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SPOTLIGHT GESUNDHEIT Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen Viele Arztbesuche und unnötige Bilder – Patienten sind medizingläubig, Ärzte technikorientiert Erhebliche Wissensdefizite: Die Hälfte der Bevölkerung glaubt fälschlicher- weise, dass man mit Rückenschmerzen immer zum Arzt gehen sollte 38 Millionen Behandlungsfälle: Jeder fünfte Versicherte geht mindestens einmal im Jahr wegen Rückenschmerzen zum Haus- oder Facharzt Falsche Ansprache: Die behandelnden Ärzte sprechen nur mit jedem zweiten Betroffenen über mögliche psychosoziale Ursachen Unangemessene Diagnostik: Bildgebende Diagnostik wird zu früh und zu oft eingesetzt Unkoordinierter Zugang und Fehlanreize: Hausärzte sollten mehr Steuerungsfunktion übernehmen. Bildgebende Diagnostik sollte nur bei definierten Indikationen erstattet werden Unzureichende Information: Eine effektive Verbreitung von Patienten- informationen und eine bessere Vergütung von Arzt-Patienten-Gesprächen sind erforderlich

Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

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Page 1: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

SPOTLIGHT GESUNDHEIT

Daten Analysen Perspektiven | Nr 5 2016

RuumlckenschmerzenViele Arztbesuche und unnoumltige Bilder ndash

Patienten sind medizinglaumlubig Aumlrzte technikorientiert

Erhebliche Wissensdefizite Die Haumllfte der Bevoumllkerung glaubt faumllschlicher-

weise dass man mit Ruumlckenschmerzen immer zum Arzt gehen sollte

38 Millionen Behandlungsfaumllle Jeder fuumlnfte Versicherte geht mindestens

einmal im Jahr wegen Ruumlckenschmerzen zum Haus- oder Facharzt

Falsche Ansprache Die behandelnden Aumlrzte sprechen nur mit jedem

zweiten Betroffenen uumlber moumlgliche psychosoziale Ursachen

Unangemessene Diagnostik Bildgebende Diagnostik wird zu fruumlh und zu oft

eingesetzt

Unkoordinierter Zugang und Fehlanreize Hausaumlrzte sollten mehr

Steuerungsfunktion uumlbernehmen Bildgebende Diagnostik sollte nur bei

definierten Indikationen erstattet werden

Unzureichende Information Eine effektive Verbreitung von Patienten-

informationen und eine bessere Verguumltung von Arzt-Patienten-Gespraumlchen

sind erforderlich

2 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

Autoren

Eckhard Volbracht Project Manager eckhardvolbracht bertelsmann-stiftungde

Marion Grote-Westrick Senior Project Manager mariongrotewestrickbertelsmann-stiftungde

Andrea Fuumlrchtenicht Project Manager andreafuerchtenichtbertelsmann-stiftungde

Es trifft fast jeden Ruumlckenschmerzen sind ein Volksleiden und stellen ein gravierendes sozialmedizinisches und gesundheitsoumlkono-

misches Problem dar 70 Prozent der deutschen Bevoumllkerung haben mindestens einmal im Jahr mehr oder weniger starke Ruumlckenschmerzen nur 15 Prozent hatten noch nie damit zu tun Bei Ruumlckenschmerzen wird eine Fuumllle diagnosti-scher und therapeutischer Maszlignahmen eingesetzt Die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben fuumlr Arzt-besuche Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Spritzen Physiotherapie operative Eingriffe und Reha-Maszlignahmen belaufen sich auf etwa neun Milliarden Euro jaumlhrlich Hinzu kommen erheb-liche indirekte Belastungen und Kosten durch Arbeits- und Erwerbsunfaumlhigkeit

Diagnostik und Therapie von Ruumlckenschmer- zen erfolgen bislang wenig standardisiert sind in vielen Details umstritten und fallen je nach Arzt-gruppe Einrichtung und Region sehr unterschied- lich aus Die 2010 vom Aumlrztlichen Zentrum fuumlr Qualitaumlt in der Medizin (AumlZQ) der Kassenaumlrzt- lichen Bundesvereinigung und der Bundesaumlrzte-kammer veroumlffentliche Nationale Versorgungs-Leitlinie Kreuzschmerz soll den behandelnden Aumlrzten Orientierung geben und die Versorgung der Patienten verbessern

Fuumlr den bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo hat die Bertels-mann Stiftung die aktuelle Versorgungssituation unter die Lupe genommen Das Institut fuumlr ange-wandte Gesundheitsforschung (InGef) wertete anonymisierte Behandlungsdaten von mehr als sieben Millionen Versicherten von 70 Betriebs- krankenkassen der Jahre 2009 bis 2015 aus ana-lysierte die ruumlckenschmerzbezogenen Arztbesu-che die ambulanten konservativen Behandlungen sowie den Einsatz bildgebender Diagnostik Zent-rale Fragestellung war wie leitliniengerecht die Versorgung erfolgt Zudem ging der bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo der Frage nach wie Patientenerwartun-gen die Haumlufigkeit der Bildgebung beeinflussen Hierzu hat die Bertelsmann Stiftung in einer repraumlsentativen Umfrage die vorherrschenden Ansichten zu Ruumlckenschmerzen im Allgemeinen und zur Versorgung im konkreten Fall erfragt

Erhebliche Wissensdefizite und falsche Erwartungen

Das Ergebnis Vielen Menschen ist nicht bewusst dass Ruumlckenschmerzen oft einfach so kommen und wieder gehen Uumlber die Haumllfte der im Juni 2016 befragten Bundesbuumlrger war der Ansicht dass man mit Ruumlckenschmerzen immer zum Arzt gehen und sich schonen muumlsse Ebenfalls gut 50 Prozent glauben nicht dass Ruumlckenschmerzen bdquooft von alleine verschwindenldquo Zudem gehen sie nicht davon aus dass bdquoman sich schneller erholt wenn man seinen Alltagsverpflichtungen in Beruf und Familie so weit wie moumlglich nachkommtldquo

Etwa 85 Prozent der akuten Ruumlckenschmerzen gelten jedoch als nicht spezifisch und medizinisch harmlos Diese bessern sich meistens nach eini-gen Tagen oder Wochen und erfordern nur eine sehr begrenzte symptomatische medizinische Behandlung Die Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz empfiehlt dazu ausdruumlckliche Erklaumlrungen des Arztes an die Patienten erstens zur Ungefaumlhrlichkeit der meisten Ruumlckenschmer-zen zweitens zur sehr guten Prognose einer Ver-besserung ohne Intervention und drittens dazu wie wichtig die Beibehaltung von Alltagsaktivitauml-ten fuumlr die Genesung ist Diese Informationen haben groszligen Einfluss auf den Umgang mit den Schmerzen und sind sehr bedeutsam fuumlr den wei-teren Krankheitsverlauf

bdquoWenn sich durch das Patienten-Arzt-Gespraumlch und die koumlrperliche Untersuchung keine Hinweise fuumlr einen gefaumlhrlichen Verlauf [hellip] ergeben sollen erst

einmal keine weiteren Unter- suchungen durchgefuumlhrt werdenldquo

PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz (1 Auflage Version 2 06082013)

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 3

Die Ansichten dass man bei Ruumlckenschmerzen immer einen Arzt aufsuchen sollte oder dass Ruumlckenschmerzen abnorme oft irreversible Erscheinungen sind die bdquonicht von alleine verschwindenldquo sind Elemente eines (veralteten) biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnisses demnach entstehen Krankheiten primaumlr durch externe Schaumldigungen und koumlnnen am besten durch medizinische Behandlungen behoben wer-den Die Befragungsergebnisse verdeutlichen dass dieses biomedizinisch gepraumlgte Verstaumlndnis in weiten Teilen der Bevoumllkerung noch immer uumlberwiegt (siehe Abbildung 1) Eine Folge ist die hohe Zahl von Arztbesuchen

38 Millionen Behandlungsfaumllle pro Jahr

20 Prozent aller Versicherten waren 2015 ein oder mehrere Male wegen Ruumlckenschmerzen beim Arzt Die Analysen ergaben gerundet 469 Behandlungsfaumllle (Arztbesuche in verschiede-nen Quartalen oder bei verschiedenen Aumlrzten) je 1000 Versicherte davon 294 beim Hausarzt und 175 bei Aumlrzten anderer Fachgruppen (siehe Abbil-dung 2) Das sind hochgerechnet 38 Millionen Behandlungsfaumllle

Sowohl bei Haus- als auch bei Fachaumlrzten haben die Behandlungen seit 2009 leicht zuge-nommen Mehr als die Haumllfte (57 ) der Patienten mit Ruumlckenschmerzen war mehrfach im Jahr wegen Ruumlckenschmerzen beim Arzt 27 Prozent der Patienten verursachten sogar mehr als vier Behandlungsfaumllle

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu Antworten bdquoweiszlig nichtldquo und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 1 | Quelle TSN Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Aumlrzte beeinflussen Patientenverhalten

Wissensdefizite falsche Therapieerwartungen

und Verhaltensorientierungen der Patienten

resultieren aus vielfaumlltigen Erfahrungen und

Einfluumlssen Den staumlrksten Einfluss hat wie

Studien zeigen der behandelnde Arzt Sein

Verhalten die Informationen die er gibt und

seine Vorgehensweise bestimmen den Umgang

der Betroffenen mit ihren Ruumlckenschmerzen

uumlber Jahre Aumlrzte muumlssen Wissensdefizite und

uumlberzogene Erwartungen von Patienten korri-

gieren Nur so werden sie ihrem Anspruch als

unabhaumlngige vertrauenswuumlrdige Experten

gerecht

Ambulante Behandlungsfaumllle Behandlungsfaumllle beim Haus- undoder Facharzt aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

n Hausaumlrzte nAndere FacharztgruppenAbbildung 2 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Bei Ruumlckenschmerzen sollte man immer einen Arzt aufsuchen

21 31 39 8

Ruumlckenschmerzen verschwinden oft von alleine

12 30 39 19

Bei Ruumlckenschmerzen sollte man sich schonen

20 32 33 16

Man erholt sich schneller von Ruumlckenschmerzen wenn man weiter seinen normalen Verpflichtungen in Beruf und Familie nachgeht

14 28 42 15

2012

167

447

280

2013

169

455

286

2014

174

469

295

2015

175

469

294

2011

165

442

277

2010

164

444

280

2009

161

433

272

4 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

Aumlrztliche Beratung oft unzureichend

Drei Viertel der Patienten werden koumlrperliche Aktivitaumlt und Sport empfohlen wie es der Leitlinie entspricht In der bevoumllkerungsrepraumlsentativen Befragung gab aber knapp die Haumllfte der Patien-ten auch an ihnen sei zu bdquoRuheldquo und bdquoScho-nungldquo geraten worden Ebenso vielen erklaumlrte der behandelnde Arzt ihr Ruumlcken sei bdquokaputtldquo oder bdquoverschlissenldquo Solche Aussagen demotivieren foumlrdern eine passive Einstellung und stehen der Genesung oder Beschwerdelinderung nachhaltig im Weg

Uumlber moumlgliche psychische Krankheitsursachen und die konkrete Arbeits- und Lebenssituation wird zu selten ndash nur mit jedem zweiten Patienten ndash gesprochen Studien zeigen dass Aumlrzte mit einem biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnis haumlufiger krankschreiben und eher zu Bettruhe und einer Verringerung von Alltagsaktivitaumlten raten Sie messen auch bildgebender Diagnostik zu viel Bedeutung bei All das ist nicht leitlinien-konform und hinsichtlich der Patientenorientie-rung und -sicherheit kritisch zu bewerten

Aumlrzte veranlassen zu viele Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Dass bildgebende Verfahren sowohl zu fruumlh als auch zu haumlufig eingesetzt und dazu noch unnoumltig oft wiederholt werden hat der Sachverstaumlndigen- rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-

heitswesen bereits vor 15 Jahren in seinem Gut-achten bdquoBedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlich-keitldquo kritisiert Der bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo zeigt dass diese Uumlber- und Fehlversorgung bei Patien-ten mit Ruumlckenschmerzen immer noch besteht

Entgegen den Leitlinien werden bei vielen Patienten mehrfach Roumlntgenaufnahmen Compu-ter- oder Magnetresonanztomographien (CTs MRTs) gemacht 21 Prozent wurden in den fuumlnf Jahren nach der Diagnose Ruumlckenschmerzen zwei- bis dreimal durchleuchtet sieben Prozent mehr als viermal

Im Jahr 2015 erfolgte bei jedem sechsten Pati-enten eine bildgebende Diagnostik ohne entspre-chende Indikation (ohne bdquoRed Flagsldquo d h Warn-

bdquoIn den uumlberwiegenden Faumlllen liefern Bilder keinen konkreten

Anhaltspunkt fuumlr den Grund von Ruumlckenschmerzen Viele Ursachen

wie Stress Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder Bewegungsmangel lassen sich eben auf keiner Roumlntgen-

oder MRT-Aufnahme erkennenldquoProf Dr med Jean-Franccedilois Chenot Professor fuumlr Allgemeinmedizin und Direktor

der Abteilung Allgemeinmedizin der Universitaumlts-medizin Greifswald ambulant taumltiger Facharzt

5Jeder geht mindestens einmal im Jahr

wegen Ruumlckenschmerzen

zum Arzt

6000000 Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen allein vom Ruumlcken verordneten Aumlrzte im Jahr 2015

der Bevoumllkerung glauben faumllschlicherweise dass man mit Roumlntgen- CT- und MRT-Bildern die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell findet

69

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 5

hinweise etwa auf ausgepraumlgte Laumlhmungen oder den Verdacht auf Entzuumlndung oder Fraktur) Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere juumlngere Erwachsene bei den 20-40-Jaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo wurden knapp ein Drittel mehr Roumlntgenbilder veranlasst als bei den uumlber Vierzigjaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo

Die bildgebende Diagnostik erfolgt oft vor-schnell bei jedem fuumlnften Patienten (22 ) bereits im Quartal der Erstdiagnose Orthopaumlden veran-lassen ein Roumlntgenbild in dieser Zeitspanne vier-mal so haumlufig wie Hausaumlrzte Nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie sollte dies jedoch ohne besondere Indikation fruumlhestens nach sechs bis zwoumllf Wochen erfolgen wenn eine konservative Therapie keinen Erfolg hat Bei mehr als 50 Pro-zent der Patienten wurde aber in den drei Monaten vor der Bildgebung uumlberhaupt kein konservativer Therapieversuch z B Verordnung von Schmerz-mitteln oder Krankengymnastik unternommen

Im Jahr 2015 wurden pro 1000 Patienten mit Ruumlckenschmerzen 375 Bilder erstellt davon 202 Roumlntgenaufnahmen der Wirbelsaumlule 139 MRTs und 34 CTs (siehe Abbildung 3) Waumlhrend die Zahl der Roumlntgen- und CT-Aufnahmen von 2009 bis 2015 um rund 20 Prozent sank stieg die Zahl der MRT-Aufnahmen um 34 Prozent Bei der Gesamt-zahl der MRT-Aufnahmen steht Deutschland nach einer Auswertung der BARMER GEK im inter- nationalen Vergleich an der Spitze Wird die bild-gebende Diagnostik auch zukuumlnftig in diesem Umfang eingesetzt wird durchschnittlich jeder Einwohner etwa drei- bis viermal in seinem Leben aufgrund von Ruumlckenproblemen durch-leuchtet Das betraumlchtliche Ausmaszlig an bildgeben-der Diagnostik birgt die Gefahr falsch-positiver Befunde die zur Verunsicherung der Patienten und zu unnoumltigen Interventionen fuumlhren koumlnnen

Medizinglaumlubigkeit der Bevoumllkerung und aumlrztliche Versorgung verstaumlrken das Problem

Wenn ein Arzt einen Ruumlckenschmerzpatienten intensiv befragt und untersucht und dadurch gefaumlhrliche Verlaumlufe ausschlieszligen kann muss er zunaumlchst keine Bildgebung veranlassen Bei Erklaumlrungsversuchen zu der hohen Zahl bildge-bender Verfahren benennen Aumlrzte jedoch immer wieder den expliziten Patientenwunsch Tatsaumlch-lich zeigen die Befragungsergebnisse des bdquoFak-tencheck Ruumlckenldquo jedoch etwas anderes Fuumlr alle diagnostischen Vorgehensweisen (einschlieszlig-lich der bildgebenden Verfahren) sagen durch-gaumlngig mehr als drei Viertel der Betroffenen

n Roumlntgen nCT nMRT

Abbildung 3 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Anzahl Bildgebungen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

Uumlberdiagnose als Risiko bildgebender Verfahren

Bei nahezu allen Erwachsenen die aumllter als

60 Jahre sind zeigen sich im MRT Anzeichen

degenerativer Veraumlnderungen der Wirbel-

saumlule ndash ob sie nun Ruumlckenschmerzen haben

oder nicht Auch bei CTs und klassischen

Roumlntgenaufnahmen ist das Risiko groszlig irrele-

vante und irrefuumlhrende Befunde zu entdecken

Befunde auf den Bildern werden oft uumlberbe-

wertet Studien belegen Bildgebung und Befun-

derklaumlrung koumlnnen zur Verunsicherung der

Patienten beitragen und zu veraumlnderter Selbst-

wahrnehmung fuumlhren zu unnoumltigen weiteren

Arztbesuchen und Therapien Bilddiagnostik

ist nicht nur teuer sondern verursacht in vielen

Faumlllen auch hohe Folgekosten vor allem durch

Chronifizierung der Ruumlckenschmerzen oder

nicht indizierte Maszlignahmen und Behandlungen

So steht es bereits seit 2010 in der Nationalen

VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

2009

257

45

104

406

2010

257

43

113

413

2011

247

41

118

406

2012

238

39

125

402

2013

229

36

129

394

2014

218

36

135

389

2015

202

34

139

375

6 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

dass ausschlieszliglich der Arzt die jeweilige Maszlig-nahme vorgeschlagen habe (siehe Abbildung 5) Auf der anderen Seite glauben jedoch 69 Prozent der Bevoumllkerung dass man mit Bildgebung die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig findet ndash und sie erwarten vom Arzt eine entsprechende Verordnung (siehe Abbildung 4) Aumlrzte ruumlcken diese Erwartungen in der Praxis nicht ausreichend zurecht und veranlassen haumlufiger auch entgegen der Leitlinie eine Roumlntgen- CT- oder MRT-Auf-nahme So scheint es dass sich die Erwartungs-haltungen von Arzt und Patient gegenseitig ver-staumlrken und Patienten den aumlrztlichen Vorschlag einer Bildgebung gern annehmen

Erhebliche regionale Unterschiede

Das Verhalten von Patienten und Aumlrzten ist regi-onal sehr unterschiedlich So gehen gesetzlich Versicherte mit Ruumlckenschmerzen in Hamburg Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz viel seltener zum Arzt als in Berlin oder Bayern Die Zahl der Behandlungsfaumllle pro 1000 Versicherte und Jahr variiert auf Bundeslandebene zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin Auf Kreis-ebene gibt es Unterschiede um mehr als das Doppelte So betrug die durchschnittliche Anzahl von Behandlungsfaumlllen in den Jahren 2009 bis 2015 in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin und

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu

Antworten weiszlig nicht und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 4 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

28 41 26 5

Durch Roumlntgenbilder und Aufnahmen in der bdquoRoumlhreldquo findet der Arzt die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell

Ein Arzt sollte bei Ruumlckenschmerzen schnellstmoumlglich eine Untersuchung in der bdquoRoumlhreldquo oder ein Roumlntgenbild veranlassen

30 30 30 10

n nur Arzt nnur Patient nArzt und Patient | Patienten mit Ruumlckenschmerzen in den letzten zwoumllf Monaten Angaben in Prozent n = 243 Befragung Juni 2016Abbildung 5 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Initiator des bildgebenden Verfahrens

Vorbild Ontario MRT-Rate um 30 Prozent gesenkt

2012 hat das Gesundheitsministerium der kana-

dischen Provinz Ontario das Programm ISAEC zur

Versorgung von Patienten mit Ruumlckenschmerzen

initiiert Mit den Patienten werden anhand eines

Fragebogens sowie eines einstuumlndiges Untersu-

chungs- und Behandlungsgespraumlchs Strategien

zum Umgang mit den Ruumlckenschmerzen erarbei-

tet und ggf naumlchste Behandlungsschritte fest-

gelegt Zeitgleich wurde die Verguumltung fuumlr bild-

gebende Diagnostik bei Ruumlckenschmerzen ohne

erkennbaren gefaumlhrlichen Verlauf fuumlr Aumlrzte

auszligerhalb von ISAEC gestrichen Seitdem ist die

Zahl der verordneten Aufnahmen deutlich zuruumlck-

gegangen und das Risiko der Chronifizierung

gesunken ndash bei sehr hohen Zufriedenheitswerten

von Patienten (99 ) und Hausaumlrzten (97 )

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Anzahl von Bildgebungen der Wirbelsaumlule je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 6 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

3378

3423

3445

3554

3652

3666

3742

3872

4015

4060

4137

4142

4153

4287

4338

4407

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Berlin

Thuumlringen

Hessen

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Bayern

Hamburg

Baden-Wuumlrttemberg

Rheinland-Pfalz

Saarland

CT MRT

76

12

12

Roumlntgenaufnahme

80

6

14

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 2: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

2 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

Autoren

Eckhard Volbracht Project Manager eckhardvolbracht bertelsmann-stiftungde

Marion Grote-Westrick Senior Project Manager mariongrotewestrickbertelsmann-stiftungde

Andrea Fuumlrchtenicht Project Manager andreafuerchtenichtbertelsmann-stiftungde

Es trifft fast jeden Ruumlckenschmerzen sind ein Volksleiden und stellen ein gravierendes sozialmedizinisches und gesundheitsoumlkono-

misches Problem dar 70 Prozent der deutschen Bevoumllkerung haben mindestens einmal im Jahr mehr oder weniger starke Ruumlckenschmerzen nur 15 Prozent hatten noch nie damit zu tun Bei Ruumlckenschmerzen wird eine Fuumllle diagnosti-scher und therapeutischer Maszlignahmen eingesetzt Die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben fuumlr Arzt-besuche Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Spritzen Physiotherapie operative Eingriffe und Reha-Maszlignahmen belaufen sich auf etwa neun Milliarden Euro jaumlhrlich Hinzu kommen erheb-liche indirekte Belastungen und Kosten durch Arbeits- und Erwerbsunfaumlhigkeit

Diagnostik und Therapie von Ruumlckenschmer- zen erfolgen bislang wenig standardisiert sind in vielen Details umstritten und fallen je nach Arzt-gruppe Einrichtung und Region sehr unterschied- lich aus Die 2010 vom Aumlrztlichen Zentrum fuumlr Qualitaumlt in der Medizin (AumlZQ) der Kassenaumlrzt- lichen Bundesvereinigung und der Bundesaumlrzte-kammer veroumlffentliche Nationale Versorgungs-Leitlinie Kreuzschmerz soll den behandelnden Aumlrzten Orientierung geben und die Versorgung der Patienten verbessern

Fuumlr den bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo hat die Bertels-mann Stiftung die aktuelle Versorgungssituation unter die Lupe genommen Das Institut fuumlr ange-wandte Gesundheitsforschung (InGef) wertete anonymisierte Behandlungsdaten von mehr als sieben Millionen Versicherten von 70 Betriebs- krankenkassen der Jahre 2009 bis 2015 aus ana-lysierte die ruumlckenschmerzbezogenen Arztbesu-che die ambulanten konservativen Behandlungen sowie den Einsatz bildgebender Diagnostik Zent-rale Fragestellung war wie leitliniengerecht die Versorgung erfolgt Zudem ging der bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo der Frage nach wie Patientenerwartun-gen die Haumlufigkeit der Bildgebung beeinflussen Hierzu hat die Bertelsmann Stiftung in einer repraumlsentativen Umfrage die vorherrschenden Ansichten zu Ruumlckenschmerzen im Allgemeinen und zur Versorgung im konkreten Fall erfragt

Erhebliche Wissensdefizite und falsche Erwartungen

Das Ergebnis Vielen Menschen ist nicht bewusst dass Ruumlckenschmerzen oft einfach so kommen und wieder gehen Uumlber die Haumllfte der im Juni 2016 befragten Bundesbuumlrger war der Ansicht dass man mit Ruumlckenschmerzen immer zum Arzt gehen und sich schonen muumlsse Ebenfalls gut 50 Prozent glauben nicht dass Ruumlckenschmerzen bdquooft von alleine verschwindenldquo Zudem gehen sie nicht davon aus dass bdquoman sich schneller erholt wenn man seinen Alltagsverpflichtungen in Beruf und Familie so weit wie moumlglich nachkommtldquo

Etwa 85 Prozent der akuten Ruumlckenschmerzen gelten jedoch als nicht spezifisch und medizinisch harmlos Diese bessern sich meistens nach eini-gen Tagen oder Wochen und erfordern nur eine sehr begrenzte symptomatische medizinische Behandlung Die Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz empfiehlt dazu ausdruumlckliche Erklaumlrungen des Arztes an die Patienten erstens zur Ungefaumlhrlichkeit der meisten Ruumlckenschmer-zen zweitens zur sehr guten Prognose einer Ver-besserung ohne Intervention und drittens dazu wie wichtig die Beibehaltung von Alltagsaktivitauml-ten fuumlr die Genesung ist Diese Informationen haben groszligen Einfluss auf den Umgang mit den Schmerzen und sind sehr bedeutsam fuumlr den wei-teren Krankheitsverlauf

bdquoWenn sich durch das Patienten-Arzt-Gespraumlch und die koumlrperliche Untersuchung keine Hinweise fuumlr einen gefaumlhrlichen Verlauf [hellip] ergeben sollen erst

einmal keine weiteren Unter- suchungen durchgefuumlhrt werdenldquo

PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz (1 Auflage Version 2 06082013)

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 3

Die Ansichten dass man bei Ruumlckenschmerzen immer einen Arzt aufsuchen sollte oder dass Ruumlckenschmerzen abnorme oft irreversible Erscheinungen sind die bdquonicht von alleine verschwindenldquo sind Elemente eines (veralteten) biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnisses demnach entstehen Krankheiten primaumlr durch externe Schaumldigungen und koumlnnen am besten durch medizinische Behandlungen behoben wer-den Die Befragungsergebnisse verdeutlichen dass dieses biomedizinisch gepraumlgte Verstaumlndnis in weiten Teilen der Bevoumllkerung noch immer uumlberwiegt (siehe Abbildung 1) Eine Folge ist die hohe Zahl von Arztbesuchen

38 Millionen Behandlungsfaumllle pro Jahr

20 Prozent aller Versicherten waren 2015 ein oder mehrere Male wegen Ruumlckenschmerzen beim Arzt Die Analysen ergaben gerundet 469 Behandlungsfaumllle (Arztbesuche in verschiede-nen Quartalen oder bei verschiedenen Aumlrzten) je 1000 Versicherte davon 294 beim Hausarzt und 175 bei Aumlrzten anderer Fachgruppen (siehe Abbil-dung 2) Das sind hochgerechnet 38 Millionen Behandlungsfaumllle

Sowohl bei Haus- als auch bei Fachaumlrzten haben die Behandlungen seit 2009 leicht zuge-nommen Mehr als die Haumllfte (57 ) der Patienten mit Ruumlckenschmerzen war mehrfach im Jahr wegen Ruumlckenschmerzen beim Arzt 27 Prozent der Patienten verursachten sogar mehr als vier Behandlungsfaumllle

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu Antworten bdquoweiszlig nichtldquo und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 1 | Quelle TSN Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Aumlrzte beeinflussen Patientenverhalten

Wissensdefizite falsche Therapieerwartungen

und Verhaltensorientierungen der Patienten

resultieren aus vielfaumlltigen Erfahrungen und

Einfluumlssen Den staumlrksten Einfluss hat wie

Studien zeigen der behandelnde Arzt Sein

Verhalten die Informationen die er gibt und

seine Vorgehensweise bestimmen den Umgang

der Betroffenen mit ihren Ruumlckenschmerzen

uumlber Jahre Aumlrzte muumlssen Wissensdefizite und

uumlberzogene Erwartungen von Patienten korri-

gieren Nur so werden sie ihrem Anspruch als

unabhaumlngige vertrauenswuumlrdige Experten

gerecht

Ambulante Behandlungsfaumllle Behandlungsfaumllle beim Haus- undoder Facharzt aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

n Hausaumlrzte nAndere FacharztgruppenAbbildung 2 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Bei Ruumlckenschmerzen sollte man immer einen Arzt aufsuchen

21 31 39 8

Ruumlckenschmerzen verschwinden oft von alleine

12 30 39 19

Bei Ruumlckenschmerzen sollte man sich schonen

20 32 33 16

Man erholt sich schneller von Ruumlckenschmerzen wenn man weiter seinen normalen Verpflichtungen in Beruf und Familie nachgeht

14 28 42 15

2012

167

447

280

2013

169

455

286

2014

174

469

295

2015

175

469

294

2011

165

442

277

2010

164

444

280

2009

161

433

272

4 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

Aumlrztliche Beratung oft unzureichend

Drei Viertel der Patienten werden koumlrperliche Aktivitaumlt und Sport empfohlen wie es der Leitlinie entspricht In der bevoumllkerungsrepraumlsentativen Befragung gab aber knapp die Haumllfte der Patien-ten auch an ihnen sei zu bdquoRuheldquo und bdquoScho-nungldquo geraten worden Ebenso vielen erklaumlrte der behandelnde Arzt ihr Ruumlcken sei bdquokaputtldquo oder bdquoverschlissenldquo Solche Aussagen demotivieren foumlrdern eine passive Einstellung und stehen der Genesung oder Beschwerdelinderung nachhaltig im Weg

Uumlber moumlgliche psychische Krankheitsursachen und die konkrete Arbeits- und Lebenssituation wird zu selten ndash nur mit jedem zweiten Patienten ndash gesprochen Studien zeigen dass Aumlrzte mit einem biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnis haumlufiger krankschreiben und eher zu Bettruhe und einer Verringerung von Alltagsaktivitaumlten raten Sie messen auch bildgebender Diagnostik zu viel Bedeutung bei All das ist nicht leitlinien-konform und hinsichtlich der Patientenorientie-rung und -sicherheit kritisch zu bewerten

Aumlrzte veranlassen zu viele Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Dass bildgebende Verfahren sowohl zu fruumlh als auch zu haumlufig eingesetzt und dazu noch unnoumltig oft wiederholt werden hat der Sachverstaumlndigen- rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-

heitswesen bereits vor 15 Jahren in seinem Gut-achten bdquoBedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlich-keitldquo kritisiert Der bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo zeigt dass diese Uumlber- und Fehlversorgung bei Patien-ten mit Ruumlckenschmerzen immer noch besteht

Entgegen den Leitlinien werden bei vielen Patienten mehrfach Roumlntgenaufnahmen Compu-ter- oder Magnetresonanztomographien (CTs MRTs) gemacht 21 Prozent wurden in den fuumlnf Jahren nach der Diagnose Ruumlckenschmerzen zwei- bis dreimal durchleuchtet sieben Prozent mehr als viermal

Im Jahr 2015 erfolgte bei jedem sechsten Pati-enten eine bildgebende Diagnostik ohne entspre-chende Indikation (ohne bdquoRed Flagsldquo d h Warn-

bdquoIn den uumlberwiegenden Faumlllen liefern Bilder keinen konkreten

Anhaltspunkt fuumlr den Grund von Ruumlckenschmerzen Viele Ursachen

wie Stress Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder Bewegungsmangel lassen sich eben auf keiner Roumlntgen-

oder MRT-Aufnahme erkennenldquoProf Dr med Jean-Franccedilois Chenot Professor fuumlr Allgemeinmedizin und Direktor

der Abteilung Allgemeinmedizin der Universitaumlts-medizin Greifswald ambulant taumltiger Facharzt

5Jeder geht mindestens einmal im Jahr

wegen Ruumlckenschmerzen

zum Arzt

6000000 Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen allein vom Ruumlcken verordneten Aumlrzte im Jahr 2015

der Bevoumllkerung glauben faumllschlicherweise dass man mit Roumlntgen- CT- und MRT-Bildern die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell findet

69

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 5

hinweise etwa auf ausgepraumlgte Laumlhmungen oder den Verdacht auf Entzuumlndung oder Fraktur) Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere juumlngere Erwachsene bei den 20-40-Jaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo wurden knapp ein Drittel mehr Roumlntgenbilder veranlasst als bei den uumlber Vierzigjaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo

Die bildgebende Diagnostik erfolgt oft vor-schnell bei jedem fuumlnften Patienten (22 ) bereits im Quartal der Erstdiagnose Orthopaumlden veran-lassen ein Roumlntgenbild in dieser Zeitspanne vier-mal so haumlufig wie Hausaumlrzte Nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie sollte dies jedoch ohne besondere Indikation fruumlhestens nach sechs bis zwoumllf Wochen erfolgen wenn eine konservative Therapie keinen Erfolg hat Bei mehr als 50 Pro-zent der Patienten wurde aber in den drei Monaten vor der Bildgebung uumlberhaupt kein konservativer Therapieversuch z B Verordnung von Schmerz-mitteln oder Krankengymnastik unternommen

Im Jahr 2015 wurden pro 1000 Patienten mit Ruumlckenschmerzen 375 Bilder erstellt davon 202 Roumlntgenaufnahmen der Wirbelsaumlule 139 MRTs und 34 CTs (siehe Abbildung 3) Waumlhrend die Zahl der Roumlntgen- und CT-Aufnahmen von 2009 bis 2015 um rund 20 Prozent sank stieg die Zahl der MRT-Aufnahmen um 34 Prozent Bei der Gesamt-zahl der MRT-Aufnahmen steht Deutschland nach einer Auswertung der BARMER GEK im inter- nationalen Vergleich an der Spitze Wird die bild-gebende Diagnostik auch zukuumlnftig in diesem Umfang eingesetzt wird durchschnittlich jeder Einwohner etwa drei- bis viermal in seinem Leben aufgrund von Ruumlckenproblemen durch-leuchtet Das betraumlchtliche Ausmaszlig an bildgeben-der Diagnostik birgt die Gefahr falsch-positiver Befunde die zur Verunsicherung der Patienten und zu unnoumltigen Interventionen fuumlhren koumlnnen

Medizinglaumlubigkeit der Bevoumllkerung und aumlrztliche Versorgung verstaumlrken das Problem

Wenn ein Arzt einen Ruumlckenschmerzpatienten intensiv befragt und untersucht und dadurch gefaumlhrliche Verlaumlufe ausschlieszligen kann muss er zunaumlchst keine Bildgebung veranlassen Bei Erklaumlrungsversuchen zu der hohen Zahl bildge-bender Verfahren benennen Aumlrzte jedoch immer wieder den expliziten Patientenwunsch Tatsaumlch-lich zeigen die Befragungsergebnisse des bdquoFak-tencheck Ruumlckenldquo jedoch etwas anderes Fuumlr alle diagnostischen Vorgehensweisen (einschlieszlig-lich der bildgebenden Verfahren) sagen durch-gaumlngig mehr als drei Viertel der Betroffenen

n Roumlntgen nCT nMRT

Abbildung 3 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Anzahl Bildgebungen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

Uumlberdiagnose als Risiko bildgebender Verfahren

Bei nahezu allen Erwachsenen die aumllter als

60 Jahre sind zeigen sich im MRT Anzeichen

degenerativer Veraumlnderungen der Wirbel-

saumlule ndash ob sie nun Ruumlckenschmerzen haben

oder nicht Auch bei CTs und klassischen

Roumlntgenaufnahmen ist das Risiko groszlig irrele-

vante und irrefuumlhrende Befunde zu entdecken

Befunde auf den Bildern werden oft uumlberbe-

wertet Studien belegen Bildgebung und Befun-

derklaumlrung koumlnnen zur Verunsicherung der

Patienten beitragen und zu veraumlnderter Selbst-

wahrnehmung fuumlhren zu unnoumltigen weiteren

Arztbesuchen und Therapien Bilddiagnostik

ist nicht nur teuer sondern verursacht in vielen

Faumlllen auch hohe Folgekosten vor allem durch

Chronifizierung der Ruumlckenschmerzen oder

nicht indizierte Maszlignahmen und Behandlungen

So steht es bereits seit 2010 in der Nationalen

VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

2009

257

45

104

406

2010

257

43

113

413

2011

247

41

118

406

2012

238

39

125

402

2013

229

36

129

394

2014

218

36

135

389

2015

202

34

139

375

6 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

dass ausschlieszliglich der Arzt die jeweilige Maszlig-nahme vorgeschlagen habe (siehe Abbildung 5) Auf der anderen Seite glauben jedoch 69 Prozent der Bevoumllkerung dass man mit Bildgebung die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig findet ndash und sie erwarten vom Arzt eine entsprechende Verordnung (siehe Abbildung 4) Aumlrzte ruumlcken diese Erwartungen in der Praxis nicht ausreichend zurecht und veranlassen haumlufiger auch entgegen der Leitlinie eine Roumlntgen- CT- oder MRT-Auf-nahme So scheint es dass sich die Erwartungs-haltungen von Arzt und Patient gegenseitig ver-staumlrken und Patienten den aumlrztlichen Vorschlag einer Bildgebung gern annehmen

Erhebliche regionale Unterschiede

Das Verhalten von Patienten und Aumlrzten ist regi-onal sehr unterschiedlich So gehen gesetzlich Versicherte mit Ruumlckenschmerzen in Hamburg Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz viel seltener zum Arzt als in Berlin oder Bayern Die Zahl der Behandlungsfaumllle pro 1000 Versicherte und Jahr variiert auf Bundeslandebene zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin Auf Kreis-ebene gibt es Unterschiede um mehr als das Doppelte So betrug die durchschnittliche Anzahl von Behandlungsfaumlllen in den Jahren 2009 bis 2015 in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin und

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu

Antworten weiszlig nicht und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 4 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

28 41 26 5

Durch Roumlntgenbilder und Aufnahmen in der bdquoRoumlhreldquo findet der Arzt die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell

Ein Arzt sollte bei Ruumlckenschmerzen schnellstmoumlglich eine Untersuchung in der bdquoRoumlhreldquo oder ein Roumlntgenbild veranlassen

30 30 30 10

n nur Arzt nnur Patient nArzt und Patient | Patienten mit Ruumlckenschmerzen in den letzten zwoumllf Monaten Angaben in Prozent n = 243 Befragung Juni 2016Abbildung 5 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Initiator des bildgebenden Verfahrens

Vorbild Ontario MRT-Rate um 30 Prozent gesenkt

2012 hat das Gesundheitsministerium der kana-

dischen Provinz Ontario das Programm ISAEC zur

Versorgung von Patienten mit Ruumlckenschmerzen

initiiert Mit den Patienten werden anhand eines

Fragebogens sowie eines einstuumlndiges Untersu-

chungs- und Behandlungsgespraumlchs Strategien

zum Umgang mit den Ruumlckenschmerzen erarbei-

tet und ggf naumlchste Behandlungsschritte fest-

gelegt Zeitgleich wurde die Verguumltung fuumlr bild-

gebende Diagnostik bei Ruumlckenschmerzen ohne

erkennbaren gefaumlhrlichen Verlauf fuumlr Aumlrzte

auszligerhalb von ISAEC gestrichen Seitdem ist die

Zahl der verordneten Aufnahmen deutlich zuruumlck-

gegangen und das Risiko der Chronifizierung

gesunken ndash bei sehr hohen Zufriedenheitswerten

von Patienten (99 ) und Hausaumlrzten (97 )

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Anzahl von Bildgebungen der Wirbelsaumlule je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 6 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

3378

3423

3445

3554

3652

3666

3742

3872

4015

4060

4137

4142

4153

4287

4338

4407

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Berlin

Thuumlringen

Hessen

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Bayern

Hamburg

Baden-Wuumlrttemberg

Rheinland-Pfalz

Saarland

CT MRT

76

12

12

Roumlntgenaufnahme

80

6

14

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 3: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 3

Die Ansichten dass man bei Ruumlckenschmerzen immer einen Arzt aufsuchen sollte oder dass Ruumlckenschmerzen abnorme oft irreversible Erscheinungen sind die bdquonicht von alleine verschwindenldquo sind Elemente eines (veralteten) biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnisses demnach entstehen Krankheiten primaumlr durch externe Schaumldigungen und koumlnnen am besten durch medizinische Behandlungen behoben wer-den Die Befragungsergebnisse verdeutlichen dass dieses biomedizinisch gepraumlgte Verstaumlndnis in weiten Teilen der Bevoumllkerung noch immer uumlberwiegt (siehe Abbildung 1) Eine Folge ist die hohe Zahl von Arztbesuchen

38 Millionen Behandlungsfaumllle pro Jahr

20 Prozent aller Versicherten waren 2015 ein oder mehrere Male wegen Ruumlckenschmerzen beim Arzt Die Analysen ergaben gerundet 469 Behandlungsfaumllle (Arztbesuche in verschiede-nen Quartalen oder bei verschiedenen Aumlrzten) je 1000 Versicherte davon 294 beim Hausarzt und 175 bei Aumlrzten anderer Fachgruppen (siehe Abbil-dung 2) Das sind hochgerechnet 38 Millionen Behandlungsfaumllle

Sowohl bei Haus- als auch bei Fachaumlrzten haben die Behandlungen seit 2009 leicht zuge-nommen Mehr als die Haumllfte (57 ) der Patienten mit Ruumlckenschmerzen war mehrfach im Jahr wegen Ruumlckenschmerzen beim Arzt 27 Prozent der Patienten verursachten sogar mehr als vier Behandlungsfaumllle

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu Antworten bdquoweiszlig nichtldquo und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 1 | Quelle TSN Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Aumlrzte beeinflussen Patientenverhalten

Wissensdefizite falsche Therapieerwartungen

und Verhaltensorientierungen der Patienten

resultieren aus vielfaumlltigen Erfahrungen und

Einfluumlssen Den staumlrksten Einfluss hat wie

Studien zeigen der behandelnde Arzt Sein

Verhalten die Informationen die er gibt und

seine Vorgehensweise bestimmen den Umgang

der Betroffenen mit ihren Ruumlckenschmerzen

uumlber Jahre Aumlrzte muumlssen Wissensdefizite und

uumlberzogene Erwartungen von Patienten korri-

gieren Nur so werden sie ihrem Anspruch als

unabhaumlngige vertrauenswuumlrdige Experten

gerecht

Ambulante Behandlungsfaumllle Behandlungsfaumllle beim Haus- undoder Facharzt aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

n Hausaumlrzte nAndere FacharztgruppenAbbildung 2 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Bei Ruumlckenschmerzen sollte man immer einen Arzt aufsuchen

21 31 39 8

Ruumlckenschmerzen verschwinden oft von alleine

12 30 39 19

Bei Ruumlckenschmerzen sollte man sich schonen

20 32 33 16

Man erholt sich schneller von Ruumlckenschmerzen wenn man weiter seinen normalen Verpflichtungen in Beruf und Familie nachgeht

14 28 42 15

2012

167

447

280

2013

169

455

286

2014

174

469

295

2015

175

469

294

2011

165

442

277

2010

164

444

280

2009

161

433

272

4 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

Aumlrztliche Beratung oft unzureichend

Drei Viertel der Patienten werden koumlrperliche Aktivitaumlt und Sport empfohlen wie es der Leitlinie entspricht In der bevoumllkerungsrepraumlsentativen Befragung gab aber knapp die Haumllfte der Patien-ten auch an ihnen sei zu bdquoRuheldquo und bdquoScho-nungldquo geraten worden Ebenso vielen erklaumlrte der behandelnde Arzt ihr Ruumlcken sei bdquokaputtldquo oder bdquoverschlissenldquo Solche Aussagen demotivieren foumlrdern eine passive Einstellung und stehen der Genesung oder Beschwerdelinderung nachhaltig im Weg

Uumlber moumlgliche psychische Krankheitsursachen und die konkrete Arbeits- und Lebenssituation wird zu selten ndash nur mit jedem zweiten Patienten ndash gesprochen Studien zeigen dass Aumlrzte mit einem biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnis haumlufiger krankschreiben und eher zu Bettruhe und einer Verringerung von Alltagsaktivitaumlten raten Sie messen auch bildgebender Diagnostik zu viel Bedeutung bei All das ist nicht leitlinien-konform und hinsichtlich der Patientenorientie-rung und -sicherheit kritisch zu bewerten

Aumlrzte veranlassen zu viele Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Dass bildgebende Verfahren sowohl zu fruumlh als auch zu haumlufig eingesetzt und dazu noch unnoumltig oft wiederholt werden hat der Sachverstaumlndigen- rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-

heitswesen bereits vor 15 Jahren in seinem Gut-achten bdquoBedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlich-keitldquo kritisiert Der bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo zeigt dass diese Uumlber- und Fehlversorgung bei Patien-ten mit Ruumlckenschmerzen immer noch besteht

Entgegen den Leitlinien werden bei vielen Patienten mehrfach Roumlntgenaufnahmen Compu-ter- oder Magnetresonanztomographien (CTs MRTs) gemacht 21 Prozent wurden in den fuumlnf Jahren nach der Diagnose Ruumlckenschmerzen zwei- bis dreimal durchleuchtet sieben Prozent mehr als viermal

Im Jahr 2015 erfolgte bei jedem sechsten Pati-enten eine bildgebende Diagnostik ohne entspre-chende Indikation (ohne bdquoRed Flagsldquo d h Warn-

bdquoIn den uumlberwiegenden Faumlllen liefern Bilder keinen konkreten

Anhaltspunkt fuumlr den Grund von Ruumlckenschmerzen Viele Ursachen

wie Stress Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder Bewegungsmangel lassen sich eben auf keiner Roumlntgen-

oder MRT-Aufnahme erkennenldquoProf Dr med Jean-Franccedilois Chenot Professor fuumlr Allgemeinmedizin und Direktor

der Abteilung Allgemeinmedizin der Universitaumlts-medizin Greifswald ambulant taumltiger Facharzt

5Jeder geht mindestens einmal im Jahr

wegen Ruumlckenschmerzen

zum Arzt

6000000 Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen allein vom Ruumlcken verordneten Aumlrzte im Jahr 2015

der Bevoumllkerung glauben faumllschlicherweise dass man mit Roumlntgen- CT- und MRT-Bildern die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell findet

69

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 5

hinweise etwa auf ausgepraumlgte Laumlhmungen oder den Verdacht auf Entzuumlndung oder Fraktur) Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere juumlngere Erwachsene bei den 20-40-Jaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo wurden knapp ein Drittel mehr Roumlntgenbilder veranlasst als bei den uumlber Vierzigjaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo

Die bildgebende Diagnostik erfolgt oft vor-schnell bei jedem fuumlnften Patienten (22 ) bereits im Quartal der Erstdiagnose Orthopaumlden veran-lassen ein Roumlntgenbild in dieser Zeitspanne vier-mal so haumlufig wie Hausaumlrzte Nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie sollte dies jedoch ohne besondere Indikation fruumlhestens nach sechs bis zwoumllf Wochen erfolgen wenn eine konservative Therapie keinen Erfolg hat Bei mehr als 50 Pro-zent der Patienten wurde aber in den drei Monaten vor der Bildgebung uumlberhaupt kein konservativer Therapieversuch z B Verordnung von Schmerz-mitteln oder Krankengymnastik unternommen

Im Jahr 2015 wurden pro 1000 Patienten mit Ruumlckenschmerzen 375 Bilder erstellt davon 202 Roumlntgenaufnahmen der Wirbelsaumlule 139 MRTs und 34 CTs (siehe Abbildung 3) Waumlhrend die Zahl der Roumlntgen- und CT-Aufnahmen von 2009 bis 2015 um rund 20 Prozent sank stieg die Zahl der MRT-Aufnahmen um 34 Prozent Bei der Gesamt-zahl der MRT-Aufnahmen steht Deutschland nach einer Auswertung der BARMER GEK im inter- nationalen Vergleich an der Spitze Wird die bild-gebende Diagnostik auch zukuumlnftig in diesem Umfang eingesetzt wird durchschnittlich jeder Einwohner etwa drei- bis viermal in seinem Leben aufgrund von Ruumlckenproblemen durch-leuchtet Das betraumlchtliche Ausmaszlig an bildgeben-der Diagnostik birgt die Gefahr falsch-positiver Befunde die zur Verunsicherung der Patienten und zu unnoumltigen Interventionen fuumlhren koumlnnen

Medizinglaumlubigkeit der Bevoumllkerung und aumlrztliche Versorgung verstaumlrken das Problem

Wenn ein Arzt einen Ruumlckenschmerzpatienten intensiv befragt und untersucht und dadurch gefaumlhrliche Verlaumlufe ausschlieszligen kann muss er zunaumlchst keine Bildgebung veranlassen Bei Erklaumlrungsversuchen zu der hohen Zahl bildge-bender Verfahren benennen Aumlrzte jedoch immer wieder den expliziten Patientenwunsch Tatsaumlch-lich zeigen die Befragungsergebnisse des bdquoFak-tencheck Ruumlckenldquo jedoch etwas anderes Fuumlr alle diagnostischen Vorgehensweisen (einschlieszlig-lich der bildgebenden Verfahren) sagen durch-gaumlngig mehr als drei Viertel der Betroffenen

n Roumlntgen nCT nMRT

Abbildung 3 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Anzahl Bildgebungen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

Uumlberdiagnose als Risiko bildgebender Verfahren

Bei nahezu allen Erwachsenen die aumllter als

60 Jahre sind zeigen sich im MRT Anzeichen

degenerativer Veraumlnderungen der Wirbel-

saumlule ndash ob sie nun Ruumlckenschmerzen haben

oder nicht Auch bei CTs und klassischen

Roumlntgenaufnahmen ist das Risiko groszlig irrele-

vante und irrefuumlhrende Befunde zu entdecken

Befunde auf den Bildern werden oft uumlberbe-

wertet Studien belegen Bildgebung und Befun-

derklaumlrung koumlnnen zur Verunsicherung der

Patienten beitragen und zu veraumlnderter Selbst-

wahrnehmung fuumlhren zu unnoumltigen weiteren

Arztbesuchen und Therapien Bilddiagnostik

ist nicht nur teuer sondern verursacht in vielen

Faumlllen auch hohe Folgekosten vor allem durch

Chronifizierung der Ruumlckenschmerzen oder

nicht indizierte Maszlignahmen und Behandlungen

So steht es bereits seit 2010 in der Nationalen

VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

2009

257

45

104

406

2010

257

43

113

413

2011

247

41

118

406

2012

238

39

125

402

2013

229

36

129

394

2014

218

36

135

389

2015

202

34

139

375

6 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

dass ausschlieszliglich der Arzt die jeweilige Maszlig-nahme vorgeschlagen habe (siehe Abbildung 5) Auf der anderen Seite glauben jedoch 69 Prozent der Bevoumllkerung dass man mit Bildgebung die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig findet ndash und sie erwarten vom Arzt eine entsprechende Verordnung (siehe Abbildung 4) Aumlrzte ruumlcken diese Erwartungen in der Praxis nicht ausreichend zurecht und veranlassen haumlufiger auch entgegen der Leitlinie eine Roumlntgen- CT- oder MRT-Auf-nahme So scheint es dass sich die Erwartungs-haltungen von Arzt und Patient gegenseitig ver-staumlrken und Patienten den aumlrztlichen Vorschlag einer Bildgebung gern annehmen

Erhebliche regionale Unterschiede

Das Verhalten von Patienten und Aumlrzten ist regi-onal sehr unterschiedlich So gehen gesetzlich Versicherte mit Ruumlckenschmerzen in Hamburg Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz viel seltener zum Arzt als in Berlin oder Bayern Die Zahl der Behandlungsfaumllle pro 1000 Versicherte und Jahr variiert auf Bundeslandebene zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin Auf Kreis-ebene gibt es Unterschiede um mehr als das Doppelte So betrug die durchschnittliche Anzahl von Behandlungsfaumlllen in den Jahren 2009 bis 2015 in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin und

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu

Antworten weiszlig nicht und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 4 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

28 41 26 5

Durch Roumlntgenbilder und Aufnahmen in der bdquoRoumlhreldquo findet der Arzt die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell

Ein Arzt sollte bei Ruumlckenschmerzen schnellstmoumlglich eine Untersuchung in der bdquoRoumlhreldquo oder ein Roumlntgenbild veranlassen

30 30 30 10

n nur Arzt nnur Patient nArzt und Patient | Patienten mit Ruumlckenschmerzen in den letzten zwoumllf Monaten Angaben in Prozent n = 243 Befragung Juni 2016Abbildung 5 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Initiator des bildgebenden Verfahrens

Vorbild Ontario MRT-Rate um 30 Prozent gesenkt

2012 hat das Gesundheitsministerium der kana-

dischen Provinz Ontario das Programm ISAEC zur

Versorgung von Patienten mit Ruumlckenschmerzen

initiiert Mit den Patienten werden anhand eines

Fragebogens sowie eines einstuumlndiges Untersu-

chungs- und Behandlungsgespraumlchs Strategien

zum Umgang mit den Ruumlckenschmerzen erarbei-

tet und ggf naumlchste Behandlungsschritte fest-

gelegt Zeitgleich wurde die Verguumltung fuumlr bild-

gebende Diagnostik bei Ruumlckenschmerzen ohne

erkennbaren gefaumlhrlichen Verlauf fuumlr Aumlrzte

auszligerhalb von ISAEC gestrichen Seitdem ist die

Zahl der verordneten Aufnahmen deutlich zuruumlck-

gegangen und das Risiko der Chronifizierung

gesunken ndash bei sehr hohen Zufriedenheitswerten

von Patienten (99 ) und Hausaumlrzten (97 )

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Anzahl von Bildgebungen der Wirbelsaumlule je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 6 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

3378

3423

3445

3554

3652

3666

3742

3872

4015

4060

4137

4142

4153

4287

4338

4407

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Berlin

Thuumlringen

Hessen

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Bayern

Hamburg

Baden-Wuumlrttemberg

Rheinland-Pfalz

Saarland

CT MRT

76

12

12

Roumlntgenaufnahme

80

6

14

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 4: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

4 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

Aumlrztliche Beratung oft unzureichend

Drei Viertel der Patienten werden koumlrperliche Aktivitaumlt und Sport empfohlen wie es der Leitlinie entspricht In der bevoumllkerungsrepraumlsentativen Befragung gab aber knapp die Haumllfte der Patien-ten auch an ihnen sei zu bdquoRuheldquo und bdquoScho-nungldquo geraten worden Ebenso vielen erklaumlrte der behandelnde Arzt ihr Ruumlcken sei bdquokaputtldquo oder bdquoverschlissenldquo Solche Aussagen demotivieren foumlrdern eine passive Einstellung und stehen der Genesung oder Beschwerdelinderung nachhaltig im Weg

Uumlber moumlgliche psychische Krankheitsursachen und die konkrete Arbeits- und Lebenssituation wird zu selten ndash nur mit jedem zweiten Patienten ndash gesprochen Studien zeigen dass Aumlrzte mit einem biomedizinischen Krankheitsverstaumlndnis haumlufiger krankschreiben und eher zu Bettruhe und einer Verringerung von Alltagsaktivitaumlten raten Sie messen auch bildgebender Diagnostik zu viel Bedeutung bei All das ist nicht leitlinien-konform und hinsichtlich der Patientenorientie-rung und -sicherheit kritisch zu bewerten

Aumlrzte veranlassen zu viele Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Dass bildgebende Verfahren sowohl zu fruumlh als auch zu haumlufig eingesetzt und dazu noch unnoumltig oft wiederholt werden hat der Sachverstaumlndigen- rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-

heitswesen bereits vor 15 Jahren in seinem Gut-achten bdquoBedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlich-keitldquo kritisiert Der bdquoFaktencheck Ruumlckenldquo zeigt dass diese Uumlber- und Fehlversorgung bei Patien-ten mit Ruumlckenschmerzen immer noch besteht

Entgegen den Leitlinien werden bei vielen Patienten mehrfach Roumlntgenaufnahmen Compu-ter- oder Magnetresonanztomographien (CTs MRTs) gemacht 21 Prozent wurden in den fuumlnf Jahren nach der Diagnose Ruumlckenschmerzen zwei- bis dreimal durchleuchtet sieben Prozent mehr als viermal

Im Jahr 2015 erfolgte bei jedem sechsten Pati-enten eine bildgebende Diagnostik ohne entspre-chende Indikation (ohne bdquoRed Flagsldquo d h Warn-

bdquoIn den uumlberwiegenden Faumlllen liefern Bilder keinen konkreten

Anhaltspunkt fuumlr den Grund von Ruumlckenschmerzen Viele Ursachen

wie Stress Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder Bewegungsmangel lassen sich eben auf keiner Roumlntgen-

oder MRT-Aufnahme erkennenldquoProf Dr med Jean-Franccedilois Chenot Professor fuumlr Allgemeinmedizin und Direktor

der Abteilung Allgemeinmedizin der Universitaumlts-medizin Greifswald ambulant taumltiger Facharzt

5Jeder geht mindestens einmal im Jahr

wegen Ruumlckenschmerzen

zum Arzt

6000000 Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen allein vom Ruumlcken verordneten Aumlrzte im Jahr 2015

der Bevoumllkerung glauben faumllschlicherweise dass man mit Roumlntgen- CT- und MRT-Bildern die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell findet

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Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 5

hinweise etwa auf ausgepraumlgte Laumlhmungen oder den Verdacht auf Entzuumlndung oder Fraktur) Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere juumlngere Erwachsene bei den 20-40-Jaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo wurden knapp ein Drittel mehr Roumlntgenbilder veranlasst als bei den uumlber Vierzigjaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo

Die bildgebende Diagnostik erfolgt oft vor-schnell bei jedem fuumlnften Patienten (22 ) bereits im Quartal der Erstdiagnose Orthopaumlden veran-lassen ein Roumlntgenbild in dieser Zeitspanne vier-mal so haumlufig wie Hausaumlrzte Nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie sollte dies jedoch ohne besondere Indikation fruumlhestens nach sechs bis zwoumllf Wochen erfolgen wenn eine konservative Therapie keinen Erfolg hat Bei mehr als 50 Pro-zent der Patienten wurde aber in den drei Monaten vor der Bildgebung uumlberhaupt kein konservativer Therapieversuch z B Verordnung von Schmerz-mitteln oder Krankengymnastik unternommen

Im Jahr 2015 wurden pro 1000 Patienten mit Ruumlckenschmerzen 375 Bilder erstellt davon 202 Roumlntgenaufnahmen der Wirbelsaumlule 139 MRTs und 34 CTs (siehe Abbildung 3) Waumlhrend die Zahl der Roumlntgen- und CT-Aufnahmen von 2009 bis 2015 um rund 20 Prozent sank stieg die Zahl der MRT-Aufnahmen um 34 Prozent Bei der Gesamt-zahl der MRT-Aufnahmen steht Deutschland nach einer Auswertung der BARMER GEK im inter- nationalen Vergleich an der Spitze Wird die bild-gebende Diagnostik auch zukuumlnftig in diesem Umfang eingesetzt wird durchschnittlich jeder Einwohner etwa drei- bis viermal in seinem Leben aufgrund von Ruumlckenproblemen durch-leuchtet Das betraumlchtliche Ausmaszlig an bildgeben-der Diagnostik birgt die Gefahr falsch-positiver Befunde die zur Verunsicherung der Patienten und zu unnoumltigen Interventionen fuumlhren koumlnnen

Medizinglaumlubigkeit der Bevoumllkerung und aumlrztliche Versorgung verstaumlrken das Problem

Wenn ein Arzt einen Ruumlckenschmerzpatienten intensiv befragt und untersucht und dadurch gefaumlhrliche Verlaumlufe ausschlieszligen kann muss er zunaumlchst keine Bildgebung veranlassen Bei Erklaumlrungsversuchen zu der hohen Zahl bildge-bender Verfahren benennen Aumlrzte jedoch immer wieder den expliziten Patientenwunsch Tatsaumlch-lich zeigen die Befragungsergebnisse des bdquoFak-tencheck Ruumlckenldquo jedoch etwas anderes Fuumlr alle diagnostischen Vorgehensweisen (einschlieszlig-lich der bildgebenden Verfahren) sagen durch-gaumlngig mehr als drei Viertel der Betroffenen

n Roumlntgen nCT nMRT

Abbildung 3 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Anzahl Bildgebungen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

Uumlberdiagnose als Risiko bildgebender Verfahren

Bei nahezu allen Erwachsenen die aumllter als

60 Jahre sind zeigen sich im MRT Anzeichen

degenerativer Veraumlnderungen der Wirbel-

saumlule ndash ob sie nun Ruumlckenschmerzen haben

oder nicht Auch bei CTs und klassischen

Roumlntgenaufnahmen ist das Risiko groszlig irrele-

vante und irrefuumlhrende Befunde zu entdecken

Befunde auf den Bildern werden oft uumlberbe-

wertet Studien belegen Bildgebung und Befun-

derklaumlrung koumlnnen zur Verunsicherung der

Patienten beitragen und zu veraumlnderter Selbst-

wahrnehmung fuumlhren zu unnoumltigen weiteren

Arztbesuchen und Therapien Bilddiagnostik

ist nicht nur teuer sondern verursacht in vielen

Faumlllen auch hohe Folgekosten vor allem durch

Chronifizierung der Ruumlckenschmerzen oder

nicht indizierte Maszlignahmen und Behandlungen

So steht es bereits seit 2010 in der Nationalen

VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

2009

257

45

104

406

2010

257

43

113

413

2011

247

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118

406

2012

238

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402

2013

229

36

129

394

2014

218

36

135

389

2015

202

34

139

375

6 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

dass ausschlieszliglich der Arzt die jeweilige Maszlig-nahme vorgeschlagen habe (siehe Abbildung 5) Auf der anderen Seite glauben jedoch 69 Prozent der Bevoumllkerung dass man mit Bildgebung die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig findet ndash und sie erwarten vom Arzt eine entsprechende Verordnung (siehe Abbildung 4) Aumlrzte ruumlcken diese Erwartungen in der Praxis nicht ausreichend zurecht und veranlassen haumlufiger auch entgegen der Leitlinie eine Roumlntgen- CT- oder MRT-Auf-nahme So scheint es dass sich die Erwartungs-haltungen von Arzt und Patient gegenseitig ver-staumlrken und Patienten den aumlrztlichen Vorschlag einer Bildgebung gern annehmen

Erhebliche regionale Unterschiede

Das Verhalten von Patienten und Aumlrzten ist regi-onal sehr unterschiedlich So gehen gesetzlich Versicherte mit Ruumlckenschmerzen in Hamburg Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz viel seltener zum Arzt als in Berlin oder Bayern Die Zahl der Behandlungsfaumllle pro 1000 Versicherte und Jahr variiert auf Bundeslandebene zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin Auf Kreis-ebene gibt es Unterschiede um mehr als das Doppelte So betrug die durchschnittliche Anzahl von Behandlungsfaumlllen in den Jahren 2009 bis 2015 in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin und

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu

Antworten weiszlig nicht und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 4 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

28 41 26 5

Durch Roumlntgenbilder und Aufnahmen in der bdquoRoumlhreldquo findet der Arzt die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell

Ein Arzt sollte bei Ruumlckenschmerzen schnellstmoumlglich eine Untersuchung in der bdquoRoumlhreldquo oder ein Roumlntgenbild veranlassen

30 30 30 10

n nur Arzt nnur Patient nArzt und Patient | Patienten mit Ruumlckenschmerzen in den letzten zwoumllf Monaten Angaben in Prozent n = 243 Befragung Juni 2016Abbildung 5 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Initiator des bildgebenden Verfahrens

Vorbild Ontario MRT-Rate um 30 Prozent gesenkt

2012 hat das Gesundheitsministerium der kana-

dischen Provinz Ontario das Programm ISAEC zur

Versorgung von Patienten mit Ruumlckenschmerzen

initiiert Mit den Patienten werden anhand eines

Fragebogens sowie eines einstuumlndiges Untersu-

chungs- und Behandlungsgespraumlchs Strategien

zum Umgang mit den Ruumlckenschmerzen erarbei-

tet und ggf naumlchste Behandlungsschritte fest-

gelegt Zeitgleich wurde die Verguumltung fuumlr bild-

gebende Diagnostik bei Ruumlckenschmerzen ohne

erkennbaren gefaumlhrlichen Verlauf fuumlr Aumlrzte

auszligerhalb von ISAEC gestrichen Seitdem ist die

Zahl der verordneten Aufnahmen deutlich zuruumlck-

gegangen und das Risiko der Chronifizierung

gesunken ndash bei sehr hohen Zufriedenheitswerten

von Patienten (99 ) und Hausaumlrzten (97 )

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Anzahl von Bildgebungen der Wirbelsaumlule je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 6 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

3378

3423

3445

3554

3652

3666

3742

3872

4015

4060

4137

4142

4153

4287

4338

4407

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Berlin

Thuumlringen

Hessen

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Bayern

Hamburg

Baden-Wuumlrttemberg

Rheinland-Pfalz

Saarland

CT MRT

76

12

12

Roumlntgenaufnahme

80

6

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Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 5: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 5

hinweise etwa auf ausgepraumlgte Laumlhmungen oder den Verdacht auf Entzuumlndung oder Fraktur) Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere juumlngere Erwachsene bei den 20-40-Jaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo wurden knapp ein Drittel mehr Roumlntgenbilder veranlasst als bei den uumlber Vierzigjaumlhrigen ohne bdquoRed Flagsldquo

Die bildgebende Diagnostik erfolgt oft vor-schnell bei jedem fuumlnften Patienten (22 ) bereits im Quartal der Erstdiagnose Orthopaumlden veran-lassen ein Roumlntgenbild in dieser Zeitspanne vier-mal so haumlufig wie Hausaumlrzte Nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie sollte dies jedoch ohne besondere Indikation fruumlhestens nach sechs bis zwoumllf Wochen erfolgen wenn eine konservative Therapie keinen Erfolg hat Bei mehr als 50 Pro-zent der Patienten wurde aber in den drei Monaten vor der Bildgebung uumlberhaupt kein konservativer Therapieversuch z B Verordnung von Schmerz-mitteln oder Krankengymnastik unternommen

Im Jahr 2015 wurden pro 1000 Patienten mit Ruumlckenschmerzen 375 Bilder erstellt davon 202 Roumlntgenaufnahmen der Wirbelsaumlule 139 MRTs und 34 CTs (siehe Abbildung 3) Waumlhrend die Zahl der Roumlntgen- und CT-Aufnahmen von 2009 bis 2015 um rund 20 Prozent sank stieg die Zahl der MRT-Aufnahmen um 34 Prozent Bei der Gesamt-zahl der MRT-Aufnahmen steht Deutschland nach einer Auswertung der BARMER GEK im inter- nationalen Vergleich an der Spitze Wird die bild-gebende Diagnostik auch zukuumlnftig in diesem Umfang eingesetzt wird durchschnittlich jeder Einwohner etwa drei- bis viermal in seinem Leben aufgrund von Ruumlckenproblemen durch-leuchtet Das betraumlchtliche Ausmaszlig an bildgeben-der Diagnostik birgt die Gefahr falsch-positiver Befunde die zur Verunsicherung der Patienten und zu unnoumltigen Interventionen fuumlhren koumlnnen

Medizinglaumlubigkeit der Bevoumllkerung und aumlrztliche Versorgung verstaumlrken das Problem

Wenn ein Arzt einen Ruumlckenschmerzpatienten intensiv befragt und untersucht und dadurch gefaumlhrliche Verlaumlufe ausschlieszligen kann muss er zunaumlchst keine Bildgebung veranlassen Bei Erklaumlrungsversuchen zu der hohen Zahl bildge-bender Verfahren benennen Aumlrzte jedoch immer wieder den expliziten Patientenwunsch Tatsaumlch-lich zeigen die Befragungsergebnisse des bdquoFak-tencheck Ruumlckenldquo jedoch etwas anderes Fuumlr alle diagnostischen Vorgehensweisen (einschlieszlig-lich der bildgebenden Verfahren) sagen durch-gaumlngig mehr als drei Viertel der Betroffenen

n Roumlntgen nCT nMRT

Abbildung 3 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen Anzahl Bildgebungen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Standardisiert nach Alter Geschlecht und Region

Uumlberdiagnose als Risiko bildgebender Verfahren

Bei nahezu allen Erwachsenen die aumllter als

60 Jahre sind zeigen sich im MRT Anzeichen

degenerativer Veraumlnderungen der Wirbel-

saumlule ndash ob sie nun Ruumlckenschmerzen haben

oder nicht Auch bei CTs und klassischen

Roumlntgenaufnahmen ist das Risiko groszlig irrele-

vante und irrefuumlhrende Befunde zu entdecken

Befunde auf den Bildern werden oft uumlberbe-

wertet Studien belegen Bildgebung und Befun-

derklaumlrung koumlnnen zur Verunsicherung der

Patienten beitragen und zu veraumlnderter Selbst-

wahrnehmung fuumlhren zu unnoumltigen weiteren

Arztbesuchen und Therapien Bilddiagnostik

ist nicht nur teuer sondern verursacht in vielen

Faumlllen auch hohe Folgekosten vor allem durch

Chronifizierung der Ruumlckenschmerzen oder

nicht indizierte Maszlignahmen und Behandlungen

So steht es bereits seit 2010 in der Nationalen

VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz

2009

257

45

104

406

2010

257

43

113

413

2011

247

41

118

406

2012

238

39

125

402

2013

229

36

129

394

2014

218

36

135

389

2015

202

34

139

375

6 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

dass ausschlieszliglich der Arzt die jeweilige Maszlig-nahme vorgeschlagen habe (siehe Abbildung 5) Auf der anderen Seite glauben jedoch 69 Prozent der Bevoumllkerung dass man mit Bildgebung die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig findet ndash und sie erwarten vom Arzt eine entsprechende Verordnung (siehe Abbildung 4) Aumlrzte ruumlcken diese Erwartungen in der Praxis nicht ausreichend zurecht und veranlassen haumlufiger auch entgegen der Leitlinie eine Roumlntgen- CT- oder MRT-Auf-nahme So scheint es dass sich die Erwartungs-haltungen von Arzt und Patient gegenseitig ver-staumlrken und Patienten den aumlrztlichen Vorschlag einer Bildgebung gern annehmen

Erhebliche regionale Unterschiede

Das Verhalten von Patienten und Aumlrzten ist regi-onal sehr unterschiedlich So gehen gesetzlich Versicherte mit Ruumlckenschmerzen in Hamburg Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz viel seltener zum Arzt als in Berlin oder Bayern Die Zahl der Behandlungsfaumllle pro 1000 Versicherte und Jahr variiert auf Bundeslandebene zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin Auf Kreis-ebene gibt es Unterschiede um mehr als das Doppelte So betrug die durchschnittliche Anzahl von Behandlungsfaumlllen in den Jahren 2009 bis 2015 in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin und

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu

Antworten weiszlig nicht und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 4 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

28 41 26 5

Durch Roumlntgenbilder und Aufnahmen in der bdquoRoumlhreldquo findet der Arzt die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell

Ein Arzt sollte bei Ruumlckenschmerzen schnellstmoumlglich eine Untersuchung in der bdquoRoumlhreldquo oder ein Roumlntgenbild veranlassen

30 30 30 10

n nur Arzt nnur Patient nArzt und Patient | Patienten mit Ruumlckenschmerzen in den letzten zwoumllf Monaten Angaben in Prozent n = 243 Befragung Juni 2016Abbildung 5 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Initiator des bildgebenden Verfahrens

Vorbild Ontario MRT-Rate um 30 Prozent gesenkt

2012 hat das Gesundheitsministerium der kana-

dischen Provinz Ontario das Programm ISAEC zur

Versorgung von Patienten mit Ruumlckenschmerzen

initiiert Mit den Patienten werden anhand eines

Fragebogens sowie eines einstuumlndiges Untersu-

chungs- und Behandlungsgespraumlchs Strategien

zum Umgang mit den Ruumlckenschmerzen erarbei-

tet und ggf naumlchste Behandlungsschritte fest-

gelegt Zeitgleich wurde die Verguumltung fuumlr bild-

gebende Diagnostik bei Ruumlckenschmerzen ohne

erkennbaren gefaumlhrlichen Verlauf fuumlr Aumlrzte

auszligerhalb von ISAEC gestrichen Seitdem ist die

Zahl der verordneten Aufnahmen deutlich zuruumlck-

gegangen und das Risiko der Chronifizierung

gesunken ndash bei sehr hohen Zufriedenheitswerten

von Patienten (99 ) und Hausaumlrzten (97 )

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Anzahl von Bildgebungen der Wirbelsaumlule je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 6 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

3378

3423

3445

3554

3652

3666

3742

3872

4015

4060

4137

4142

4153

4287

4338

4407

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Berlin

Thuumlringen

Hessen

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Bayern

Hamburg

Baden-Wuumlrttemberg

Rheinland-Pfalz

Saarland

CT MRT

76

12

12

Roumlntgenaufnahme

80

6

14

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 6: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

6 Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen

dass ausschlieszliglich der Arzt die jeweilige Maszlig-nahme vorgeschlagen habe (siehe Abbildung 5) Auf der anderen Seite glauben jedoch 69 Prozent der Bevoumllkerung dass man mit Bildgebung die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig findet ndash und sie erwarten vom Arzt eine entsprechende Verordnung (siehe Abbildung 4) Aumlrzte ruumlcken diese Erwartungen in der Praxis nicht ausreichend zurecht und veranlassen haumlufiger auch entgegen der Leitlinie eine Roumlntgen- CT- oder MRT-Auf-nahme So scheint es dass sich die Erwartungs-haltungen von Arzt und Patient gegenseitig ver-staumlrken und Patienten den aumlrztlichen Vorschlag einer Bildgebung gern annehmen

Erhebliche regionale Unterschiede

Das Verhalten von Patienten und Aumlrzten ist regi-onal sehr unterschiedlich So gehen gesetzlich Versicherte mit Ruumlckenschmerzen in Hamburg Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz viel seltener zum Arzt als in Berlin oder Bayern Die Zahl der Behandlungsfaumllle pro 1000 Versicherte und Jahr variiert auf Bundeslandebene zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin Auf Kreis-ebene gibt es Unterschiede um mehr als das Doppelte So betrug die durchschnittliche Anzahl von Behandlungsfaumlllen in den Jahren 2009 bis 2015 in den Kreisen Ostprignitz-Ruppin und

n stimme voll und ganz zu nstimme eher zu nstimme eher nicht zu nstimme uumlberhaupt nicht zu

Antworten weiszlig nicht und k A weggelassen n = 914ndash977 Befragung Juni 2016Abbildung 4 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Meinungen in Bezug auf Ruumlckenschmerzen

28 41 26 5

Durch Roumlntgenbilder und Aufnahmen in der bdquoRoumlhreldquo findet der Arzt die Ursache von Ruumlckenschmerzen zuverlaumlssig und schnell

Ein Arzt sollte bei Ruumlckenschmerzen schnellstmoumlglich eine Untersuchung in der bdquoRoumlhreldquo oder ein Roumlntgenbild veranlassen

30 30 30 10

n nur Arzt nnur Patient nArzt und Patient | Patienten mit Ruumlckenschmerzen in den letzten zwoumllf Monaten Angaben in Prozent n = 243 Befragung Juni 2016Abbildung 5 | Quelle TNS Emnid Faktencheck Gesundheit 2016

Initiator des bildgebenden Verfahrens

Vorbild Ontario MRT-Rate um 30 Prozent gesenkt

2012 hat das Gesundheitsministerium der kana-

dischen Provinz Ontario das Programm ISAEC zur

Versorgung von Patienten mit Ruumlckenschmerzen

initiiert Mit den Patienten werden anhand eines

Fragebogens sowie eines einstuumlndiges Untersu-

chungs- und Behandlungsgespraumlchs Strategien

zum Umgang mit den Ruumlckenschmerzen erarbei-

tet und ggf naumlchste Behandlungsschritte fest-

gelegt Zeitgleich wurde die Verguumltung fuumlr bild-

gebende Diagnostik bei Ruumlckenschmerzen ohne

erkennbaren gefaumlhrlichen Verlauf fuumlr Aumlrzte

auszligerhalb von ISAEC gestrichen Seitdem ist die

Zahl der verordneten Aufnahmen deutlich zuruumlck-

gegangen und das Risiko der Chronifizierung

gesunken ndash bei sehr hohen Zufriedenheitswerten

von Patienten (99 ) und Hausaumlrzten (97 )

Roumlntgen- CT- und MRT-Aufnahmen

Anzahl von Bildgebungen der Wirbelsaumlule je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 6 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

3378

3423

3445

3554

3652

3666

3742

3872

4015

4060

4137

4142

4153

4287

4338

4407

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Berlin

Thuumlringen

Hessen

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Bayern

Hamburg

Baden-Wuumlrttemberg

Rheinland-Pfalz

Saarland

CT MRT

76

12

12

Roumlntgenaufnahme

80

6

14

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 7: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 7

Ambulante Behandlungsfaumllle

n lt316 n 316 ndash lt362 n 362 ndash lt407 n 407 ndash lt497 n 497 ndash lt542 n 542 ndash lt587 n ge587Zahl der Behandlungsfaumllle bei Haus- und oder Fachaumlrzten aufgrund von Ruumlckenschmerzen je 1000 Versicherte Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 7 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

MRT-Aufnahmen

n lt86 n 86 ndash lt98 n 98 ndash lt110 n 110 ndash lt135 n 135 ndash lt147 n 147 ndash lt159 n ge 159Zahl der MRT-Aufnahmen je 1000 Versicherte mit Ruumlckenschmerzen Zeitraum 2009 bis 2015 Standardisiert nach Alter und Geschlecht Abbildung 8 | Quelle Berechnungen InGef (InGef-Datenbank) Faktencheck Gesundheit 2016

Rotenburg (Wuumlmme) nur 306 im Werra-Meiszlig-ner-Kreis dagegen 711 und in Dingolfing-Landau sogar 730 Faumllle (siehe Abbildung 7)

Ein Zeichen fuumlr uneinheitliche Versorgungs-strukturen und Indikationsstellungen sind auch die regional unterschiedlichen Bildgebungsraten In den ostdeutschen Bundeslaumlndern liegt die Anzahl von Roumlntgen- CT- oder MRT-Aufnahmen zwischen 338 und 367 je 1000 Versicherten mit Ruumlckenschmerzen in den westdeutschen Laumlndern bei 374 bis 441 Aufnahmen (siehe Abbildung 6) In manchen Stadt- und Landkreisen werden dop-pelt so viele Aufnahmen veranlasst wie anderswo Besonders viele MRT-Aufnahmen werden in Ham-burg Muumlnchen und der Rhein-Neckar-Region erstellt (siehe Abbildung 8) Dort wird Bildgebung auch haumlufiger bereits im Quartal der Diagnosestel-lung eingesetzt

Download der Studien unter faktencheck-ruumlckende

Institut fuumlr angewandte Gesundheitsforschung Die Analysen zu den Behand-lungsfaumlllen und zur Bildge-bung wurden vom Institut fuumlr angewandte Gesundheitsfor-schung (InGef) durchgefuumlhrt Sie beruhen auf der For-schungsdatenbank des InGef die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicher-ten aus circa 70 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammensetzt

TNS EmnidDie Befragung mit Telefon- Interviews fuumlhrte zu einer Stichprobe von 1005 Teil-nehmern Diese Stichprobe wurde beschraumlnkt auf 18- bis 80-Jaumlhrige Sie wurde gewichtet und ist nach Alter Geschlecht Bildungsstand Haushaltsgroumlszlige Region sowie Erwerbstaumltigkeit (janein) repraumlsentativ fuumlr die BevoumllkerungErhebungszeitraum 14 ndash 28 Juni 2016

Die Werte einzelner Kreise koumlnnen im interaktiven Kartentool auf faktencheck-ruumlckende eingesehen und verglichen werden

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

Weitere Informationen auf

faktencheck-gesundheitde

Page 8: Daten, Analysen, Perspektiven | Nr. 5, 2016 Rückenschmerzen · den Verdacht auf Entzündung oder Fraktur). Das betraf nach den vom InGef ausgewerteten Abrech-nungsdaten insbesondere

Spotlight Gesundheit ndash Thema Ruumlckenschmerzen 8

Mehr reden statt roumlntgen ndash Versorgung an Leitlinien orientieren

Uumlber den richtigen Umgang mit Ruumlckenschmerzen herrscht in der Bevoumllkerung viel Unkenntnis Die Logik das mehr Diagnostik und mehr Behandlung zu mehr Gesundheit fuumlhren ist jedoch weit verbrei-tet Aumlrzte muumlssen ihrer Verantwortung als vertrauenswuumlrdige Experten gerecht werden ndash indem sie uumlbersteigerten Erwartungen und Wissens-defiziten der Betroffenen im Arzt-Patienten-Gespraumlch begegnen

Betroffene besser informieren

rsaquoUm Wissensdefiziten zum Umgang mit Ruumlckenschmerzen in der Bevoumllkerung zu begegnen sind evidenzbasierte und verstaumlndliche Informationen notwendig die effektiv verbreitet werden Aumlrzte muumls-sen den Betroffenen Nutzen und Risiken der diagnostischen Verfah-ren sowie deren Relevanz fuumlr den weiteren Behandlungsverlauf zudem sachgerecht vermitteln Psychosoziale Aspekte sollten im Arzt-Patienten-Gespraumlch mehr beruumlcksichtigt werden

Gespraumlche angemessen verguumlten

rsaquoUm den Krankheitsverlauf bei Ruumlckenschmerzen abzuschaumltzen ist das Arzt-Patienten-Gespraumlch zentral ndash das im Gegensatz zu den teuren Bildgebungsverfahren derzeit nur unzureichend verguumltet wird Eine leitlinienkonforme Gestaltung des Honorarsystems sollte daruumlber hinaus Bildgebung bei Ruumlckenschmerzen nur bei streng definierten Indikationen erstatten

Leitlinien im Versorgungsalltag beachten

rsaquoDie aumlrztliche Versorgungspraxis muss sich verstaumlrkt an der Nationa-len VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz orientieren um unnoumltige zu fruumlhe und mehrfache Bildgebung zu verhindern und damit eine Uumlber- und Fehlversorgung abzubauen Patienten mit unspezifischen Ruumlckenschmerzen sollten so fruumlh wie moumlglich ermutigt werden selbst aktiv zu werden

Versorgungskoordination verbessern

rsaquoUm vorschnelle Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden ist eine verbesserte Zugangssteuerung umzusetzen Hausaumlrzte sollten hier eine zentrale Rolle spielen Ebenso koumlnnten der zuumlgige Einsatz der elektronischen Patientenakte und eine gute Kooperation zwischen unterschiedlichen Arztgruppen unnoumltige mehrfache Bildgebung vermeiden Die Einfuumlhrung neuer Geraumlte (u a Magnetresonanz- und Computertomografen) und Medizin- technologien sollte systematisch geplant und vor einer flaumlchen- deckenden Verbreitung evaluiert werden

Impressum

Bildnachweis Shutterstock lightwavemediaGestaltung Dietlind Ehlers Redaktion Burkhard Rexin Andrea Fuumlrchtenicht Druck Druckhaus Rihn

ISSN (Print) 2364-4788 ISSN (Online) 2364-5970 Veroumlffentlichung November 2016

HerausgeberBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Str 25633311 Guumlterslohwwwbertelsmann- stiftungde

Verantwortlich Uwe Schwenk Director des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Patienten informierenldquo

Kontakt Sonja Luumltke-Bornefeldsonjaluetke-bornefeldbertelsmann-stiftungdeTel + 49 5241 81-81431

Handlungsempfehlungen

SPOTLIGHT GESUNDHEIT ist ein Impulspapier des Programms bdquoVersorgung verbessern ndash Pati-enten informierenldquo der Bertelsmann Stiftung Es erscheint in unregelmaumlszligigen Abstaumlnden mehr-mals pro Jahr und beschaumlftigt sich mit aktuel-len Themen und Herausforderungen im Gesund-heitswesen Die Bertelsmann Stiftung setzt sich fuumlr ein Gesundheitssystem ein das sich an den Buumlrgern orientiert Mit ihren Projekten zielt sie auf eine konsequent am Bedarf ausgerichtete und hochwertige Versorgung sowie stabile finanzielle Grundlagen Patienten sollen durch verstaumlndliche Informationen in ihrer Rolle gestaumlrkt werden

Im Projekt bdquoFaktencheck Gesundheitldquo des Programms wird mehrmals jaumlhrlich ein Versor-gungsthema genauer beleuchtet Der bdquoFakten-check Gesundheitldquo will dazu beitragen dass die begrenzten Ressourcen sachgerechter verwendet werden und Gesundheitsleistungen sich staumlrker am tatsaumlchlichen Bedarf der Patienten orientieren

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faktencheck-gesundheitde