14
304 © 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5 Fachthemen Horst Falkner Dominique Gerritzen Dieter Jungwirth Lutz Sparowitz DOI: 10.1002/best.200800614 Der herkömmliche Stahlbetonbau wird durch ein neuartiges, in- novatives Stahlbetondruckglied erweitert. Es kommt ein von der Annahütte entwickelter Gewindestahl SAS 670/800 bis Durch- messer 75 mm, mit Muffenverbindungen und Endankern zur An- wendung. Diese Druckglieder lassen sich mit Bewehrungsgehal- ten bis 20 % und kleinen Abmessungen wirtschaftlich in hoher Qualität herstellen. Unter Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens des Betons oder/und der Verwendung faserbewehr- ter duktiler Betone lassen sich diese hochfesten Betonstähle SAS 670/800, deren Quetschgrenze über der Stauchungsgrenze ε c2 liegt, voll ausnutzen. Dem stehen nach gültiger Norm eine Ausnutzung des Be- tonstahls BSt 500 mit ~2 ‰, Durchmesser bis 40 mm und zuläs- sige Bewehrungsgrade im Übergreifungsbereich von max. 9 % gegenüber. Im Teil I wird auf Grundlage des Eurocodes über modifizierte Bemessungs- und Konstruktionskonzepte sowie durchgeführte Versuche berichtet. Im Teil II werden u. a. die Megastützen des Opernturms Frankfurt vorgestellt, die mit diesem Konzept über einer Zustimmung im Einzelfall ausgeführt wurden. Das System ist/wird derzeit in verschiedenen Ländern, wie USA, Russland, Österreich und Europa, allgemein bauaufsichtlich zugelassen. The New Reinforcement System; Compression Members With High Strength Reinforcement SAS 670/800 The conventional family of reinforced concrete constructions is being extended by a new and innovative concrete compression member. Threaded bars SAS 670/800 with a maximum diameter of 75 mm, developed by Annahütte, are implemented in combination with couplers and end anchors. These compression members can be manufactured economically in small dimensions and high quality with a percentage of reinforcement of up to 20 %. Consid- ering the concrete behaviour of creep and shrinkage or/and using ductile fibre reinforced concretes the high strength steel SAS 670/800, with a compressive strain beyond the compressive strain point ε c2 , can be fully utilised. The valid design code however only allows utilisation degrees of 2 ‰ for a reinforcing steel BSt 500, diameters up to 40 mm and a maximum percentage of reinforcement in lapped slices of 9 %. Part I will be commenting on modified design and construc- tion concepts based on the Euro Code fundamentals and on car- ried out tests. The mega columns of the Opernturm in Frankfurt which where accomplished using this concept in an approval of the individual case, will be presented, amongst others, in Part II. Currently this system is, or soon will be, generally approved in several countries such as the USA, Russia and Europe. 1 Entwicklungsgeschichte Leonhardt/Teichen haben bereits 1972 [1], gefolgt von Falkner [2], [3], Spannstäbe als Druckbewehrung getestet, verwendet und dabei bis zur Stauchgrenze ausgenutzt (Abschn. 5.1.). Der Eurocode und die davon abgeleiteten nationalen Bemessungsvorschriften lassen, hohe Belastungsge- schwindigkeit unterstellend, in Stützen nur eine Bruch- stauchung von ~2‰ zu und begrenzen die Stabdurch- messer auf 40 mm und den Bewehrungsgrad auf 9% im Stoßbereich. In den USA wird im ACI-Code 318-05 dage- gen eine Bruchstauchung von 3 ‰ zugelassen. Die Annahütte hat den schraubbaren Gewindestahl BSt-500 bis hin zum SAS 670/800, kurz S 670, 18 bis 75 mm weiterentwickelt und seit Jahren erfolgreich in der Geotechnik als Pfahl, Nagel oder Anker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen und Endankern sinnvoll in die Bewehrungstech- nik zu übernehmen und somit deren Grenzen zu erwei- tern (Bild 1). Der Ansatz von Kriech- und Schwindumlagerungen oder die Verwendung faserbewehrten Betons ermöglichen es, die hochfesten Betonstähle S 670 bis zur Stauchgrenze von 670 N/mm 2 auszunutzen. Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800 Teil I: Entwicklung, Versuche, Bemessung und Konstruktion Bild 1. Erweiterung des Stands der Technik Fig. 1. Extension to state of the art

Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

304 © 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

Fachthemen

Horst FalknerDominique GerritzenDieter JungwirthLutz Sparowitz

DOI: 10.1002/best.200800614

Der herkömmliche Stahlbetonbau wird durch ein neuartiges, in-novatives Stahlbetondruckglied erweitert. Es kommt ein von derAnnahütte entwickelter Gewindestahl SAS 670/800 bis Durch-messer 75 mm, mit Muffenverbindungen und Endankern zur An-wendung. Diese Druckglieder lassen sich mit Bewehrungsgehal-ten bis 20 % und kleinen Abmessungen wirtschaftlich in hoherQualität herstellen. Unter Berücksichtigung des Kriechens undSchwindens des Betons oder/und der Verwendung faserbewehr-ter duktiler Betone lassen sich diese hochfesten BetonstähleSAS 670/800, deren Quetschgrenze über der Stauchungsgrenzeεc2 liegt, voll ausnutzen.

Dem stehen nach gültiger Norm eine Ausnutzung des Be-tonstahls BSt 500 mit ~2 ‰, Durchmesser bis ≤ 40 mm und zuläs-sige Bewehrungsgrade im Übergreifungsbereich von max. 9%gegenüber.

Im Teil I wird auf Grundlage des Eurocodes über modifizierteBemessungs- und Konstruktionskonzepte sowie durchgeführteVersuche berichtet. Im Teil II werden u. a. die Megastützen desOpernturms Frankfurt vorgestellt, die mit diesem Konzept übereiner Zustimmung im Einzelfall ausgeführt wurden.

Das System ist/wird derzeit in verschiedenen Ländern, wieUSA, Russland, Österreich und Europa, allgemein bauaufsichtlichzugelassen.

The New Reinforcement System; Compression Members With High Strength Reinforcement SAS 670/800The conventional family of reinforced concrete constructions isbeing extended by a new and innovative concrete compressionmember. Threaded bars SAS 670/800 with a maximum diameter of75 mm, developed by Annahütte, are implemented in combinationwith couplers and end anchors. These compression memberscan be manufactured economically in small dimensions and highquality with a percentage of reinforcement of up to 20%. Consid-ering the concrete behaviour of creep and shrinkage or/andusing ductile fibre reinforced concretes the high strength steelSAS 670/800, with a compressive strain beyond the compressivestrain point εc2, can be fully utilised.

The valid design code however only allows utilisation degrees of 2‰ for a reinforcing steel BSt 500, diameters up to40 mm and a maximum percentage of reinforcement in lappedslices of 9%.

Part I will be commenting on modified design and construc-tion concepts based on the Euro Code fundamentals and on car-ried out tests. The mega columns of the Opernturm in Frankfurtwhich where accomplished using this concept in an approval ofthe individual case, will be presented, amongst others, in Part II.

Currently this system is, or soon will be, generally approvedin several countries such as the USA, Russia and Europe.

1 Entwicklungsgeschichte

Leonhardt/Teichen haben bereits 1972 [1], gefolgt vonFalkner [2], [3], Spannstäbe als Druckbewehrung getestet,verwendet und dabei bis zur Stauchgrenze ausgenutzt(Abschn. 5.1.).

Der Eurocode und die davon abgeleiteten nationalenBemessungsvorschriften lassen, hohe Belastungsge-schwindigkeit unterstellend, in Stützen nur eine Bruch-stauchung von ~2‰ zu und begrenzen die Stabdurch-messer auf 40 mm und den Bewehrungsgrad auf 9% imStoßbereich. In den USA wird im ACI-Code 318-05 dage-gen eine Bruchstauchung von 3‰ zugelassen.

Die Annahütte hat den schraubbaren GewindestahlBSt-500 bis hin zum SAS 670/800, kurz S 670, ∅ 18 bis75 mm weiterentwickelt und seit Jahren erfolgreich in derGeotechnik als Pfahl, Nagel oder Anker eingesetzt. Es lagnahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mitStößen und Endankern sinnvoll in die Bewehrungstech-nik zu übernehmen und somit deren Grenzen zu erwei-tern (Bild 1).

Der Ansatz von Kriech- und Schwindumlagerungenoder die Verwendung faserbewehrten Betons ermöglichenes, die hochfesten Betonstähle S 670 bis zur Stauchgrenzevon 670 N/mm2 auszunutzen.

Das neue Bewehrungssystem; Druckgliedermit hochfestem Betonstahl SAS 670/800Teil I: Entwicklung, Versuche, Bemessung und Konstruktion

Bild 1. Erweiterung des Stands der TechnikFig. 1. Extension to state of the art

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 304

Page 2: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

305

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

2 Das neue Bewehrungssystem; Vorteile, Tragverhalten und Anwendungsbereich

2.1 Die Vorteile

Bild 2 zeigt wirtschaftliche Vorteile von S 670 als Substi-tut und bei Querschnittsminimierung. Der leicht zu mon-tierende Gewindestahl, vorzugsweise mit Druckmuffengestoßen, liegt im Preisleistungsverhältnis günstiger als dermit Übergreifung gestoßene Betonstahl BSt 500. Das führtbei vorgegebener Stahlbetonstütze im Substitut durchS 670 zu ca. 10% preiswerteren Stützen (Tabelle 1a).

Nutzt man die Bewehrungsgradgrenze von ca. 20%bei S 670 und vergleicht mit einer mit 6% (im ungestoße-nen Bereich) BSt 500 bewehrten Stütze, so liegt man imPreis zwar um 10% höher, spart aber ca. 50% Gewichtund ca. 55% Fläche (Tabelle 1b).

Die Stützen mit SAS 670/800 bringen einen deut-lichen Kostenvorteil und erhöhte gestalterische Freiheit.

Werden für diese 55% Nutzflächenerhöhung dieMieteinnahmen von 30 Jahren zu 10.000 €/m2 angesetzt,würde man für ein durchgerechnetes Hochhaus, ver-gleichbar mit dem Opernturm Frankfurt mehr als 3% Kos-tenersparnis erzielen. Ein weiterer großer Vorteil liegt da-rin, dass eine bereits minimierte Stütze aus hochfestemBeton bewehrt mit BSt 500, durch eine Stütze mit preis-werterem Normalbeton gleicher Abmessungen, aber mitS 670 bewehrt, wirtschaftlich ersetzt werden kann.

Des Weiteren wird dem Architekt eine größere gestal-terische Freiheit durch den besseren Einsatz konstanterGrundrisse über mehrere Stockwerke ermöglicht. Durchdie Vermeidung von Übergreifungsstößen lassen sichS 670-bewehrte Stützen leicht betonieren. Der Wegfallvon Spaltzug- und Stirndruckkräften im Stoßbereich hebtdie Qualität an.

2.2 Das Tragverhalten

Eine Möglichkeit, den Stahl im Bruchzustand bis zurStauchgrenze voll auszunutzen, ist die Berücksichtigungdes meist ohnehin vorhandenen Kriechens und Schwin-dens von Beton. Einen damit verbundenen typischen zeit-abhängigen inneren Kräftefluss im Druckglied zeigtBild 3. Zunächst trägt bei Lastaufbringung der Beton etwa2/3 und der Stahl 1/3 der Last. Nach der Umlagerung ausKriechen und Schwinden verbleibt 1/3 im Beton und 2/3im Stahl des mittlerweile im Betrieb befindlichen Bau-werks. Im rechnerischen Bruchzustand übernehmen dannder Beton und der Stahl zu etwa gleichen Teilen dieBruchschnittgrößen. Durch die Entlastung im Gebrauchs-zustand gewinnt der Beton Reserven gegenüber z. B. Erd-beben.

2.3 Der Anwendungsbereich

Als Anwendungsbereich kommt in erster Linie jede Artvon Druckgliedern in C25/30 bis C100/115 oder höher,vorwiegend ruhend und nicht ruhend sowie erdbeben-beansprucht, in Frage. Dicke Platten sowie mäßig auf Zugund Biegung beanspruchte Bauteile, können mit S 670 be-wehrt werden. Die volle Ausnutzung auf Zug, besonders

Bild 2. Querschnittsreduktion durch Einsatz des S 670 undder Erhöhung des Bewehrungsgrads bei gleicher Tragfähig-keit; C35/45; 50% StoßFig. 2. Reducing the cross section due to the S 670 and in-creasing the percentage of reinforcement, retaining the samecarrying capacity; C35/45; 50% joint

Tabelle 1a. Stahl- und Lohnersparnis bei gleichen Abmes-sungen (S 670 ersetzt BSt 500)Table 1a. Saving of steel and wages with constant dimen-sions (S 670 replaces BSt 500)

Tabelle 1b. Kostenvorteil pro Stütze bei Querschnittsmini-mierungTable 1b. Economical advantages reducing the cross sectionarea

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 305

Page 3: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

306

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

bei großen Durchmessern, ist wegen großer Verformungenund unzulässigen Rissbreiten nur eingeschränkt möglich[4].

3 Stahl S 670 und Zubehör3.1 Stahl1

Der robuste, tempcorisierte, wasservergütete BetonstahlS 670 entspricht DIN 488 bzw. EN 10080 und damit denin DIN 1045-1 und im Eurocode genannten Anforderun-gen an Betonstahl. Die erforderlichen Zulassungsversuchenach EN ISO 15630-1 wurden durchgeführt. Die Durch-messer reichen von ∅18 bis 75 mm. Die mechanischenKennwerte sind in Tabelle 2 zusammengestellt.

Der Stahl S 670 weist mit fR ≥ 0,075 eine größere be-zogene Rippenfläche als ein Betonstahl nach DIN 1045-1auf. Die Verbundcharakteristik eines Gewindestabs S 670im guten Verbundbereich ist Bild 4 zu entnehmen. Darauslassen sich mittels Differenzenmethode Lasteintragungs-längen und Verschiebung Stahl/Beton nach [5] bestim-men bzw. die EC 2 und DIN 1045-1 entsprechenden mitt-leren Verbundspannungen fbd, siehe Bild 4, Tabelle. Nach-dem sich der Durchmessereinfluss in Grenzen hält, wurdeder Mittelwert aller Durchmesser, mit einem Variationsko-effizient von 20% zugrunde gelegt.

3.2 Zubehör1

Als Stoßelement auf Druck kommt die handgekonterteKontaktmuffe zur Verwendung, die statisch und dyna-misch bei einem Schlupf im Gebrauchszustand von< 0,2 mm voll tragfähig ist. Der Stab kann auch überStumpfstoß seine Last auf eine Stahlplatte abgeben, diestahlbaumäßig bzw. nach DIN 1045-1 zu bemessen ist.

Gekonterte Ankerstücke (Endverankerungen) geben Kräf-te auf Zug bzw. Druck an den Beton ab. Achs- und Rand-abstände enthält Bild 5.

Bei mäßiger Zugbeanspruchung kommen gekonterte,weitgehend schlupffreie Muffenstöße zum Einsatz. Über-gangsmuffen ermöglichen den Lasttransfer auf einen klei-neren Durchmesser.

Endverankerung und gekonterter Muffenstoß sind fürErdbebenbeanspruchung nach EC 2 und EC 8 geeignet.Das genannte Zubehör wurde nach deutschen und euro-päischen Richtlinien geprüft, wie ETAG013, ISO/DIS15835-1 bis 2 (z. B. Lowcycle fatigue). Verschiedene natio-nale Zulassungen liegen dafür vor.

Bild 3. Kriech- und Schwindumlagerung vom Rohbau biszum Bruchzustand (C45/55, μ~13%, ϕ = 1,5, εs = 0,3‰) –Traganteile Beton und StahlFig. 3. Redistribution of creep and shrinkage from con-struction until state of failure (C45/55, μ~13%, ϕ = 1.5,εs = 0.3‰) – Load shares in concrete and steel

Tabelle 2. Mechanische Kennwerte S 670 (keine Verwechs-lung mit anderen Gewindestählen, da Rechtsgewinde undandere Steigung)Table 2. Mechanical properties of S 670 (no confusion withother threaded rods due to right handed thread and differentrib inclination)

1 Technische Daten von Stahl und Verfahren (Zubehör) unddie Zulassungen können von der Annahütte D-83404 Ain-ring angefordert werden.

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 306

Page 4: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

307

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

4 Grundsätzliches zum Verbundtragverhalten Beton/Stahl bei Druckgliedern

4.1 Der Beton

Die Grenzlinien der Spannungs-Dehnungsdehnungslinienfür Normalbeton für verschiedene Belastungsgeschwin-digkeiten und Dauerlast (Kriechen) zeigt Bild 6 [7].

Darin sind als Parameter die hohe Belastungsge-schwindigkeit t = 2 min zu erkennen, die zu einer Bruch-stauchung von 2‰ und eine langsame t = 100 min, die zu> 3‰ führt. Schnell belastet, mit einer längeren Kriech-phase bei 0,4 · σc/fc,zyl führt ebenfalls zu einer Bruchstau-chung von ~3‰.

Faserbewehrte Betone weisen keine nennenswert hö-here Bruchstauchung als Normalbeton auf. Sie sind je-doch duktiler.

Das Verhalten beim Brand kann EN 1992-1-2 oderDIN 4102 entnommen werden.

4.2 Der Stahl

Im relevanten Bereich als bi-linear verhaltend, wird bei670/205000 = 0,00327 = 3,27‰ die Streck-/Stauchgrenze

erreicht. Die Arbeitslinie auf Druck kann der auf Zuggleichgesetzt werden (Bild 7).

Das Brandverhalten entspricht dem von Tempcore-stahl und kann ebenfalls EN 1992-1-2 bzw. DIN 4102 ent-nommen werden. Genauere Werte siehe [8].

4.3 Das zentrisch belastete Stahlbetondruckglied

Unter Kurzzeitbelastung tritt im Stahl σS die n0-fache Be-tonspannung σC auf (Ebenbleiben der Querschnitte nachBernoulli).

n0 = Es/Ec (1)

Über die ideelle Fläche Ai = Ac + n0 · As (2)lassen sich Beton- und Stahlspannung ermitteln.

Bild 4. Verbundspannungen in Abhängigkeit von der Rela-tivverschiebung nach [6]Fig. 4. Bond stresses depending on the relative translationaccording to [6]

Bild 5. Muffen und EndverankerungenFig. 5. Sleeve splicings and end anchors

Bild 6. Spannungs- und Dehnungslinien für Normalbetonnach [7]Fig. 6. Stress-strain for normal strength concrete accordingto [7]

Bild 7. Spannungs-Dehnungs-/Stauchungslinie S 670Fig. 7. Stress-strain/compression-tension diagram of S 670

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 307

Page 5: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

308

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

σc = P/Ai (3)

σs = n0· σc (4)

Zeitabhängig lagern sich die Spannungen von Beton aufStahl um. Dies lässt sich über Kriech- und Schwindfunk-tionen [9] z. B. nach Trost oder vereinfacht über den Ver-formungsmodul

Ect = Ec/(1 + ϕ) (5)

mit:nt · σc ermitteln.

nt = Es · (1 + ϕ)/Ec (6)

Dabei ist ϕ die Kriechzahl.

Im rechnerischen Bruchzustand werden die Traglastenvon Beton und Stahl addiert, wobei lt. DIN 1045-1 beivollständig überdrückten Querschnitten der Stahl nurmit einer Stauchung von 2 bis 2,2‰ ausgenutzt werdendarf und das unabhängig von der Stahlgüte, z. B. σsu = 0,002 · 205000 = 410 N/mm2. Die Bruchtragfähig-keit lautet somit im Regelfall:

zul. Betontragfähigkeit = α · fck· Ac/(γc· γc′) (7.1)

plus Stahlanteil = εc2 · Es· As/γs (7.2)

mit:α = Langzeiteinfluss 0,85fck = charakteristische Zylinderdruckfestigkeit des Be-

tonsAc = Netto - BetonquerschnittAs = Stahlquerschnittεc2 = Bruchstauchung bei überdrücktem Beton = 2,0‰,

von C55 auf C100 prop. auf 2,2‰ zunehmendEs = E-Modul Stahl 205000 N/mm2

Ec = E-Modul Beton (n. DIN 1045-1)γc = Teilsicherheitsbeiwert Beton 1,5γc′ = Zusätzlich ab Beton = C55 = 1/(1.1 – fck/500)γs = Teilsicherheitsbeiwert Stahl 1,15

Mit einem Nachweis der zeitabhängigen Umlagerung imGebrauchszustand oder Verwendung eines Betons mitnachweislich verbessertem Nachbruchverhalten könnenauch Stähle höherer Festigkeit auf Druck voll ausgenutztwerden. Bei der Umlagerung nimmt die Beanspruchungdes Stahls zu, der Beton wird entlastet. Das entsprichteiner „Druckvorspannung“ in der Bewehrung, die sichwährend des Kriechvorgangs selbstständig einstellt.

Durch Kriech- und Schwindumlagerungen wird dieBruchstauchung des Betons verschoben. Der Betonwird entlastet und gewinnt Tragreserven.

Bild 8 zeigt die Lastanteile Beton und Stahl (Beweh-rungsgrad μ~13%, C55) vom Gebrauchs- bis zum Bruch-zustand bei schneller Lastaufbringung (gestrichelt) undlangsamer mit Kriechphase (durchgehender Strich), sieheauch Abschn. 5, Versuche. Deutlich gehen daraus die Ver-

formungsunterschiede ε1 + ε2 + ε3 hervor, die zur Erhö-hung der Bruchstauchung im Stahl genutzt werden kön-nen: Δεs = ε1 + ε2 + ε3 (8)

ε1 = Kriech- und Schwindverformungε2 = Wiederbelastbarkeit des Betons nach Kriech- und

Schwindabfall/Aufatmenε3 = Verformungsunterschied durch unterschiedliche

Belastungsgeschwindigkeit (wird später i. d. R. ver-nachlässigt)

Ähnliche Verhältnisse treten bei Relaxationsversuchen(Abschn. 5.2) auf.

Das angesprochene Nachbruchverhalten von Betonist deutlich in Bild 9 zu erkennen. Seine Auswirkunghängt vom Bewehrungsgrad ab und zeigt bei kleinem

Bild 8. Kraftverlauf während der gesamten Belastungsge-schichte unter zentrischem Druck bis zum Bruch bei schnellbelasteter Stütze und langsam belasteter Stütze mit Kriech-phaseFig. 8. Load trend during the entire load history under cen-tric pressure until failure at fast loaded and slow loadedcolumns with creep phase.

Bild 9. Verhältnis der Beton- und Stahlkräfte unter zentri-schem Druck bei unterschiedlichen Bewehrungsgraden mitS 670 (Nachbruchverhalten)Fig. 9. Ratio of concrete and steel forces under centric pres-sure with different percentages of reinforcement with S 670(Behaviour after Failure)

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 308

Page 6: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

309

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

μ~5% das Versagen kurz nach Erreichen der maximalenBetontragfähigkeit, wenn die Traglast im Beton stärker ab-fällt als die Zunahme im Stahl.

Bei hohem Bewehrungsgrad tritt dieser Zustand desMaximums später ein, so dass die Streckgrenzenlast imStahl erreicht wird und damit eine hohe Gesamtbruchlastauch ohne Kriechumlagerung. Man spricht in diesem Fal-le von stützender Wirkung durch die Bewehrung bei ho-hem Bewehrungsgrad. Selbstverständlich wäre die Ge-samtbruchlast in beiden Fällen mittels Ansatz der Kriech-umlagerungen noch steigerungsfähig, was aus den rotenLinien hervorgeht.

Bei Betonstahl BSt 500 kommen diese Mechanismennur abgeschwächt zur Wirkung. Faseranteile im Beton er-höhen diesen Effekt.

4.4 Kriechumlagerung in Abhängigkeit vomBewehrungsgrad μμ

Da mit der neuen Bewehrungstechnik auch der Bereichmit Bewehrungsgrad μ > 6% abgedeckt werden soll, istdessen Einfluss auf die Umlagerung interessant. Bild 10zeigt diese Abhängigkeit. Bei kleinem μ wird rasch dieStreck-/Stauchgrenze erreicht, die Umlagerungskraft istaber gering. Mit zunehmenden μ sind die Spannungserhö-hungen im Stahl zwar geringer, der Beton wird jedochstark entlastet, die Umlagerungskraft nimmt zu.

4.5 Exzentrisch beanspruchte Druckglieder

Die vorstehenden Betrachtungen gelten – leicht verständ-lich – für zentrische Druckbeanspruchung (einfach inner-lich statisch unbestimmtes System, Bild 15). Bei zusätzli-cher Biegebeanspruchung und komplizierterer Quer-schnittsform (zwei- und mehrfach innerlich statisch un-bestimmt) kann mit dem Kriechfaserverfahren nachBusemann [9] das System entkoppelt und auf zwei zen-trisch beanspruchte Stützen zurückgeführt werden, die inden beiden Kriechfasern KI und KII angeordnet sind(Bild 11). Ähnlich der Methode der Kernpunktmomentebeeinflussen sich die beiden Fasern/Stützen nicht. DenFasern KI und KII werden nach dem Hebelgesetz anteiligBeton- und Stahlflächen sowie Schnittgrößen aus Nor-malkraft und Moment (Kräftepaar M/c) zugeordnet. Inden jeweiligen, zentrisch beanspruchten Stützen lassensich die zeitabhängigen Umlagerungen ΔεS im Gebrauchs-

Bild 11. Entkoppelung nach Busemann in zwei zentrisch beanspruchte Druckglieder [9] KI und KIIFig. 11. Decoupling according to Busemann in two centric stressed compression members [9] KI and KII

Bild 10. Einfluss des Bewehrungsgrads auf die Umlagerungbei konstanter äußerer Last P (im Vergleich zu Bild 16)Fig. 10. Influence of the reinforcement percentage on theredistribution under constant external load P (in comparisonto Fig. 16)

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 309

Page 7: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

310

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

zustand wieder einfach bestimmen und als Druckvorspan-nung in die Bruchbemessung einführen.

Neben dieser analytisch sauberen, durchgängigen Lö-sung werden Vereinfachungen empfohlen, z. B. Umlage-rung ΔεS nur aus zentrischen Normalkraftanteil und Ver-schiebung des Parabel-/Rechteck-Spannungsdiagrammsnach DIN 1045-1 um ΔεS, siehe Abschn. 6.2.3.. Auf einegenauere, höhere Ausnutzung der Umlagerung kann ver-zichtet werden (sichere Seite), da im Biegedruckbereichder Beton auch ohne Umlagerung bis 3,5‰ gestauchtwird und damit der Stahl in vielen Fällen ohnehin dieStauchgrenze erreicht. Erreicht der Stahl bei einer ange-setzten Betonrandstauchung von 3,5‰ die Stauchgrenzenicht, sollten die Umlagerungen jedoch näher nachgewie-sen werden. Die erforderliche Bewehrung reduziert sichgegenüber einer Stützenbemessung mit BSt 500 im Ver-hältnis der Streckgrenzen.

5 Versuche5.1 Rückliegende Versuche

Leonhardt und Teichen untersuchten bereits im Jahre1972 Stützen, die aus einem Beton βw = 50 N/mm2 undhochfesten Stahl St 600/900 bestanden [1]. Die Versuchs-stützen wiesen Bewehrungsgrade zwischen 13 und 16%auf. Hier wurde, wie bei der Stütze mit S 670, das zeitab-hängige Verhalten des Betons berücksichtigt. Leonhardtund Teichen belasteten die Stützen 20 × 20 × 250 cm zen-trisch und exzentrisch, mit dem ständigen Anteil der Ge-brauchslast, und ließen sie über einen längeren Zeitraumzwischen 70 Tagen und einem Jahr unter dieser Last ste-hen. Beim anschließenden Bruchversuch zeigte sich, dassder Beton ohne Schädigungen, wie Rissbildungen oderAbplatzungen, bis zur Quetschgrenze des hochfestenStahls belastet werden konnte. Bei der Bemessung wurdeder Beton nicht mit angesetzt. Er hatte jedoch die Aufga-be, den Korrosionsschutz der Bewehrung sicherzustellen,die Bewehrungsstäbe mit den Bügeln vor dem Ausknickenzu sichern und die Feuerwiderstandsdauer auf daserforderliche Maß zu vergrößern.

Ein ähnliches Stützenkonzept kam im Jahr 2000 beimHerriot’s Hochhaus in Frankfurt zum Einsatz. Hier wurdevon Falkner et al. ein hochfester Beton C100/115, beiBewehrungsgraden von ca. 10% mit einem Sonderstahl

St 750/1200 kombiniert. Für die dabei erforderliche Zu-stimmung im Einzelfall wurden Versuche zur Bestimmungdes Gebrauchs- und Bruchtragverhaltens sowie der Feuer-widerstandsdauer durchgeführt [2].

Bei diesen Stützen war die gegenüber DIN 1045 ange-hobene Bruchstauchung des Betons mit 2,75‰ immernoch kleiner als die Quetschgrenze des Stahls mit750/205 = 3,66‰. Das zeitabhängige Verhalten des Be-tons blieb unberücksichtigt. Stattdessen wurde durch ei-nen Fasercocktail aus Polypropylen- und Stahlfasern derBeton duktiler gemacht. Auch bei schneller Belastung imBereich der Bruchstauchung des Betons waren so keineAbplatzungen oder Ablösungen möglich. Bei der Be-messung wurde oberhalb der Stauchungsgrenze desBetons die leicht abfallende Betonarbeitslinie berücksich-tigt. Die Versuche zeigten, dass aufgrund des hohen Stahl-anteils bei schon abfallender Betonarbeitslinie noch einduktiles Tragverhalten der Stützen vorlag (Abschn. 4.3,Bild 9).

5.2 Versuche an Stützen mit S 670 und Prismenversuche

Zur Prüfung der neuen Druckglieder wurden unter Einbe-zug von älteren Versuchen acht Stützenstummel von 1 mLänge untersucht. Dabei sind im Wesentlichen die Last-standzeiten bzw. die Belastungsgeschichte der Versuchs-stützen variiert worden. Ergänzend wurden verschiedenePrismenversuche durchgeführt, um zur Analyse der Versu-che weitere Anhaltspunkte zum Tragverhalten des Betonszu bekommen. Im Folgenden wird auf die prägnantestenVersuche näher eingegangen.

Die Stützen waren mit einem mittig liegenden Be-wehrungsstab S 670 Durchmesser 75 mm und vier außen-liegenden Bewehrungsstäben BSt 500 Durchmesser10 mm bewehrt. Es waren 14 Bügeln mit Durchmesser6 mm angeordnet (Bild 12). Der Beton wies die Festig-keitsklasse C50/60 auf. Aus Gründen des Brandschutzeswaren 1,5 kg Polypropylenfasern pro m3 Beton beige-mischt. Der Beton enthielt quarzhaltigen Zuschlag miteiner Körnung 0/16 mm und einen Zement CEM II/A –S 42,5 R.

Mit diesen Versuchen, bei denen zur Simulation deszeitabhängigen Betonverhaltens, d. h. der Kriech- undSchwindumlagerungen, unterschiedlich hohe Belastungs-

Bild 12. Bewehrung und Querschnitt(20 x 20 cm) einer VersuchsstützeFig. 12. Reinforcement and cross sec-tion (20 x 20 cm) of a test column

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 310

Page 8: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

311

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

stufen weg- und kraftgeregelt gehalten wurden, sollten fol-gende zentrale Fragen geklärt werden:– Ist es möglich, bei entsprechenden Kriech- bzw. Relaxa-

tions- und Schwindumlagerungen den hochfesten Stahlvoll auszunutzen?

– Wie verhält sich das Verbundsystem aus hochfestemStahl, hohem Bewehrungsverhältnis von μ = 13,4% undnormalfestem Beton, wenn der Beton seine Bruchstau-chung bereits überschritten hat, sich also im Nach-bruchbereich befindet?

– Wie verhält sich das System bei schneller Belastung,wenn keine zeitabhängigen Kriech- und Schwindumla-gerungen stattfinden können?

Im Folgenden werden die wichtigsten durchgeführtenStützenversuche tabellarisch zusammengefasst. Ausführ-lich sind die Versuche in [10] dokumentiert.

Beim Versuch S5 wurde eine relativ hohe Dauerlastund eine Relaxationszeit von 20 Tagen gewählt, damitvergleichbare Kriechumlagerungen wie bei einer in derPraxis auftretenden geringeren Last und längerer Stand-zeit simuliert wurden. Es konnte gezeigt werden, dass dieBruchstauchungen des Betons deutlich über das erforder-liche Maß von 670/(205 × γs) = 2,84‰ verschoben wer-den können (Bild 13). Selbst 1 ‰ oberhalb dieser Bruch-stauchung kam es zu fast keinen Betonablösungen. Erstbei sehr großen Stauchungen von etwa 4,5 bis 7‰ löstesich der Beton ab (Bild 14). Die Druckmuffe in S6 zeigtebei Erreichen der Streckgrenze eine zusätzliche Verfor-mung von nur 0,4 mm.

Alle Versuche ergaben, dass durch Ausnutzung deszeitabhängigen Betonverhaltens der hochfeste Stahl S 670voll ausgenutzt werden kann und die beiden Materialien,Stahl und Beton, sogar unter Anwendung des größtenStahldurchmessers bis 75 mm, eine sehr gute Verträglich-keit aufweisen. Bei hohen Belastungsgeschwindigkeitenstellte sich eine Bruchstauchung von 2,8‰ im Beton ein.Auch hier wirkten im Nachbruchbereich des Betons beideTragkomponenten gut zusammen.

Bei allen durchgeführten Kriech- bzw. Relax-versuchen konnte der hochfeste Stahl voll ausgenutztwerden; es zeigt sich ein äußerst duktiles Tragver-halten.

An Prismen aus gleichem Beton wie die Stützen wur-den vergleichende Kurzzeit-, Kriech- und Relaxationsver-suche gemacht [10]. Hierbei hat sich nach der Standzeitbei Wiederbelastung der Beton etwas steifer als zuvor ver-halten. Dies kann zum einen mit weitergehenden Hydra-tationsprozessen der relativ jungen Betonprobe erklärtwerden, zum anderen könnte unter der Dauerlast eine ge-wisse Verdichtung des Betongefüges eingetreten sein, wasden geringen Anstieg des E-Moduls mit bewirkte. Auf dersicheren Seite liegend wird daher in der Bemessung(Abschn. 6.2) der Wiederbelastungsanteil ε2 (Abschn. 4.3)nur zu 75% angesetzt.

5.3 Brandversuche

Wegen der im Vergleich zu Stützen nach DIN 1045-1 ge-änderten Parameter, wie der Bewehrungsdurchmesser undder höhere Bewehrungsgrad, ist es notwendig gewesen,das Brandverhalten der Stützen mit hochfestem S 670 ex-perimentell und analytisch zu prüfen [11]. Bei der erstenpraktischen Anwendung im Opernturm Frankfurt mach-ten insbesondere die große Schlankheit und Stützenlängesowie eine sehr hohe Lastausnutzung besondere Unter-suchungen notwendig.

Da die durchgeführten Versuche direkt im Zusam-menhang mit der Anwendung Opernturm Frankfurt ste-hen, wird im Teil II dieser Veröffentlichung, die in weni-gen Monaten erscheint, näheres berichtet. Vorab kann ge-sagt werden, dass sich der S 670 wie Tempcore-Betonstahlverhält. Die vermutete höhere Abplatzgefahr, die aufgrund

Bild 13. Traglast und Nachbruchverhalten von Stütze S5(Beispiel)Fig. 13. Carrying capacity and behaviour after failure of co-lumn S5 (example)

Bild 14. Zustand der Stützen S5 bei einer Stauchung von4,5‰, erste Ablösungen unten links (eingekreist)Fig. 14. Condition of column S5 at compressive strain of4,5‰, first spallings lower left (encircled)

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 311

Page 9: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

312

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

der großen Bewehrungsdurchmesser befürchtet wurde,trat bei den Versuchsstützen, die 1,5 kg Polypropylen-fasern pro m3 Beton aufwiesen, nicht ein. Genauso konn-te eine reduzierte Feuerwiderstandsdauer, die sich mög-licherweise ebenfalls aufgrund der höheren Bewehrungs-konzentration und der Wärmeleitfähigkeit des Stahls er-gibt, nicht festgestellt werden.

6 Bemessung des Druckglieds im Gebrauchs- und Bruchzustand

6.1 Bemessung nach EC2 und DIN 1045-1

Wird zunächst vom einfachsten Fall der Pendelstütze derLänge � ohne planmäßige Momentenbeanspruchung aus-gegangen, so ist nach DIN 1045-1 Ziff. 8.6.3 und 8.6.4 un-ter bestimmten Randbedingungen ein Moment infolge ei-ner ungewollten Ausmitte ea zur Berücksichtigung vonImperfektionen mit in die Bemessung einzubeziehen.

ea = αa1 · �/2 (9)

αa1 = 1/(100 · ��� = 1/200 (10)

Bei geringen Schlankheiten bzw. einen λ = �/i (i = Träg-heitsradius) bis 25 sind der Biegeanteil sowie die Zusatz-beanspruchungen aus Theorie II. Ordnung bei der Bemes-sung einer Pendelstütze von untergeordneter Bedeutung.Es liegt ein voll überdrückter Querschnitt vor, die maßge-

bende Größe für die Bemessung der Stütze ist der zentri-sche Druck.

Für den Fall der weitgehend zentrischen gedrücktenStütze ist die Stauchung εc2 zu begrenzen. Diese Stau-chung darf im Punkt C (DIN 1045-1, Bild 30) des Quer-schnitts nicht überschritten werden.

Bei einer Stauchung εc2, die bis zur BetonfestigkeitC50/60 2‰ beträgt und bis zur FestigkeitsklasseC100/115 stetig auf 2,2‰ ansteigt, ist es bis zur Betonfes-tigkeitsklasse C80/95 nicht ohne weiteres möglich, dieBetonstahlbewehrung aus BSt 500 vollständig bis zurQuetschgrenze εyd = 500/(205 × 1,15) = 2,17‰ auszu-nutzen.

Bei voll überdrückten Querschnitten und geringenAusmitten ed/h = 0,1 darf jedoch für Normalbeton ein εc2 = 2,2‰ zugelassen werden, wodurch die volle Ausnut-zung des herkömmlichen Bewehrungsstahls BSt 500 er-möglicht wird. Grundlage dieses etwas größeren Stau-chungswertes εc2 sind immer stattfindende Kriech- undSchwindstauchungen.

Bei größeren Schlankheiten bzw. λcrit zwischen 25und 75 tritt der Einfluss der ungewollten Ausmitte in Ab-hängigkeit von der Knicklänge, die sich aus den Lage-rungsbedingungen der Stützen ergibt, zunehmend in denVordergrund, so dass die Interaktion zwischen Normal-kraft und Biegemoment, genauso wie bei planmäßigen zu-sätzlichen Momentenbeanspruchungen für die Bemes-sung relevant ist. Die Bemessung hat unter Berücksichti-

Tabelle 3. Die wichtigsten Eckdaten der Versuche (Fa = Bruchlast Beton + Streckgrenzenlast Stahl)Table 3. The most important key data of the tests (Fa = ultimate load concrete + yield load steel)

Versuchs- Querschnitt Relaxationslast/Laststufen Bruchstauchung des Versuchartkörper Bewehrung Standzeiten Betons/Querschnitts

Versuchsablauf Bruchlast

S5 siehe Bild 12 ≈ 3300 kN = 60% Fu Analytisch ermittelt: Relaxationsversuch480 Stunden 3,3 ‰ +

Fa = 5.160 kN weggesteuerter⇒ weggesteuerter 3,39 ‰ (Versuch) DruckversuchBruchversuch Fu = 5.492 kN – zentrisch –

S6 siehe Bild 12, ≈ 3300 kN = 60% Fu Analytisch ermittelt: Relaxationsversuch gestoßen mit einer 24 Stunden 3,3‰ + Kontaktmuffe Fa = 5.160 kN weggesteuerter

weggesteuerter 3,92‰ (Versuch) DruckversuchBruchversuch Fu = 5.219 kN – zentrisch –

S7 siehe Bild 12 Schnell belastet bis zum Analytisch ermittelt: weggesteuerterBruch, weggesteuert 3,3‰ Druckversuch0,002 mm/s Fa = 5.160 kN Weggesteuerter 2,8‰Bruchversuch Fu = 5.120 kN (Versuch)

S8 siehe Bild 12 In Stufen innerhalb eines Analytisch ermittelt: Relaxation u. Tages belastet 3,3‰ weggesteuerter639 kN – 2h Fa = 5.160 kN Druckversuch

1278 kN – 2h 3,2‰1917 kN – 2h Fu = 5.320 kN (Versuch)2555 kN – 2h3194 kN – 2h3833 kN – 2h⇒ Bruchversuch

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 312

Page 10: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

313

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

gung der in DIN 1045-1 gezeigten Arbeitslinien und derVerformungen nach Theorie II. Ordnung zu erfolgen. Inder Regel werden Langzeiteffekte, wie Kriechen undSchwinden dabei vernachlässigt. Bei der bevorstehendenNeuauflage der DIN 1045-1 wird jedoch die Berücksichti-gung der Kriechausmitte kϕ bei λ > 50 vorgeschrieben. AufGrundlage des EC 2 sind dabei alle Dehnungswerte desBetons mit 1 + ϕeff, wobei ϕeff = ϕ × M1perm/M1Ed ist, zumultiplizieren:

M1perm = Biegemoment nach Theorie I. Ordnung unterquasi ständiger Einwirkungskombination inkl.Imperfektion (Gebrauchstauglichkeit).

M1Ed = Biegemoment nach Theorie I. Ordnung unterder Bemessungs- Einwirkungskombinationinkl. Imperfektion (Bruchtragfähigkeit).

Beim Einsatz des hochfesten Stahls S 670 sind aufgrundder höheren Quetschgrenze (Bild 7), insbesondere bei ge-ringen Schlankheiten bei weitgehend zentrischem Druckgrößere Betonstauchungen zur vollen wirtschaftlichenAusnutzung des Stahls erforderlich. Wie schon angedeu-tet, wird daher nachfolgend das Bemessungskonzept desEC 2 bzw. DIN 1045-1 entsprechend angepasst.

Dabei ist, wenn dem zeitabhängigen Einfluss günstigeBedeutung zukommt, mit eher unteren Kriech- undSchwindbeiwerten zur rechnen. Nicht lineares Kriechenist dem Heft 525 des DAfStb zu entnehmen.

6.2 Modifizierte Bemessung beim Einsatz des S 670 durchAnsatz von K+S und/oder der Berücksichtigung desNachbruchverhaltens bei erhöhter Duktilität des Betons

6.2.1 Allgemeines, Überblick

Die Randbedingungen zur Ausnutzung des S 670 lassensich entsprechend vorstehender Ausführungen wie folgtzusammenfassen:– Ermittlung der Umlagerungen ΔεS des Betons im Ge-

brauchszustand während der Bauphase (Abschn. 4.3,4.5 und 6.2.2).

– Die Umlagerung ΔεS geht als Druckvorspannung/Vor-stauchung (analog Zugvordehnung im Spannbetonbau,siehe [12]) bei der Bruchbemessung ein.

– Alternativ kann der Stauchungsgewinn ΔεS auch der Be-tonstauchung zugeschlagen werden (Bild 18). Ansons-ten gilt die normale Stahlbetonbemessung.

– Sollte der S 670 nach Berechnung der Umlagerung ΔεSnicht vollständig ausgenutzt werden können, kann beihohem Bewehrungsgehalt zusätzlich die stützende Wir-kung des Stahls beim Nachbruchverhalten des Betonsberücksichtigt werden (Abschn. 4.3). Dies gilt umsomehr, wenn die Duktilität des Betons durch Fasern er-höht wird.

– Der Rechenablauf erfolgt in Zeitstufen, zweckmäßig miteinem Rechenprogramm (Abschn. 6.2.3)

6.2.2 Ausnutzung von Kriechen und Schwinden bei der Bemessung mit Zahlenbeispiel

Für ein Hochhaus werden zweckmäßig mehrere Stock-werke gebündelt, um die jeweiligen Zeit- und Laststufenzu untersuchen. Nachfolgend werden Ansätze und einvereinfachtes Zahlenbeispiel für nur eine Last- und Zeit-stufe einer zentrisch beanspruchten Stütze aufgezeigt(Bild 15):

Kennwerte: δ1s = 1/(AsEs) (11); δ1c = 1/(AcEc) (12); n = Es/Ec (1); μ = As/Ac (13); α = δ1c/(δ1c + δ1s) = n · μ/(1 + nμ) = n · As/Ai (14); Ai = Ac + n · As (2)

Gebrauchszustand vor k + s: Zahlen-Beispiel: P = 25138 kNNs = α · P (15); σPs = Ns/As = n · σPc (16) C50/60, As = 319 cm2, Ac = 4681 cm2

Nc = (1 – α)P (17); σpc = Nc/Ac = P · /Ai (18) n = 205000/36800 = 5,57σεss = (1 – α) · εs · Ee (19) μ = 319/4681 = 0,0681σεsc = –σεs · μ (20) Ai = 6458 cm2, α = 0,275Nach k + s: redϕ = 1, redεs = 15 · 10–5

Umlagerung nach Trost [9]: Umlagerung mit Verformungsmodul:

Zurzeit t = 0:σσc0 = 25138 kN/6458 cm2 = 38,93 N/mm2

σσs0 = σσc0 · n = 216,84 N/mm2

cd = 1 + (1 – α) · ϕ/(1 + α · ρ · ϕ) = 1,594 (21) Ecϕ = Ec/(1 + ϕ) = 18400 N/mm2

ρ = 0,8 Relaxationskoeff. nϕ = (1 + ϕ) · n = 11,14cs = 1/(1 + α · ρ · ϕ) = 0,82 (22) Aiϕ = 4681 + 11,14 · 319 = 8235 cm2

αϕ = 11,14 · 319/8235 = 0,43

σσst = σσs0 · cd + εεs · Es · cs(1 – αα) (23) σσct = 25138/8235 – 17,5 · 0,0681 == 345,6 + 18,3 = 363,9 N/mm2 = 30,53 – 1,19 = 29,34 N/mm2

σσct = (P – σσst · As)/Ac = 30,2 – 1,3 = 28,9 N/mm2 (24) σσst = 11,14 · 30,53 + (1 – 0,43) · 15 · 10–5 · 205000 == 340,1 + 17,5 = 357,6 N/mm2

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 313

Page 11: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

314

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

Die Übereinstimmung der beiden Rechenverfahren istsehr zufriedenstellend.

Umlagerung Stahlε1 = (σst – σs0)/Es = 0,000717 (25)

Wiederbelastbarkeit/Aufatmen Betonε2 = 0,75 · (σc0 – σct)/Ec = 0,000204 (26)

Druckvorspannung/UmlagerungΔεs = ε1 + ε2 = 0,000717 + 0,000204 = 0,000921 → 0,921‰

Mit dieser Druckstauchung Δεs kann der normale Bruch-sicherheitsnachweis geführt werden. Bei einer zentrischenBetonstauchung nach DIN 1045-1 von 2‰ wird derStahl mit insgesamt 2,921‰ Stauchung entspricht 205 · 2,921 = 599 N/mm2 > 670/1,15 = 583 N/mm2 vollausgenutzt.

In Bild 16 wurden beispielhaft die Umlagerungen unddamit die Ausnutzung des S 670 für verschieden auftreten-de Bewehrungsgrade ermittelt. Auch hier bestätigt sich dienahezu volle Ausnutzung des hochfesten Bewehrungs-stahls mittels k+s ohne Hinzuziehung weiterer Maßnah-men. Im Gegensatz zu Bild 10 werden hier die Quer-schnitte voll ausgenutzt. Stützen aus hochfestem Beton-stahl mit hohen Bewehrungsgraden können im Ge-brauchszustand vor Eintritt von Kriechen und Schwindenzu hohen Betonspannungen führen. In solchen Fällen istein Gebrauchsspannungsnachweis zu führen und die Be-tonspannung mit 0,45 × fck zu begrenzen. Für den Biege-knicknachweis gilt DIN 1045-1 unter Einbezug der Stau-chung aus der Druckvorspannung ΔεS .

6.2.3 Rechenprogramm, Vereinfachung

Für die sukzessive Belastung während der Bauphase müs-sen mehrere Belastungsstufen gebildet werden (Bild 17),für die die Stauchungszuwächse bis zum Zeitpunkt derFertigstellung separat berechnet werden müssen. Es giltdas Superpositionsgesetz, jedoch sollten die Berechnun-gen zur Vereinfachung mit Hilfe eines Computerpro-gramms durchgeführt werden.

Mittels geeigneter Masken wird die Eingabe erleich-tert.

Mit diesem Programm soll in Zukunft eine Matrix er-stellt werden, aus der die Umlagerung in Abhängigkeit vonfolgenden Parametern zu entnehmen ist:– Bewehrungsgrad– Dauerlasthöhe– Umlagerungsdauer– Betongüte

Mit dieser Kenntnis erübrigen sich zusätzliche Umlage-rungsberechnungen im Bereich gewisser „Fenster“. Darü-ber hinaus werden Aussagen gemacht, ab wann bei größe-

Bild 15. Einfach innerlich statisch unbestimmtes Druck-gliedFig. 15. Compression member, statically indeterminate tofirst degree

Bild 16. Einfluss des Bewehrungsgrads auf die UmlagerungΔεS am Beispiel OpernturmFig. 16. Influence of the reinforcement percentage on the re-distribution Δεs on the example Operturm

Bild 17. Exemplarischer Belastungs-Zeitverlauf und Bildungvon Belastungsstufen zur BerechnungFig. 17. Exemplarily loading-time-trend and creation of loadincrements

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 314

Page 12: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

315

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

ren Schlankheiten eine Bemessung mit üblichen Stützen-bemessungsprogrammen bei Reduzierung der Bewehrungim Verhältnis der Streckgrenzen möglich ist.

Es werden Bemessungstabellen erarbeitet, mit de-nen bei weitgehend zentrisch beanspruchten Stützen ei-ne einfache Handbemessung und bei stärker exzen-trisch beanspruchten Stützen mit üblichen Stützenbe-messungsprogrammen die Bewehrung berechnet wer-den kann.

Als Vereinfachung (siehe Abschn. 4.5.) geht in dasProgramm ein, dass nur die Umlagerung aus zentrischerNormalkraft berücksichtigt wird, nicht aber die überdie Querschnittshöhe veränderliche Umlagerung ΔεS(Bild 11). Außerdem wird ΔεS nicht über die Druckvor-spannung berücksichtigt, sondern der Betonstauchung zu-geschlagen (Bild 18), was die gleiche Auswirkung hat.

6.2.4 Erhöhung der Duktilität des Betons

Wie schon erwähnt, kann durch Faserzusatz die Duktili-tät des Betons, auch ohne Ansatz von Umlagerungen, ver-größert werden. Damit wird auch der Effekt des Nach-bruchverhaltens des Betons (Bild 9) verbessert. Entspre-chende Versuche werden zukünftig durchgeführt. DesWeiteren wäre auch durch Versuche zu klären, inwiefernin Abhängigkeit von verschiedenen hohen Bewehrungs-graden die Bruchstauchung des Betons ohne Einfluss vonKriechen und Schwinden auch bei schneller Belastungansteigt. Über diese aktive stützende Wirkung könnte einfrühzeitiger Abfall der Betontragfähigkeit nach Bild 9 ge-bremst werden.

6.3 Heiße Bemessung

Ebenso wie die kalte Bemessung ist die heiße Bemessungvon Bedeutung. Wie bereits erwähnt, verhält sich der

S 670 wie normaler Betonstahl. Es gelten daher zunächstdie Bemessungsgrundsätze des normalen Stahlbetonbaus[13]. Das Brandverhalten der Stützen mit S 670 ist im Zu-sammenhang mit der Zustimmung im Einzelfall für denOpernturm Frankfurt versuchstechnisch und analytischvon Prof. Hosser und Dr. Richter [11] untersucht worden.Die Stützen zeigten ein sehr günstiges Brandverhalten.Weitere Details sind in Teil II dieses Beitrags zum Opern-turm zu finden. Um Betonabplatzungen zu vermeiden,sollte man bei hohen Feuerwiderstandsklassen allerdingsstets geringe Mengen von PP-Fasern zugeben.

7 Konstruktive Durchbildung7.1 Einführung

Grundsätzlich gilt EC 2 bzw. die nationalen Anpassungen.Folgende Eurocodenahen Einschränkungen bzw. Er-

weiterungen sind vorzusehen:– Übergreifungsstöße auf Druck oder Zug sind nicht vor-

gesehen, damit sind Verbundbeanspruchungen und de-ren Folgen gering.

– Mäßiger Zug bei großen Durchmessern bedeutet gerin-gere Ausnutzung als BSt 500, wegen zu großer Verfor-mung bzw. zu breiten Rissen.

– Betondeckung wegen Längsrissgefahr aus unterschiedli-cher Querdehnung zwischen Stahl und Beton und we-gen des Brandschutzes ≥ 0,8 · ∅.

– Max. Bewehrungsgrad μ ≤ 20%, Stabdurchmesser bis75 mm, Stahlgüte St 670/800.

– Verringerte Bügeldurchmesser < 1/4 der Längsbeweh-rung bei knicksteifen Durchmessern des S 670 (Abschn.7.5).

7.2 Stöße auf Druck und Zug

Zwar auf die volle Bruchtragfähigkeit ausgelegt, empfiehltes sich die Stöße um ca. 15 · ∅ bei C45/55 zu versetzen.Bei höheren Betongüten kann der Versatz um�(45/fck)(27) verringert werden. Damit liegt ein 50%-Stoß vor. Der Kontaktstoß kann auf Zug nicht bean-sprucht werden. Wegen des genannten Stoßversatzes läuftdaneben ein Stab ungestoßen durch, der dafür voll ausge-nutzt werden kann.

7.3 Endverankerungen

Mittels Ankerstück oder Ankerplatte und Verbundvorlängekann bei ausreichender Betonabmessung die Kraft mit zu-lässigem Schlupf (< 0,2 mm) auf Zug und Druck abgetragenwerden. Bei hoher Bewehrungskonzentration empfiehltsich die Durchführung eines Druck-Stumpfstoßes (ähnlichKontaktstoß) auf einer dicken Stahlplatte, die nach Stahl-bau- und Stahlbetongesichtspunkten zu bemessen ist.

7.4 Verbundspannungen aus Lasteintragung und Kriechumlagerungen

Im Regelfall werden unter und über der Decke die Bügel-abstände lt. DIN 1045-1 auf 60% der freien Länge verrin-gert. Damit werden Störungen in der KraftverteilungBeton/Bewehrung und Lasteintragung aus den Deckenaufgenommen.

Bild 18. Modifizierte Betonarbeitslinie zur Berücksichtigungdes Stauchungszuwachses ΔεS zur Ausnutzung des hochfes-ten Stahls S 670Fig. 18. Modified tensile test diagram to consider the increa-se of compression a strain Δεs for utilisation of the highstrength steel S 670

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 315

Page 13: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

316

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

Die hier besonders bedeutsamen Umlagerungen füh-ren zu nicht vernachlässigbaren Verbundbeanspruchun-gen. Diese sind von einer zur anderen Stütze eher klein, danur die Differenzumlagerung eingetragen werden muss.An den Enden einer Stützenreihe können diese Verbund-spannungen auch größer sein und führen zu Verschiebun-gen Stahl/Beton und Spaltzugkräften und sollten geson-dert nachgewiesen werden.

Durch die Verschiebung aus Lasteintragung entziehtsich der Stahl der Beanspruchung und der Beton wird dortüberbeansprucht. Wie in [14] zusammengefasst wird, er-höht aber die dort vorgesehene konzentrierte Bügel-bewehrung über mehrachsige Beanspruchung die Beton-festigkeit in Längsrichtung mehr als die Lasterhöhungdurch Lastentzug der gleitenden Längsbewehrung. DieserEffekt tritt verringert auch bei normalem Stahlbetonbauauf. Daher ist eine Spaltzug-/Verbundsicherungsbeweh-rung im Eintragungsbereich in Form von Bügeln einzule-gen, die die Verbundspannungen aus Deckenlasten undaus den Umlagerungen aufnehmen können.

7.5 Bügeldurchmesser zur Knickverhinderung großer Durchmesser

Die Normen schreiben einen Bügeldurchmesser von≥ ∅L/4 vor und leiten dies aus der Knickgefahr von übli-cherweise kleinerem Durchmesser der Längsbewehrung∅L ab. Die Streckgrenzen-Knicklänge nach Eulerfall I be-trägt beim ∅L = 75 mm S 670: 1,04 m und beim∅L = 40 mm BSt 500: 0,64 m. Es genügt daher bei S 670bis ∅L = 43 mm den Bügeldurchmesser zu ∅L/4 anzuset-zen und dann linear abnehmend auf ∅L/6 beim∅L = 75 mm; damit wird sogar eine größere effektiveBügelmenge längs der Knicklänge sichergestellt als nachDIN 1045-1.

7.6 Durchdringung hochfeste Stütze/niederfesterDeckenbeton

Auch hier wirkt der mehrachsige Spannungszustand inder Decke günstig, so dass laut [15] die Festigkeitsklassedes Deckenbetons bis zu 1/3 der des Stützenbetons betra-gen kann, ohne besondere Nachweise führen zu müssen.Anderenfalls kann die Kraftabtragung über eine durchge-hende Bewehrung günstig angesetzt werden (Bild 19).

7.7 Weitere konstruktive Details, wie Durchstanzen

Es gelten die üblichen Konstruktionsdetails des Standsder Stahlbeton-Technik. Nachdem die Stützen, bewehrtmit S 670 eher geringere Querschnitte als üblich aufwei-sen, ist dem Durchstanzen besonderes Augenmerk zu wid-men.

8 Ausführung, Referenzen

Die Gewindestähle und die Komponenten unterliegen ei-ner Eigen- und Fremdüberwachung. Die Schnittstellendes Kontaktstoßes müssen planparallel mit einer maxima-len Abweichung von 0,5° erfolgen. Transport, Lagerungund Montage, sowie Betonage und Nachbehandlung sindin Handbüchern festzuschreiben und von qualifiziertem

Personal qualitätsgesichert auszuführen. Mehr darüber imTeil II dieses Beitrags.

Bisher wurden zwei Hochhäuser in den USA und derOpernturm in Frankfurt (siehe Teil II) mit der neuen Be-wehrungstechnik erstellt, sowie kleinere Projekte in Mos-kau. Verschiedene Objekte sind in Planung.

9 Zusammenfassung, Ausblick

Mit dem vorgestellten neuen Bewehrungssystem fürDruckglieder aus SAS 670/800 wird der Anwendungsbe-reich des EC 2 bzw. der DIN 1045-1 unter Qualitäts- undKostenverbesserung erweitert. Durch die aufgezeigte Ver-wendung des hochfesten Stahls lassen sich Stützen her-stellen, die bis zu ∼ 50% kleiner Querschnitte aufweisen.Dabei wird auf den im Beton- und Spannbetonbau (EC 2,DIN 1045-1, usw.) bekannten Regeln aufgebaut.

Zeitabhängige Umlagerungen im Bauzustand ausKriechen und Schwinden des Betons, das Nachbruchver-halten und/oder ein duktileres Verhalten von faserbe-wehrten Beton werden berücksichtigt, um den hochfestenStahl bis zur Stauchgrenze auszunutzen.

Es liegen mittlerweile mehrer Praxiserprobungen vor.Darüber hinaus sind Zulassungen in verschiedenen Län-dern inzwischen vorhanden. Eine europäische Zulassungmit der Berücksichtigung von Brandeinwirkungen befin-det sich in Bearbeitung.

Literatur

[1] Leonhardt, F. und Teichen, K.-T.: Druckstoße von Beweh-rungsstäben und Stahlbetonstützen mit hochfestem StahlSt90; Heft 222 des DAfStb, Berlin 1972.

[2] Eierle, B., Gabel, N. und Stenzel, G.: Fertigteilstützen ausHochleistungsbeton B125 für das Hochhaus HERRIOT’s inFrankfurt am Main; Betonwerk + Fertigkeit-Technik, Heft3/2003, 69 Jahrgang.

[3] Falkner, H.: Trends und Entwicklungen im Bauwesen – HHStützen –, Braunschweiger Bauseminar 2000, ISBN 3-89288-131-6.

[4] Wechtitsch, M.: GEWI-Stahl SAS 670 als Betonstahl; Tech-nische Universität Graz, Lehrstuhl für Massivbau, 2006.

Bild 19. Durchdringung hochfeste Stütze – niederfesterDeckenbetonFig. 19. Penetration, high strength columns – low strengthconcrete slab

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 316

Page 14: Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem ......Geotechnik als Pfahl, Nagel oderAnker eingesetzt. Es lag nahe, mit Unterstützung der Verfasser, das System mit Stößen

317

H. Falkner/D. Gerritzen/D. Jungwirth/L. Sparowitz · Das neue Bewehrungssystem; Druckglieder mit hochfestem Betonstahl SAS 670/800

Beton- und Stahlbetonbau 103 (2008), Heft 5

[5] Martin, H.: Zusammenhang zwischen Oberflächenbeschaf-fenheit, Verbund und Sprengwirkung von Bewehrungsstäh-len, DAfStb. Heft 228, Berlin 1973.

[6] Hegger, J.: Pull Out Versuche N° 119/2004 vom 22.12.2004,TU Aachen.

[7] Rüsch, H.: Stahlbeton Spannbeton, Band 1, Werner Verlag1972.

[8] Rußwurm, D.: Beton und Stähle für den Stahlbetonbau,Bauverlag 1993.

[9] Rüsch, H., Jungwirth, D. and Hilsdorf, H.: Creep and Shrin-kage, Springer Verlag 1983, New York/Heidelberg.

[10] Falkner, H., Gerritzen, D. und Grunert, J.: Stützenversuchemit SAS 670 ∅75 mm, Untersuchungsbericht N° 06S1315-a,2007, TU Braunschweig, sowie vergleichende Prismenversu-che.

[11] Hosser, D.: Brandversuche TU Braunschweig mit SAS 670,N° G 07011, 2007.

[12] Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen:Zilch, Rogge, Betonkalender 2002, T1 oder Grasser, Kupfer,Pratsch, Feix Betonkalender 1996, T1.

[13] Fingerloos, F.: Heißbemessung von Stahlbetonstützennach DIN 4102, Fortbildungsveranstaltung Deutsche Beton-und Bautechnikverein, Heft 14, 2007.

[14] Jungwirth, F.: Untersuchung zur Krafteinleitung über Zwi-schenverankerungen bei externen Spanngliedern, Dissertati-on TU Leipzig 2003.

[15] Weiske, R.: Durchleitung hoher Stützlasten bei Stahlbe-tonflachdecken; Dissertation TU Braunschweig 2004, ISBN3-89288-161-8.

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Horst FalknerTechnische Universität BraunschweigInstitut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB)Beethovenstraße 5238106 Braunschweigh.falkner@tu-bs-de

Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Lutz SparowitzTechnische Universität GrazInstitut für BetonbauLessingstraße 258010 [email protected]

Prof. Dr.-Ing. Dieter JungwirthKonstruktiver IngenieurbauLudwig-Thoma-Ring 2083670 Bad [email protected]

Dr.-Ing. Dominique GerritzenIBF-Ingenieurbüro Dr. FalknerUntere Walsplätze 2170569 [email protected]

Erfolgreiche Auszubildende

Das Berufsförderungswerk für die Be-ton- und Fertigteilhersteller e.V. (BBF)hat die bundesweit besten Auszubilden-den der Betonfertigteilbranche ausge-zeichnet.

Peter Aicheler, Vorsitzender des BBF,gratulierte den Absolventen zu ihrenLeistungen und überreichte Urkunden

und Geldpreise im Wert von jeweils 250 €. In seiner Rede wies er auf die Be-deutung der Berufsausbildung für Wirt-schaft und Gesellschaft hin. „Ausbildenschafft Zukunft, und nach dieser Devisebilden viele Unternehmen junge Leuteaus. Damit übernehmen sie nicht nurgesellschaftliche Verantwortung, son-dern investieren auch in die eigene Zu-kunft“, betonte er vor rund 600 Gästen

bei den Feierlichkeiten im Rahmen derAbendveranstaltung der 52. Betontage.

Die Auszeichnung als beste Auszubil-dende erhielten die BetonfertigteilbauerJoachim Kern, Lahr, Silvio Köhler,Nuthe-Urstromtal und Marco Uslaub,Wachenroth.

Th.

Aktuelles

06_304-317.qxd 23.04.2008 11:20 Uhr Seite 317