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DENK MAL AN AUGUSTE ! EIN DENKMAL FÜR AUGUSTE D. IN FRANKFURT AM MAIN Auguste D. war die erste bekannte Alzheimer- Patientin. An ihr entdeckte und untersuchte der deutsche Arzt Dr. Alois Alzheimer erstmals die Symptome der nach ihm benannten Krankheit. Die „Entdeckung“ der Alzheimer-Krankheit fand in Frankfurt am Main statt. Hier hat die systematische Erforschung dieser Krankheit vor ziemlich genau 115 Jahren begonnen. Schauplatz dieses für die Medizin bedeutsamen Ereignisses im Jahre 1901 war die Frankfurter Psychiatrische Klinik, in die Auguste Deter am 25. November 1901 als Patientin aufgenommen wurde. Die Patientin Johanna Auguste Karoline D., geb. H., stammt aus Kassel, wo sie am 16. Mai 1850 zur Welt kam. Sie war das dritte von sechs Kindern der Eheleute Johannes und Auguste Wilhelmine H.. Der Vater war Hofbürstenmachermeister (Kassel war Residenz des Kurfürstentums Hessen-Kassel) und Kirchenältester. Er starb am 25. November 1862 mit nur 50 Jahren. Auguste war da erst 12. Verheiratet war Auguste D. seit 1873 mit dem Eisenbahnbeamten Karl D. Mit ihm hatte sie eine Tochter Thekla. 1887 wohnte die Familie in Oberrad, bei ihnen lebte Augustes Mutter. Nach deren Tod im März 1888 zog die Familie D. nach Frankfurt– Sachsenhausen und bezog – nach einigen anderen Adressen - im Jahr 1900 eine Etage des vor allem von Eisenbahnern bewohnten Hauses Mörfelder Landstraße 64, unmittelbar hinter den Gleisen des Bebraer Bahnhofs (heute Südbahnhof). Im März 1901, d.h. mit noch nicht 51 Jahren, entwickelte Auguste D. erste Anzeichen von Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit. Als die Symptome zunahmen und der Ehemann sich nicht mehr zu helfen wusste, brachte er seine Frau am 25. November 1901 in die Städtische Psychiatrie. Auguste D.s Zustand verschlimmerte sich rasch. An eine Entlassung nachhause war nicht zu denken. Am 8. April 1906, erst 55 Jahre alt, starb sie in der Klinik an einer Lungenentzündung. Der Arzt Alois Alzheimer stammt aus dem südlich von Würzburg gelegenen Marktbreit am Main, wo er am 14. Juni 1864 als Sohn eines Notars geboren wurde. Nach dem Medizinstudium u.a. in Würzburg fand er 1888 in der Frankfurter Psychiatrie eine Anstellung als Assistenzarzt. 1894 heiratete er in Frankfurt die wohlhabende verwitwete Cecilie Geisenheimer. Mit ihr hatte er drei Kinder. Die Familie wohnte in der Liebigstraße 53, nur einen kurzen Fußweg von der Psychiatrischen Klinik auf dem Affenstein entfernt. 1895 wurde Alzheimer neben dem Klinikleiter Prof. Sioli Oberarzt. Im Februar 1901 starb seine Frau, erst 40jährig. Im November 1901 begegnete er in der Klinik der gerade aufgenommenen Patientin Auguste D., die ihm wegen ihrer Symptome und ihres Alters besonders auffiel. Seine diagnostischen Interviews mit ihr hat er detailliert handschriftlich notiert; sie sind in der Krankenakte für Auguste D. überliefert. Ein Denkmal Heute leben in Deutschland ca. 1,5 Mill. Menschen mit Demenzerkrankungen (etwa 60% davon sind Fälle einer Demenz vom Typ Alzheimer). Ihre Zahl wird bis 2050 auf 3 Mill. steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt (Deutsche Alzheimer Gesellschaft). Der ist aber z.Zt. nicht in Sicht. In der Öffentlichkeit ist über Demenz immer noch viel zu wenig bekannt. Es herrschen Verdrängung und Stigmatisierung vor. Dabei sind die Krankheitsbilder und -verläufe sehr unterschiedlich und es gibt inzwischen eine Vielfalt an Beratungseinrichtungen für medizinische und pflegerische Versorgungsangebote. Ungeachtet dessen bleibt Demenz eine enorme Herausforderung für den Kranken, seine Angehörigen und Freunde, Ärzte und Pflegepersonal, das soziale Umfeld und die Kommunen. Ein Denkmal für Auguste soll daran erinnern und für einen menschlichen, verständigen und ungezwungenen Umgang mit Demenz werben. Auguste D. ist das „Gesicht“ von „Alzheimer“ geworden. Sie hat Alois Alzheimer als erste Patientin entscheidend wichtige Erkenntnisse über Ursache und Folgen ihrer Erkrankung vermittelt. Ohne sie würden wir möglicherweise nicht von „Alzheimer“ sprechen. Eine künstlerische Installation mit dem Titel „Scherben der Erinnerung – Denk mal an Auguste!“ wird demnächst im Amt für Gesundheit, Breite Gasse 28, dauerhaft ausgestellt werden. Auguste D. 1902 in der Städt. Psychiatrie Verantwortlich für den Inhalt dieses Plakats: Rudolf Dederer, 60323 Frankfurt, Tel. 069-55 85 78 Dank für Unterstützung gilt besonders der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, dem Amt für Gesundheit, dem Institut für Stadtgeschichte, Prof. Konrad und Ulrike Maurer sowie Hans Dieter Schneider. Die Klinik Die Frankfurter Psychiatrie, die „Städtische Anstalt für Irre und Epileptische“, wie ihre offizielle Bezeichnung lautete, befand sich nördlich des Grüneburgwegs und der Wolfsgangstraße auf dem Affensteiner Feld inmitten von Gärten. Heute erstrecken sich auf diesem Gelände die entlang der Hansaallee errichteten Neubauten des Campus Westend der Goethe-Universität. Die Klinik war dort zwischen 1859 und 1864 - damals noch weit vor den Toren der Stadt – von dem Frankfurter Sanitätsrat Dr. Heinrich Hoffmann erbaut und bis 1888 geleitet worden. Heinrich Hoffmann ist der Verfasser des „Struwwelpeter“. Alois Alzheimer ungefähr 1912 Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1904 Direktionsgebäude der Anstalt für Irre und Epileptische auf dem Affenstein

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DENK MAL AN AUGUSTE !EIN DENKMAL FÜR AUGUSTE D. IN FRANKFURT AM MAIN

Auguste D. war die erste bekannte Alzheimer-Patientin. An ihr entdeckte und untersuchte derdeutsche Arzt Dr. Alois Alzheimer erstmals dieSymptome der nach ihm benannten Krankheit.

Die „Entdeckung“ der Alzheimer-Krankheit fandin Frankfurt am Main statt. Hier hat diesystematische Erforschung dieser Krankheit vorziemlich genau 115 Jahren begonnen.

Schauplatz dieses für die Medizin bedeutsamenEreignisses im Jahre 1901 war die FrankfurterPsychiatrische Klinik, in die Auguste Deter am25. November 1901 als Patientin aufgenommenwurde.

Die Patientin

Johanna Auguste Karoline D., geb. H., stammt ausKassel, wo sie am 16. Mai 1850 zur Welt kam. Siewar das dritte von sechs Kindern der EheleuteJohannes und Auguste Wilhelmine H.. Der Vater warHofbürstenmachermeister (Kassel war Residenz desKurfürstentums Hessen-Kassel) und Kirchenältester.Er starb am 25. November 1862 mit nur 50 Jahren.Auguste war da erst 12.

Verheiratet war Auguste D. seit 1873 mit demEisenbahnbeamten Karl D. Mit ihm hatte sie eineTochter Thekla. 1887 wohnte die Familie in Oberrad,bei ihnen lebte Augustes Mutter. Nach deren Tod imMärz 1888 zog die Familie D. nach Frankfurt–Sachsenhausen und bezog – nach einigen anderenAdressen - im Jahr 1900 eine Etage des vor allemvon Eisenbahnern bewohnten Hauses MörfelderLandstraße 64, unmittelbar hinter den Gleisen desBebraer Bahnhofs (heute Südbahnhof).

Im März 1901, d.h. mit noch nicht 51 Jahren,entwickelte Auguste D. erste Anzeichen vonVergesslichkeit und Orientierungslosigkeit. Als dieSymptome zunahmen und der Ehemann sich nichtmehr zu helfen wusste, brachte er seine Frau am 25.November 1901 in die Städtische Psychiatrie.

Auguste D.s Zustand verschlimmerte sich rasch. Aneine Entlassung nachhause war nicht zu denken. Am8. April 1906, erst 55 Jahre alt, starb sie in der Klinikan einer Lungenentzündung.

Der Arzt

Alois Alzheimer stammt aus dem südlich vonWürzburg gelegenen Marktbreit am Main, wo er am14. Juni 1864 als Sohn eines Notars geboren wurde.Nach dem Medizinstudium u.a. in Würzburg fand er1888 in der Frankfurter Psychiatrie eine Anstellungals Assistenzarzt. 1894 heiratete er in Frankfurt diewohlhabende verwitwete Cecilie Geisenheimer. Mitihr hatte er drei Kinder. Die Familie wohnte in derLiebigstraße 53, nur einen kurzen Fußweg von derPsychiatrischen Klinik auf dem Affenstein entfernt.

1895 wurde Alzheimer neben dem Klinikleiter Prof.Sioli Oberarzt. Im Februar 1901 starb seine Frau,erst 40jährig. Im November 1901 begegnete er inder Klinik der gerade aufgenommenen PatientinAuguste D., die ihm wegen ihrer Symptome undihres Alters besonders auffiel. Seine diagnostischenInterviews mit ihr hat er detailliert handschriftlichnotiert; sie sind in der Krankenakte für Auguste D.überliefert.

Ein Denkmal

Heute leben in Deutschland ca. 1,5 Mill. Menschen mitDemenzerkrankungen (etwa 60% davon sind Fälle einerDemenz vom Typ Alzheimer). Ihre Zahl wird bis 2050 auf 3Mill. steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapiegelingt (Deutsche Alzheimer Gesellschaft). Der ist aberz.Zt. nicht in Sicht.

In der Öffentlichkeit ist über Demenz immer noch viel zuwenig bekannt. Es herrschen Verdrängung undStigmatisierung vor. Dabei sind die Krankheitsbilder und-verläufe sehr unterschiedlich und es gibt inzwischen eineVielfalt an Beratungseinrichtungen für medizinische undpflegerische Versorgungsangebote. Ungeachtet dessenbleibt Demenz eine enorme Herausforderung für denKranken, seine Angehörigen und Freunde, Ärzte undPflegepersonal, das soziale Umfeld und die Kommunen.Ein Denkmal für Auguste soll daran erinnern und für einenmenschlichen, verständigen und ungezwungenen Umgangmit Demenz werben.

Auguste D. ist das „Gesicht“ von „Alzheimer“ geworden.Sie hat Alois Alzheimer als erste Patientin entscheidendwichtige Erkenntnisse über Ursache und Folgen ihrerErkrankung vermittelt. Ohne sie würden wirmöglicherweise nicht von „Alzheimer“ sprechen.

Eine künstlerische Installation mit dem Titel „Scherben derErinnerung – Denk mal an Auguste!“ wird demnächst imAmt für Gesundheit, Breite Gasse 28, dauerhaft ausgestelltwerden.

Auguste D.1902 in der Städt. Psychiatrie

Verantwortlich für den Inhalt dieses Plakats: Rudolf Dederer, 60323 Frankfurt, Tel. 069-55 85 78

Dank für Unterstützung gilt besonders der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, demAmt für Gesundheit, dem Institut für Stadtgeschichte, Prof. Konrad und Ulrike Maurersowie Hans Dieter Schneider.

Die Klinik

Die Frankfurter Psychiatrie, die „Städtische Anstalt für Irre undEpileptische“, wie ihre offizielle Bezeichnung lautete, befand sichnördlich des Grüneburgwegs und der Wolfsgangstraße auf demAffensteiner Feld inmitten von Gärten. Heute erstrecken sich aufdiesem Gelände die entlang der Hansaallee errichteten Neubautendes Campus Westend der Goethe-Universität.

Die Klinik war dort zwischen 1859 und 1864 - damals noch weit vorden Toren der Stadt – von dem Frankfurter Sanitätsrat Dr. HeinrichHoffmann erbaut und bis 1888 geleitet worden. Heinrich Hoffmannist der Verfasser des „Struwwelpeter“.

Alois Alzheimerungefähr 1912

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1904

Direktionsgebäude der Anstalt für Irre undEpileptische auf dem Affenstein