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Coverstory | Privatunterkünfte 12 3|2016 Die Bettvorleger Fotos: illustration.freuleinwunder.de, antartstock/Fotolia.com

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Coverstory | Privatunterkünfte

12 3|2016

Die Bettvorleger

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Knapp 10.000 Euro war Beyoncé der zweitägige Aufenthalt in San Francisco wert. Pro Nacht. Der US-Superstar sang in der Halbzeitpause der Super Bowl vor Millionen von Menschen. Das ungewöhnliche: Die schöne Sängerin buchte sich nicht in

einem der zahlreichen 5-Sterne-Plus-Hotels der Stadt ein, sondern bezog ihre Residenz über die Buchungsplattform Airbnb. Inklusive Gratis-Promotionaktion: Sie bedankte sich artig für den Aufenthalt in der Luxusresidenz, verlinkte die Plattform und sammelte für diesen Facebook-Post 400.000 Likes ein. Auf Nachfrage kommentierte das Unternehmen weder, ob Beyoncé Geld für das Posting bekommen ha-ben soll, noch ob man sie direkt angesprochen habe. Selbstverständ-lich zeigte man sich aber hocherfreut über das Lob des Superstars. So funktioniert Marketing nach Silicon-Valley-Bauweise.

Die Marktkraft explodiert

In einer Finanzierungsrunde hat sich Airbnb laut einem Zeitungsbe-richt 1,5 Milliarden US-Dollar frisches Kapital besorgt. Mit einer Be-wertung von 25,5 Milliarden US-Dollar ist die Online-Plattform eines der wertvollsten Start-ups. Das ist genug Geld für die Disruption – so nennt man die Zersetzung einer Branche nach der Silicon-Valley-Dok-trin. Eine Millionen Unterkünfte bietet der Sharing-Riese in 192 Län-dern an. Bei diesen Zahlen kann man nicht mehr von einem Start-up sprechen. Airbnb ist längst ein weltumspannender Konzern. Und er tritt genauso selbstbewusst auf. Anfang 2014 twitterte Brian Chesky, Grün-der und CEO von Airbnb: „Marriott will nächstes Jahr 30.000 Zimmer hinzufügen. Das schaffen wir in den nächsten zwei Wochen.“ Vergleicht man die größte Hotel-kette IHG (gemessen an Hotelzimmern) mit ih-ren weltweit 710.2951 Hotelzimmern, mit der oben genannten Anzahl an Unterkünften auf Airbnb, stellen sich so manchem Hotelier die Na-ckenhaare auf. Auch wenn Hotelzimmer in der Regel 365 Tage im Jahr bewirtschaftet werden, jedoch vermietete Zimmer und Wohnungen nur eine gewisse Zeit im Jahr vermietet werden kön-nen und dürfen, ist die Marktkraft Airbnbs in den letzten drei Jahren explodiert.

Das ist die eine, die helle Seite von Airbnb. Auf der anderen forscht Markus Luthe vom deutschen Hotelverband IHA. Akribisch sammelt er Vorfälle, die nicht so ganz ins hippe, weltoffene Bild des Konzerns passen wollen. Luther berichtet auf sei-nem Blog blog.hotellerie.de von schwedischen Wohnungen, die kurzfristig in Bordelle umfunk-tioniert wurden, der Klage einer Deutschen ge-gen Airbnb, die in ihrer Urlaubsunterkunft in den Vereinigten Staaten eine versteckte Kamera ent-deckte, Mietwucher, Sexparties, Überfällen und

zweifelhaften Versicherungs-bedingungen.

Doch ob die raketenschnelle Expansion, die die Investoren vom Unternehmen wünschten, auch der Realität standhalten wird, ist zumindest hinterfragenswert. Michaela Reitterer, Chefin des Boutiquehotels und Präsidentin der ÖHV: „Eige-nen Angaben zufolge boomt die Plattform ja extrem. Die Statistiken spiegeln das nicht wider: 2015 lag die Nächtigungssteigerung in Privat-quartieren bei 1,7 Prozent, in Hotels und ähnlichen Betrieben bei 2,3 Pro-zent und das von einem genau viermal so großen Marktanteil aus. Da stellt sich die Frage, ob sich die Privatzimmervermieter gegenseitig kan-nibalisieren oder ob Nächtigungen und vielleicht auch Einnahmen nur zum Teil deklariert werden. Aber Airbnb ist ein Mitbewerber mehr auf einem hart umkämpften Markt – mit Startvorteilen, aber auch Wett-bewerbsnachteilen. Airbnb hat große Geldgeber, aggressive Steuerver-meidung, keine Mitarbeiterkosten, keine Instandhaltungskosten.“

Gentrifizierung im Höllentempo

Die dunkle Seite überrennt allerdings den inneren Gedanken der „Sharing Economy“ und verkehrt sie in eine „Shadow Economy“: Drei Rentnerehepaare mussten aus ihren Wohnungen ausziehen. Fluchtort: Berlin. Die Mieten waren nicht mehr leistbar, das Aus und Ein von täg-lich neuen Gästen aus allen Kontinenten psychisch nicht mehr aus-

Coverstory | Privatunterkünfte

Plattformen wie Airbnb oder wimdu rücken der Hotellerie gefährlich zu Leibe. Hinter dem freundlichen, weltoffenen Image verbirgt sich eine investoren- und gewinngetriebene Struktur, die gerne beim Verbraucherschutz spart und den Charme der Innenstädte rasant aushöhlt. Eine Bestandsaufnahme.

Autor: Bastian Kellhofer

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Airbnb-Wert: 25,5 Mrd. Dollar

Was die Städte gegen Airbnb planenWien: Ende Februar beschloss die Stadt Wien Vermietern, die ihre Wohnungen über die Plattform anbieten, vermehrt auf die Finger zu schauen. Es wurde eine Meldepflicht bei der zuständigen Magistratsabteilung eingerichtet, die auf die zu entrichtende Steuerlast hin-weist. Bei Vergehen werden bis zu 2.100 Euro Strafe fällig. Berlin: Die Website www.airbnbvsberlin.de zeigt detailliert auf, wie der sprunghafte Anstieg von Airbnb-Unterkünften zur Verschärfung der knappen Wohnsituation in der deutschen Haupt-stadt führt und auch für den starken Anstieg der Mietpreise mit verantwortlich ist. Der Berliner Senat reagierte und brachte 2014 das Zweckentfremdungsverbot ein. Vermieter müssen eine gewerbliche Nutzung bei den Bezirksämtern melden. Auch die Flüchtlingskrise verschärft die Situation auf dem Wohnungsmarkt zusehends. Dies hat die Berliner Behörden veranlasst, stär-ker als bisher gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum vorzugehen. Seit Beginn 2016 wird AirBnB zur Herausgabe der Nutzerdaten gezwungen.Barcelona: Die katalanische Stadt sieht sich einem anarchischen Chaos gegenüber. Durch die ungebrochenen Begeisterung für die Stadt – vor allem unter jungen Reisenden – kippte die Stimmung der autochthonen Bevölkerung gegen die Touristen ins Negative. In den Innen-stadtvierteln kam es immer wieder zu Demonstrationen gegen die Party-Reisenden. Die linke Bürgermeisterin Ada Cola reagierte und veranlasste ein Gesetz, das Schwarzvermie-tungen mit bis zu 30.000 Euro bestrafte.

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haltbar für die alten Menschen. Sie wurden an den Stadtrand, in eine große Wohnanlage mit 1.200 „Ein-heiten“ übersiedelt. Dort ist es billiger, einsamer, das nächste Kaffeehaus eine Stunde entfernt, einen Supermarkt mit Schnellimbiss gibt es – gerade noch. In man-chen Vierteln in Städten wie Barcelona, Berlin, Paris gibt es bereits bis zu 60 Prozent Airbnb-Wohnungen. Teilweise aus dauerhaftem Leerstand, weil sich die Besitzer zwei oder drei Woh-nungen leisten können, weil Menschen über längere Zeit im Ausland arbeiten, immer mehr aber auch Wohnungen, die Investoren gehören, die wieder Shareholder von Airbnb sind. Schleichende Entsolidarisie-rung, Zerfall sozialen Zusammenhalts, Auflösung kleinteiliger Struktu-ren – alles ein Prozess. Eine neue Form der Gentrifizierung: auf Kosten öffentlicher Infrastruktur und sozialer Gefüge, die langsam erodieren. Die meisten Airbnb-Touristen und vorübergehend Wohnhafte sind durchschnittliche Menschen, eher jung, eher einkommensschwach und wenig konsumfreundlich. Sie wollen reisen, Menschen kennen lernen.

Luthe pocht nicht nur auf eine massive Aufwertung des Verbrau-cherschutzes, wenn Menschen über Sharingplattformen buchen, son-

dern auch auf eine juristische Gleichstellung der Anbieter mit den Hoteliers. „Zum einen müssen sich auch Privat vermieter bei den zuständigen Behörden registrieren lassen. Und zum anderen müs-sen Portale wie Airbnb in die Verantwortung genommen werden,

ausschließlich registrierte Vermieter zu listen und diese Daten mit den zuständigen Behörden abzugleichen.“ Nur so ließen sich die Ver-hältnisse mittel- bis langfristig wieder in geordnete Bahnen bewegen. Philipp Patzel, Geschäftsführer des Hotel Altstadt Vienna, schlägt in dieselbe Kerbe: „Ist Airbnb illegal? Nein. Vielmehr nutzt es Graube-reiche im System aus, dessen markt- und zeitkonforme Adaptierung in puncto gewerberechtlichen Richtlinien Aufgabe der zuständigen Behörden sein muss. Was kann der Hotelier darüber hinaus tun? Fight it or embrace it – bekämpfe oder umarme es.“

Wo Hotels sind, herrschen Regeln, Abläufe, klare Verhältnisse. Auf unterschiedlichen Qualitätsstandards. Aber Hotels müssen öffentliche Auflagen erfüllen – Brandschutz, Sicherheit, Barrierefreiheit, Einhaltung von hygienischen Standards etc. Hotels müssen Abgaben entrichten und ihre Gäste registrieren. Sie refinanzieren einen Teil der urbanen Infra-struktur: Wasserversorgung, Abfallb eseitigung, öffentliche Beleuchtung, Gesundheitswesen. Bei Airbnb-Vermietungen fällt vieles weg, manch-mal auch Steuern, Kurtaxen fast immer. Technische und sicherheits-

Den Normalzustand im Wettbewerb erreichenMarkus Luthe, Chef des deutschen Hotelleriever-bandes, hat sich in den vergangenen Jahren inten-siv mit der Sharing Economy auseinandergesetzt. Das sind seine Ansichten. Hotel & Touristik: Welche gesetzlichen Schritte sind zwingend nötig, um eine Chancengleichheit zwischen Airbnb und Hoteliers zu erreichen?Markus Luthe: Das Verbraucherbild des Gesetz-gebers bedarf eines Updates und muss nachjus-tiert werden: Die Politik kann bei den tradierten Branchen der „Old Economy“ nicht weiterhin das Leitbild des unaufgeklärten und maximal schutz-bedürftigen Verbrauchers zugrundelegen, wäh-rend sie bei der so genannten „Sharing“ Economy offenbar von einem besonders cleveren und smarten Verbrauchertypus auszugehen scheint, der dank einiger On-line-Bewertungen schon alleine in der Lage sei, sämtliche Risiken an-gemessen zu beurteilen und eigenverantwortlich einzugehen. Das passt nicht zusammen, und unser Rechtssystem hält das auf Dauer nicht aus.Unsere Mindestanforderungen an die Protagonisten der „Sharing“ Economy lauten daher: Zum einen müssen sich auch Privatvermie-ter bei den zuständigen Behörden registrieren lassen. Und zum an-deren müssen Portale wie Airbnb in die Verantwortung genommen werden, ausschließlich registrierte Vermieter zu listen und diese Daten mit den zuständigen Behörden abzugleichen. Dann sollten sich die Verhältnisse mittel- bis langfristig wieder in geordneten Bahnen bewegen.Wie sähe eine gelungenene Koexistenz von Sharingplattformen und Hotellerie aus?Ich will ein Level Playing Field, den Normalzustand einer wettbewerb-

lich organisierten Wirtschaft. Wenn Peer-2-Peer-Plattformen hotelspezifische Dienstleistungen vermitteln und aus Sicht des Gastes ähnlich wie ein Hotel auftreten, müssen für diese Portale und die von ihnen vermittelten Dienstleistungen auch dieselben Regelungen und Vorschriften wie für die Hotellerie gelten. Es darf nicht mit zweierlei Maß bei Brandschutz, Sicherheit, Melderecht, Hygiene oder Besteuerung gemessen werden: Gleiches Recht für alle Marktteilnehmer, gleiches Schutzniveau für alle Gäste.Steckt Ihrer Meinung nach in der Sharing Eco-nomy auch eine Chance für Hoteliers?Der rasante Markterfolg der „Sharing“ Economy hat sicherlich eine Vielzahl von Ursachen. Die

Kostenvorteile aufgrund geringerer/fehlender Auflagen sind nur ein Aspekt, wenngleich ein besonders wichtiger. Die Hotellerie muss si-cherlich auch eine Reaktion in ihren Produkten zeigen und sich immer wieder von neuem mit sich änderndem Marktverhalten (potenzieller) Gäste auseinandersetzen. Hier könnten sich die P-2-P-Plattformen als Katalysatoren erweisen. Im Hotelmarkt lassen sich jedenfalls schon viele Reaktionen aufzeigen, die in Richtung einer privatwoh-nungsartigen Zimmerausstattung, Co-Working-Spaces im öffentli-chen Bereich oder kommunikativeren Lounge-Konzepten für die Ho-tellobby reichen.Wie stellen Sie sich die Branche in zehn Jahren vor? Vielleicht am Beispiel eines Hotels? Wie werden Buchungsvorgänge und Kun-denakquise vonstatten gehen?Für die Hotellerie liegt eine große Herausforderung in der Digitalisie-rung eines Großteils der Dienstleistungsprozesse. Wlan hat sich in kür-zester Zeit verbreitet und wird heute von Gästen als Standardangebot

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Airbnb: 18.000 Betten in Wien

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bezogene Überprüfungen gibt es nicht. Flure, Stie-gen, Aufzüge werden erst gewerberechtlich geprüft, wenn es Anzeigen gibt. Wer nichts hat, kann auch nicht sharen. Familien oder Alleinerziehende an oder knapp über der Armutsschwelle können sich nicht leisten zu sharen. Sie sind für die Shareholder auch nicht interessant. Im Notfall kann man sie zum Weg-zug zwingen – hinaus in die Peripherie.

Ein Vermieter, ein Profil, 58 Wohnungen

Die Internetseite www.insideairbnb.com stellt die Vermutung auf, dass jene kompletten Woh-nungen, die häufig vermietet werden, nicht für Touristen, sondern im Normalfall für Wohnungs-suchende gebaut wurden. Die Umwidmung in Ho-telzimmer, die bei entsprechender Bewerbung deut-lich mehr einbringen als den Mietzins, verschärfe die Verknappung der Wohnfläche in Großstädten und führe langfristig zu einer Ablehnung der Touristen durch die autochthone Bevölkerung.

Ein weiteres Spezifikum, das die Website für Wien ausgibt: Zwei Drittel aller Wohnungen, die auf Airbnb angeboten werden, gehören Vermietern, die mehr als ein Objekt anbieten. Die Anbieter sind de facto Un-ternehmen – mit dem angenehmen Nebenaspekt, dass für die Vermietung weder Steuern noch Ortsta-xen anfallen. Diese Tendenz führt den ursprünglichen Gedanken der Sharing Economy, den eigenen Wohn-raum an Fremde weiterzugeben, ad absurdum. Das Kollektiv „Vienna Living“ bietet beispielsweise „voll möblierte moderne Apartments in zentraler Lage für einen kurz- bis mittelfristigen Mietzeitraum als Al-ternative zum anonymen Hotel“ an. Nicht eine Woh-nung, sondern – laut insideairbnb.com – 58 Unter-künfte. „Oscar & Diego“ vermieten in Barcelona 68 Wohnungen an Touristen. In Paris stellt der User „Fa-bien“ gleich 143 Appartements zur Verfügung. Den Unterschied zur traditionellen Hotellerie findet man nicht. Mit Tagesvermietungen verdient man wesent-

lich mehr als mit Dauervermietungen. Aus einem Social Project, einer Idee von jungen Menschen, ist knallhartes Business geworden, das die

vorausgesetzt. Neben neuen technischen Standards und Technologien im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik wie beispielsweise mobile Geräte und Displaylösungen, spielen auch eine nach-haltige Gebäudetechnik und die Vernetzung verschie-denster mobiler Geräte mit den zentralen Technolo-gien zur Gebäudesteuerung oder den Property- Management-Systemen eine wichtige Voraussetzung für zukunftsfähige Lösungen. So wird sich der Prozess des Buchens, Ein-checkens, aber auch die Steuerung von Hotelfacilities für Gast und Per-sonal stark verändern. Gäste erwarten (Hotel-)Umgebungen, in die sie ihre mitgebrachten elektronischen Geräte intuitiv integrieren können. Neben den passenden Schnittstellen spielt auch das Angebot des Hotels im Internet eine wichtige Rolle. Hoteleigene oder fremde Apps, die ei-gene Website und gezielte Kundenansprache über das Internet werden zu Voraussetzungen für erfolgreiche Vermarktung und Kundenbindung.Ist den Sharing-Plattformen juristisch auf nationaler oder regionaler Ebene überhaupt beizukommen? Gibt es gelungene Beispiele?Die Nutzung privaten Wohnraums wird in der föderalen Struktur Deutschlands kommunal reglementiert und damit von Stadt zu Stadt verschieden gehandhabt. Angesichts der bereits aufgezeigten Verbrau-cherschutz- und Wettbewerbsproblematik, aber auch wegen der damit einhergehenden Zweckentfremdung von Wohnraum und der Gentrifizie-rung wird sie die politischen Agenden der nächsten Jahre ebenso bestim-men, wie sie zu juristischen Auseinandersetzungen – insbesondere in touristischen Hotspots – führen wird.Für uns ist hier das Berliner „Zweckentfremdungsverbot“ beispielge-bend. Ab Mai 2014 hatten die Vermieter von Ferienwohnungen und Pri-vatzimmern zunächst drei Monate Zeit, sich beim Bezirksamt zu regis-trieren, um daraufhin erstmal zwei Jahre Bestandsschutz zu genießen. Nach Ablauf der Schonfrist zum 30. April 2016 sollen die Ferienwohnun-

gen dann wieder ihrer ursprünglichen Nutzung – dem regulären Dauerwohnen – zugeführt werden. Bislang wurden so rund 6.300 Ferienwohnungen registriert und bereits etwa 1.200 mögliche Ver-stöße gegen das Zweckentfremdungsverbot er-mittelt. Anfang Februar 2016 verschärfte die Berli-ner Landesregierung das Zweckentfremdungs- verbot angesichts einer noch immer vermuteten

hohen Dunkelziffer und verpflichtete Internetplattformen wie Airbnb, künftig die Eigentümer der bei ihnen angebotenen Ferienwohnungen be-kanntzugeben.International liefert aus unserer Sicht trotz des Scheiterns der weiter-gehenden „Proposition F“ im November 2015 San Francisco, die Stadt des Firmensitzes von Airbnb, ein praktikables Beispiel für den Umgang mit privaten Kurzzeitvermietungen. Dort müssen sich Vermieter bei der Stadt anmelden und Hotelsteuern bezahlen. Und sie dürfen ihre Wohnungen zudem nicht länger als 90 Tage im Jahr untervermieten, wenn sie nicht selbst zugegen sind.Wie lassen sich für Hoteliers die Kundenschichten der jüngeren Grup-pen bis 35 erreichen?Hoteliers müssen eine starke Präsenz in den Sozialen Medien der di-gitalen Welt haben und individuelle Vernetzungen in das reale Hotel und seine lokale Nachbarschaft und Community anbieten. Für die jün-geren Zielgruppen wird eine authentischere, persönlichere Form der Kommunikation von Gästen und Mitarbeitern entscheidend sein. Neue Kommunikationskanäle und Interaktionsformate werden einen zielgerichteten, schnellen und individuellen Austausch mit dem Gast, aber auch Anwohnern und benachbarten Dienstleistern ermöglichen. Das steigende Bedürfnis nach Gemeinschaft, Vernetzung und Kontakt kann die Hotellerie bei Besinnung auf ihre ureigenen Stärken hervor-ragend bedienen.

»Gleiches Recht für alle Marktteil-nehmer, gleiches Schutzniveau für alle Gäste«

»Marriott will nächs-tes Jahr 30.000 Zimmer hinzufügen. Das schaffen wir in den nächsten zwei Wochen.«

Brian Chesky, Airbnb

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Langsamkeit, Trägheit und Unvorbereitet-heit der Verwaltung und Judikatur aus-nutzt. Bis Regeln durchgesetzt werden, ver-gehen Jahre, Musterprozesse können unendlich in die Länge gezogen werden, Ge-richtsort ist zumeist in den USA.

Rettungsversuche

Was sind die Alternativen? Arne Sorenson, CEO von Marriott In-ternational (mit „nur“ 692.801 Zimmern), gab zu: „Airbnb schafft et-was, was wir nicht tun können. Sie bieten kurzfristig anmietbaren Le-bensraum in den hippsten Innenstadtlagen, in denen wir nicht so schnell wachsen können“. Mar riotts Ansatz, dem Phänomen Airbnb entgegenzutreten: Eine Kollektion von Life-style-Hotelmarken wie Renaissance, Edition und Moxy sollen mit modernen Design, lokalen Anpassungen und einer deutlich veränderten Markensprache Millenials ansprechen.

Sébastien Bazin, CEO der Accor Hotels Group richtete am Hotelkongress 2016 Anfang Fe-bruar ebenfalls einen dramatischen Appell an das Publikum. „Wenn sich das Denken der Branche nicht grundlegend ändern würde, dann werden Hotelketten in der Form, wie wir sie heute kennen, nicht mehr existieren.“ Bazin installierte aus diesem Grund ein Führungsgremium aus den größ-ten Talenten seines Unternehmens, die zu den Digital Natives gehören, und gab ihnen Stimmrechte im Aufsichtsrat. Diese zwölf jun-gen Menschen sollen jede strategische Ent-scheidung des Unternehmens in Zukunft mittragen und eine digitale Agenda auf-

setzen. Erster Schachzug. Die Accor Hotels Group kooperiert mit kleinen und mittelständischen Hotels direkt in den Stadt-kernen, dort wo sich die Millenials wohlfühlen, und bietet

Kunden direkt auf der Accor-Homepage an, diese Unterkünfte zu buchen.

Von oben nach oben

Und trotzdem sagt Airbnb-Mitgründer Nathan Blecharczyk: „Wir sehen Hotels nicht als Wettbewerber. Wir sprechen Menschen an, die keine Lust mehr auf Zimmerservice haben. Die nach Berlin kom-men und sich nicht wie Touristen, sondern wie echte Berliner füh-len möchten.“ Aber während Airbnb sich, nach außen zumindest, nicht mit den Hotels vergleicht, wird in der Hotellerie heiß disku-

tiert. In der Gesprächsrunde zum Thema „Sharing Economy: What Can the Hotel Industry Learn From The New Trends And How Can It Benefit?“ auf der letzten ITB malte der Querdenker Marco Nussbaum, CEO von prizeotel, ein erschreckendes Zukunftssze-

nario: Airbnb, mit mehr als 25 Millionen Gästen und einer Masse an höchst wertvollen Nutzerdaten im Hintergrund, könnte sich selbst in den Hotelmarkt einkaufen und somit nicht nur indi-rekt zum Mitbewerber werden.

Die Hotels der Mittelklasse – teilweise auch selbstverschuldet, weil jahrelang nicht oder wenig investiert wurde – sind die öko-nomisch Leidtragenden: zusperren, Personal entlassen. Die Öf-

fentlichkeit muss zahlen. Sharen heißt nicht teilen, sondern über-lassen: mit Gewinn und Profit. Sharing kommt nur wenigen zugute:

Man nennt sie Shareholder. Der Shareholder Value ist gesichert. Die soziale Maske bracht man irgendwann nicht mehr. Weil alles normal

ist. Das bedenklich Spannende: Weder Uber noch Airbnb noch andere „Sharingdienste“ beruhen auf technischen Inno-

vationen, sind befruchtend für die Zivilgesellschaft. Sie sind lediglich eine neue intelligente Form des Han-dels, neue Vertriebstechnologien. Und eine neue Um-

verteilung: Von oben nach oben. &

In San Francisco, Sitz des Unternehmens, müssen sich Airbnb-Vermieter bei der Stadt anmelden und Hotelsteuern bezahlen. „Sharing ist okay, aber ge-gen Shadow Economy muss die Politik entschieden vorgehen“, fordert ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer eine Lösung in Österreich

Das Kollektiv „Vienna Living“

bietet im Stadtgebiet 58 Appartements

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