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6 Potentielle Anwendungsbereiche der Elektrokoagulation Die vorstehend dargestellten Anwendungsbeispiele lassen er- warten, daB die Elektrokoagulation ein groBes Potential fur eine Reihe anderer Anwendungen in der Umwelt- und Ent- sorgungstechnik besitzt. Nachfolgend werden weitere mogliche Anwendungsgebiete der Elektrokoagulation aufgefuhrt: - 01-in-Wasser-Emulsionen: Waschemulsionen, Bilgenwas- ser; - Kohlebergbau: Klarung von Wasch- und Grubenwasser und der Flotationsabgange, Schlammentwasserung; - Erzbergbau: Verkurzung der Absetzzeit von Truben (Flota- tionsbergen); Erhohung der Filterleistung; - Metallgewinnung, Metallverarbeitung: Verkurzung der Absetzzeit von Truben, Klarung von Elektrolyse-Laugen; - Kalibergbau und Salinen: Klarung von Kalisalz-Losungen, Klarung der Rohsalze; - Kaolinbergbau, FluBspatbergbau: Klarung der Kaolin- Suspension, Klarung der Flotationsbergetrube; - Zuckerfabriken: Zuckersaftklarung; - Galvanikschlamme: Verbesserung des Entwasserungsver- haltens; - Hafenschlamm: Eindickung, Entwasserungsverhalten; - Aluminium-Industrie: Entwasserung von Rotschlamm, Eingegangen am 10. November 1988 [B5488] NaOH-Ruckgewinnung. Literatur [l] Baer, E. H.: VDI-Ber. 185, 1972. [2] Weintraub, H. H., et al.: Electrochem. SOC. Spring Meeting, May 1976, Abstract No. 261. [3] Snyder, D. D.; Willihnganz, R . A.: Proc. Ind. Waste Conf. 1,31 (1977) S. 782/791. [4] Gidurakos, E., et al.: Behandlung feindisperser Systeme durch Elektrokoagulation, Achema, Frankfurt/M. 1988. [5] De-Pat. 29 10 314 C 2, 1983, Battelle-Institut e. V., Kernfor- schungszentrum Karlsruhe (Erf.: Baukal, W., et al.). [6] DE-Patentanmeldung P 37 39 580.7-45, 07.07.1988, Battelle htitut e. V. (Erf.: Schmitt, R. E., et al.). [7] Muier, B.: Diplomarbeit, FH Niirnberg 1986. [8] Schmitt, N.: Diplomarbeit, FH Niirnberg 1987. [9] Wellhausen, M.: Diplomarbeit, FH FrankfurtlM. 1988. [ 101 Battelle-Institut e. V.: F+E-Arbeiten zur Elektrokoagulation (unveroffentlicht). [ll] Behret, H., et al.: Abtrennung suspendierter Teilchen im Kern- brennstoff-AufbereitungsprozeB PUREX durch Elektrokoagu- lation, BF-R-64.283, KWA 1639 (1980); 02 U 5130 (1981), BF-R-64.685. Der Beitrag von H. Hausen zur Theorie Alfons Vogelpohl** Die Theorie der Rektifikation insbesondere fur die Trennung von Mehrstoffgemischen ist maBgeblich von Hausen mitge- pragt worden. Seine wichtigsten Arbeiten hierzu werden vor- gestellt und diskutiert. Die Theorie der Rektifikation von Gemischen ist heute weit- gehend abgeschlossen. Als Hausen 1922 in die Linde AG ein- trat, zu dem Zeitpunkt noch die Gesellschaft f i r Linde's Eis- maschinen, war die praktische Anwendung der Rektifikation, insbesondere durch die Erfindungen von Pistorius [l] und Cellier-Blumenthal [2] zwar schon weit fortgeschritten, die theoretische Durchdringung stand jedoch noch ganz am An- fang. So hatte Sore1 erst 1893 [3] die Boden-zu-Boden- Rechnung eingefuhrt und das McCabe-Thiele-Diagramm so- wie das HTU-NTU-Konzept waren noch unbekannt. Es ist daher nicht verwunderlich, daB Hausen bei seiner Tatig- * Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 21. bis 23. Sept. 1988 in Hannover. ** Prof. Dr.-Ing. A. Vogelphl, Institut fur Thermische Verfah- renstechnik, Technische Universittit Clausthal, 3392 Clausthal- Zellerfeld. Contribution of H. Hausen to the theory of rectification. The theory of distillation, in particular with respect to multicomponent separation has been strongly influenced by Hausen. His major contributions in this field are presented and discussed. keit in der Linde AG vielfaltige Anregungen zur Verbesserung der Theorie der Rektifikation fand. Seine wichtigsten Arbei- ten hierzu werden im folgenden vorgestellt. 1 Verlustfreie Zerlegung von Gemischen In der 1932 veroffentlichten Arbeit ,Verlustfreie Zerlegung von Gemischen durch umkehrbare Rektifikation" [4] be- schreibt Hausen einen IdealprozeB, der im Gegensatz zu dem ublichen, erstmalig von Gibbs angegebenen IdealprozeB zur Zerlegung von Gemischen keine halbdurchlassigen Wande oder Kolben anwendet, sondern nur Elemente enthalt, die in der Technik allgemein gebrauchlich sind. Da jeder umkehrba- re Vorgang eine stetige Aufeinanderfolge von Gleichge- wichtszustanden darstellt, mu8 bei der umkehrbaren Rektifi- kation an jeder Stelle der Rektifikationssaule der Dampf nicht nur denselben Druck und dieselbe Temperatur wie die Flus- 448 Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 6, S. 448-452 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1989 0009-286X/8910606-0448 $ 02.5010

Der Beitrag von H. Hausen zur Theorie der Rektifikation

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Page 1: Der Beitrag von H. Hausen zur Theorie der Rektifikation

6 Potentielle Anwendungsbereiche der Elektrokoagulation

Die vorstehend dargestellten Anwendungsbeispiele lassen er- warten, daB die Elektrokoagulation ein groBes Potential fur eine Reihe anderer Anwendungen in der Umwelt- und Ent- sorgungstechnik besitzt. Nachfolgend werden weitere mogliche Anwendungsgebiete der Elektrokoagulation aufgefuhrt: - 01-in-Wasser-Emulsionen: Waschemulsionen, Bilgenwas-

ser; - Kohlebergbau: Klarung von Wasch- und Grubenwasser

und der Flotationsabgange, Schlammentwasserung; - Erzbergbau: Verkurzung der Absetzzeit von Truben (Flota-

tionsbergen); Erhohung der Filterleistung; - Metallgewinnung, Metallverarbeitung: Verkurzung der

Absetzzeit von Truben, Klarung von Elektrolyse-Laugen; - Kalibergbau und Salinen: Klarung von Kalisalz-Losungen,

Klarung der Rohsalze; - Kaolinbergbau, FluBspatbergbau: Klarung der Kaolin-

Suspension, Klarung der Flotationsbergetrube; - Zuckerfabriken: Zuckersaftklarung; - Galvanikschlamme: Verbesserung des Entwasserungsver-

haltens;

- Hafenschlamm: Eindickung, Entwasserungsverhalten; - Aluminium-Industrie: Entwasserung von Rotschlamm,

Eingegangen am 10. November 1988 [B5488] NaOH-Ruckgewinnung.

Literatur [l] Baer, E. H.: VDI-Ber. 185, 1972. [2] Weintraub, H. H., et al.: Electrochem. SOC. Spring Meeting, May

1976, Abstract No. 261. [3] Snyder, D. D.; Willihnganz, R. A.: Proc. Ind. Waste Conf. 1,31

(1977) S. 782/791. [4] Gidurakos, E., et al.: Behandlung feindisperser Systeme durch

Elektrokoagulation, Achema, Frankfurt/M. 1988. [5] De-Pat. 29 10 314 C 2, 1983, Battelle-Institut e. V., Kernfor-

schungszentrum Karlsruhe (Erf.: Baukal, W., et al.). [6] DE-Patentanmeldung P 37 39 580.7-45, 07.07.1988, Battelle

h t i t u t e. V. (Erf.: Schmitt, R. E., et al.). [7] Muier, B.: Diplomarbeit, FH Niirnberg 1986. [8] Schmitt, N.: Diplomarbeit, FH Niirnberg 1987. [9] Wellhausen, M.: Diplomarbeit, FH FrankfurtlM. 1988.

[ 101 Battelle-Institut e. V.: F+E-Arbeiten zur Elektrokoagulation (unveroffentlicht).

[ll] Behret, H., et al.: Abtrennung suspendierter Teilchen im Kern- brennstoff-AufbereitungsprozeB PUREX durch Elektrokoagu- lation, BF-R-64.283, KWA 1639 (1980); 02 U 5130 (1981), BF-R-64.685.

Der Beitrag von H. Hausen zur Theorie

Alfons Vogelpohl**

Die Theorie der Rektifikation insbesondere fur die Trennung von Mehrstoffgemischen ist maBgeblich von Hausen mitge- pragt worden. Seine wichtigsten Arbeiten hierzu werden vor- gestellt und diskutiert.

Die Theorie der Rektifikation von Gemischen ist heute weit- gehend abgeschlossen. Als Hausen 1922 in die Linde AG ein- trat, zu dem Zeitpunkt noch die Gesellschaft f i r Linde's Eis- maschinen, war die praktische Anwendung der Rektifikation, insbesondere durch die Erfindungen von Pistorius [l] und Cellier-Blumenthal [2] zwar schon weit fortgeschritten, die theoretische Durchdringung stand jedoch noch ganz am An- fang. So hatte Sore1 erst 1893 [3] die Boden-zu-Boden- Rechnung eingefuhrt und das McCabe-Thiele-Diagramm so- wie das HTU-NTU-Konzept waren noch unbekannt. Es ist daher nicht verwunderlich, daB Hausen bei seiner Tatig-

* Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 21. bis 23. Sept. 1988 in Hannover.

** Prof. Dr.-Ing. A. Vogelphl, Institut fur Thermische Verfah- renstechnik, Technische Universittit Clausthal, 3392 Clausthal- Zellerfeld.

Contribution of H. Hausen to the theory of rectification. The theory of distillation, in particular with respect to multicomponent separation has been strongly influenced by Hausen. His major contributions in this field are presented and discussed.

keit in der Linde AG vielfaltige Anregungen zur Verbesserung der Theorie der Rektifikation fand. Seine wichtigsten Arbei- ten hierzu werden im folgenden vorgestellt.

1 Verlustfreie Zerlegung von Gemischen In der 1932 veroffentlichten Arbeit ,Verlustfreie Zerlegung von Gemischen durch umkehrbare Rektifikation" [4] be- schreibt Hausen einen IdealprozeB, der im Gegensatz zu dem ublichen, erstmalig von Gibbs angegebenen IdealprozeB zur Zerlegung von Gemischen keine halbdurchlassigen Wande oder Kolben anwendet, sondern nur Elemente enthalt, die in der Technik allgemein gebrauchlich sind. Da jeder umkehrba- re Vorgang eine stetige Aufeinanderfolge von Gleichge- wichtszustanden darstellt, mu8 bei der umkehrbaren Rektifi- kation an jeder Stelle der Rektifikationssaule der Dampf nicht nur denselben Druck und dieselbe Temperatur wie die Flus-

448 Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 6, S. 448-452 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1989 0009-286X/8910606-0448 $ 02.5010

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sigkeit, sondern auch die Zusammensetzung haben, die dem Gleichgewicht mit der Fliissigkeit entspricht. Auch darf beim Obergang zum nachsten Rektifikationsboden das Gleichge- wicht nur unendlich wenig gestort werden. Diese Bedingun- gen lassen sich nur erfiillen, wenn man in der Rektifikations- saule unendlich viele Rektifikationsboden anordnet. AuBer- dem miissen sich die Mengen von Fliissigkeit und Dampf von Boden zu Boden nach einer bestimmten Gesetzmaaigkeit an- dern. Bei der in Abb. 1 dargestellten Rektifikationssaule er-

Abb. 1. Luftzerlegung durch umkehrbare Rektifikation [4].

reicht man diese Mengenanderungen dadurch, daB man durch ein Hilfsgas die Boden im oberen Saulenteil R, kiihlt, die im unteren Teil R, beheizt, so daB auf jedem Boden entweder ei- ne sehr kleine Dampfmenge verflussigt oder eine sehr kleine Fliissigkeitsmenge verdampft wird. Die Umkehrbarkeit des gesamten Prozesses setzt ferner voraus, daB jede Warmeiiber- tragung nur bei unendlich kleinen Temperaturdifferenzen und alle Druckanderungen umkehrbar unter Arbeitsleistung oder Arbeitsaufwand durchgefiihrt werden. Auch muB die Zerlegungseinrichtung gegen Warmeeinstromung aus der Umgebung vollkommen geschiitzt sein. Ohne auf die Details in Abb. 1 einzugehen, besteht die Aufga- be des Hilfsgases (in diesem Fall Stickstoff) darin, nach ent- sprechender Verdichtung und Abkiihlung der Blase und den Rektifizierboden im Abtriebsteil durch teilweise Verfliissi- gung die jeweils benotigte Warme zuzufiihren und umgekehrt im Verstarkungsteil durch Verdampfung und damit Warmeab- fuhr das jeweils benotigte Mengenstromverhaltnis von Dampf zu Fliissigkeit einzustellen. Urn dabei die Temperatur des Hilfsgases der nach oben abnehmenden Temperatur der Rek- tifikationsboden anzupassen, mu8 der Druck des Hilfsgases bei jedem Obertritt auf einen neuen Boden unendlich wenig erniedrigt werden, was durch umkehrbare adiabatische Ex- pansion in den Expansionsmaschinen E geschieht. Da dieser von Hausen vorgeschlagene ProzeB nur bekannte Elemente enthalt, war die Basis fur einen technisch relevan- ten VergleichsprozeR geschaffen, dem es sich in der Praxis moglichst anzunahern galt.

2 Berechnungsverfahran Aus der obigen Arbeit resultierende Untersuchungen zum EinfluB der Stromfiihrung von Dmpf und Fliissigkeit in einer Rektifizierkolonne fiihrten zur Entwicklung des ,Ringbo- dens" nach Abb. 2. Denn die eingehenden theoretischen

Oberlegungen [5], wie sie in ahnlicher Weise auch von Kirsch- baum u. a. durchgefiihrt wurden, hatten ergeben, daB neben einer anzustrebenden Unterdriickung jeglicher Vermischung eine gleichsinnjge Fliissigkeitsfiihrung auf benachbarten BO- den den Trenneffekt begiinstigt.

Abb. 2. Ringboden [9].

Neben einem tieferen Verstiindnis der physikalischen Zusam- menhange wares stets auch ein Anliegen von Hausen, die Be- rechnungsverfahren zu vereinfachen. Bekanntlich bildet sich die Stoffbilanz einer Rektifikationskolonne nur dann als Ge- rade ab, wenn die Mengenstrome von Dampf und Fliissigkeit iiber den betrachteten Abschnitt konstant sind. Dies bedeutet im Ponchon-Savarit-Diagramm, daS die Siede- und Taulinie horizontal und parallel verlaufen miissen. Wie Hausen als er- ster gezeigt hat, laBt sich dies mit guter Naherung stets da- durch erreichen, daR man mit ,kalorischen Mengen", das sind die Produkte aus der Stoffmenge multipliziert mit der Ver- dampfungsenthalpie des Stoffes, statt mit Stoffmengen rech- net, da sich die kalorische Menge des Dampf- und Fliissig- keitsstroms in der Kolonne praktisch nicht andert [6]. Bei dem stslndigen Bemiihen von Hausen um eine priizise und eindeutige Ausdrucksweise war es fur ihn hochst unbefriedi- gend, daR das Verstarkungsverhaltnis fur denselben Trennvor- gang unterschiedliche Werte annimmt, je nachdem, ob man es auf die Dampf- oder die Fliissigkeitsphase bezieht. Diesen Umstand beseitigte Hausen durch eine eindeutige Definition, auf deren Vorteil auch heute immer wieder hingewiesen wird und die inzwischen seinen Namen tragt [7]. Wie in Abb. 3 ge- zeigt, wird dies dadurch erreicht, daB man die hde rung der Zusammensetzung einer Phase auf einem praktischen Boden nicht auf die Anderung der Zusammensetzung dieser Phase beim theoretischen Boden (Abb. 3 links), also

bzw.

sondern auf die hde rung der Zusammensetzung bezieht, welche die jeweilige Phase bei Gleichstromfiihrung der bei- den Phasen erfahren wiirde (Abb. 3 rechts), also

(3)

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Page 3: Der Beitrag von H. Hausen zur Theorie der Rektifikation

X- X-

3 Dreistoff rektifikation

I !

I I / 1. i, Xn+i ’

Abb. 3. Links: Austauschgrad nach Murphree [7]; Mitte: Zusammensetzungen; rechts: Aus- tauschgrad nach Hausen [7].

Die erschwerende Rolle des Argons als Mittelsieder bei der Luftzerlegung [8] war Veranlassung fur Hausen, sich intensiv mit der Rektifikation von Dreistoffgemischen zu beschafti- gen. In der grundlegenden Arbeit hierzu aus dem Jahre 1935 [9] schreibt Huusen: ,Die von Thormann und neuerdings Kee- som angegebenen Verfahren ermoglichen zwar grundsatzlich eine von Rektifikationsboden zu Rektifikationsboden fort- schreitende Berechnung der Rektifikation von Dreistoffgemi- schen. Sie vermitteln aber keinen tieferen Einblick in die ver- wickelten Verhaltnisse, die bei der Rektifikation von Drei- stoffgemischen auftreten. uberdies fehlen bisher fiir alle interessierenden Dreistoffgemische zuverlassige und ausrei- chende Unterlagen, um fur alle Mischungsverhaltnisse der siedenden Flussigkeit die Zusammensetzung des mit ihr im Gleichgewicht stehenden Dampfes angeben zu konnen”. Auch hier wurde von Huusen Pionierarbeit geleistet, indem er unter Anwendung der thermodynamischen Beziehung von Duhem-Margules einen Ansatz zur Wiedergabe des realen Verhaltens der Flussigkeit, also des Aktivitatskoeffizienten, bei der Berechnung von Dampf/Flussigkeits-Gleichgewich- ten einfuhrte. Mit diesem Ansatz gelang es, gemessene Gleichgewichtswerte fur Sauerstoff/Stickstoff/Argon-Gemi- sche mit einer Genauigkeit von besser als 0,5 YO wiederzuge- ben. Um den Konzentrationsverlauf in der Rektifiziersaule mog- lichst ubersichtlich beschreiben zu konnen, verla6t Huusen die bis dahin ubliche Boden-zu-Boden-Rechnung und gelangt fur konstante Mengenstrome von Dampf und Flussigkeit uber eine differentielle Bilanz und der Annahme eines allein gas- seitigen und fur alle Komponenten gleichen Stoffaustausch- widerstandes zu der Differentialgleichung fur den Zusam- mensetzungsverlauf des Dampfes in der Trennkolonne

dY2 Y; - Y 2

dY1 Y: - Y1

-=- . (4)

Zur Losung dieser Differentialgleichung entwickelt Hausen ein einfaches graphisches Verfahren; fiir den Fall der ge- schlossenen Rektifikation und ideale Dreistoffgemische gibt er eine geschlossene Losung an. Die wesentlich neue Erkennt- nis aus dieser Untersuchung ist das Auftreten von Rektifika- tionsscheidelinien, deren Bedeutung anhand von Abb. 4 und 5 am Beispiel des Einsaulenapparats zur Luftzerlegung erlau- tert sei. Nimmt man an, daB unten vollstiindig reiner Sauerstoff ge- wonnen wird, so kann man den Sauerstoffanteil y,,? des oben abziehenden Dampfes in gewissen Grenzen beliebig wahlen. Durch yl,o ist dann auch das Mengenstromverhaltnis von Flus- sigkeit zu Dampf vlV mitbestimmt. Berechnet man nunmehr

fur verschiedene Werte von yl,o den Zusammensetzungsver lauf in der Abtriebssaule, so bewegen sich diese Rektifika- tionslinien fury, = 6,15 und 6,s YO 0, zum reinen Argon, fur yl,o = 6,7 und 8 % 0, zum reinen Sauerstoff hin. Zwischen den Rektifikationslinien fur 6,5 und 6,770 0, muB eine ausge- zeichnete Rektifikationslinie liegen, die das Gebiet der dau-

flussige Luft Stickstoff

Abb. 4. Einsaulenapparat zur Luftzerlegung [8].

A r

9A

100% N,

Abb. 5. legung [S]; - Fliissigkeit, ---- Dampf.

Sauerstoffgehalt x, und yI

Rektifikationsverlauf in einer Abtriebsgule zur Luftzer-

450 Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 6, S. 448-452

Page 4: Der Beitrag von H. Hausen zur Theorie der Rektifikation

ernden Argon-Anreicherung von dem der dauernden Sauer- stoff-Anreicherung trennt. Rektifikationslinien dieser Art hat Hawen Rektifikationsscheidelinien genannt. Deren grundle- gende Bedeutung wurde jedoch erst vollends aus der 1946 [ 101 fur ideale Dreistoffgemische gefundenen geschlossenen Losung deutlich, wonach jede Rektifikation innerhalb eines Rektifikationsdreiecks verlauft, dessen Seiten die Rektifika- tionsscheidelinien sind. Die fiir die Rektifikation von Drei- stoffgemischen geltende Differentialgleichung

dY, Y: -Y , dY, Y: - Y , -=-

lautet fur ideale Gemische mit

p? x. y* = 2.2 E ’

E = Z pp xj (7)

und der Gleichung fur die Bilanzgerade

yi = ai + R xi mit (8)

R = LJG , (9)

Dieser Typ von Differentialgleichung zeichnet sich nun da- durch aus, daB er drei Geraden als Losung enthat, die sich wechselseitig schneiden, also ein Dreieck bilden. Abb. 6 zeigt den qualitativen Verlauf einer Losungsschar fur die Flussig- keit und man erkennt, daB diese Geraden die Rektifikations- scheidelinien sind. Die entsprechende Losungsschar fiir den Dampf ist der der Fliissigkeit geometrisch ahnlich. Von diesen Losungskurven oder Rektifikationslinien ist nur der Teil phy- sikalisch sinnvoll, der zum einen im Bereich des Gibbsschen Dreiecks und zum anderen innerhalb des von den Rektifika- tionsscheidelinien gebildeten Rektifikationsdreiecks liegt. Durch eine lineare Koordinatentransformation gelang es Hausen, die Losung der Differentialgleichung (10) auf die fol- gende einfache Form zu bringen

Dabei sind die Ei-Werte die in den drei Eckpunkten des Rek- tifikationsdreiecks geltenden Werte der GI. (7). Fur die Her- leitung sei auf die Originalliteratur verwiesen. Fur den Sonderfall der geschlossenen Rektifikation fallt das Rektifikationsdreieck rnit dem Gibbsschen Dreieck zusam- men und die GI. (11) geht in die vonHausen bereits fruher an- gegebene Form

uber. Fur eine Rektifiziersiiule mit Abtriebs- und Verstarkungsteil gibt es fur jeden Kolonnenteil jeweils ein Rektifikations- dreieck, wobei sich die Dreiecke im Feed-Bereich uberlap- pen. Diese von Hawen fur die Zerlegung von Dreistoffgemischen aufgezeigten Zusammenhange lassen sich am Beispiel der Zweistoffrektifikation im McCabe-Thiele-Diagramm nach Abb. 7 veranschaulichen. Betrachten wir zunachst den Ver- starkungsteil: Der Schnittpunkt zwischen Gleichgewichtslinie

Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 6, S. 448-452

\ \\

Abb. 6. Rektifikationslinien.

- X i”-.--: Abb. 7. McCabe-Thiele-Diagramm.

und Bilanzlinie entspricht den Eckpunkten des Rektifika- tionsdreiecks und eine Rektifikation ist nur in dem dazwi- schen liegenden Bereich moglich unter der zusatzlichen Ein- schrankung, daB die Zusammensetzungen im Bereich 0 I x 5 1 liegen mussen. Durch eine lineare Transformation und Einfuhrung der Variablen 5 und q bzw. f l wird der allgemeine Fall auf den Fall der geschlossenen Rektifikation zuruckge- fuhrt, fur den die Bilanzlinie mit der 45O-Geraden im McCabe-Thiele-Diagramm zusammenfallt. Entsprechendes gilt auch fur den Abtriebsteil, indem man die Koordinaten 5: und q’ bzw. f l ’ einfuhrt. Wie man durch diesen Vergleich erkennt, ist es Hausen rnit sei- ner Darstellung gelungen, die Dreistoffrektifikation ebenso anschaulich zu machen wie die Darstellung der Zweistoffrek- tifikation im McCabe-Thiele-Diagramm. Wie VogeZpohZ[15] gezeigt hat, laat sich die von Hausen fur die Dreistoffrektifika- tion gefundene Darstellung in einfacher Weise auf die Viel- stoffrektifikation ubertragen, wobei fiir jede zusatzliche Komponente eine weitere Gleichung von der Form der GI. (11) auftritt. Fur ein Vierstoffgemisch z. B. erweitert sich das Rektifikationsdreieck zu einem Rektifikationstetraeder, das die Gesamtheit der moglichen Rektifikationslinien ein- schlieBt, und aus den Rektifikationsscheidelinien werden Rektifikationsscheideflachen.

45 1

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4 Widerstandsverteilung bei der Rektif ikation In der grundlegenden Untersuchung zur Dreistoffrektifika- tion von 1935 hat Hausen zunachst vereinfachend angenom- men, daB der Stoffaustauschwiderstand allein in der Gaspha- se liegt. In mehreren von ihm angeregten theoretischen [13-151 und experimentellen Arbeiten [16-191 wurde dieser Frage auch fur reale Gemische nachgegangen und wichtige Beitrage zum EinfluB der Widerstandsverteilung und zur GroBe der Stoffaustauschwiderstande bei der Rektifikation geleistet. Insbesondere liefert hier die Theorie der Dreistoff- rektifikation eine elegante Moglichkeit, aus einem Vergleich von berechneten mit gemessenen Rektifikationslinien die Aufteilung des Stoffaustauschwiderstandes auf die Dampf- und Hiissigkeitsphase zu ermitteln.

5 SchluBwort Bereits die hier referierten wichtigsten Arbeiten von Helmut Hausen zur Rektifikation zeugen von einer ungewohnlich ideenreichen und produktiven Forscherpersonlichkeit und lassen erkennen, wie sehr die theoretischen Grundlagen der Rektifikation von Hausen mitgestaltet wurden. DaB diese Ar- beiten auch in Fachkreisen nicht immer die ihnen gebiihrende Beachtung gefunden haben, hat seine Ursache vornehmlich wohl in der personlichen Bescheidenheit von Helmut Hausen, mindert jedoch nicht die Hochachtung und den Dank, den wir H. Hausen fur seine richtungsweisenden Arbeiten schulden.

Eingegangen am 5 . September 1988 [B 54641

Formelzeichen

ai E EMG EML En n P: R Xi Yi r: 5i 'li

Konstante in der Bilanzgleichung (8) siehe G1. (7) Murphree-Verstarkungsverhaltnis, gasseitig bezogen Murphree-Verstiirkungsverhaltnis, flussigseitig bezogen Hausen-Verstarkungsverhdtnis Bodennummer Dampfdruck der Komponente i Mengenstromverhdtnis FlussigkeitlDampf Anteil der Komponente i in der Fliissigphase Anteil der Komponente i in der Dampfphase Anteil der Komponente i in der Dampfphase im Gleichge- wicht mit der Flussigphase transformierte x-Koordinate transformierte y-Koordinate

Literatur Pistorius, H . L.: PreuBisches Patent 1817. Cellier-Blumenthal, F.: Bulletin de la SociM &Encouragement 1817. Sorel, R. G.: La Rectification de l'Alc001, Paris 1893. Hausen, H.: Z. tech. Phys. 6 (1932) S . 2711277. Hausen, H.: Forsch. Ingenieurwes. 7 (1936) S. 1771181. Hausen, H.: VDI-Z. Beiheft Verfahrenstechnik (1942) S. 17120. Hausen, H.: Chem.-1ng.-Tech. 25 (1953) S . 5951597. Hausen, H.: Forsch. Ingenieurwes. 5 (1934) S. 2901294. Hausen, H.: Forsch. Ingenieurwes. 6 (1935) S. 9122. Hausen, H.: Z. Angew. Phys. 4 (1952) S . 41151. Vogelpohl, A.: Chem.-1ng.-Tech. 42 (1970) S. 137711382. Kuibel, G. E.: Dissertation, TU Miinchen 1987. Rische, E. A.: Z . Angew. Phys. 7 (1955) S. 90/96. Vogelpohl, A,: Forsch. Ingenieurwes. 29 (1963) S. 1541158. Vogelpohl, A.: Chem.-1ng.-Tech. 36 (1964) S. 9071915. Edye, E.: Chem.-1ng.-Tech. 27 (1955) S. 6511660. Klingenspor, H.: Chem.-1ng.-Tech. 31 (1959) S. 5981608. Bevers, K.: Chem.-1ng.-Tech. 39 (1967) S. 27134. Westphely, H.: Chem.-1ng.-Tech. 42 (1970) S . 136711372.

Bioprocess Technology. Kinetics and Reactors. Von A. Moser. Springer-Verlag, Wien - New York 1988. XXX, 451 S., 278 Abb., geb., DM 198,-.

Sieben Jahre nch der deutschen Erstausgabe uber ,BioprozeBtech- nik" liegt nun eine vollig neubearbeitete und in wesentlichen Teilen erweiterte englische Ubersetzung vor. Das Buch behandelt die Reak- tionstechnik mikrobiologischer Systeme, herausragender Schwer- punkt ist die Kinetik biologischer Reaktionsablaufe. Doch zunachst zum Inhalt im einzelnen: Das Buch ist in insgesamt 6 Kapitel gegliedert. Nach einem ersten einfiihrenden Abschnitt wer- den in Kapitel2 das prinzipielle Vorgehen, Fragen der Nomenklatur und der Einsatz unterschiedlicher mathematischer Modelle disku- tiert. Kapitel3 ist mit Bioreaktoren uberschrieben. Behandelt werden homogene und heterogene Systeme, Methoden zur Quantifizierung der wesentlichen Reaktoreigenschaften und die reaktionstechnische Beschreibung von Modellreaktoren. Die folgenden Abschnitte 4 und 5 stoBen zum eigentlichen Kern des Buches vor: Die BioprozeBkine- tik ist gleichzeitig langjahriges Arbeitsgebiet des Autors. Ausgehend von einer Analyse der dominierenden EinfluBgroBen steht die Er- mittlung der kinetischen Parameter im Mittelpunkt. Kinetische An- satze werden mit ansteigendem Komplexitiitsgrad abgeleitet. Ausge-

hend von einfachen unstrukturierten Modellen werden die Produkt- bildung, Multisubstratkinetik, Mischpopulationen und schlieBlich Ansatze einbezogen, die dynamische Aspekte beinhalten. Heteroge- ne Prozesse bilden einen eigenen Schwerpunkt. Im letzten Kapitel werden die bis dahin behandelten Denkansiitze gewissermaBen inte- griert und die Betriebsmoglichkeiten von Bioreaktoren und der Pro- zeBentwurf abgehandelt. Das Buch ist kein Lehrbuch im klassischen Sinne, da viele Formeln und Zusammenhange nicht abgeleitet werden, sondem lediglich auf die entsprechenden Literaturstellen verwiesen wird. Studienbeglei- tend diirfte es fur fortgeschrittene Studenten jedoch auBerst wertvoll sein. Es bereitet den Boden fur die Orientierung zwischen einer gro- Ben Vielzahl hochst unterschiedlicher Denkweisen und mathemati- scher Formulierungsmoglichkeiten. Die groBte Starke des Buches diirfte nach Meinung des Rezensenten in der groBen Anzahl von Literaturstellen (insgesamt ca. 1300) zu se- hen sein, die in ein logisches Denkgebaude eingebunden und dadurch erst erschlossen werden. Deutlich wird auch die Funktion Osterreichs als Briicke zwischen Ost und West in der Einbeziehung der sonst hau- fig vernachlassigten osteuropaischen Literatur. Das Buch wird in In- dustrie und Forschung seinen Platz als wichtiges Standardwerk fin- den. [BB 27011 H. Miirkl, Hamburg

452 Chem.-1ng.-Tech. 61 (1989) Nr. 6, S. 452 0 VCH VerlagsgeseUschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1989 0009-286Xl8910606-0452 $ 02.5010