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s smoke-grey artificial bees pose a number of questions, some juridical, some moral or political, but one of their most deceisive aspect is their relation towards the image. De ung des Pronomens ‚ich‘ in der Rede meint nicht den Blick auf sich selber, sondern eine Wesensschau. Niemals ist als ‚ich‘ eine Sichtbarkeit gemeint, sondern ein transzend glichen Intention entsprach. Bei durchschnittlich 8 Bildern pro Person werden sicherlich oft Serien eingereicht. Wie geht ihr mit fotografischen Gesamtkonzeptionen um, d durchaus interessant. Denn es ist eine kleine ästhetische Einheit, die, ausgehend von klaren Strukturen, ein Gefühl zu erzeugen versucht. Von diesem Punkt her finde ich d dann, wenn die beiden Blickpunkte allzu weit voneinander entfernt liegen. In solchen Fällen spricht man von Parallaxfehlern. Eine Profession, die sehr stark das Konzept d xtensive media coverage of their activities, little consideration goes into the fact that a drone, for the most part, is a flying aerial reconnaissance center, where images are take lso die Geschichtlichkeit der Dinge anzumahnen, er legt auch gleich den Finger in die Wunde der Hegelschen Dialektik, die mit der Geschichtlichkeit das konkrete Werden u ie einzige Weise, in der Fotografien betrachtet werden können, ist, in ihnen die verlorene Geschichte wieder auffindbar zu machen, die durch ihren Akt zerstört worden ist. D chland. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Da gibt es in meiner Sammlung viele verschiedene Ansichten vom selben Ort zu unterschiedlichen Zeiten. Die weisen allzu stark, könnte diese Form der Parallaxe zunächst als Nachteil, als Handicap empfunden werden. Dabei soll nicht grundsätzlich gefordert werden, dass Werbefot mte Dinge tun und andere lassen. Die Besonderheit ist, dass es Bilderhefte sind, die ich in Handarbeit selber mache. Sie sind dann fertig, wenn ich sage sie sind fertig, auch wen t sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist viel mehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzten Ausgabe hab ktion zurückgeben kann. Das ist das, was mich interessiert. Also, dass dem Bild wieder eine Funktion zukommt, und zwar nicht nur eine in sich beschränkte Funktion als Ze Unterschiede anzuführen, was mehr und mehr zu der Annahme führen könnte, daß auch das öffentliche Auftreten entsprechend different sein müßte. Dieserart Inszenieru zw. erlaubt die Schar jener, die sehen wollen, wer da ist, sowieso nur hastige Blicke auf den einen oder anderen zufälligen Ausschnitt. Aber genau das ist dann der Punkt, an de nken sollen und das gehört definitiv nicht dazu. Worauf die Kuratoren und Herausgeber dieser Veröffentlichungen besonderen Wert legen, sind die Gegenüberstellungen d ge im Schaffen der Fotografin oder des Fotografen oder auch ehemalige Darstellungsweisen in Fachjournalen usw. verborgen bleiben können. Thus, remaining invisible wh smallest air vehicles with vision, the insects. Before such invisible drones could be built, they were named after them: Firebee was the first drone that was widely deployed, in chon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind. Zur Haltung werden dabei so unterschiedliche Merkmale gezählt wie m s ein Bild erst durch seinen Kontext eine Bedeutung bekommt. Das ist auch der Grund, weshalb wir für die Einreichung kein Thema vorgeben. Die Vielfalt der Einreichung r man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt. Und bei der Einöde der restlichen Tage, an denen geöffnet ist, verführt die Gleichförmigkeit der Hängung nach dem Prinz n der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe am Sozialen, sondern am Konsum im Mittelpunkt steht. Zur Haltung werden dabei ratie. Wie so oft in der Technik zeigen diese Beispiele aus der Fotografie, daß Vor- und Nachteile fast immer gemeinsam auftreten. Folglich liegt es an einem selber, die Vorte hey were ment to be a flying gaze without a body, oriented towards the smallest air vehicles with vision, the insects. Before such invisible drones could be built, they were nam rsystem, mit dem das Bild betrachtet wird, sich oberhalb des Objektivs befindet, das das Foto aufnimmt. Aber sind wir da nicht bei einem Grundproblem von Gestaltung u gen. So erscheint die Saison der sozialen Netzwerke sich als modistische Strömung, in der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe a mer wieder neue Dinge entdeckt. Professionelle Bildproduzent_innen sind Menschen, die mit der Kamera die Welt beschreiben und das Fotografieren zu ihrem Beruf gemac rial, wie es sie zum Beispiel in der Literatur gibt. Sie finden sich in vielen Bereichen, von der Porträt-, der Werbe- und Reisefotografie über künstlerische Fotografie bis hin elsweise die Perspektive mit Hilfe des Suchersystems so, daß man ganz knapp oberhalb einer Tischkante auf das Motiv blickt, kann es sein, daß das – etwas tiefer befindlich ch dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Als Produktionsabfall sind die nicht unbeträchtlichen Kosten der elektrischen Energie, als Konsumgut die kur ern, denn wer behält schon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind. Die professionelle Fotografie steht dabei immer nur in der Technik tritt eine Parallaxe auf, eine „Veränderung“ durch „Hin- und Herbewegen“, sondern auch beim Betrachten und Beurteilen von Fotos und anderen Werke nehmen hätten. Frist setzen. Bestimmen Sie ein konkretes Datum, wann Sie mit dem Fotografieren aufhören werden. Fotografieren Sie bis zu diesem Tag ganz normal weite nes was executed by reconnaissance satellites and spy planes, circling unseen, or at least at invulnerable hights, over Russia, China, and other nations of the communist bloc rinnen und Kuratoren von heute aus, daß es ihnen gelingt, jeden Wechsel der Ansicht wirkungsvoll zu verhindern, indem sie die Aufbereitung des Bild- und Datenmaterials Ich selber mache ja so kleine Bilderhefte. Ähnliches gilt auch für die Fotojournalist_innen. Durch ihre Thematisierung gesellschaftlicher Zustände legen sie Wertigkeiten fe n legt man sich die Anzahl der Fotos zurecht, die man tagsüber machen will. Das langsame Abgewöhnen verlangt keinen allzu starken Willen. The imagery they aimed to obta ed earlier1, but only after WWII methodologies emerged that allow for an understanding of the current situation. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte W nden. Wir entdecken bestimme Geschichten und verbinden diese dann vielleicht mit einem anderen Bild. The Cuban missile crisis is a tipping point in this development, taki men nicht im modernen Sinne ‚theoretisch‘ daher, sondern sind eher Geschichten, oder besser, Anschauungen über Fotografie, die sich nur gelegentlich einem einzelnen Fo aikus. Da gibt es zehn Bilder, ein kleines Heft, eine in sich geschlossene Einheit oder Geschichte, wie immer man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt. In diesen Fäll ragestellung: „Was ist die Fotografie?“ trifft man jedoch häufig unter Fotografen oder in der medienwissenschaftlichen Beschäftigung mit der Fotografie an, manchmal mit d rst einmal nichts anderes als bewusstes bildnerisches Handeln: ein Handeln im Bewusstsein möglicher Konsequenzen, welche die Produktion von Bildmaterial nach sich zieh likum gelangt, sind die biografischen Abrisse oftmals ident, werden nicht nur Äußerungen der Künstler, sondern auch Auslassungen von Katalogautoren aus der Begleitpub nte diese Form der Parallaxe zunächst als Nachteil, als Handicap empfunden werden. Wir fanden es spannend im Laufe der Ausgaben immer bei demselben Konzept zu bleibe ne Passagen Bevorzugung erfahren, in denen Walter Benjamin oder Roland Barthes zitiert werden, und zwar möglichst die bekannten und tiefgründigen Sentenzen zur „Aur aditionen und aktueller Bilddiskurse von großer Bedeutung. Ich finde die Thematik, wie man mit Bildern etwas vermitteln kann, ohne dass es in einer Beliebigkeit hängenbleib n he noticed a certain pattern among the Russian SA-2 SAM anti-aircraft missiles. Natürlich haben wir versucht von Ausgabe zu Ausgabe die Qualität zu steigern, und auch d itestgehend im Unklaren gelassen werden und ihre Bequemlichkeit jene Unterstützung erfährt, die gewährleistet, daß sich viele Besprechungen höchstens in den Satzstellu tlich bleibt aber nichts übrig, außer, dass ich gut unterhalten worden bin. Daher schätze ich die Parallaxe beim Beurteilen immer und uneingeschränkt! Fotografieren Sie nic estaltens präpariert wurde. Oder, wie Hans Ulrich Reck jüngst angesichts der gegenwärtigen Digitalisierung erörtert: die Fotografie, das ist die Beschaffung visuelles Material f dem Tableau des Visuellen. Der Tafelteil des Kataloges wiederum besteht in einer der Ausstellung ähnlichen Aneinanderreihung von Bildern, oftmals einer lediglich kürzer g hat sie aber auch selbst etwas Prozesshaftes. Unsere Herangehensweise hat sich von Mal zu Mal immer verändert. Wir haben immer andere Kriterien für uns gehabt, wie w efinger zu treffen. The existence of these missiles was known, but the formation they had been set up, the trapezoidal shape they formed, made Wright nervous, as „this patte ith external data, stemming from other images, or other form of intelligence. Fangen Sie jeden Tag eine Stunde später zu fotografieren an. Für den Betrachter ist das natürli passiert. In jedem Fall sind für ihre Entwicklung Zeit und ein geschützter Raum vonnöten, in dem sie sich entfalten kann. Wenn man Recks Betrachtungsweise mit derjenig Maße der originalen Abzüge angegeben, weil dies die Phantasie des Betrachters allzusehr strapazieren würde. Das können allerdings viele! Für mich muss eine Arbeit me mung andererseits? Bobby Kennedy, then Attorney General, remembered this situation quite clear: „Experts … told us that if we looked carefully, we could see that there wa aring of a field for a farm or the basement of a house. I was relieved to hear later that was the same reaction of virtually everyone at the meeting.“ Wechseln Sie nach jedem Fo über Bilder zu arbeiten, über das Denken zu arbeiten, und Wissen in Frage zu stellen. Insgesamt regiert das hehre Motto der Sprachlosigkeit: ‘Ein Bild sagt mehr als tause zu erwähnen (außer im vertraulichen Gespräch, bei dem über die geringen Mittel, die hohen Klischeekosten, die Knausrigkeit der ministeriellen Stellen oder Sponsoren lame n noch keine feste Idee, wie die nächste Ausgabe aussehen wird, aber unser Plan ist, dass sie komplett überarbeitet wird. Waschen Sie Sich nach jedem Foto die Augen aus. Au n wird und zwei Bilder übereinander oder gar ein Viererblock auf einer Seite oder einer Wand plaziert werden. In these moments a crucial shift in the understanding of phot y site and a farm. Instead, they entered a political process. Aus der ontologischen Betrachtung wird demnach eine dialektische und aus der dialektischen eine ökonomische. D isuellen Material. Die Besonderheit ist, dass es Bilderhefte sind, die ich in Handarbeit selber mache. Sie sind dann fertig, wenn ich sage sie sind fertig, auch wenn sie zwölf od e ihrer besonderen Rolle gerecht werden und sich von der Amateurfotografie differenzieren. Genau. Die Ausstellung ist natürlich nochmal ein neuer Ansatz. Sie wird ähnli ionen zu spielen und später an einer weiteren Wand mit Hilfe von Beamern das Layout erarbeiten. Keine Ausreden. Eine schöne Landschaft oder ein spektakulärer Autounf dies eyes a week later, on October 25th, when he had to convince the General Assembly that the Russians were indeed installing ICBMs in Cuba. Stevenson brought the recon tigung, die Zerstörung und die Findung von Geschichte, d.h. von Erfahrung und von Ich-Bewusstsein. Neben der Materialverarbeitung und seiner Warenzurichtung steht dam öchte man meinen, daß Entkontextualisierung, ständiges Zitieren, assoziative Bezugnahme, das Hinter-sich-lassen von Geschichte durchaus eine Erscheinung postmodern d Kommentare Einfluss auf den Prozess nehmen. Der Besucher soll somit erleben, was passiert, wenn man mit diesen Bildern spielt und sie unterschiedlich kombiniert. U ise fotografiert haben. The Cuban Crisis took its course, but even if the motto of the Air Force squadron that executed the following low-level reconnaissance missions was Vo die der Geschichte ihrer Blicke ist, deren spontanster, etwa von Kraus (...) sich in der Fragestellung formuliert, ob die Fotografie Kunst sei oder lediglich eine technischer Effek er befand: „Kunst ist gut, wenn man an ihr vorbeigehen kann, ohne daß man sie sehen muß.“ Das passiert vor allem in Form unserer Artist-Features. Hier werden im Woche ndem ein Kunstwerk verformt, verworfen, verändert, also zumindest partiell zerstört und neu kreiert wird. Also, das soll zumindest kein Stilelement sein! Das kann sogar e genau die Frage stellt, die du gerade gestellt hast. Also insofern müsste es schon anders sein, weil das nicht die Frage ist, die ich stellen will. Auf diese Fragestellung ist Walt en kann, aus dem Nothaft der Effekt sich als Manier herausarbeitet. Benjamin legitimiert seine Anschauung an der Malerei, den Materialgedichten und Collagen der Dadaiste mething coming from outside the image to ascribe the image a certain meaning. Das Betrachten von Kunst, von Fotografie ist — nach wie vor — ein aktiver, kreativer, manipu kführung zum ursprünglichen Kontext und zu den einzelnen fotografischen Positionen. Das ist spannend, weil hier Querverweise zu anderen Arbeiten und Fotografen entst nelligkeit, die das Internet bietet. Far from understanding the photograph as direct and obvious representation, that might only be restricted by what it didn´t show – by way ally different things. Den gerade erhobenen Zeigefinger will ich aber rasch wieder senken, denn ich habe gehört, daß auch in anderen Künsten der Gedanke der einheitlich nge entdeckt. Diese zusätzlichen grafischen Elemente wie eingescannte Asche oder ein Riss im Papier geben dem Magazin noch so einen haptischen Zusatz, der die Bilder e h das ändern. Ich habe schon eine gewisse Vorstellung, worüber Betrachter nachdenken sollen und das gehört definitiv nicht dazu. Photographs had become obscure containe es connected with this crisis never showed a missile or a nuclear warhead, but only trailers and crates. The science of detecting their content became known as „crateology“. uren auf gleich große und gleich hohe und gleichfarbige Kunststoffpodeste stellen. Aber das halte ich für ein Gerücht! hre Burlesken, die sich aus den konventionellen Künst Zeit- und Raummontagen versammeln kann, so kann nur die Fotografie alle Arten der Vergegenwärtigung versammeln. Die Grundlage dieser Bilderhefte sind Bilder aus mein u konfrontieren. Es lockert das alles nochmal ein bisschen auf, weil es nicht so clean ist. Wir haben diese Elemente von Ausgabe zu Ausgabe immer weiter reduziert. Am Anfa ewahren: Amateurknipser-Fotos, Familienfotos und alles, was mir parallel dazu in den Blick kommt und mir interessant und bewahrenswert erscheint. Even before digitaliz hsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist viel mehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzt dforschung gegründet, und im Moment ist dieses Archiv eine Art Steinbruch für meine Arbeit. Das bedeutet, dass ich dieses Material sichte, es hinterfrage und herauszufind Gegenwart selbst. Nicht die Gegenwart der vermittelten Erzählung ist damit gemeint, sondern die der ‚artifiziellen Präsenz‘1 einer Präsenz, die als inszenierte erscheint. Da land. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Photographs became subjects of interrogation, raw material for processes that mined for concealed informatio eant longing for the unconscious of the image:“ Photo interpretation has to do with making assumptions based on association and orders of probability.“ Der Einwand, die Fot indem man die Frage nach dem Status des Produzenten stellt, der als Fotograf sein Produkt in den ökonomischen Kreislauf stellt. Wir schauen uns alle Einreichungen an u e wurden 8.000 Fotos von ca. 1.000 Leuten eingereicht. Texte waren es weniger. These programms already could „sharpen out-of-focus images, build multicolored single imag unds, extract particular features while diminishing or eliminating their backgrounds altogether, enhance shadows, suppress glint from reflections of the sun, and a great de me targets underground could be defined and highlighted.“ Das schließt die Fotografie als Kunst ausdrücklich mit ein. Auch wenn die Kunst sich zuweilen unökonomisch sit ellen Zeugnissen, die aus unterschiedlichsten Quellen stammen, ein Gemeinsames erzeugt. Ich bin letztlich derjenige, der das choreografiert und zum Sprechen bringt. Vo cahiers Hefte zur Fotografie 2014 zwei

Cahiers zwei

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Das Magazin des Masterstudiengangs Fotografie - Photographic Studies der Fachhochschule Dortmund

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Page 1: Cahiers zwei

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This 50-years-old premonition is only now about to become fully realized, and yet the rifts these artficial insects open in our relation towards distant events are quite apparent; todays smoke-grey artificial bees pose a number of questions, some juridical, some moral or political, but one of their most deceisive aspect is their relation towards the image. Dem Einwand, der Fotograf habe außer in der Spezialität des Selbstporträts überhaupt nicht die Möglichkeit ein ‚ich‘ zu artikulieren, muss folgendermaßen begegnet werden. Die Einfügung des Pronomens ‚ich‘ in der Rede meint nicht den Blick auf sich selber, sondern eine Wesensschau. Niemals ist als ‚ich‘ eine Sichtbarkeit gemeint, sondern ein transzendie-render Akt, ‚Schau‘. Das ist sicherlich auch interessant für die Fotografen, wenn sie ihre Arbeiten auf ein Mal in einem anderen Kontext sehen, der vielleicht gar nicht ihrer ursprünglichen Intention entsprach. Bei durchschnittlich 8 Bildern pro Person werden sicherlich oft Serien eingereicht. Wie geht ihr mit fotografischen Gesamtkonzeptionen um, die ihren Schwerpunkt nicht auf dem Einzelbild haben? Mir ist der Begriff des visuellen Haiku vollkommen neu. Die schriftliche Form des Haiku kenne ich, und finde sie als Phänomen durchaus interessant. Denn es ist eine kleine ästhetische Einheit, die, ausgehend von klaren Strukturen, ein Gefühl zu erzeugen versucht. Von diesem Punkt her finde ich das sehr spannend. Denn es geht um eine Art von Wirkungserzeugung. Sucherkameras veranschaulichen gleichzeitig, daß Parallaxen manchmal auch hinderlich sind, und zwar immer dann, wenn die beiden Blickpunkte allzu weit voneinander entfernt liegen. In solchen Fällen spricht man von Parallaxfehlern. Eine Profession, die sehr stark das Konzept der Haltung verinnerlicht hat und dies gleichzeitig immer wieder kritisch diskutiert, ist der Journalismus. Dort stehen sich vor allem zwei Positionen diametral gegenüber. And despite extensive media coverage of their activities, little consideration goes into the fact that a drone, for the most part, is a flying aerial reconnaissance center, where images are taken, processed und evaluated in real time Was Reck intendiert, ist nicht nur diesen ‚neuen‘, Hegelschen Gestus des Werdens zur Überwindung der Ontologie der Fotografie einzuführen, also die Geschichtlichkeit der Dinge anzumahnen, er legt auch gleich den Finger in die Wunde der Hegelschen Dialektik, die mit der Geschichtlichkeit das konkrete Werden und Vergehen alles menschlichen Weltbezugs meint. Was nämlich Barthes am fotografischen Porträt der Mutter festzuhalten wünscht, gebiert als essayistische Erzählung das Werden. Die einzige Weise, in der Fotografien betrachtet werden können, ist, in ihnen die verlorene Geschichte wieder auffindbar zu machen, die durch ihren Akt zerstört worden ist. Da ist zum Beispiel die Kategorie Das kleine Deutschlandalbum. Es enthält Fotos aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen. Diese Fotos zeigen Menschen auf Urlaubsfahrt durch Deutschland. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Da gibt es in meiner Sammlung viele verschiedene Ansichten vom selben Ort zu unterschiedlichen Zeiten. Diese Ergänzung hilft, komplexer zu erfassen und umfassender zu beurteilen. Doch auch hier kann der zweite Blick unter Umständen irritieren, verwirren: Unterscheiden sich beide Sichtweisen allzu stark, könnte diese Form der Parallaxe zunächst als Nachteil, als Handicap empfunden werden. Dabei soll nicht grundsätzlich gefordert werden, dass Werbefoto-grafie per se die Gesellschaft in Frage stellen muss. Professionelle Bildproduzent_innen müssen sich jedoch bewusst darüber sein, warum sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestimmte Dinge tun und andere lassen. Die Besonderheit ist, dass es Bilderhefte sind, die ich in Handarbeit selber mache. Sie sind dann fertig, wenn ich sage sie sind fertig, auch wenn sie zwölf oder vierzehn Seiten haben. Das bedeutet, dass diese Hefte zumindest nicht maschinell oder ganz normal in der Druckerei hergestellt werden. Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist viel mehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und bestimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. Richtig, und ich frage mich, wie ich ihnen wieder eine emotionale Funktion zurückgeben kann. Das ist das, was mich interessiert. Also, dass dem Bild wieder eine Funktion zukommt, und zwar nicht nur eine in sich beschränkte Funktion als Zeit-zeugnis. Ich nehme mir die Freiheit, mit diesen Bildern so umzugehen, wie ich es für richtig halte. Ich greife in die Bilder ein, ich erweitere und ergänze sie. Es wäre ein leichtes, weitere Unterschiede anzuführen, was mehr und mehr zu der Annahme führen könnte, daß auch das öffentliche Auftreten entsprechend different sein müßte. Dieserart Inszenierung verhindert nachdrücklich, daß eine nähere Beschäftigung mit den Bildern stattfindet. Denn bei der Vernissage wird ohnehin den ausgestellten Werken meist der Rücken zugedreht bzw. erlaubt die Schar jener, die sehen wollen, wer da ist, sowieso nur hastige Blicke auf den einen oder anderen zufälligen Ausschnitt. Aber genau das ist dann der Punkt, an dem du auf einer falschen Fährte bist. Ich möchte nicht, dass du darüber nachdenkst. Insofern muss ich das ändern. Ich habe schon eine gewisse Vorstellung, worüber Betrachter nachdenken sollen und das gehört definitiv nicht dazu. Worauf die Kuratoren und Herausgeber dieser Veröffentlichungen besonderen Wert legen, sind die Gegenüberstellungen der Bilder auf einer Doppelseite. Dabei wird nach den ästhetischen Dispositionen der gestaltenden Verantwortlichen vorgegangen, weil damit auf elegante Weise frühere Zusammenhänge im Schaffen der Fotografin oder des Fotografen oder auch ehemalige Darstellungsweisen in Fachjournalen usw. verborgen bleiben können. Thus, remaining invisible while registering even the smallest details became the guideline for UAVs, as drones are more technically refered to; they were ment to be a flying gaze without a body, oriented towards the smallest air vehicles with vision, the insects. Before such invisible drones could be built, they were named after them: Firebee was the first drone that was widely deployed, ini-tially during the war in Vietnam1. Man könnte sagen: die Formation steht entschieden gegen die In-Formation! Und sie verhindert auch wirkungsvoll ein Erinnern, denn wer behält schon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind. Zur Haltung werden dabei so unterschiedliche Merkmale gezählt wie mo-ralische Grundsätze, professionelle Kompetenzen in Recherche und Stil und Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Demokratie. Man kann durchaus diskutieren, dass ein Bild erst durch seinen Kontext eine Bedeutung bekommt. Das ist auch der Grund, weshalb wir für die Einreichung kein Thema vorgeben. Die Vielfalt der Einreichungen ermöglicht uns einen viel größeren Spielraum diese Bilder neu zu interpretieren. Da gibt es zehn Bilder, ein kleines Heft, eine in sich geschlossene Einheit oder Geschichte, wie immer man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt. Und bei der Einöde der restlichen Tage, an denen geöffnet ist, verführt die Gleichförmigkeit der Hängung nach dem Prinzip der militärischen Ausrichtung den Besucher zu wenig mehr als einem entsprechenden Abschreiten. So erscheint die Saison der sozialen Netzwerke sich als modistische Strömung, in der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe am Sozialen, sondern am Konsum im Mittelpunkt steht. Zur Haltung werden dabei so unterschiedliche Merkmale gezählt wie moralische Grundsätze, professionelle Kompetenzen in Recherche und Stil und Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Demokratie. Wie so oft in der Technik zeigen diese Beispiele aus der Fotografie, daß Vor- und Nachteile fast immer gemeinsam auftreten. Folglich liegt es an einem selber, die Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu meiden. Thus, remaining invisible while registering even the smallest details became the guideline for UAVs, as drones are more technically refered to; they were ment to be a flying gaze without a body, oriented towards the smallest air vehicles with vision, the insects. Before such invisible drones could be built, they were named after them: Firebee was the first drone that was widely deployed, initially during the war in Vietnam1. In solchen Fällen spricht man von Parallaxfehlern. Auslöser ist, daß das Suchersystem, mit dem das Bild betrachtet wird, sich oberhalb des Objektivs befindet, das das Foto aufnimmt. Aber sind wir da nicht bei einem Grundproblem von Gestaltung und Kunst? Und zwar der Frage, ob und wie Methoden aus einem Medium in ein anderes einfach übertragen werden können? Er erklärt alle gegenwärtigen sozialökonomischen Beziehungen. So erscheint die Saison der sozialen Netzwerke sich als modistische Strömung, in der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe am Sozialen, sondern am Konsum im Mittelpunkt steht. Durch das Layout und die Anordnung hoffen wir natürlich, dass man jede Ausgabe nicht nur ein Mal durchblättert, sondern immer wieder neue Dinge entdeckt. Professionelle Bildproduzent_innen sind Menschen, die mit der Kamera die Welt beschreiben und das Fotografieren zu ihrem Beruf gemacht haben. Wenn es um Erzählmethoden im Fotobuch geht, kommt man sehr schnell an denselben Punkt. Es gibt keine niedergeschriebene Grammatik oder Rhetorik für visuelles Material, wie es sie zum Beispiel in der Literatur gibt. Sie finden sich in vielen Bereichen, von der Porträt-, der Werbe- und Reisefotografie über künstlerische Fotografie bis hin zu Fotojournalismus und immer öfter in Mischformen und mit Standbeinen in vielen verschiedenen Bereichen, um dem ökonomischen Druck standhalten zu können. Wählt man beispielsweise die Perspektive mit Hilfe des Suchersystems so, daß man ganz knapp oberhalb einer Tischkante auf das Motiv blickt, kann es sein, daß das – etwas tiefer befindliche – Objektiv ausschließlich die Tischkante aufnimmt und somit ein völlig anderes, „falsches“ Bild erzeugt. Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Als Produktionsabfall sind die nicht unbeträchtlichen Kosten der elektrischen Energie, als Konsumgut die kurze Halbwertszeit der vermittelten Kontakte zu verbuchen. Man könnte sagen: die Formation steht entschieden gegen die In-Formation! Und sie verhindert auch wirkungsvoll ein Erinnern, denn wer behält schon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind. Die professionelle Fotografie steht dabei immer in einem Spannungsverhältnis zwischen der kritischen Dokumentation gesellschaftlicher Zustände, sowie der Reproduktion und Festschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse. Nicht nur in der Technik tritt eine Parallaxe auf, eine „Veränderung“ durch „Hin- und Herbewegen“, sondern auch beim Betrachten und Beurteilen von Fotos und anderen Werken. Nun könnte man einwenden, daß die Ausstellungen ja zumeist von Katalogen begleitet werden, die ein anderes Medium darstellen und bestimmte Aufgaben der Vermittlung zu übernehmen hätten. Frist setzen. Bestimmen Sie ein konkretes Datum, wann Sie mit dem Fotografieren aufhören werden. Fotografieren Sie bis zu diesem Tag ganz normal weiter, aber an dem festgelegten Datum beginnt Ihre Entwöhnung. But for the most part of the second half of the last century the task of secretly observing far away events behind enemy lines was executed by reconnaissance satellites and spy planes, circling unseen, or at least at invulnerable hights, over Russia, China, and other nations of the communist block. Benjamins Texten über die Fotografie, aber auch denen von Susan Sonntag oder Roland Barthes wird man schwerlich Ingenieursabsichten unterstellen. Es zeichnet aber die Kuratorinnen und Kuratoren von heute aus, daß es ihnen gelingt, jeden Wechsel der Ansicht wirkungsvoll zu verhindern, indem sie die Aufbereitung des Bild- und Datenmaterials in Ausstellungen und den dazugehörigen Publikationen immer ähnlicher gestalten. Richtig, aber ein gutes Bild ist generell vieldeutig. Die eindeutigen Bilder interessieren mich selten. Ich selber mache ja so kleine Bilderhefte. Ähnliches gilt auch für die Fotojournalist_innen. Durch ihre Thematisierung gesellschaftlicher Zustände legen sie Wertigkeiten fest. Auch sie müssen sich fragen lassen, warum sie bestimmte Themen bearbeiten und wie sie gesellschaftliche Akteure in Szene setzten. Jeden Tag ein Foto weniger machen. Am Morgen legt man sich die Anzahl der Fotos zurecht, die man tagsüber machen will. Das langsame Abgewöhnen verlangt keinen allzu starken Willen. The imagery they aimed to obtain had not only to be captured secretly, an image taken from kilometers away also had to be understood. The problematics of analyzing reconnaissance imagery had been problematized earlier1, but only after WWII methodologies emerged that allow for an understanding of the current situation. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und bestimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. Wir schauen uns alle Einreichungen an und stoßen auf bestimmte Bilder, die wir dafür spannend finden. Wir entdecken bestimme Geschichten und verbinden diese dann vielleicht mit einem anderen Bild. The Cuban missile crisis is a tipping point in this development, taking place before images became digitalized, but the approach already bearing a „digital signature“. Fotografieren Sie nur noch mit der Hand, mit der Sie bisher nie fotografierten. Sie kommen nicht im modernen Sinne ‚theoretisch‘ daher, sondern sind eher Geschichten, oder besser, Anschauungen über Fotografie, die sich nur gelegentlich einem einzelnen Foto widmen und nur selten die Frage nach der ontologischen Gegenwart der Fotografie stellen. Und wenn ich darüber nachdenke, gibt es da natürlich schon ein paar Parallelen zu den Haikus. Da gibt es zehn Bilder, ein kleines Heft, eine in sich geschlossene Einheit oder Geschichte, wie immer man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt. In diesen Fällen ist ein zweites Statement gemeint, ein zusätzlicher Blick aus anderer Perspektive. Diese Ergänzung hilft, komplexer zu erfassen und umfassender zu beurteilen. Diese ontologische Fragestellung: „Was ist die Fotografie?“ trifft man jedoch häufig unter Fotografen oder in der medienwissenschaftlichen Beschäftigung mit der Fotografie an, manchmal mit der Relativierung: „Was ist die Fotografie heute?“: Kunst, Technik, Mittel der Dokumentation, etc. – alle diese Antworten lesen sich als vorschnelle Entschuldigungen. Haltung bedeutet erst einmal nichts anderes als bewusstes bildnerisches Handeln: ein Handeln im Bewusstsein möglicher Konsequenzen, welche die Produktion von Bildmaterial nach sich ziehen kann. Vom Prinzip bleibt es immer das selbe. Im Grunde versuchen wir den ursprünglichen Kontext für uns auszuklammern. Ja, mehr noch: Damit ein Minimum an Fakten zum Publikum gelangt, sind die biografischen Abrisse oftmals ident, werden nicht nur Äußerungen der Künstler, sondern auch Auslassungen von Katalogautoren aus der Begleitpubli-kation auf die Ausstellungsflächen übernommen. Doch auch hier kann der zweite Blick unter Umständen irritieren, verwirren: Unterscheiden sich beide Sichtweisen allzu stark, könnte diese Form der Parallaxe zunächst als Nachteil, als Handicap empfunden werden. Wir fanden es spannend im Laufe der Ausgaben immer bei demselben Konzept zu bleiben. Es lässt sich an sich unendlich weiterspinnen. Ebenso bestehen die Einführungsreden der Kuratoren im besten Fall aus Auszügen aus dem von ihnen verfaßten Katalogtext, wobei jene Passagen Bevorzugung erfahren, in denen Walter Benjamin oder Roland Barthes zitiert werden, und zwar möglichst die bekannten und tiefgründigen Sentenzen zur „Aura“ und zum „Es ist gewesen“. Um dieses Bewusstsein erlangen zu können, sind umfangreiches Bildwissen und eine ausgeprägte Bildkompetenz, vor allem hinsichtlich ikonografischer Traditionen und aktueller Bilddiskurse von großer Bedeutung. Ich finde die Thematik, wie man mit Bildern etwas vermitteln kann, ohne dass es in einer Beliebigkeit hängenbleibt, immer wieder interessant. In late September 1962 Colonel John R. Wright studied photographs that had been taken over Cuba a few weeks earlier by a U-2 reconnaissance plane when he noticed a certain pattern among the Russian SA-2 SAM anti-aircraft missiles. Natürlich haben wir versucht von Ausgabe zu Ausgabe die Qualität zu steigern, und auch die Erfahrung im Umgang mit Bilden hat sich erweitert. Nicht zuletzt besteht der Pressetext aus einer Kurzfassung der Einleitung, wodurch auch die Rezensenten über das Vorhaben weitestgehend im Unklaren gelassen werden und ihre Bequemlichkeit jene Unterstützung erfährt, die gewährleistet, daß sich viele Besprechungen höchstens in den Satzstellun-gen und -zeichen unterscheiden. In letzter Zeit sehe ich oft Bildersammlungen, innerhalb derer auch Unterschiedliches aufeinander trifft und das visuell durchaus spannend ist. Letztlich bleibt aber nichts übrig, außer, dass ich gut unterhalten worden bin. Daher schätze ich die Parallaxe beim Beurteilen immer und uneingeschränkt! Fotografieren Sie nicht mehr ohne hinzusehen. Wer im 21. Jahrhundert professionell Bilder produziert, muss wissen, dass er ein Terrain betritt, welches von jahrhundertealten Traditionen des Sehens und Gestaltens präpariert wurde. Oder, wie Hans Ulrich Reck jüngst angesichts der gegenwärtigen Digitalisierung erörtert: die Fotografie, das ist die Beschaffung visuelles Materials.1 Die Fotografie liefert den Rohstoff für multiple Gegenwärtigkeit, einen Rohstoff, den man beliebig archivieren, manipulieren und sogar simulieren kann, kurz, die Präsenz der Welt auf dem Tableau des Visuellen. Der Tafelteil des Kataloges wiederum besteht in einer der Ausstellung ähnlichen Aneinanderreihung von Bildern, oftmals einer lediglich kürzeren Fassung von dieser. Allerdings wird streng darauf geachtet, daß nicht allzuviel Variabilität den Blick ermuntert. Eine Haltung kann am Ende eines (Lern-)Prozesses stehen, gleichzeitig hat sie aber auch selbst etwas Prozesshaftes. Unsere Herangehensweise hat sich von Mal zu Mal immer verändert. Wir haben immer andere Kriterien für uns gehabt, wie wir da dran gehen, wie wir so eine Geschichte spinnen und wie wir die Auswahl machen. Mit nur einem Auge sehend ist es kaum möglich, von der Seite her einen Kaffeelöffel mit dem Zeigefinger zu treffen. The existence of these missiles was known, but the formation they had been set up, the trapezoidal shape they formed, made Wright nervous, as „this pattern was similar to those identified near ballistic-missile launch sites in the Soviet homeland“1 Wright couldn´t exactly see waht these images indicated to him, he had to combine them with external data, stemming from other images, or other form of intelligence. Fangen Sie jeden Tag eine Stunde später zu fotografieren an. Für den Betrachter ist das natürlich nicht unbedingt zu erkennen. Aber auch wir sind inzwischen an dem Punkt, an dem wir merken, dass es sich langsam wiederholt. Bzw. dass es an der Zeit ist, dass etwas ganz Neues passiert. In jedem Fall sind für ihre Entwicklung Zeit und ein geschützter Raum vonnöten, in dem sie sich entfalten kann. Wenn man Recks Betrachtungsweise mit derjenigen Benjamins vergleicht, fällt auf, dass unter ihr das Signum der Schau wieder eingeführt wird. Die Bildunterschriften sind mit jenen der Ausstellung identisch, keinesfalls werden die Maße der originalen Abzüge angegeben, weil dies die Phantasie des Betrachters allzusehr strapazieren würde. Das können allerdings viele! Für mich muss eine Arbeit mehr auslösen. Sie muss einen Nachklang haben. Deshalb treiben mich so Dinge um wie: Kann ich eine Frage stellen über das, was da gezeigt wird einerseits — und über Bild und Wahrnehmung andererseits? Bobby Kennedy, then Attorney General, remembered this situation quite clear: „Experts … told us that if we looked carefully, we could see that there was a missile base beeing constructed near San Cristóbal, Cuba. I, for one, had to take their word for it. I examined the pictures carefully, and what I saw appeared to be no more than the clearing of a field for a farm or the basement of a house. I was relieved to hear later that was the same reaction of virtually everyone at the meeting.“ Wechseln Sie nach jedem Foto die Kamera. Es sind Aspekte wie die Haltung, die sich immer wieder bewusst gemacht und in kritischer Diskussion neu geschärft werden müssen. Das finde ich wichtig! Mit Bildern über Bilder zu arbeiten, über das Denken zu arbeiten, und Wissen in Frage zu stellen. Insgesamt regiert das hehre Motto der Sprachlosigkeit: ‘Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!’ Damit die Intentionen der Bildautoren weitestgehend im Dunkel bleiben, werden Farbaufnahmen — soweit machbar — in Schwarzweiß wiedergegeben, ohne diese Tatsache zu erwähnen (außer im vertraulichen Gespräch, bei dem über die geringen Mittel, die hohen Klischeekosten, die Knausrigkeit der ministeriellen Stellen oder Sponsoren lamen-tiert wird.) Das ist ein sensibler Punkt, weil wir durchaus merken, dass wir inzwischen routiniert sind in dem, was wir machen und es Zeit ist einen neuen Schritt zu gehen. Wir haben noch keine feste Idee, wie die nächste Ausgabe aussehen wird, aber unser Plan ist, dass sie komplett überarbeitet wird. Waschen Sie Sich nach jedem Foto die Augen aus. Auch insofern wird die Analogie zur Ausstellung gewahrt, wo nach denselben Maßgaben verfahren wird. Als schaustellernde Meisterleistung gilt allerdings, wenn das Einerlei durchbrochen wird und zwei Bilder übereinander oder gar ein Viererblock auf einer Seite oder einer Wand plaziert werden. In these moments a crucial shift in the understanding of photo-graphic images occured: since its inception considered to be the most accurate form of visual representation, photography suddenly did not allow for differentiation between a military site and a farm. Instead, they entered a political process. Aus der ontologischen Betrachtung wird demnach eine dialektische und aus der dialektischen eine ökonomische. Die ökonomische Theoriestellung widmet allerdings nicht mehr dem Produkt die Aufmerksamkeit, sondern dem Produktions- und Konsumtionsvorgang ausgehend vom Rohstoff: dem visuellen Material. Die Besonderheit ist, dass es Bilderhefte sind, die ich in Handarbeit selber mache. Sie sind dann fertig, wenn ich sage sie sind fertig, auch wenn sie zwölf oder vierzehn Seiten haben. Das bedeutet, dass diese Hefte zumindest nicht maschinell oder ganz normal in der Druckerei hergestellt werden. Nur dann kann die professionelle Fotografie ihrer besonderen Rolle gerecht werden und sich von der Amateurfotografie differenzieren. Genau. Die Ausstellung ist natürlich nochmal ein neuer Ansatz. Sie wird ähnlich funktionieren wie das Magazin, aber mit wichtigen Unterschieden. Auch hier gibt es eine offene Einreichung. Wir werden zuerst anfangen auf Tischen mit verschiedenen Kombinationen zu spielen und später an einer weiteren Wand mit Hilfe von Beamern das Layout erarbeiten. Keine Ausreden. Eine schöne Landschaft oder ein spektakulärer Autounfall sind keine Ausreden dafür, doch nochmals zur Kamera zu greifen. Adlai Stevenson, American ambassador to the UN, had the difficult task of explaining what was in front of everybodies eyes a week later, on October 25th, when he had to convince the General Assembly that the Russians were indeed installing ICBMs in Cuba. Stevenson brought the reconn-naissance images with him to the assembly, and performed the task of a photo interpreter, going through picture by picture. Sie fragt nach Opfer und Gewinn im Akt der Vergegenwärtigung, die Zerstörung und die Findung von Geschichte, d.h. von Erfahrung und von Ich-Bewusstsein. Neben der Materialverarbeitung und seiner Warenzurichtung steht damit der Fotograf als Produzent von Subjektivität im Fokus der theoretischen ‚Schau‘, d.h. der Geschichte der Theorien der Fotografie oder schlicht der Philosophie der Fotografie. Nun möchte man meinen, daß Entkontextualisierung, ständiges Zitieren, assoziative Bezugnahme, das Hinter-sich-lassen von Geschichte durchaus eine Erscheinung postmodernis-tischen Gepräges abgeben. Ich habe ja so eine riesen Sammlung. Die Galerie wird jeden Tag anders aussehen. Wenn man als Besucher vorbeikommt, kann man durch Gespräche und Kommentare Einfluss auf den Prozess nehmen. Der Besucher soll somit erleben, was passiert, wenn man mit diesen Bildern spielt und sie unterschiedlich kombiniert. Und hoffentlich wird es dazu dann spannende Diskussionen geben. Keine unnötigen Herausforderungen. Versuchen Sie, am Anfang die Situationen zu umgehen, in denen Sie normalerweise fotografiert haben. The Cuban Crisis took its course, but even if the motto of the Air Force squadron that executed the following low-level reconnaissance missions was Voir c´est savoir, human vision alone wasn´t capable of prolifering the demanded informations any longer. Hier erzählt uns die Fotografie eine Geschichte ihrer Anschauungen, die nicht die der Geschichte ihrer Blicke ist, deren spontanster, etwa von Kraus (...) sich in der Fragestellung formuliert, ob die Fotografie Kunst sei oder lediglich eine technischer Effekt. Man könnte auch darauf verweisen, daß die Gleichförmigkeit ein probates Mittel ist, das Kunstwerk zum Verschwinden zu bringen, aber Jochen Gerz hat etwas anderes gemeint, als er befand: „Kunst ist gut, wenn man an ihr vorbeigehen kann, ohne daß man sie sehen muß.“ Das passiert vor allem in Form unserer Artist-Features. Hier werden im Wochen-rythmus Fotografen, die im Heft vertreten sind, mit einer Serie vorgestellt und dürfen auf unserem Blog posten. Denn er dachte an die Bilder, die im Kopf entstehen, die entstehen, indem ein Kunstwerk verformt, verworfen, verändert, also zumindest partiell zerstört und neu kreiert wird. Also, das soll zumindest kein Stilelement sein! Das kann sogar ein Fehldruck sein. Wenn ich jetzt so gucke, ist es mir jetzt auch nicht so wichtig. Also es stört mich jetzt nicht auf den ersten Augenblick, aber es stört mich dann schon, wenn jemand genau die Frage stellt, die du gerade gestellt hast. Also insofern müsste es schon anders sein, weil das nicht die Frage ist, die ich stellen will. Auf diese Fragestellung ist Walter Benjamin in seinem Aufsatz über die Reproduzierbarkeit eingegangen, indem er erklärt, dass der Effekt die Vorstufe zum Stil ist, aber einem Stil, der nicht in dem Medium sich entfalten kann, aus dem Nothaft der Effekt sich als Manier herausarbeitet. Benjamin legitimiert seine Anschauung an der Malerei, den Materialgedichten und Collagen der Dadaisten. Photographs had entered a stage where simply looking at them or showing them wasn´t enough, they needed additional information, foundations, or, more generally, they needed something coming from outside the image to ascribe the image a certain meaning. Das Betrachten von Kunst, von Fotografie ist — nach wie vor — ein aktiver, kreativer, manipula-tiver, kein konsumtiver Akt, auch wenn die mediale Entwicklung auf andere Prioritäten setzt. Während wir im Magazin nur einzelne Bilder zeigen, ist die Website somit eine Art Rückführung zum ursprünglichen Kontext und zu den einzelnen fotografischen Positionen. Das ist spannend, weil hier Querverweise zu anderen Arbeiten und Fotografen entste-hen und die Website natürlich von mehr Leuten besucht wird, als das Magazin gekauft wird. Hier geht es wirklich um den informativen und kommunikativen Charakter und die Schnelligkeit, die das Internet bietet. Far from understanding the photograph as direct and obvious representation, that might only be restricted by what it didn´t show – by way of framing, timing, perspective, position, etc. – here the notion is totally different: the image itself is very abstract, what it shows, what one can see, and what it contains might be totally different things. Den gerade erhobenen Zeigefinger will ich aber rasch wieder senken, denn ich habe gehört, daß auch in anderen Künsten der Gedanke der einheitlichen Verpackung aufgegriffen wird. Durch das Layout und die Anordnung hoffen wir natürlich, dass man jede Ausgabe nicht nur ein Mal durchblättert, sondern immer wieder neue Dinge entdeckt. Diese zusätzlichen grafischen Elemente wie eingescannte Asche oder ein Riss im Papier geben dem Magazin noch so einen haptischen Zusatz, der die Bilder ein bisschen mehr mit dem Papier verbindet. Aber genau das ist dann der Punkt, an dem du auf einer falschen Fährte bist. Ich möchte nicht, dass du darüber nachdenkst. Insofern muss ich das ändern. Ich habe schon eine gewisse Vorstellung, worüber Betrachter nachdenken sollen und das gehört definitiv nicht dazu. Photographs had become obscure containers, black boxes in need of something or somebody to open them and extract or read out what was immersed under their surface. What could make this clearer than the fact that the images connected with this crisis never showed a missile or a nuclear warhead, but only trailers and crates. The science of detecting their content became known as „crateology“. So verspricht sich manch ein Galerist erhöhtes Interesse, wenn alle ausgestellten Gemälde mit derselben Leichtmetalleiste gerahmt werden, und ein Museum soll ihre sämtlichen Skulpturen auf gleich große und gleich hohe und gleichfarbige Kunststoffpodeste stellen. Aber das halte ich für ein Gerücht! hre Burlesken, die sich aus den konventionellen Künsten emanzipieren wollen, sind eigentlich solche, die im Medium Film um und nach dem Ersten Weltkrieg ihr effekthaftes Gegenstück entwickeln. Wie aber der Film in sich alle Arten der Zeit- und Raummontagen versammeln kann, so kann nur die Fotografie alle Arten der Vergegenwärtigung versammeln. Die Grundlage dieser Bilderhefte sind Bilder aus meiner sehr umfangreichen Sammlung von Alltagsfotografien. Diese verwaisten Bilder versuche ich emotional wieder zugänglich zu machen und die Betrachter mit Geschichten und Fragen zu konfrontieren. Es lockert das alles nochmal ein bisschen auf, weil es nicht so clean ist. Wir haben diese Elemente von Ausgabe zu Ausgabe immer weiter reduziert. Am Anfang waren sie viel stärker. Hierbei sammle ich all die Fotos, die andere nicht sammeln. Denn irgendwann wird es diese Fotos mal nicht mehr geben. Ich sammle zunächst einmal, um zu bewahren: Amateurknipser-Fotos, Familienfotos und alles, was mir parallel dazu in den Blick kommt und mir interessant und bewahrenswert erscheint. Even before digitaliza-tion photographs got a depth, a materiality, that was no longer minor to the surface allowing the later transition from looking at a photo to working with a photo. Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist viel mehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und bestimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. nzwischen habe ich das Institut für künstlerische Bildforschung gegründet, und im Moment ist dieses Archiv eine Art Steinbruch für meine Arbeit. Das bedeutet, dass ich dieses Material sichte, es hinterfrage und herauszufinden versuche, welche Fragen und welche Potenziale darin enthalten sind. Und sie tut das so übermächtig und erfolgreich, dass durch sie ebenfalls ein neues Medium generiert wird: die Gegenwart selbst. Nicht die Gegenwart der vermittelten Erzählung ist damit gemeint, sondern die der ‚artifiziellen Präsenz‘1 einer Präsenz, die als inszenierte erscheint. Da ist zum Beispiel die Kategorie Das kleine Deutschlandalbum. Es enthält Fotos aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen. Diese Fotos zeigen Menschen auf Urlaubsfahrt durch Deutschland. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Photographs became subjects of interrogation, raw material for processes that mined for concealed information. And just as the capabilities of human vision had been limited, the results of analysis fell in a different order, as they were only indicators, or better: symptoms. Photo interpretation meant longing for the unconscious of the image:“ Photo interpretation has to do with making assumptions based on association and orders of probability.“ Der Einwand, die Foto-grafie als Medium unter Medien in einen Topf etwa mit der Illustration, der Malerei oder anderen Bildentäußerungen zu stecken – dem visuellen Rohstoff, kann relativiert werden, indem man die Frage nach dem Status des Produzenten stellt, der als Fotograf sein Produkt in den ökonomischen Kreislauf stellt. Wir schauen uns alle Einreichungen an und stoßen auf bestimmte Bilder, die wir dafür spannend finden. Wir entdecken bestimme Geschichten und verbinden diese dann vielleicht mit einem anderen Bild. Für die letzte Ausgabe wurden 8.000 Fotos von ca. 1.000 Leuten eingereicht. Texte waren es weniger. These programms already could „sharpen out-of-focus images, build multicolored single images out of several pictures taken in different spectral bands to make certain patterns more obvious, change the amount of contrast between the objects under scrutiny and their backgrounds, extract particular features while diminishing or eliminating their backgrounds altogether, enhance shadows, suppress glint from reflections of the sun, and a great deal more. Radar and infrared imaging used in conjunction with the digital computers would allow objects only partially seen through cloud cover or haze to be reconstructed, and even some targets underground could be defined and highlighted.“ Das schließt die Fotografie als Kunst ausdrücklich mit ein. Auch wenn die Kunst sich zuweilen unökonomisch situ-iert, ist sie doch nicht anökonomisch. D.h. sie ist selbst als Minimal Art der menschlichen Produktion und einem Rohstoff unterworfen. Durch mein Eingreifen wird aus diesen visuellen Zeugnissen, die aus unterschiedlichsten Quellen stammen, ein Gemeinsames erzeugt. Ich bin letztlich derjenige, der das choreografiert und zum Sprechen bringt. Vom Prinzip bleibt es immer das selbe. Im Grunde versuchen wir den ursprünglichen Kontext für uns auszuklammern.

cahiersHefte zur Fotografie

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Inhalt

Isabel Machado Rios 4 COR. Archiv

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Julian Faulhaber 8 Catalogue Daniel Herleth16 Remote Images: Drone Vision Felix Koltermann24 Alles eine Frage der Haltung? Jan Ladwig27 Über das Auswählen Alexander Hagmann & Eugen Litwinow 28 Interview mit Der Greif Ralf Bohn32 Saumpfade des Fotografen Miriam Neitzel40 Mondmeer Timm Starl46 Die Vertreibung des Publikums aus einer Ausstellung Katja Stuke & Oliver Sieber 51 Antifoto Manifesto Dirk Rose52 Vice Alexander Hagmann58 Editorial Piet Wessing60 Vom Nutzen des Lassens Benedikt Bock62 Angle, willst du Fische fangen

Andreas Till66 Gespräch mit Elmar Mauch Isabel Machado Rios 72 COR. Archiv

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Isabel Machado Rios COR.Archiv

Hilton Carlos da Silva und Yeda Maria Borel Machado heiraten vermutlich im Jahre 1954. | Sie bekommen zwei Söhne und eine Tochter, die jedoch kurz nach der Geburt verstirbt. | Hilton Carlos arbeitet im Berufsfeld der Rechtswissenschaft. | Sie lassen sich scheiden und Hilton heiratet ein zweites Mal, eine Frau namens Yvonne. | Er lebt nach ihrem Tod gemeinsam mit ihrer Tochter Mônica in Brasilia. | Er verstirbt im November 2009. | Yeda lebt bis zu ihrem Tod gemeinsam mit ihrem zweiten Sohn, Hilton Carlos Filho, in Rio de Janeiro.

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Susanne Brügger anstelle eines editorials

cahier, cahiers [ka’je]: Heft, Hefte [franz]cahiers du cinéma: legendäre französische Filmzeitschrift, 1951 gegründet u.a. von André Bazin

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Das vorliegende Heft ist die zweite Ausgabe in der Reihe cahiers – Hefte zur Fotografie. Als Zeit-schrift des Masterstudiengangs Fotografie – Photographic Studies an der Fachhochschule Dortmund thematisiert die in loser Folge erscheinende Heftreihe die Fotografie in ihren Gebrauchsweisen.

Studierende, Lehrende, Absolventen und Gäste sind die Autoren dieser zweiten Ausgabe der cahiers. In Essays, bildnerischen Arbeiten, Interviews und Kritiken untersuchen sie die Frage- stellungen des Mediums und seiner Anwendung aus unterschiedlichsten Blickwinkeln.

cahiers-rot : eine aus Blut, Schweiß und Tränen aller beteiligten Mitarbeiter gefertigte Sonderfarbe. Zum Patent angemeldet.

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Die Zwei (2) ist die natürliche Zahl zwischen eins und drei. Sie ist gerade und eine Primzahl.Die Steigerung von 1 zur 2 ist 100%.

Zwei voneinander verschiedene Punkte P und Q bestimmen stets eine Gerade g. (Hilberts erstes Axiom I.1)

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Die Gerade ist also ein Vorhersagemodell.Aber wenn der Raum gekrümmt ist und die Gerade ein Bogen?Oder gefaltet und die Gerade unvorhersehbar?

Schon in den 20er Jahren unterschied Sergej Eisenstein zwischen der Phase der (Film)Produktion und der Phase der Montage des Bildmaterials, in der die Aussage des Films (der Arbeit) geschaffen wird.Fotografen sind Bildproduzenten und damit Bild(rohstoff)lieferanten für Verwerter, seien dies Agentu-ren, Kuratoren, Zeitungsmacher oder wiederum Künstler. Die Frage nach den Zusammenhängen, die aus dem Bildmaterial konstruiert werden, wird hier an die Bildautoren zurückgegeben. Ob Fotografen Autoren sein wollen, ist nach wie vor eine ungeklärte Frage. Und es ist allzu oft eine Frage, ob man es sich leisten kann, ein Autor zu sein.

Bildproduktion, Autorschaft, Rezeption. Angesichts gegenwärtiger Bildtechnologien wächst allerdings der Zweifel, ob diese Parameter nicht an den zentralen Fragestellungen medialer und gesellschaftlicher Realität vorbeigehen, vielleicht sogar bloß geeignet sind, die Illusion eines selbstbestimmten Individuums aufrechtzuerhalten. Schon allein die nicht mehr beherrschbare Menge aktuell entstehender Bilder, zum Großteil von Überwachungskameras, Drohnen und Satelliten - sowie Heerscharen von Amateuren, die die affirmative, sozial-kontrollierende Funktion des fotografischen Bildes bedienen – erzwingt neue Strategien der Bildauswertung, nicht zuletzt wegen der grundsätzlichen Vieldeutigkeit des fotogra- fischen Bildes. Ein Überwachungs- und Herrschaftsproblem.AISight stellt die Frage nach Bildproduktion und Bildauswertung vollkommen anders. Die Entwicklung der texanischen Softwarefirma brs Labs (Behavorial Recognition Systems) ermöglicht die Auswertung jeglicher Videoüberwachung mittels künstlicher Intelligenz. Das lernfähige System, das bereits in Washington und Chicago installiert wurde, definiert selbständig, was „normales“ und was „auffälliges“ Verhalten ist. Und da für die Einrichtung von AISight lediglich Software implementiert werden muss, dürfte das System schon bald weltweit eingesetzt werden, mit gravierenden Folgen für das menschliche Verhalten.

In seltsamer Koinzidenz dazu wurde vor einigen Monaten von der New Yorker Trendagentur k-hole der Begriff des „normcore“ geprägt - das Unauffällige als Ziel einer schönen neuen Konsumwelt, in der Mode- und Lifestylefotografie „Lust auf mehr“ machen sollen und das Selfie den Vollzug meldet - mit der Über-wachungskamera als Kontrollinstanz.

SYMPOSIUM

In Ergänzung zu Heft #2 findet am 23. und 24. Mai 2014 das Symposium Vom Nutzen der Bilder an der Fachhochschule Dortmund statt. Heft und Symposium verstehen sich als Raum, in dem Themen und Diskussionen entstehen. Einige Diskussionsfäden aus den Heften werden hier direkt im Gespräch weiterzuführen sein, andere werden dort erstmalig auftauchen und, soweit möglich, in späteren Ausgaben fortgeführt.

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Julian Faulhaber Catalogue

Catalogue, Kunst-/Fotoband, 26 × 35 cm, 76 Seiten, Drit tel Books Verlag, 2014

Die Rückseiten der Werbewelt zeigen Rohbauten, Set-Aufkleber und Menschen wie humanoide Artefakte im schattigen Ungewissen. Die Maschinerie der foto- grafischen Produktion des Perfekten folgt dabei Textbausteinen der Werbe- industrie, die in Form schlichter Reihungen Stimmungsklischees generieren. Faulhaber zeigt mit seiner Arbeit Catalogue das dürre Gerüst auf, das den Schein des Schönen am künstlichen Leben hält.

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< Principal purpose of the pictures: the pure fun and enjoyment that only a child’s face can show. This is unique to us. We recommend den-tal gaps, freckles, plaits, messed-up hair etc. They must be real. Wherever possible, reinforce the childish look (the viewer feels nostalgia/warmth/etc.). Age of children = target group ABC / everyone etc. Gender = alternated naturally, depending on the type of child e.g. for a nat-ural motif a red-haired girl is often better suited than a dark-haired boy etc. On motifs: the child’s outfit – depending on how much of it is to be seen – should always strongly echo the different motifs. The different motifs: Autumnal Motif: splashes of water; raindrops (advertise-ment may place children within drops in final layout; think huge soap bubbles); rain cape and cap; Autumn leaves (perhaps children sit on the leaves, hover/glide along on the wind like Alad-din on his carpet). Summer Motif: child with diving goggles on forehead; sunflowers; flowers in hair; cute little dress; blissful, sun-kissed (though no sunburn – always adequate protection – cancer etc.); T-shirt or in bathing suit; daisy chains on arms? Winter Motif: Snowflakes (chil-dren within large ice- and snow-crystals); Winter cap and scarf; Child looks slightly upwards, into the snow, seeing something – important: remem-ber there is never a background; the child is standing alone, a strong focus on the face, see-ing something we cannot (the face must have the

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< Reduction to essentials: less is more. No trou-bled or restless backgrounds. Brutally simple. < We need pictures with people, people and more people – women and men, families, group pictures, teenagers, even senior citizens. There must be no “nobody” pictures. The motifs should be alive, vivid, animated. We have to tell a story. Put the people in action: they should tell the story that way. < Friendly and emotional people: lots of positive charisma and individuality. Think of your heroes (either today or childhood – maybe think more of childhood). < People in typical or unconventional everyday life situations. What is real life all about? Not too predictable or outrageous. < A general tendency in picture lan-guage today is towards security and home-build-ing (at a premium), feeling good, friendship and relaxing and cuddling in pleasant company; vaca-tion and leisure time with friends or others. We should use this. < Young people and teenagers in all life situations: first love; flirting; puber-ty (though we are not acne cream); consequences (positive as well as negative – life’s lessons); dancing; having fun; cool hanging out; sport and games (cycling, skateboarding, fun sports – nothing too edgy); pocket money; on the way to school; school in general: cheating, in the playground, writing notes, what that time of life does to you; first cigarette, perhaps (or per-haps not, but that feeling); mobile phone; making phone calls / writing SMS (Facebook?); making ma-

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Daniel Herleth Remote Images: Drone VisionRepresentation, UAVs and the end of indexicality

Drohnen, insbesondere solche, die heute im War on Terror eingesetzt werden, stellen die Frage nach der Bildauswertung in nie dagewesen radikaler Weise. Ein Schlüsselelement ist dabei die pattern analysis, die im Rahmen des data mining die Interpretation gewonnener Daten übernimmt und Entscheidungsgrundlagen für konkrete Handlungen liefert. Daniel Herleth zeichnet in seinem Essay die Entwicklung seit dem Ende des 2. Weltkriegs nach und zeigt die Verbindung fotografischer und politischer Prozesse auf.

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In The Glass Bees, a science fiction novel by Ernst Jünger from 1957, we follow an applicant to a job interview. The corporation he visits, reads like a mash-up between Apple, Pixar and Toys’R’Us, owned by an enigmatic man named Zapparoni. This is quite remarkable, given the fact that none of these companies existed, when the novel was published. Witnessing the applicant’s encounter with a swarm of robotic bees in Zapparoni’s garden, while waiting for his result, is even more unsettling. As they buzz around, filling the air with a threatening sound, these bees give him the impression of military robots, though they seem to merely collect pollen. The candidate notices that one of these flying tech-nical miracles – “carved from a dull horny substance or from smoky quartz” – seems to observe him, and he assumes that Zapparoni is “now and then following the messages of the Smoky Gray on his television screen.” 1

This 50-years-old premonition is only now about to become fully realized, and yet the rifts these artificial insects open in our relation towards distant events are quite apparent; today’s smoke-gray artificial bees pose a number of questions, some juridical, some moral or political, but one of their most decisive aspects is their relation towards the image. With drones, a very specific approach towards the photographic image or, more precisely, to representation generally, lifts off into the sky. Hoovering over Iraq, Afghanistan, Pa-kistan and elsewhere, their visual output is difficult to classify. And despite extensive media coverage of their activities, little consideration goes into the fact that a drone, for the most part, is a flying aerial reconnaissance center, where images are taken, processed and evaluated in real time.Thus, remaining invisible while registering even the smallest details became the guideline for uavs [Unmanned Aerial Vehicles], as drones are referred to more technically; they were meant to be a flying gaze without a body, oriented towards the smallest air vehicles with vision: the insects. Before such invisible drones could be built, they were named after them: Firebee was the first drone that was widely deployed, initially during the war in Vietnam.2

1 Ernst Jünger, The Glass Bees ; translated by Louise Bogan and Elisabeth Mayer, New York 19602 The Vietcong, less technically potent but not less inventive, had their own way of deploying bees, consisting in a natural bee hive with an implemented firecracker, remote-controlled blown up when a US-patrouille got near.

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August 29, 1962: U-2 photograph of SA-2 surface-to-air missile (SAM) site under construction at La Coloma.

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But for the most part of the second half of the last century the task of secretly observing far away events behind enemy lines was executed by reconnaissance satellites and spy planes, circling unseen, or at least at invulnerable heights, over Russia, China, and other nations of the communist block. The imagery they aimed to obtain had not only to be captured secretly, an image taken from kilometers away also had to be understood. The difficulties of analyzing reconnaissance imagery had been discussed earlier 3, but not before the end of WWII methodologies emerged that allow for an understanding of the current situation. The Cuban Missile Crisis is a tipping point in this development, taking place before images became digitalized, the approach already bearing a ‘digital signature’.

TRAPEZOIDAL INDICATIONS

In late September 1962 Colonel John R. Wright studied photographs that had been taken over Cuba a few weeks earlier by a U-2 reconnaissance plane when he noticed a certain pattern among the Russian sa-2 sam anti-aircraft missiles. The existence of these missiles was known, but the formation they had been set up, the trapezoidal shape they formed, made Wright nervous, as “this pattern was similar to those identified near ballistic-missile launch sites in the Soviet homeland”.4 Wright couldn’t exactly see what these images indi-cated to him, he had to combine them with external data, stemming from other images or other forms of intelligence. It was pattern analysis, a statistical operation that allowed Wright his apprehensions, and the results were orders of magnitude far from an unam-biguous fact. The products of new reconnaissance flights were presented on October 16th by General Carter and his photo interpreters in an excomm meeting at the White House, but neither President Kennedy nor the other members could figure out the point. Carter and his team had to tell them what they were “looking at, and some probably weren’t at all certain they were seeing what they were told they were seeing anyway.” 5

Robert Kennedy, then Attorney General, remembered this situation quite clear: “Experts … told us that if we looked carefully, we could see that there was a missile base being con-structed near San Cristóbal, Cuba. I, for one, had to take their word for it. I examined the pictures carefully, and what I saw appeared to be no more than the clearing of a field for a farm or the basement of a house. I was relieved to hear later that was the same reaction of virtually everyone at the meeting.” 6 In these moments a crucial shift in the understanding of photographic images occurred: since its invention considered to be the most accurate form of visual representation, photography suddenly did not allow for differentiation between a military site and a farm.Adlai Stevenson, American ambassador to the UN, had the difficult task of explaining what was in front of everybody’s eyes a week later, on October 25th, when he had to convince the General Assembly that the Russians were indeed installing icbms [Intercontinental Ballistic Missiles] in Cuba. Stevenson brought the reconnaissance images with him to the

3 The writer and reconnaissance pilot Antoine de Saint-Exupéry had used the image of the scientist in the laboratory when he reflected on the difficulties of a photo interpreter facing reconnaissance imagery: “One brings back photographs that are analyzed by stereoscope like growing organism under a microscope. Those analyzing your photographic material do the work of a bacteriologist. They seek on the surface of the body (France) the traces of the virus that is destroying it. The enemy forts, depots, convoys show up under the lens like miniscule bacilli. One can die of them.“ Antoine de Saint-Exupéry, Letter to an American; accessed at http://416th.com/exupery.html on March 12, 20144 The San Cristobal Trapezoid, John T. Hughes with A. Denis Clift; accessed at https://www.cia.gov/library/center-for-the-study-of-intelligence/kent-csi/vol44no4/html/v44i4a09p_0001.html on March 10, 20145 William E. Burrows, Deep Black, New York 1988, p. 1206 Robert F. Kennedy, Thirteen Days, New York 1969, p. 24

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assembly and performed the task of a photo interpreter, going through picture by picture. He even brought photo analysts along, prepared for further explanations afterwards.7

The Cuban Crisis took its course, but even if the motto of the Air Force squadron that executed the following low-level reconnaissance missions was Voir c’est savoir, human vision alone wasn’t capable of perceiving the demanded information any longer. Photo-graphs had entered a stage where simply looking at them or showing them wasn’t enough, they needed additional information coming from outside the image to ascribe the image a certain meaning. Far from understanding the photograph as direct and obvious represen-tation, that might only be restricted by what it didn’t show – by ways of framing, timing, perspective, position, etc. – here the notion is totally different: the image itself is very abstract, what it shows, what one can see and what it contains might be totally different things. Photographs had become obscure containers, black boxes in need of something or somebody to open them and extract or read out what was immersed under their sur-face. Significantly, crateology was the ‘science’ of identifying the contents of Soviet ship-ments to the Island of Cuba carried out by the CIA.

Even before digitalization, photographs got a depth, a materiality, that was no longer minor to the surface allowing the later transition from looking at to working with a photo. Photographs became subjects of interrogation, raw material for processes that mine for concealed information. And just as the capabilities of human vision had been limited, the results of analysis fell in a different order, as they were only indicators, or better: symptoms. Photo interpretation meant longing for the unconscious of the image:

Crateology – photograph of crates holding Komar guided-missile patrol boats on their way to Cuba, September 1962.

Briefing version of the crate photograph with Komar image super-imposed.

7 ”These photographs, as I say, are available to members for detailed examination in the Trusteeship Council room following this meeting. There I will have one of my aides who will gladly explain them to you in such detail as you may require.“ Stevenson’s full speech at: http://en.wikisource.org/wiki/Cuban_Missile_ Crisis_speech_to_the_United_Nations_Security_Council accessed December 8, 2012While Stevenson was successfully presenting his photographs, Colin Powell was not when he spoke at the UN more than forty years later, on February 5th, 2003, even though he knew about the problematics:”Let me say a word about satellite images before I show a couple. The photos that I am about to show you are sometimes hard for the average person to interpret, hard for me. The painstaking work of photo analysis takes experts with years and years of experience, poring for hours and hours over light tables. But as I show you these images, I will try to capture and explain what they mean, what they indicate to our imagery specialists.“See full speech of Powell at http://www.guardian.co.uk/world/2003/feb/05/iraq.usa

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“Photo interpretation has to do with making assumptions based on association and orders of probability.” 8 While the discourse around the photographic image had been (and still was) oriented towards indexicality, orders of probability and associative procedures definitely stressed this notion. But things developed even further in that direction: during the 70s, the National Photographic Interpretation Center (npic) introduced Digital Image Pro-cessing (dip) as default procedure. There, computational processes made objects visible, that before might have gone unnoticed.9 These programs already could “sharpen out-of-focus images, build multicolored single images out of several pictures taken in different spectral bands to make certain patterns more obvious, change the amount of contrast be-tween the objects under scrutiny and their backgrounds, extract particular features while diminishing or eliminating their backgrounds altogether, enhance shadows, suppress glint from reflections of the sun, and a great deal more. Radar and infrared imaging used in conjunction with the digital computers would allow objects only partially seen through cloud cover or haze to be reconstructed, and even some targets underground could be de-fined and highlighted.” 10

Photography’s hegemony was based on two pillars when it came to representation capa-bilities: first the direct physical linkage from the light-reflecting object to the developed photograph – the indexical aspect. Secondly its resemblance with human vision: the model of linear perspective had held a privileged relationship to representational truth since the renaissance. Centered around a hole, in linear perspective in a vanishing point, representation crumbles and at the same time the image is guaranteed. It is this imaginary reference pointing towards what is external to the image, that makes sure representation is precisely operating along the model. This vanishing point is mirrored by the blind spot in the eye of the subject of enlightenment, where perception of light is once again bundled together with meaning, where vision and insight are synonymous. Being its technical equivalent, photography made this vision recordable, exchangeable and open for un-limited distribution. The results were a normalization of vision and a relation between the camera and the human eye that had become metonymic.11 Both the gaze of the spectator and the image didn’t need any further examination. With the index an understanding had been established where every interference limited the truth-value-complex embo-died in the photograph. This truth was exclusively to be found on the surface of the photograph. In the Cuban Missile Crisis the photographic image has lost much of that nimbus, but also its prospective fate was already preconfigured. The image had largely been under-stood technically, with a calculus, but there were still subjective considerations involved. Additionally, these analog images could only be evaluated hours or days after they had been taken, only to enter a political process upon their content. In such moments, time was an essential factor, and its importance was thriving the development of the first operational digital camera: On January 21, 1977, Jimmy Carter got a set of photographs

8 William E. Burrows, Deep Black, New York 1988, p. 1089 ”Photo interpreters who had used their eyes almost exclusively to examine the size and shape of objects, the patterns made by those objects and others near them, as well as the shadows, tones, and shades of light, were supplemented by high-speed digital computers that took the analysis of imagery what, exactly, was in the pictures – far beyond mere ’eyeballing ’.” Deep Black, p. 21110 William E. Burrows, Deep Black, p. 211f11 Jonathan Crary, Techniken des Betrachters, Dresden/Basel 1996, p. 135

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from CIA director E. Henry Knoche. They were the results of a new project called ‘Keyhole’, whose aim was to take and observe photographs in real-time. The source of these images had been a new type of reconnaissance satellite, the KH 11, that was equipped with a ccd (charge-coupled device) 12 taking photographs. While previous satellites used rolls of ana-log material to save images and dropped the exposed film in buckets to the earth, the KH 11 sent a digital signal to the intelligence headquarters at Fort Belvoir, outside Washington, where the digital code “was instantly converted into recognizable high-resolution pictures on a screen.” 13 The effect on intelligence was considerable, as “they represented the fulfill-ment of the oldest and most cherished dream of those who ran overhead reconnaissance: that of being able to look down on events happening perhaps halfway around the world and watch them from right up close, virtually as they happened, the way an angel would.” 14 But while this algorithmically driven understanding, based on number crunching, is probably hard to compare to the divine, holistic view of an angel, there was another lack: the delay in the possibility to react towards the now real-time image-flow. In todays drones the ‘angel-view’ got the divine power to act immediately. In fact, not only did it tremendously effect intelligence, it was another step towards a totally different under-standing of photography: no longer a witness of past events, they now allowed the future to happen. Vision and its recording – a photograph – don’t have a privileged relationship to truth any longer when vision is simply one of the sensors placed around the subjects; a multispectral scanner circling the earth in a spy satellite recording all sorts of wave-lengths, most of them outside the frequencies the human eye can incorporate – from ultraviolet and radar to infrared – can hardly figure as an ‘eye’ in the usual sense. Vision and observation, or rather: processing, became separated. Eye and consciousness are no longer aligned but split by thousands of kilometers and encoded and converted multiple times, from optical to electrical, finally crystallizing on a lcd-screen. This signals the end of any metonymic proximity between the eye, the camera, and understanding. There is not just a split between vision and consciousness, but there is no entity: the vision of the drone is first of all a vision without an observer: not that nobody watches its imagery, but there is no defined subject mastering this vision, just a vast network of computers and screens, spread around the globe.

EXECUTIVE SCANNERS

But while during the Cuban Crisis the ‘orders of probability’ extracted out of the images entered a political process investigating into their content, for today’s uavs this process is not a political one, but an instant algorithmic procedure, executed behind barb-wired fences and classified restrictions. The result is again an order of probability, but more similar to suggestions one is getting from online retailers than the results of negotiations in front of the UN General Assembly.

12 Basically, a CCD collects radiated particles of energy, including those in the visible part of the light spectrum, by capturing them in an array of tiny recep- tors, or picture elements, called pixels, which automatically measure their intensity and then send them on their way in orderly rows until they are electro-nically stacked up to form a kind of mosaic. These ’mosaics’ were the first digital photographs; in the KH 11 already a number of 800 × 800 pixel CCDs were operating, each spawning images with 640.000 pixels13 William E. Burrows, Deep Black, p. 21914 William E. Burrows, Deep Black, p. 218

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This wasn’t always the case. In the early years of the Afghanistan and Iraq wars drones were mainly used to kill particular individuals who had been followed closely by in-telligence on the ground. But soon an additional model appeared, no longer based on intensive intelligence: the so called ‘signature strikes’. These strikes are executed on a ‘pattern of life analysis’, the targets are “groups of men who bear certain signatures, or defining characteristics associated with terrorist activity, but whose identities aren’t known”.15 In the words of Steve Kappes, the CIA’s deputy director: “Mr. President, we can see that there are a lot of military-age males down there, men associated with terrorist activity, but we don’t always know who they are.” 16 This proceeding, also referred to as

‘crowd killing’, caused the escalation of drone missions under the Obama administration. In combination with the constant presence of the drones, this pattern analysis renders verdicts out of statistical data, and when a certain degree of probability is obtained, it’ll kill the target. The drones function as a permanently executed type of ‘Rasterfahndung’ 17 (grid search), making peoples lives depending on vague ideas, fed into computers. This has immediate, disturbing consequences: “Drones hover twenty-four hours a day over communities in northwest Pakistan, striking homes, vehicles and public spaces without warning. Their presence terrorizes men, women and children, giving rise to anxiety and psychological trauma among civilian communities. Those living under drones have to face the constant worry that a deadly strike may be fired at any moment and the knowledge that they are powerless to protect themselves. These fears have affected behavior.” 18 Seemingly drones often strike when the elders come together to discuss, the most basic form of social life in Pashtun culture. But the fear of attacks not only affected these meetings, but every aspect of social life, with children taken out of school, everybody afraid to go anywhere (because the person next to you, the car or the building might be a target), even collecting the body parts of your family members after a strike or burying them can be deadly. There are no specifics published by the US administration about the nature of the patterns to identify terrorists, but the general outline seems to be that “people in an area of known terrorist activity, or found with a top al-Qaeda operative, are probably up to no good.” 19 This kind of ‘probability’ is tragic, even though the Times joked, “three guys doing jumping jacks, they think it is a terrorist training camp.” 20 To limit the numbers of civilians killed by drones the administration labels all military-age males killed in drone strikes as combatants. The statistics have to be tidy, after all.

15 Living Under Drones: Death, Injury, and Trauma to Civilians from US Drone Practices in Pakistan ; Stanford School of Law and NYU School of Law, September 2012, p. 12-1316 Daniel Klaidman, Drones: How Obama Learned to Kill, http://www.thedailybeast.com/newsweek/2012/05/27/drones-the-silent-killers.html accessed 12.12.201217 Developed in the 70s in Germany as an effort to find members of the RAF, it can be seen as the equivalent to the US shifted approach toward reconnais-sance imagery. Both were made possible with the advent of digital information processing and ’number crunching’.18 Living Under Drones, p. 8019 ibid. p. 1320 ibid. p. 13

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Felix Koltermann Alles eine Frage der Haltung?Überlegungen zur gesellschaftlichen Rolle professioneller Fotograf/-innen

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Seit den 1990er Jahren ist in den Massenmedien ein Trend zur Illustration zu beobachten, in dessen Rahmen es zu einer visuellen Vermassung der Welt gekommen ist. Bilder aus unterschiedlichen Produktionszusammenhängen, der Werbefotografie, dem Fotojour-nalismus und der privaten Fotografie, sind allgegenwärtig. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Rolle den professionellen Fotograf/-innen zukommt. Es ist zu überlegen, was professionelle Bildproduzent/-innen in Zeiten von Smartphones und Digitalkameras eigentlich von Amateur-Fotograf/-innen unterscheidet. Meiner Ansicht nach ist ein wesentlicher Aspekt des Berufsbildes neben technischer Präzision die Ent-wicklung einer Haltung als professionelle Bildproduzent/-innen.

Laut Duden ist Haltung eine „innere (Grund)einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt“.1 Es kann auch ein „Verhalten, Auftreten (sein), das durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen“ wird.2 Somit hat die Haltung zwei Komponenten: zum einen eine Orientierung nach innen, ein persönliches, ethisch fundiertes Konzept und zum anderen eine Orientierung nach außen, die sich in den Handlungen nieder-schlägt. Aufschlussreich ist diesbezüglich auch die Definition auf Wikipedia, die von einer „auf ein Ziel gerichtete(n) Grundhaltung eines Menschen“ spricht.3

Eine Profession, die sehr stark das Konzept der Haltung verinnerlicht hat und dies gleich- zeitig immer wieder kritisch diskutiert, ist der Journalismus. Dort stehen sich vor allem zwei Positionen diametral gegenüber. Die Einen vermuten hinter einer Haltung das Einfallstor für einen ideologischen Gesinnungsjournalismus, die Anderen sehen darin ein Qualitätsmerkmal für den klassischen „objektiven“ Journalismus. So spricht Sonia Mikich in dem Sammelband „Wozu noch Journalismus? Wie das Internet einen Beruf verändert“ von Haltung als einem „Alleinstellungsmerkmal für interessanten, guten Jour-nalismus“.4 Jakob Augstein legt sich in einem Streitgespräch mit Giovanni di Lorenzo im Magazin Medium darauf fest, dass es „keinen guten Journalismus ohne Haltung“ 5 gibt.

1 http://www.duden.de/suchen/dudenonline/haltung2 Ebd.3 http://de.wikipedia.org/wiki/Haltung4 Seymour Mikich, Sonia: Sind wir Putzerfisch?, In: Weichert, Stephan A./Kramp, Leif/Jakobs, Hans-Jürgen (2010): Wozu noch Journalismus? Wie das Internet einen Beruf verändert, Göttingen, Vandenhoeck& Ruprecht, S. 895 http://www.mediummagazin.de/archiv/2010-2/ausgabe-4_5-2010/haltung-bitte/

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Und Bernhard Pörksen spricht in seiner Laudatio für eine Preisverleihung der Akademie für Publizistik gar von Haltung als „Ethik in Ich-Form“.6 Zur Haltung werden dabei so unter- schiedliche Merkmale gezählt wie moralische Grundsätze, professionelle Kompetenzen in Recherche und Stil und Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Demokratie.

Professionelle Bildproduzent/-innen sind Menschen, die mit der Kamera die Welt beschrei- ben und das Fotografieren zu ihrem Beruf gemacht haben. Sie finden sich in vielen Berei-chen, von der Porträt-, der Werbe- und Reisefotografie über künstlerische Fotografie bis hin zu Fotojournalismus und immer öfter in Mischformen und mit Standbeinen in vielen verschiedenen Bereichen, um dem ökonomischen Druck standhalten zu können. Die professionelle Fotografie steht dabei immer in einem Spannungsverhältnis zwischen der kritischen Dokumentation gesellschaftlicher Zustände, sowie der Reproduktion und Festschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse. So orientiert sich bspw. die Werbefoto- grafie – leider allzu oft sehr klischeehaft – an gesellschaftlichen Rollenbildern. Durch das reproduktive Abbilden trägt sie dazu bei, diese Rollenbilder zu verfestigen, und nur selten werden diese aufgebrochen. Dabei soll nicht grundsätzlich gefordert werden, dass Werbefotografie per se die Gesellschaft in Frage stellen muss. Professionelle Bild- produzent/-innen müssen sich jedoch bewusst darüber sein, warum sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestimmte Dinge tun und andere lassen. Ähnliches gilt auch für die Foto- journalist/-innen. Durch ihre Thematisierung gesellschaftlicher Zustände legen sie Wertigkeiten fest. Auch sie müssen sich fragen lassen, warum sie bestimmte Themen bearbeiten und wie sie gesellschaftliche Akteure in Szene setzen.

„Haltung ist wichtiger als Stil“ postuliert der Altmeister der Fotografie René Burri in einem Interview für die österreichische Tageszeitung Der Standard und legt damit klar eine Rangordnung fest.7 Wobei für Andere, wie bspw. Andreas Herzau, sich Haltung insbesondere im Bildjournalismus durchaus auch in einem eigenen Stil zeigen kann.8 Haltung bedeutet erst einmal nichts anderes als bewusstes bildnerisches Handeln: ein Handeln im Bewusstsein möglicher Konsequenzen, welche die Produktion von Bildmate-rial nach sich ziehen kann. Um dieses Bewusstsein erlangen zu können, sind umfang- reiches Bildwissen und eine ausgeprägte Bildkompetenz, vor allem hinsichtlich ikono- grafischer Traditionen und aktueller Bilddiskurse von großer Bedeutung. Wer im 21. Jahrhundert professionell Bilder produziert, muss wissen, dass er ein Terrain betritt, welches von jahrhundertealten Traditionen des Sehens und Gestaltens präpariert wurde.

Zu einer Haltung gehört eine reife und gefestigte (Fotograf/-innen-)Persönlichkeit. Sie kann am Ende eines (Lern-)Prozesses stehen, gleichzeitig hat sie aber auch selbst etwas Prozesshaftes. In jedem Fall sind für ihre Entwicklung Zeit und ein geschützter Raum vonnöten, in dem sie sich entfalten kann. Es sind Aspekte wie die Haltung, die sich immer wieder bewusst gemacht und in kritischer Diskussion neu geschärft werden müssen. Nur dann kann die professionelle Fotografie ihrer besonderen Rolle gerecht werden und sich von der Amateurfotografie abgrenzen.

6 Pörksen, Bernhard: Haltung im Journalismus ist Ethik in Ich-Form, http://www2.evangelisch.de/themen/medien/haltung-im-journalismus-ist-ethik-in-ich-form350597 http://derstandard.at/1389857464337/Rene-Burri-Haltung-ist-wichtiger-als-Stil8 http://blog.andreasherzau.de/einer-der-interessantesten-berufe-der-welt-ist-bildjournalist/

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Jan Ladwig, Über das Auswählen , Plakat, 25 × 38 cm, 2013

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Alexander Hagmann & Eugen Litwinow Interview mit Der Greif

Im Juli 2008 als Magazin von Felix von Scheffer und Simon Karlstetter gegründet, besteht das derzeitige Kurationsteam um Der Greif aus Simon Karlstetter, Leon Kirchlechner, Matthias Lohscheidt und Claudio Ricci. Basierend auf dem Grundprinzip der Rekontextualisierung fotografischer und literarischer Arbeiten, wurde der Greif inzwischen auch auf eine Online-Plattform und aktuell ebenso um eine Ausstellungskonzeption erweitert.

Alexander Hagmann und Eugen Litwinow führten mit Leon Kirchlechner das Gespräch über die Entwicklung und die Ziele des Magazins.

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WIE KAM ES DENN ÜBERHAUPT ZU DEM FORMAT GREIF UND WAS WAR DIE MOTIVATION DAHINTER?Die Idee für das Magazin hatte Felix von Scheffer. Er rief eines Nachmittags an und schlug vor, ein Fotomagazin zu machen. Die Grundidee war, Fotografien von Freun-den und Bekannten wieder greifbar zu machen, die sonst nur auf irgendwelchen Festplatten gammeln. Am Anfang war es eine sehr regionale Geschichte von rund 20 Leuten aus der Gegend am Ammersee. Immer wenn wir unterwegs waren, haben wir das Magazin verschie-denen Leuten und Hochschulen gezeigt, und so hat sich das Ganze verbreitet. Jetzt haben wir mittlerweile Ein-reichungen aus der ganzen Welt.

EUER TEAM BESTEHT DERZEIT AUS VIER PERSONEN. WIE KAM ES ZU DIESER FORMATION? Simon und ich [Leon] haben uns während des Studi-ums in Augsburg kennengelernt. Matthias kam ein paar Semester später auch nach Augsburg. Alle haben ursprünglich Kommunikationsdesign bzw. Multimedia studiert. Simon und ich haben dann noch den Master, ein sehr freies Aufbaustudium, absolviert. Claudio, der zuvor Economics and Management in Bozen sowie Mar-keting Management in München studiert hat, ist letztes Jahr dazugekommen.

IHR HABT INZWISCHEN EINREICHUNGEN AUS DER GANZEN WELT. GIBT ES DADURCH EINE ANDERE GRUNDHALTUNG ZUR „MARKE” DER GREIF ? UND HAT SICH EURE ANFÄNGLICHE MOTIVATION INZWISCHEN GEÄNDERT?

Klar, die Motivation hat sich geändert. Am Anfang ging es einfach darum, etwas zu machen, ohne zu wissen, wie das Resultat aussehen würde. Wir haben im Nach-hinein viele Konzeptpapiere für das Magazin geschrie-ben, um selbst zu verstehen, was wir da eigentlich tun. Wir haben für uns herausgefunden, dass es einfach spannend ist, Arbeiten verschiedener Autoren, sei es Fotografie oder Lyrik, zusammenzuführen. Das Spiel mit dem Kontext, das Ent- und wieder Rekontextuali- sieren ist ein sehr spannender Prozess. Das ist sicher-lich auch interessant für die Fotografen, wenn sie ihre Arbeiten auf einmal in einem anderen Kontext sehen, der vielleicht gar nicht ihrer ursprünglichen Intention entsprach. Man kann durchaus diskutieren, dass ein Bild erst durch seinen Kontext eine Bedeutung be-kommt. Das ist auch der Grund, weshalb wir für die Ein-reichung kein Thema vorgeben. Die Vielfalt der Einrei-chungen ermöglicht uns einen viel größeren Spielraum, diese Bilder neu zu interpretieren.

WARUM NICHT AUCH DIE DARSTELLUNG IM NETZ?Wir wollten diverse Medien dafür benutzen, wofür sie gut geeignet sind. Bei einem gedruckten Magazin spielt die Langsamkeit eine wichtige Rolle. Man beschränkt alles auf eine bestimmte Menge an Bildern. Das Netz bietet ja tausend Möglichkeiten auf Links zu klicken oder vielleicht noch währenddessen eine andere Seite zu besuchen. Durch ein physisches Magazin ist man einfach schon mal gebremst. Und das ist wichtig. Nur dafür lohnt es sich auch, so viel Arbeit reinzustecken.

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An einer Ausgabe arbeiten wir knapp fünf Wochen: drei für das Layout und zwei für die Auswahl. Für eine reine Online-Publikation im Netz, wo alles so schnelllebig ist, würde sich eine solche Detailarbeit gar nicht lohnen.

NATÜRLICH IST DAS IMMER EINE FRAGE DER UMSETZUNG. IM HEFT BENUTZT IHR JA AUCH EINE CLUSTERARTIGE ANORD-NUNG, UM BILDER DARZUSTELLEN ODER ZU VERNETZEN. DIE IDEE DER VERNETZUNG IST IM INTERNET SICHERLICH NOCH GANZ ANDERS BENUTZBAR. KEINESWEGS SCHLECHTER, SON- DERN NUR ANDERS.Genau, es ist anders. Wir sehen unsere Onlinepräsenz ja auch nicht als reine Informationsplattform, sondern auch als einen Ort, wo Inhalte generiert werden. Das passiert vor allem in Form unserer Artist-Features. Hier werden im Wochenrhythmus Fotografen, die im Heft vertreten sind, mit einer Serie vorgestellt und dürfen auf unserem Blog posten. Während wir im Magazin nur einzelne Bilder zeigen, ist die Website somit eine Art Rückführung zum ursprünglichen Kontext und zu den einzelnen fotografischen Positionen. Das ist spannend, weil hier Querverweise zu anderen Arbeiten und Foto-grafen entstehen und die Website natürlich von mehr Leuten besucht, als das Magazin gekauft wird. Hier geht es wirklich um den informativen und kommunikativen Charakter und die Schnelligkeit, die das Internet bietet.

EINE WIEDERGUTMACHUNG.Quasi.

EUER MAGAZIN LEBT JA DURCH DAS PRINZIP DER NEUKON-TEXTUALISIERUNG VON BILDERN UND TEXTEN. WELCHEN STELLENWERT HABEN DIE GRAFISCHEN ELEMENTE, DIE IHR ZUSÄTZLICH EINBRINGT? WÄRE DAS MAGAZIN OHNE SIE NICHT VIEL KONSEQUENTER?Durch das Layout und die Anordnung hoffen wir natür- lich, dass man jede Ausgabe nicht nur ein Mal durch- blättert, sondern immer wieder neue Dinge entdeckt. Zusätzliche grafische Elemente, wie eingescannte Asche oder ein Riss im Papier, geben dem Magazin noch so ei-nen haptischen Zusatz, der die Bilder ein bisschen mehr mit dem Papier verbindet. Angedeuteter Dreck oder Rußflecken auf dem Papier spielen vielmehr mit dem Heft als Objekt und schaffen damit eine Verbindung. Es lockert das alles nochmal ein bisschen auf, weil es nicht so clean ist. Wir haben diese Elemente von Ausgabe zu Ausgabe immer weiter reduziert. Am Anfang waren sie viel stärker.

WELCHEN KRITERIEN UNTERLIEGT EURE AUSWAHL? WIE KOMMEN DIE DINGE ZUSAMMEN?Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist vielmehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und be-stimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. Wir schauen uns alle Einreichungen an und stoßen auf bestimmte Bilder, die wir dafür spannend finden.

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Wir entdecken bestimmte Geschichten und verbinden diese dann vielleicht mit einem anderen Bild. Für die letzte Ausgabe wurden 8.000 Fotos von ca. 1.000 Leuten eingereicht. Texte waren es weniger.

BEI DURCHSCHNITTLICH ACHT BILDERN PRO PERSON WERDEN SICHERLICH OFT SERIEN EINGEREICHT. WIE GEHT IHR MIT FOTOGRAFISCHEN GESAMTKONZEPTIONEN UM, DIE IHREN SCHWERPUNKT NICHT AUF DEM EINZELBILD HABEN?Vom Prinzip her bleibt es immer das Gleiche. Im Grunde versuchen wir, den ursprünglichen Kontext für uns auszuklammern. Wir machen es oft so, dass Simon sich alle Infos und Konzepte durchliest, die bei den Einrei-chungen dabei sind und dann seine Auswahl macht. Ich hingegen schaue mir alles ganz unvoreingenommen als Einzelbilder an.

ABER WIE KOMMT ES DANN DAZU, DASS IHR DAS JEDES MAL IN EINER ÄHNLICHEN WEISE MACHT? DIESE CLUSTERARTIGE ZUSAMMENFÜHRUNG VON TEXT UND BILD ÄHNELT SICH IN JEDEM HEFT.Wir fanden es spannend, im Laufe der Ausgaben immer bei demselben Konzept zu bleiben. Es lässt sich unend-lich weiterspinnen. Natürlich haben wir versucht, von Ausgabe zu Ausgabe die Qualität zu steigern, und auch die Erfahrung im Umgang mit Bilden hat sich erwei-tert. Unsere Herangehensweise hat sich von Mal zu Mal verändert. Wir haben immer andere Kriterien für uns gehabt, wie wir da drangehen, wie wir Geschichten

spinnen und wie die Auswahl getroffen wird. Inzwi-schen ist es jedoch an der Zeit, dass etwas ganz Neues passiert. Das ist ein sensibler Punkt, weil wir durchaus merken, dass wir inzwischen routiniert sind in dem, was wir machen und es Zeit ist, einen neuen Schritt zu gehen. Wir haben noch keine feste Idee wie die nächste Ausgabe aussehen wird, aber unser Plan ist es, so man-chen Punkt neu zu denken.

INTERESSANT, DASS IHR AN DIESEM PUNKT IN EUREM SCHAFFENSPROZESS EINE AUSSTELLUNG INS LEBEN RUFT.Genau. Die Ausstellung ist natürlich nochmal ein neuer Ansatz. Sie wird ähnlich funktionieren wie das Maga-zin, mit ein paar Unterschieden. Auch hier gibt es eine offene Einreichung. Wir werden zuerst anfangen auf Tischen mit verschiedenen Kombinationen zu spielen und später an einer weiteren Wand mit Hilfe von Bea-mern das Layout erarbeiten. Die Galerie wird jeden Tag anders aussehen. Wenn man als Besucher vorbeikommt, kann man durch Gespräche und Kommentare Einfluss auf den Prozess nehmen. Der Besucher soll erleben, was passiert, wenn man mit diesen Bildern spielt und sie unterschiedlich kombiniert. Und hoffentlich wird es dazu dann spannende Diskussionen geben.

Das Interview fand am 15. Januar 2014 per Videokonferenz zwischen Augsburg, Berlin und Düsseldorf statt.

Abbildungen aus Der Greif #7

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Ralf Bohn Saumpfade des Fotografen

In seinem Essay philosophiert Ralf Bohn vor dem Hintergrund Benjaminscher Texte über die Frage nach der sozialen Dimension der fotografischen Erzäh-lung und den dialektischen Gegensatz zwischen der Ästhetik der Zeitlichkeit und der Gegenwärtigkeit der Fotografie.

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Während seines Ibiza-Aufenthaltes im Jahre 1932 notiert Walter Benjamin in seiner autobiografisch ausgerichteten Berliner Chronik: „Wenn ich ein besseres Deutsch schreibe als die meisten Schriftsteller meiner Generation, so verdanke ich das zum guten Teil der zwanzigjährigen Beobachtung einer einzigen kleinen Regel. Sie lautet: das Wort ‚ich‘ nie zu gebrauchen, außer in den Briefen.“ 1 Seinen eigen- tümlich magischen Erzählstil kommentiert er mit einer weiteren Regel: niemals selbst eine Geschichte zu erzählen, sondern sie von dritter Seite erzählen zu las- sen. Autorschaft sei nicht nur hinter der Autorität eines korrespondierenden Dritten verborgen, sondern auch in einen Ablauf vom Mund zum Ohr eingewebt, in dem die Geschichte sich gleichsam unendlich variiert zwischen den Polen ei-ner Ereignisdarstellung als Ereignis und einer objektiv vergangenen Geschichts-behauptung. Gelten diese Regeln, die das Erzählen als sozialen, nicht als ästheti-schen Akt betrachten auch für die fotografische Erzählung?Dem Einwand, der Fotograf habe außer in der Spezialität des Selbstporträts überhaupt nicht die Möglichkeit, ein ‚ich‘ zu artikulieren, muss folgendermaßen begegnet werden. Die Einfügung des Pronomens ‚ich‘ in der Rede meint nicht den Blick auf sich selber, sondern eine Wesensschau. Niemals ist als ‚ich‘ eine Sichtbarkeit gemeint, sondern ein transzendierender Akt, ‚Schau‘. Sehen und Schauen sind für Benjamin zwei fundamental unterschiedliche Verhältnisse zur Welt. Die Raffinesse der Benjaminschen Erzählungen, die er in seinen Reisebe- schreibungen als Ibizenkische Folge 2 teilweise veröffentlichen kann, erklärt sich darin, das neue Sehen sichtbar zu machen, es zu benennen und damit dem ein- zigartigen Gefühl der Situation in diesem Sommer 1932 auf Ibiza zu entziehen. Dazu muss das Sehen in einem Medium der Schau übertragbar gemacht wer- den. Das gelingt Benjamin nicht durch fotografische Erzähltechniken, sondern durch eine parabelartige Korrespondenz, mit der die urtümlichen Dinge und Arbeiten der Inselbewohner als neue Avantgarde gefeiert werden. Es ergibt sich nämlich, dass unter den anbrechenden politischen Gewittern viele Künstler und auch erste Touristen die Weltabgeschiedenheit der Insel für sich zu entdecken

1 Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Frankfurt am Main 1980, Bd. VI, S.475. 2 Benjamin, GS Bd. IV, S.402-409.

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beginnen. Darunter auch kulturwissenschaftlich Interessierte, die sich fotogra- fisch dem katalanischen Erbe vor allem der einzigartigen Architektur nähern. Es ist eine Folge der Rückständigkeit der kleinen Insel, dass dort viele Dinge des bäuerlichen Lebens oder der Fischer in Gebrauch sind, für die es eigentlich keine Übersetzung aus dem Katalanischen gibt. Diese Dinge sieht Benjamin zum ersten Mal. Er erblickt sie unabhängig von Gebrauch und Gewohnheit, mit denen man gewöhnlich die zuhandenen Dinge straft. Die Erfahrungsarmut dieses Blicks, der eigentlich der Blick der Avantgarde ist, ist nicht durchwebt von den Geschichten und Projektionen des Lebens, von ihrer visuellen Abnutzung. Eben dieser Blick aufs ‚Neue‘ verlangt eine Projektion fiktiver Identifikation. Die Geschichte der Dinge muss neu erfunden werden. Ihr fiktiver Gebrauch ist Erzählung. Die Dinge und Atmosphären der Insel in ihrer Einmaligkeit erzählerisch darzustellen, so dass sie dem Leser als Ereignis aufscheinen, ist Benjamins Antrieb zu endlosen, oft einsamen Spaziergängen. In die Einsamkeit fügt sich kein Ich ein, das sonst als ständiger Begleiter präsent ist. Erst die Konstruktion einer erzählerischen Schau, das Nicht-Ich-für-andere, eröffnet für den feinbürgerlichen, aber mittel- losen und stolzen Exilanten Benjamin eine soziale Dimension, die ihn von gelegent- lichen Selbstmordgedanken abbringt. Ist es mit der Fotografie nicht so, dass sie dieses einmalige Sehen des Neuen, so alt es auch sein mag, als Ereignis sucht? Die Suche als eigentümlicher Lauf des Lebens, die seiner Zeitlichkeit, ist etwas, das die Fotografie nicht leisten kann: Nur das Gegenwärtige, das jetzt in diesem Augenblick von der Sonne beschienen ist, eignet ihr als Material. Das lässt Rückschlüsse auf den Fotografen zu, der als Amateur stets sich am Festhalten der Gegenwart abarbeitet. Weil das nicht gelingen kann, weil im Foto zwar das Gesehene, nicht aber die Schau memoriert ist, gibt es professionelle Fotografie. Denn alles, was niemals gelingt, fällt dem Militärischen anheim. Das Ich ist nun gerade niemals als Gegenwärtiges zu vergegenwärtigen, sondern stets nur in Bezug auf eine Zukunft oder eine Vergangenheit. Man kann nicht sehen und reflektieren zugleich. Das Ich ist die unabschließbare Geschichte seiner selbst. Die radikale Differenz der Zeitdarstellung zwischen Fotografie und Erzählung hat theoretische Folgen für die diskursive Bestimmung des Mediums Fotografie, sofern damit die Frage nach ihrem Wesen gemeint ist. Unter Theorie theoria wird nämlich eine ‚Schau‘ verstanden – ‚schauen‘ oder ‚erschauen‘ meint lesen als deuten, im Sinne einer Wesensschau, eines Blicks über die Gegenwärtigkeit hinweg. Weswegen der Begriff ‚Schau‘ im alten Sinne magische oder ‚hellsehe- rische‘ Fähigkeiten umfasst, das meint, aus einem Sehen des Gegenwärtigen, die beiden Zeitstasen Zukunft und Vergangenheit zu deuten und zwar auf die

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gleiche Weise wie Benjamin auf Ibiza die Urtümlichkeit der sonderbaren Dinge und Kulte deutet. Selten werden diese priesterlich-schamanistischen Fähigkei-ten vom wissenschaftlichen Universalitätsanspruch entbunden. Die Theorie der Fotografie sollte, sofern sie nicht technisch oder historisch ist, auf dem nach wie vor magischen Akt des deutenden Lesens bestehen und zwar gerade dann, wenn eine inflationäre Fotografie Kraft der Autorität ihrer Vergegenwärtigung ein Deutungsmonopol beansprucht.3 Wo Magie aber noch gelegentlich angefunden wird, da ist sie Philosophie als Literatur.Benjamins Texten über die Fotografie, aber auch denen von Susan Sonntag oder Roland Barthes wird man schwerlich Ingenieursabsichten unterstellen. Sie kom- men nicht im modernen Sinne ‚theoretisch‘ daher, sondern sind eher Geschichten, oder besser, Anschauungen über Fotografie, die sich nur gelegentlich einem ein-zelnen Foto widmen und nur selten die Frage nach der ontologischen Gegenwart der Fotografie stellen. Diese ontologische Fragestellung: „Was ist die Fotografie?“ trifft man jedoch häufig unter Fotografen oder in der medienwissenschaftlichen Beschäftigung mit der Fotografie an, manchmal mit der Relativierung: „Was ist die Fotografie heute?“: Kunst, Technik, Mittel der Dokumentation, etc. – alle diese Antworten lesen sich als vorschnelle Entschuldigungen. Oder, wie Hans Ulrich Reck jüngst angesichts der gegenwärtigen Digitalisierung erörtert: die Fotografie, das ist die Beschaffung visuellen Materials.4 Die Fotografie liefert den Rohstoff für multiple Gegenwärtigkeit, einen Rohstoff, den man beliebig archivieren, mani- pulieren und sogar simulieren kann, kurz, die Präsenz der Welt auf dem Tableau des Visuellen. Wenn man Recks Betrachtungsweise mit derjenigen Benjamins vergleicht, fällt auf, dass unter ihr das Signum der Schau wieder eingeführt wird. Weil nämlich die Frage nach dem Sein der Fotografie (Was ist die Fotografie?) lediglich im fotografischen Gestus beantwortet werden kann – als einem gegenwärtigen ‚flash‘ auf die Fotografie oder die Summe aller Fotos – führt Reck der ontolo- gischen Fragestellung eine dialektische entgegen, die die fotografische Gegen- wart (den Augenblick, in dem ein Foto ‚geschossen‘ wird) in Verhältnis zu ihrer zukünftigen Verwendung, Umarbeitung, Manipulation setzt und damit den ein- maligen Augenblick in die Geschichtlichkeit seiner zukünftigen Betrachtung ver- längert – so, wie Barthes das Bildnis seiner verstorbenen Mutter und die Bild-nisse seiner Kindheit betrachtet und darin das Wesen der Fotografie erschaut (nicht: erblickt). Was Reck intendiert, ist nicht nur, diesen ‚neuen‘, Hegelschen Gestus des Werdens zur Überwindung der Ontologie der Fotografie einzuführen, also die Geschichtlichkeit der Dinge anzumahnen, er legt auch gleich den Finger in die Wunde der Hegelschen Dialektik, die mit der Geschichtlichkeit das kon-krete Werden und Vergehen alles menschlichen Weltbezugs meint. Was nämlich

3 Wobei es nicht um die Monopolisierung an sich geht, sondern um die hohe Not, dass eines Tages die Gegenwart als Bewusstsein (Gegenwärtig- sein) verschwinden wird. Dass sie täglich noch durch die Traumerlösung gerettet wird, macht den Zweifel nicht wett, dass – im Gegensatz zum Bewusstsein – etwas noch anderes auf dem Spiel steht: das Selbstbewusstsein. 4 Hans Ulrich Reck: Visuelle Präsenz und Kritik der Bildlichkeit. Vom diversen Umgang mit Bildern. In: Kunsttexte.de 1/2012-1.

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Barthes am fotografischen Porträt der Mutter festzuhalten wünscht, gebiert als essayistische Erzählung das Werden. Die einzige Weise, in der Fotografien be-trachtet werden können, ist, in ihnen die verlorene Geschichte wieder auffindbar zu machen, die durch ihren Akt zerstört worden ist. Aus der ontologischen Betrachtung wird demnach eine dialektische und aus der dialektischen eine ökonomische. Die ökonomische Theoriestellung widmet aller-dings nicht mehr dem Produkt die Aufmerksamkeit, sondern dem Produktions- und Konsumtionsvorgang ausgehend vom Rohstoff: dem visuellen Material. Sie fragt nach Opfer und Gewinn im Akt der Vergegenwärtigung, die Zerstörung und die Findung von Geschichte, d.h. von Erfahrung und von Ich-Bewusstsein. Neben der Materialverarbeitung und seiner Warenzurichtung steht damit der Fotograf als Produzent von Subjektivität im Fokus der theoretischen ‚Schau‘, d. h. der Ge-schichte der Theorien der Fotografie oder schlicht der Philosophie der Fotografie.5 Hier erzählt uns die Fotografie eine Geschichte ihrer Anschauungen, die nicht die der Geschichte ihrer Blicke ist, deren spontanster, etwa von Krauss […] sich in der Fragestellung formuliert, ob die Fotografie Kunst sei oder lediglich ein technischer Effekt.6 Auf diese Fragestellung ist Benjamin in seinem Aufsatz über die Reproduzierbar-keit eingegangen, indem er erklärt, dass der Effekt die Vorstufe zum Stil ist, aber einem Stil, der nicht in dem Medium sich entfalten kann, aus dem nothaft der Effekt sich als Manier herausarbeitet. Benjamin legitimiert seine Anschauung an der Malerei, den Materialgedichten und Collagen der Dadaisten.7 Ihre Burlesken, die sich aus den konventionellen Künsten emanzipieren wollen, sind eigentlich solche, die im Medium Film um und nach dem Ersten Weltkrieg ihr effekthaftes Gegenstück entwickeln. Wie aber der Film in sich alle Arten der Zeit- und Raum-montagen versammeln kann, so kann nur die Fotografie alle Arten der Vergegen- wärtigung versammeln. Und sie tut das so übermächtig und erfolgreich, dass durch sie ebenfalls ein neues Medium generiert wird: die Gegenwart selbst. Nicht die Gegenwart der vermittelten Erzählung ist damit gemeint, sondern die der ‚artifiziellen Präsenz‘ 8, einer Präsenz, die als nachträgliche inszenierte erscheint.

5 In Wahrheit ist diskursgeschichtlich die Theorie der Fotografie nur ein Nebenschauplatz der Moden der Bildwissenschaft, die in Zeiten anti- dialektischen und antimaterialistischen Denkens (und Arbeitens!) reüssiert. Die Frage, die dahinter steht, ist die der Identität : des Subjekts mit der Welt als Gegenwart und der Selbstvergegenwärtigung, der Identität als Selbstbewusstsein. In der Geschichte der Profanisierung, respektive der Verschiebung des Säkularen in die Wissenschafts- und Mediengläubigkeit hinein, die Identität eines ‚globalisierten Bewusstseins‘, zerfällt allerdings jede Bewusstseinsphilosophie, was sich am deutlichsten in der existentialistischen Wende Sartres und der ‚Kehre‘ Heideggers ab- lesen lässt, die damit zu Saumgängern der Philosophie werden. Adorno hat das mit folgenden Worten im Gegensatz zur Ontologie Heideggers und durchaus mit Rücksicht auf die Benjaminsche Magie for- muliert: „Die aufklärende Intention des Gedankens, Entmythologisierung, tilgt gerade den Bildcharakter des Bewusstseins. Was ans Bild sich klammert, bleibt mythisch befangen, Götzendienst, und der Inbegriff der Bilder fügt sich zu dem Wall, der vor die Realität sich schiebt; Dialektik aber heißt, um des einmal erfahrenen Widerspruchs willen in Widersprüchen zu denken.“ Der Einwand Adornos wendet sich gegen ein Denken in der Identität der Bilder als Realität, gegen eine Dialektik, deren Verfallsform das Paradoxon (Kierkegaard) ist und gegen eine Ontologie, deren Lösungsansatz ungeschichtlich bleibt. Adornos Appell bezieht sich darauf, die Dinge wieder in Arbeit (Denkbewegungen) zu bringen und die wissenschaftlichen Lösungsverheißungen der Widersprüche als Teil der kapitalistischen Aufschubsbewegungen der Opferprogression zu begreifen. Theodor W. Adorno: Ontologie und Dialektik (1960/61), Nachgelassene Schriften Abteilung IV, Vorlesungen Bd.7, Frankfurt am Main 2002, S.333. 6 Zur historischen Analyse der Beschäftigung Benjamins mit Fotografie vgl. Rolf H. Krauss: Walter Benjamin und der neue Blick auf die Photo-graphie. Ostfildern 1998.7 Benjamin, GS Bd. I, S.500ff Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Abschnitt XIV). 8 Vgl. Lambert Wiesing: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt am Main 2005.

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Der Einwand, die Fotografie als Medium unter Medien in einen Topf etwa mit der Illustration, der Malerei oder anderen Bildentäußerungen zu stecken – dem visu-ellen Rohstoff –, kann relativiert werden, indem man die Frage nach dem Status des Produzenten stellt, der als Fotograf sein Produkt in den ökonomischen Kreis- lauf bringt. Das schließt die Fotografie als Kunst ausdrücklich mit ein. Auch wenn die Kunst sich zuweilen unökonomisch situiert, ist sie doch nicht anökono- misch. D.h. sie ist selbst als Minimal Art der menschlichen Produktion und ei- nem Rohstoff unterworfen. Es ist ein Kennzeichen unserer Mediengesellschaft und Medieninszenierungen, dass sie die unvermittelte Gegenwart, die Aufmerk-samkeit für ihren wichtigsten Rohstoff erklären. Dieser Rohstoff ist begrenzt. Er erklärt alle gegenwärtigen sozialökonomischen Beziehungen. So erscheint die Saison der sozialen Netzwerke als modistische Strömung, in der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe am Sozialen, sondern am Konsum im Mittelpunkt steht. Als Produktionsabfall sind die nicht unbeträchtlichen Kosten der elektrischen Energie, als Konsumgut die kurze Halbwertszeit der vermittelten Kontakte zu verbuchen. Solcher statistischen So-ziologie, einem Rattenfängertum, steht die direkte zeitintensive und Zeit kredi-tierende vertrauensbildende Form der Vergemeinschaftung gegenüber. Sie lebte bis vor kurzem von einem anderen Medium: dem Schuhkarton. Der Produzent der Bildersammlung, die den Karton unterhielt, verstand sich als Archivar der Familie und belohnte seine Arbeit mit der sozialen Zeit, die nichts anderes war als eine ausgedehnte, manchmal träge, manchmal langweilige Gegenwart ritu-alisierter Wiederholungen: Hochzeiten, Taufen, Schulbeginn. Der Schuhkarton war der Verwahrer einer Reise des Lebens auf einer Insel, auf der die Fotografien als Zeichen den Weg markieren. Die Reise als Lebensweg zeigt, dass das Ich nicht im Besitz und nicht als Folge von Gegenwärtigkeiten existiert, sondern als Folge von Vergegenwärtigungen. Solche sind sinnlich nicht zu fassen, denn was ich bin, muss ich durch alles Sinnliche hin- durch erscheinen. Benjamin sprach von einer unsinnlichen Ähnlichkeit, die die Fotografie gerade nicht favorisiert. Es ist das Reich der Sprache, in der solche un- sinnliche Ähnlichkeit im mimetischen Vermögen korrespondiert.9 Die Korrespon- denzen zwischen dem Sinnlichen, dem visuell Gegenwärtigen des fotografischen Augenblicks und der sprachlichen Identifizierung sind als zwei Zahnkränze ei- nes Radlagers zu verstehen, auf die sich die Kette umlegt. Nur für einen kurzen Moment der Kupplung wird der Schwung der Fahrt unmerklich und sehr leicht unterbrochen. Ereignis (der fotografische Augenblick) und Situation (die Erzäh-lung, die ihn verbindet und identifizierbar macht), lassen sich nicht voneinander trennen, außer eben in diesen leichten Momenten, die literarisch zu nennen sind und die immer dann sich anbahnen, wenn ein Medium in Effekten hängen bleibt. Zur Präzisierung der Ästhetik der Zeitlichkeit lohnt es sich, auf eine Geschichte Benjamins einzugehen, die er auf Ibiza notiert, und die den vielsagenden Titel

9 Benjamin, GS Bd. II, S.210 Über das mimetische Vermögen.

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Die Mauer 10 trägt. Wir denken uns nur vorweg begleitend diese Mauer, die Gang-wechsel verbindet und trennt zwischen der Aktualität des sichtbar Gegenwärti-gen und der Imagination des unsichtbar sich Ereignenden als Schicksal, Zufall, manchmal als glücklichen Augenblick. Benjamin spaziert also in die winzigen Dörfer, die oftmals die Namen von Heiligen tragen. Gegen die Erzählregel erscheint in der Darstellung – oder ist es doch eine Erzählung? – ein ‚ich‘. Aber was ist das für ein ‚ich‘?

„Eines Nachmittags stieß ich bei meinen Irrgängen auf einen Kramladen, in dem An- sichtskarten zu haben waren. Jedenfalls hatte er einige im Fenster, in ihrer Zahl das Photo von einer Stadtmauer, wie sie viele Orte in diesem Winkel erhalten haben. Ich hatte aber eine ähnliche nie gesehen. Der Photograph hatte ihren ganzen Zauber er- fasst, und sie schwang sich durch ihre Landschaft wie eine Stimme, wie ein Hymnus durch die Jahrhunderte ihrer Dauer. Ich versprach mir, diese Karte nicht eher zu kaufen, bis ich die Mauer, die auf ihr abgebildet war, selbst gesehen hätte.“ 11

Einzig die Unterschrift der Postkarte „S. Vinez“ leitet Benjamin auf der Suche nach diesem Ort, den er als San Vinez zu identifizieren meint. Es dauert eine Weile, bis er nach dem Studium alter Karten die Vermutung hat, der Name sei nur unter Ein- heimischen, nicht aber in den Archiven geläufig. Ein abendlicher Spaziergang mit einem Begleiter unter Pinienwipfeln und Windmühlen, im ersten Monden-licht des vorgerückten Abends lässt ihn unvermittelt „die Mauer, deren Bild mich seit Tagen begleitet hatte“ erkennen. In diesem Moment vertauschen sich Bildbe-wusstsein und Realbewusstsein in der Wanderung, die einer Sprache hymnischer Stimme folgt. Das Erkennen der Mauer im Mondlicht ist ihre Erschaffung nach der Fotografie, die als Plan einer Zukunft sich enthüllt. Die lange Suche dient nur dem Zweck, die Autorität der Realität, die jede Fotografie behauptet, ihr zu entreißen und selbst sie zu sein, das heißt also ‚Ich‘ zu sein.In dieser Form ist die Fotografie das Modell der Autorität des Ichs. Dass die Meta-pher der Mauer, ihr verfallener Zustand nach Jahrhunderten, die das Mondlicht auf der Grenze zwischen dem Imaginären und dem Realen beleuchtet, jenem Gang- wechsel gleichkommt, der bei Benjamin unter der Formel ‚erwachendes Bewusst-sein‘ firmiert, kann im Schlussstein der Erzählung überprüft werden. Es stellt sich nämlich die Frage nach der Autorität des Fotografen gegenüber der Autori-tät der Fotografie. Am nächsten Tag steht Benjamin erneut vor dem Kramladen. „Die Ansichtskarte hing noch im Fenster. Über der Tür aber las ich auf einem Schild, das mir vorher ent- gangen war, mit roten Lettern ‚Sebastiano Vinez‘.“ 12 Es war der Name des Fotografen und nicht der eines heiligen Ortes, dem er unversehens auf seiner Suche gefolgt war!

10 Benjamin, GS Bd. IV, S.755f Geschichten aus der Einsamkeit: Die Mauer. Vgl. zu den beiden Aufenthalten Benjamins auf Ibiza die detaillierte Studie von Vicente Valero: Der Erzähler. Walter Benjamin auf Ibiza 1932 und 1933. Berlin 2008, bezüglich der Episode mit der Mauer S.147ff. 11 Benjamin, GS Bd. IV, S.755. 12 Ebd., S.756. Bd., S.756

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In soziologischer Hinsicht ist auf den Aspekt der Kreditierung der Fotografie einzugehen: Die Fotografie, die angeblich das Vertrauen in die Realität einübt, wird zu deren Simulant. Der Wunsch nach einer bürgerlichen Welt des Besitzes, wie sie das 19. Jh. lehrt, wird heute zu einem Wunsch nach der Verwandlung aller Dinge in Bilder, d.h. in vergegenwärtigte Ereignisse, in der die Gegenwart eine durch die fotografische Anschauung inszenierte ist. Wenn die Realität fotogra-fisch geworden ist, bleibt noch die Verdinglichung der Träume. Ihre Inbesitznah-me und Verwertung gelingt dem Film. Die Korrespondenz von Fotografie und Film ist die des Modells. „Das Bild kann verschwommen sein, verzerrt, farblos, ohne dokumentarischen Wert, es wirkt durch seine Entstehung, durch die Ontologie des Modells, es ist das Modell.“ 13 Wer das Modell verkauft, statt die Sache selbst, macht einen guten Schnitt. Der ontologische Charakter dieser Einsicht von Bazin aus dem Jahre 1945 ist hier überspitzt wiedergegeben. Bazin gesteht am Schluss sei- nes Aufsatzes dem Film, nicht der Fotografie, zu, eine „Sprache“ zu sein, erklärt dies aber nicht weiter. Die Erklärung liefe darauf hinaus, uns auf der Insel unser- er gesicherten Wahrnehmungen zu verirren und die Mauer zwischen der Spra-che und dem Bild, die durch die fotografische Durchdringung alles Visuellen sehr hoch geworden ist, zu suchen. Wie geht das im Zeitalter multimedialer und szeno- grafischer Simulation von Gegenwart als ganzer? In Inszenierungen, Modellen, Simulationen, also fiktionaler Realität, kann es sich darum handeln, entgegen dem technischen Zug der Genauigkeit und Identität, die menschlichen Sinne in ihrer ästhetischen Funktion wieder zu entdecken. Es ist nicht wichtig, was man auf dieser Reise fotografiert, sondern, dass man versucht, durch den fotogra- fischen Apparat nicht das Sichtbare, sondern das Erschaute abzubilden. Das ist eine theoretische Forderung, die jederzeit praktisch misslingt. Aber sie miss-lingt so präzise und so modellhaft, dass man tatsächlich dem Glauben unterliegt, auch die geschaute Welt, ich selbst, könnte eines Tages mein Leben auf einem Foto bannen, so wie der Tod des Märtyrers im Augenblick des Todes seine Heili-gung erwirkt: „S. Vinez“. Den magischen Akt des gelingenden Scheiterns, den Benjamin in seinen ibizen-kischen Denkbildern konstruiert, beruht darauf, die Ökonomie zwischen Lesen und Sehen, zwischen Schauen und Hören in Bewegung zu bringen, sie und sich auf dieser Insel zu isolieren. So wird auch der Exilant ein Produzent. Die Metho-de, derer er sich bedient, ist das Erzählen in magischen Bildern. Deren Autorität hat den Vorzug, jederzeit von einem ‚ich‘ bezweifelt werden zu können.

13 André Bazin: Ontologie des fotografischen Bildes (1945). Abgedruckt in: Wolfgang Kemp. Theorie der Fotografie III, 1945-1980. München 1999, S.63.

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Miriam Neitzel Mondmeer

In dem Buch Mondmeer geht es in drei Kapiteln um die Wahrnehmung der Nacht, die Sehnsucht am Tag und die Vision einer ewigwährenden Nacht. Es ist die Suche nach einem harmonischen Ganzen und dem Einklang zwi-schen Mensch und Natur. In Anlehnung an Novalis’ Gedichtszyklus Hymnen an die Nacht geht Miriam Neitzel in der fotografischen Erzählung Mondmeer der Frage nach, inwieweit dieser Gedanke der Romantik in der heutigen Zeit Gültigkeit haben kann.

Im ersten und letzten Kapitel des Buches werden Standbilder aus gefilmten Hi-8 Videosequenzen verwendet. Im dritten Kapitel gelangt zudem das Verfahren der „Amerikanischen Nacht“ zum Einsatz, bei dem durch die Verwendung von Blaufiltern die Nacht am Tag simuliert wird.

Im Folgenden werden die drei Kapitel auszugsweise vorgestellt.

Mondmeer, Kunst-/Fotoband, 180 × 270 mm, 84 Seiten, 2013

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Timm Starl Die Vertreibung des Publikums aus einer Ausstellung

In seinem Text aus dem Jahre 1998 diagnostiziert Timm Starl scharfsichtig die Krise der damaligen Ausstellungspraxis. Ernüchtert ist festzustellen, dass seine ironischen Weisungen nach wie vor befolgt zu werden scheinen.

Vortrag anlässlich der basistage Salzburg am 19.4.1998 im Rupertinum.

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Bevor ich mich über die Monotonie von Fotoausstellungen auslasse und skizziere, wie das Publikum von diesen erfolgreich ferngehalten wird, erlauben Sie mir einige vorbeugende Richtigstellungen, damit niemand etwas in den falschen Hals bekommt.

1) Alles ist Übertreibung, von der ich ausgiebig Gebrauch machen werde, damit jeder von Ihnen auf Distanz gehen kann, weil nur aus dieser bestimmte Erscheinungen aus-zumachen sind.2) Alles, was ich anmerke, gilt kaum für Institutionen in Deutschland, erst recht nicht für jene in Österreich, und niemals für solche, deren Vertreter heute anwesend sind.3) Alles, wovon die Rede ist, behandelt ein Randgebiet des Kunstbetriebes, nämlich die Fotografie, deren Expositionen für diesen ebensowenig typisch sind wie die Provinz für die Metropole oder die Peripherie für das Zentrum.

Zu deren Wirklichkeiten – um endlich zum Anfang zu kommen – gehört auch die Präsenz des Mediums in der Öffentlichkeit, ein Teil davon – um endlich zum Thema zu kommen – ist die Präsentation in Museen und Galerien. Nun müsste man eigentlich Unterscheidungen treffen, denn die einen wollen – ich verkürze sehr – informieren, weil sie Stadt, Land oder Bund dazu verpflichten, die anderen wollen verkaufen, weil der Geschäftssinn der In-haber danach steht. Beide erwähnten Einrichtungen richten sich an teilweise das gleiche Publikum, z. B. Sammler, teilweise an ein anderes, z. B. Schulklassen. Selbstverständlich wird auch der Erfolg anders gemessen, hier – wieder in aller Kürze – an den Besucher-, dort an den Umsatzzahlen.

Es wäre ein Leichtes, weitere Unterschiede anzuführen, was mehr und mehr zu der An-nahme führen könnte, dass auch das öffentliche Auftreten entsprechend different sein müsste. Doch dem ist nicht so, ganz im Gegenteil: Ausstellungen und Kataloge, Presse-mitteilungen und Einladungen gleichen sich auf seltsame Weise, insbesondere was ihre Form angeht und nicht zuletzt ihre Wirkung anlangt. Das Ziel von Fotoausstellungen lässt sich aus der Praxis ohne weiteres ablesen, liegt es doch darin, dass möglichst viele Besucher zur Eröffnung kommen und möglichst wenige in den Wochen danach.

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Dies wird erreicht, indem

1) die Hängung größtmögliche Langeweile erzeugt,2) so wenig als möglich über die Fotokünstler zu erfahren ist und3) auf keinen Fall deren Bildwelt in Bezug gesetzt wird zu einer früheren oder einer heutigen.

Entsprechend steht am Beginn einer Fotoausstellung ein kurzer Lebenslauf, der ein Wesen vorstellt, das ausschließlich fotografiert, wenn es nicht Ausstellungen beschickt oder Sammlungen bereichert; das aber – könnte man meinen – nicht isst und trinkt, keine Zeitgenossen kennt, die ebenfalls als Lichtbildner tätig sind, nur heiratet, wenn der Partner prominent ist, niemals Veranstaltungen besucht usw. usf. Wir bekommen es mit jemandem zu tun, der keinerlei Verbindung zu der Zeit hat oder hatte, in der er lebt oder lebte, eine frei schwebende Person, nur himmelwärts zu betrachten, wie alles, was nicht auf dem Boden des Alltags steht.Diese weniger belichtete als beleuchtete, aber umso strahlendere Figur ist der Schöpfer jener Werke, die anschließend im Halbdunkel von 70, 50 oder weniger Lux, jedenfalls aber in Reih und Glied vorgeführt werden. Damit die Bilder sich möglichst wenig unter-scheiden bzw. die Unterschiede nicht allzu deutlich hervortreten, sind die Abzüge mit Passepartouts umgeben, die zudem verbergen, wie groß die Abzüge geraten sind. Diese meist in spannendem Ecrue/Chamois oder aufregendem Weiß gehaltenen und gelegent-lich mit Schrägschnitt ausgestatteten Zugaben werden in gleich großen, auf alle Fälle jedoch in gleich aussehenden und aus gleichem Material angefertigten Rahmen fixiert. Millimetergenau ist der Zwischenraum zwischen den Rahmen bemessen, und auch das Arrangement an der Wand richtet sich nach einem uniformen Maß: Der Abstand vom Boden zum Zentrum eines jeden Bildes entspricht der durchschnittlichen Körpergröße von Behördenvertretern, Journalisten, Kulturinteressierten, Kollegen und wer sonst noch die Räume solcher Häuser frequentiert. Es ist allerdings nicht exakt die Augenhöhe

Arbeiten amerikanischer Kunstfotografen in einer Ausstellung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe 1903.

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des fiktiven Betrachters, sondern ein wenig darunter, damit der Blick der meisten leicht gesenkt werden muss und von oben herab auf die Kunst gesehen wird.

Das sich folglich einstellende Gefühl der Erhabenheit verzichtet gerne auf nähere Aus-künfte und begnügt sich mit der spärlichen Bildlegende, die da lautet:

1) der Titel – meist markant in fetten Lettern dargeboten, wobei er nicht allzu sprechend sein soll, weswegen häufig unter ein Bildnis „Porträt“ oder unter die Aufnahme eines entkleideten Menschen „Akt“ geschrieben wird. Auch ist möglichst nicht kenntlich gemacht, ob die Titel von den Bildautoren oder vom Kurator gewählt wurden, denn dies würde nur Fragen aufwerfen nach einem Warum und Wieso.2) die Datierung, die ebenfalls nicht exakt sein muss und ohne weiteres große Zeiträume umfassen darf, z. B. „vor 1980“, was ja die ganze Spanne bis zur Erfindung der Fotografie umfasst, wenn man nicht die Lebensdaten des Fotografen bzw. der Fotografin im Kopf hat und weiß, wann er oder sie begonnen hat zu fotografieren und und und.3) und zuletzt prangt der Leihgeber auf dem Täfelchen, gerne kursiv gesetzt, immer je-doch ein wenig abgehoben, gelegentlich noch mit einem blumigen Stereotyp kenntlich gemacht, das lautet: „Mit freundlicher Genehmigung von …“

Dieserart Inszenierung verhindert nachdrücklich, dass eine nähere Beschäftigung mit den Bildern stattfindet. Denn bei der Vernissage wird ohnehin den ausgestellten Werken meist der Rücken zugedreht bzw. erlaubt die Schar jener, die sehen wollen, wer da ist, sowieso nur hastige Blicke auf den einen oder anderen zufälligen Ausschnitt. Und bei der Einöde der restlichen Tage, an denen geöffnet ist, verführt die Gleichförmigkeit der Hängung nach dem Prinzip der militärischen Ausrichtung den Besucher zu wenig mehr als einem entsprechenden Abschreiten. Man könnte sagen: die Formation steht entschie-den gegen die In-Formation! Und sie verhindert auch wirkungsvoll ein Erinnern, denn wer behält schon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind.

Nun könnte man einwenden, dass die Ausstellungen ja zumeist von Katalogen begleitet werden, die ein anderes Medium darstellen und bestimmte Aufgaben der Vermittlung zu übernehmen hätten. Es zeichnet aber die Kuratorinnen und Kuratoren von heute aus, dass es ihnen gelingt, jeden Wechsel der Ansicht wirkungsvoll zu verhindern, indem sie die Aufbereitung des Bild- und Datenmaterials in Ausstellungen und den dazugehörigen Publikationen immer ähnlicher gestalten. Ja, mehr noch: Damit ein Minimum an Fakten zum Publikum gelangt, sind die biografischen Abrisse oftmals ident, werden – wenn überhaupt – nicht nur Äußerungen der Künstler, sondern auch Auslassungen von Kata-logautoren aus der Begleitpublikation auf die Ausstellungsflächen übernommen. Ebenso bestehen die Einführungsreden der Kuratoren im besten Fall aus Auszügen aus dem von ihnen verfassten Katalogtext, wobei jene Passagen Bevorzugung erfahren, in denen Walter Benjamin oder Roland Barthes zitiert werden, und zwar möglichst die bekannten und tiefgründigen Sentenzen zur „Aura“ und zum „Es ist gewesen“. Nicht zuletzt besteht der Pressetext aus einer Kurzfassung der Einleitung, wodurch auch die Rezensenten über

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das Vorhaben weitestgehend im Unklaren gelassen werden und ihre Bequemlichkeit jene Unterstützung erfährt, die gewährleistet, dass sich viele Besprechungen höchstens in den Satzstellungen und -zeichen unterscheiden.Der Tafelteil des Kataloges wiederum besteht in einer der Ausstellung ähnlichen An-einanderreihung von Bildern, oftmals einer lediglich kürzeren Fassung von dieser. Aller-dings wird streng darauf geachtet, dass nicht allzuviel Variabilität den Blick ermuntert. Die Wiedergaben sind seitenfüllend, weshalb Querformate immer kleiner reproduziert werden als Hochformate (im Fernsehen ist dies übrigens umgekehrt – nebenbei bemerkt). Die Bildunterschriften sind mit jenen der Ausstellung identisch, keinesfalls werden die Maße der originalen Abzüge angegeben, weil dies die Phantasie des Betrachters allzusehr strapazieren würde. Insgesamt regiert das hehre Motto der Sprachlosigkeit: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ Damit die Intentionen der Bildautoren weitestgehend im Dunkeln bleiben, werden Farbaufnahmen – soweit machbar – in Schwarzweiß wieder-gegeben, ohne diese Tatsache zu erwähnen (außer im vertraulichen Gespräch, bei dem über die geringen Mittel, die hohen Klischeekosten, die Knausrigkeit der ministeriellen Stellen oder Sponsoren lamentiert wird).

Worauf die Kuratoren und Herausgeber dieser Veröffentlichungen besonderen Wert legen, sind die Gegenüberstellungen der Bilder auf einer Doppelseite. Dabei wird nach den ästhetischen Dispositionen der gestaltenden Verantwortlichen vorgegangen, weil damit auf elegante Weise frühere Zusammenhänge im Schaffen der Fotografin oder des Foto-grafen oder auch ehemalige Darstellungsweisen in Fachjournalen usw. verborgen bleiben können. Auch insofern wird die Analogie zur Ausstellung gewahrt, wo nach denselben Maßgaben verfahren wird. Als schaustellernde Meisterleistung gilt allerdings, wenn das Einerlei durchbrochen wird und zwei Bilder übereinander oder gar ein Viererblock auf einer Seite oder einer Wand plaziert werden.

Nun möchte man meinen, dass Entkontextualisierung, ständiges Zitieren, assoziative Bezugnahme, das Hinter-sich-lassen von Geschichte durchaus eine Erscheinung post-modernistischen Gepräges abgeben. Man könnte auch darauf verweisen, dass die Gleich-förmigkeit ein probates Mittel ist, das Kunstwerk zum Verschwinden zu bringen, aber Jochen Gerz hat etwas anderes gemeint, als er befand: „Kunst ist gut, wenn man an ihr vorbeigehen kann, ohne dass man sie sehen muß.“ Denn er dachte an die Bilder, die im Kopf entstehen; die entstehen, indem ein Kunstwerk verformt, verworfen, verändert, also zumindest partiell zerstört und neu kreiert wird. Das Betrachten von Kunst, von Fotografie ist – nach wie vor – ein aktiver, kreativer, manipulativer, kein konsumtiver Akt, auch wenn die mediale Entwicklung auf andere Prioritäten setzt.

Den gerade erhobenen Zeigefinger will ich aber rasch wieder senken, denn ich habe gehört, dass auch in anderen Künsten der Gedanke der einheitlichen Verpackung auf-gegriffen wird. So verspricht sich manch ein Galerist erhöhtes Interesse, wenn alle ausge-stellten Gemälde mit derselben Leichtmetallleiste gerahmt werden, und ein Museum soll ihre sämtlichen Skulpturen auf gleich große und gleich hohe und gleichfarbige Kunst-stoffpodeste stellen. Aber das halte ich für ein Gerücht! Oder weiß jemand Näheres?

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Katja Stuke & Oliver Sieber, Antifoto Manifesto, Plakat, 59,4 × 42 cm, 2013

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Dirk Rose ViceOne, who acts in place of another.

Ich habe diese Bilder nicht initiiert, nicht inszeniert und nicht fotogra-fiert. Es handelt sich um Nebenprodukte des fotografischen Prozesses, des fotografischen Alltags.Ich trete an die Stelle der zu Portraitierenden, um den Fotografen zu ermöglichen, den Bildaufbau und das Licht zu testen. Ich habe diese Bilder während meiner Arbeit als Assistent zwischen 1998 und 2004 gesammelt.

Es geht mir nicht darum, etwas Neues zu produzieren, sondern ein-zudringen in ein System der bereits gemachten, fortlaufend reprodu-zierten Bilder. Nicht mich selbst zu inszenieren, sondern zu behaupten, schon Teil unterschiedlicher Inszenierungen und Bilderwelten zu sein, und Fotos zu zeigen, die dies belegen und dokumentieren.

Vice, 2009, Polaroids (9 × 11 cm, Auswahl variabel aus ca. 350), Leuchtkästen und Buch

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14.03.2003 Michail Gorbatschow

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13.04.2000 Dt. Meister Damen Volleyball

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20.07.2000 Mitarbeiter 25.09.1998 Vorstandsvorsitzender

28.01.2000 Finanzminister27.04.2000 Ministerpräsident10.07.1998 Vorstandsvorsitzender

23.06.2000 Fussballspieler 25.09.2002 Fussballtrainer 12.01.1998 Eiskunstläuferin

10.04.2002 Spiele Entwickler11.05.2003 Popstar13.04.2000 Dt. Meister Damen Volleyball

18.06.1999 Model für Fitnessgeräte

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25.01.2002 Angestellter

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Alexander Hagmann Editorial

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Wie viele Magazine sich die Fotografie zum Inhalt machen und Jahr für Jahr veröffent-licht werden, lässt sich weder schätzen noch zählen und ist wahrscheinlich eher mit Man-delbrot-Mengen vergleichbar, als mit einer konstanten, überschaubaren Masse. Einige dieser Hefte haben sich mit der Zeit zu Recht ein Profil erarbeitet, an dem man weder rütteln kann noch sollte – die Photonews z. B. wurde im Februar 25 Jahre alt und die Fotogeschichte erscheint bereits im 34. Jahrgang. Oft genug aber erhalten die Gedan-ken über Fotografie und die daraus resultierenden geschriebenen Worte trotzdem nicht den Raum, den sie verdienen, um die Sicht auf das Medium zu erweitern.

Anfang 2013 ist die cahiers-Heftreihe mit dem Ziel angetreten, diesen Raum zu schaffen und den bildüberfüllten Anzeigen- und Gestaltungsheften mit einer Einstellung entge-genzutreten, die nicht aus einer Laune heraus, sondern aus einer sich selbst erklärenden Dringlichkeit und Haltung entstanden ist.

In der vorliegenden zweiten Ausgabe ist es Felix Koltermann, der das Wort ‚Haltung‘ be-nutzt, um damit ein Konzept aus Rückgrat und der damit verbundenen Grundeinstellung zu beschreiben. Dies ist nicht nur auf Seiten des professionellen Fotografen von unbe-streitbarer Relevanz, sondern bedeutet auch, dass im Auswählen, Editieren und ggf. Weg-lassen von Inhalten bildnerischer und textlicher Natur eine Haltung und ein Bewusstsein von eben dieser unumgänglich ist. Auch wenn es dazu führt, dass man wie Piet Wessing eher vom Fotografieren abrät und gleich bei der Entwöhnung hilft. Oder man macht sich wie Timm Starl Gedanken über gängige (oder auch bereits vergan-gene) Formen der Ausstellungspraxis. Humor kann auch in Fotografie und Kunst ein pro-bates Mittel sein, um der vermeintlichen Ernsthaftigkeit bildnerischer Auswüchse auf kritische Weise zu begegnen. Dafür muss man dann tatsächlich nicht mehr fotografie-ren; es reicht schon, dass man an Stelle ehemaliger russischer Staatspräsidenten oder eines Finanzministers vor der Kamera sitzt. Hauptziel der Anzeige: man soll den Kindern den Spaß vom Gesicht ablesen können.Aber nicht ohne Fisch in der Hand.

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Piet Wessing Vom Nutzen des Lassens

Sie kennen genau meine Meinung hinsichtlich der Fotografie.Ich würde es gerne sehen, wenn sie die Leute zur Verachtung der Malerei bringt, bis dann etwas anderes die Fotografie unerträglich macht.

Marcel Duchamp, 1922

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12 HILFREICHE REGELN, UM SICH DAS FOTOGRAFIEREN ABZUGEWÖHNEN:

Und sollte Ihnen doch einmal ein Ausrutscher passieren: Kopf hoch! Rückfälle sind normal. Geben Sie nicht auf, versuchen Sie es wieder!

Frist setzen. Bestimmen Sie ein konkretes Datum, wann Sie mit dem Fotografieren aufhören werden. Fotografieren Sie bis zu diesem Tag ganz normal weiter, aber an dem festgelegten Datum beginnt Ihre Entwöhnung.

Keine unnötigen Herausforderungen. Versuchen Sie, am Anfang die Situationen zu umgehen, in denen Sie normalerweise fotografiert haben.

Fotografieren Sie nicht mehr beim Autofahren bzw. im Zug oder beim Telefonieren. Fotografieren Sie nicht mehr in Gegenwart Ihrer Frau / Ihres Mannes, der Kinder oder während eines Gesprächs.

Fotografieren Sie nur noch mit der Hand, mit der Sie bisher nie fotografierten.

Jeden Tag ein Foto weniger machen. Am Morgen legt man sich die Anzahl der Fotos zurecht, die man tagsüber machen will. Das langsame Abgewöhnen verlangt keinen allzu starken Willen.

Fotografieren Sie nicht mehr ohne hinzusehen.

Fangen Sie jeden Tag eine Stunde später zu fotografieren an.

Wechseln Sie nach jedem Foto die Kamera.

Waschen Sie sich nach jedem Foto die Augen aus.

Keine Ausreden. Eine schöne Landschaft oder ein spektakulärer Autounfall sind keine Ausreden dafür, doch nochmals zur Kamera zu greifen.

Für jedes Foto, das Sie nicht machen, kommt ein Geldstück in ein Glas: das ergibt ein hübsches Mitbringsel für einen Menschen, dem man eine Freude machen will. Dies kann z. B. Ihr Therapiehelfer sein.

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Benedikt Bock Angle, willst du Fische fangen

Xenie ist ein Mann aus Pagosa Springs, Colorado. Seit 1987 fotografiert er jeden gefangenen Fisch. Nach jedem Foto lässt er den Fisch wieder frei. Heute hat er mehr als 30.000 Fotos, die er bei sich zu Hause in Schuhkartons lagert. Im Oktober 2013 hat Benedikt Bock Xenie in Colorado besucht, sein Archiv eingehend gesichtet und einen erheblichen Teil gescannt. Dazu hat er sich auf die etwa 20.000 Fotografien konzentriert, die an Flüssen und Seen in Colorado entstanden sind und auf denen Xenie selbst abgebildet ist.

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Ich sehe zwei Fotografien. Beides sind Querformate.Auf dem oberen Bild sehe ich einen Mann, der in der rechten Bildhälfte kniet. Währenddessen hält er einen Fisch in seiner rechten und eine Angelrute in seiner linken Hand. Er befindet sich im Vordergrund des Bildes. Der Mann nimmt die gesamte Höhe des Bildes ein. Dabei werden Stellen seines Körpers wie das linke Knie, das Hinterteil, Ellenbogen und Schulter seines linken Armes und vor allem der Kopf vom Bildrand beschnitten. Der Kopf wird so stark beschnitten, dass nur Mund und Kinn zu sehen sind – der Mund ist auf eine Art geöffnet, als würde die Person schreien. Der Mann trägt einen hellbraunen Pullover und eine abgewetzte dreckige Jeans. Sein Körper stützt auf seinem linken Knie, das rechte Knie ist angewinkelt. Seine linke Hand hält die Angelrute oberhalb der Rolle auf Höhe der Brust. Von der Rolle geht eine beige gefärbte, gut sichtbare Schnur aus. Die Angel ragt am linken oberen Rand aus dem Bild heraus. Sie ist vermutlich nur zu einem Drittel abgebildet. Der rechte Arm des Mannes ist in die Bild-mitte gerichtet. Der Fisch liegt gebogen in der Hand und ist von der Bauchseite zu sehen. Vier Finger umgreifen seinen Bauch. Die Flanke schimmert gelblich und ist mit dunklen Punkten gemasert. Der Fisch befindet sich fast in der Bildmitte. Links neben dem Mann ist der Boden mit faustgroßen rundgewaschenen Steinen bedeckt. Er kniet am Ufer eines Flusses. Auf den Steinen ist sein langer Schatten zu sehen. Das Ufer nimmt fast die gesamte linke untere Bildhälfte ein. Dahinter ist der Fluss zu erkennen, der von der linken Bildseite zur rechten unteren Bildecke breiter wird. Dort, wo der Fluss im Bild hauptsächlich sichtbar wäre, ist er durch den Mann verdeckt. Der Hintergrund ist zweigeteilt und fast ausschließlich in der linken Bildhälfte zu sehen. Im vorderen Teil sehe ich das andere Ufer des Flusses, das bewachsen und bewaldet ist. Zwei blätterlose Bäume ragen schräg über den Fluss. Im hinteren Teil befindet sich eine rot-braune Felswand, die an zwei Stellen mit dunkelgrünen Bäumen bedeckt ist. Der Fels wird von der oberen linken Bildkante beschnitten. Über der Felskante ist ein Teil blauen Himmels zu sehen. Die Sonne sorgt für hartes Licht, das im Vordergrund tiefe präzise Schatten zeichnet. Der Hintergrund ist weich unscharf, der Vordergrund eindeutig und scharf. Insgesamt wirkt das Bild farblich sehr homogen und bewegt sich hauptsächlich zwischen hellen Braun- und Grün-Tönen. Lediglich der Himmel und die Jeans des Mannes stechen blau hervor. Die Kamera, die das Bild aufgenommen hat, befindet sich leicht erhöht auf dem Boden und vermutlich ist das Foto mittels Selbstauslöser entstanden. Die Körperhaltung des Mannes wirkt, als wäre er vom Auslöser der Kamera überrascht.

Auf dem unteren Bild sehe ich einen Mann, der in der Bildmitte auf dem Boden sitzt. Währenddessen hält er einen Fisch in seiner rechten und eine Angelrute in seiner linken Hand. Er befindet sich im Vordergrund des Bildes. Der Mann nimmt fast die gesamte Höhe des Bildes ein. Dabei werden Stellen seines Körpers, seine Unterschenkel und Füße; und auch ein Teil seiner linken Hand vom rechten unteren Bildrand beschnitten. Er neigt seinen Oberkörper, etwas gebückt, zu seiner rechten Seite. Der Mann trägt einen hellbraunen Pullover und eine abgewetzte, dreckige Jeans. Der Pullover ist mit einem Reißverschluss bis zur Brust geöffnet, so dass der Kragen eines dunkelgrauen T-Shirts sichtbar wird. Sein Körper stützt auf seinem rechten, angewinkelten Bein – das linke Bein ragt halb gestreckt aus dem Bild hinaus. Seine linke Hand hält die Angelrute auf Höhe der Hüfte neben seinem Körper. Zwischen Daumen und Zeigefinger verläuft eine beige gefärbte, gut sichtbare Schnur, die locker unterhalb der Rute hängt und leicht seine Beine berührt. Die Angel ragt am linken Rand aus dem Bild hinaus. Der Mann greift sie so, dass sie vor ihm fast horizontal durch das Bild führt. Sie ist vermutlich zur Hälfte abgebildet. Vom rechten Arm ist lediglich der Ellenbogen zu sehen, der im Schatten auf seinem rechten Knie stützt. Der Fisch liegt gebogen in der Hand. Er wird so gehalten, dass seine Flanke gut sichtbar ist. Der Kopf des Fisches ist dabei zur linken Bildseite ausgerichtet. Vier Finger greifen den Fisch am Bauch. Dabei wird der Bauch durch den Griff eingedrückt. Der Fisch wird, etwas vom Körper des Mannes entfernt, der Kamera entgegen gestreckt. An der Flanke des Fisches ist ein leicht rosafarbener Streifen zu erkennen. Hinter den Kiemen befindet sich ein roter Fleck und über der gelblich schimmernden Haut ist der Fisch mit schwarzen Punkten gemasert. Es handelt sich um eine Regenbogenforelle. In der oberen Bildmitte sehe ich den Kopf des Mannes, der mich nahezu frontal anschaut. An den Wangen und am Kinn ist er leicht unrasiert. Die Haare am Kinn etwas gräulich. Der Mund ist zu einem Lächeln geöffnet und seine Zähne sind sichtbar. Darüber trägt er einen dichten, braunen Bart. Seine große Brille sitzt etwas schief. Die braunen, lockigen Haare reichen an den Seiten über seine Ohren. Das restliche Haar liegt. Ich vermute, dass er bis vor kurzem noch eine Kopfbedeckung getragen hat. Ich schätze den Mann auf Anfang Vierzig. Links neben ihm ist der Boden mit faustgroßen rundgewaschenen Steinen bedeckt. Der Mann kniet am Ufer eines Flusses. Auf den Steinen ist sein langer Schatten zu sehen. Das Ufer nimmt fast die gesamte linke untere Bildhälfte ein. Dahinter ist der Fluss zu erkennen, der von der linken Bildseite zur rechten unteren Bildecke breiter wird. Dort, wo der Fluss im Bild hauptsächlich sichtbar wäre, ist er durch den Mann verdeckt. Der Hintergrund ist zweigeteilt und fast ausschließlich in der linken Bildhälfte zu sehen. Im vorderen Teil sehe ich das andere Ufer des Flusses, das bewachsen und bewaldet ist. Zwei blätterlose Bäume ragen schräg über den Fluss. Rechts weisen kahle Bäume auf das Ufer hin. Durch die Bäume kann ich die grün-braune Silhouette eine Hügels erkennen. Im hinteren Teil befindet sich eine rot-braune Felswand, die an zwei Stellen mit dunkelgrünen Bäumen bedeckt ist. Der Fels wird von der oberen linken Bildkante beschnitten. Über der Felskante ist ein Teil blauen Himmels zu sehen, der bis zur rechten Bildkante reicht. Die Sonne sorgt für hartes Licht, das im Vordergrund tiefe präzise Schatten zeichnet. Der Hintergrund ist weich unscharf – der Vordergrund eindeutig und scharf. Insgesamt wirkt das Bild farblich sehr homogen und bewegt sich hauptsächlich zwischen hellen Braun- und Grün-Tönen. Lediglich der Himmel und die Jeans des Mannes stechen blau hervor. Die Kamera, die das Bild aufgenommen hat, befindet sich leicht erhöht auf dem Boden und vermutlich ist das Foto mittels Selbstauslöser entstanden. Die Körperhaltung des Mannes wirkt geplant und absichtsvoll. Er posiert.

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Ich sehe also zwei Fotografien, auf denen dieselbe Person, am selben Ort – ungleich – zusammen mit einem Fisch in der Hand, abgebildet ist. Das obere Foto – für sich allein gesehen – sagt mir nicht klar, wie ich die abgebildete Situation einschätzen oder interpretieren soll. Das untere Foto erfasse ich sofort: Dieser Mann hat mit dieser Angel soeben an diesem Ort diesen Fisch gefangen. Ich sehe ein typisches fishing-picture.

Ich definiere das fishing-picture wie folgt: Das fishing-picture ist dem Bereich der Jagd-Fotografie zuzuordnen. Es ist das dauerhaft festgehaltene Zeugnis des Jagderfolges. Meist handelt es sich um Amateuraufnahmen, die vom Angler (Jäger) selbst hergestellt werden. Dazu präsentiert sich der Angler selbst mit dem Fisch. Der Fisch kann zur Zeit der Aufnahme tot oder lebendig sein. Das Foto dokumentiert damit also nicht die Handlung des Fischens, sondern zeigt dem Betrachter das Ergebnis der Handlung – den gefangenen Fisch. Innerhalb dieses Bildes gibt es dazu diverse Orte und Präsentations-Posen. Das fishing-picture ist eine Fotografie, die als Trophäe, Beweis und oder Mittel der Selbstdarstellung dienen kann. Aus der Gegenüberstellung der beiden beschriebenen Fotografien kann ich schließen, dass die Kamera eine entscheidende Rolle spielt. Über ihren tiefen Standpunkt und die Selbstauslöser-Funktion bestimmt sie maßgeblich das Bild. Die kniende Pose folgt also den Möglichkeiten, die die Kamera vorgibt. Das obere Bild verrät dabei, dass die Handhabung des Selbstauslösers nicht ganz unproblematisch ist, während man einen vermutlich noch lebendigen Fisch und eine Angelrute in der Hand hat. Trotz des festen Standpunktes der Kamera erfordert die Situation eine spontane Handlung, die in einem kurzen, durch den Auslöser begrenzten Zeitraum, passieren muss. Man könnte dieses Bild sicherlich auch anders machen – aber es scheint hier wichtig zu sein, dass es in diesem Moment genau so passiert. Das heißt: dieser Mann hat die Entscheidung getroffen, sich in diesem Moment, in dieser Art, selbst zu fotografieren. Das ist die Idee einer Selbstinszenierung. Er setzt sich mit den ihm gegebenen Möglichkeiten – Ort, Fisch, Licht, Selbstauslöser – in Szene. Wenn ich mir aus diesem Gedanken heraus das obere Bild noch einmal genau anschaue und mir vorstelle, in welcher Körperhaltung die Bewegung des Mannes enden könnte, wird sie wohl der Pose des unteren Bildes gleichen. Die Rute befindet sich bereits in seiner linken Hand, der Fisch liegt schon in seiner rechten und gleich wird er sich wahrscheinlich so auf das rechte Bein stützen, dass sich dann auch sein Kopf im Fokus der Kamera befindet. Es ist ein missglückter Versuch bei dem die Idee dieser bestimmten Pose schon vorher feststand. Damit gibt das Bild auch maßgeblich Auskunft darüber, wie das fertige, zufriedenstellende Bild aus-zusehen hat. Der missglückte Versuch und die Wiederholung der gleichen Inszenierung zeigen den Versuch, ein ganz bestimmtes Bild werden zu wollen. Der Fisch wird innerhalb des Bildes zum Objekt. Der Mann arbeitet also aktiv an der Herstellung dieses Bildes – an seiner Pose, Mimik und Gestik und geht dieser Arbeit, mit dem Versuch im nächsten Bild exakt die gleiche Pose einzu-nehmen, weiter nach. Es ist nicht nur die Suche nach einer eigenen Form des fishing-picture, sondern vor allem die Wiederholung eines Selbst-Portraits in einem für die Person idealen und inszenierten Moment.

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Andreas Till Gespräch mit Elmar Mauch

Elmar Mauch, Bildforscher und Künstler, gründete 2011 das Institut für künst- lerische Bildforschung, das sich die Analyse und Sichtbarmachung von Wirk-mechanismen fotografischer Bilder zur Aufgabe gemacht hat. Grundlage des Instituts ist eine umfangreiche Sammlung von Alltagsfotografien. Neben lebensphilosophischen Themen stehen Fragen zu Bildrhetorik und visueller Poesie im Zentrum seiner Arbeit

Andreas Till sprach mit Mauch über dessen Umgang mit Bildern und die Forderung, Bilder als Material zu begreifen sowie über die Zusammen- hänge von visueller und geschriebener Sprache.

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at Fotografische Arbeiten werden immer wieder als Visual Haiku bezeichnet bzw. mit Haiku verglichen (A.d.R.: sehr kurze und offene, traditionelle japanische Gedichtform mit hohem Ge-genwartsbezug und konkret beschreibendem Charakter, s.a. Essay ‚Visual Haiku‘, Andreas Till, cahiers #1). Ich war immer irritiert durch diesen Begriff und begann mich deshalb dafür zu interessieren, was denn ein visuelles Haiku sein kann. Nach der Recherche zur Bedeutung und Entstehungsgeschichte des Haiku begann ich, mir die Bücher von Masao Yamamoto näher anzuschauen. Was mich im Bezug auf seine Bücher interessierte, war die Frage, wie sich der Haiku-Gedanke in der Ästhetik und Zusammenstellung seiner Bilder widerspiegelt und in-wieweit das Medium Buch diesen Gedanken unterstützt.em Mir ist der Begriff des visuellen Haiku vollkommen neu. Die schriftliche Form des Haiku kenne ich, und finde sie als Phänomen durchaus interessant. Denn es ist eine kleine ästhe-tische Einheit, die, ausgehend von klaren Strukturen, ein Gefühl zu erzeugen versucht. Von diesem Punkt her finde ich das sehr spannend. Denn es geht um eine Art von Wirkungser-zeugung. Bei meinen Bildforschungsarbeiten und bei der Herstellung meiner Bücher stellt sich diese Frage nach der Wirkung ständig. Ich frage mich aber trotzdem, ist der Begriff Visual Haiku mehr als nur ein Schlagwort?at Der Haiku-Stempel wird meiner Meinung nach tendenziell fotografisch-künstlerischen Arbeiten aufgedrückt, die ein gewisses Sinnieren nach sich ziehen, etwas Tagträumerisches, die Seele-baumeln-lassen-betreffendes. em Da nimmt man sich so einen Begriff wie Visual Haiku, um die Arbeit aufzuwerten, oder?at Das ist eben genau der Punkt. Welche Kriterien gibt es, wenn man überhaupt Kriterien finden kann? Woran will man diese festmachen? Wann hört dieser Begriff auf nur ein Stem-pel zu sein und wann ist es möglicherweise gerechtfertigt, eine Arbeit damit in Verbindung zu bringen, eine Arbeit so zu beschreiben?em Aber sind wir da nicht bei einem Grundproblem von Gestaltung und Kunst? Und zwar der Frage, ob und wie Methoden aus einem Medium in ein anderes einfach übertragen werden können? Denn das klassische Haiku setzt geschriebene Sprache ein, und das andere Haiku ist rein visueller Natur. Kann man diese beiden Methoden also vergleichen? Ich stelle diese Frage, da es mich auch selbst interessiert.

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at Wenn es um Erzählmethoden im Fotobuch geht, kommt man sehr schnell an denselben Punkt. Es gibt keine niedergeschriebene Grammatik oder Rhetorik für visuelles Material, wie es sie zum Beispiel in der Literatur gibt. Dort gibt es ja bestimmte Stilmittel, die auch durchaus dazu verleiten, sie auf visuelles Material zu übertragen und das wurde in der Ver-gangenheit ja durchaus schon getan, z. B. von Jean-Louis Swiners im Jahre 1965.em Richtig, aber ein gutes Bild ist generell vieldeutig. Die eindeutigen Bilder interessieren mich selten. Ich mache ja selber kleine Bilderhefte. Und wenn ich darüber nachdenke, gibt es da natürlich schon ein paar Parallelen zu den Haikus. Da gibt es zehn Bilder, ein kleines Heft, eine in sich geschlossene Einheit oder Geschichte, wie immer man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt.

Ich finde die Thematik, wie man mit Bildern etwas vermitteln kann, ohne dass es in einer Be-liebigkeit hängen bleibt, immer wieder interessant. In letzter Zeit sehe ich oft Bildersamm-lungen, innerhalb derer auch Unterschiedliches aufeinander trifft und das visuell durchaus spannend ist. Letztlich bleibt aber nichts übrig, außer, dass ich gut unterhalten worden bin. Das können allerdings viele! Für mich muss eine Arbeit mehr auslösen. Sie muss einen Nach-klang haben. Deshalb treiben mich so Dinge um wie: Kann ich eine Frage stellen über das, was da gezeigt wird einerseits – und über Bild und Wahrnehmung andererseits? Das finde ich wichtig! Mit Bildern über Bilder zu arbeiten, über das Denken zu arbeiten, und Wissen in Frage zu stellen.

[Elmar kramt in einer Papp-Box, die gefüllt ist mit Fotobüchern verschiedenster Formate und holt anschließend fünf sehr kleine Bilderheftchen heraus, die er vor mir auf den Tisch legt.]

Dies sind einige von meinen Bilderheften, anhand derer du etwas von meiner Arbeitsweise sehen kannst. Bei jedem dieser Hefte verfolge ich einen anderen Gedanken und finde dann die entsprechende Form dazu. Diese thematisch unterschiedlichen Bilderhefte stelle ich in Handarbeit her. Jedes von ihnen hat ein anderes Format, eine andere Seitenanzahl – es sind in gewisser Weise Unikate.at Dieses Bild hier, in deinem Bilderheft Feld, scheint etwas verpixelt zu sein. Wie kommt das zustande? em Das ist ein Ausschnitt aus einem gefundenen Bild aus dem 1. Weltkrieg. Was meinst du mit verpixelt?at Naja, da sind so Treppchen drin. em Also, das soll zumindest kein Stilelement sein. Das könnte sogar ein Fehldruck sein. Wenn ich mir das jetzt so anschaue, ist es mir auch nicht so wichtig. Also es stört mich nicht auf den ersten Augenblick. Allerdings stört es mich dann schon, wenn jemand genau die Frage stellt, die du gerade gestellt hast und insofern müsste es schon anders sein, weil das nicht die Frage ist, die ich stellen will. at Es könnte ja genauso gut sein, dass diese Ästhetik Teil deines Konzepts ist … em Aber genau das ist dann der Punkt, an dem etwas schief läuft, weil du dadurch auf eine falsche Fährte kommst. Ich möchte nicht, dass du über eine technische Unzulänglichkeit nachdenkst. Insofern muss ich das ändern. Denn ich habe schon eine gewisse Vorstellung, worüber Betrachter nachdenken sollen und das gehört definitiv nicht dazu.at Woher stammen denn alle diese Bilder? em Die Grundlage dieser Bilderhefte sind Bilder aus meiner sehr umfangreichen Sammlung

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von Alltagsfotografien. Diese verwaisten Bilder versuche ich emotional wieder zugänglich zu machen und die Betrachter mit Geschichten und Fragen zu konfrontieren. Es sind inzwischen mehr als 100.000 Bilder, und es kommen permanent neue dazu. Hierbei sammle ich all die Fotos, die andere nicht sammeln. Denn irgendwann wird es diese Fotos mal nicht mehr geben. Ich sammle zunächst einmal, um zu bewahren: Amateurknipser-Fotos, Familienfotos und alles, was mir parallel dazu in den Blick kommt und mir interessant und bewahrenswert erscheint. Mittlerweile sind auf diesem Wege viele Bilder zusammengekom-men; fast 10.000 sind schon gescannt und diese sind in annähernd 600 Kategorien alphabe-tisch sortiert, von „Absurdes“ bis „Zuneigung“.Inzwischen habe ich das Institut für künstlerische Bildforschung gegründet, und im Moment ist dieses Archiv eine Art Steinbruch für meine Arbeit. Das bedeutet, dass ich dieses Material sichte, es hinterfrage und herauszufinden versuche, welche Fragen und welche Potenziale darin enthalten sind. Daraus entwickle ich dann Bildarbeiten; seien es Wandarbeiten, Künst-lerbücher, kleine Animationen oder was auch immer. Da ist zum Beispiel die Kategorie „Das kleine Deutschlandalbum“. Es enthält Fotos aus zahl-reichen unterschiedlichen Quellen. Diese Fotos zeigen Menschen auf Urlaubsfahrt durch Deutschland. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Da gibt es in meiner Sammlung viele verschiedene Ansichten vom selben Ort zu unterschiedlichen Zeiten. Das ist zum einen kulturhistorisch interessant, noch spannender finde ich jedoch, diese unter-schiedlichen Blicke zusammenzufassen, gegeneinander zu stellen, um dann irgendwann ein Buch in den Händen zu halten, dessen Autor ich letztlich in Vertretung all dieser Anderen bin. Ein Buch, das sehr viele Fotos bzw. Eindrücke enthält, Blicke von Leuten, die nichts mehr dazu sagen können. Durch mein Eingreifen wird aus diesen visuellen Zeugnissen, die aus unter-schiedlichsten Quellen stammen, ein Gemeinsames erzeugt. Ich bin letztlich derjenige, der das choreografiert und zum Sprechen bringt.at Ich nehme an, dass diese Kategorien zumindest zu einem gewissen Grad offen sind?!em Die Kategorien sind relativ offen, aber es gibt natürlich auch Eingrenzungen. Zum Bei-spiel gibt es die Kategorie „Krieg“. Diese enthält vorwiegend Bilder aus dem ersten Weltkrieg. Krieg ist also das Oberthema und dann gibt es dreißig Unterthemen, seien es Schützengraben- bilder oder Zerstörung in verschiedenster Form, sowie Landschaften, Häuser, Städte, Leichen. Daraus ist ein Buch entstanden. Es heißt Es ist alles so nah und wird noch in diesem Jahr im Verlag der Buchhandlung Walther König erscheinen.

[Ich schaue mir Es ist alles so nah an.]

at Obwohl ich sehe, wie du vorgehst und versuche, das Buch analytisch zu betrachten, kann ich mich der Thematik und der Emotionalität nicht entziehen. Das Buch fasziniert mich. Insofern scheint dein Konzept aufzugehen.em Zum Titel Es ist alles so nah stand für eine gewisse Zeit auch ein Untertitel im Raum. Dieser lautete Die erhabene Ausschaltung des Großhirns. Das ist ein Zitat, das ich in dem Buch Der Krieg des kleinen Mannes von Wolfram Wette gefunden habe. Die Geschichtsschreibung von unten, eine Thematik, die es in den Geisteswissenschaften noch gar nicht so lange gibt, interessiert mich generell. Es interessiert mich, die Dinge von einer ideologiefreien Basis aus zu betrachten, also eben genau so, wie ich auch meine Bilder sammle. Diese Bildnachlässe sind, in den Augen vieler, ja im Prinzip nichts wert. Das sind ja nur irgendwelche Familien- fotos, irgendwelche Bilderkisten von irgendwelchen Leuten, mit denen wir nichts zu tun haben.

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Wofür dieses Buch sicher auch steht, ist mein Umgang mit dem Bild. Wenn Fotografen Bilder machen, geht es ihnen meist darum, diese 1:1 zu zeigen. Nach meiner Überzeugung muss man Bilder aber auch manchmal überwinden. Und wenn wir jetzt von diesem Buch ausgehen: jedes dieser Bilder hat vielleicht für sich einen bestimmten Wert, aber der ursprüngliche Wert war ein emotionaler. Er richtete sich an einen ganz bestimmten Personenkreis. Und diesen Personenkreis gibt es so nicht mehr. Das heißt, es sind nahezu kontextlose Bilder.at Also ganz frei von einem emotionalen Kontext …em Richtig, und ich frage mich, wie ich ihnen wieder eine emotionale Funktion zurückgeben kann. Das ist das, was mich interessiert. Dass den Bildern wieder eine Funktion zukommt, und zwar nicht nur eine in sich beschränkte Funktion als Zeitzeugnis. Ich nehme mir die Frei-heit, mit diesen Bildern so umzugehen, wie ich es für richtig halte. Ich greife in die Bilder ein, ich erweitere und ergänze sie. Es ist ein ganz und gar anti-archivarischer Umgang mit den Bildern. Da existieren zunächst keine Grenzen. Beim Eingriff und Umgang mit Bildern geht es mir immer um eine Wirkung in Funktion auf ein Gesamtes. Das Bild hat demnach eine dienende Funktion. Dabei geht es aber nicht um Effekt! Effekt ist so ein Begriff, bei dem sich mir die Fußnägel aufrollen. Konkreter: bei Effekthascherei im Zusammenhang mit Bild- konzepten. at Würdest du sagen, dass Bildproduzenten, die sich gleichzeitig als Bildorganisator versu-chen, auf eine bestimmte Art und Weise eingeschränkt sind? Würdest du zum Beispiel für dich sagen, dass du in deinem Auswahlprozess eingeschränkt wärst, wenn du die Bilder für deine Projekte selbst machen würdest?em Nein, ich für mich selbst nicht. Generell würde ich aber schon sagen, dass das ein Prob-lem sein kann. Denn das Fotografieren und der spätere funktionale Umgang mit den Bildern verlangen unterschiedliche Umgangsweisen und Methoden. Es geht um ein stetiges Wechseln zwischen Empathie und Distanz. Abstand zu den eigenen Bildern einnehmen zu können, muss mühsam erlernt werden. Oft steht man sich dabei selbst im Weg. Man muss lernen, irgendwann souverän damit umgehen zu können und der Funktion der Serie, der Geschichte, des Buches alles hintanzustellen. Kill your Darlings ist das Stichwort. Das Foto als Material zu begreifen, ist Schwierigkeit und Chance zugleich!at Welchen Raum lässt du dem Zufall bei der Entstehung eines Buches?em Zufall ist in diesen Büchern gar nichts. Also nichts, definitiv nichts! Form, Abfolge und Grunderzählung des Buches müssen in sich stimmig sein. Nur so erreiche ich, dass die Betrachter beim Sehen der Bildabfolgen eigene Assoziationen bilden und das Gesehene mit ihrer eigenen Geschichte, ihrem eigenen Erfahrungshorizont, gedanklich verweben.

Aber im Vorfeld spielen Zufall und Offenheit natürlich eine große Rolle. Zufall ist, dass ich einen Nachlass oder eine Kiste durchschaue, und da liegen zufälligerweise zwei Bilder nebeneinander, die mich inspirieren. Oder beim Betrachten eines Bildes lasse ich die Gedan-ken schweifen, erinnere mich an ein anderes Bild, und diese zwei Bilder stehen nun deshalb zusammen, weil sie zufälligerweise oder auch nicht zufälligerweise zum selben Zeitpunkt in mein Blickfeld oder in meine Gedanken traten. Zufall zuzulassen halte ich für sehr wichtig, denn nur durch Offenheit kann ich zu neuen Erkenntnissen kommen. Aber im Produkt selbst darf für meine Verhältnisse kein Zufall mehr sein, weil auch im fertigen Buch selbst noch hun-derte Variablen sind.Ein gutes Bild funktioniert für mich auf verschiedenen Ebenen. Das heißt, damit dieses Buch funktioniert, muss es für dich als Betrachter in jedem dieser Bilder oder auf jeder dieser

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Doppelseiten eine Möglichkeit geben, die dich produktiv weiterführt. Du machst aber den-noch deine eigene Geschichte aus diesem Buch, beziehst es auf dein Leben und deine Erfah-rung. Wenn du im Theater plötzlich darüber nachdenkst, dass du dir mal wieder eine neue Hose kaufen könntest, oder einer der Schauspieler einen unglaublich schönen Samtstoff auf der Bühne trägt, dann ist das Stück für dich, glaube ich, gescheitert. Das, was die Regie wollte, funktioniert dann nicht. Im Idealfall ist es eben wirklich so, dass es hier zumindest irgendei-nen roten Faden gibt, der vielleicht mit Unterbrechungen, aber insgesamt noch erkennbar ist. Es kann ja durchaus auch sein, dass man vor- und zurückblättert und dann feststellt: „Jetzt versteh ich das!“ Zudem finde ich es wichtig, dass in Büchern Irritationsmomente enthalten sind. Bei Brecht gibt es ja diese Verfremdungsmomente, die dich aus dem Stück herauskata-pultieren, so dass du eine Distanz zu dem Stück findest und anders drüber nachdenkst.

Dabei gibt es natürlich eine Hürde! Wenn du nicht gewohnt bist, Geschichten aus Bildern herauszulesen, dann hast du ein Problem. Jemand, der nie Comics gelesen hat, kaum Filme ge-sehen und sich wenig mit bildender Kunst auseinandergesetzt hat, für den wird es schwierig. Es setzt durchaus ein gewisses Bildwissen oder eine Bilderfahrung voraus, also eine Geübtheit im Umgang mit Bildern, um in eine Tiefe einzudringen.

Das Gespräch fand in Dortmund bei Elmar Mauch zu Kaffee mit Kardamom statt. Es ist Teil einer umfangreichen Inter-view-Reihe von Andreas Till, die sich mit den Themen Bildauswahl und Sequenzierung im Fotobuch auseinandersetzt.

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Isabel Machado Rios COR.ArchivEin narratives (Re)konstruieren.

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CLAMSHELL-BOX1,4 mm starker P.A.T.-zertifizierter Monogard-Schachtelkarton | säure-, lignin- und schwefelfrei | Außenseite neutralgrau und gegen schädliche Umwelteinflüsse alkalisch gepuffert

ÁLBUM umfasst die einzelnen losen Seiten eines ehemaligen Fotoalbums. | Es ist unklar, wer dieses Album angelegt / weitergeführt hat. Darin befinden sich Fotos aus der Zeit von 1948 bis 1983.

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Das COR.Archiv soll als Ort sicherer Aufbewahrung für als wichtig befundene Fotografien und Doku-mente, sowie als System zur Ordnung einer Sammlung aus privaten, unzusammenhängenden, losen Fotos aus dem Nachlass meines Vaters Carlos Olavo Rios dienen.Das Ziel ist eine fachgerechte Ablage, für eine langfristige und sichere Verwahrung der Unikate, sowie ein Schema der Einordnung, welches ein leichtes und schnelles Auffinden ermöglichen soll.

Vereinzelte Angaben zu Datum, Ort und abgebildeten Personen auf der Rückseite liefern Anhalts-punkte zur Katalogisierung der Bilder und helfen so, die Geschichte meines Vaters in Teilen nachzu-vollziehen. Hierbei orientiere ich mich an einzelnen Höhepunkten des familiären Lebens, wie z. B. Hochzeits- oder Geburtsdaten, um eine ungefähre zeitliche Ordnung herzustellen. Ich versuche so, selbst Zusammenhänge zu erschließen und zusätzlich einzelne Familienmitglieder zu identifizieren.

Daraus ergibt sich ein subjektives Prinzip der Sortierung; ausgehend von meinem Vater als Prota-gonisten ordne ich die Abzüge in Kategorien, die mehr oder minder einzelne Lebensabschnitte zu-sammenfassen: Kindheit (infância), Jugend (juventude), Eltern (pais), Fotoalbum-Seiten (Álbum) und Unbekannt (desconhecido).

Die Zeit ist somit elementarer Bestandteil der Vorgehensweise und doch ordnet sie sich den subjektiven Kapiteln unter. Zum Beispiel werden in der Kategorie pais Fotografien von 1935 bis 1994 zusammen-gefasst, die alle mindestens einen Elternteil meines Vaters zeigen, wobei die Fotografien gemeinsam mit Carlos fehlen, da diese in infância zu finden sind.

BILDTITELDer Bildtitel besteht aus fünf Teilen: Projektname_Kapitelkürzel_Bildnum-mer und Seite_Aufbewahrungsort

FARBPUNKTAbgebildete Person(en) wird durch ent-sprechenden Farbpunkt gekennzeichnet

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PRINTFILE PRÄSENTATIONSTASCHEaus Polypropylen P.A.T-zertifiziert, weich- macher- und säurefrei | 0,15 mm dickes Polypropylen | Für Langzeitarchivierung geeignet | Öffnung an einer kurzen Seite

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Autoren

BENEDIKT BOCK 2008 Studium Kommunikationsdesign an der Gesamtuniversität Wuppertal. 2010 Wechsel an die HGB Leipzig mit dem Schwerpunkt System-Design; 2014 Diplom bei Prof. Oliver Klimpel mit der Arbeit Angle, willst du Fische fangen. Benedikt Bock lebt in Leipzig und betreut dort gemein-sam mit Annette Kisling das erste Semester für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst.

PROF. DR. RALF BOHN Studium Philosophie, Literatur, De-sign. Diplomarbeit über Allegorien und urbane Signifikationen. Habilitation bei Bazon Brock (Technikträume und Traumtech-niken . Würzburg 2004). Seit 1981 Creative Director, Konzep- tioner, Texter und Autor. Seit 2007 Professor für Medien-wissenschaf ten am FB Design der FH Dortmund. Zahlreiche Monografien. Zusammen mit Heiner Wilharm Herausgeber der Reihe Szenografie & Szenologie im transcript Verlag, Biele-feld. Lebt in Meerbusch.

SUSANNE BRÜGGER Freie Künstlerin und Fotografin Studium der Fotografie, Freien Kunst und Medienkunst in Dortmund und Köln. Studien zu Kartographie, Sprachwissenschaf t und Philosophie. Fotografische Schwerpunkte in der Dokumentar- und Portrait fotografie sowie der Kontextualisierung von Foto- grafie. Künstlerische Arbeiten zu Fotografie, Kartographie und Gestaltbildung. Auszeichnungen und internationale Ausstel- lungen seit 1985. Seit 2002 Professorin für Fotografie und Neue Medien an der FH Dortmund. Lebt in Essen.

JULIAN FAULHABER Studium Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie an der FH Dortmund. 2006 Diplom bei Prof. Brügger und Piet Wessing. Von 2005–2009 Mitglied im Künstlerhaus Dortmund. Seit 2006 verschiedene Lehraufträge und Gast-Professuren an der Universität Dortmund, Kunst-hochschule Bremen, Academy Of Visual Arts Frankfurt, HFBK Hamburg und HAWK Hildesheim. Lebt in Berlin. www.julian-faulhaber.com

ALEXANDER HAGMANN Freier Fotograf. BA Fotografie an der FH Dortmund mit der Arbeit Schwarzer Molton bei Prof. Brügger und Kai Jünemann über den Wahrheitsgehalt des foto- grafischen Bildes. Derzeit Student im MA Fotografie – Photo-graphic Studies an der FH Dortmund. Gründungsmitglied der cahiers -Heftreihe. Lebt in Düsseldorf und Hamburg.

DANIEL HERLETH ist Künstler, lebt in Berlin und schreibt momentan an einer Dissertation zur Ästhetik des Digitalen bei Felix Ensslin.

FELIX KOLTERMANN Fotograf, Friedens- und Konflikt for-scher. Studierte Fotografie an der FH Dortmund, 2008 Diplom bei Prof. Gates und Prof. Brügger, und schloss einen Master in Friedens- und Konfliktforschung am IFSH in Hamburg an. Seit 2010 promoviert er an der Universität Erfurt über fotojourna-listische Krisen- und Kriegsberichterstat tung. Lebt in Berlin. www.fkoltermann.de

JAN LADWIG Freier Fotograf. Seit 2010 Studium der Fotogra-fie an der FH Dortmund. Seit 2013 Stipendiat der Studien- stiftung des deutschen Volkes . Gründungsmitglied der cahiers - Heftreihe. Lebt in Essen.www.janladwig.com

EUGEN LITWINOW Freier Fotograf, geboren in Pawlodar, Kasachstan. BA Fotografie an der FH Dortmund bei Prof. Brügger und Prof. Gebhardt. Seine Abschlussarbeit Mein Name ist Eugen – Gespräche über das Aufwachsen zwischen zwei Kul- turen wurde mehrfach ausgezeichnet und als Buch veröffent-licht. 2011–12 Fulbright Stipendiat an der Parsons – The New School for Design in New York. Derzeit Student im MA Fotogra- fie – Photographic Studies an der FH Dortmund. Lebt in Berlin. www.eugenlitwinow.de und www.mein-name-ist-eugen.com

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ISABEL MACHADO RIOS Freie Fotografin. Seit 2010 Studium der Fotografie an der FH Dortmund. Gründungsmitglied der cahiers -Heftreihe. Lebt in Dortmund.

MIRIAM NEITZEL 2013 BA Fotografie mit der Arbeit Mond-meer bei Prof. Brügger und Prof. Gates. Derzeit Studium MA Fotografie – Photographic Studies an der FH Dortmund. Seit 2011 kuratiert sie die fotografische Sammlung Walden. Lebt in Dortmund. www.miriamneitzel.com und www.walden-collection.com

DIRK ROSE Freier Fotograf, Gestalter und Kurator. Studierte Fotodesign an der FH Dortmund. Diplom bei Prof. Brügger und Prof. an Huef. In seiner Abschlussarbeit Vice verweist er auf die Konventionen der Inszenierung des repräsentativen Portraits. Seit 2013 leitet er mit Isa Koehler in Düsseldorf den Ausstellungsraum Walzwerk Null . Lebt in Krefeld. www.dirkrose.com und walzwerknull.de

DR. H.C. TIMM STARL Freier Kulturwissenschaftler, Fotopu- blizist und Ausstellungskurator, Gründer (1981) und Herausge-ber (bis 2000) der Zeitschrif t Fotogeschichte, Ausstellungen und Veröffentlichungen vorwiegend zu fotografischen Themen, u.a. Bildbestimmung. Identifizierung und Datierung von Foto- grafien 1839 bis 1945 (Marburg: Jonas, 2009), Kritik der Fotogra-fie (Marburg: Jonas, 2012), Mitarbeit seit 2012 am Projekt Mehr als Bilder. Illustrierte Postkarten in Sammlungen, Archi-ven, Museen . Lebt in Wien und im Weinviertel.

KATJA STUKE & OLIVER SIEBER verbergen sich hinter Böhm/Kobayashi , „und hinter dieser Identität stecken viele Figuren: Fotograf/in und Künstler/in, Kurator/in und Initiator/in von Ausstellungen, Gestalter/in und Herausgeber/in von Künstlerbüchern. Wer sie jeweils gerade sind, wenn sie sich durch ihren fotografischen Kosmos bewegen, lässt sich nicht immer mit Gewissheit sagen. Durch ihr Werk und ihre Vermit t-lungstätigkeit sind sie jedoch längst schon zu Moderatoren einer bestimmten fotografischen Kultur geworden.“ (Florian Ebner, in: Bulletin N° 21, Museum für Photographie)www.boehmkobayashi.de

ANDREAS TILL Freier Fotograf und Künstler. BA Fotografie an der FH Dortmund mit der Arbeit Hotel Existence bei Prof. Brügger und Prof. Gebhardt. 2010/11 Fulbright Stipendiat an der Ohio University in Athens, OH, USA bei Prof. Larson und Assoc. Prof. Klimek. Derzeit Student im MA Fotografie – Pho-tographic Studies an der FH Dortmund. Lebt in Berlin.www.andreastill.com

PIET WESSING Freier Künstler. Studium Künstlerische Fotografie bei Prof. Arno Jansen, FH Köln, Postgraduierten- studium Medienkunst bei Prof. Fabrizio Plessi und Dr. Helen Koriath, KHM Köln. Zahlreiche Ausstellungen und Preise, u.a. 1994 Krupp-Stipendium für zeitgenössische dt. Fotografie , Museum Folkwang Essen. Arbeitet mit Fotografie, Text und Tönen. Wichtige künstlerische Arbeiten u.a. Conspiracy Project (1999–2005), Inferno (2006–2013). Lebt in Essen. www.anyothername.de

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BILDNACHWEIS 5 Isabel Machado Rios / privat, 9-15 Julian Faulhaber / VG Bild-Kunst, Bonn 2014, 18-20 Dino A. Brugioni Collection, The National Security Archive, Washington, D.C., 27 Jan Ladwig / Reproduktion: Jan Ladwig, 30-31 Der Greif #7 /Reproduktion: Jan Ladwig, 41-45 Miriam Neitzel, 48 Kunstphotographie um 1900. Die Sammlung Ernst Juhl, Ausstellungskatalog, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 1989 [Dokumente der Photographie 3], S. 51, 51 Katja Stuke & Oliver Sieber / Re- produktion: Jan Ladwig, 53-57 Dirk Rose, 63 Benedikt Bock, © Alexander Hall, 73-75 Isabel Machado Rios / privat

MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON:

DANK Wir danken den Gastautoren dieser zweiten Ausgabe für ihre Beiträge und den Familien der unermüdlichen Redaktionsmitglieder für Verständnis und Geduld. Der Fördergesellschaft und dem AStA der Fachhochschule Dortmund und der Hypokulturstiftung gilt unser Dank für die freundliche Unterstützung dieses Projektes.

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MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON:

Impressum

Die in den Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Meinungen spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wider.Die Artikel werden in der Sprache abgedruckt, in der sie verfasst und zur Verfügung gestellt wurden.Das Heft erscheint in unregelmäßigen Abständen.

HERAUSGEBER Fachhochschule Dortmund

KONZEPTION Marcus Becker, Susanne Brügger, Alexander Hagmann, Sarah Hinrichs, Jan Ladwig, Eugen Litwinow, Isabel Machado Rios, Andreas Till, Lisa Wartzack, Piet Wessing, Jan-Philipp Winkler

CHEFREDAKTION Prof. Susanne Brügger

GRAFIK Isabel Machado Rios, Lisa Wartzack

COVER Alexander Hagmann

TEXTREDAKTION Susanne Brügger, Ann Christine Freuwörth, Sarah Hinrichs, Andreas Till, Piet Wessing, Jan-Philipp Winkler

LEKTORAT Susanne Brügger, Sarah Hinrichs, Piet Wessing

BILDREDAKTION Jan Ladwig, Eugen Litwinow, Isabel Machado Rios, Lisa Wartzack

PRODUKTION Marcus Becker, Alexander Hagmann

SCHRIFT Abril, Univers

PAPIER Munken Lynx

DRUCK Druckverlag Kettler GmbH

AUFLAGE 1.000 Exemplare

COPYRIGHT © 2014 Alle Beiträge © Autoren, Julian Faulhaber / VG Bild-Kunst, Bonn

KONTAKT Fachhochschule Dortmund Fachbereich Design / Redaktion cahiersMax-Ophüls-Platz 244137 [email protected]

cahiers – Hefte zur Fotografie Das Magazin zu den Gebrauchsweisen der FotografieAusgabe 02 | 2014

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This 50-years-old premonition is only now about to become fully realized, and yet the rifts these artficial insects open in our relation towards distant events are quite apparent; todays smoke-grey artificial bees pose a number of questions, some juridical, some moral or political, but one of their most deceisive aspect is their relation towards the image. Dem Einwand, der Fotograf habe außer in der Spezialität des Selbstporträts überhaupt nicht die Möglichkeit ein ‚ich‘ zu artikulieren, muss folgendermaßen begegnet werden. Die Einfügung des Pronomens ‚ich‘ in der Rede meint nicht den Blick auf sich selber, sondern eine Wesensschau. Niemals ist als ‚ich‘ eine Sichtbarkeit gemeint, sondern ein transzendie-render Akt, ‚Schau‘. Das ist sicherlich auch interessant für die Fotografen, wenn sie ihre Arbeiten auf ein Mal in einem anderen Kontext sehen, der vielleicht gar nicht ihrer ursprünglichen Intention entsprach. Bei durchschnittlich 8 Bildern pro Person werden sicherlich oft Serien eingereicht. Wie geht ihr mit fotografischen Gesamtkonzeptionen um, die ihren Schwerpunkt nicht auf dem Einzelbild haben? Mir ist der Begriff des visuellen Haiku vollkommen neu. Die schriftliche Form des Haiku kenne ich, und finde sie als Phänomen durchaus interessant. Denn es ist eine kleine ästhetische Einheit, die, ausgehend von klaren Strukturen, ein Gefühl zu erzeugen versucht. Von diesem Punkt her finde ich das sehr spannend. Denn es geht um eine Art von Wirkungserzeugung. Sucherkameras veranschaulichen gleichzeitig, daß Parallaxen manchmal auch hinderlich sind, und zwar immer dann, wenn die beiden Blickpunkte allzu weit voneinander entfernt liegen. In solchen Fällen spricht man von Parallaxfehlern. Eine Profession, die sehr stark das Konzept der Haltung verinnerlicht hat und dies gleichzeitig immer wieder kritisch diskutiert, ist der Journalismus. Dort stehen sich vor allem zwei Positionen diametral gegenüber. And despite extensive media coverage of their activities, little consideration goes into the fact that a drone, for the most part, is a flying aerial reconnaissance center, where images are taken, processed und evaluated in real time Was Reck intendiert, ist nicht nur diesen ‚neuen‘, Hegelschen Gestus des Werdens zur Überwindung der Ontologie der Fotografie einzuführen, also die Geschichtlichkeit der Dinge anzumahnen, er legt auch gleich den Finger in die Wunde der Hegelschen Dialektik, die mit der Geschichtlichkeit das konkrete Werden und Vergehen alles menschlichen Weltbezugs meint. Was nämlich Barthes am fotografischen Porträt der Mutter festzuhalten wünscht, gebiert als essayistische Erzählung das Werden. Die einzige Weise, in der Fotografien betrachtet werden können, ist, in ihnen die verlorene Geschichte wieder auffindbar zu machen, die durch ihren Akt zerstört worden ist. Da ist zum Beispiel die Kategorie Das kleine Deutschlandalbum. Es enthält Fotos aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen. Diese Fotos zeigen Menschen auf Urlaubsfahrt durch Deutschland. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Da gibt es in meiner Sammlung viele verschiedene Ansichten vom selben Ort zu unterschiedlichen Zeiten. Diese Ergänzung hilft, komplexer zu erfassen und umfassender zu beurteilen. Doch auch hier kann der zweite Blick unter Umständen irritieren, verwirren: Unterscheiden sich beide Sichtweisen allzu stark, könnte diese Form der Parallaxe zunächst als Nachteil, als Handicap empfunden werden. Dabei soll nicht grundsätzlich gefordert werden, dass Werbefoto-grafie per se die Gesellschaft in Frage stellen muss. Professionelle Bildproduzent_innen müssen sich jedoch bewusst darüber sein, warum sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestimmte Dinge tun und andere lassen. Die Besonderheit ist, dass es Bilderhefte sind, die ich in Handarbeit selber mache. Sie sind dann fertig, wenn ich sage sie sind fertig, auch wenn sie zwölf oder vierzehn Seiten haben. Das bedeutet, dass diese Hefte zumindest nicht maschinell oder ganz normal in der Druckerei hergestellt werden. Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist viel mehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und bestimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. Richtig, und ich frage mich, wie ich ihnen wieder eine emotionale Funktion zurückgeben kann. Das ist das, was mich interessiert. Also, dass dem Bild wieder eine Funktion zukommt, und zwar nicht nur eine in sich beschränkte Funktion als Zeit-zeugnis. Ich nehme mir die Freiheit, mit diesen Bildern so umzugehen, wie ich es für richtig halte. Ich greife in die Bilder ein, ich erweitere und ergänze sie. Es wäre ein leichtes, weitere Unterschiede anzuführen, was mehr und mehr zu der Annahme führen könnte, daß auch das öffentliche Auftreten entsprechend different sein müßte. Dieserart Inszenierung verhindert nachdrücklich, daß eine nähere Beschäftigung mit den Bildern stattfindet. Denn bei der Vernissage wird ohnehin den ausgestellten Werken meist der Rücken zugedreht bzw. erlaubt die Schar jener, die sehen wollen, wer da ist, sowieso nur hastige Blicke auf den einen oder anderen zufälligen Ausschnitt. Aber genau das ist dann der Punkt, an dem du auf einer falschen Fährte bist. Ich möchte nicht, dass du darüber nachdenkst. Insofern muss ich das ändern. Ich habe schon eine gewisse Vorstellung, worüber Betrachter nachdenken sollen und das gehört definitiv nicht dazu. Worauf die Kuratoren und Herausgeber dieser Veröffentlichungen besonderen Wert legen, sind die Gegenüberstellungen der Bilder auf einer Doppelseite. Dabei wird nach den ästhetischen Dispositionen der gestaltenden Verantwortlichen vorgegangen, weil damit auf elegante Weise frühere Zusammenhänge im Schaffen der Fotografin oder des Fotografen oder auch ehemalige Darstellungsweisen in Fachjournalen usw. verborgen bleiben können. Thus, remaining invisible while registering even the smallest details became the guideline for UAVs, as drones are more technically refered to; they were ment to be a flying gaze without a body, oriented towards the smallest air vehicles with vision, the insects. Before such invisible drones could be built, they were named after them: Firebee was the first drone that was widely deployed, ini-tially during the war in Vietnam1. Man könnte sagen: die Formation steht entschieden gegen die In-Formation! Und sie verhindert auch wirkungsvoll ein Erinnern, denn wer behält schon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind. Zur Haltung werden dabei so unterschiedliche Merkmale gezählt wie mo-ralische Grundsätze, professionelle Kompetenzen in Recherche und Stil und Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Demokratie. Man kann durchaus diskutieren, dass ein Bild erst durch seinen Kontext eine Bedeutung bekommt. Das ist auch der Grund, weshalb wir für die Einreichung kein Thema vorgeben. Die Vielfalt der Einreichungen ermöglicht uns einen viel größeren Spielraum diese Bilder neu zu interpretieren. Da gibt es zehn Bilder, ein kleines Heft, eine in sich geschlossene Einheit oder Geschichte, wie immer man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt. Und bei der Einöde der restlichen Tage, an denen geöffnet ist, verführt die Gleichförmigkeit der Hängung nach dem Prinzip der militärischen Ausrichtung den Besucher zu wenig mehr als einem entsprechenden Abschreiten. So erscheint die Saison der sozialen Netzwerke sich als modistische Strömung, in der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe am Sozialen, sondern am Konsum im Mittelpunkt steht. Zur Haltung werden dabei so unterschiedliche Merkmale gezählt wie moralische Grundsätze, professionelle Kompetenzen in Recherche und Stil und Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Demokratie. Wie so oft in der Technik zeigen diese Beispiele aus der Fotografie, daß Vor- und Nachteile fast immer gemeinsam auftreten. Folglich liegt es an einem selber, die Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu meiden. Thus, remaining invisible while registering even the smallest details became the guideline for UAVs, as drones are more technically refered to; they were ment to be a flying gaze without a body, oriented towards the smallest air vehicles with vision, the insects. Before such invisible drones could be built, they were named after them: Firebee was the first drone that was widely deployed, initially during the war in Vietnam1. In solchen Fällen spricht man von Parallaxfehlern. Auslöser ist, daß das Suchersystem, mit dem das Bild betrachtet wird, sich oberhalb des Objektivs befindet, das das Foto aufnimmt. Aber sind wir da nicht bei einem Grundproblem von Gestaltung und Kunst? Und zwar der Frage, ob und wie Methoden aus einem Medium in ein anderes einfach übertragen werden können? Er erklärt alle gegenwärtigen sozialökonomischen Beziehungen. So erscheint die Saison der sozialen Netzwerke sich als modistische Strömung, in der Aufmerksamkeit sich als Rohstoff für Reklame anbietet, in der nicht die Teilhabe am Sozialen, sondern am Konsum im Mittelpunkt steht. Durch das Layout und die Anordnung hoffen wir natürlich, dass man jede Ausgabe nicht nur ein Mal durchblättert, sondern immer wieder neue Dinge entdeckt. Professionelle Bildproduzent_innen sind Menschen, die mit der Kamera die Welt beschreiben und das Fotografieren zu ihrem Beruf gemacht haben. Wenn es um Erzählmethoden im Fotobuch geht, kommt man sehr schnell an denselben Punkt. Es gibt keine niedergeschriebene Grammatik oder Rhetorik für visuelles Material, wie es sie zum Beispiel in der Literatur gibt. Sie finden sich in vielen Bereichen, von der Porträt-, der Werbe- und Reisefotografie über künstlerische Fotografie bis hin zu Fotojournalismus und immer öfter in Mischformen und mit Standbeinen in vielen verschiedenen Bereichen, um dem ökonomischen Druck standhalten zu können. Wählt man beispielsweise die Perspektive mit Hilfe des Suchersystems so, daß man ganz knapp oberhalb einer Tischkante auf das Motiv blickt, kann es sein, daß das – etwas tiefer befindliche – Objektiv ausschließlich die Tischkante aufnimmt und somit ein völlig anderes, „falsches“ Bild erzeugt. Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Als Produktionsabfall sind die nicht unbeträchtlichen Kosten der elektrischen Energie, als Konsumgut die kurze Halbwertszeit der vermittelten Kontakte zu verbuchen. Man könnte sagen: die Formation steht entschieden gegen die In-Formation! Und sie verhindert auch wirkungsvoll ein Erinnern, denn wer behält schon ein einzelnes Gesicht im Gedächtnis, wenn hundert gleich Uniformierte vorbeimarschiert sind. Die professionelle Fotografie steht dabei immer in einem Spannungsverhältnis zwischen der kritischen Dokumentation gesellschaftlicher Zustände, sowie der Reproduktion und Festschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse. Nicht nur in der Technik tritt eine Parallaxe auf, eine „Veränderung“ durch „Hin- und Herbewegen“, sondern auch beim Betrachten und Beurteilen von Fotos und anderen Werken. Nun könnte man einwenden, daß die Ausstellungen ja zumeist von Katalogen begleitet werden, die ein anderes Medium darstellen und bestimmte Aufgaben der Vermittlung zu übernehmen hätten. Frist setzen. Bestimmen Sie ein konkretes Datum, wann Sie mit dem Fotografieren aufhören werden. Fotografieren Sie bis zu diesem Tag ganz normal weiter, aber an dem festgelegten Datum beginnt Ihre Entwöhnung. But for the most part of the second half of the last century the task of secretly observing far away events behind enemy lines was executed by reconnaissance satellites and spy planes, circling unseen, or at least at invulnerable hights, over Russia, China, and other nations of the communist block. Benjamins Texten über die Fotografie, aber auch denen von Susan Sonntag oder Roland Barthes wird man schwerlich Ingenieursabsichten unterstellen. Es zeichnet aber die Kuratorinnen und Kuratoren von heute aus, daß es ihnen gelingt, jeden Wechsel der Ansicht wirkungsvoll zu verhindern, indem sie die Aufbereitung des Bild- und Datenmaterials in Ausstellungen und den dazugehörigen Publikationen immer ähnlicher gestalten. Richtig, aber ein gutes Bild ist generell vieldeutig. Die eindeutigen Bilder interessieren mich selten. Ich selber mache ja so kleine Bilderhefte. Ähnliches gilt auch für die Fotojournalist_innen. Durch ihre Thematisierung gesellschaftlicher Zustände legen sie Wertigkeiten fest. Auch sie müssen sich fragen lassen, warum sie bestimmte Themen bearbeiten und wie sie gesellschaftliche Akteure in Szene setzten. Jeden Tag ein Foto weniger machen. Am Morgen legt man sich die Anzahl der Fotos zurecht, die man tagsüber machen will. Das langsame Abgewöhnen verlangt keinen allzu starken Willen. The imagery they aimed to obtain had not only to be captured secretly, an image taken from kilometers away also had to be understood. The problematics of analyzing reconnaissance imagery had been problematized earlier1, but only after WWII methodologies emerged that allow for an understanding of the current situation. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und bestimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. Wir schauen uns alle Einreichungen an und stoßen auf bestimmte Bilder, die wir dafür spannend finden. Wir entdecken bestimme Geschichten und verbinden diese dann vielleicht mit einem anderen Bild. The Cuban missile crisis is a tipping point in this development, taking place before images became digitalized, but the approach already bearing a „digital signature“. Fotografieren Sie nur noch mit der Hand, mit der Sie bisher nie fotografierten. Sie kommen nicht im modernen Sinne ‚theoretisch‘ daher, sondern sind eher Geschichten, oder besser, Anschauungen über Fotografie, die sich nur gelegentlich einem einzelnen Foto widmen und nur selten die Frage nach der ontologischen Gegenwart der Fotografie stellen. Und wenn ich darüber nachdenke, gibt es da natürlich schon ein paar Parallelen zu den Haikus. Da gibt es zehn Bilder, ein kleines Heft, eine in sich geschlossene Einheit oder Geschichte, wie immer man es nennen mag, die einen Nachklang erzeugt. In diesen Fällen ist ein zweites Statement gemeint, ein zusätzlicher Blick aus anderer Perspektive. Diese Ergänzung hilft, komplexer zu erfassen und umfassender zu beurteilen. Diese ontologische Fragestellung: „Was ist die Fotografie?“ trifft man jedoch häufig unter Fotografen oder in der medienwissenschaftlichen Beschäftigung mit der Fotografie an, manchmal mit der Relativierung: „Was ist die Fotografie heute?“: Kunst, Technik, Mittel der Dokumentation, etc. – alle diese Antworten lesen sich als vorschnelle Entschuldigungen. Haltung bedeutet erst einmal nichts anderes als bewusstes bildnerisches Handeln: ein Handeln im Bewusstsein möglicher Konsequenzen, welche die Produktion von Bildmaterial nach sich ziehen kann. Vom Prinzip bleibt es immer das selbe. Im Grunde versuchen wir den ursprünglichen Kontext für uns auszuklammern. Ja, mehr noch: Damit ein Minimum an Fakten zum Publikum gelangt, sind die biografischen Abrisse oftmals ident, werden nicht nur Äußerungen der Künstler, sondern auch Auslassungen von Katalogautoren aus der Begleitpubli-kation auf die Ausstellungsflächen übernommen. Doch auch hier kann der zweite Blick unter Umständen irritieren, verwirren: Unterscheiden sich beide Sichtweisen allzu stark, könnte diese Form der Parallaxe zunächst als Nachteil, als Handicap empfunden werden. Wir fanden es spannend im Laufe der Ausgaben immer bei demselben Konzept zu bleiben. Es lässt sich an sich unendlich weiterspinnen. Ebenso bestehen die Einführungsreden der Kuratoren im besten Fall aus Auszügen aus dem von ihnen verfaßten Katalogtext, wobei jene Passagen Bevorzugung erfahren, in denen Walter Benjamin oder Roland Barthes zitiert werden, und zwar möglichst die bekannten und tiefgründigen Sentenzen zur „Aura“ und zum „Es ist gewesen“. Um dieses Bewusstsein erlangen zu können, sind umfangreiches Bildwissen und eine ausgeprägte Bildkompetenz, vor allem hinsichtlich ikonografischer Traditionen und aktueller Bilddiskurse von großer Bedeutung. Ich finde die Thematik, wie man mit Bildern etwas vermitteln kann, ohne dass es in einer Beliebigkeit hängenbleibt, immer wieder interessant. In late September 1962 Colonel John R. Wright studied photographs that had been taken over Cuba a few weeks earlier by a U-2 reconnaissance plane when he noticed a certain pattern among the Russian SA-2 SAM anti-aircraft missiles. Natürlich haben wir versucht von Ausgabe zu Ausgabe die Qualität zu steigern, und auch die Erfahrung im Umgang mit Bilden hat sich erweitert. Nicht zuletzt besteht der Pressetext aus einer Kurzfassung der Einleitung, wodurch auch die Rezensenten über das Vorhaben weitestgehend im Unklaren gelassen werden und ihre Bequemlichkeit jene Unterstützung erfährt, die gewährleistet, daß sich viele Besprechungen höchstens in den Satzstellun-gen und -zeichen unterscheiden. In letzter Zeit sehe ich oft Bildersammlungen, innerhalb derer auch Unterschiedliches aufeinander trifft und das visuell durchaus spannend ist. Letztlich bleibt aber nichts übrig, außer, dass ich gut unterhalten worden bin. Daher schätze ich die Parallaxe beim Beurteilen immer und uneingeschränkt! Fotografieren Sie nicht mehr ohne hinzusehen. Wer im 21. Jahrhundert professionell Bilder produziert, muss wissen, dass er ein Terrain betritt, welches von jahrhundertealten Traditionen des Sehens und Gestaltens präpariert wurde. Oder, wie Hans Ulrich Reck jüngst angesichts der gegenwärtigen Digitalisierung erörtert: die Fotografie, das ist die Beschaffung visuelles Materials.1 Die Fotografie liefert den Rohstoff für multiple Gegenwärtigkeit, einen Rohstoff, den man beliebig archivieren, manipulieren und sogar simulieren kann, kurz, die Präsenz der Welt auf dem Tableau des Visuellen. Der Tafelteil des Kataloges wiederum besteht in einer der Ausstellung ähnlichen Aneinanderreihung von Bildern, oftmals einer lediglich kürzeren Fassung von dieser. Allerdings wird streng darauf geachtet, daß nicht allzuviel Variabilität den Blick ermuntert. Eine Haltung kann am Ende eines (Lern-)Prozesses stehen, gleichzeitig hat sie aber auch selbst etwas Prozesshaftes. Unsere Herangehensweise hat sich von Mal zu Mal immer verändert. Wir haben immer andere Kriterien für uns gehabt, wie wir da dran gehen, wie wir so eine Geschichte spinnen und wie wir die Auswahl machen. Mit nur einem Auge sehend ist es kaum möglich, von der Seite her einen Kaffeelöffel mit dem Zeigefinger zu treffen. The existence of these missiles was known, but the formation they had been set up, the trapezoidal shape they formed, made Wright nervous, as „this pattern was similar to those identified near ballistic-missile launch sites in the Soviet homeland“1 Wright couldn´t exactly see waht these images indicated to him, he had to combine them with external data, stemming from other images, or other form of intelligence. Fangen Sie jeden Tag eine Stunde später zu fotografieren an. Für den Betrachter ist das natürlich nicht unbedingt zu erkennen. Aber auch wir sind inzwischen an dem Punkt, an dem wir merken, dass es sich langsam wiederholt. Bzw. dass es an der Zeit ist, dass etwas ganz Neues passiert. In jedem Fall sind für ihre Entwicklung Zeit und ein geschützter Raum vonnöten, in dem sie sich entfalten kann. Wenn man Recks Betrachtungsweise mit derjenigen Benjamins vergleicht, fällt auf, dass unter ihr das Signum der Schau wieder eingeführt wird. Die Bildunterschriften sind mit jenen der Ausstellung identisch, keinesfalls werden die Maße der originalen Abzüge angegeben, weil dies die Phantasie des Betrachters allzusehr strapazieren würde. Das können allerdings viele! Für mich muss eine Arbeit mehr auslösen. Sie muss einen Nachklang haben. Deshalb treiben mich so Dinge um wie: Kann ich eine Frage stellen über das, was da gezeigt wird einerseits – und über Bild und Wahrnehmung andererseits? Bobby Kennedy, then Attorney General, remembered this situation quite clear: „Experts … told us that if we looked carefully, we could see that there was a missile base beeing constructed near San Cristóbal, Cuba. I, for one, had to take their word for it. I examined the pictures carefully, and what I saw appeared to be no more than the clearing of a field for a farm or the basement of a house. I was relieved to hear later that was the same reaction of virtually everyone at the meeting.“ Wechseln Sie nach jedem Foto die Kamera. Es sind Aspekte wie die Haltung, die sich immer wieder bewusst gemacht und in kritischer Diskussion neu geschärft werden müssen. Das finde ich wichtig! Mit Bildern über Bilder zu arbeiten, über das Denken zu arbeiten, und Wissen in Frage zu stellen. Insgesamt regiert das hehre Motto der Sprachlosigkeit: ‘Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!’ Damit die Intentionen der Bildautoren weitestgehend im Dunkel bleiben, werden Farbaufnahmen – soweit machbar – in Schwarzweiß wiedergegeben, ohne diese Tatsache zu erwähnen (außer im vertraulichen Gespräch, bei dem über die geringen Mittel, die hohen Klischeekosten, die Knausrigkeit der ministeriellen Stellen oder Sponsoren lamentiert wird.) Das ist ein sensibler Punkt, weil wir durchaus merken, dass wir inzwischen routiniert sind in dem, was wir machen und es Zeit ist einen neuen Schritt zu gehen. Wir haben noch keine feste Idee, wie die nächste Ausgabe aussehen wird, aber unser Plan ist, dass sie komplett überarbeitet wird. Waschen Sie Sich nach jedem Foto die Augen aus. Auch insofern wird die Analogie zur Ausstellung gewahrt, wo nach denselben Maßgaben verfahren wird. Als schaustellernde Meisterleistung gilt allerdings, wenn das Einerlei durchbrochen wird und zwei Bilder übereinander oder gar ein Viererblock auf einer Seite oder einer Wand plaziert werden. In these moments a crucial shift in the understanding of photo-graphic images occured: since its inception considered to be the most accurate form of visual representation, photography suddenly did not allow for differentiation between a military site and a farm. Instead, they entered a political process. Aus der ontologischen Betrachtung wird demnach eine dialektische und aus der dialektischen eine ökonomische. Die ökonomische Theoriestellung widmet allerdings nicht mehr dem Produkt die Aufmerksamkeit, sondern dem Produktions- und Konsumtionsvorgang ausgehend vom Rohstoff: dem visuellen Material. Die Besonderheit ist, dass es Bilderhefte sind, die ich in Handarbeit selber mache. Sie sind dann fertig, wenn ich sage sie sind fertig, auch wenn sie zwölf oder vierzehn Seiten haben. Das bedeutet, dass diese Hefte zumindest nicht maschinell oder ganz normal in der Druckerei hergestellt werden. Nur dann kann die professionelle Fotografie ihrer besonderen Rolle gerecht werden und sich von der Amateurfotografie differenzieren. Genau. Die Ausstellung ist natürlich nochmal ein neuer Ansatz. Sie wird ähnlich funktionieren wie das Magazin, aber mit wichtigen Unterschieden. Auch hier gibt es eine offene Einreichung. Wir werden zuerst anfangen auf Tischen mit verschiedenen Kombinationen zu spielen und später an einer weiteren Wand mit Hilfe von Beamern das Layout erarbeiten. Keine Ausreden. Eine schöne Landschaft oder ein spektakulärer Autounfall sind keine Ausreden dafür, doch nochmals zur Kamera zu greifen. Adlai Stevenson, American ambassador to the UN, had the difficult task of explaining what was in front of everybodies eyes a week later, on October 25th, when he had to convince the General Assembly that the Russians were indeed installing ICBMs in Cuba. Stevenson brought the reconn-naissance images with him to the assembly, and performed the task of a photo interpreter, going through picture by picture. Sie fragt nach Opfer und Gewinn im Akt der Vergegenwärtigung, die Zerstörung und die Findung von Geschichte, d.h. von Erfahrung und von Ich-Bewusstsein. Neben der Materialverarbeitung und seiner Warenzurichtung steht damit der Fotograf als Produzent von Subjektivität im Fokus der theoretischen ‚Schau‘, d.h. der Geschichte der Theorien der Fotografie oder schlicht der Philosophie der Fotografie. Nun möchte man meinen, daß Entkontextualisierung, ständiges Zitieren, assoziative Bezugnahme, das Hinter-sich-lassen von Geschichte durchaus eine Erscheinung postmodernis-tischen Gepräges abgeben. Ich habe ja so eine riesen Sammlung. Die Galerie wird jeden Tag anders aussehen. Wenn man als Besucher vorbeikommt, kann man durch Gespräche und Kommentare Einfluss auf den Prozess nehmen. Der Besucher soll somit erleben, was passiert, wenn man mit diesen Bildern spielt und sie unterschiedlich kombiniert. Und hoffentlich wird es dazu dann spannende Diskussionen geben. Keine unnötigen Herausforderungen. Versuchen Sie, am Anfang die Situationen zu umgehen, in denen Sie normalerweise fotografiert haben. The Cuban Crisis took its course, but even if the motto of the Air Force squadron that executed the following low-level reconnaissance missions was Voir c´est savoir, human vision alone wasn´t capable of prolifering the demanded informations any longer. Hier erzählt uns die Fotografie eine Geschichte ihrer Anschauungen, die nicht die der Geschichte ihrer Blicke ist, deren spontanster, etwa von Kraus (...) sich in der Fragestellung formuliert, ob die Fotografie Kunst sei oder lediglich eine technischer Effekt. Man könnte auch darauf verweisen, daß die Gleichförmigkeit ein probates Mittel ist, das Kunstwerk zum Verschwinden zu bringen, aber Jochen Gerz hat etwas anderes gemeint, als er befand: „Kunst ist gut, wenn man an ihr vorbeigehen kann, ohne daß man sie sehen muß.“ Das passiert vor allem in Form unserer Artist-Features. Hier werden im Wochen-rythmus Fotografen, die im Heft vertreten sind, mit einer Serie vorgestellt und dürfen auf unserem Blog posten. Denn er dachte an die Bilder, die im Kopf entstehen, die entstehen, indem ein Kunstwerk verformt, verworfen, verändert, also zumindest partiell zerstört und neu kreiert wird. Also, das soll zumindest kein Stilelement sein! Das kann sogar ein Fehldruck sein. Wenn ich jetzt so gucke, ist es mir jetzt auch nicht so wichtig. Also es stört mich jetzt nicht auf den ersten Augenblick, aber es stört mich dann schon, wenn jemand genau die Frage stellt, die du gerade gestellt hast. Also insofern müsste es schon anders sein, weil das nicht die Frage ist, die ich stellen will. Auf diese Fragestellung ist Walter Benjamin in seinem Aufsatz über die Reproduzierbarkeit eingegangen, indem er erklärt, dass der Effekt die Vorstufe zum Stil ist, aber einem Stil, der nicht in dem Medium sich entfalten kann, aus dem Nothaft der Effekt sich als Manier herausarbeitet. Benjamin legitimiert seine Anschauung an der Malerei, den Materialgedichten und Collagen der Dadaisten. Photographs had entered a stage where simply looking at them or showing them wasn´t enough, they needed additional information, foundations, or, more generally, they needed something coming from outside the image to ascribe the image a certain meaning. Das Betrachten von Kunst, von Fotografie ist — nach wie vor — ein aktiver, kreativer, manipula-tiver, kein konsumtiver Akt, auch wenn die mediale Entwicklung auf andere Prioritäten setzt. Während wir im Magazin nur einzelne Bilder zeigen, ist die Website somit eine Art Rückführung zum ursprünglichen Kontext und zu den einzelnen fotografischen Positionen. Das ist spannend, weil hier Querverweise zu anderen Arbeiten und Fotografen entste-hen und die Website natürlich von mehr Leuten besucht wird, als das Magazin gekauft wird. Hier geht es wirklich um den informativen und kommunikativen Charakter und die Schnelligkeit, die das Internet bietet. Far from understanding the photograph as direct and obvious representation, that might only be restricted by what it didn´t show – by way of framing, timing, perspective, position, etc. – here the notion is totally different: the image itself is very abstract, what it shows, what one can see, and what it contains might be totally different things. Den gerade erhobenen Zeigefinger will ich aber rasch wieder senken, denn ich habe gehört, daß auch in anderen Künsten der Gedanke der einheitlichen Verpackung aufgegriffen wird. Durch das Layout und die Anordnung hoffen wir natürlich, dass man jede Ausgabe nicht nur ein Mal durchblättert, sondern immer wieder neue Dinge entdeckt. Diese zusätzlichen grafischen Elemente wie eingescannte Asche oder ein Riss im Papier geben dem Magazin noch so einen haptischen Zusatz, der die Bilder ein bisschen mehr mit dem Papier verbindet. Aber genau das ist dann der Punkt, an dem du auf einer falschen Fährte bist. Ich möchte nicht, dass du darüber nachdenkst. Insofern muss ich das ändern. Ich habe schon eine gewisse Vorstellung, worüber Betrachter nachdenken sollen und das gehört definitiv nicht dazu. Photographs had become obscure containers, black boxes in need of something or somebody to open them and extract or read out what was immersed under their surface. What could make this clearer than the fact that the images connected with this crisis never showed a missile or a nuclear warhead, but only trailers and crates. The science of detecting their content became known as „crateology“. So verspricht sich manch ein Galerist erhöhtes Interesse, wenn alle ausgestellten Gemälde mit derselben Leichtmetalleiste gerahmt werden, und ein Museum soll ihre sämtlichen Skulpturen auf gleich große und gleich hohe und gleichfarbige Kunststoffpodeste stellen. Aber das halte ich für ein Gerücht! hre Burlesken, die sich aus den konventionellen Künsten emanzipieren wollen, sind eigentlich solche, die im Medium Film um und nach dem Ersten Weltkrieg ihr effekthaftes Gegenstück entwickeln. Wie aber der Film in sich alle Arten der Zeit- und Raummontagen versammeln kann, so kann nur die Fotografie alle Arten der Vergegenwärtigung versammeln. Die Grundlage dieser Bilderhefte sind Bilder aus meiner sehr umfangreichen Sammlung von Alltagsfotografien. Diese verwaisten Bilder versuche ich emotional wieder zugänglich zu machen und die Betrachter mit Geschichten und Fragen zu konfrontieren. Es lockert das alles nochmal ein bisschen auf, weil es nicht so clean ist. Wir haben diese Elemente von Ausgabe zu Ausgabe immer weiter reduziert. Am Anfang waren sie viel stärker. Hierbei sammle ich all die Fotos, die andere nicht sammeln. Denn irgendwann wird es diese Fotos mal nicht mehr geben. Ich sammle zunächst einmal, um zu bewahren: Amateurknipser-Fotos, Familienfotos und alles, was mir parallel dazu in den Blick kommt und mir interessant und bewahrenswert erscheint. Even before digitaliza-tion photographs got a depth, a materiality, that was no longer minor to the surface allowing the later transition from looking at a photo to working with a photo. Im Laufe der Durchsicht bildet sich für uns ein Thema heraus. Dieses lässt sich dann aber nicht auf ein Wort oder einen Satz reduzieren. Es ist viel mehr eine Art Begriffswolke. Bei der letzten Ausgabe haben wir uns eine bestimmte Welt vorgestellt. Eine Welt und bestimmte Charaktere, die sich in dieser Welt bewegen. nzwischen habe ich das Institut für künstlerische Bildforschung gegründet, und im Moment ist dieses Archiv eine Art Steinbruch für meine Arbeit. Das bedeutet, dass ich dieses Material sichte, es hinterfrage und herauszufinden versuche, welche Fragen und welche Potenziale darin enthalten sind. Und sie tut das so übermächtig und erfolgreich, dass durch sie ebenfalls ein neues Medium generiert wird: die Gegenwart selbst. Nicht die Gegenwart der vermittelten Erzählung ist damit gemeint, sondern die der ‚artifiziellen Präsenz‘1 einer Präsenz, die als inszenierte erscheint. Da ist zum Beispiel die Kategorie Das kleine Deutschlandalbum. Es enthält Fotos aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen. Diese Fotos zeigen Menschen auf Urlaubsfahrt durch Deutschland. Dabei haben sie zur Selbstvergewisserung fotografiert. Photographs became subjects of interrogation, raw material for processes that mined for concealed information. And just as the capabilities of human vision had been limited, the results of analysis fell in a different order, as they were only indicators, or better: symptoms. Photo interpretation meant longing for the unconscious of the image:“ Photo interpretation has to do with making assumptions based on association and orders of probability.“ Der Einwand, die Foto-grafie als Medium unter Medien in einen Topf etwa mit der Illustration, der Malerei oder anderen Bildentäußerungen zu stecken – dem visuellen Rohstoff, kann relativiert werden, indem man die Frage nach dem Status des Produzenten stellt, der als Fotograf sein Produkt in den ökonomischen Kreislauf stellt. Wir schauen uns alle Einreichungen an und stoßen auf bestimmte Bilder, die wir dafür spannend finden. Wir entdecken bestimme Geschichten und verbinden diese dann vielleicht mit einem anderen Bild. Für die letzte Ausgabe wurden 8.000 Fotos von ca. 1.000 Leuten eingereicht. Texte waren es weniger. These programms already could „sharpen out-of-focus images, build multicolored single images out of several pictures taken in different spectral bands to make certain patterns more obvious, change the amount of contrast between the objects under scrutiny and their backgrounds, extract particular features while diminishing or eliminating their backgrounds altogether, enhance shadows, suppress glint from reflections of the sun, and a great deal more. Radar and infrared imaging used in conjunction with the digital computers would allow objects only partially seen through cloud cover or haze to be reconstructed, and even some targets underground could be defined and highlighted.“ Das schließt die Fotografie als Kunst ausdrücklich mit ein. Auch wenn die Kunst sich zuweilen unökonomisch situ-iert, ist sie doch nicht anökonomisch. D.h. sie ist selbst als Minimal Art der menschlichen Produktion und einem Rohstoff unterworfen. Durch mein Eingreifen wird aus diesen visuellen Zeugnissen, die aus unterschiedlichsten Quellen stammen, ein Gemeinsames erzeugt. Ich bin letztlich derjenige, der das choreografiert und zum Sprechen bringt. Vom Prinzip bleibt es immer das selbe. Im Grunde versuchen wir den ursprünglichen Kontext für uns auszuklammern.