-

denKulturenzuberücksichtigen.

Inhalte

AusgangspunktderGesprächeistdie

GrenzfahndunggegendenEhemann,

dieV.sehrverletzt.Immerwiederbe-

tonter,dassernichtverstehe,»wie

einKrimineller«behandeltzuwerden,

woerdochallesfürseineFamilieauf-

gegebenhabe.DiesseidocheinBe-

weisfürseineLiebezurFamilieund

dafür,dassmanihmVertrauenent-

gegenbringenkönne.

Darüberhinauswirddeutlich,dass

sichdiebeiden–wiesooftinTren-

nungsfällen–inBezugaufdasSchei-

ternihrerEheinunterschiedlichen

Stadienbefinden:WährendfürM.die

EheeinbereitsabgeschlossenerLe-

bensabschnittistundsieV.nurnoch

inderRolledesVatersdergemein-

samenKindersieht,wirdbeiV.deut-

lich,dassbeiihmnochimmerdievage

Hoffnungbesteht,mankönntedoch

wiedereinegemeinsameVertrauens-

basisfindenunddieEhefortsetzen,

wennmansichnurbemühe.

IndererstenSitzungeinigensichM.

undV.auffolgendesZielfürdieMedia-

tion:»WirmöchtenindieserMediation

klären,wiewirinZukunftalsElternam

bestenfürS.undT.daseinkönnen.«

HierfürsollenzunächstfolgendeKon-

fliktthemenbesprochenwerden:

› AufhebungderGrenzfahndung

› EinflussderweiterenFamilienkreise

› SicherungkulturellerAspekteinder

Erziehung

› finanzielleRegelungen

DasThemaderOrganisationdesLe-

bensalltagsmitdenKindern,dasin

vergleichbarenFällenhäufigzuKon-

fliktenführt,istnachAnsichtvonM.

undV.unproblematischundmuss

nichtbearbeitetwerden.

Spezifische ProblemfelderAbschluss mit der Vergangenheit

als Basis für einen Neuanfang

DieGesprächewerdenzunächstvon

derFragedominiert,auswelchen

GründeneszumScheiternderEhe

kommenkonnte.Beideerinnernsich

andieerstenJahreinPakistanalseine

sehrglücklicheZeit.NachderGeburt

vonT.beginntM.sichjedochnach

demLebeninDeutschlandzurückzu-

sehnen.ObwohlderKontaktzurFami-

lieihresMannesengist,fehltihrdie

eigeneFamilie.Außerdemgestaltetes

sichschwierig,eineneigenenFreun-

deskreisinPakistanaufzubauen.Da-

mitM.sichwiederwohlerfühlt,be-

schließtmangemeinsam,nachBerlin

zuziehen,woauchMsFamilielebt.

Beidehoffendarüberhinaus,dassei-

nebikulturelleafghanisch-deutsche

ErziehungvonS.undT.inDeutschland

einfachersichergestelltwerdenkann.

InBerlinistderStartfürV.schwierig.

ErempfindetdieSituationalssehrbe-

lastend,daesfürihnausseinemkul-

turellenVerständnisherauswichtigist,

dasseralsFamilienvaterdieVersor-

gungderFamiliesicherstellt.

ImGesprächwerdenfürM.undV.die

ParallelenindenbeidenLebensab-

schnittendeutlich:BeidehabendieBe-

lastungaufsichgenommen,zumWohl

ihrerFamilieineinerihnenfremden

Kulturzuleben.Beidehabendiesals

Opfersituationempfunden.

DassdiekulturellenUnterschiedeur-

sächlichsindfürdasScheiternvon

M.undV.aufemotionalerEbenewä-

Page 44: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Interkulturelle Mediation

44 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

remitSicherheitzuvereinfachend.

DieMediatorInnenvermutenaber,

dassdieSchwierigkeitenimAlltag,die

aufdasungewohnteunddaherfor-

derndekulturelleUmfeldzurückzufüh-

rensind,trotzallerBemühungenvon

M.undV.diegemeinsameZukunftder

beidenstarkbelastethaben.ImGe-

sprächwarjedenfallsfürbeidediege-

genseitigeAnerkennungdafür,dass

siejeweilsihrBestesgegebenundOp-

feraufsichgenommenhaben,umdie

Beziehungzuretten,derTüröffner.

DieSuchenachdem/derSchuldigen

fürdasScheiternrückteindenHinter-

grundundsiekonntensichaufdieGe-

staltungderZukunftfokussieren.

Die Rolle des weiteren Familienkreises

SowohlM.alsauchV.haltenengen

KontaktzuihremweiterenFamilien-

kreis.DiesgibtbeidenUnterstützung

inderKrisensituationundbirgtgleich-

zeitigdieGefahr,dasskulturelleUn-

terschiedeimKonflikt(wieder)anBe-

deutunggewinnen.

DieMediatorInnenerlebenbeideKon-

fliktparteienalsMenschen,diederKul-

turdes/derjeweilsanderengegenüber

sehroffeneingestelltsind.Beidehaben

vieleLänderbereistundErfahrungen

mitunterschiedlichenKulturenge-

sammelt.DurchdasemotionaleBand,

dasdiebeidenverbundenhatundim-

mernochverbindet,sowiedurchih-

regemeinsameGeschichte,habensie

eventuellfrühervorhandenekulturelle

VorurteileadactagelegtundmehrTo-

leranzundAkzeptanzentwickelt.

ImGegensatzdazuorientierensichdie

weiterenFamilienkreisederbeidenin

PakistanundinBerlinnochvielstärker

andenjeweiligenafghanischenund

deutschenkulturellenWertenundVor-

stellungen.DieMediatorInnenhaben

denEindruck,dassdurchdenengen

KontaktmitdeneigenenFamilienkrei-

senWerteund(Vor)-Urteilewiederan

Einflussgewonnenhaben,zudenenM.

undV.imtäglichenZusammenlebenei-

gentlichschoneineeigene,vonOffen-

heitundgroßemVertrauengeprägte

Haltunggefundenhatten.

Beispielehierfürsind:

› V.hatakzeptiert,dassderVersuch,

dieEhefortzuführenohnedieBereit-

schaftbeiderPartnerkeinewirkliche

OptionfüreineglücklicheZukunft

darstellt.DocherspürtinTelefona-

tenmitseinenElternundGeschwis-

terndenDruck,weiterumdieEhezu

kämpfen,denn»manverlässtseine

Fraunicht«.

› M.kannverstehen,dassesV.wichtig

ist,mitdenKindernauchseineFami-

lieinPakistanzubesuchen.Gleichzei-

tighatsieAngst,erkönntedieKinder

nichtmehrzurückbringen,dennihre

Eltern»sagenimmer,manmussda

vorsichtigsein,dennobwohlichglau-

be,V.gutzukennen,istdasjadoch

einganzandererKulturkreis.«

DadurchwirdesfürdieMediandInnen

schwieriger,dasfüreineeinvernehm-

licheRegelunginsbesondereimHin-

blickaufdasAufhebenderGrenzsper-

renotwendigeVertrauenaufzubauen.

Hilfreiche MethodenZirkuläre Fragen

Umgenauerzuverstehen,welchen

EinflusskulturelleUnterschiedeauf

denKonflikthaben,arbeitendie

MediatorInnenverstärktmitzirku-

lärenFragen.GefragtwirdzumBei-

spielnachderSichtweisederFamilien

undFreundeaufdenKonflikt:»Was,

glaubenSie,denktihreFamilieüber

ihregegenwärtigeLage?«oder»M.,

wasschätzenSie:Wasempfiehlt

wohlV.sFamilie,dasserjetztma-

chensollte?«.NachEinschätzungder

MediatorInnenermöglichenesdiezir-

kulärenFragestellungendenKon-

fliktparteien,vermeintlicheodertat-

sächlicheunterschiedlichekulturelle

Erwartungshaltungenzuformulieren,

diesiesonstnichthättenbenennen

könnenoderwollen.

Einzelgespräche

IndenerstenbeidenTreffenge-

hendieKonfliktparteiensovorsich-

tigmiteinanderum,dassbeiden

MediatorInnendieFrageaufkommt,

obgegebenenfallsfürdieKonflikt-

klärungwichtigeVorkommnisseoder

ThemenausRücksichtnahmeoderaus

Angstnichtangesprochenwerden.Die

MediatorInnenschlagendaherEinzel-

gesprächeindenKombinationen»M.

sprichtmitderMediatorin(weiblich

&weiblich,deutsch&afghanisch)«

und»V.sprichtmitdemMediator

(männlich&männlich,afghanisch&

deutsch)«vor.BeideEinzelgespräche

verlaufensehremotional:Tatsäch-

lichsprechensowohlM.alsauchV.

VorkommnisseundThemenan,die

sieimgemeinsamenGesprächbis-

hernichtbenannthaben.Soerfahren

dieMediatorInnenbeispielsweisevon

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Interkulturelle Mediation

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 45

M.diegenauerenGründe,ausdenen

ihrVertraueninV.gegenwärtigsoer-

schüttertist.ImGesprächmitV.geht

esunteranderemdarum,obundwie

erdasEndederEheakzeptierenund

sichvonderForderung»manverlässt

seineFraunicht«verabschiedenkann.

EskommtbeiihmzueinemPerspek-

tivwechsel:ErsiehtjetztdieChancen

einesNeuanfangsundhofft,gemein-

sammitM.einenWegfindenzukön-

nen,aufdemerauchohnesieglück-

lichwerdenkannundbeidedabeiden

KinderntrotzdemguteElternsind.

AbschlussvereinbarungImHinblickaufdieFormderAbschluss-

vereinbarunggibteszunächstunter-

schiedlicheWünsche.V.findet,dasses

»eigentlichverrückt«sei,dasssiebei-

degemeinsameineschriftlicheVerein-

barungaufsetzen.Daaberdiegenaue,

schriftlicheFormfürM.imMomentäu-

ßerstwichtigist,unterzeichnenbeide

eineAbschlussvereinbarung,inderun-

teranderemfolgendeRegelungenge-

troffenwerden:

› M.undV.nehmendasSorgerecht

fürdieKindergemeinsamwahr.

› DerHauptwohnortderKinderbleibt

beiderMutter.DieBetreuungüber-

nehmendieElterngemeinsamund

sprechensichhierfürflexibelmitein-

anderab.DieWerteundkulturellen

BesonderheitenderKulturenvonM.

undV.solleninderErziehungundim

Alltagrespektiertundberücksichtigt

werden.

› Beidesindsicheinig,dassesihnen

wichtigist,dassderAufenthaltvon

V.inDeutschlandgesichertist.V.

wirdInformationeneinholen,was

hierfürbenötigtwird,M.wirdihn

dabeigegebenenfallsunterstützen.

› DieGrenzfahndungwirdvonM.

nichtverlängert.

› Beidevereinbaren,dassabsofort

kleinereReisenmitdenKindernin-

nerhalbDeutschlandsoderEuropas

stattfindenkönnen,sodassalle

üben,welcheErfahrungensiehier-

beimachen.

AlleReisenwerdendieElternvorab

besprechenunddarübergemeinsam

Entscheidungentreffen.

WennalledamitpositiveErfahrun-

genmachenunddasgegenseitige

Vertrauenwiedergewachsenist,ist

esfürV.auchvonBedeutung,mit

denKindernseineFamilieinPakistan

zubesuchen.DieEntscheidunghier-

überwirdgemeinsamvonM.undV.

getroffen,V.informiertM.übermög-

lichePlänediesbezüglichmindes-

tenszweiMonateimVoraus.

DieMediatorInnenmachenaußerdem

transparent,dasssowohlM.alsauch

V.siejederzeitkontaktierenkönnen,

wennGesprächsbedarfbesteht.

*TimoStrobelMediatorBM®,Dipl.-Kaufmann,Unternehmensberater

*E-Mail:[email protected]

*SosanAzadMediatorinundAusbilderinBM®

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

An

zeig

e

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46 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Anusheh Rafi

Esliegtnahe,dieFragemit»Nein«

zubeantworten1:Einewertschätzende

Haltung,derGlaubeandasGuteim

Menschen,dieFähigkeitzurÜbernah-

meunterschiedlicherPerspektiven

sindkeine»Werkzeuge«derMedia-

tion,sondernLebenseinstellungen,

dienichtwillkürlichein-oderabge-

stelltwerdenkönnen.

Dabeiwirdaberdreierleiübersehen:

1. DieebenbeschriebenenEigenschaf-

tenmögeneinenotwendigeBedin-

gungfürMediatorInnensein,sind

aberkeinehinreichendeBedingung.

2. Professionalitäterfordertauch

einePhasederErholung.

3. Eswirdübersehen,dassauch

grundsätzlichwertschätzende

Menschennichtdavorgefeitsind,

imKonfliktfallAggressionenzuent-

wickelnunddiewertschätzende

Haltungzuverlieren.

MediationistmehralseineGrundhal-

tung.EsisteinformalisiertesVerfah-

ren,welchesnebeneinerGrundhaltung

auchTechnikenerfordertsowieeinen

Rahmen,indemdasVerfahrenstatt-

findet.DieTechnikenkönnensehrwohl

»abgelegt«werdenundderRahmen

einesMediationsverfahrenswirdeben-

fallsverlassen.WirddasBerufsbildzum

Menschenbildgemacht,bestehtdieGe-

fahr,jedeinderbeschriebenenGrund-

haltungvorgenommeneTätigkeitals

Mediationanzusehen.Diesverführtda-

JedeProfessionführtzugewissen

ErwartungenandiePerson,diedie-

seProfessionausübt.Wirerwarten

voneinemBäcker,dasserinderLage

ist,denNutzenvon»Hefe«beimBrot-

backenzuerläutern–egal,oberim

Dienstistodernicht.Dochgehtesbei

MediatorInnennichtalleinumFach-

kenntnisse,sondernumeineGrundhal-

tung.KannvonMediatorInneneinbe-

stimmtesVerhaltenimPrivatbereich

erwartetwerden?

EineÄrztin,dieberuflichvorden

schädlichenFolgendesRauchens

warnt,kannselbstrauchen,ohneei-

neschlechteÄrztinzusein(solangesie

ihrenPatientInnendasPassivrauchen

erspart).SindimMediationsverfahren

kompetentagierendeMediatorInnen

auchdannnochguteMediatorInnen,

wennsieprivatpolemisieren,beleidi-

genundpöbeln?

DürfenMedatorInnensichimprivatenLebenmitDu-Botschaftenbeschimpfen?Kanneinewert-

schätzendeHaltunggegenüberanderenMenschenaußerhalbdesBerufsabgelegtwerden?Inwie-

weithandeltessichbeiderMediationumeinVerfahren,daserlerntundwieeinWerkzeugeinge-

setztundweggelegt/abgelegtwerdenkann?InwieweitistMediationmiteinerHaltungverbunden,

diedenMenschenalsGanzesbetrifftundnichtimPrivatlebenausgeblendetwerdenkann?

Qualitätssicherung & Weiterentwicklung

1Es ist keineswegs selbstverständlich, sich auf eine Dichotomie von »Ja« und »Nein«, »Schwarz« und »Weiß«, »Gut« und »Schlecht«, »Gewinner« und »Verlierer« etc. einzulassen. In Konfliktfällen ist es sogar förderlich, eine von den Konfliktparteien vorgenommene Dicho-tomie zu hinterfragen und den Blick für ande-re Möglichkeiten zu öffnen. Andererseits kön-nen Dichotomien helfen, Gedanken zu ordnen und Argumente herauszuarbeiten. Daher soll hier zum Zwecke der klaren Argumentation ei-ne Dichotonie vorgenommen werden.

MediatorIn: Berufsbild oder Menschenbild?

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Qualitätssicherung & Weiterentwicklung

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 47

zu,andereVerfahrenoderGesprächemit

Mediationgleichzusetzenbzw.einent-

sprechendes»mediativesVorgehen«zu

erwarten.EineKonfliktmoderation,ei-

neVergleichsverhandlung,eineEigentü-

mer-oderMitgliederversammlungetc.

sindkeineMediationen.Werindiesen

Fällenvon»mediativerHerangehenswei-

se«sprichtoder»mediativeElemente«

einfordert,verwässertdieGrenzenzwi-

schenMediationundanderenVerfahren.

DastutderMediationnichtgut.Darüber

hinaustrübtesdenBlickfürAlternativen

zurMediation.EinsolcherBlickaufAlter-

nativenistjedochwichtig,dennwerMe-

diationalseinVerfahrenfür»alleFälle«

darstellt,machtsichebensounglaub-

würdigwieeinArztmitder»Wunder-

pillefüralleKrankheiten«.

MediationisteinVerfahren,indemsich

MediatorInnennurbeiAusübungder

Professionbefinden.DieEntschleuni-

gungderKommunikation,dieSicher-

stellungdesgemeinsamenVerständ-

nissesisteinehochanspruchsvolle

Tätigkeit,diezuvielAchtsamkeitund

Aufmerksamkeiterfordert,alsdasssie

imAlltagdurchgehaltenwerdenkönnte.

JederMenschbrauchtFreizeitvomBeruf

undniemandkannganztägighochkon-

zentriertarbeiten.Alleineinegrundsätz-

lichwertschätzendeHaltunggegenüber

anderenMenschenkannnichtvonder

MediationalsihrspezifischesMen-

schenbildbeanspruchtwerden.

Eswirdvermutlichsosein,dassdieBe-

schäftigungmitKonflikten,dieSelbst-

reflexionimRahmenderAusbildung

undSupervisionunddieeingeübteall-

parteilicheHaltungdaseigeneKon-

fliktverhaltenverändern.Trotzdem

darfnichtdavonausgegangenwer-

den,MediatorInnenwürdenineige-

nenKonfliktennichtdazutendieren,

dieKommunikationzubeschleunigen,

zupauschalisieren,zuwerten,zudro-

henetc.ZumGlücksindsienichtim-

munvordenTückenderKonfliktdyna-

mik,sonstkönntensichMediatorInnen

nurschwerindieMediandInneneinfüh-

len.MediatorInnenbenötigenineige-

nenKonfliktenMediatorInnen.Werbe-

hauptet,MediatorInnenkönntenauchin

eigenenKonfliktenüberdurchschnittlich

gewaltfreiundklarkommunizieren,sti-

lisiertsiezuMenschen,dieimmunsind

vorderDynamikeinesKonflikts.Dasist

ebensounrichtigwiedieBehauptung,

Ärztewürdennichterkranken.

*AnushehRafiMediatorBM®,Rechtsanwalt,Coach

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

An

zeig

e

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48 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Thomas Robrecht

wenndiebeidenGesetzesichdeutlich

unterscheiden,solassensichvieleder

PhänomeneauchbeiunsinDeutsch-

landbeobachten.FormaleRegelungen

könnenzwardasfüreineMediationer-

forderlicheVertrauenfördern,garantie-

renesabernicht.DamitderMediation

einangemessenerPlatzeingeräumt

wird,sindbelastbareQualitätsverspre-

chenerforderlich.VertrauenundQuali-

tätvermagkeinnochsoausgeklügeltes

Mediationsgesetzzuerzeugen,zumal

MediationauchinvielenanderenKon-

textenstattfindet,indenenjuristische

Expertisewedergefragtnocherforder-

lichist.Esgehtalsodarum,einglaub-

würdigesQualitätsversprechenfüral-

leFelderderMediationabzugebenund

seineUmsetzungzusichern.

WersichmitQualitätsfragenderMe-

diationbeschäftigt,stelltsehrschnell

fest,dassesmehrereEbenenvonMe-

diationsqualitätgibt.IndenvielenDis-

kussionen,dieanunterschiedlichenOr-

tengeführtwerden,lässtsichimmer

wiedereineVermischungderEbenen

feststellen.EinedifferenzierteBetrach-

tungtutNot.Qualitätwirdals»Über-

einstimmungmitdenAnforderungen«

definiert.Anforderungengibtesviele

undmanchedavonentziehensichun-

seremDefinitionseinfluss.ZurVerdeut-

lichungdientderBlickaufdievierun-

terschiedlichenQualitätsebenen.

Qualitätsebene der Profession

AufderoberstenEbenegehtesumdie

erkennbareDarstellungderProfessi-

on.Diesistdanngelungen,wennbeim

BetrachtermitseinemBlickvonau-

ßenKompetenzvermutungenentste-

hen:»Aha,dasinddieprofessionellen

MediatorInnen«.DerBMverfügtüber

dreiwesentlicheElemente,welchedie

Professiondokumentieren:DieDefi­

nitionsmacht,mitderwirfestlegen,

wasMediationistundwasnicht,un-

Was, bitte, ist Mediation? Was genau machen MediatorIn-nen? Woran erkenne ich eine gute Mediation? DieseFragensindwederneunochum-

fassendbeantwortet.Deshalbistes

dringenderforderlich,Antwortenzu

finden,diedenpotenziellenKundInnen

Glaubwürdigkeitvermitteln.Füruns,

dienachdenStandardsdesBMausge-

bildetwurden,gibteskeinenZweifel,

dasswirguteMediatorInnensind.Um

MediationinunsererGesellschaftzu

verankern,istdieseÜberzeugungge-

nausohilfreich,wiedieExistenzdes

Mediationsgesetzes.

Alldenjenigen,dieaufeinendurch

dasMediationsgesetzausgelöstenAuf-

tragsboomhoffen,seieinBlickaufdie

inÖsterreichseit2003gesammelten

Erfahrungenempfohlen,umdieHoff-

nungnichtzugroßwerdenzulassen

undEnttäuschungenzumindern.Auch

Qualitätssicherung & Weiterentwicklung

Qualität von MediationDasMediationsgesetzgibtdemWettlaufderEroberungeineszukünftigenMediationsmarktesneuen

Schwung.Allzuleichtwirddabeiübersehen,dassdiejuristischenThemenfeldernureinenkleinenAus-

schnittderAnwendungsmöglichkeitenvonMediationdarstellen.DieserBeitragbeleuchtetdieQua-

litätsaspekte,welchefürdieMediationinsgesamtvonBedeutungsind.Dabeiwirdkonkretisiert,wel-

chenBeitragwirimBMfürdieVerankerungderMediationinunsererGesellschaftleistenkönnen.

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Qualitätssicherung & Weiterentwicklung

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 49

sereethischenGrundsätze,welcheun-

sereWerteundHaltungerkennenlas-

senundschließlichdiebeiderletzten

Mitgliederversammlungbeschlossene

Mediationsordnung,mitderwirden

formalen RahmenunsererTätigkeitbe-

schreiben.SomitistderBMbeider

QualitätsebenederProfessionbereits

gutaufgestellt.

Qualitätsebene der Dienstleistung

DarunterliegtdieQualitätsebeneder

Dienstleistung,diedurchkontextbe-

zogeneQualitätsversprechendefi-

niertwird.DazugehörtdieBeschrei-

bungvonZielen,Vorgehensweisenund

Ergebniszuständen.WerMediations-

dienstleistungkauft,willschließlich

auchwissen,welcheLeistungeroder

sieerhält,welcherMehrwertdurchdie

Leistungerzieltwirdoderwasnachder

Mediationandersist,alsdavor.

DerKontextermöglichtundnutztMe-

diationimmerdann,wenneinkontext-

bezogenesQualitätsversprechenerfüllt

wird.GleichzeitigwirddasMediations-

idealderEntscheidungsfreiheitbeider

LösungsfindungdurchdieKonfliktpar-

teienimmerdurchdenKontextbe-

grenzt,indemsiesichbewegen.Der

KontextdefiniertdieGrenzen,inner-

halbderersicheineLösungbewegen

muss.SokanneskeinenachhaltigeLö-

sunggeben,diedenKontextignoriert.

MediationeninSchulen,inOrganisa-

tionen,inderJustizsowieinvielenan-

derenBereichensindgrundverschie-

deneDienstleistungen,auchwennsie

alleMediationgenanntwerden.Hier

musseinedeutlicheDifferenzierunger-

folgen,welchedenKontextbezugder

MediationmitseinenErmöglichungen

undBegrenzungendokumentiert.

Qualitätsebene des Prozesses

UnterderDienstleistungistdiePro-

zessqualitätangesiedelt.Dabeigeht

esumdieQualitätvonAuftragsklä-

rung,DurchführungderMediations-

sitzungensowieNachbereitung.Hier

könnendieverschiedenenKontexte

voneinanderlernen.Manchelassen

sichjedochimmernochvonderSor-

geleiten,dasseinInteressefürAn-

dereineinerAbwertungdereigenen

TätigkeitmündetodergarzumIden-

titätsverlustführt.Deshalbistihnen

derTellerrandeinenochunüberwind-

bareHürde.Glücklicherweisewerden

immermehrkontextbezogeneMedia-

tionsdisziplineninihrerIdentitätso

starkundselbstsicher,dasssieeinen

neugierigenundinteressiertenBlick

überdeneigenenTellerrandinandere

Mediationsdienstleistungenhineinals

BereicherungdereigenenTätigkeitzu

schätzengelernthaben.

Qualitätsebene der Methoden

DieletzteEbenevonQualitätistdieder

Methoden.HieristdasHandwerkszeug

derMediierenden,wieAktivesZuhören,

Paraphrasieren,Umformulieren,ge-

waltfreieKommunikation,Visualisier-

ungstechnikenusw.angesiedelt.

DieseUnterteilunginvierEbenenver-

deutlicht,warumJuristendieMedia-

tionalsMethodebetrachten:Siewäh-

nensichinderSicherheit,dassdie

EbenenvonProfession,Dienstleistung

undProzessbereitsfürihreTätigkeit

hinlänglichdefiniertseien.Wasjedoch

fehlt,isteinewissenschaftlichbelast-

bareBeweisführung,dassdieProfes-

siondesRechtsanwaltesoderdesRich-

tersmitderProfessionderMediation

vereinbarist.

Konsequenz der Qualitäts betrachtungDiesegrobskizzierteLandkartevon

MediationsqualitätgiltesmitInhalten

zufüllen.DaderBM(nichtnur,aber

auch)einBerufsverbandist,indemal-

leBetätigungsfelderderMediationbe-

heimatetsind,stehenwirvoreiner

großenAufgabe.DieEbenederProfes-

sionhabenwirbereitsgutdargestellt.

SofolgtalsnächstesdieQualitätsebe-

nederDienstleistung,dieesformalzu

erfassenundzudefinierengilt:Wiege-

nausiehtdieDienstleistungderMedia-

tionimKontextvonFamilien,Gemein-

wesen,Gericht,Gesundheitswesen,

Kirche,Rechtsschutz-Versicherungen,

Organisationen,Politik,Schulen,Sport

usw.aus?Hierkönnenwirunsglück-

lichschätzen,dassimBMzahlreiche

Fachgruppenangesiedeltsind,indenen

seitvielenJahrendieKontext-Exper-

tenfürMediationimfachlichenAus-

tauschstehen.Sieverfügenüberdie

kontextbezogeneDefinitionsmachtder

Mediation,dieinderjetztanstehen-

denQualitätssicherungdemBMfür

seineDarstellungderProfessionalität

wertvolleDiensteleistenwerden.So-

mitwirdnunderAuftragandieFach-

gruppenumdieDefinitionvonMedia-

tionsqualitäterweitertundimZuge

derUmsetzungunsererStrukturreform

mithilfederNeuerungvonZielverein-

barungenkonkretisiert.

DieseArbeithatnichtnurAuswir-

kungennachAußen,indemsiederöf-

fentlichenDiskussionumMediations-

qualitätAusrichtungundKlarheit

geben,sondernauchnachinnen,ins-

besonderefürdenAusbildungskon-

text.Wennklarist,wiegenaudasQua-

litätsversprechenderDienstleistung

Mediationgestaltetist,musssichdie-

seKlarheitauchinunserenStandards

widerspiegeln.Deshalbisteswich-

tig,zunächstdieQualitätvonMedia-

tionzudefinieren,umanschließend

dieAusbildungsstandardssoanzupas-

sen,dasssiedemQualitätsversprechen

derDienstleistung Ausbildung entspre-

chen,durchwelchedieAusbildungs-

teilnehmerInnenzurDienstleistung

Mediationbefähigtwerden.

ZentralesAnliegenderQualitätsdefini-

tionistdasQualitätsversprechenvon

Mediation.Fürdieweiteregesellschaft-

licheEtablierungvonMediationistes

erforderlich,eineAkzeptanzsteigerung

außerhalbderMediationsszenezuer-

reichen.Auffälligist,dassinnerhalb

derMediationsszeneheftigumQuali-

tätvonAusbildungengerungenwird,

beiderdieFragenachderAnzahlderzu

absolvierendenAusbildungsstundenim

Zentrumsteht.WemnütztdieseDis-

kussion?EtwaderMediation?Warum

wirdaufdieAusbildunggeschaut,und

nichtdirektaufMediation?Offensicht-

licherkanneineInteressensvertretung

vonAusbildungsanbieternnichtsein.

Ichdenke,eswirdZeit,dasswirdie

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Qualitätssicherung & Weiterentwicklung

50 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

WeltderAusbildungenunddieWelt

derMediationdeutlichvoneinander

trennenundalszweiWeltenmitunter-

schiedlichenundauchgegensätzlichen

sowiekonkurrierendenAusrichtungen,

ZielenundInteressenanerkennenund

offensivdamitumgehen.

SchließlichmachteineMediations-

ausbildungnurdannSinn,wennsie

derMediationdient.AlleanderenZiel-

setzungenwiepersönlichesWachstum

oderEntwicklungvonKonfliktkompe-

tenzsinderfreulicheNebeneffekte,aber

nichtderHauptzweck(Odervielleicht

doch?)DerDienersolltesichzunächst

fragen,wasseinHerrvonihmerwar-

tet,bevorderDienerseinemHerrner-

klärt,wasderHerrvomDienerzuerwar-

tenhat.Oderandersausgedrückt:Der

Dienstleistersolltesichzunächstfra-

gen,wasderEmpfängervonihmerwar-

tet,bevorderDienstleisterdemEmp-

fängererklärt,wasderEmpfängervom

Dienstleisterzuerwartenhat.

IchwähledieseMetaphernicht,um

denWertvonAusbildungenzumin-

dern,zumalauchichAusbilderBM®

binundBM-Qualitäthocheinschätze.

IchmöchtemitdieserMetapher

lediglichdenFokusderDiskussionauf

dasrichten,wasinunserenLeitsät-

zensteht:»WirfördernVerständigung

inKonfliktendurchMediationundei-

neKulturderkonstruktivenKonflikt-

bearbeitunginallenBereichenderGe-

sellschaft«.Ichfindeessehrstimmig,

dassinkeinemunsererLeitsätzeetwas

vonAusbildungsteht,denndiesehat

lediglichdienendeFunktionundist

ebenkeinSelbstzweck.Daswirdder-

zeitnichtimmerdeutlich.Sokommt

esseitJahrenzueinemAngebotsstau

anausgebildetenMediatorInnen,der

einermangelndenNachfragegegen-

übersteht.DiesenZustandgiltesum-

zudrehen.Deshalbkannesnichtan-

derssein,alsdasswirzuerstmitder

QualitätsdefinitionvonMediationbe-

ginnen,umdaraufaufbauendeineer-

weiterteDefinitionvonAusbildungs-

qualitätvorzunehmen.

Der Wesenskern von Mediation

AuchwennsichdieMediationsdienst-

leistungenjenachKontextunter-

scheiden,sogiltesdennoch,denge-

meinsamenKernzubeschreiben.Was

habenalledieseMediationeninden

vielenunterschiedlichenKontexten

gemeinsam?UnserethischesSelbst-

verständnissowiedieStandardsgeben

dafürHinweise.DochbeiallenDienst-

leistungenwirdimmerauchdieFrage

nachdemErgebnisgestellt.Lässtsich

auchbeidieserFrageeinegemein-

sameAntwortfinden,dieüberdieBe-

tonungderErgebnisoffenheitalsein

unverzichtbaresIdentitätsmerkmal

derMediationhinausgeht?Jedenfalls

istineinerergebnisorientiertenGe-

sellschaftdaskategorischeBestehen

aufErgebnisoffenheiteinenahezuun-

überwindbareHürdeaufdemWegzur

AkzeptanzvonMediation.Deshalbist

eserforderlich,Ergebnisoffenheitdif-

ferenzierterzubetrachten.

Unumstrittenerforderlichist,dass

beieinerMediationkeininhaltliches

Ergebnisvorweggenommenwerden

kann.NebenderinhaltlichenEbene

gibtesauchnochdieEbenederForm.

HiersindwirMediatorInnendieun-

umstrittenenExperten.Undweildas

soist,könnenwirauchfürdieWah-

rungderFormdieVerantwortungüber-

nehmen,auchwennsieaufdelegierter

Machtberuht,dieinderMediationvon

denKonfliktparteienanunsabgege-

benwirdundunsauchjederzeitwieder

entzogenwerdenkann.DiesenMacht-

einsatzbrauchenwirMediatorInnen,

umdieKonfliktparteienausihrenein-

gefahrenenBahnenaufeineneueSpur

zubringen,überdiesiezuihremeige-

nenWegzueinementspanntenUm-

gangmitihremKonfliktfinden.

DenWesenskernvonMediationzu

erfassenwareinesderZieledesvon

SOKRATeamin2009gestartetenFor-

schungsprojektesMediationskom-

petenz,andemsichdieMitglieder

allerdeutschsprachigenVerbändebe-

teiligten,dieunsereBM-Qualitäts-

standardsteilen.Umdenvertrau-

ensminderndenSelbstbezugder

MediationsszeneinFragenderQuali-

tätsdefinitionzuüberwinden,wurden

mediationsferneSoziologenundKom-

petenzforschereingeladen,Media-

tionausihrerSichtzuerforschen.Da-

beigelangnichtnureinerfrischender

BlickaufdieMediationvonaußen.Zu-

sätzlichentstandeineKlarheit,die

zwarnichtneuist,aberalseineer-

freulicheBestätigungundBestärkung

unsererSichtweisezubetrachtenist

unddenWesenskernvonMediation

wiefolgtbeschreibt:

Mediation fördert und

fordert die Konfliktkompetenz

DochwasgenausindKompetenzen?

DieserBegriffwirdoftbenutzt,ohne

dassklarwäre,wasgenauKompeten-

zensind.DeshalbhiereineDefinition

Professionvonaußenerkennbar(Kompetenzvermutungen):Definitionsmacht,ethischeGrundsätze,Mediationsordnung

DienstleistungkontextbezogeneQualitätsversprechenBeschreibungvonDienstleistungen,Handlungen,KostenundErgebnisse

Prozessschritte Autragsklärung,DurchführungvonMediationssitzungen,Nachbereitung

Methoden AktivesZuhören,GewaltfreieKommunikation,Visualisierung...

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Qualitätssicherung & Weiterentwicklung

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 51

*ThomasRobrecht2.VorsitzenderimBundesverbandMEDIATION,MediatorundAusbilderBM®,Managementberaterund-trainer

*E-Mail:[email protected]

nachJohnErpenbeckundVolkerHeyse:

Kompetenzen sind Dispositionen

zu selbstorganisiertem Denken und

Handeln. Sie setzen sich aus Bereit­

schaften(=WerteundWille)und Fä­

higkeiten (=WissenundErfahrung)

zusammen und ermöglichen sicheres

Handeln in unsicheren Situationen.

DiesessichereHandelninunsicheren

SituationenbrauchenKonfliktpar-

teien,umimUmgangmitihremKon-

fliktihreneigenenWegzufinden.

Wennihnendasnichtgelingt,dann

brauchensieeineMediatorIn,dieih-

nendabeihilft.DassindMenschen,

dieüberMediationskompetenzverfü-

gen.Mediationskompetenzermöglicht

anderendenZugangzuihrerKonflikt-

kompetenz.SomitistMediationEnt-

wicklungvonKonfliktkompetenz.

DieseBetrachtungsweiseentspricht

unsererBM-SichtvonMediation,indem

siedieFörderungderAutonomieder

KonfliktparteiendurchdieKonzentra-

tionaufdieFähigkeit,selbstdenKon-

fliktzulösen,indenMittelpunktstellt.

Der Nutzen der Kompetenz betrachtungNunmagsichdieFrageaufdrängen,

worinderMehrwertdieserKompetenz-

betrachtungbesteht.Hiergibtesdrei

Ebenen:

DasWort»Konflikt«istinunserer

Gesellschaftnegativbesetzt.Wirkön-

nenendlosmitdemwerben,wassich

fürunsereOhrengutanhört,wennwir

beispielweisesagen,dassMediation

konstruktiveKonfliktbearbeitungsei.

BeieinemNicht-Mediatorbleibtmeist

dasWortKonfliktinErinnerungund

erzeugteineüberwiegendunange-

nehmeemotionaleWirkung.Konflikt

willkeiner,eristlästigunderinnertan

unliebsameDefizite.

Außerdemerlebenesimmernochviele

MenschenalseinArmutszeugnis,wenn

siefürdieKlärungihrerKonflikteeine

drittePersonbenötigen.WennalsoMe-

diationalsKonfliktbearbeitungdarge-

stelltwird,fördertdieseDarstellung

beiInteressentInnenehereinedefizit-

orientierteBewertungmitderTendenz,

Mediationeherabzulehnen.

AndersverhältessichmitdemWort

Kompetenz.Jederwillkompetentsein

oderalssolcheswahrgenommenwer-

den.Kompetenzisteinpositivbesetz-

terBegriff,dermitLernenzutunhat,

mitKarriereplanung,mitWeiterent-

wicklungundstarksein.Dasistattrak-

tivunderzeugteinenWunschnach

mehr,beidemdieInanspruchnahme

Dritterwertsteigerndwirkt.

Kompetenzen sind messbar

und fördern Qualität

DaKompetenzenimmerdurchHand-

lungensichtbarwerden,undHand-

lungenbeobachtbarsind,lassensich

KompetenzendurchreineBeobach-

tungwertfreierfassen.Dasisteingro-

ßerVorteilfürdieAusbildungvon

MediatorInnensowiederFeststel-

lungvonMediationskompetenz.Da-

rausfolgteinweitererNutzen,deruns

imöffentlichenWettlaufumdieDefini-

tionsmachtvonMediationsqualitätei-

nengroßenVorsprungbietet.Mitder

Kompetenzbetrachtungwirdesneben-

sächlich,obeineAusbildung90,120,

200odermehrStundenumfasst.Ent-

scheidendistdann,wiesichereine

MediatorInineinerunsicherenMedia-

tionssituationagiert.Damiterreichen

wireineneueQualitätinderDiskus-

sionumQualität.

Die nächsten SchritteDieKompetenzforscherhabenihren

Teilgetan,indemsieeineersteKom-

petenzbetrachtungvonMediationvor-

genommenhaben.Nunbestehtdie

Aufgabedarin,ausdieserArbeiteine

ausbildungsrelevanteKompetenzdefi-

nitionzuentwickeln.Dafürbedarfes

einergemeinsamenArbeitvonKompe-

tenzforscherInnenundMediationsex-

pertInnen.Erfreulicherweisehabener-

stebereitsihreBereitschaftsignalisiert.

UnsereFachgruppensindnunaufge-

fordert,dieDienstleistungeninihrem

Kontextpräzisezubeschreiben,umdie

BedeutungfürdenAusbildungskontext

festlegenzukönnen.

SehrwertvollistdieExistenzderAr-

beitsgruppeQualität,dieimMärz2011

beiderBM-Werkstattgeborenwurde

undimSeptember2011durchdieMit-

gliederversammlungihrenAuftrager-

hielt.DortistdieKompetenzbetrach-

tungingutenHänden.

Literatur

*Kreuser,Karl;Robrecht,Thomas;Erpenbeck,John:Konfliktkompetenz.Heidelberg2011.*Kreuser,Karl;Heyse,Volker;Robrecht,Thomas:Mediationskompetenz.Münster2011.*Robrecht,Thomas:OrganisationistKonflikt.2012.

AutorInneninfo

Page 52: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

52 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

November/AnfangDezember2011er-

folgenundnachBefassungdurchden

BundesratkönntedasGesetzimFeb-

ruar2012inKrafttreten.Bisdahin

kannüberdenInhaltdiesesGesetzes

nurspekuliertwerden.

II. Verschwiegenheitspflicht und Zeugnisverweigerungsrecht§4desReferentenentwurfesregelt

diegesetzlicheVerschwiegenheits-

pflicht.DadurchsindMediatorInnen

inZivilverfahrenundinallenaufdie-

seRegelungBezugnehmendenVer-

fahrengemäߧ383Abs.1Nr.6ZPO

zeugnisverweigerungsberechtigtund

zwarunabhängigvonihremGrund-

beruf.Auchweiterhinsollesbeidem

Zeugnisverweigerungsrechtfüral-

leMediatorInnenunabhängigvom

Grundberufbleiben.Allerdingssolles

inFällenmitKindeswohlgefährdung

keinZeugnisverweigerungsrechtfür

Mediation & Politik

MediatorInnengeben.Leider

sollauchweiterhindaraufverzichtet

werden,dasZeugnisverweigerungs-

rechtaufdenBereichdesStrafprozess-

rechtsauszudehnen.

III. Qualitätssicherung der Aus- und WeiterbildungEssollweiterhinaufeineRegelungdes

BerufsbildesvonMediatorInnenmit

einheitlichenFort-undWeiterbildungs-

standardsverzichtetwerden.Mecha-

nismenderQualitätskontrollesindwei-

terhinnichtvorgesehen.Diesistbereits

nachderVeröffentlichungdesReferen-

tenentwurfesundwährendderAnhö-

rungimMai2011heftigkritisiertwor-

den2.DieVertreterderAnwaltschaft

hattenbezüglichQualitätssicherung

undanschließenderZertifizierungmit

BezugnahmeaufeineRechtsverord-

nungeinäußerstminimalistischesMo-

dellfavorisiert,dassbezüglichderQua-

Jutta Hohmann

Mediation im Bundesjustiz­ministerium angelangt Teil VI I. EinleitungImMai2008istdieEU-Richtlinieüber

bestimmteAspektederMediationin

Zivil-undHandelssacheninKraftge-

treten1.Damalswurdendieeinzelnen

LänderderEuropäischenUnionver-

pflichtet,dieseRichtliniebiszum20.

Mai2011um-undsichmitdemThema

Mediationauseinanderzusetzen.Die-

seFristzurUmsetzungderEU-Richtli-

nieinnationalesRechtistlängstabge-

laufen.Am25.Mai2011fandvordem

RechtsausschussdesBundestagesei-

neöffentlicheAnhörungstatt.Derauf

dieTagesordnungderSitzungvom

20.10.2011gesetzteTagesordnungs-

punkt2.und3.Lesungwurdewieder

vonderTagesordnunggenommen.Nie-

mandkannheutevoraussagen,wann

genaueineVerabschiedungdesGe-

setzeszurFörderungderMediationer-

folgenwirdundmitwelchenInhalten

genau.NachletztenInformationensol-

lendie2.und3.LesungnunmehrEnde

Page 53: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Mediation & Politik

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 53

*JuttaHohmann1.VorsitzendeBundesverbandMEDIATION

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

litätskriteriennochwesentlichhinter

jenenKriterienzurückblieb,diewirbis

Dezember2010imBundesjustizmini-

steriumderJustiztagenden»Bundes-

arbeitskreisZertifizierungvonMedia-

torinnenundMediatoren«,indemich

fürdenBMaufgetretenbin,gemein-

sammitVertreternderAnwaltschaft

erarbeiteten.Bereitsdamalsundauch

beiderobenbeschriebenenAnhörung

hattendieVertreterderRechtsschutz-

versicherermitdeutlichenWortenda-

raufhingewiesen,dassdieVerbraucher

hoheundverlässlicheQualitätsstan-

dardserwarten3.Inzwischensolleinem

OnditzurFolgediegesetzlicheEin-

führungeineszertifiziertenMedia-

torsangedachtwordensein.Näheres

sollineinerRechtsverordnunggeregelt

werden.MediatorInnensollenfürei-

neZertifizierungeineAusbildungvon

120Stunden,imBereichFamilien-und

Wirtschaftmediationvon160Stunden

absolvierthaben.

IV. Gerichtliche und gerichtsinterne MediationImVorfeldhatesbereitsheftigekon-

troverseDiskussionenumdienach

demReferentenentwurfangedachte

Aufrechterhaltungderrichterlichen

Mediationgegeben.Inzwischenistge-

plant,dierichterlicheMediation»ab-

zuschaffen«undstattdessenein»Gü-

terichtermodell«nachbayerischem

Vorbildeinzuführen.Diesbegrüßeich

ausdrücklich.WirhattenlangedieFra-

gediskutiert,obessichbeiderinGe-

richtendurchgeführtenMediationen

überhauptumMediationnachun-

seremVerständnishandelt.Hinzu

kam,dassRichtermiteinemAmtsbo-

nusausgestattetsind,derleichtden

Anscheinerweckenkönnte,dassbei

denGerichtendie»bessereMedia-

tion«durchgeführtwerdenwürde.

DieserAmtsbonuserwecktdieErwar-

tungshaltungderKonfliktparteien,

dassRichterInnendie»gerechteren«

MediatorInnenseien.Hinzukommt,

dassbeieinemVorhandenseinvon

richterlicherMediationRechtsanwäl-

teihreMandantInnennichtansog.au-

ßergerichtlicheMediatorInnenverwei-

sendürften,weilRechtsanwältInnen

aufdiekostengünstigsteMöglichkeit

hinzuweisenhaben.Gerichtsinterne

MediationistimGegensatzzuanderen

Mediationenkostenlos.IndieserKos-

tenfreiheitliegteinWettbewerbsvor-

teil,derdieaußergerichtlicheMedia-

tionanderEntfaltunghindert.

An

zeig

e

1Jutta Hohmann: Mediation goes Europe. In: Spektrum der Mediation 2008, Heft 29, S. 38. 2Christoph Paul: Mediationsgesetz – Anhö-rung im Rechtsausschuss des Deutschen Bun-destages. In: Zeitschrift für Konflikt-Manage-ment 2011, S. 119 - 120. 3 Paul a.a.O.

Ichhoffe,baldzudemneuinKraftge-

tretenenMediationsgesetzStellung

nehmenzukönnen.Esbleibtweiter-

hinspannend.

Die KundInnenbroschüre mit dem oben genannten Titel hat großen Zuspruch gefunden. Innerhalb von einem halben Jahr sind 20 000 Ex. versandt worden. Offensichtlich eignet sich die Broschüre hervorragend zum Verteilen an Kunden oder solchen, die es werden könnten. Deshalb haben wir uns für eine Neuauflage entschieden. Es gab eine redaktio-nelle Überarbeitung. Die Kritikpunkte haben wir weitestgehend aufge-nommen und umgesetzt.

Mit den restlichen finanziellen Ressourcen der Anzeigen und Sponsoren der 1. Ausgabe und den neuen Anzeigenkunden konnten wir die Finanzierung sicherstellen, sodass wir die Broschüre weiterhin kostenlos abgeben können. Bestellungen bitte an: [email protected]

Mediationkannmehr

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Mediation & Politik

54 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Mediation & Politik

difiziertenMediationsarteneinensinn-

vollenNamentragen,derdieMindest-

anforderungerfüllt,keinenunnötigen

Hemmschuhzuenthalten.

Das Thema Herkunftsberufe EsgibtMediatorInnenallerHerkunfts-

berufe:Architekten,Psychologen,Theo-

logen,Opernsänger,Anwälte,Zahnärz-

te,Politiker…EinederBerufsgruppen,

diesichindenvergangenenJahrenver-

stärktzuMediatorInnenhabenaus-

bildenlassenundmediativeElemente

inunterschiedlichstarkerAusprägung

inihreVerhandlungenhabeneinfließen

lassen,sindRichterInnen.Einigevonih-

nensindsogut,dasssieinderLage

sind,ihreVerhandlungen(fast)hun-

dertprozentigaufmediativenElemen-

tenaufzubauen,wennundsoweitdies

durchdenKontextgebotenundins-

gesamtstimmigist.Hierhatesunter-

schiedlicheProjektegegeben,über

derenVerfassungsmäßigkeitderzeit–

nichtimmermediativ–gestrittenwird.

Vorteile der Mediations-kompetenzMediationskompetenzhatvieleVor-

teilefüralleSparten.Architekten,

Einzelhändler,Ärzte,Handwerkerund

andereBerufsträgerberichten,dasssie

einevielbessereGesprächsqualitätin

Kunden-undMitarbeitergesprächener-

zielen.RichterdesBezirksSchleswig

beispielsweisehabenfestgestellt:

1. UnsereRichtergehen,seitdemim-

mermehrvonunseineMediations-

ausbildunghaben,aufganzneue

Weisemiteinanderum.Dasbedeu-

tet:DasMiteinanderimGerichtist

vielsympathischergeworden.

Anita von Hertel

»Die Namenserteilung ist kein gleich­gültiges Anliegen und sollte nicht vom Zufall abhängen.« (Plato)

25. Mai 2011 ImdeutschenBundes-

tagfindetdieExpertenanhörung

statt.Gehörtwerden:

› Prof.Dr.ReinhardGreger,

Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg

› Dr.h.c.WilfriedH.Hausmanns,

Präsidenta.D.desOberlandes-

gerichtsRostock

› AnitavonHertel,Mediatorin,

AkademievonHertel,Hamburg

› MichaelKrämer,VorsitzenderRich-

teramLandgerichtMühlhausen,

› ChristophC.Paul,Rechtsanwalt,

NotarundMediator,Berlin

› MichaelPlassmann,Rechtsanwalt,

Berlin

› OliverSporré,DeutscherRichter-

bund,Berlin

› RainerTögel,D.A.S.–Versicherungs-

Aktiengesellschaft,München

AlleachtExpertenhabenVerbesser-

ungsvorschlägeimGepäck.DasMedia-

tionsgesetz–sowünschenessichalle

–sollimVergleichzumaktuellenEnt-

wurfnochverbessertwerden.Nurvier

ProzentderGesetze,solauteteineSta-

tistik,werdeninderAnhörungnoch

geändert,bevorsievondenBundes-

tagsabgeordnetenverabschiedet

werden.ObdasMediationsgesetzdazu

gehörenwird?Esistdeutlicherkennbar,

dassallendieInhaltedesMediationsge-

setzeseinintensivesAnliegensind.Die

EmotionensindimRaumspürbar.

BesondersbeeindruckendieAbgeordne-

ten.IhreMediationskompetenzistso-

wohlwährendderAnhörungalsauchin

denanschließendenPausengesprächen

inderWortwahlwieindergesamten

Haltungdeutlich.BeimMediations-

gesetzgehtesallen(!)politischenPar-

teivertreterndarum,dieMediationzu

fördern.SoweitherrschtEinigkeit.Nur

beimWegdahinunterscheidensichdie

Vorstellungen–wiesooft.IstIhnen,

sehrgeehrteLeserInnenbeiderLektüre

desaktuellenGesetzentwurfesaufge-

fallen,dassderzeitvorgesehenist,die

klassischeMediationin»außergericht-

licheMediation«umzubenennen?

Kein Hemmschuh in der NamensgebungProfessorWalterBruch,Entwicklerdes

PAL-Farbfernseh-Systems,wurdeein-

malgefragt,warumerseinSystem

»PAL«genannthabe.SeineAntwort:

»WasmeinenSie,waspassiertwäre,

wenniches›Bruch-System‹genannt

hätte?«DieNamensgebungfürdieMe-

diation–ganzgleichwelcheMedia-

tionsartenletztlichkodifiziertwerden,

solltesogewähltwerden,dassalleko-

Page 55: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Mediation & Politik

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 55

2. SiegehenmitdenRechtssuchenden

auchaußerhalbvonMediationsver-

fahrenaufeinemediativeWeiseum,

fragenKlägerundBeklagte,wasih-

nenwichtigist,deeskalierenund

sorgenfüreinevertrauensvollere

Atmosphärealsfrüher.

Dasistgroßartig.Alleindieseposi-

tivenEntwicklungensprechendafür,

immermehrRichtermitMediations-

kompetenzauszustatten.Einedavon

zuunterscheidendeFrageistdieAus-

wirkungdieserrichterlichenAktivi-

tätenaufdieNamensgebungderMe-

diation.Aktuellvorgesehenistder

Name»außergerichtlicheMediation«

alsneuerNamefürdieklassische»Me-

diation«.WiekommtdieserName

zustande?Undwiesinnvollister?

Abbbiegespur: Vom Gericht zur MediationEsgibtKonstellationen,indenenMen-

scheneinGerichtsverfahrenerwägen.

Dannistessehrsinnvoll,dassesvom

WegindasGerichtnocheineAbbie-

gespurindieMediationgibt.Natürlich

mussdieArtundWeise,wiedieseAb-

biegespurgestaltetwird,unsererVerfas-

sungentsprechen.Dasverstehtsichvon

selbst.Inwieweitdiesdurchrichterli-

cheAktivitätengewährleistetwerden

kann,istrechtlichumstrittenundnicht

GegenstanddiesesArtikels.DieseAb-

biegespurbrauchteinenNamen,der

mitdem,wastatsächlichstattfindet,

übereinstimmt–einenNamen,derdie-

senWeghindernisfreibeschreibt.Die-

serNamekanndenBegriff»gerichtlich«

ineinertreffendenWeiseenthalten.

Zwingenderforderlichistesnicht.

Abbiegespur: Vom frühzeitig erkannten Konflikt zur MediationEsgibtKonstellationen,indenenGe-

richtsverfahrenvonvornhereinuner-

wünschtsind:

a. EintraditionellesFamilienunter-

nehmenmitaktuellemKonfliktpo-

tenzialwirddenFamilienfriedenund

diegemeinsamenFamilienfestenicht

aufsSpielsetzenundeinGerichtsver-

fahrengrundsätzlichnurimNotfall

inErwägungziehen.

b. EinMarktmiteinersehrbegrenzten

AnzahlanSpezialisten,klassisches

BeispielAutoindustrie,wirddiekost-

barenundüberlebensnotwendigen

Geschäftsbeziehungentunlichstnicht

gefährdenundebenfallsnichteinmal

anGerichtedenken,geschweigedenn,

dieseinAnspruchnehmen,soweites

sichirgendwievermeidenlässt.

c. InderArztpraxishabenMissverständ-

nissezuUnstimmigkeitengeführt.

DieÄrztewollensicheinekonstruk-

tiveMissverständnisklärungsmaß-

nahmegönnen,diedengutenalten

Teamgeistwiederherstellt.Ange-

richtsähnlicheSituationendenken

sieüberhauptnicht.

InFällenwiediesenwäreeineBezeich-

nung,dieanGerichteerinnernwürde,

sehruntunlich.DenndieAssoziation

»Gericht«,wirdvonvielenMenschen

eheralsunangenehmeDrohung,denn

alskonstruktiveUnterstützungerlebt.In

diesenFällenistesentscheidend,dass

auchhiereinWegindieMediationführt

–unddassdieserWegnichtunnötig

behindertwird.EinName,dereine

ausdrücklicheAbgrenzungzueiner

Gerichtsverhandlungenthaltenwürde,

riefeAssoziationenwach,dieehereine

Hemmschwelle,denneineUnterstüt-

zungderMediationdarstellenwürden.

DeraktuellimGesetzentwurfange-

dachteName»außergerichtliche«Me-

diationsolltedahertunlichstdurch

»Mediation«ersetztwerden.SteveJobs

hatseineFirmanicht»birnenfreiesAp-

ple,windowsfreiesAppleodergerichts-

freiesApple«genannt,sondernApple.

WennderGesetzgeberdieMediation

fördernmöchte,dannisteswichtig,

dasserPlatoimOhrhat:DieNamenser-

teilungistkeingleichgültigesAnliegen

undsolltenichtvomZufallabhängen.

Fazit: Die klassische Mediation sollte Mediation heißenEsentsprichtdemGrundgedanken…

› derFörderungderMediation,dass

vieleBerufsgruppenMediationlernen.

› derFörderungderMediation,dass

RichterInnenMediationlernen,un-

teranderemauch,ummediativeEle-

mente,soweitsieindasjeweilige

Gerichtsverfahrenpassen,inVer-

handlungenzunutzen.

› derFörderungderMediation,die

klassischeMediationsozudefinie-

ren,dasseinLösungssuchender,der

einekonstruktiveLösungentwickeln

möchte,zunächstdenHemmschuh

desWortes»außergerichtlich«o.ä.

vordemWortMediationüberwinden

müsste.

› derFörderungderMediation,dassdie

klassischeMediationweiterhinMedia-

tionheißt–ohnehemmendeZusätze.

› derFörderungderMediation,dassal-

le,dieüberdiesenundanderePunkte

desneuenMediationsgesetzesdisku-

tieren,dabeianunsereWurzelnden-

ken:TunSieesmitMediations-

KnowHow.

*AnitavonHertelMediatorin,MediationslehrtrainerinundDozentinfürMediationundKonfliktma-nagementanHochschulenundInstitutenimIn-undAusland

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

Wenn Sie meine schriftliche/mündliche Stellungnahme zur Anhörung im deut-schen Bundestag haben möchten, in der es humorvolle Vergleiche – vom außer-fahrplanmäßigen Halt bis zum außerir-dischen Wesen gibt – mit persönlichen An-merkungen – sende ich Ihnen diese zu.

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Der Gastbeitrag

56 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Ehefrau: »Lass’ uns doch heute Abend über unsere Probleme sprechen.«Ehemann: »Was für eine wunderbare Idee! Ich werde den ganzen Abend dafür reservieren!«

EsistkeinleichtesUnterfangen

überProblemekonstruktivzu

diskutieren.Wennwirunsmit

einemProblemauseinandersetzen,su-

chenwirmeistnachdenUrsachendes

Problems.Grundsätzlichistdemnichts

entgegenzustellen,dennwennwirfest-

stellen,dassKonflikteschwelen,lohnt

essichdiesenaufdenGrundzugehen,

bevorsienochschlimmerwerden.

WirhörenvoneinemProblem,wirana-

lysierenesundsobaldwirdieUrsache

herausgefundenhaben,benutzenwir

dieseInformation,umeszulösen.Ge-

naudasistoftdieungünstigsteVari-

antederProblemlösungimzwischen-

menschlichenBereich.Nehmenwirals

BeispieleineFahrradkette.Siehatdie

Unartimmerwiederherunterzufal-

len.KennenSiedas?Umsiezurepa-

rieren,schauenwirsiegenauanund

analysieren.Wirstellenfest,dassdie

Fahrradkettelockeristundziehensie

Die Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes

Ben Furman

nunfestan.Undwiesollesauchan-

derssein:dasFahrradfunktioniertwie-

dereinwandfrei.DenanalytischenAn-

satzwendetmanmöglichstdannan,

wennesdarumgehtdieUrsachenbe-

stimmterProblemeklarzuerkennen,

umsiedannzubeheben.Sowieindie-

semtechnischenFallderFahrradket-

te.DieserAnsatzistjedochüberhaupt

nichtgeeignet,wennesumdasLösen

voninterpersonalenProblemengeht.

WennSiemitIhrerPartnerInProbleme

habenundsiesichentscheidenüber

dieproblembehaftetePartnerschaftzu

sprechenundsiezuanalysieren,wird

dasinkeinsterWeisegarantieren,dass

sichdieSituationverbessert.Dasliegt

daran,dassunsereErklärungennor-

malerweiseexpliziteoderimpliziteAn-

schuldigungensind.

NehmenwiralsBeispielIhreArbeits-

platzumgebung.Siegestaltetsich

schwierigunddasArbeitenmachtwe-

nigSpaß.ÜberProblemezusprechen,

siezuanalysierenunddenUrsachen

aufdenGrundzugehen,wirdnicht

sehrhilfreichsein,IhreSituationamAr-

beitsplatzzuverbessern.Tatsächlichist

esnichtungewöhnlich,dassdasAnaly-

sierenvoninterpersonalenProblemen

nochmehrProblemeschafft.Wielässt

sichdaserklären?Daraufgibtesei-

neeinfacheAntwort.WennMenschen

interpersonaleProblemediskutieren,

versuchenSieoftdieUrsachedesPro-

blemsherauszufinden.Bemühungen

interpersonaleProblemezuanalysieren

führenfastausschließlichdazu,dass

Erklärungengefundenwerden,dieals

Anschuldigungenerlebtwerden.Auch

dann,wennkeinerursprünglichdiese

Absichthatte.Undwirallewissenwie

MenschenaufAnschuldigungenreagie-

ren:SiegehenmeistindieDefensive.

UmdenVerlaufeinesGesprächszu

veranschaulichen,sehenSienachfol-

genddenAnsatzdeslösungsfokussier-

tenunddesproblemfokussiertenKreis-

laufs,derfürsichselbstspricht:

Negativer Gesprächskreislauf

Problembeschreibung&Definition

Problemeerklären

ErklärungenfürfehlendenFortschritt

Schuldzuweisungen–KränkendeErklärungen

SchlechteStimmungkeineZusammenarbeit

keineLösungen

Verteidigung,Rückzugoder

Angriff

Page 57: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Der Gastbeitrag

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 57

Positiver Gesprächskreislauf

KeinermachtgernedieErfahrungfür

etwasbeschuldigtzuwerden,wofürer/

sienichtverantwortlichist.

»Es ist kein Kaffee da!« sagt er.

»Warum schaust Du mich so an –

es ist nicht meine Schuld, dass

kein Kaffee da ist!« sagt sie.

DiesesPhänomen,auchgenannt»bla-

me-storming«,tauchtinteressanterwei-

sesehroftintäglichenKonversationen

auf.Bevorwirunsversehen,befinden

wirunsinSituationen,indenensichje-

derverteidigtodersichjemandbeschul-

digtfühlt.AlsSelbstschutzgehenwirin

eineVerteidigungshaltung.

SiesagenIhrerPartnerIn,dassdie

beimPizzaservicebestelltePizzaüber-

hauptnichtschmeckt.Siewirdumge-

hendwütendundkeiftzurück:»Wasbe-

schwerstDuDich?WennDirdiePizza

nichtschmeckt,dannsollsiedochder

Hundfressen!«AusIhrerSichtwollten

SielediglichdasProblemdarstellenund

sieeinladen,eszulösen.WenndasGe-

sprächandersverlaufenwäre,hättenSie

vielleichtgemeinsamdieIdeegehabt

einwenigTabascooderSalzundPfef-

feraufdiePizzazustreuen.Aberausder

SichtIhrerPartnerInhabenSiesiedafür

verantwortlichgemacht,dassdiePiz-

zanichtschmeckt.Punkt.KeinWunder,

dasssiesoreagiert!»Blame-storming«

magfürMenschennormalsein,doches

verhinderteinekreativeProblemlösung

oderBrain-storming.Eszwingtunsre-

gelrechteinedefensiveHaltungeinzu-

nehmen,wasdieBedingungenkreative

Lösungsvorschlägezuentwickelner-

schwert.UndwennkeineLösungenge-

fundenwerden,siegenmeistdiePro-

bleme.Früheroderspäterentfachteine

neueDiskussiondarüber,warumdie

Problemeimmernochbestehen,obwohl

siejabereitsdiskutiertwurden–in

manchenFällenschonmehrfach.Diese

DiskussionschaffteinenneuenKreislauf

für»Blame-storming«,diesesMalje-

dochnichtdarüberwarumdasProblem

nochnichtbehobenwurde,sondern:

»Weristdafürverantwortlich,dassdas

Problemnochexistiert?Warumistes

nochnichtgelöst?WarumistdasPro-

blemnochaufunsererAgenda?«

EsgibtunterschiedlicheMöglichkeiten

»Blame-storming«zuvermeiden.Eine

davonistrechtsimpel:sprechenSienicht

überProbleme,sondernstattdessenüber

Ziele(Ergebnisse).DieseMethodebasiert

aufderIdee,dassjedeMedaillezweiSei-

tenhat.AufdereinenSeitederMedail-

leistdasProblem,aufderanderenSei-

tebefindetsichdiedazugehörigeLösung

(Ziel),welcheesgiltzuerreichen,damit

dasProblemverschwindet.

FürjedesProblemgibteseinpassendes

Ziel–siemüssenesnur(er-)finden.Dann

giltesdarüberzusprechen,stattsichmit

demProblemzubeschäftigen.Nehmen

wirfolgendesBeispiel:»fehlendeKom-

munikation«oder»fehlendesFeedback«.

DasZielist:»bessereKommunikation«

oder»mehrFeedback«.SobaldSieauf-

hörenüberdasProblemzusprechenund

anfangensichmitdenLösungenausein-

anderzusetzen,wirdsichderTonfallin

derKonversationumgehendverändern.

Esistfastmagisch.Wirtendierenalleda-

zuüberZieleanderszusprechen,alsüber

Probleme.WennwirüberProblemespre-

chen,tendierenwirdazusiezuanalysie-

ren,wennwirunsjedochüberZieleun-

terhalten,diskutierenwirdarüber,wie

wirdieseerreichenkönnen.

Siekönnendem»Blame-storming«lang-

samentkommenund»Brain-storming«

initiieren,indemSiesichzukünftigauf

dieZielekonzentrieren,diesichhinter

denProblemenbefinden.Mitanderen

Worten:SiehabeneinengroßenGewinn,

wennSieKonversationenaufLösungen

ausrichtenundnichtaufProbleme.

WennSiedieZielehinterdenProblemen

herausfinden,werdenSieaufjedenFall

davonprofitieren.WennSiedieseFähig-

keiterlernen,werdenSieProblemeauf

einekonstruktiveArtundWeiseangehen

undinZieleumwandeln,dieesgiltzuer-

reichen,stattsichmitProblemenzube-

schäftigen,dieesgiltzulösen.Wieder

GeschäftsführereinesTelekommunika-

tions-UnternehmensseinerMannschaft

mitteilte:»Wirallewissen,dasswirPro-

blemehaben,undwirwissenauch,dass

unsereProblemelediglichProjektesind,

diewirnochnichtbegonnenhaben.«

Übersetzung: Maria Gabriella Poarch

*Dr.BenFurmanM.D.Psychiater,Psychotherapeut,MitgründerdesHelsinkiBriefTherapyInstitutes(HB-TI).ErgiltalsinternationalanerkannterExpertefürlösungsfokussierteTherapie,CoachingundOrganisationsberatung.

*E-Mail:[email protected]

*MariaGabriellaPoarchBusinessConsultant,MediatorinundCoach

*E-Mail:[email protected]

AutorInneninfo

ZielebeschreibenFortschritte

feststellenundbeschreiben

Fortschrittefeststellenund

beschreiben

Fortschritteanerkennen/wertschätzen

GuteStimmungZusammenarbeit

Lösungen

GefühldesStolzesunddesErfolgsstellen

sichein

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Steckbrief für Thomas Robrecht Mediator seit 1998; Ausbilder BM seit 2003; Schwerpunkt(e) der Mediation: Me-diation in Organisationen zu Themen von Zusammenarbeit, Führung und Manage-ment; im Bundesverband Mediation seit 2002; im Vorstand seit 2005 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit:• bis 2011: Leitbildentwicklung und

OE-Prozess• ab 2011: Lobbyarbeit in Wirtschaft und

Arbeitswelt, Förderung der Anspruchs-gruppe der Verständiger, Weiterentwick-lung des Themas »Mediationskompetenz«

Was mir wichtig ist: Unsere Leitsätze kon-sequent verfolgen und mit Leben füllen und dafür diesem Ziel dienliche Strukturen entwickeln. Mediation als ernstzuneh-menden Standard für Konfliktbearbeitung etablieren. Dafür nicht die Lösung von Kon-flikten als vorrangiges Ziel zu betrachten, sondern die Entwicklung von Konfliktkom-petenz der MediandInnen erreichen (Fähig-keit zur Selbstlösung). Was ich für den BM erreichen möchte: Weiterentwicklung der Definitionsmacht des BM zum Thema Mediation sowie För-derung der Verständigung in Konflikten durch die Sicherung der gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit des BM und Mediation:• Differenzierte Betrachtung von Ausbil-

dungsqualität und Mediationsqualität• Herstellung des Gegenpols zur juristi-

schen Darstellung von Mediation durch Konzentration auf die Betätigungsfelder im Arbeitsalltag

• Gewinnen von neuen Mitgliedern, die BM-Ausbildungen absolviert haben, aber nicht als MediatorIn tätig sind, sondern ihre Me-diationskompetenz als Zusatzqualifikation in ihrem Arbeitsumfeld einsetzen (ca. ¾ al-ler AusbildungsteilnehmerInnen)

• Steigerung der Attraktivität von Media-tion (gesellschaftliche Anschlussfähigkeit) durch Betonung der Entwicklung von Kon-fliktkompetenz der MediandInnen durch Mediation

Zur Wahl des neuen Vorstands

Steckbrief für Sosan Azad Mediatorin seit 2001; Schwerpunkt(e) der Mediation: Organisationen, Mediation im in-terkulturellen Kontext, Familienmedia tion; im BM seit 2003; im Vorstand seit 2011 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit : • Öffentlichkeitsarbeit Was mir wichtig ist:• Mediation als professionelle Konfliktbear-

beitung auf allen gesellschaftlichen Ebe-nen etablieren

• dass Menschen auf der nationalen und internationalen Ebene Konflikte durch das miteinander Verhandeln lösen

• dass eine Kultur des Dialogs entsteht

Was ich für den BM erreichen möchte:• den BM in der Öffentlichkeit sichtbarer

machen• dass der BM weiter wächst auf allen

Ebenen• dass der BM als ein Berufsfachverband

angefragt wird

Steckbrief für Sascha Boettcher LL.M.; Mediator seit 2007/2008; Schwerpunkt(e) der Mediation: In Teams und Gruppen (Organisationen), Planen und Bauen; im Bundesverband Mediation seit 2006; im Vorstand seit 2011

Steckbriefe

Steckbrief für Jutta Hohmann Mediatorin seit 1995; Schwerpunkt(e) der Mediation: Trennung und Scheidung, Wirt-schaft; im Bundesverband Mediation seit 1996; im Vorstand seit 2005

Schwerpunkt der Vorstandsarbeit:• Vertretung des Verbandes nach außen• »Recht und Gesetzgebung« mit den damit

zusammenhängenden Außenkontakten• Kontakte und Verbindungen zu anderen

Verbänden im In- und Ausland.

Was mir wichtig ist: Freiheit bedeutet für mich einen hohen Wert. Wie die Luft zum Atmen brauche ich den Wechsel zwischen den Kulturen und den Orten. Was ich für den BM erreichen möchte: Ich möchte Mediation in der Gesell-schaft verankern helfen. Dies kann ich je-doch nicht als Einzelne tun, sondern hier-zu ist ein starker (Berufs-)Verband nötig. Stärke kommt durch Macht. Ich möchte, dass der BM eine machtvolle Position ein-nimmt und durch Einfluss Gesellschaft gestaltet, das heißt auch durch aktive Arbeit bei der Gesetzgebung.

Allgemeiner Steckbrief

zum ehrenamtlichen Vorstand

Mitglieder im Vorstand: 7

Amtszeit: 2Jahre

Pro Jahr ca.:

12TagePräsenztreffen 108h

(9h/Tag)

6Telefonkonferenzen 13h

(6à2,1h)

8Dienstreiseninsgesamt 120h

(8à15h)

Routinearbeitca. 159h

Insgesamt pro Person 400 h

Gesamt also 2.800 h

Foto

: © J

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Win

ter

Page 59: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Schwerpunkt der Vorstandsarbeit : Umsetzung der Strukturreform und Fortfüh-rung der OE, Ansprechpartner für politische und juristische Institutionen und Präsenz auf entsprechenden Veranstaltungen. Ansprech-partner für Ehrenamt, z. B. Schülermediato-rInnen und Schulmediation, Gemeinwesen. Was mir wichtig ist: Mediation in der Gesellschaft noch stärker verankern. Die Vielfalt und Interdisziplina-rität. Die Verbindung von ehrenamtlichen und beruflichen MediatorInnen. Offene und vertrauensvolle Gesprächskultur. Keine Ver-meidung von schwierigen Diskussionen, die eine Entwicklung behindern. Die Interessen der Mitglieder zu vertreten und im Sinne der Allgemeinheit und des gesamten BM Ent-scheidungen zu treffen. (Trennung von Ein-zelinteressen und Verbandsinteressen) Was ich für den BM erreichen möchte: Die Herkunft und Tradition des Verbandes zu berücksichtigen bei gleichzeitiger Verän-derungsbereitschaft und Zukunftsfähigkeit für den Verband. Ein offenes Ohr für jedes Mitglied zu haben. Ziel ist, dass der BM ge-sellschaftlich anerkannt wird. Ein weiterer Wunsch ist, die unterschiedlichen Gruppen und Interessen im BM besser miteinander zu vernetzen und somit Anerkennung und Vertrauen für die jeweilige Sichtweise der anderen zu ermöglichen.

Steckbrief für Walter H. Letzel Mediator seit 2003; Schwerpunkt(e) der Mediation: Wirtschaftsmediation, Unter-nehmensnachfolge, Teammediation, Familie/Partnerschaft, Nachbarn/Mieter; im Bundesverband Mediation seit 2004; im Vorstand seit 2007 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit: Aufmerksamkeit auf die Anspruchsgruppe »ausgebildete MediatorInnen«, Verlaufs-qualität in der Mediation, Zusammenar-beit mit anderen Mediationsverbänden, Kontakt zu potenziellen Auftraggebern (z. B. Rechtsschutzversicherungen), Arbeits-gruppe »Qualität im BM«

Was mir wichtig ist: • BM als inklusiver Fachverband zur Ver-

ständigung in Konflikten: darin Berufsver-band der Mediatorinnen und Mediatoren

• Mediation als berufliche (professionelle) Erwerbstätigkeit

• Sicherheit für MediandInnen (Verbraucher), dass BM für »Qualität in der Me diation« steht

• Reflektierter Umgang mit der eigenen Konflikt- und Mediationskompetenz

Was ich für den BM erreichen möchte:• transparente (sichtbare) Differenzierung

(Exklusivität) nach außen bei Wahrung des Wertes der Inklusivität des Verbandes

• nachvollziehbare (berechtigte) Qualitäts-zuschreibung für unsere Mitglieder

• Wachstum des BM in allen vier An-spruchsgruppen durch Steigerung der Attraktivität des BM (besonders für alle Absolventinnen und Absolventen von Mediationsausbildungen)

• Intensivierung der Kooperation mit BAFM und BMWA

Steckbrief für Anusheh Rafi Mediator seit 2007; Schwerpunkt(e) der Mediation: Familienmediation, Gruppen- und Organisationsmediation, interkultu-relle Mediation; im Bundesverband Me-diation seit 2009; im Vorstand seit 2009

Schwerpunkt der Vorstandsarbeit: Finanzen und interne Konfliktklärung Was mir wichtig ist: Mediation wird von der Gesellschaft ver-stärkt wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass mit der zunehmenden Bedeutung von Mediation auch die im BM vorhandene Er-fahrung und das vorhandene Fachwissen Bedeutung erlangen. Gleichzeitig wün-sche ich mir, dass trotz der Orientierung nach Außen und der stattfindenden Verän-derungsprozesse alle Mitglieder ein Gefühl der inneren Verbundenheit zueinander und zum BM bewahren mögen.

Was ich für den BM erreichen möchte: Es gibt im BM viele gute Ideen, die leider aus finanziellen Gründen nicht alle um-gesetzt werden können. Ich möchte mög-lichst viel ehrenamtliches Engagement er-halten, auch wenn der Verband es nicht immer finanziell unterstützen kann. Die Finanzierung soll so transparent und nachvollziehbar wie möglich sein. Ferner ist es mir wichtig, über Möglich-keiten nachzudenken, die den Spagat zwi-schen Zeitdruck und Diskussionsbedarf bei größeren Projekten und Veranstaltungen des BM ermöglichen. Dies scheint mir bei den steigenden Mitgliederzahlen eine zen-trale Herausforderung zu sein.

Steckbrief für Doris Wietfeldt Mediatorin seit 2001; Schwerpunkt(e) der Mediation: Organisationen, Mediation im interkulturellen Kontext; im BM seit 2003; im Vorstand seit 2011 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit: Besondere Anerkennungen, externes Kon-fliktmanagement, Schnittstelle Qualitäts-entwicklung und Anerkennung Was mir wichtig ist: • Erfahrungen aus der Praxis auswerten

und die Qualität von Mediation weiter-entwickeln und fortlaufend sichern

• Weiterentwicklung der konzeptionellen Ansätze von Mediation

• Dialog von Wissenschaft und Praxis

Was ich für den BM erreichen möchte:• Kommunikations- und Informationsfluss

zwischen allen Gremien, die für Qualität zuständig sind, fördern

• hohe Akzeptanz des BM in der Gesell-schaft und der Wissenschaft

• unsere Qualitätsmaßstäbe weiter fortschreiben

• Kooperation in Qualitätsfragen mit anderen Verbänden

Steckbriefe

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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation60

Wirtschaftsmediation in der Praxis: Konflikt in einem Bauprojekt. DVD-Reihe BusinessMediation DVD 10 Concadora Verlag Stuttgart 2006, Mediator: Dr. Wilfried Kerntke 44,- €

DieAufnahmeentstandbei

der2ndInternationalSummer

SchoolonBusinessMediation

imJuli2006inAdmont(Steiermark/

Österreich)ineinemWorkshop»Zwi-

schenProfessionalisierungundPro-

fession«,istabererstkürzlichvom

Verlagveröffentlichtworden.Ichbe-

ziehemichhiernuraufdieDVDin

deutscherSprache.ZudemPaketge-

hörtnocheineweitereDVDmiteiner

MediationmitBruceEdwardsinEng-

lischzumgleichenThema.

DasBesondereandieserAufzeich-

nungistdieTatsache,dassessichhier-

beiumeineLive-Demonstrationhan-

delt.DerMediator–hierDr.Wilfried

Kerntke–hatdieMediationnichtnach

einemDrehbuchgeführt,auchistdie

EsgehtinderMediation–beauftragt

durchdieRechtsabteilungeinesinter-

nationalenKonzerns–umdieAusein-

andersetzungzwischenzweiFirmen,

diezudiesemMutterkonzerngehören.

BeimBaudes»GrandHotelLuxem-

burg«fungiertdieeinealsBauherr

unddieanderealsGeneralunter-

nehmer.EingenialerFallfürWilfried

Kerntke,derinderMediation–spe-

ziellinderWirtschaftsmediation–

besonderenWertaufdiestrukturel-

lenVerflechtungenunddenZusam-

menhangzwischenMediationund

Organisationsentwicklunglegt.Soist

vonihmsehrkonsequenteinwesent-

licherPartim1.Teildem»Einsam-

meln«dernochandemProjektbetei-

ligten»Mitspieler«(W.Kerntke,Über

denEinbezugvonStakeholderninder

Organisationsmediation,Spektrum

derMediation37/2010S.9ff.),also

derweiterenbeteiligtenFirmenge-

widmet.Folgerichtigtauchthierna-

türlichdieFrageauf,obdenndieAn-

wesendenfüreineLösungssuchedie

»richtigen«Konfliktbeteiligtensind.

AlsKonfliktpartnerInnen–hiersindes

aberdocheherKonfliktparteien–tre-

tendiekaufmännischeLeiterin(Juris-

tin)derBauherren-FirmaundderPro-

jektleiter(ehemalsBauarbeiter)des

Generalunternehmersauf,dievonden

SchauspielerInnensehrauthentisch

dargestelltwerden.Unterschiedlicher

könnenKonfliktparteienkaumsein:Die

einealsJuristinmitausgewähltenFor-

mulierungen,(fast)immeraufemotio-

naleSelbstbeherrschungbedacht,aber

sehrselbstbewusst,fastarrogant,und

derandereeheremotional,wasBausa-

chenangehtsehrprofessionell,aberoft

–auchinderWortwahl–sehrungezü-

Wirtschaftsmediation in der Praxis: Konflikt in einem Bauprojekt Schulungs­DVD mit Dr. Wilfried Kerntke

Hans-Jürgen Rojahn

Aufnahmeanschließendnichtdurch

Schnitte»bereinigt«worden.DemMe-

diatorstandenlediglichInformationen

auseinemfiktivenAuftragklärungs-

gesprächzurVerfügung.DieRollen-

spieler–professionelleSchauspie-

ler–habendagegensehrausführliche

Einweisungenzumsachlich-fachlichen

HintergrundundsehrausgiebigeRol-

lenbeschreibungenmitvielen–auch

emotionalen–Detailserhalten.Der

Mediatoristalsowieineiner»echten«

MediationinskalteWassergesprungen

undhatsichlivebewährenmüssen.

Sehrhilf-undlehrreichistdasum-

fangreicheBooklet(52S.,vonUlrike

GammundMarioPeteravon»Kon-

fliktKultur–KulturKonflikt«erstellt)

mitdemBegleittextzurDVD,indem

außerdenInformationenzudemKon-

fliktfallunddenRollenbeschreibungen

vielenützlicheAnregungenzumBeo-

bachtenderMediationenthaltensind.

DieDVDistinvierKapitelgegliedert:

NacheinemEröffnungsstatement(2

Min.)durchdenMediatorfolgenzwei

Demonstrationsteile(55und50Min.).

AbgeschlossenwirddasGanzedurch

einenSchlusskommentardesMedia-

tors(4Min.).

SowohldieBild-alsauchdieTonqua-

litätsindausgezeichnet.DasAmbi-

entekannichmirschönerundder

Mediationeherangemessenvorstel-

len.DieSitzordnungfindeichun-

glücklichgewählt.DerMediatorsitzt

aneinemrechteckigenTischden

MediandInnenfrontalgegenüber,was

möglicherweisegleichzuBeginneine

KonfrontationzwischendemMediator

undeinemMediandenbegünstigt.

Page 61: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

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61Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

*Hans-JürgenRojahnMediatorundAusbilderBM®

*E-Mail:[email protected]

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gelt.DieseKonstellationmachtesdem

Mediatornichtebenleicht,dieFassung

zubewahrenundbeideningleicher

Weisewertschätzendzubegegnen,was

ihm–wieichfinde–ausgezeichnetge-

lingt.DieAllparteilichkeitistdurchweg

invollemUmfanggewahrt.Sehrschön

zubeobachtenistdieFreundlichkeit

unddieZugewandtheitgegenüberden

–wieüblich,hieraberbesondersausge-

prägt–»schwierigen«MediandInnen,

eingutesBeispielfürdieerwünschte

HaltungdesMediators.

Inder1.Sitzunggehtesvorallemum

eine»guteArbeitsvorbereitung«für

dieMediation,wobeiKerntkesehr

empathischdenSprachgebrauchdes

Bau-Projektleitersaufnimmt.Die

MediandInnenmachenesihmnicht

wirklichleicht,weilsieimmerwie-

derinalteVorwürfezurückfallenund

sichhäufiginsWortfallen.Kerntkere-

agiertmehrmalsdaraufmitdemKom-

munikationsmittelderNormalisie-

rung,allerdingsmitmäßigemErfolg.

VielleichthätteeinefrühereEinfüh-

rungvonGesprächsregelneinebesse-

reKommunikationermöglicht.

Die2.SitzungistbesondersdemEr-

arbeitenderanstehendenKlärungs-

punktegewidmet.Hiersindsehran-

schaulichu.a.einigerelevante

Methodenzubeobachten:

› DasSprungbrett(LjubjanaWüste-

hube,Einmalangenommen…»Das

Sprungbrett«,systemisch-lösungs-

fokussierterEinstiegindieMedia-

tion,PerspektiveMediation2010/

2S.56ff.)lenktdieGedankender

MediandInnen–mühsamzwaraber

dochbeharrlich–indieerwünschte

Zukunft.Schön,dassKerntkediesen

VersuchmiteinerkleinenAufstel-

lungimRaumverbindet.

› EineVariantedervoninmedioent-

wickeltenKonflikt­Perspektiv­Ana­

lyse(L.Wüstehube,Konflikt-Pers-

pektiv-Analyse(KPA),Perspektive

Mediation2004/1S.18ff.)führtdie

MediandInnenzueinemerstenVer-

stehenundzueinemBeginndes

Perspektivenwechsels.

› DasDoppeln(ChristophThomann,

Klärungshilfe1,2003S.128ff.)der

emotionalenLagedesProjektleiters

führtimmerhinzueinembegrenzten

VerstehenderVertreterindesBau-

herrn.Ichhättemir–auchumdes

Gleichgewichtswillen–auchein

emotionalisierendesDoppelnderJu-

ristingewünscht,umauchbeidem

ProjektleiterdasVerstehender

anderenSeitezufördern.

BewundernswertistdieBeharrlich-

keitdesMediatorsbeiseinerUnter-

stützungderKonfliktparteien,umih-

neneinzufriedenstellendesErgebnis

derMediationzuermöglichen.Dazu

nimmtKerntkeeinesehrgründliche

AbgrenzungvonpersönlichenAusein-

andersetzungenderMediandInnen

unddendifferenziertenInteressen

derbeteiligtenFirmenvor.

DieVisualisierungistgutüberlegt,so

dassdiewichtigstenPunkteauchspä-

ternochzurVerfügungstehen.

SehrimposantwirktderSchlussteil

derDVDineinemTrailermitzahlrei-

chenImpressionenvonderSummer

School,vonderEröffnungundvonSe-

minareinheiten,vonEssenundTrin-

ken,WandernundFeiernundvonder

reizvollenUmgebungderSteiermark.

Fazit: EinBeitrag,dersowohlästhe-

tischwieinhaltlich-fachlichüberzeugt

undfürangehendeMediatorInnen,

MediationsausbilderInnenundFüh-

rungskräfteinOrganisationenberei-

cherndundanregendist.Ichhoffe,ich

habeLustdaraufgemacht,sichdiese

Aufnahmeanzuschauen.

An

zeig

e

Page 62: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

62 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

*KurtSüdmersenAusbilderBM®

*E-Mail:[email protected]

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Ingrid Holler: Mit dir zu reden ist sinnlos! ... Oder? – Konflikte klären durch Mediation mit Schwerpunkt GFK Paderborn 2010, 229 S. ISBN 13: 978-3-87387-729-0 29,90 €

EsistanderZeit,unsendgül-

tigvonderIllusionzuverab-

schieden,dasssichderStärkere

durchsetzenkannunddennochsinn-

volleProblemlösungenentstehen.

Nichtder,dersichmitMachtüberan-

derekonkurrierenddurchsetzt,wird

dieZukunftgewinnen,sondernder,

derseineStärkenundvorallemseine

Schwächenkennt,derjenige,dersich

somitanderenverbindenkann,dass

dasWirgewinnt,gemeinsameZiele

entwickeltwerdenunddurchKoope-

rationsgewinneProblemlösungenauf-

tauchen,dieeinenMehrwertfüral-

leBeteiligtenbringen.IngridHoller

istmitihremBucheinwichtigerBei-

tragzuunseremAnliegen,effektivund

gewaltminderndinKonflikteneinzu-

greifen,gelungen.

DasBuch»Mitdirzuredenistsinn-

los!...Oder?«bietetunseinengutauf-

ichvermute,oh-

nedieseErfah-

rungenwäredasBuch

garnichtentstanden,

jedochhätteesmir

beimLesengehol-

fen,sieexplizitzu

erkennen.

Weretwasüber

dieStruktur,den

Aufbauunddie

Wirkweisevon

Mediationund

GewaltfreierKom-

munikationler-

nenmöchteunddabei

gleichzeitigaufdietiefen

ErfahrungeneinerAusbil-

derinundpraktizierenden

Mediatorin,dieihren

WerthintergrundklarinderGewalt-

freienKommunikationverankerthat,

zurückgreifenmöchte,demseidieses

Buch,dasauchalsNachschlagewerk

zuverwendenist,wärmstensempfoh-

len.FürMenschen,dieaucheinan-

deresMediumzumLernenschätzen,

liegtdemBucheineDVDbei,aufder

IngridHollereineMediationvomBe-

ginnbiszumEndedurchführtundda-

mitdieeinzelnenPhasenundSchritte

komplementärzumBuchsehran-

schaulichdarstellt.

Mit dir zu reden ist sinnlos! ... Oder? Ingrid Holler

Kurt Südmersen

geräumtenWerkzeugkoffer,ausdem

sichjedeundjedernutzbringendbe-

dienenkann,die/dersichanderwich-

tigenAufgabederWeiterentwicklung

unsererGesellschaftbeteiligenmöch-

te.DerUmfangunddieklareStruk-

turdesBucheszeugenvondemerfah-

rungsgesättigtenWissen,dashiersehr

klarverständlichzuPapiergebracht

wurde.DieAutorinarbeitetseitvielen

JahrenalsAusbilderinBMundistei-

nePionierinderGewaltfreienKommu-

nikationinDeutschland.Somitistsie

gleichermaßeninderTheorieundPra-

xisderMediationwieauchderGFKzu

Hause.DurchdieSuchenachAntwor-

tenaufdieFragenderMenschen,die

sieausgebildethat,unddurchihreei-

genePraxisalsMediatorinaufderBa-

sisderGewaltfreienKommunikation

nachMarshallRosenberg,isteinum-

fassendesGrundlagenwerkentstan-

den,indemeindrucksvolldieWert-

haltungunddieMethodendeutlich

werden,diewirbrauchen,uminKon-

fliktenalsunterstützendedrittePartei

auftretenzukönnen.

AlsichdasBuchzurSeitegelegtha-

beundseinerWirkungundFüllenoch

einwenignachsann,fehltemirdoch

nochetwas:Ichhättemirandereinen

oderanderenStelledenHinweisge-

wünscht,dassdieWerteundZiele,die

wirinderMediationundinderGe-

waltfreienKommunikationerreichen

bzw.verwirklichenwollen,einPro-

zesssind,dernachobenoffenist.Und

dieserProzesshatdasPotenzial,dass

wirinihmscheitern.DieFreundlich-

keitderMediatorInnenihreneigenen

Fehlerngegenüber,dieunterdieHaut

gehendenErfahrungeninderMedia-

tion,dieAkzeptanzdesScheiterns,die

ersteinLernenausunseren»schwie-

rigen«Erfahrungenermöglicht,schei-

nenzwarinvielenKapitelndurchund

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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 63

Joachim Bauer: Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt, Blessing Verlag 2011, 202 S. ISBN 978/3/89667/437/1, 18,95 €

AnliegendesNeurobiologen

undArztesJoachimBauerist

es,denMythosdesvermeint-

lichenangeborenenAggressions-

triebesmitdermodernenHirnfor-

schungzuwiderlegenundzuerklären,

nachwelchenRegelnsichzwischen-

menschlicheAggressionentwickelt.

Bauerlegt,ergänztdurchAbbildun-

gen,überzeugenddar,dassesnicht

dieAggressionssystemesind,dieden

Menschenantreiben,sonderndieMo-

tivationssysteme.AusderenSichtist

wederunprovozierteAggressionnoch

Gewalt»lohnend«.IhreGlücksboten-

stoffesendendieMotivationssysteme

nuraus,wennderMenschVertrauen

undsozialeAkzeptanzerlebt.

MancheliebgewordeneÜberzeugung

scheine,soBauer,inzwischennicht

mehrhaltbarzusein,darunterdieAn-

nahme,dieAggression(vonlat.aggre-

di–aufetwaszugehen)seieinTeildes

motiviertenZugehensaufdieWelt.Evo-

lutionärgesehen,dienedasVerhaltens-

programmderAggressionderNot-

wendigkeit,körperlichenSchmerz

abzuwehrenundlebenswichtigeRes-

sourcenzuverteidigen.Beisozialleben-

denLebewesenwiedenMenschenzähl-

tenauchZugehörigkeitundAkzeptanz

zudenlebenswichtigenRessourcen.

DemütigungenundAusgrenzungen,

aberauchArmutwerdenvommensch-

lichenGehirnwiekörperlicherSchmerz

erlebt.DaherführtenbeimMenschen

nichtnurkörperlicheSchmerzenzuAg-

gression,sondernalleErfahrungen,die

ausSichtdesBetroffeneneinersozialen

AusgrenzungoderDemütigunggleich

kommen.WenngeeigneteAggressions-

auslöserangedrohtodertatsächlichzu-

gefügtwerden,kommeesimGehirnzu

einerAktivierungderAngst-sowieder

Ekelzentren,diedannzusätzlichauch

dasStress-undErregungszentrumalar-

mierten(S.54).

DasmenschlicheGehirnbesitzeaußer-

demeinenbiologischverankertenFair-

ness-Messfühler.WogegenFairness-

undGerechtigkeitsgeboteverstoßen

werde,entstehederWunschnachBe-

strafung.DieserMechanismuslässt

sichallerdingsmanipulativeinsetzen:

Anderesystematischzude-humanisie-

renseieinerfolgreichesMittel,umAg-

gressionanzufachenundMenschen

kriegsbereitzumachen.

KommeesimGehirnzueinerAktivie-

rungaggressiverEnergie(»bottom-

updrive«),sowerdediesedurcheinim

StirnhirnsitzendesmoralischesKontroll-

zentrum,welchesdieSichtweisederan-

derenmitinsSpielbringe,gedämpft

(»top-downcontrol«).DerMenschsei

dadurchmitdereinzigartigenFähigkeit

ausgestattet,abzuwägen,obdievor-

handeneaggressiveEnergieineinem

angemessenenVerhältniszumScha-

densteht,denandereerleidenkönnten.

DiemäßigendeWirkungdesimpräfron-

talenCortexsitzendenKontrollzen-

trumsseiallerdingsnursolangeaktiv,

wieeinIndividuumübereineaggres-

siveReaktionnochnachdenke.Wenn

dieEntscheidunggefallenseiundei-

nePersontatsächlichaggressivhandle,

gehedieFähigkeitzurMäßigungverlo-

ren.Wichtigsei,dassdasKontrollzen-

trumindenKindheitsjahrendurchden

ProzessderErziehung»trainiert«werde.

Kinderbrauchen,soBauer,einekonse-

quenteUnterweisungindenRegelndes

sozialenZusammenlebens,damitder

präfrontaleCortexreifenkönne.

»Schmerzgrenze«machtdeutlich,wie

wichtigderersteSchrittist:DasAnge-

botzurKooperationmusserfolgen,be-

voreszurEskalationkommt,inderbe-

gründetenErwartung,dassgezeigte

KooperationmitKooperationbeant-

wortetwird(soferndasGegenüber

nichtpsychischzusehrgestörtist).

Füralle,dieinKonfliktbearbeitungtä-

tigsind,ist»Schmerzgrenze«einwich-

tigesBuch.Esbelegtanhandneurobio-

logischerForschungsergebnisse,dass

undwieMediationundkooperatives

Verhandelnwirken.DasBuchistein

AppellanunsMediatorInnen,aufun-

seremWegweiterzugehen,nichtweil

wiretwa»Gutmenschen«sind,sondern

inderErkenntnis,dassMediationund

kooperativesVerhandelnwirksamsind,

wennwirzuBeginneinerAuseinander-

setzungdemandereninAugenhöhe

undRespektbegegnen.

Schmerzgrenze Joachim Bauer

*IrmgardGöttler-RossetMediatorin(BAFM/BM/SDM),CP-Anwäl-tinimNetzwerkSüdbaden,Supervisorin

*E-Mail:[email protected]

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Irmgard Göttler-Rosset

Page 64: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

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64 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Annette Pestalozzi-Bridel: Worte sind Silber – was ist Gold? Heilsame Geschichten entwickeln in Körper, Bild und Sprache, Klett-Cotta, 266 S. ISBN: 978-3608946642, 32,95 €

WennWorteSilbersind,was

istdannGold?DieZüricher

PsychotherapeutinAnnette

Pestalozzi-BridelgibtinihremBucheine

klareAntwort,diesietheoretischfun-

diertundmitzahlreichenPraxisbeispie-

lenuntermauert.EsgehtumdasErzäh-

lenundUmgestaltenvonGeschichten

inderPsychotherapie,d.h.imbegleite-

tenProzessderProblem-undKonflikt-

lösungunddamitderPersönlichkeits-

entwicklung.Wererwartet–wiemir

dasalsbegeisterteGeschichtensamm-

lerinund-erzähleringeschah–,indie-

semBuch»heilsameGeschichten«zu

entdeckenundHinweisezubekommen,

wannundwiemandieseimBeratungs-

prozesseinsetzt,wirdenttäuschtwer-

den.DieEnttäuschungallerdingslöst

sichbeimLesenschnellauf.Tatsächlich

gehtesumdieArbeitmitundandenin

derRegelproblemfokussiertenKonflikt-

geschichtenderKlienten.Undesgeht

umdieressourcenorientierteUmgestal-

tunginheilsameGeschichten,diehel-

fen,dieeigenenErfahrungenausneu-

enPerspektivenzubetrachtenundals

lichenSystemunddemanSprache

gekoppeltenVerstand.

InsbesondereinStresssituationenverfal-

lenwirinnichtseltenmaladaptive,alte

Verhaltensmuster,dieimsubkortikalen

vorsprachlichenGedächtnis(implizites,

emotionalesErfahrungswissendeslim-

bischenSystems)gespeichertsindund

dort(vorbewusst)ausgelöstwerden.

UmdauerhafteVeränderungzubewir-

ken,müssenauchdiekörperlichen,emp-

findungs-undgefühlsmäßigenKernbe-

wusstseinsformenangesprochenund

neukodiertwerden.AndieseEbeneaber

gelangtmanüberdenKörper,sowie

überBilderundSymbolealsMittlerzwi-

schenunbewusstemKörperraumund

sprachbewusstemVerstand.

ImzweitenTeildesBucheskonkretisiert

dieAutorindenmehrdimensionalenund

multiperspektivischenUmgangmitGe-

schichtenmethodischundpraktischan-

handausführlicherFallbeispiele.Dabei

gehtsieinsbesondereaufvisuelleund

körpersprachlicheMethodenundTech-

nikenzurArbeitmitGeschichtenein:Das

Malen,Modellieren,AufstellenundIns-

zenierenvonsymbolischenBildern.Sie

beschreibtausführlich,wiemanbeider

BildinterpretationmitdenKlientenvor-

geht,wieGenogramme,sozialeAtome,

Lebensflussmodelleu.v.m.gestelltwer-

denkönnen,wiemitAchtsamkeits-und

WahrnehmungsübungenderZugang

zumeigenenKörpergedächtnisgeschult,

undwiedieseEbenemittelsKörperskulp-

turenundpsychodramatischenMetho-

denalsRessourcegenutztwerdenkann.

Worte sind Silber – was ist Gold? Annette Pestalozzi­Bridel

Hanna Milling

KraftquellefürpositiveVeränderungen

zunutzen.WortesindfürdiesenProzess

unerlässlichunddas»Silber«.UmVer-

haltens-undHaltungsänderungenzu

erreichen,sodieAutorin,brauchtesje-

dochmehralsdieverbaleSprache.Wir

müssendenGeschichtenauchaufder

EbenederBild-undSymbolspracheso-

wiederKörpersprachebegegnen.Das

GoldindiesemProzessistsomit»das

multicodierteErforschenvonaltenund

EntwickelnvonneuenGeschichtenin

Körper,BildundSprache«sowie»dieEr-

fahrungdesneuEntdecktenundEntwi-

ckelnameigenenLeib«.MitGeschichten

wirdüberSymbole,BilderundKörper

derZugangzuihrenunbewussten,im-

plizitenInhaltengefunden.DennIn-

haltevonGeschichtensindaufverschie-

denen,miteinanderinWechselwirkung

stehendenEbenengespeichert.Grund-

lageeinesjedenVeränderungsprozesses

isteinemultiperspektivischeundmul-

tidimensionaleBearbeitungderGe-

schichtenindenmiteinandervernetz-

tenGestaltungs-undAusdrucksräumen:

imKörper-,Bild-,undSprachraum.

ImerstenTeilsinddietheoretischen

Grundlagendargestellt.Dieaktuellen

psychologischenundneurobiologischen

ErkenntnissezeigendieBedeutungund

WechselwirkungderdreiEbenenfürun-

serWahrnehmenundHandeln.Dabei

unterscheidetdieAutorin:

› dieneokortikaleVerstandesebene,

alsodiesprachlicheFormvonBe-

wusstsein,und

› diesubkortikale,prä-undnonverbale

FormdesErkennensdesKörperselbst,

welchesbewusstseinsfähigabernicht

anSprachesondernankörperliche

Anzeichengekoppeltist.

› Gewissermaßenzwischendiesenbei-

denEbenenliegtdiebildhafteEbene

desSymbolischenalsBindegliedzwi-

schendemsubsymbolischenkörper-

*Dr.HannaMillingMediatorinBM®,Trainerin,Dozentin

*E-Mail:[email protected]

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Page 65: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

Ankündigung

Ludwigsburg als lohnendes ZielAm16.und17.11.2012wirdinLud-

wigsburgdererstegemeinsameMe-

diationskongressderdreigroßenMe-

diationsverbändeBAFM,BMund

BMWAstattfinden.DiesedreiVerbände

deckeneinweitesSpektrumderMedia-

tionstätigkeitab.Ausgangspunktdes

KongresseswardieÜberzeugungvon

vielenMietgliedernderVerbände,dass

dieZeitreifsei,umfürdiedeutsche

Mediationslandschafteinegemein-

samePlattformderBegegnungunddes

Kennenlernenszubieten.DerKongress

solldieprofilierteTraditionderein-

zelnenVerbändepräsentierenunddie

großengemeinsamenSchnittmengen

herausstellen.NamhafteReferentInnen

habenschonihreTeilnahmezugesagt

undwerdeneinumfassendesPanora-

maderdeutschenundinternationalen

Mediationpräsentieren.

DiewichtigenFelderderMediation:

Familie,GesellschaftundWirtschaft

werdenbeleuchtetundneuerfah-

ren.UmdieseBegegnungzuermög-

lichensindVertreterallerMediations-

richtungenundTeilnehmendeaus

Wirtschaft,Wissenschaft,Verbänden,

Vereinen,Institutionen,Kirchen,Ge-

werkschaften,Hochschulenundsozia-

lenEinrichtungenherzlicheingeladen.

ExzellenteReferentInnenzeigenauf

demKongresswievielseitigunderfolg-

reichMediationeingesetztwerdenkann.

DerOberbürgermeisterderStadtLud-

wigsburg,WernerSpec,übernimmtdie

Schirmherrschaft.DieBundesministerin

derJustizistfüreinenEinführungsvor-

tragangefragt.

Frühbucherrabatt nutzen DerKongresssollfüralleInteressierte,

unabhängigvomEinkommen,bezahl-

barsein.Wersofortbucht,erhältei-

Mediation gemeinsam gestaltenBAFM, BM und BMWA laden ein

Siegfried Rapp

nenattraktivenFrühbucherrabatt.Das

Organisationsteamhatauchschon

HotelsinallenPreiskategorienreser-

viert.VonderJugendherbergebiszum

5-Sterne-Hotelistallesdabei.Recht-

zeitigreservierenistempfehlenswert.

EsbestehtauchdieMöglichkeitei-

neSolidaritätsbuchungzuleisten.Der

Mehrbetragkommtz.B.einemStudie-

rendenzuGute.

Internationale GästeWirerwartenaufdemKongressGäste

ausÖsterreich,derSchweiz,Spanien,

Slowenien,Polen,Tschechienundan-

dereneuropäischenundaußereuropä-

ischenLändern.AuchMiKKwirdseine

wichtigeArbeitaufdemKongressprä-

sentieren.Hierdurchkönneninterna-

tionaleErfahrungenausgetauschtund

neueKontaktegeknüpftwerden.

Ludwigsburg macht mit UmeineechteBegegnungderKongress-

gästemitLudwigsburgzuermöglichen,

wirdesgemeinsameVeranstaltungen

geben.DieHochschulenderStadt,Ver-

eine,VertreterausWirtschaftundKultur

sowiedieStadtverwaltungunterstützen

aktivdenKongress.

Kultur und KongressfestFüreineStadtmitbarockerTradition

istesselbstverständlich,dasseinsobe-

deutenderKongressaucheinenkultu-

rellenundästhetischenGenussbieten

muss.GeplantisteinattraktivesRah-

menprogrammunddasKongressfest

amFreitagabend.

OrganisationFürdieDurchführungdesKongresses

habendiedreiVerbändeeineUnterneh-

mergesellschaft(UG)gegründet.Als

GeschäftsführerwurdeSiegfriedRapp

benannt,derUnterstützungdurch

denUG-Beiraterhält:DetlevBerning

(BM),MartinaWurl(BMWA),Micha-

elPieper(BAFM)undeinfünfköpfiges

Organisationsteamsundzahlreichen

Projektleiternerhält.Fürdieoptimale

KommunikationwurdeeinKongressbü-

roeingerichtet.

Wirfreuenunsaufeinengroßartigen

KongressundeinenMeilensteinin

derdeutschenMediationsgeschich-

te.DieTürenstehenweitoffenfür

MediatorInnenjedwederProvenienz.

KommenSie,bereichernSieunsund

lassenSiesichbereichern.

MitherzlichenGrüßen

IhrSiegfriedRapp,

UG-Geschäftsführer

Infos in Kurzform:

*Kongressbüro:

InfosundAnmeldungen

Marktplatz2,71634Ludwigsburg

Tel:07141/6887992

Fax:07141/6887997

Öffnungszeiten:8.00-18.00Uhr

*Homepage:

www.mediationskongress2012.de

DieHomepagewirdlaufendaktu-

alisiert,undMediatorInnensollten

sieabsofortzudenFavoritenhin-

zufügen!

*E­Mail:

[email protected]

*Kongressort:

Ludwigsburg–barockundmodern,

www.ludwigsburg.de

*Das Kongresszentrum:

ForumamSchlosspark,

www.forum.ludwigsburg.de

65Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Page 66: der Mediation Mediation Wissenschaft? · 2014. 12. 14. · Hans-Dieter Will Daserhältnis V von Mediation und Wissenschaft soll in vier Schritten genauer untersucht werden: Mediation

66

Impressum

Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation

Redaktionsadresse: BM-GeschäftsstelleKassel,Kirchweg80,34119Kassel,fon05617396413,fax05617396412,[email protected],www.bmev.de

Druck: GrafischeWerkstattvon1980GmbH,Yorkstr.48,34123Kassel

Auflage: 2.200Exemplare

Erscheinungsweise: viermaljährlich

Themen des Jahres 2012:*Nr.45»Mediation und angrenzende Verfahren«*Nr.46»Mediation und Coaching« inKooperationmitdemDCV.*Nr.47»Mediation in Organisationen und Wirtschaft «*Nr.48»Mediation als Profession«

FürAnzeigenschaltungenfordernSiebitteunsereMediadatenperE-Mailbeierwin.ruhnau@bmev.deanoderalsdownloadüberwww.bmev.de.Ab Januar 2012 gelten neue Anzeigenpreise.

DerBezugderFachzeitschriftistimMitgliedsbeitrag(auchbeiFördermit-gliedschaft)desBMeingeschlossen.

DieindenArtikelnvertretenenAn-sichtensindnichtbindendeAnsichtenderRedaktion.SpektrumderMedia-tionbringtBeiträgeausallenSpiel-artenvonMediation–gerneauchvonAutorInnen,dienichtBM-Mitgliedersind.WirfreuenunsüberArtikel,Be-richte,Meldungen,kurzeNeuigkeiten,ErgänzungenundVorschläge.BitteauchanFotos,Zeichnungen,Grafiken,Anschaulichesdenken!DieAusgabe45/2012behandeltdasThema»Mediation und angrenzende Verfahren«.DafürsuchenwirnochBeiträge.WirbittenumBeachtungderAutorInnenhinweise.Diesekönnenvonderwebsiteheruntergeladenwerden(www.bmev.de).BittenehmenSievordemSchreibenKontaktmitderRedaktionauf([email protected]).

Redaktionsschluss: 15.Februar2012ISSN 1869­6708

Spektrum der Mediation 44. Ausgabe/4. Quartal 2011

Herausgeber: BundesverbandMediatione.V.BM-GeschäftsstelleKasselKirchweg80,34119Kasselfon05617396413,[email protected],www.bmev.de

Redaktion und Lektorat:ChristineOschmann

Gestaltung:GrafikatelierKöhler,Eschwege

Bildnachweis: AlleBilderstellteLarsHofmannzurVerfügung.DasCopyrightderverwendetenFotografienliegtbeiLarsHofmann.VerwendungundWei-terverbreitungsindohneZustimmungdesFotografennichtgestattet.

Redaktionsbeirat: DieseAusgabehatErwinRuhnauberatendunterstützt.EristweiterhinfürdieAnzeigenzuständig.

ViSdP: SosanAzad

»Der Konflikt weiß alles besser!«WorldWork,QuantenphysikundMediation

Renate Bauer Mehren und Anja Köstler Mit einem Beitrag von Max Schupbach

Max Schupbach arbeitet mit seinem Ansatz des »World Work« in Spannungsgebieten auf der ganzen Welt sowie in Organisationen, Teams und Gruppen. Dieser Ansatz wurde auf der Grundlage der Prozessarbeit Arnold Mindells entwickelt.World Work ermöglicht nicht nur ein ganzheitliches Verständnis von Konflikten, sondern eröffnet Handlungsmöglichkeiten, die in der Mediation bisher nicht verfügbar waren. Der Band führt in die konzeptionellen Grundlagen von World Work ein und beschreibt auf dieser Basis neue Zugänge in der Mediation. Neben Falldarstellungen und Übungsanlei-tungen werden Arbeitsweisen und Konzeptionen von World Work und Media tion in ihren Unterschieden, ihren Gemeinsamkeiten und Ergänzungen dargestellt.

Aus dem Inhalt: *Was ist World Work? *Die Grundannahmen von World Work*World Work in der mediatorischen Praxis *Facilitation und Mediation*Interview mit Max Schupbach

Paperback 192 Seiten, 22,80 €, ISBN 978-3-940112-27-9

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Zubeziehenüberwww.concadoraverlag.dezumPreisvon22,80€.

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