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Denken - Sprache - Kultur Sprachproduktion: Sprechen & Schreiben Geschichtlicher Überblick Studien Rethinking linguistic relativity

Denken - Sprache - Kultur

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Denken - Sprache - Kultur. Sprachproduktion: Sprechen & Schreiben Geschichtlicher Überblick Studien Rethinking linguistic relativity. Sprachproduktion: Sprechen & Schreiben. 1. Einführung: Sprache als Mittel zur Kommunikation Prozesse der Sprachproduktion 2. Sprechen: - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: Denken - Sprache - Kultur

Denken - Sprache - Kultur

Sprachproduktion: Sprechen & Schreiben

Geschichtlicher Überblick Studien Rethinking linguistic relativity

Page 2: Denken - Sprache - Kultur

Sprachproduktion: Sprechen & Schreiben

1. Einführung: Sprache als Mittel zur Kommunikation

Prozesse der Sprachproduktion

2. Sprechen: Theorie der Sprachproduktion von Bock &

Levelt (1994)

3. Schreiben: Theorie der Prozesse beim Schreiben von

Hayes & Flower (1980)

Page 3: Denken - Sprache - Kultur

„Speech is the representation of the experience of the mind, and writing is the representation of speech.“

(Aristoteles)

Page 4: Denken - Sprache - Kultur

Sprache als Mittel zur Kommunikation

„Kooperationsprinzip“ nach Grice (1967):

1. Quantität:Sprecher vermittelt so viele Informationen wie für das

Verständnis beim Zuhörer notwendig sind und nicht mehr

2. Qualität:Sprecher äussert sich wahrheitsgemäss

3. Relation:Sprecher äussert sich der Situation angemessen

4. Stil:Sprecher drückt sich leicht verständlich aus

Page 5: Denken - Sprache - Kultur

Prozesse der Sprachproduktion

Sprechen erfordert verschiedene Fähigkeiten:• Überlegung, was gesagt werden soll• Auswahl der passenden Wörter• Überführung in die korrekte grammatikalische

Form• Umsetzung in Sprache

Forschung konzentrierte sich auf Fehler beim Sprechen, dazu Dell (1986):

„The inner workings of a highly complex system are often revealed by the way in which the system breaks down.“

Page 6: Denken - Sprache - Kultur

2. Sprechen: Theorie der Sprachproduktion von Bock & Levelt (1994)

Hauptaussage:Informationen über Syntax und Bedeutung des Satzes werden

generell vor Informationen über den Klang gewonnen

-> „2-Phasen-Theorie“ des lexikalischen Zugangs:1) semantische Informationen werden aktiviert2) phonologische Informationen werden erworben

Unterscheidung zwischen: „lemma“ (Bedeutung und Syntax eines Wortes) „lexeme“ (Klang eines Wortes)

-> abgeleitet von dem „Tip-of-the-Tounge“-Phänomen, insofern, als dass lemma das mentale Konzept repräsentiert und lexeme für die Suche nach dem geeigneten Wort steht

Page 7: Denken - Sprache - Kultur

4 Ebenen der Sprachproduktion:

1. NachrichtAspekte der vom Sprecher intendierten Bedeutung

2. Funktionale Verarbeitung– lexikalische Selektion (Wortkonzepte mit

passender Bedeutung werden ausgewählt)– funktionale Zuordnung (grammatikalische und

syntaktische Funktionen wie Subjekt/Objekt werden zugewiesen)

hier werden noch nicht die einzelnen Wörter, die später gesprochen werden, ausgewählt!

Page 8: Denken - Sprache - Kultur

4 Ebenen der Sprachproduktion

3. Positionale Verarbeitung

Struktur des Satzes, der geäussert werden soll, wird festgelegt:

– Zuordnung der Satzteile (die einzelnen Satzelemente werden in die richtige Reihenfolge gebracht)

– Inflexion (die geeigneten Flexionen werden gewählt, d.h. Deklination, Konjugation etc.)

4. Phonologische Enkodierungdie Klangstruktur der Äusserung wird ausgearbeitet

(Rhythmus, Intonation, etc.)

Page 9: Denken - Sprache - Kultur

Versprecher

Theorie vornehmlich durch die Analyse von Versprechern gestützt, die z.T. unter Laborbedingungen künstlich erzeugt wurden

Interpretationen der Versprecher sind stets vorsichtig zu behandeln

dennoch kann man sagen, dass die meisten Versprecher auf spezifische Fehler bei der Sprachproduktion hinweisen!

Page 10: Denken - Sprache - Kultur

Versprecher1. Versprecher bei der funktionalen Verarbeitung

• semantische Substitution (ein Wort wird durch ein anderes derselben Wortklasse ersetzt, v.a. Nomen)

• Vermischung („Der Himmel scheint.“ statt „...ist blau.“ oder „Die Sonne scheint.“)

• Austauschfehler („das Haus aus der Katze lassen“ statt „die Katze aus dem Haus“)

2. Versprecher bei der positionalen Verarbeitung und der phonologischen Enkodierung

• Morphemaustauschfehler (Inflexionen oder Suffixe = Endungen bleiben an der richtigen Stelle, werden aber den falschen Wörtern angehängt: „He has already trunked two packs.“ statt „...packed two trunks.“)

Page 11: Denken - Sprache - Kultur

Versprecher• Spoonerismus (Anfangsbuchstaben eines Wortes oder die

Buchstaben mehrerer Wörter werden vertauscht: „You have hissed all

my mystery lectures.“ statt „...missed all my history lectures.“)

93% der Versprecher geschehen innerhalb eines Satzes,

somit stellt der Satz die wichtigste Einheit bei der Sprachproduktion dar!

Aber: Konzentration auf Versprecher bringt Einschränkungen mit sich

– die meisten Informationen wurden aus Studien gewonnen, die experimentell nicht kontrolliert wurden

– im normalen Redefluss treten manche Versprecher nur mit der Wahrscheinlichkeit von 1/10.000 auf, d.h. sie tragen nichts zum Verständnis der Sprachproduktion bei

– Informationen über die Prosodie fehlen völlig

Page 12: Denken - Sprache - Kultur

Evaluation+ 4 Stadien der Verarbeitung bei der Sprachproduktion

konform zu anderen Theorien+ Studien zu Versprechern (im Labor sowie an Patienten mit

Hirnschädigungen) stützen die Theorie+ Betonung der Prosodie bei der Sprachproduktion - Versprecher können auf verschiedene Arten interpretiert

werden- Kognitive Prozesse und Strukturen, von denen eine

Beteiligung an der Sprachproduktion bereits bekannt ist (z.B.: Arbeitsgedächtnis) werden nicht berücksichtigt

- vermutlich kann man nicht von einer strikten Trennung der 2 Phasen ausgehen

Page 13: Denken - Sprache - Kultur

3. Schreiben:Theorie der Schreibprozesse von Hayes & Flower (1980)

Schreiben sollte nicht separat von anderen sprachlichen Aktivitäten betrachtet werden

am Schreiben sind Prozesse beteiligt, die auch bei anderen kognitiven Tätigkeiten gebraucht werden: Gedächtnis, Zielsetzung, Planung, Problemlösen und Evaluation

3 Betrachtungsebenen:– spezifische Ebene (Fokus auf einzelnen Wörtern)

– generelle Ebene (Struktur und Hauptziel des Verfassers)

– intermediale Ebene (Prozesse zw. Zielsetzung und Schreiben) systematische Überlegungen zu den am Schreiben beteiligten

Prozessen wurden aus „Protokollanalysen“ abgeleitet; der Schwerpunkt der Forschung richtet sich auf die Zielorientierung beim Schreiben.

Page 14: Denken - Sprache - Kultur

Prozesse beim Schreiben

1. Planung– hängt wesentlich vom Wissen über das fragliche

Themengebiet ab (Informationsgenerierung aus dem LZG)– strategisches Wissen spielt eine grosse Rolle bei der

Konstruktion eines Schreibplans (Organisation der Ziele und Subziele)

-> versierte Schreiber setzen dieses Wissen flexibel ein; sie ändern den Plan während dem Schreiben, wenn dieser unbrauchbar wird oder neue Ziele sich auftun

Page 15: Denken - Sprache - Kultur

Prozesse beim Schreiben

2. Satzgenerierung– die Sätze werden konform zum erstellten Plan formuliert, nur

ist die Lücke zwischen Plan und Schreiben gross– endgültige Text ist ca. 8x so lang wie der Abriss– Kaufer et al. (1986) verglichen die Generierungsstile von

Schreibexperten und Laien:• beide Gruppen blieben in 75% der Fälle bei dem Satz,

den sie laut verbalisiert hatten• Unterschiede ergaben sich jedoch in der Satzeinheiten:

für Experten waren diese ca. 11.2 Wörter lang, für Laien nur ca.7.3 Wörter (entspricht der Kapazität des KZG!)

Page 16: Denken - Sprache - Kultur

Prozesse beim Schreiben

3. Revision / Prüfung– Experten brauchen länger als Laien, weil sie sich eher auf

die Kohärenz und die Struktur der vorgebrachten Argumente konzentrieren, wohingegen Laien eher einzelne Sätze und Wörter betrachten.

– Experten fanden in ihren Texten 60% mehr Schwierigkeiten; sie erkannten die Ursache des Problems im Text in 74%, Laien nur in 42% aller Fälle

– die Schwierigkeit bei der Revision besteht darin, den Text so zu verändern, dass er für den intendierten Leser verständlicher wird (auch bei Lehrbüchern!)

Page 17: Denken - Sprache - Kultur

Warum können manche besser schreiben als andere?

Befunde sprechen dafür, dass sich Unterschiede v.a. auf das Stadium der Planung beziehen

das Konzept, das in der Planungsphase entwickelt wurde, entscheidet über die Qualität des späteren Textes -> ein sorgfältiges Konzept schliesst die Planung virtuell ab, bevor mit dem Schreiben begonnen wird

2 Strategien werden beim Planen angewandt1. „Knowledge-Telling“-Strategie (alles zum Thema bekannte wird

ohne Organisation aufgeschrieben)

2. „Knowledge-Transformation“-Strategie (rhetorische und inhaltliche Probleme werden schon in der Planung berücksichtigt)

Experten wenden die 2. Strategie an, die zu Texten von hoher Qualität und guter Strukturierung führt!

Page 18: Denken - Sprache - Kultur

Evaluation

+ grosser Beitrag der Theorie zum allgemeinen Verständnis der Prozesse beim Schreiben

+ Vergleich von guten und schlechten Schreibern erleichtert die Identifikation der Faktoren, die zu guten Texten führen -> Ableitung praktischer Tips

+ zentrale Bedeutung der Planungsphase wurde in anderen Studien bestätigt

- Protokollanalysen geben nur über bewusst ablaufende Prozesse Auskunft

- Trennung der einzelnen Phasen ist nicht möglich- sozialer Aspekt beim Schreiben wird vernachlässigt („the

writer as an agent in a literate community of discourse“)

Page 19: Denken - Sprache - Kultur

Vergleich Sprechen - Schreiben

1. Ähnlichkeiten– der 1. Schritt beim Sprechen und Schreiben besteht darin, den

Sinngehalt festzulegen, bevor die konkreten Wörter ausgewählt werden

– Gould (1978)• fand heraus, dass Menschen ca. 5-6x schneller sprechen als

schreiben• verglich u.a. das Diktieren eines Briefes mit dem Schreiben eines

Briefes -> in beiden Fällen erfordert die Planung 2/3 der aufgewendeten Zeit

Niveau des Briefs hing immer vom Verfasser ab: das Wissen (Vokabular, Grammatik / Themenwissen) ist für Personen stets verfügbar, unabhängig davon, ob sie schreiben, sprechen oder diktieren

Page 20: Denken - Sprache - Kultur

Vergleich Sprechen - Schreiben2. Unterschiede

– Sprechen und Schreiben dienen der Kommunikation, setzen sich aber andere Mittel ein:

• beim Sprechen bedient man sich der Prosodie, um den Sinngehalt und grammatikalische Informationen zu transportieren; auch kann Gestik eingesetzt werden

• beim Schreiben muss man sich auf die Interpunktion verlassen, um dasselbe zu erreichen

– 3 Hauptunterschiede• Sprecher weiss genau, wer Adressat ist

• Sprecher erhält i.d.R. sofortiges Feedback vom Zuhörer (Nicken, Stirnrunzeln etc.)

• Sprecher haben weniger Planungszeit zur Verfügung

-> gesprochene Sprache ist informell und einfach strukturiert, die Information wird schnell mitgeteilt

-> Schriftsprache ist formal und komplex strukturiert; da das Feedback fehlt, muss klar formuliert werden, was länger dauert

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„Die Sprache bedeutet die Grenze meiner Welt.“

(Wittgenstein)

Page 22: Denken - Sprache - Kultur

2. Geschichtlicher Überblick

2 Denkansätze– „Common Sense“:

Die Welt ist eine Tatsache, die unserem Denken und auch unserer Sprache ihre Struktur auferlegt.

-> linguistische Differenzen sind leicht zu beseitigen

– „Linguistische Relativität“:Wir klassifizieren die Welt, die wir wahrnehmen, durch die

Sprache, die in allen Kulturen verschieden ist.

-> Denken wird durch Sprache bedingt

Frage nach dem „Common Sense" hat die abendländische Geistesgeschichte immer beeinflusst

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2. Geschichtlicher Überblick

Augustinus (354-430)Sprache ist schlicht die Nomenklatur für existierende

Konzepte:„Nannten die Erwachsenen irgend einen Gegenstand und wandten

sie sich ihm dabei zu, so nahm ich das wahr und begriff, dass der Gegenstand durch die Laute, die sie aussprachen, bezeichnet

wurde, da sie auf ihn hinweisen wollten. Dies aber entnahm ich aus ihren Gebärden, der natürlichen Sprache aller Völker, der Sprache,

(...) die Empfindungen der Seele anzeigt, (...). So lernte ich nach und nach verstehen, welche Dinge die Wörter bezeichneten, (...).

Und ich brachte, als nun mein Mund sich an diese Zeichen gewöhnt hatte, durch sie meine Wünsche zum Ausdruck.“

Confessiones I/8

Universalitätsgedanke: jedes Wort hat eine Bedeutung und die Bedeutung weist auf einen Gegenstand-> diese kann man lernen!

Page 24: Denken - Sprache - Kultur

2. Geschichtlicher Überblick

Roger Bacon (1220-92)Unterschiede in der Semantik der verschiedenen Sprachen

machen korrekte Übersetzungen unmöglich

Port Royal Grammarians (17.Jhdt)rationalistischer Zugang zur Sprache: gingen von

universalen Denkstrukturen in der zivilisierten Welt aus, aus der sich auch Universalien für die Sprache ergeben

Johann Gottfried von Herder (1744-1803)Denken und Sprache sind untrennbar miteinander

verbunden - starker Einfluss seiner Lehre auf Whorf

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2. Geschichtlicher Überblick

Wilhelm von Humboldt (1767-1835)Sprache als Produkt der Kreativität des menschlichen Geistes; die

innere Sprachform jeder Sprache ist verantwortlich für die Kategorisierung des Wahrgenommenen -> Sprecher verschiedener Sprachen leben in verschiedenen Welten und haben andere Denksysteme - Einfluss auf Whorf

Edward Sapir (1884-1939) und Benjamin Whorf (1897-1941)„Das linguistische Relativitätsprinzip“ - „Sapir-Whorf-Hypothese“: die Grammatik formt den Gedanken, somit kann kein Individuum die

Natur objektiv und unparteilich beschreiben, da der Geist durch die Sprache auf eine bestimmte Interpretationsweise beschränkt ist;

->verschiedene Beobachter können nicht durch die gleichen physikalischen Sachverhalte zu dem gleichen Weltbild kommen

Page 26: Denken - Sprache - Kultur

2. Geschichtlicher Überblick

Kognitive Wende (60er Jahre)durch die kognitiven Wissenschaften, die den Geist als

Kapazität für die Informationsverarbeitung sahen, wurde die Sapir-Whorf-Hypothese wieder verworfen;man fand, dass es gewisse Universalien der menschlichen Wahrnehmung gab (Berlin & Kay (1969) „Basic colour terms“)

Heutedie Universalien werden in einem verstärkt interdisziplinären

Austausch differenzierter betrachtet

=> moderate sprachliche Relativität ( vgl. Wassmann & Dasen, 1998)

Page 27: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Räumliche Repräsentation im interkulturellen Vergleich

Bali

Papua Neuguinea

Australien

Mexiko

Page 28: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Ist links = links? Ist rechts = rechts?

Egozentrisch vs. Geozentrisch

Warum „denken“ andere Kulturen anders über den Raum als wir ?

Wenn uns ein Yupno in Papua Neuguinea den Weg erklärt, verlaufen wir uns dennoch?

Inwiefern beeinflusst der Gebrauch einer Sprache das Denken?

Page 29: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Räumliche Repräsentation und räumliches Verstehen

Erlernen von Kindes Beinen auf

Räumliche Vorstellungen unterliegen vorgegebenen Zwängen

=> natürlich und universal aus egozentrischer Perspektive die Welt wahrzunehmen ?!?!

Page 30: Denken - Sprache - Kultur

Denken & SpracheKant (1768)

„ Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden „:

„In dem körperlichen Raum lassen sich wegen seiner drei Abmessungen drei Flächen denken, die einander insgesamt rechtwinklig schneiden… Die eine dieser Verticalhälften theilt den Körper in zwei äusserliche ähnliche Hälften und giebt

den Grund des Unterschieds der rechten und linken Seite ab…“

Page 31: Denken - Sprache - Kultur

Kanonische Position

Page 32: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Was ist egozentrisch, geozentrisch und intrinsisch?

1) egozentrisch/ relativ: körperzentriert

2) geozentrisch/ absolut: umweltzentriert

3) intrinsisch: objektzentriert

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Page 34: Denken - Sprache - Kultur

Wassmann, J. & Dasen, P. (1998)

Räumliche Orientierung in Bali

moderate sprachliche Relativität

=>

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Page 36: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Bali Präferenz für das absolute und

intrinsische Orientierungssystem Links – rechts Terminologie nur i.Bezug

auf die eigenen Hände und Dinge darin Räumliche Orientierung = spirituelle

Orientierung Erziehung legt viel Wert auf den Erwerb

dieses Bezugssystems Zubettgehen: Kopfseite -> kaja!

Page 37: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Geozentrismus in Bali

GUNUNG AGUNG ist zentraler Vulkan und Sitz aller Hindugötter

eine Richtung beschreibt einen Vektor=>vier Richtungen => vier Vektoren

=> vier Quadranten

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Denken & Sprache

Geozentrismus in (Süd)Bali

kaja -> in Richtung des Berges = heilige reine Richtung (Norden) kelod -> in Richtung des Meeres = unreine Richtung (Süden)

kanging -> Sonnenaufgang= heilig kauh -> Sonnenuntergang

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MT Gunung Agung

Zurück

Page 40: Denken - Sprache - Kultur

variable Hauptachse = kaja – kelod

fixe Achse = kangin - kauh

kaja (Wisnu)

kaja kauh kaja- kangin

centre Siwa kauh (Mahadewa) kangin (Iswara)

kelod- kauhkelod –kangin

kelod (Brahma)

Page 41: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Kosmologie

Hoch kaja Universum Sozialstrk.

Mittel => => =>

Nieder kelod Mensch Dorfstrk.

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Studie zur Enkodierung einer nicht-sprachlichen, räumlichen Präsentation

Paradigma: Präsentation von Stimuli, die räumliche Info enthalten!

Stichprobe: n= 28 Vpn Alter: n = 8 von 7-9

n = 8 von 11-15 n = 12 von 20- 50 Methode: Space Games (MPI Nijmengen) 1). Animal Row + Steves‘ Mazes

2). posthoc Befragung

Page 43: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Implikation Relative Enkodierung => kongruente

Stimuluswahl Absolute Enkodierung => inkongruente

spiegelbildliche Stimuluswahl Beispiel: 1. Ausgangsstumulus

180° C => 2.a)

absolute Enkodierung

2.b) relative Enkodierung

Page 44: Denken - Sprache - Kultur

Denken & SpracheErgebnisse

1. Animals Row alle Vpn zeigten geozentrische Reaktion keine Vp zeigte eine systematische

egozentrische Reaktion

2. Steve´s Mazes ¼ Vpn zeigten absolute kombiniert mit

relativen Reaktionen ¼ der Vpn zeigten nur relative ReaktionenABER: Kinder gebrauchen auch hier

systematisch das absolute Bezugssystem !

Page 45: Denken - Sprache - Kultur

Denken & SpracheInterpretation der Effekte

Animal Row 1.eine sprachliche Enkodierung in einem

nicht-sprachlichen Test 2. eine einfache sprachliche

Enkodierungstrategie und ein sprachliches Memorieren der Info (Anordnung der Tiere) ist möglich.

Bsp: „Ente vorn, Schildkröte mittig und alle schauen nach kaja.“

3. ein einziges Wort aus dem geozentrischen OS reicht aus, um die Info zu enkodieren

Page 46: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Interpretation der EffekteSteve‘s Mazes1. der fehlende Weg zum Haus ist schwierig in

Worte zu fassen

2. Der Weg wurde kinästhetisch memoriert ( Mnemonic mit dem Finger )„I remember the shape; the path goes first left

to right. It cannot be described with kaja- kelod“

ABER: bei Kindern verstärkte diese Strategie die egozentrischen Antworten nicht !!!

Page 47: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Fazit

Alle Vpn können beide Systeme nutzen

Präferenz für das absolute Orientierungssystem - Präsenz des Geozentrismus

Relative Enkodierung bei Steve‘s Mazes, wo absolute Enkodierung Grenzen aufweist.

Page 48: Denken - Sprache - Kultur

Denken & SpracheDiskussion

ein schwacher Alterstrend zur egozentrischen Enkodierung ( vs. Piaget od. Inhelder)

die Art zu Enkodieren ist dann von Sprache und Kultur abhängig, wenn die zu erinnernde Info damit übersetzbar ist

Der Beweis einer sprachlichen Relativität?

Page 49: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Räumliche Orientierung bei den

Tenejapans in Chiapas/Mexico

Levinson & Brown (1994)

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Page 53: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

„xin – wa‘el“ (rechts – links)

Auf Körperteile beschränkt (Arm, Fuß, Ohr, Auge) Anwendung auf Gegenden im Raum nicht möglich

Nur restriktiver Gebrauch von „xin – wa‘el“ keine Einteilung des Raumes, Projektion der

kanonischen Position auf Raum

Page 54: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

„ta ajk‘ol – ta alan“ (bergaufwärts – bergabwärts)

Ableitung von Süd-Nord Gefälle des lokalen Terrains

Absolute/geozentrische Raumkonzeption: Als kardinale Richtungen auch auf flaches Terrain oder anderes Gebiet anwendbar

Page 55: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

„ta jejch“ (Orthogonale zu bergauf/abwärts)

bezeichnet Orthogonale zum Süd-Nord Gefälle Beinhaltet keine Unterscheidung zwischen

West und Ost

Page 56: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Räumliche Orientierung an Hand von 3 Richtungen:

Bergaufwärts (Süden) Bergabwärts (Norden) Orthogonal (Westen & Osten)

Page 57: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

A

C B D

bergaufwärts

bergabwärts

orthogonalorthogonal

Page 58: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Fehlen von rechts/links wird durch den Gebrauch von ‚landmarks‘ kompensiert (topographische Besonderheiten, z.B. Dörfer, Berge, etc.)

Nur mit Hilfe der ‚landmarks‘ ist eine differenziertere Beschreibung der Orthogonale möglich

Page 59: Denken - Sprache - Kultur

´ Denken & Sprache Enantiomere (inkongruente

Gegenstücke/Spiegelbilder)

b d

Page 60: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Problematik der Beschreibung von inkongruenten Gegenstücken in der Tzeltal-Sprache (Fehlen von links/rechts, West/Ost)

These: Fehlende sprachliche Möglichkeiten führen zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung von inkongruenten Gegenstücken.

Werden die Unterschiede überhaupt wahrgenommen?

Page 61: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Überprüfung der These an Hand von ‚space games‘:

Beschreibung von inkongruenten Gegenstücken auf Fotos (z.B. 2 Personen, jeweils unterschiedlich angeordnet)

Oft identische Beschreibung für beide Gegenstücke benutzt

Links/rechts Beschreibung wurde auch teilweise benutzt (nicht für Gegenstände)

Wurden sie explizit nach den Unterschieden auf beiden Fotos gefragt, weigerten sich die Informanten anfangs die Asymmetrie anzuerkennen

Page 62: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache 2. Beschreibung von zwei identischen 3-dimensonalen

Gegenständen (z.B. 2 Flaschen)

3 Strategien: Wenn möglich, wurde von der bergaufwärts/abwärts-

Beschreibung Gebrauch gemacht Wenn Gegenstände genau auf der Orthogonalen

platziert waren, wurde entweder ein deiktisches System benutzt, oder ein drittes, welches auf der Übertragung von Körperteilen auf Gegenständen beruht (am Ohr, Lippen des Tisches)

Alle Strategien waren nutzlos, wenn Gegenstände genau auf der Orthogonalen und der Mitte des Tisches platziert wurden (kein Gebrauch von rechts/links)

Page 63: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

3. Mit Hilfe sprachlicher Instruktionen durch Informanten muss zweite Person eine hölzerne Puppe in eine bestimmte Position bringen

Nur selten wurde rechts/links in dieser Aufgabe gebraucht, obwohl dies doch als sehr nahe liegend erscheint

Fast ausschließlich Gebrauch von ‚bergauf/abwärts‘ und ‚landmarks‘

Scheint auf die Unsicherheit im Gebrauch von links/rechts zurückzuführen sein

Page 64: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

4. Person (mit verbundenen Augen) wird mit Hilfe der sprachlichen Instruktionen eines Informanten (Direktor) über ein flaches Terrain dirigiert

Vergleich mit den 10-jährigen Sohn der Ethnologen zeigt, dass die absolute/geozentrische Raumorientierung der Tenejapan für diese Aufgabe keinerlei Nachteile mit sich bringt (obwohl es flaches Terrain ist und die Person beide Augen verbunden hat)

Beobachtungen im Alltag bestätigen dies (z.B. beim Häuserbau), hier findet Gebrauch von links/recht nur sehr selten statt

Page 65: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Konklusion‚The linguistic gap, actually determines a partial perceptual gap‘:

Schwierigkeit in der Beschreibung von inkongruenten

Gegenstücken führt offenbar zu einer Art Blindheit gegenüber den Unterschieden

Haben Fähigkeit die Unterschiede wahrzunehmen (cf. space game 1), diese werden aber offenbar nicht als grundlegendes

Unterscheidungsmerkmal gewertet (Schwierigkeit der Identifizierung von linker und rechter Hand).

Rechts/links ist nur auf Körperteile und Lebewesen anwendbar

Hauptsächlich Gebrauch von absolutem räumlichen Bezugssystem, sowie von landmarks und einem intrinsischen

System (Übertragung von Körperteilen auf Gegenstände)

Page 66: Denken - Sprache - Kultur

The Yupno as Post-Newtonian Scientists:The Question Of What Is „Natural“ In Spatial Describtion.Wassmann,J. (1994)

Page 67: Denken - Sprache - Kultur

Karte Papua Neuguinea

Page 68: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Körperkonzept

amin = Mensch

ngodin = Körper

freie Seele (Schatten)

= womp

Seele des Körpers

= moňan

Page 69: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

» kanonische Position ist „downstream“ Blick Moraps

»Trennungslinie von der Nase zum Penis => asymmetrische Teile rechts und links des Körpers

Page 70: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Studie zur räumlichen Repräsentation in Gua (Dorf im Yupnotal) n = 14 Vpn Methode: 1. Space Game „Foto- Foto“

28 Paar Fotografien

ein „Director“ beschreibt

ein „Matcher“ wählt identisches Foto aus

2. Spielpaare variierten in Alter, Schulbildung und Geschlecht

Page 71: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

1. Orientierungssystem in Gua uphill (überall) ~ West

the sidebelow~ Süd the side above

~Nord

downhill ~ Ost

Page 72: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Zwei Quadranten

Hauptachse uphill/downhill sind horizontale feste Punkte

1. osodeň:

oso -> up

deň ->the whole area

2.omodeň:

omo-> down

deň-> the whole area

Zwei Quadranten

kürzere transverse Achse

3. ngwisideň:

ngwi-> an area nearby

si-> up…

4. ngwimedeň:

ngwi-> an area nearby

me-> down…

Page 73: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache2. Orientierungssystem in Gua

Präpositionen zur Lokalisierung von Objekten im Raum:

->dahinter, in Richtung, zwischen mir und einer „Grenze“, der höhere Teil des Hauses etc.

Feldnamen oder „Landmarks“-> Dorfnamen und 250 Feldnamen werden

alternativ zum absoluten Bezugsystem genutzt

WICHTIG : sichtbar (ňi) oder nicht ( nang)sowie die Distanz

Page 74: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache Ergebnisse

204179 (122)149124 (63)TOTAL

2111 (8)296 (0)Yavit/Virinone,NS,60

6124 (11)227 (0)Nanguot/Sivik, NS, ~50

1347 (20)718 (16)Megau/Jim, NS, ~50

2212 (10)333 (0)Walkine/Gumeyu,NS,~40

1847 (28)3553 (27) Pol/Koki, S,28; NS,35

618 (8)214 (0)Gumban/Kandat, II., 18

830

(27uphill/do) 233

(3 left/right)

Nayakot/ Yangogwak NS, 16

absolut +

field-name

absolut angles

field-names

relative angles

Players

Page 75: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Beispiele Nayakot/ Yangogwak

Relatives Bezugssystem:„…he is wearing a green (blue) T-shirt and his

right hand holds a stick…..he is standing there and turning his buttocks (to me).“

Pol/ Koki Feldnamen od. örtliche „Landmarks“„…he stands and look down to Mundogon and

a shrub (…) on the side of Teptep village.“

Page 76: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Beispiele

Sivik/ Nanguot

absolutes Bezugssystem:„A man; a very green shrub is to the side

higher up (North), (…)extending his arms higher up (North) and is looking downhill (East) to Mundogon.“

Page 77: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Interpretation Yupnos gebrauchen drei

Bezugssysteme gleichzeitig

jede Sprache bietet Raum für mehrere Bezugs- & Orientierungssysteme

die Anwendung eines Systems ist vom topographischen sowie kulturellen Kontext abhängig

Page 78: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Die räumliche Verankerung der Gestik bei den Guugu Yimidhirr in Nord-Queensland

John B. Haviland (1992)

Page 79: Denken - Sprache - Kultur
Page 80: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Unterschiedliche ‚Fälle‘ (Lokativ, Ablativ..), sowie vorangestellte/angehängte Wortstämme erlauben im alltäglichen

Gebrauch eine äußerst differenzierte Beschreibung von räumlichen Gegebenheiten (Richtung, Ausgangspunkt, Ziel, Länge, usw.)

Kein egozentrisches, sondern geozentrisches Bezugssystem, an Hand von 4 Richtungen

Müssen als 4 Ecken eines horizontalen Rechtecks verstanden werden (Quadranten)

Innerhalb der 4 kardinale Richtungen selbst wiederum Differenzierungen in der Bestimmung von räumlichen

Gegebenheiten möglich (Bewegung, Ziel, Ausgangspunkt..)

Page 81: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Guugu Yimidhirr cardinal directions

gunggaarr

naga

dyibnaarr

guwa

N

W

SO

Page 82: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

Räumliche Verankerung der Gestik: Gleiche Person wurde an zwei verschiedenen

Zeitpunkten (1980/82) dabei gefilmt, wie er die gleiche Geschichte eines Schiffbruchs erzählt.

Gestik der Guugu Yimidhirr ist fest im geozentrischen Bezugssystem verankert

Lokale räumliche Ausrichtung (zum Zeitpunkt der Erzählung) wird nicht von der räumlichen Bewegung

(zum Zeitpunkt, wo sich die Gegebenheit ereignet hat) abgekoppelt

Page 83: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache

gunggarr

nagadyibaarr

guwa

gunggaarr

naga

Hopevale Mission

Jack

Jack

1982

1980

Boot

Page 84: Denken - Sprache - Kultur

Denken & Sprache Untersuchung der beiden Aufnahmen lässt 3 räumliche

Bezugssysteme der Gestik unterscheiden:

„free“ gesture space: Raum direkt vor dem Sprecher, in welchem von ihm unterschiedliche Protagonisten seiner Erzähnlung situiert

werden können (cf. Gebärdensprache) Locally anchored space: unmittelbare Umgebung des Sprechers,

auf welche dieser an Hand des geozentrischen Bezugsystems verweisen kann

Narratively anchored space: ist ebenfalls im geozentrischen Bezugsystem verankert. Ausgangspunkt befindet sich allerdings nicht in der lokalen Umgebung, sondern dem Ort, an welchem

sich die eigentlichen Geschehnisse ereignet haben.

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Denken & Sprache

Selbst die Gestik scheint sich somit dem Einfluss der Sprache nicht entziehen zu

können. Die geozentrische Raumkonzeption führt offensichtlich zu einer Verankerung der Gestik in diesem absoluten Bezugssystems.

Eine grundlegende Frage ist allerdings, ob sich diese Beobachtung in anderen

Sprachgruppen wiederholen lässt, die ebenfalls ein absolutes Bezugsystem

bevorzugen!

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Denken & Sprache

Rethinking linguistic relativity?

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Gibt es dennoch zugrundeliegende

Universaien?