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Z Ernährungswiss 37: 319–327 (1998) Steinkopff Verlag 1998 R. Pelz B. Schmidt-Faber H. Heseker Die Carotinoidzufuhr in der Nationalen Verzehrsstudie Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey Zusammenfassung Hoher Obst- und Gemüsekonsum hat sich in zahlreichen ernährungsepidemiologi- schen Studien als wichtige präventi- ve Maßnahme zur Reduzierung des Krebs-, Herzinfarkt- und Kataraktri- sikos herausgestellt. Diese Effekte können durch die Aufnahme an ß-Carotin und Vitamin C nicht oder nicht hinreichend erklärt werden. Mit Obst und Gemüse werden wei- tere Carotinoide in signifikanten Mengen aufgenommen, die sich hin- sichtlich ihrer antioxidativen und biologischen Eigenschaften deutlich unterscheiden. Da in deutschen Lebensmitteldatenbanken und Nähr- werttabellen außer ß-Carotin keine weiteren Carotinoidgehalte ausge- wiesen sind, liegen für die deutsche Bevölkerung bisher keine repräsen- tativen Zufuhrberechnungen vor. Daher wurde für verschiedene Obst- und Gemüsearten sowie andere ca- rotinoidhaltige Lebensmittel eine Datenbank mit den Gehalten an α- und ß-Carotin, Lycopin, Lutein/ Zeaxanthin und Cryptoxanthin er- stellt. Mit Hilfe dieser Datenbank erfolgte dann auf Basis der Daten der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) eine nach Geschlecht und Alter stratifizierte Berechnung der Carotinoidzufuhr der deutschen Be- völkerung. Die mittlere Gesamt-Ca- rotinoidzufuhr wurde mit 5,33 mg/Tag berechnet. Die mittlere Lu- teinzufuhr beträgt 1,91 mg/Tag, die ß-Carotinzufuhr 1,81 mg/Tag, die Lycopinzufuhr 1,28 mg/Tag, die α-Carotinzufuhr 0,29 mg/Tag und die Cryptoxanthinzufuhr 0,05 mg/Tag. Tomaten und besonders Tomatenprodukte sind die wichtig- sten Lycopinquellen. Blattsalate, Blatt- und Fruchtgemüse stellen in Deutschland die wichtigsten Lutein- lieferanten dar. Zeaxanthin wird zwar hauptsächlich mit Mais, aber auch mit Spinat und anderen Gemü- sen wie Kohl verzehrt. α- und ß- Carotin werden vor allem mit Ka- rotten aufgenommen. Paprika sowie Orangen/-säfte sind die wichtigsten Cryptoxanthinquellen. Summary In nutritional epidemiological studies high consumption of fruits and vegetables was shown to be an important preventive measure to reduce the risk of cancer, coronary heart disease, and cataracts. These effects cannot be explained completely and in a sufficient way by the intake of ß-carotene and vitamin C. Other carotenoids differing in their antioxidative and biological properties are also provided with fruits and vegetables in significant amounts. Because data for other carotenoids than ß-carotene are not considered in computerized German food database and food composition tables, representative carotenoid intake calculations for the German population are missing. Therefore a carotenoid database, containing α- and ß-carotene, lycopene, lutein/zeaxanthin, and cryptoxanthin values for different fruits, vegetables, and other carotenoid-containing foods, was developed. With this database the carotenoid intake of the German population – stratified by sex and age – was evaluated on the basis of the German National Food Consumption Survey (NVS). The mean total carotenoid intake amounts to 5.33 mg/day. The average intake lutein was 1.91 mg/day, ß-carotene intake amounts to 1.81 mg/day, lycopene intake was 1.28 mg/day, α-carotene intake ORIGINAL CONTRIBUTION Eingegangen: 5. August 1998 Akzeptiert: 10. September 1998 R. Pelz Fachgruppe Ernährung und Gesundheit Universität-GH Paderborn D-33095 Paderborn B. Schmidt-Faber BgVV Fachgruppe Ernährungsmedizin D-14191 Berlin Prof. Dr. Helmut Heseker () Fachgruppe Ernährung und Gesundheit Warburger Straße 100 D-33098 Paderborn

Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

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Page 1: Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

Z Ernährungswiss 37: 319–327 (1998) Steinkopff Verlag 1998

R. PelzB. Schmidt-FaberH. Heseker

Die Carotinoidzufuhr

in der Nationalen Verzehrsstudie

Carotenoid intake in the GermanNational Food ConsumptionSurvey

Zusammenfassung Hoher Obst-und Gemüsekonsum hat sich inzahlreichen ernährungsepidemiologi-schen Studien als wichtige präventi-ve Maßnahme zur Reduzierung desKrebs-, Herzinfarkt- und Kataraktri-sikos herausgestellt. Diese Effektekönnen durch die Aufnahme anß-Carotin und Vitamin C nicht odernicht hinreichend erklärt werden.Mit Obst und Gemüse werden wei-tere Carotinoide in signifikantenMengen aufgenommen, die sich hin-sichtlich ihrer antioxidativen undbiologischen Eigenschaften deutlich

unterscheiden. Da in deutschenLebensmitteldatenbanken und Nähr-werttabellen außer ß-Carotin keineweiteren Carotinoidgehalte ausge-wiesen sind, liegen für die deutscheBevölkerung bisher keine repräsen-tativen Zufuhrberechnungen vor.Daher wurde für verschiedene Obst-und Gemüsearten sowie andere ca-rotinoidhaltige Lebensmittel eineDatenbank mit den Gehalten anα- und ß-Carotin, Lycopin, Lutein/Zeaxanthin und Cryptoxanthin er-stellt. Mit Hilfe dieser Datenbankerfolgte dann auf Basis der Datender Nationalen Verzehrsstudie(NVS) eine nach Geschlecht undAlter stratifizierte Berechnung derCarotinoidzufuhr der deutschen Be-völkerung. Die mittlere Gesamt-Ca-rotinoidzufuhr wurde mit 5,33mg/Tag berechnet. Die mittlere Lu-teinzufuhr beträgt 1,91 mg/Tag, dieß-Carotinzufuhr 1,81 mg/Tag, dieLycopinzufuhr 1,28 mg/Tag, dieα-Carotinzufuhr 0,29 mg/Tag unddie Cryptoxanthinzufuhr 0,05mg/Tag. Tomaten und besondersTomatenprodukte sind die wichtig-sten Lycopinquellen. Blattsalate,Blatt- und Fruchtgemüse stellen inDeutschland die wichtigsten Lutein-lieferanten dar. Zeaxanthin wirdzwar hauptsächlich mit Mais, aberauch mit Spinat und anderen Gemü-sen wie Kohl verzehrt.α- und ß-Carotin werden vor allem mit Ka-rotten aufgenommen. Paprika sowieOrangen/-säfte sind die wichtigstenCryptoxanthinquellen.

Summary In nutritionalepidemiological studies highconsumption of fruits andvegetables was shown to be animportant preventive measure toreduce the risk of cancer, coronaryheart disease, and cataracts. Theseeffects cannot be explainedcompletely and in a sufficient wayby the intake of ß-carotene andvitamin C. Other carotenoidsdiffering in their antioxidative andbiological properties are alsoprovided with fruits and vegetablesin significant amounts. Becausedata for other carotenoids thanß-carotene are not considered incomputerized German food databaseand food composition tables,representative carotenoid intakecalculations for the Germanpopulation are missing. Therefore acarotenoid database, containingα- and ß-carotene, lycopene,lutein/zeaxanthin, and cryptoxanthinvalues for different fruits,vegetables, and othercarotenoid-containing foods, wasdeveloped. With this database thecarotenoid intake of the Germanpopulation – stratified by sex andage – was evaluated on the basis ofthe German National FoodConsumption Survey (NVS). Themean total carotenoid intakeamounts to 5.33 mg/day. Theaverage intake lutein was 1.91mg/day, ß-carotene intake amountsto 1.81 mg/day, lycopene intakewas 1.28 mg/day,α-carotene intake

ORIGINAL CONTRIBUTION

Eingegangen: 5. August 1998Akzeptiert: 10. September 1998

R. PelzFachgruppe Ernährung und GesundheitUniversität-GH PaderbornD-33095 Paderborn

B. Schmidt-FaberBgVVFachgruppe ErnährungsmedizinD-14191 Berlin

Prof. Dr. Helmut Heseker (✉)Fachgruppe Ernährung und GesundheitWarburger Straße 100D-33098 Paderborn

Page 2: Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

Einleitung

Die Aufnahme an Carotinoiden ist aufgrund der verschie-denen und von der Provitamin-A-Funktion unabhängigenbiologischen Wirkungen von besonderem wissenschaftli-chen Interesse. Carotinoide sind die effektivsten natürlichvorkommenden Quencher für Singulettsauerstoff, der z.B.Doppelbindungen in ungesättigten Fettsäuren undGuaninbasen der DNA angreift. In zahlreichen epidemio-logischen und klinischen Studien wurden Zusammenhän-ge zwischen der Höhe des durchschnittlichen Obst- undGemüseverzehrs und Herz-Kreislauferkrankungen (15,24, 33, 48), Krebserkrankungen (5, 22, 25, 46) und Er-krankungen des Auges wie der senilen Katarakt oder deraltersabhängigen Makuladegeneration (19, 20, 29, 45) be-schrieben. In vielen dieser Studien stand das ß-Carotinbei der Bewertung der Carotinoidaufnahme im Vorder-grund. In Placebo-kontrollierten randomisierten Dop-pelblindstudien, in denen der Einfluß von ß-Carotin aufdie Krebsinzidenz untersucht wurde, konnte allerdingskein positiver Effekt festgestellt werden. Hieraus wurdedie Hypothese abgeleitet, daß andere Carotinoide oderBioflavonoide möglicherweise für die offensichtlichenEffekte, den Obst- und Gemüseverzehr in der Krebsprä-vention ausüben, verantwortlich sind (30). Neben ß-Caro-tin enthält eine durchschnittliche, abwechslungsreicheund gemischte Kost eine Reihe weiterer Carotinoide (Ca-rotine und Xanthophylle), die sich hinsichtlich ihrer anti-oxidativen und biologischen Eigenschaften deutlich un-terscheiden, so daß diese Lebensmittelgruppe differen-zierter zu bewerten ist (30). Lycopin beispielsweise hatsich im Labor als ein wesentlich effektiveres Antioxidansherausgestellt als etwa Lutein oder ß-Carotin (13, 44) undkann in einigen Geweben stärker akkumuliert werden(30). Aufgrund dieser Beobachtungen haben Kenntnisseüber die Carotinoidaufnahme der Bevölkerung stark anBedeutung gewonnen. Von den über 500 natürlich vor-kommenden Carotinoiden werden in Humanblutprobennur zwischen 7 und 20 Carotinoide analytisch nachgewie-sen, wobei die Xanthophylle Lutein, Cryptoxanthin undZeaxanthin sowie die Carotineα-Carotin, ß-Carotin undLycopin dominieren (37).

Lycopin liefert die bekannte rote Farbe der Tomate(Lycopersicum esculentum) und ist eines der Hauptcaroti-noide in der Nahrung der Mitteleuropäer und Nordameri-

kaner (12). Aufgrund des hohen Pro-Kopf-Verzehrs sindTomaten und daraus hergestellte Produkte die wichtigstenLycopinquellen (4). Im Gegensatz zu ß-Carotin scheintLycopin zumindest in der Tomatenmatrix relativ hitzesta-bil zu sein (34). Die Bioverfügbarkeit ist aus verarbeite-ten Produkten größer als aus nativen Tomaten (14), unddie Absorption von Lycopin scheint in Gegenwart von ß-Carotin erhöht zu sein (21). Die protektiven Effekte vonLycopin werden auf die antioxidativen Eigenschaften,den Singulettsauerstoff zu inaktivieren und Peroxyradi-kale abzufangen, auf die Beeinflussung der Zell-zu-Zell-Kommunikation und die Kontrolle des Zellwachstums zu-rückgeführt (41). Der im Liposomenassay gefundene sy-nergistische antioxidative Effekt von Lycopin und Luteinkann möglicherweise auf spezifische Positionen der ver-schiedenen Carotinoide in den Membranen zurückgeführtwerden (43). Lycopin ist daher aus präventivmedizini-scher Sicht ein besonders interessantes Carotinoid. Einehohe Lutein- und/oder Zeaxanthinaufnahme vermindertmöglicherweise das Risiko, an einer altersbedingten Ma-kuladegeneration zu erkranken (16, 38, 40). BeideXanthophylle sind wichtige Bestandteile der Makula. Lu-tein ist ebenfalls ein sehr effektiver Radikalfänger (10).Die Carotinoide werden teilweise in der Darmmukosa ge-spalten, können aber auch von der Mukosa durch einenpassiven Diffusionsprozeß absorbiert werden (9).

In der Vergangenheit waren neben dem ß-Carotin kei-ne oder nur für wenige Lebensmittel weitere Carotinoid-mengenangaben verfügbar. So wird auch im Datenbe-stand des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS VersionII.2) bisher außer ß-Carotin kein weiteres Carotinoid be-rücksichtigt. Inzwischen stehen Analysendaten für vielehäufig verzehrte carotinoidhaltige Lebensmittel zur Ver-fügung, mit deren Hilfe Zufuhrkalkulationen durchgeführtwerden können. Während in dem deutschen StandardwerkSouci-Fachmann-Kraut (42) für die meisten Lebensmittelbisher nur Angaben zum ß-Carotingehalt vorhanden sind,liegen aus deutschen (31) und amerikanischen Einzelpub-likationen (11, 28) sowie einer Zusammenstellung desU.S. Department of Agriculture (47) inzwischen für einegroße Zahl von Lebensmitteln Carotinoid-Analysenwertevor. Ein Blick auf diese Daten zeigt, daß Gemüse wiez.B. Broccoli, Kopfsalat, Möhre, Spinat und Tomate oderObstarten wie z.B. Aprikose, Orange und Kiwi sich deut-lich in ihren Carotinoidmustern unterscheiden (Tabelle 1).Da weder gleichfarbige Gemüse- oder Obstarten (z.B.

was 0.29 mg/day, and cryptoxanthinintake was 0.05 mg/day. Tomatoesand tomato products provide mostof the lycopene. Green salads andvegetables are the most importantcontributors of lutein in Germany.Zeaxanthin is mainly consumedwith maize but also with spinachand other vegetables like cabbage;

α- and β-carotene are mainlyconsumed with carrots. Peppers,oranges, and orange-juice are themost important cryptoxanthinsources.

Schlüsselwörter Carotinoide –ß-Carotin –α-Carotin – Cryptoxan-thin – Lycopin – Lutein – Zeaxan-

thin – Zufuhr – deutsche Bevölke-rung – NVS

Key words Carotenoids – ß-caro-tene –α-carotene – cryptoxanthin –lycopene – lutein – zeaxanthin –intake – German population –NVS study

320 Zeitschrift für Ernährungswissenschaft, Band 37, Heft 4 (1998) Steinkopff Verlag 1998

Page 3: Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

grünes Gemüse oder gelbes Obst) noch zu einer Lebens-mittelgruppe zählende Arten (z.B. Fruchtgemüse oderSüdfrüchte) vergleichbare Carotinoidmuster aufweisen,sind auch Analogieschlüsse nicht oder nur begrenzt mög-lich.

Für die Bundesrepublik Deutschland liegen bisher nuraus einer Analyse von Tagesmenüs (31) und für ein klei-nes Kollektiv junger Erwachsener aus Franken (36)Schätzungen über die Höhe der Carotinoidzufuhr vor. Dieaus 39 Gesamtnahrungsproben bzw. der Auswertung von52 fränkischen 7-Tage-Verzehrsprotokollen gewonnenenDaten sind aber nicht repräsentativ für die Bundesrepu-blik Deutschland und spiegeln nur bedingt die durch-schnittlichen Verzehrsgewohnheiten der deutschen Bevöl-kerung wider. Ziel der vorliegenden Untersuchung istdaher, die Carotinoidzufuhr der westdeutschen Bevölke-rung auf Basis der Daten der Nationalen Verzehrsstudie(NVS) zu berechnen.

Methodik

Carotinoid-Datenbank

Da bisher in Deutschland keine umfassende Lebensmit-teltabelle mit Angaben zum Gehalt an Carotinen undXanthophyllen existiert, wurde zunächst eine Carotinoid-datenbank mit Mengenangaben über die Carotineα-, β-C-arotin und Lycopin sowie über die Xanthophylle Luteinund Cryptoxanthin erstellt. Zum Zeaxanthingehalt liegenbisher nur für sehr wenige Lebensmittel Mengenangabenvor, so daß dieses Xanthophyll in der Gesamtauswertungnicht berücksichtigt werden konnte. In der Vergangenheitwurde laboranalytisch nicht immer zwischen Lutein undZeaxanthin differenziert, so daß die Luteingehalte der Da-tenbank teilweise die Summe dieser beiden Carotinoidedarstellen.

Für das Erstellen der Datenbank lagen teilweise meh-rere Analysenwerte aus verschiedenen Literaturquellen

vor. Lagen für ein Lebensmittel aus mehreren QuellenAngaben vor, wurde wie folgt vorgegangen: Wenn in derdeutschen Lebensmitteltabelle von Souci-Fachmann-Kraut (42) eine Angabe vorhanden war, dann wurde dieseAngabe übernommen. Bei Fehlen dieser Angabe wurdendie Analysenwerte der Bundesforschungsanstalt für Er-nährung (31) übernommen. War für ein Lebensmittel inbeiden Publikationen kein Analysenwert verfügbar, dannwurde der Wert der USDA-NCI Carotenoid Food Compo-sition Data Base (47) in die Datenbank übernommen. DieAnalysenwerte der verschiedenen Datenquellen wurdenmiteinander verglichen und auf Plausibilität geprüft. BeiVorliegen von Daten aus mehreren Quellen wurden keineMittelwerte berechnet, weil eine rationale Begründunghierfür nicht gegeben ist. Die Daten einer finnischen Un-tersuchung zum Carotinoidgehalt von Lebensmitteln (18)wurden aufgrund z.T. erheblicher Abweichungen mit denanderen zur Verfügung stehenden Carotinoidwerten nichtin die Datenbank übernommen. Durch die Bevorzugungder Analysenergebnisse von in Deutschland angebotenenLebensmitteln wird erreicht, daß gewisse Einflußfaktorenauf den Carotinoidgehalt eines Lebensmittels (z.B. An-bau- und Erntebedingungen, Sortenwahl) zumindest teil-weise berücksichtigt werden.

Untersuchungskollektiv

Die Carotinoidzufuhr wurde mit Hilfe der Daten der Na-tionalen Verzehrsstudie (NVS) berechnet. An der für diealte Bundesrepublik Deutschland repräsentativen NVS-Studie hatten in den Jahren 1985 bis 1989 23 209 Perso-nen (12308 weibliche und 10 901 männliche Personen)zur Erfassung der durchschnittlichen Energie- und Nähr-stoffaufnahme ein 7-Tage-Verzehrsprotokoll geführt. DieErhebungen erfolgten in allen Jahreszeiten, so daß auchsaisonale Schwankungen im Verzehr carotinoidreicherLebensmittel erfaßt wurden, die z.B. beim Verzehr vonOrangen oder Grünkohl von großer Bedeutung sind. Fürdiese Studie liegen bisher nur nach Geschlecht und Alterstratifizierte durchschnittliche ß-Carotin-Aufnahmen vor.

Tab. 1 Carotinoidgehalt ausgesuchter Gemüse- und Obstarten (4, 11, 28, 31, 42, 47)

β-Carotin α-Carotin Cryptoxanthin Lycopin Luteinµg/100 g µg/100 g µg/100 g µg/100 g µg/100 g

Broccoli 846 2 24 0 800Grünkohl 5170 – – – 18630Kopfsalat 1440 1 0 0 2920Karotte 7790 3310 0 0 560Paprika (grün) 535 87 700 0 410Spinat 4690 0 0 0 9540Tomate 506 0 0 3100 90Aprikose 1570 0 23 5 40Kiwi 43 0 4 0 140Mango 1160 37 49 0 0Orange 44 20 24 0 20Papaya 165 0 1480 0 10

R. Pelz et al. 321Die Carotinoidzufuhr in der Nationalen Verzehrsstudie

Page 4: Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

Nähere Angaben zum Untersuchungskollektiv, den Unter-suchungsmethoden und den berechneten Lebensmittel-mengen sind der Literatur zu entnehmen (1, 2, 39).

Auswertung

Die Carotinoidzufuhren wurden auf der Basis der in 90Lebensmittelgruppen aggregierten durchschnittlichen Le-bensmittelaufnahme für Frauen und Männer und zusätz-lich für jeweils 9 Altersgruppen berechnet. Da das Aggre-gationsniveau teilweise sehr hoch war, wurden zunächstMengenangaben für einige besonders carotinoidreiche Le-bensmittelgruppen (z.B. Blattgemüse, sonstige Kohlarten,sonstige Frisch- oder Fruchtgemüse) mit Hilfe der ausAgrarstatistiken bekannten Verzehrsanteile berechnet (6).Anschließend wurden die durchschnittlich verzehrten Le-bensmittelmengen mit der Carotinoiddatenbank ver-knüpft. Zur Kontrolle der Richtigkeit der gewählten Aus-wertungsstrategie wurden die berechneten mittleren ß-Ca-rotin- und Vitamin-C-Aufnahmen mit den Ergebnissenfrüherer Auswertungen verglichen, die auf den Original-verzehrsdaten in nicht aggregierter Form basierten (1, 2).

Ergebnisse

Die mittlere Gesamt-Carotinoidzufuhr der westdeutschenBevölkerung betrug in der von 1985–1989 durchgeführ-ten Nationalen Verzehrsstudie 5,33 mg/Tag (Männer:5,39 mg/Tag; Frauen 5,27 mg/Tag). Die mittlere Lutein-zufuhr wurde mit 1,91 mg/Tag berechnet, die mittlere

ß-Carotinzufuhr mit 1,81 mg/Tag, die Lycopinzufuhr mit1,28 mg/Tag, dieα-Carotinzufuhr mit 0,29 mg/Tag unddie Cryptoxanthinzufuhr mit 0,05 mg/Tag. Die nach Ge-schlecht und Alter stratifizierten mittleren Carotinoidzu-fuhren sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Die Gesamt-Ca-rotinoidzufuhr steigt mit zunehmendem Alter deutlich an.Die höchste Zufuhr wird bei 51–64jährigen Frauen undMännern mit 5,85 bzw. 6,01 mg/Tag berechnet. Die höch-ste Lycopinzufuhr wird – bedingt durch den höheren Ver-zehr an Tomatenprodukten – bei den 19–50jährigen Frau-en und Männern festgestellt. Die höchste Luteinzufuhrwird dagegen bei den über 50jährigen Personen beobach-tet. Die Cryptoxanthinzufuhr liegt mit 0,4–0,5 mg/Tag inallen Gruppen deutlich niedriger als die Zufuhr andererCarotinoide. Die Hauptlieferanten der einzelnen Caroti-noide sind in den Tabellen 3–7 dargestellt. Demnach lie-fern Karotten zusammen mit Blattsalaten und Spinat alsunsere wichtigsten ß-Carotin-Quellen bereits 61 % derdurchschnittlich aufgenommenen ß-Carotinmenge. Insge-samt werden mit Gemüse und Gemüseprodukten 84 %,mit Speisefetten und Milchprodukten 12 % und mit Obstbzw. Obstprodukten 4 % der Gesamt-ß-Carotinmengeaufgenommen. Karotten sind mit Abstand (90 %) diewichtigste Quelle fürα-Carotin. Tomaten und Tomaten-produkte (Tomatenketchup, -mark und -soßen) tragen mit92 % wesentlich zur Lycopinzufuhr bei, während Süd-früchte nur einen Anteil von 7 % der täglich aufgenom-menen Lycopinmenge haben. Im Vergleich dazu lieferneinheimische Obstarten hierbei weniger als 1 %. Paprikaund Orangen bzw. Orangensäfte sind in Deutschland die

Tab. 2 Mittlere tägliche Carotinoidzufuhr (mg/Tag) in Westdeutschland nach Geschlecht und Alter, berechnet auf der Basis desdurchschnittlichen Verzehrs aus 90 Lebensmittelgruppen (NVS)

männliche Personen

Altersgruppe gesamt 4–6 7–9 10–12 13–14 15–18 19–24 25–50 51–64 >64(Jahre)

Lutein 1,95 1,21 1,44 1,55 1,73 1,76 1,73 2,01 2,27 2,30β-Carotin 1,81 1,22 1,47 1,51 1,66 1,63 1,65 1,85 2,08 2,12Lycopin 1,31 0,82 1,01 1,05 1,24 1,28 1,42 1,41 1,30 1,21α-Carotin 0,28 0,22 0,26 0,25 0,27 0,25 0,26 0,28 0,31 0,33Cryptoxanthin 0,05 0,04 0,04 0,04 0,04 0,04 0,05 0,05 0,05 0,04Summe 5,39 3,51 4,22 4,40 4,93 4,96 5,10 5,60 6,01 6,00

weibliche Personen

Altersgruppe gesamt 4–6 7–9 10–12 13–14 15–18 19–24 25–50 51–64 >64(Jahre)

Lutein 1,87 1,15 1,32 1,46 1,51 1,64 1,65 1,96 2,15 2,09β-Carotin 1,81 1,26 1,38 1,46 1,50 1,63 1,62 1,88 2,05 1,99Lycopin 1,25 0,76 1,00 1,02 1,08 1,22 1,31 1,34 1,26 1,11α-Carotin 0,30 0,24 0,25 0,25 0,26 0,28 0,27 0,31 0,33 0,33Cryptoxanthin 0,05 0,03 0,04 0,04 0,05 0,05 0,05 0,05 0,05 0,04Summe 5,27 3,44 3,98 4,23 4,38 4,81 4,90 5,44 5,85 5,55

322 Zeitschrift für Ernährungswissenschaft, Band 37, Heft 4 (1998) Steinkopff Verlag 1998

Page 5: Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

wichtigsten Cryptoxanthinquellen. Das Xanthophyll Lu-tein wird vor allem mit Blattsalaten, Spinat, Grünkohl,Erbsen und Kartoffeln aufgenommen. Sonstige Frischge-müse und Gemüseprodukte, zu denen u.a. verschiedeneKohlarten, Zwiebeln und Lauch gezählt wurden, tragenzu insgesamt 17 % der insgesamt aufgenommenen Lu-teinmenge bei. Die einzelnen Kohlarten haben daran le-diglich einen geringfügigen Anteil von jeweils nur weni-gen Prozenten. Neben diesen fünf Carotinoiden enthaltenunsere Lebensmittel zahlreiche weitere Carotinoide. Vonden über 500 bekannten natürlich vorkommenden Caro-tinoiden konnten in Lebensmitteln bisher über 40 Caro-tinoide gefunden werden. Für einige häufig verzehrte Ge-müsearten liegen weitere Xanthophyllgehalte (23) vor.Werden diese Daten in die Carotinoiddatenbank aufge-nommen und bei der Auswertung berücksichtigt, dann er-gibt sich, daß auch diese Carotinoide ebenfalls in derSumme in signifikanten Mengen aufgenommen werden(Tabelle 8).

Diskussion

Der Vergleich von Carotinoidgehalten aus verschiedenenLiteraturquellen zeigt für gleiche Obst- und Gemüseartengroße Schwankungsbreiten. Für Karotten beispielsweisewerden ß-Carotingehalte zwischen 1 830 und 14 700 µg/

Tab. 3 Hauptlebensmittel für die Zufuhr vonβ-Carotin in derwestdeutschen Bevölkerung

Rang Lebensmittel Prozent KumulativeProzent

1. Karotten 35 352. Blattsalate 15 513. Spinat 10 614. Milchprodukte, Butter, Käse 8 695. Tomaten 5 746. Obst, Obstsäfte 4 787. Speisefette 4 828. Spargel 3 859. Grünkohl 2 87

10. Gurken 2 8911. Tomatenprodukte 2 9112. Broccoli 1 92

sonstige Gemüseprodukte 4 97sonstige Frischgemüse 3 100

Tab. 4 Hauptlebensmittel für die Zufuhr vonα-Carotin in derwestdeutschen Bevölkerung

Rang Lebensmittel Prozent KumulativeProzent

1. Karotten 90 902. Bohnen 3 933. Bananen 2 954. Paprika 1 965. Orangen 1 976. Orangensaft 1 98

sonstiges Gemüse 1 99sonstiges Obst 1 100

Tab. 5 Hauptlebensmittel für die Zufuhr von Lycopin in der west-deutschen Bevölkerung

Rang Lebensmittel Prozent KumulativeProzent

1. Tomaten 48 482. Tomatenprodukte 44 923. Südfrüchte 7 994. sonstige 1 100

Tab. 6 Hauptlebensmittel für die Zufuhr von Cryptoxanthin inder westdeutschen Bevölkerung

Rang Lebensmittel Prozent KumulativeProzent

1. Paprika 62 622. Eier 12 743. Orangensaft 8 824. Orangen 7 895. Obstkonserven 1 90

sonstige Südfrüchte 9 99sonstiges Gemüse 1 100

Tab. 7 Hauptlebensmittel für die Zufuhr von Lutein/Zeaxanthinin der westdeutschen Bevölkerung

Rang Lebensmittel Prozent KumulativeProzent

1. Blattsalate 30 302. Spinat 20 503. Grünkohl 8 584. Eier 8 665. Erbsen 6 726. Kartoffeln 5 787. Obst, Obstsäfte 5 83

sonstiges Frischgemüse 12 95sonstige Gemüseprodukte 5 100

Tab . 8 Aufnahme an weiteren Xanthophyllen aus Broccoli,Grünkohl, Rosenkohl, Spinat, Weißkohl

Xanthophyll µg/Tag

all-trans-Neoxanthin 909`-cis-Neoxanthin 282Violaxanthin 234Neochrome 64Luteinepoxid 90cis-Luteinepoxid 48Neoluteine 115gesamt 923

R. Pelz et al. 323Die Carotinoidzufuhr in der Nationalen Verzehrsstudie

Page 6: Carotenoid intake in the German National Food Consumption Survey

100 g und für Tomaten Lycopingehalte zwischen 879 und4200 µg/100 g genannt (28). Diese großen Differenzenwerden durch unterschiedliche Anbaubedingungen, Sorte,Reifegrad und Alter des Lebensmittels sowie Analysen-methoden bestimmt. Darum wurden in der denAuswertungen zugrunde liegenden Datenbank bevorzugtAngaben über Carotinoidgehalte von in Deutschlanddurchgeführten Untersuchungen benutzt. Daten zum ß-Carotingehalt entstammen in erster Linie der deutschenLebensmitteltabelle (42). Es ist aber zu beachten, daßauch diese Daten aus verschiedenen Untersuchungen re-sultieren und zu verschiedenen Zeitpunkten mit unter-schiedlichen Analysenmethoden gewonnen wurden. Be-sonders bei den älteren Carotinoidangaben ist in Lebens-mitteltabellen von einer analytisch bedingten, fehlendenDifferenzierung zwischen den verschiedenen Carotinoi-den auszugehen. Seit Einführung von Carotinoidanalysenmit der HPLC-Technik können diese Lebensmittelinhalts-stoffe aber hinreichend differenziert werden. Die Lu-tein-/Zeaxanthinangaben wurden teilweise einer Publika-tion der BfE in Karlsruhe (31) und teilweise der amerika-nischen Datenbank (47) entnommen. Dieα-Carotin-,Lycopin- und Cryptoxanthingehalte stammen dagegenweitgehend aus der amerikanischen Datenbank.

Die aggregierten Daten der für die alte BundesrepublikDeutschland repräsentativen Nationalen Verzehrsstudiestützen sich auf 23 209 7-Tage-Verzehrsprotokolle. Umzu überprüfen, ob eine auf aggregierten Daten basierendeAuswertung zu vergleichbaren Ergebnissen wie die aufOriginaldaten basierende Auswertung führt, wurden ß-Carotin- und Vitamin-C-Mengen verglichen. In der hier

vorliegenden neuen Auswertung wurde eine mittlere Vita-min-C-Zufuhr von 96,4 mg/Tag und eine mittlere ß-Caro-tinzufuhr von 1,81 mg/Tag ermittelt. Ursprünglich waren94,8 mg Vitamin C bzw. 1,91 mg ß-Carotin (1) berechnetworden. Somit führen beide Verfahren zu vergleichbarenResultaten. Die neue Auswertung ergab weiter, daß dieCarotinoidzufuhr der Bundesbürger/innen im Durch-schnitt um den Faktor 3 höher ist als die Zufuhr an ß-Ca-rotin allein.

Die Aufnahme an Carotinoiden variiert von Tag-zu-Tag wesentlich stärker als etwa der Verzehr von Fett,Protein oder Kohlenhydraten. Auch wenn täglich andereFleischprodukte und andere stärkehaltige Lebensmittel(Kartoffeln, Reis, Nudeln, Brot) gegessen werden, bleibtdie Zufuhr der Hauptnährstoffe und vieler weiterer essen-tieller Nährstoffe auch bei abwechslungsreicher Ernäh-rung doch relativ konstant. Im Gegensatz dazu kann einesehr große von-Tag-zu-Tag Variation der Carotinoidauf-nahme in Abhängigkeit von dem verzehrten Gemüse oderObst festgestellt werden (17). Aufgrund der großen Varia-tion ist eine nur kurzfristig angelegte Ernährungsanamne-se (z.B. 24-h-recall und Kurzzeit-Verzehrsprotokolle) we-niger geeignet, die übliche Aufnahme an einzelnenCarotinoiden von Einzelpersonen zuverlässig abzuschät-zen. Erhebungsinstrumente, die mehr die langfristige Er-nährungsweise erfassen, wie Verzehrshäufigkeiten-Frage-bogen (FFQ) oder Diet-history, sind daher eher geeignet,die individuelle Carotinoidaufnahme zu schätzen. Die mitFFQ ermittelten Carotinoidaufnahmen zeigten in einerneuen Studie eine gute Übereinstimmung mit den jeweili-gen Carotinoidkonzentrationen im Plasma (30).

Tab. 9 Internationaler Vergleich der mittleren Carotinoidzufuhr

β-Carotin α-Carotin Cryptoxanthin Lycopin Lutein/Zeaxanthin(mg/Tag) (mg/Tag) (mg/Tag) (mg/Tag) (mg/Tag)

1. Dietary recall,USA (11)19–50jährige Frauenn = 1 102 1,8 0,4 0,03 2,6 1,3

2. FFQ, USA (49)43–85jährige Erwachsenen = 2 152 1,49 0,27 0,03 1,89 0,96

3. Diet history,Finnland (20)ErwachseneFrauen, n = 4 750 2,4 0,13 – 0,87 1,05Männer, n = 5 304 1,7 0,07 – 0,70 1,12

4. Nahrungsproben,Deutschlandn = 39 (31) 2,53 0,83 0,23 0,55 1,11

5. 7-Tage-Verzehrsprotokoll,Deutschlandalle AltersgruppenFrauen, n = 12 308 1,81 0,30 0,05 1,25 1,87Männer, n = 10 901 1,81 0,28 0,05 1,31 1,95

FFQ = Verzehrshäufigkeiten-Fragebogen (Food Frequency Questionnaire)

324 Zeitschrift für Ernährungswissenschaft, Band 37, Heft 4 (1998) Steinkopff Verlag 1998

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Viele Lebensmittel sind zwar reich an bestimmten Ca-rotinoiden (z.B. Mango), sind aber für die Versorgung nurvon geringer Bedeutung, da diese Produkte nicht regelmä-ßig und nicht in nennenswertem Umfang von der deut-schen Bevölkerung verzehrt werden. Die Auswertungenzeigen, daß in Deutschland – wie in anderen Ländernauch – oft nur wenige Lebensmittel in besonderem Maßezur Versorgung mit einem Carotinoid beitragen. Dies sindTomaten und daraus hergestellte Produkte für Lycopin;Blattsalate, Blatt- und Fruchtgemüse für Lutein; Karotten,Blattsalate und Spinat für ß-Carotin; Karotten und Boh-nen fürα-Carotin sowie Paprika und Orangen bzw. Oran-gensaft für Cryptoxanthin. Obst, Obstsäfte und Obstpro-dukte spielen für die Carotinoidversorgung inDeutschland im Durchschnitt insgesamt nur eine unterge-ordnete Rolle. Dies erklärt sich einerseits aus den im Ver-gleich zu Gemüsen relativ geringen Gehalten und ande-rerseits dadurch, daß bei vielen Obstarten ein starksaisonabhängiges Verzehrsverhalten besteht (z.B. Oran-gen im Winter, Beeren im Sommer, Aprikosen imHerbst). Apfel ist zwar die in Deutschland am häufigstenverzehrte Obstart, trägt aber aufgrund der geringen Ge-halte an Carotinoiden (ß-Carotin: 26 µg,α-Carotin: 0 µg,Cryptoxanthin: 0 µg, Lycopin: 0 µg, Lutein: 20 µg/100 g)nur unwesentlich zur Gesamtversorgung bei. Apfelver-zehr ist daher vor allem für die Zufuhr von Bioflavonoi-den von Bedeutung (27). Da der Konsum von Mais- undMaisprodukten in Deutschland nicht zuletzt durch die Zu-nahme des Cornflakesverzehrs stark zugenommen hat,dürfte auch die Zeaxanthinzufuhr angestiegen sein. Mais-mehl enthält im Durchschnitt 1 mg Zeaxanthin/100 g, sodaß allein mit dem täglichen Verzehr von einer PortionCornflakes (50 g) 0,5 mg Zeaxanthin aufgenommen wer-den.

Im Vergleich zu der Carotinoidanalyse in 39 deutschenGesamtnahrungsproben (31) zeigt die vorliegende Be-rechnung einerseits eine geringere, mittlereα-Carotin-,ß-Carotin- und Cryptoxanthinzufuhr, andererseits abereine wesentlich höhere, mittlere Zufuhr an Lycopin undLutein (Tabelle 9). Diese Unterschiede könnten auf dienicht repräsentative und zu einseitige Auswahl der Ge-samtnahrungsproben zurückzuführen sein. In der Tabelle9 sind für die einzelnen Carotinoide jeweils die Mittel-werte dargestellt. Da die Carotinoidzufuhr der Bevölke-rung aber nicht einer Normalverteilung folgt, dürften dieMediane deutlich niedriger als die berechneten Mittelwer-

te liegen. In zwei amerikanischen Studien (11, 49), diezwar ebenfalls andere Erhebungsinstrumente (dietary re-call bzw. Verzehrshäufigkeiten-Fragebogen) eingesetzthaben, wird aber dennoch eine relativ gute Übereinstim-mung der ß-Carotin-,α-Carotin- und Cryptoxanthinzu-fuhr mit den neuberechneten Daten der Nationalen Ver-zehrsstudie festgestellt (Tabelle 9). Die Lycopinzufuhr istin den USA dagegen aufgrund des höheren Tomaten-bzw. Tomatenprodukteverzehrs deutlich höher als inDeutschland (4, 7). In der NHANES-III-Studie wurde fürdie US-amerikanische Bevölkerung für die Jahre1988–1991 mit Hilfe eines 24-h-Erinnerungsprotokolls(24-h-recall) eine mittlere ß-Carotinzufuhr sogar von 2,7mg/Tag berechnet (3). Allerdings lag die mediane ß-Caro-tinzufuhr in dieser Untersuchung mit 1,04 mg/Tag deut-lich niedriger. Die Zufuhr an Lutein übersteigt inDeutschland (Männer 1,95 mg/Tag, Frauen 1,87 mg/Tag)die Werte in anderen Ländern. Als Grund hierfür werdendie unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten der beob-achteten Bevölkerungsgruppen angesehen, denn inDeutschland tragen insbesondere Blattsalate, Blatt- undFruchtgemüse zu den höheren Luteinzufuhren bei. Danoch nicht für alle carotinoidhaltigen Lebensmittelkomplette Carotinoidanalysen vorliegen, ist in der vorlie-genden Untersuchung eher von einer Unterschätzung dertatsächlichen Carotinoidaufnahme der deutschen Bevölke-rung auszugehen. In kontrollierten Studien konnte gezeigtwerden, daß die verschiedenen Carotinoide in signifikan-ten Mengen absorbiert werden und z.B. ein regelmäßigertäglicher Verzehr von fünf Portionen Obst und Gemüsezu einem signifikanten Anstieg der hier diskutierten Caro-tinoide im Blutplasma führt (8). Ein Vergleich des deut-schen Pro-Kopf-Verbrauchs zeigt, daß z.B. der Tomaten-verbrauch von 1987 bis 1997 um 15 % von 14,7 auf 16,9kg/Kopf/Jahr angestiegen ist (6, 7). Der Gesamtverbrauchan Gemüse hat sich in dem gleichen Zeitraum von 76,8auf 86,2 kg/Kopf/Jahr erhöht. Diese veränderten Ver-zehrsgewohnheiten, die auch in den USA beobachtet wer-den (32), dürften inzwischen zu einem Anstieg der durch-schnittlichen Carotinoidzufuhr geführt haben. Aufgrundihrer antioxidativen und anticarcinogenen Wirkungensollte in ernährungsepidemiologischen Untersuchungenneben der ß-Carotinzufuhr auch die Zufuhr zumindest dergenannten Carotinoide und evtl. von Zeaxanthin Berück-sichtigung finden.

R. Pelz et al. 325Die Carotinoidzufuhr in der Nationalen Verzehrsstudie

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