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Die Juli-Ausgabe des Straßenmagazins.
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1.80 EuroJuli 2012 | 90 Cent für den Verkäufer
08 | Für Angst bleibt keine Zeit | Gewalt gegen Rettungskräfte
04 | Momo und der Staatsanwalt | Der Schauspieler Christian Tasche
32 | Prekäres Wohnen | Spekulation, Hartz IV und „Antikraak“
21 | 18 Verlosungen | z.B. Juicy Beats 17 im Westfalenpark Dortmund
Das Straßenmagazin
bodo
2
EDITORIAL
BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS
Herausgeber | Verleger | Redaktion
bodo e.V.
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:
Bastian Pütter | [email protected]
0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20
Layout und Produktion:
Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign
0231 – 106 38 31 | [email protected]
Veranstaltungskalender:
Benedikt von Randow | [email protected]
Anzeigenleitung:
Bastian Pütter | [email protected]
0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20
Vertriebsleitung:
Oliver Philipp | [email protected]
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
Autoren dieser Ausgabe:
Theresa Baumeister, Bianka Boyke (bb), René
Boyke (rb), Tino Buchholz, Kurt-Michael Co-
ennen, Wolfgang Kienast (wk), Tobias Müller,
Bastian Pütter (bp), Benedikt von Randow
(bvr), Rosi, Sebastian 23, Sebastian Sellhorst
(sese), Bianka Schacht (bs)
Fotos: Andre Noll (S.3,4,5,9,10,29,39),
Claudia Siekarski (S.2,6,7,10), Volker Ma-
cke (S.7), Bianka Boyke (S.12), Sebastian
Sellhorst (S.3,7,11,14,16,30), Markus Gierse
(S.38), Wohnzimmer Alsenstraße e.V. (S.20),
Christoph Neumann (S.20), Sander Holloway
(S.32,33), Tino Buchholz (S.34), Netzwerk X
(S.35)
Titelbild: Andre Noll
Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann
Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.
Auflage | Erscheinungsweise:
12.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)
Redaktions- und Anzeigenschluss:
für die August-Ausgabe 10.07.2012
Anzeigen:
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 7
Vertriebe:
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-
tenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert ein-
gesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung
übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehal-
ten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen
Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrückli-
chen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und
namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht
unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Verein:
bodo e.V. | als gemeinnützig eingetragen
im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
bodoev.de | facebook.com/bodoev
Vorstand:
Nicole Hölter | Brunhilde Dörscheln |
Andre Noll | [email protected]
Geschäftsleitung | Verwaltung:
Tanja Walter | [email protected]
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
Öffentlichkeitsarbeit:
Bastian Pütter | [email protected]
0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20
Transporte | Haushaltsauflösungen:
Michael Tipp | [email protected]
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
bodos Bücher | Modernes Antiquariat:
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr
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Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr
Anlaufstelle Bochum:
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Mo., Mi. und Fr. von 14 – 17 Uhr
Di. und Do. von 10 – 13 Uhr
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Stadtsparkasse Dortmund
BLZ: 440 501 99, Kto. 104 83 76
Sparkasse Bochum
BLZ: 430 500 01, Kto. 10 406 254
IMPRESSUM
02
Liebe Leserinnen und Leser,
vielen Dank, dass Sie sich für das Straßenmagazin
entschieden und damit eine unserer Verkäuferinnen
oder einen unser Verkäufer unterstützt haben – auf
die bessere Art, wie wir finden. Die meisten unserer
rund hundert MitarbeiterInnen lehnen eine Spende
nicht ab, doch allen ist es wichtig, dass der Verkauf
des Straßenmagazins sich grundsätzlich davon un-
terscheidet, einfach die Hand aufzuhalten.
Wer bodo anbietet, zeigt, dass er oder sie bereit
ist, das eigene Leben wieder selbst in die Hand zu
nehmen. Der Verkauf ist eine Arbeit auf Augenhöhe,
der faire Tausch Magazin gegen Kaufpreis ist etwas
ganz anderes als das Empfangen von Almosen.
Bei vielen, die neu zu uns kommen, beobachten wir
bereits in den ersten Wochen die Entwicklung hin zu
mehr Selbstvertrauen, mehr Offenheit und hinaus
aus der Isolation hin zu einer Vielzahl von sozialen
Kontakten, die ohne das Straßenmagazin nicht ent-
standen wären. Eine Aufgabe zu haben, angenommen
zu werden in der Gruppe, den freundschaftlichen und
unbürokratischen Zugang zu Hilfsangeboten und den
Kontakt zu Menschen in ganz anderen Lebenssituati-
onen zu haben, ist die Basis, auch das eigene Leben
neu zu sortieren. Helfen Sie dabei, indem Sie mit uns
für den Kauf des Straßenmagazins werben.
In dieser Ausgabe treffen wir den Schauspieler
Christian Tasche, fahren Rad im Dortmunder Wes-
ten und an der Ruhr in Witten. In einem kleinen
Schwerpunkt beschäftigen wir uns mit prekärem
Wohnen zwischen Wohnungsspekulation und Hartz
IV und Mietern ohne Rechte im niederländischen
„Antikraak“-Modell. In Bochum besuchen wir ein
Nachbarschaftsprojekt, in dem sich eine ganze
Straße ein gemeinsames Wohnzimmer geschaffen
hat. Titelthema ist die zunehmende Gewalt gegen
Rettungskräfte, die eine Studie der Ruhruni ermit-
telt hat. Wir haben bei den „Sanis“ des Wittener
ASB nachgefragt.
Ausnahmsweise haben wir in diesem Heft die Seite
39, die sonst Ihren Leserbriefen und Kommentaren
vorbehalten ist, „zweckentfremdet“. Wir suchen
Unterstützung für die Außenwerbung an unserem
neuen Vereinssitz am Schwanenwall 36 – 38 in
Dortmund. Und wir zeigen Ihnen, wie es hier hof-
fentlich bald aussieht.
Ihre Meinungen, Anregungen und Ihre Kritik sind
uns jedoch weiterhin wichtig: Schreiben Sie uns, was
Ihnen gefällt, was Ihnen fehlt oder sie stört und was
Sie sich von uns wünschen. Im nächsten Heft wird die
„Leserseite“ wieder ihre ursprüngliche Form haben.
Sichtbar zu sein, ist für uns als Organisation und
im Besonderen für unseren Buchladen wichtig. Mit
dem Umzug vom Hafen in die Dortmunder Innen-
stadt hat sich hier bereits eine Menge getan. Wir
freuen uns über mehr Kunden im Laden als früher
und über schöne Buchspenden.
Wenn alles klappt, wird bald unsere erste Auszubil-
dende ihre Prüfung bestanden haben und „Aus-
zubildende Nummer 3“ wird ihren Vertrag bei uns
unterschreiben.
Besuchen Sie unseren Sonderverkauf im Juli mit
1.000 Büchern zum Thema Kochen, Wellness,
Gesundheit zu besonders günstigen Preisen. Und
denken Sie an uns, wenn Sie die Ferienzeit zum
„Ausmisten“ Ihres Bücherregals nutzen.
Viele Grüße von bodo,
Bastian Pütter – [email protected]
3
INHALT 03
02 Editorial | Impressum
04 Menschen Christian Tasche von Bianka Boyke
Der Dortmunder Schauspieler Christian Tasche mag – im Film – die Rolle des
Bösewichts. Und irgendwie passt das auch zu ihm, zumindest äußerlich.
06 Neues von bodo
08 Straßenleben Gewalt gegen Rettungskräfte von Sebastian Sellhorst
Sie sind unterwegs, um das Leben anderer Menschen zu retten, und nicht
selten setzen sie dabei das eigene aufs Spiel. bodo war beim Arbeiter-
Samariter-Bund in Witten zu Gast und hat mit zwei Rettungsassistenten
über die Gefahren und Risiken ihrer alltäglichen Arbeit gesprochen.
11 Verkäufergeschichten Kurt-Michael von Kurt-Michael Coennen Kurt schreibt über sich selbst, über bodo und über viele andere Straßen-
zeitungen in ganz Deutschland.
12 Recht Mutprobe: DVDs auf Ebay verkaufen von René Boyke
Was einem passieren kann, wenn man eine alte DVD auf Ebay verkaufen
möchte, erklärt Rechtsanwalt René Boyke.
12 Kultur Alsenwohnzimmer von Bianka Schacht
Mehr als eine nachbarschaftliche Einstellung braucht man nicht, um beim
Wohnzimmer Alsenstraße e.V. mitzumachen. bodo hat das Gemeinschaftspro-
jekt, das Raum für die unterschiedlichsten Aktivitäten bietet, besucht.
13 Wilde Kräuter Giersch von Wolfgang Kienast
Wer den Giersch im Garten hat, bekommt diesen Monat ein leckeres Re-
zept mit Schalotten und Möhren an die Hand. Getreu dem Motto: „If you
can‘t beat it. Eat it.“
14 Reportage Westwärts! Von Wolfgang Kienast Dortmund im 19. Jahrhundert. Ein dösendes Dorf, das von längst vergange-
nen Hanseherrlichkeiten träumt und plötzlich wachgeküsst wird - von der
Industrie. Eine historische Fahrradtour.
18 Kommentar Von Sportwagen und Kältebussen von Bastian Pütter
Die Idee des Sozial-Profiteurs, der flexibel ein „Arbeitsfeld“ wählt, um
zuerst sich selbst eine Stelle zu schaffen, ist – um es vorsichtig zu formu-
lieren – moralisch wie fachlich ein Problem.
18 News | Skotts Seitenhieb
20 Lesebühne Bunte Haare von Sebastian 23
Sebastian 23 ist Kabarettist, Liedermacher und einer der bekanntesten
Poetry-Slammer Deutschlands – für uns hat er was gereimt.
20 Kinotipp Attenberg im endstation.kino
21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow
28 Interview Abwärtsspirale Wohnen von Theresa Baumeister
Kommunen und Großunternehmen verkaufen ihre Wohnungsbestände, In-
vestoren und Private Equity-Fonds spekulieren und schöpfen Gewinne ab.
Der Stadtsoziologe Dr. Sebastian Müller hat Dortmunds ehemalige Stahlar-
beitersiedlungen untersucht und sagt: Wohnungsspekulation und Hartz IV
lassen Wohnen prekär werden.
32 Reportage »Antikraak« – Wohnen als Job von Tino Buchholz
Wohnen in einem Schloss für wenig Geld? Das kann man in den Niederlan-
den, wenn man auf sämtliche Rechte als Mieter verzichtet. „Antikraak“ ist
eine drittklassige Wohnform, die sich inzwischen auch nach Deutschland
ausbreitet – prekär ist gar kein Ausdruck.
35 Stadtkultur Ein X für ein U von Bastian Pütter
Das „Netzwerk X“ verbindet Gruppen im Ruhrgebiet, die an der Schnitt-
stelle von Kunst und sozialem Raum arbeiten. Die Ziele sind ehrgeizig: In
einem neuen Anlauf versucht die junge, freie Szene, Räume, Mitsprache
und Verteilungsgerechtigkeit zu erkämpfen.
36 Literatur Deutschland ohne Ausländer von Bastian Pütter
Die Journalisten Pitt von Bebenburg und Matthias Thieme nehmen die
düstere Utopie vom „reinen“ Nationalstaat ernst. In einer dokumentarischen
Fiktion spielen sie durch, was geschähe, wenn eine rechtspopulistische Re-
gierung die sieben Millionen Ausländer in Deutschland per Dekret auswiese.
37 Rätsel | von Volker Dornemann
38 bodo geht aus Schleusenwärterhäuschen von Wolfgang Kienast
Viele Wege führen nach Witten, doch der schönste ist der Ruhrtalradweg
entlang des Flusses. bodo hat sich aufs Rad gesetzt und eine etwas unge-
wöhnliche Gastronomie gefunden. Ein Ausflugstipp.
39 Leserseite | Cartoon
Unser Titelbild der Juli-Ausgabe:
Gewalt gegen Rettungskräfte (s.S.8).
Foto: Andre Noll
08141128 04
4
Christian TascheMomo und der Staatsanwalt
MENSCHEN | von Bianka Boyke | Fotos: Andre Noll04
Der Dortmunder Schauspieler Christian Ta-sche mag – im Film – die Rolle des Böse-wichts. Und irgendwie passt das auch zu ihm, zumindest äußerlich. Christian Tasche ist groß, wirkt sportlich. Zu Jeans trägt er Turnschuhe, doch sein Blick ist meist ernst, zuweilen geradezu streng. Christian Tasche liebt seinen Beruf, aber eben auch sein Pri-vatleben. Dabei gebraucht er keine unnöti-gen Floskeln. Wozu auch? Was er nicht sagen möchte, sagt er nicht.
Christian Tasche begann seine Karriere als Schau-
spieler vor über 30 Jahren am Kinder- und Ju-
gendtheater in Dortmund. Damals war er noch
als „jugendlicher Charakterdarsteller“ gebucht.
Irgendwann blieben für ihn am KJT nur noch die
Vaterrollen. Christian Tasche wollte neue Her-
ausforderungen. So ging er 1989 schließlich zum
Schauspielhaus Dortmund. Er nahm viele schöne
Erinnerungen aus guten und erfolgreichen Produk-
tionen wie „Momo“ – über 200 Vorstellungen vor
„glänzenden und staunenden Kinderaugen“ – mit.
Trotz der frühen Erfolge am KJT gab es auch mal
finanziell harte Zeiten. Doch das es auch mal so
kommen kann, war dem Dortmunder immer klar.
Deshalb fuhr Christian Tasche bei seiner Ausbil-
dung zweigleisig, schloss sein Sozialpädagogik-
Studium ab. Ihm war immer bewusst, „dass man
im Showgeschäft auch ganz schnell baden gehen
kann“. Christian Tasche hatte schon früh Fami-
lie und war sich seiner Verantwortung immer be-
wusst, hielt sich deshalb ein – wenn auch unge-
liebtes – Hintertürchen offen.
Natürlich gab es auch Zeiten, in denen er die
Entscheidung für seinen Beruf als Schauspieler
bereute. „Oft habe ich über die ständige Unsi-
cherheit nachgedacht. Es gab viele schlaflose
Nächte, in denen ich mich fragte, wie ich die
nächste Miete bezahlen soll und wie ich meinen
Kindern eine gesicherte Zukunft und Ausbildung
bieten kann. Warum bin ich nicht Beamter mit
geregelten Arbeitszeiten und Pensionsanspruch?
Trotzdem habe ich es mit Glück und Können
geschafft, mir ein Standing in diesem Beruf zu
schaffen und inzwischen die Gelassenheit erlernt,
dass es immer irgendwie weitergeht, man muss
es nur wollen und etwas dafür tun.“ Heute kann
5
Christian Tasche es sich nicht mehr vorstellen, je-
mals als Sozialpädagoge tätig zu werden. „Ich bin
den Weg gegangen und werde ihn fortsetzen, mit
allen Höhen und Tiefen.“
Ein bisschen Pädagoge steckt dann aber doch in
ihm, wenn er Jugendliche in Schauspiel-Work-
shops warnt, nicht zu blauäugig in ihre Zukunft
zu schauen. „Inzwischen haben es angehende
Schauspieler mindestens doppelt so schwer, an
gute Rollen zu kommen. Es gibt immer mehr Nach-
wuchs für viel zu wenig Arbeit“, erzählt er den
Jugendlichen. „Für Frauen ist es sogar schwieri-
ger. Das Verhältnis im Job liegt bei 3 (Frauen) zu
7 (Männer).“
Christian Tasche hat es längst geschafft, sich zu
etablieren. Er kann auf zahlreiche Fernsehproduk-
tionen, Bühnenengagements und Hörbuchproduk-
tionen zurückblicken. Bereits seit über 20 Jahren
steht er für die Erfolgsrevue Liebesperlen auf der
Bühne. Trotzdem: Es war vor allem eine Rolle, die
ihn im Oktober 1997 ganz schnell einem breiten
Publikum bekannt machte: Die des Staatsanwalts
Wolfgang von Prinz im Kölner Tatort.
Es gibt Schauspieler, die mögen es nicht, bei
jedem Interview auf eine bestimmte Rolle an-
gesprochen, vielleicht sogar über sie definiert
zu werden. Christian Tasche ist da anders. „Ich
fühle mich durch das Ansprechen auf meine Rol-
le des Staatsanwalts von Prinz im Kölner Tatort
keineswegs reduziert. Im Gegenteil.“ Christian
Tasche sieht den Tatort als die Bundesliga unter
den Krimiformaten im Fernsehen. „Da ist es doch
eine Ehre, schon so lange und durchgehend da-
bei sein zu dürfen.
Christian Tasche mag den Tatort, würde sogar
gerne mal im neuen Dortmunder Tatort mitwir-
ken. Vielleicht eine Zusammenarbeit der Dort-
munder und Kölner? „Vielleicht irgendwann“,
sagt Sonja Goslicki, Tatort-Produzentin. Der
neue „Dortmunder Oberkommissar“ Jörg Hart-
mann und Christian Tasche kennen sich sogar.
2011 begegneten sich die beiden Männer aus
dem Ruhrgebiet bei der Berlinale. Jörg Hart-
mann sprach Christian Tasche an: „Dich kenne
ich doch.“ „Wirklich? Woher?“ „Na, vom Kinder-
und Jugendtheater in Dortmund.“ Ganz lang-
sam machte es bei Christian Tasche Klick. Jörg
Hartmann half ihm etwas auf die Sprünge: „Nach
meinem Abi habe ich bei euch ein Praktikum ge-
macht und für euch immer Kaffee gekocht.“
Durch das Bekanntwerden im Tatort bekam Chris-
tian Tasche natürlich weitere interessante Ange-
bote, doch hat er seine Ziele noch längst nicht
alle erreicht. „Ein historischer Kostümfilm würde
mir Spaß machen, à la ,Die Päpstin‘ oder ,Das Par-
füm‘“. Eine besondere Rolle hat er dabei nicht im
Auge. Aber eine Figur mit Ecken und Kanten soll
es dann schon sein. Den Traum von einer großen
Karriere in Hollywood hatte er nie, auch nicht
als Jugendlicher. „Man muss schon realistisch
bleiben.“ Aber lachend fügt er hinzu: „Zu einer
deutsch-französisch-italienischen Co-Produktion
würde ich nicht Nein sagen.“ (bb)
INFOBis Ende Juni drehte Christian Tasche in Köln
den neuen Tatort „Scheinwelten“, der noch in
diesem Jahr ausgestrahlt wird.
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6
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Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr
Di. u. Do. 10 – 13 Uhr
Ferienzeit ist Lesezeit. Und die Zeit, im wahrsten Sinne die Füße hochzulegen, sich zu entspannen und vom Stress der letzten Monate zu erholen. Sie ahnen es: Unser Buchteam am Dortmunder Schwanenwall 36 – 38 hat den Juli zum Wellness-Monat erklärt.
Zu den 10.000 guten Büchern, die Sie auch über
unsere Online-Shops bestellen können, bauen un-
sere Auszubildenden große Sonderflächen auf. Eine
ganze Palette mit über tausend Büchern zum The-
ma Kochen, Wellness, Gesundheit ist in den letzten
Monaten sortiert und gepackt worden. Den ganzen
Monat über werden frische Ratgeber, Taschenbücher
und Bildbände (ab 1 Euro!) auf die Ausstellungsflä-
chen geräumt – regelmäßige Besuche lohnen sich.
Die Aktion beginnt mit Wellness-Nagelkosmetik: Am
Samstag, 30.6. zwischen 10 und 14 Uhr lädt Corinna
Sierpinski zum kostenlosen Fingernägel-Lackieren.
80 vegane Nagellacke hat sie dabei.
In den Ferien sind wir durchgehend für Sie da: Buch-
verkauf, Umzüge und natürlich Erstellung und Ver-
kauf des Straßenmagazins gehen ohne Pause weiter.
Gerne nehmen wir auch Ihre Buch- und Sachspenden
entgegen, wenn Sie die Ferienzeit zum Ausmisten
nutzen. Mehr auf www.bodoev.de
Sommer, Wellness, Kochen Alles Gute, Claudia!
Es ist ein relativ großer Kreis von Journalistinnen und Journalisten, die neben Bastian und Sebasti-an in der Redaktion jeden Monat die Inhalte für das Straßenmagazin liefern.
Trotzdem gibt es schon lange einen „harten Kern“.
Seit der Verein bodo e.V. das Straßenmagazin
selbst herausgibt, immerhin seit der Dezember-
ausgabe 2001, gibt es ein festes Team, das das
Rückgrat der Redaktion bildet: Unser Grafiker
Andre Noll, Bene von Randow mit dem Veranstal-
tungskalender, Volker Dornemann für die Illustra-
tionen – und Claudia Siekarski, unsere Fotografin
seit zehneinhalb Jahren.
Claudia verabschiedet sich nun in eine Festan-
stellung abseits der Fotografie. Sie hat das Stra-
ßenmagazin durch alle Krisen, Umschwünge und
Veränderungen begleitet. Statt 32 schwarzweißer
Zeitungsseiten drucken wir inzwischen ein 40seiti-
ges farbiges Magazin, und auch über den nächsten
Schritt denken wir schon nach.
Wir gratulieren Claudia zu ihrem neuen Job und be-
danken uns für die lange, schöne Zeit und die tolle
Zusammenarbeit. Alles Gute, Claudia! Naja, und aus
den Augen verlieren werden wir uns wohl nicht...
7
07
Das war eine ganz besondere Erfahrung! Mit Dutzen-den NordstadtbewohnerInnen inszenierte Regisseur Lukas Matthaei am Schauspiel Dortmund ein Spiel, das eine, nein: verblüffend viele neue Perspektiven auf den „Problemstadtteil“ ermöglichte.
Das Prinzip: Die Bewohner „machten das Spiel“, The-
aterbesucher wurden „Aktien“ und damit Spielball
der „Checker“, die mit ihren Portfolios spekulierten,
sie per Handy durch die Nordstadt schickten, Auf-
gaben erledigen und Erfahrungen machen ließen.
Das hatte nichts von bürgerlicher Safari durch den
wilden Norden und machte im Gegenteil diejenigen,
über die sonst verfügt, geschrieben und geschimpft
wird, zu selbstbewussten Gestaltern.
Wir, die wir als Theatergäste teilnahmen, sahen uns
händeringend an unserer „Performance“ arbeiten,
singen, argumentieren, spielen, um die „Checker“
nicht zu enttäuschen. Das war inspirierend, ein-
drucks- und lustvoll und machte richtig Spaß.
Besonders schön: Insgesamt vier VerkäuferInnen
des Straßenmagazins waren in zum Teil tragenden
Rollen beteiligt, gemeinsam mit vielen Freunden
und Bekannten aus dem Norden waren sie die „Ma-
cher“. Glückwunsch und unseren Respekt Metin,
Adolf, Tabitha und Günter!
Crashtest Nordstadtbodo schulbuchreif
Kunst für bodo
bodo auf „Familienbesuch“
Unsere Wattenscheider Verkäuferin Resi erzählt ihre Geschichte ab sofort an ganz ungewohnter Stelle. Unser Porträt über sie findet sich in den Unterrichtsmaterialien für Religionsunterricht in der Sekundarstufe des Friedrich-Verlags.
Zum Thema „Gutes Tun“ ist auch bodo – beziehungs-
weise Resi – Thema. Besonders gut gefallen uns die
Arbeitsaufträge: „Verabredet, wer aus der Klasse ein
Exemplar eines Straßenmagazins mitbringen kann.
a) Verteilt die Artikel und lest sie durch. b) Notiert
mithilfe der Mindmap-Methode die Themen bzw.
Problematiken, die vorkommen.“
Kleiner Vorschlag: Mit einem Klassensatz Straßen-
magazine lässt sich viel einfacher arbeiten als mit
einer einzelnen Zeitung. Nicht nur Resi ist gerne be-
reit, auch größere Mengen zu verkaufen. :-)
Aber auch wir selbst waren vor den Ferien wieder
unterwegs, um Schülern von unserer Arbeit zu be-
richten und Verkäufer des Straßenmagazins aus
ihrem Leben berichten zu lassen. In einem SoWi-
Kurs am Dortmunder Phoenix-Gymnasium sagte ein
Schüler, nachdem Verkäufersprecher Günter und Re-
daktionsleiter Bastian eine Stunde gestaltet hatten:
„Das sollten Sie unbedingt auch in anderen Schulen
machen.“ Werden wir!
Im Juni besuchten wir – Bastian Pütter für die Redaktion und Oliver Philipp für den Vertrieb – unsere KollegInnen vom Asphalt-Magazin in Hannover.
Asphalt verkauft monatlich 25.000 Zeitungen in
15 Städten Niedersachsens. Nicht zuletzt eine lo-
gistische Leistung, die unseren Vertriebler inter-
essierte. Mit der Redaktion diskutierten wir über
Blattgestaltung und Produktionsabläufe, im Ver-
triebsbüro machte uns Helmut Jochens (rechts)
Mut, unsere fertig konzipierten Projekte „bodo
macht Schule“ und die „soziale Stadtführung“
endlich umzusetzen. Vielen Dank für Eure Gast-
freundschaft!
Zuletzt waren wir bei fiftyfifty in Düsseldorf – da-
bei sprang nebenbei unsere Titelgeschichte im Mai
heraus. Mit Fotos übrigens des großartigen Kolle-
gen Mauricio Bustamente vom Hamburger Straßen-
magazin Hinz&Kunzt.
Im nächsten Jahr veranstalten die Jahreskonferenz
unseres Verbandes INSP die Münchener KollegIn-
nen von BISS. Da sehen wir dann endlich unsere
Freunde von den Straßenzeitungen zwischen Korea
und Kolumbien wieder, denn für „Familienbesuche“
dort reicht unser Reisebudget leider nicht.
Nicht nur das Straßenmagazin fiftyfifty aus der Kunstmetropole Düsseldorf bekommt Kunst geschenkt. Auch bodo freut sich, Empfänger von Kunstspenden zu sein. Der Graffiti- und Streetart-Künstler „Herr Orm“ spendete bodo drei seiner Bilder. Dreimal Graffiti auf Leinwand. Bunt, knallig, schräg.
Das erste Mal wurden wir auf „Herr Orm“ aufmerk-
sam, als wir für bodo 04/12 über das Nordstadt-
projekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ be-
richteten. Im Rahmen dieses Projektes gestaltete
der Künstler mit Jugendlichen aus der Dortmunder
Nordstadt große Leinwände, die einige Wochen spä-
ter im RWE-Tower ausgestellt wurden. Persönlich
lernten wir ihn dann einen Monat später kennen, als
wir ihn für eine Reportage über Streetart und Graf-
fiti interviewten. Nach einem spannenden Besuch
verließen wir damals sein Atelier in Recklinghausen
nicht nur mit einer Menge Informationen über Graf-
fiti und Streetart, sondern auch mit drei Leinwänden
unter dem Arm.
In unserem neuen Buchladen am Schwanenwall war
schnell ein Platz gefunden, an dem die Leinwände
gut zur Geltung kamen. Doch auch wenn sie noch so
gut in unseren Buchladen passten, mussten wir uns
irgendwann wieder von ihnen trennen. Unter den drei
GewinnerInnen, ist unsere Leserin Pia Wolter, die sich
hoffentlich jetzt genau so an dem Bild erfreut, wie
wir, als es noch bei uns war. Glückwunsch an die Ge-
winnerInnen, vielen Dank „Herr Orm“!
8
08 REPORTAGE | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Andre Noll
Für Angst bleibt keine ZeitDie Gewaltbereitschaft gegen Rettungskräfte nimmt zu
Sie sind unterwegs, um das Leben anderer Menschen zu retten, und nicht selten setzen sie dabei das eigene aufs Spiel. Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum werden Rettungskräfte immer häufiger das Ziel körperlicher und verbaler Gewalt. bodo war beim Arbeiter-Samariter-Bund in Witten zu Gast und sprach mit zwei Rettungsassistenten über die Gefahren und Risiken ihrer alltäglichen Arbeit.
98% aller Rettungskräfte wurden im letzten Jahr Opfer von Gewalt. Angefangen bei Beschimpfungen, über
Anspucken bis hin zu körperlichen Angriffen kommt es immer öfter zu eskalierenden Situationen im Ret-
tungsdienst. Immer mehr Rettungskräfte fühlen sich in ihrem Job bedroht und innerhalb ihrer Ausbildung
schlecht auf Gewaltsituationen vorbereitet. Sanitäter des Roten Kreuzes in Nürnberg tragen mittlerweile
Stichschutzwesten, um sich vor Angriffen zu schützen.
Ist die Situation so dramatisch? Das möchte ich von Mark Zalamea (Foto rechts) wissen. Der 29jährige ist
seit sechs Jahren Rettungsassistent und war schon im Sauerland und in Bochum im Einsatz. Aktuell ist er
für den ASB in Witten unterwegs. „Eigentlich schon. Oft werden wir zu stark alkoholisierten und hilflosen
Personen gerufen. Es kommt vor, dass die sich bedroht fühlen, wenn wir zielstrebig auf sie zukommen.
Meist wissen die Patienten in dem Moment ja gar nicht, was gerade mit ihnen los ist. In solchen Situati-
onen kann es dann leicht zu Missverständnissen kommen. Dass man da geschubst oder beschimpft wird,
passiert oft“, erzählt er.
Daniel Müller (Foto links), Leiter des Katastrophenschutzes, ebenfalls Rettungsassistent beim ASB und
Coach für Gewaltprävention, beschreibt ähnliche Szenarien. Er sieht sich bei seiner Arbeit oft im Konflikt
zwischen Fürsorgepflicht und Patientenrechten. „Probleme entstehen, wenn der Patient sich nicht helfen
lassen will. Dann kommen wir in Konflikt mit unserer Fürsorgepflicht, wenn der Patient aufgrund seines Zu-
standes nicht mehr geschäftsfähig ist. In solchen Situationen müssen wir dann meist einen Arzt hinzuzie-
hen, da Entscheidungen getroffen werden müssen, die unsere Kompetenzen übersteigen. Wir dürfen einen
Patienten zum Beispiel nicht fixieren.“
Doch nicht immer beschränken sich die Probleme auf verbale Gewalt durch Betrunkene und Patienten unter
Drogeneinfluss. Es gebe auch Fälle, bei denen man sich als Rettungskraft sehr schnell in akut lebens-
bedrohlichen Situationen wiederfindet. „Es ist auch schon mal ein Patient mit einem Messer auf mich
losgegangen“, erinnert sich Mark. „Wir wurden zu einem versuchten Suizid gerufen. Recht unerwartet für
den Patienten standen wir in seiner Wohnung. Plötzlich befindet sich der Patient wild mit einem Messer
herumfuchtelnd vor mir. Da er im Rollstuhl saß, konnte ich ihn zum Glück etwas zurückstoßen. Im Ge-
spräch konnte ich ihn dann davon überzeugen, das Messer zur Seite zu legen. Aber solche Situationen sind
schon sehr heikel“, kann er die Situation mittlerweile recht nüchtern betrachten.
In seinem speziellen Fall spielen auch rassistische Anfeindungen immer wieder eine Rolle. „Ich will dieses
Schlitzauge nicht sehen! Den Gelben da will ich nicht im Rettungswagen haben“, so etwas habe er schon
oft gehört. „Doch daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Wenn ich die Leute ernst darauf anspreche,
dann entschuldigen sich viele. Skurril bleibt es trotzdem, wenn ich erlebe, wie Leute, die anhand ihrer Tä-
towierungen klar der rechten Szene zuzuordnen sind, mit sich zu kämpfen haben, sich von mir behandeln
zu lassen“, erzählt der gebürtige Philippine.
Auch Daniel erinnert sich an einige Einsätze, bei denen er direkt körperlich angegriffen wurde. „Nach
langen Diskussionen hatten wir einen Patienten endlich davon überzeugt, sich von uns ins Krankenhaus
bringen zu lassen. Ich saß mit ihm hinten im Wagen, als er auf einmal aufspringt und anfängt, mich anzu-
9
09
Die Gewaltbereitschaft gegen Rettungskräfte nimmt zu
10
10
greifen. Zum Glück konnte ich ihn recht schnell überwältigen. Wir haben dann sofort Verstär-
kung durch die Polizei angefordert. Wenn man in so einer Situation dem Gegenüber körperlich
unterlegen ist, kann es schnell sehr gefährlich werden.“
Sind sich die beiden Rettungsassistenten einig, was grundlegende Deeskalationsstrategien
angeht, so gehen ihre Meinungen, was die nötige Vorbereitung auf derlei Situationen angeht,
auseinander. Daniel würde sich eher erweiterte Ausrüstung wie z.B. Pfefferspray zur Selbstver-
teidigung wünschen. „Ich habe lieber Ausrüstung bei mir, die ich nicht brauche, als umgekehrt.“
Sein Kollege sieht in Ausrüstung dieser Art eher ein Problem. „Wie soll ich denn eine Situation
aufbauen, in der ein Patient mir vertraut, wenn ich solche Sachen an meinem Holster trage.“
Dass Rettungskräfte besser auf Gewalt im Einsatz vorbereitet werden müssen, da sind sich
die beiden aber einig. „In unserer Ausbildung werden wir zwar darüber informiert, dass es zu
schwierigen Situationen kommen kann. Auch darauf, dass Eigenschutz oberste Priorität hat,
werden wir immer wieder hingewiesen. Aber konkrete Coachings für Konfliktsituationen gibt
es nicht“, weiß Mark. Ein ähnliches Bild gibt auch die Studie der Ruhr-Universität wieder. Rund
55% der Befragten gaben an, dass sie durch ihre Ausbildung nicht gut auf mögliche Konfliktsi-
tuationen vorbeireitet wurden.
Dem will Daniel mit speziellem Selbstverteidigungstraining für Rettungskräfte entgegen wir-
ken. Einfache Techniken, die sich leicht anwenden lassen, will er seinen Kollegen zeigen, mit
denen sie sich gegen potenzielle Angreifer zu Wehr setzen können. „Oft macht alleine schon
die Körperhaltung den Unterschied, ob ich sehr angreifbar bin oder mich gut verteidigen
kann“, weiß Daniel.
Mark sieht den Bedarf eher im Bereich des Selbstcoachings: „Wenn ich nachts vielleicht gera-
de 15 Minuten geschlafen habe und dann in eine Messi-Wohnung gerufen werde, in der mich
ein Patient beleidigt, schubst oder anspuckt... – In solchen Situationen cool und professionell
zu bleiben, ist immer eine Herausforderung.“ Da sehe er auch die Hauptanforderung seines Be-
rufes. „Wir kommen immer wieder in neue Wohnungen, lernen immer neue Menschen kennen,
müssen uns auf immer neue Situationen einstellen. Das ist es, was unseren Job so anstren-
gend, aber auch so spannend macht.“
Auf die Frage, ob sie Angst haben, wenn sie zu einem Einsatz fahren, bekomme ich von beiden
fast die gleiche Antwort. Für Angst bleibe meist einfach keine Zeit. Mark meint: „Richtig
Angst hatten ich in sechs Jahren Rettungsdienst vielleicht ein oder zwei Mal. Aber es ist nie
eine ausweglose Angst, da man immer genau die eigenen Möglichkeiten vor Augen hat. Man
weiß, dass man innerhalb von ein paar
Minuten die halbe Polizei des Kreises
vor Ort hat. Wir haben einen Notruf-
knopf an unseren Funkgeräten. Wenn
wir den drücken, werden alle Mikrofone
freigeschaltet und jeder auf unserer
Frequenz kann uns hören. Status 0. Aber
meistens denkt man nur daran, was zu
tun ist, um dem Patienten zu helfen.“
So nehmen die beiden eine sehr pro-
fessionelle Haltung ein, die es ihnen
kaum erlaubt, sich selbst als Opfer
wahrzunehmen. Mark meint: „Der ganze
Rettungsbereich, das ist so ein harter
Job, in dem man einfach die Ellbogen
ausfahren muss und keine Schwäche
zeigen darf. Sonst ist man ganz schnell
wieder raus. Nicht wenige schmeißen
deshalb schon während der Ausbildung
wieder hin.“ (sese)
NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi
Liebe Leserinnen und Leser,
hier bin ich wieder. Wie geht es Ihnen allen
so? Mir ging es nicht so gut. Grund: Meine
Knieoperation musste ich jedes Mal verschie-
ben. Sei es eine Erkältung oder irgendetwas
anderes. Das zehrt so langsam an meinen
Nerven. Ich hoffe, dass es dieses Mal was
wird. Dieses Mal wird es im Brambauer Kli-
nikum gemacht.
Es war ja ein tolles Singen in der Stadt. Haben
Sie auch Ihre Kehlen angestrengt und mitge-
sungen? Ich kannte diese Lieder nicht, jeden-
falls nicht alle.
Wie Sie vielleicht gemerkt haben, haben wir
einige neue Verkäufer. Es gibt gute Verkäufer
und nicht so gute. Nicht so gut ist, wenn sich
Kunden beschweren, dass man ihnen die Zei-
tung unter die Nase hält und den Kunden noch
hinterherrennt und dabei nach einer Spende
fragt. Das muss doch nicht sein, oder? Viele
unserer Kunden schenken uns schon 20 Cent.
Da muss man doch nicht noch betteln. Das
wirft ein schlechtes Licht auf uns alle und
auch auf den Verein.
Mittwoch war das Wetter richtig nasskalt.
Man musste eine dicke Jacke anziehen. Sogar
meine Jeans waren an den Füßen nass.
Was gibt es sonst noch zu berichten? Gera-
de findet die Europameisterschaft im Fußball
statt. Wer wird gewinnen? Das ist jetzt die
Frage, aber Sie wissen es schon. Überall sind
große Leinwände aufgebaut. Ich wünsche al-
len viel Glück.
Im Fredenbaumpark ist vom 30. Juni bis zum
1. Juli das große Afroruhr-Festival. Da kann
man essen und trinken. Viele Kostproben gibt
es dort und viele Spezialitäten. Vielleicht
kann ich da auch schon wieder hinlaufen.
Dann sind auch bald die Sommerferien. Die
Kinder können die ganzen Ferien im Big-Tipi
klettern oder basteln. Es ist für jeden etwas
dabei.
So, liebe Leserinnen und Leser. Das war es erst
einmal wieder. Wie ich immer sage: Tschüss
bis zum nächsten Mal, Ihre Rosi
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VERKÄUFERPORTRÄT | von Kurt-Michael Coennen | Foto: Sebastian Sellhorst
»Geht nicht, gibt es nicht!«Oft müssen wir unsere neuen Verkäufer erst davon überzeugen, uns ein wenig von sich zu erzählen. Ganz anders Kurt. Der stand plötzlich in der Re-daktion und drückte uns seine Geschichte in die Hand. Und bei der geht es nicht nur um bodo, son-dern auch um viele andere Straßenzeitungen in ganz Deutschland.
„Ich muss schon lange zurückdenken, wo und wann
ich meine erste Straßenzeitung verkauft habe.
Mein erste habe ich 1994 in Hamburg verkauft.
Hinz & Kunzt startete 1993 mit dem damals neuen
Projekt im November. Ein Exemplar kostete damals
eine Mark, 50 Pfennige davon für den Verkäufer.
Als Epileptiker war es für mich damals schier un-
möglich, eine richtige Arbeit zu finden. Ich hatte
damals bereits drei Jahre für eine Drückerkolonne
gearbeitet. Gut ein Jahr lebte ich danach vom Ver-
kauf der Zeitung.
1995 zog es mich dann wieder in meine Heimatstadt
Krefeld. Im Januar erfuhr ich dann per Zufall, dass
es im Ruhrgebiet auch ein Straßenmagazin gibt. Das
war damals der „Wohnungslose“ aus Essen, den es
heute nicht mehr gibt. Ich nahm damals Kontakt zu
den Verkäufern und damit auch zur Redaktion auf.
Bei der Arbeit lernte man dann auch Verkäufer von
anderen Magazinen kennen und tauschte sich aus.
Das Essener Magazin hatte ein großes Problem. Mit-
unter mussten die Verkäufer drei Monate auf eine
neue Ausgabe warten. So kam ich 1997 das erste Mal
zu bodo, wo ich mich gleich sehr wohl fühlte, denn
dort war alles sehr familiär.
1998 musste ich dann leider den Verkauf einstellen
und ging wieder nach Krefeld. Dort gab es mittler-
weile die fiftyfifty. Da Bochum von Krefeld aus nur
noch schwer zu erreichen war und die Anfahrt mich
immer viel Zeit gekostet hätte, schloss ich mich fif-
tyfifty an, dem Düsseldorfer Straßenmagazin. 2005
habe ich es dann aus Neugierde mal in Moers pro-
biert und fühlte mich dort während meiner gesam-
ten Verkäufertätigkeit eigentlich am wohlsten.
Die Mentalität in Bergbau- und Ruhrgebietsstädten
ist halt immer noch die beste. Mit Freundlichkeit,
Standhaftigkeit und ein wenig Humor erreicht man
dort sehr viel, auch wenn es natürlich mal schlech-
te Phasen gab. Mein Gesicht wurde mir geschenkt,
aber lächeln muss man selber. Ein fester Platz, an
dem man immer steht, ist wichtig, dann hat man
nach einiger Zeit eine Stammklientel und kennt
das Sicherheitspersonal und die Geschäftsleute. In
Moers war ich sogar, genau wie in Gelsenkirchen,
mit dem Fahrradpolizisten per du.
Im Oktober 2008 musste ich für 13 Monate in Haft
und zog nach Verbüßung der Strafe in eine Wohnung
nach Moers. Ostern traf ich dann einen Verkäufer
Kurt-Michael aus Witten:
Seit 17 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine
Verkäufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und Umge-
bung. Viele haben feste Verkaufsplätze und einen eigenen
Kundenstamm. Manche sind schon seit Jahren bei uns, andere
nur auf der Durchreise. Für alle jedoch ist der Verkauf des Stra-
ßenmagazins eine Arbeit, die Halt gibt und Selbstbewusstsein
schafft. bodo stellt regelmäßig einen Verkäufer vor.
bodo-VerkäuferInnen
11
von bodo in der Bochumer Fußgängerzone wieder.
Wir kannten uns schon ewig und gerieten ins Plau-
dern. Er sagte mir, dass es bodo immer noch gibt
und sie auch noch Verkäufer suchten, und ich dachte
mir, warum es nicht noch mal versuchen.
Gestern war ich dann bei bodo und habe meinen Ver-
käuferausweis bekommen und zehn Startexemplare.
Als der Verkauf dann sofort gut klappte und ich von
den Kunden in Witten freundlich empfangen wurde,
merkte ich, dass es noch geht, und war gleich wie-
der voll motiviert. Jetzt bin ich wieder bei bodo und
freue mich auf meinen Wiedereinstieg. Denn meine
Devise ist wie immer: Geht nicht, gibt es nicht!“
(Kurt-Michael Coennen)
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KULTUR | von Bianka Schacht | Foto: Wohnzimmer Alsenstraße e.V.
Seine direkten Nachbarn kennt man meist noch. Die Oma im ersten Stock, die meist nur sonntags Besuch von ihren Kindern bekommt. Die WG nebenan mit dem gut ausgestatteten Werkzeugkoffer, und den Typen von oben, der nicht bei jedem Wolfgang-Petry-Hit mitsingen müsste („Hölle, Hölle, Hölle…“). Mit dem Kennen hört es dann auch schon auf. Vor der Haustür begegnen sich vielleicht noch die einen oder anderen bekannten, namenlosen Gesichter. Grüßen spart man sich generell.
In der Bochumer Alsenstraße ist derartiges Ver-
halten merkwürdig. „Bei uns im Viertel herrscht
keine Anonymität. Hier geht keiner lang, ohne
zu grüßen“, erzählt Steffi Kirmse (45) über ihren
Wohnort. Steffi, auf der Alsenstraße als Steffa
bekannt, ist Vorsitzende des Vereins „Wohnzim-
mer Alsenstraße e.V.“. Zusammen mit 91 weiteren
(auch ehemaligen) Anwohnern der Alsenstraße
und Umgebung gründete sie im letzten Frühjahr
den Verein, um ein Wohnzimmer für die Straße zu
schaffen. Die Grundidee dahinter ist recht simpel:
Die Anwohner wünschten sich einen Ort mit Dach,
an dem sie sich treffen können.
Anklingeln und Schuhe ausziehen sind nicht
nötig, betritt man das Alsenwohnzimmer. „Das
Prinzip, das wir hier vertreten, ist offen und
flexibel ausgelegt. Gemacht werden kann, was
der Gemeinschaft gefällt und in den Räumlichkei-
ten möglich ist. Nur an die Nachbarschaft muss
gedacht werden. Wir sind ja auch nur Mieter“,
erklärt Schatzmeisterin Nina Selig (32). So kann
das Wohnzimmer als Sportraum für Yogakurse,
für gemütliche Filmabende, als Werkstatt, um
Skateboards zu bauen, für Kinderspielaktionen,
zum Panini-Bilder-Tauschen oder zum Abhalten
eines Imker-Workshops dienen. Bis auf die Küche
hat nichts einen festen Platz. Das komplett aus
Spenden bestehende Mobiliar ist opportun, lässt
sich erweitern oder verschieben. „Da unser Verein
aus so unterschiedlichen Menschen mit den
verschiedensten Berufen besteht, konnten wir
die Räumlichkeiten komplett alleine renovieren
und nach unserem Geschmack herrichten. Bei der
Küche hat zum Beispiel ein Schiffsbauer ganze
Arbeit geleistet“, erklärt Steffi.
Welche Aktion wann und wie ablaufen wird,
entscheidet der Verein in seiner monatlichen
Mitgliederversammlung. Mitglied werden kann
grundsätzlich jeder. Wohnen muss man dafür
nicht unbedingt in der Alsenstraße, Vorbedin-
gung ist jedoch eine nachbarschaftliche Einstel-
lung. „Was ich so spannend an dem Alsenwohn-
Ein Wohnzimmer für eine StraßeWo Menschen Leidenschaften teilen
12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke
DVDs auf Ebay verkaufen – die neue Mutprobe
Manche Fälle eignen sich,
einem das Vertrauen in
den deutschen Rechtsstaat schlagartig zu
entziehen. Vor wenigen Tagen bat mich eine
Mandantin um Hilfe, da gegen sie – aus hei-
terem Himmel – eine einstweilige Verfügung
erlassen wurde. Streitwert: 10.000 Euro.
Was war geschehen? Sie bot über Ebay eine ori-
ginal Musik-DVD an, die sie selbst vor einigen
Jahren bei Karstadt gekauft hatte. Aufgrund
des Ebay-Angebots erhielt sie ein Schreiben ei-
ner Anwaltskanzlei, in dem diese meiner Man-
dantin zu erklären versuchte, dass sie die DVD
nicht anbieten dürfe und für dieses Schreiben
nun bitte innerhalb von 14 Tagen 651,80 Euro
Anwaltsgebühren zahlen solle.
Selbstverständlich konnte meine Mandan-
tin nicht einsehen, dass sie einen Fehler
gemacht haben sollte und reagierte nicht
auf dieses Schreiben. Doch der Gegner blieb
nicht untätig und zog still und heimlich vor
das Landgericht Hamburg und erwirkte in-
nerhalb von ein paar Tagen – ohne Wissen
und Anhörung meiner Mandantin – im Eil-
verfahren eine einstweilige Verfügung. Nun
wurde ihr durch das Landgericht Hamburg
der private (!) Verkauf der DVD verboten und
ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro ange-
droht. Kosten für meine Mandantin: 2.596,84
Euro – für das Anbieten einer original im Ein-
zelhandel gekauften DVD.
Begründung: Angeblich hätte meine Mandan-
tin nicht die nötigen Rechte, um die DVD zu
verkaufen. Die Scheibe hätte bereits nicht in
den Einzelhandel gelangen dürfen. Und? Wo-
her sollte meine Mandantin dies wissen? Of-
fensichtlich haben die Hamburger Richter sich
diese Frage aber gar nicht erst gestellt. Ent-
weder mögen sie keine Rockmusik oder – was
wahrscheinlicher und wesentlich bedenklicher
ist – ihnen ist nicht einmal aufgefallen, dass
Kosten in Höhe von 2.596,84 Euro für das An-
bieten einer äußerlich völlig unscheinbaren,
im Einzelhandel erworbenen DVD absurd sind.
Doch wenn nicht einmal Richter erkennen,
dass das Urheberrecht zu derart unsachgemä-
ßen Ergebnissen führen kann, dann ist dies
das beste Argument für eine grundlegende
(piratige?) Änderung des Urheberrechts. In
diesem Sinne: Ahoi! (rb)
www.kanzlei-boyke.de
13
man seiner auf diese Weise ledig wür-
de. Schweren Herzens griffen die Nach-
wuchsgärtner zu einem leichten Gift,
einem ökologisch unbedenklichen. Jetzt
breitet sich ihr Doldenblütler wenigstens
nicht weiter aus.
Was auch noch helfen kann ist: essen. If
you can‘t beat it, eat it. Giersch schmeckt
nach Petersilie, Sellerie und Möhre. Er
enthält neben Calcium, Magnesium, Si-
licium, Proteinen und ätherischen Ölen
reichlich Vitamin A und C. In der Küche
werden Blätter, Blüten und die Samen
verwendet. Man könnte ein Kochbuch nur
mit Gierschrezepten schreiben.
Folgendes Rezept darf dabei nicht fehlen:
2 Schalotten gehackt in Sonnenblumenöl
und Butter glasig dünsten. 2 daumengro-
ße Ingwerstücke frisch gerieben zufügen,
dann 300 g Möhren in kleinen Würfeln und
150 g Gierschblätter, grob geschnitten.
(Anmerkung: Junge Blätter sind sehr zart.
In ihrem Fall die Möhren im Dämpfer vor-
garen. Ältere Blätter sind härter, schme-
cken aber deutlich würziger. Hier die Stie-
le entfernen und eine insgesamt längere
Garzeit kalkulieren.) Schalotten, Ingwer,
Möhren und Giersch in einer großen Pfan-
ne mit etwas Wasser bei geschlossenem
Deckel erhitzen, bis das Grün zusammen-
fällt. Gelegentlich umrühren. 250 ml tro-
ckenen Weißwein zugeben, hin und wieder
rühren und ohne Deckel köcheln lassen,
bis die Flüssigkeit nahezu verdampft ist.
1 Becher Sahne zufügen, salzen, pfeffern,
ein letztes Mal aufwallen lassen. Salzkar-
toffeln und Frikadellen passen dazu.
Vieles spricht dafür, von dem Gemüse
mehr zu kochen, als man eigentlich be-
nötigt. Wie auch die meisten Kohlgerich-
te schmeckt es aufgewärmt am nächsten
Tag noch besser. Und
wer den Giersch im
Garten hat... (wk)
wildkraeuter.bodo/19_giersch/
Einer meiner Lieblingswitze ist der mit
den beiden Planeten. „Hey, lang nicht
mehr gesehen. Alles klar bei dir? Siehst
abgespannt aus”, grüßt der erste. „Abge-
spannt? Wenn s das nur wäre. Mir geht s
verdammt dreckig.” „Was ist passiert?
Kann ich dir helfen?” „Danke”, stöhnt der
Angesprochene. „Aber mir ist nicht mehr
zu helfen. Ich habe die Menschen.”
Ähnlich fatalistisch klang Frau K., als sie
mir erzählte, sie hätten den Giersch. Herr
und Frau K. pachten eine Schrebergarten-
parzelle. Sie sind jung. Ein Generations-
wechsel vollzieht sich in den Kleingarten-
vereinen, denen längst nicht mehr der Ruf
anhaftet, letzter Normspießerhort der
Republik zu sein. Herr und Frau K. schät-
zen die Vielseitigkeit dieser innenstadt-
nahen, bunten Oasen. Sie bezeichnen
sich augenzwinkernd als Superökos und
freuen sich jedes Jahr auf selbstgezoge-
nes Biogemüse. Ihr Wortschatz kennt den
Begriff Unkraut nicht. Den Giersch ließen
sie zunächst gewähren.
Der machte, was Giersch so macht und
begann, jede grüne Konkurrenz im Beet
zu überwuchern. Er okkupierte weiteres
Terrain. Nachbarn klopften, mahnten
Maßnahmen gegen das Problemgewächs
an. Da hilft es wenig, zu wissen, dass das
wilde Kraut in alten Klostergärten extra
angebaut wurde, als Nothelfer bei Gicht
dem Heiligen Gerhard geweiht, Bestand-
teil der Neunstärke-Suppe war, einer Art
Zaubertrank des Mittelalters. Herr und
Frau K. rupften und zupften, sie gruben
um und aus.
In Gartenhandbüchern steht, dass aus je-
dem noch so kleinen Rest Wurzel im Bo-
den eine neue Pflanze treibt, dass man
dem Zeug konventio-
nell mechanisch eher
hilft, sich zu
verbreiten,
als dass
Ein Wohnzimmer für eine Straße
13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast
zimmer finde, ist, dass es ein Ort ist, wo Menschen
Leidenschaften miteinander teilen“, sagt Nina. „Mit
dem gemeinsamen Raum haben wir uns einen Stück
öffentlichen Raum zurückgeholt. Vorher haben
wir uns oft an einer Bank in der Straße getroffen.
Da ist unser Wohnzimmer schon gemütlicher und
vielseitiger nutzbar.“
Das Verständnis von nachbarschaftlicher Gemein-
schaft ist in der Alsenstraße durch die seit Jahren
stattfindenden Straßenfeste gewachsen. Dass es
wiederum zu dem ersten Fest kam, war der Not
geschuldet. Wenn der Vermieter verbietet, im Hin-
terhof einen Flohmarkt zu veranstalten, muss man
eben auf die Straße ziehen. Genauso wie bei den
Straßenfesten sind auch im „Offenen Café“ jeder-
zeit Nicht-Mitglieder willkommen. Bisher öffnet das
Café jeden Donnerstag ab 19 Uhr, geplant ist aber,
künftig häufiger zu öffnen. Neben den bisherigen
unzähligen Nutzungsmöglichkeiten freuen sich die
Mitglieder der Alsenstraße besonders, dass das
Wohnzimmer auch als Ausstellungsort für Künstler
aus der Umgebung genutzt wird.
Die nächste Ausstellung feiert am 6. Juli um 19 Uhr
Vernissage und heißt „Verlass die Stadt die keine ist
– Stadtlandschaften“. Die Künstlerin ist Britta Meier.
Zahlreiches Erscheinen ist sehr erwünscht. (bs)
INFOwww.alsenstrasse.com
Wohnzimmer Alsenstraße e.V.
Alsenstraße 27 | 44789 Bochum
14
Westwärts!Kohle, Biere, Tanzlokale
Dortmund im 19. Jahrhundert. Ein dö-sendes Dorf, das von längst vergangenen Hanseherrlichkeiten träumt und plötzlich wachgeküsst wird - von der Industrie. Aber noch im Jahr 1862 lehnen es Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung ab, einen Stadtbebauungsplan für den rasant wach-senden Montanstandort zu entwickeln. Auf diesen Industrie-Schwindel werde man nicht hereinfallen, lassen die städtischen Kollegi-en verlautbaren. Eine Fehleinschätzung, wie sich bald herausstellen soll. Mit Kohle und Stahl kommen Menschen und Geld und die Stadt in Schwung. Eine bodo-Zeitreise.
„So etwas von Kneipenleben in Dortmund, wie
damals, habe ich nie und nirgends wieder gese-
hen!” (1) bestaunte Karl Richter, Redakteur des
populären General-Anzeigers, die ungestümen
1890er Jahre. Seine zeitgenössische Zustands-
beschreibung galt nicht nur für das Stadtzen-
trum innerhalb der Wälle. Eine Hauptachse der
Entwicklung im Zuge der Industrialisierung
bildete sich entlang des Hellwegs heraus, der
alten Handelsroute, die Dortmund Hunderte
von Jahren zuvor schon einmal hatte aufblühen
lassen. Bis zur Emscherbrücke vor Dorstfeld
lässt sich die Hellwegtrasse sicher bestimmen.
Ihr heutiger Name: Rheinische Straße. Um 1900
hatten allein acht Bierbrauereien ihren Sitz
direkt an der Rheinischen oder in unmittelbarer
14 GESCHICHTE | von Wolfgang Kienast | Fotos: Sebastian Sellhorst
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Nähe. Eine von ihnen, die Union-Brauerei,
sollte 1926 mit ihrem Kellerhochhaus ein
Wahrzeichen der Stadt errichten.
Das „Dortmunder Adreß-Buch für das Jahr
1894” listet außerdem fünfundzwanzig „Wir-
the”, die auf eintausendfünfhundert Metern
Kneipen betrieben. Die durchgehende Bebau-
ung endete zu der Zeit an der Einmündung
Huckarder Straße. Auf diesem Eckgrundstück,
Rheinische Straße 141, gründete Heinrich
Kramberg bereits 1857 die Stern-Brauerei.
Zu den Spezialitäten des Hauses zählte unter
anderem ein „Dortmunder Sanitätsbier für
Kranke und Reconvalescenten” (2). Später
wechselte das Unternehmen mehrfach Namen
und Geschäftsform. Von 1899 bis 1902 hieß es
Genossenschaftsbrauerei, bis 1904 Rhenania
Brauerei, anschließend Glückauf Brauerei AG
und zwischen 1912 und 1920 Bürgerbräu AG.
Die Ritterbrauerei übernahm schließlich den
Betrieb, aus dessen Geschichte nur wenige Re-
likte die Zeit überdauert haben. Ein Briefkopf
zeigt das Gebäude mit seiner bis heute kaum
veränderten Fassade, ein 1902 ausgestellter
Liefervertrag belegt vis-a-vis einen Abnehmer
der Produkte: Rheinische Straße 146, das
„Blaue Haus”, Baujahr 1870, das vielen noch
als Traditionsgaststätte „Zum Treppchen”
in Erinnerung sein dürfte. Das Erdgeschoss
beherbergte zunächst eine Bäckerei, später
die Gaststätte. Das alte Adressbuch nennt
einen Herrn Dreinhöfer als Betreiber. Um Bier
von der einen auf die andere Straßenseite zu
transportieren, hatte man praktischerweise
einen Tunnel gegraben. Heute gehört das
denkmalgeschützte „Blaue Haus” in die Reihe
der zahlreichen neuen Kulturorte im Viertel.
Nahezu alle zeitgenössischen Reiseführer
empfahlen Besuchern der Stadt einen Ausflug
ins benachbarte Dorstfeld. „Dorstfeld ist das
erste Dorf in Deutschland, welches elektrisches
Licht als Strassenbeleuchtung einführte. Links
am Eingang des Dorfes liegt an der Emscher das
Ziegler‘sche Etablissement mit grossem Saale
(Wintergarten) und schönen Gartenanlagen”
(3). Hartnäckig hält sich das Gerücht, hier
sei der sogenannte „Alte Verband” und damit
ein unmittelbarer Vorläufer der „Industriege-
werkschaft Bergbau und Energie” gegründet
worden. Tatsächlich trafen sich am 18. August
des Jahres 1889 in Dorstfeld Delegierte der
rheinisch-westfälischen Knappenvereine. Ziel
der Versammlung war die Gründung eines
Verbandes, der sich für bessere Arbeitsbedin-
gungen im Bergbau stark machen sollte. Die
Tagung fand jedoch nicht bei Ziegler statt,
sondern schräg gegenüber, im „Gasthaus
Schemmann” auf der anderen Seite der Straße.
Die Kahnfahrten auf der Emscher, die „Fahrten
nach Amerika”, welche der Ziegler-Wirt für
Kinder und Jugendliche organisierte, sind da-
gegen eindeutig belegt. Geleitet wurden diese
Flussfahrten von einem Dorstfelder Original
namens Lehrmacher, Endstation der Reise war
natürlich nicht die Neue Welt, man trieb 500
Meter emscherabwärts bis zur Hahnenmühle.
10 Pfennig kostete das unter Umständen recht
zweifelhafte Vergnügen: „Auch kahnfahren
kann man, wenn man die nichts weniger als
klaren Fluthen nicht scheut” (4), spöttelte ein
in Zürich herausgegebener Reiseführer.
So lebhaft es im ausgehenden 19. Jahrhun-
dert zuging, so trostlos war das Ende. Nach
einem letzten Aufbäumen als Ersatzbühne für
das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadt-
theater, verfiel das mehr als 200 Jahre alte
Gebäude und wurde Ende der 60er Jahre ab-
gerissen. Die Fundamente dürften unter dem
Asphalt der Dorstfelder Allee zu suchen sein.
Die Emscherquerung, das sei ergänzend noch
erwähnt, hat in gastronomischer Hinsicht eine
Tradition, die lang vor Zieglers Etablissement
ihren Anfang nimmt. Eine erste Wirtschaft
ist hier bereits um 1600 nachgewiesen. Auch
diente der strategisch dafür gut geeignete Ort
als Zoll- und Mautstation: Der Hellweg war
eine viel genutze Ost-West-Verbindung, das
breite, sumpfige Emschertal ein Gelände mit
tückischem Charakter; an dieser Stelle aber
16
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war das Flüsschen einigermaßen bequem
zu passieren und glaubt man dem Etymo-
logen, weist der Name Dorstfeld auf diesen
Sachverhalt hin: „Der Name in der frühes-
ten Erwähnung lautet ,Dorstidfelde‘, später
,Durstveld‘ (...) Von mehreren Deutungsver-
suchen erscheint jener am ehesten plausibel,
der in dem ersten Namensbestandteil das
Wort ,Dor‘ = ,Tür‘, ,Durchgang‘ erkennen will.
Dorstfeld wäre danach die Siedlung im Felde
am Übergang über die Emscher.” (5)
Der weitere Verlauf des Hellwegs über Dorstfeld
hinaus nach Lütgendortmund ist nicht mehr gesi-
chert nachweisbar. Mehrere Trassen sind denkbar,
und wahrscheinlich gab es alternative Routen,
welche je nach Witterung und Wegverhältnissen
genutzt werden konnten. Die südliche, über
Martener und Lütgendortmunder Hellweg, ist aus
heutiger Sicht eher unattraktiv. Sie führt durch
eine ausfallstraßentypische Ansammlung von Au-
tohäusern, Bau- und Möbelmärkten. Interessan-
ter ist die Strecke über die Heyden-Rynsch- bis
zum Abzweig Planetenfeldstraße, wo man hinter
der Autobahnbrücke erneut vor die Wahl gestellt
wird. Es gibt die Möglichkeit, einen nördlichen
Bogen über die Martener Straße zu nehmen, oder
aber, meist parallel der Bahngleise, via Schulte-
Heuthaus- und Steinhammerstraße die südwest-
lichen Ausläufer Martens kennenzulernen. Und
dort das „Ashok-Hotel”.
Bei der Gelegenheit ein weiterer Zwischen-
stopp beim Etymologen, der vermutet, dass
der Name Marten auf ein germanisches Wort
„mart” oder „mert” zurückzuführen sein
könnte – mit der Bedeutung Stein oder Fels.
Und ein Marthammer ist ein Steinhammer. An
der nach diesem Werkzeug benannten Straße
wurde 1855 der erste Schacht der Zeche
Germania abgeteuft. Sie sollte später zu einer
der größten und modernsten im gesamten
Ruhrgebiet werden. Allein im Jahr 1964 lag
die Fördermenge bei 1.822.300 Tonnen Kohle.
Dessen ungeachtet kam es bereits wenige Jah-
re später zur Stilllegung. Ein Förderturmgerüst
der Germania steht seitdem am Bergbaumuse-
um in Bochum und überragt als industriehis-
torisches Denkmal die Stadt.
Unweit der Stelle, wo die Germania- von der
Steinhammerstraße abzweigt, befindet sich das
„Ashok Hotel”. Der Besitzer, Herr Pathmanathan,
führt es seit drei Jahren. Ein lebendiger Ort, der
multikulturelles Leben spiegelt. Türkische Hoch-
zeiten werden gefeiert, Festtage der Sinti und
Roma begangen und natürlich die der tamilischen
Gemeinde. Der Vater des Betreibers musste aus
Sri Lanka fliehen. Am Tresen treffen sich biswei-
len auch ältere Anwohner der Straße und erzählen
Geschichten aus der Zeit, als das Haus unter dem
Namen Bockhalle von einiger Bedeutung für das
Leben in der Siedlung war. Sie freuen sich über
die gelungene Rettung ihres öffentlichen Wohn-
zimmers vor dem drohenden Verfall. Ashok, ins
Deutsche übersetzt, heißt Hoffnung.
Der Steinhammerstraße folgend über Lütgen-
dortmunder Hellweg und Straße erreicht man
das „Musiktheater Piano”. Ein imposantes
Gebäude. Veranstalter haben dort das seltene
Glück, über einen nahezu unverändert erhal-
tenen Jugendstil-Saal zu verfügen. 1873 als
Bäckerei und Gasthof „Zum deutschen Haus”
errichtet, wurde das Bauwerk bedarfsgerecht
mehrfach erweitert. Mit dem dabei entstande-
nen großen Saal, der Bühne und dem Balkon
bot Inhaber Wilhelm Roggenkämper den
ansässigen Familien und Vereinen ein ideales
Ambiente für deren Feiern und Darbietungen.
Auf Postkarten warb Roggenkämper mit dem
Ausschank von Westfalia Bier. In den 1920er
Jahren, zeitgleich mit der Bürgerbräu AG, wurde
die Lütgendortmunder Brauerei von Ritter über-
nommen. Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten
Weltkrieg veranlasste den Staat, den knappen
17
17
Rohstoff Malz zu kontingentieren. Beabsichtigt
war der Schutz kleinerer Betriebe, die sich je-
doch oft gezwungen sahen, das ihnen zustehen-
de Kontingent an kapitalkräftigere Konkurrenten
zu verkaufen. Kurzfristig zwar liquide, fehlte
ihnen dann leider das Material für ihre Produkti-
on. Über kurz oder lang führte das meist doch zu
einer Übernahme durch die Großen.
Wilhelm Roggenkämper wird auch Ritterbier
gut verkauft haben. Der Stern des „Deutschen
Hauses” begann erst in den 1960er Jahren zu
sinken, als die ehemalige Kundschaft begann,
ihre Abende zu Hause vor dem Fernseher zu
verbringen. In den 1970er Jahren nutzte man
deshalb vorübergehend einen Teil des Anwesens
als Studentenwohnheim. Schön, dass es ein
Revival als überregional bekannte Institution
in Sachen Party- und Livemusik erleben darf.
Die älteste Lütgendortmunder Gaststätte ist
das Haus „Zur alten Post” an der evangelischen
Kirche. 1833 beantragte Gottfried Westhoff die
„Concession zur Ausübung der Schenkwirth-
schaft”, welche ihm bald erteilt wurde. Anfangs
braute er sogar eigenes Bier. 1877 baute sein
Sohn Heinrich das Geschäftsfeld mit der Eröff-
nung der ersten Lütgendortmunder Postagentur
weiter aus. Der Name erinnert noch heute an
diesen Schachzug. Dass sich vor dem Haus die
(Pferde-) Bushaltestelle der Linie Lütgendort-
mund – Marten befand, dürfte sich ebenfalls
positiv ausgewirkt haben. Wie der Gasthof „Zum
deutschen Haus” wurde auch die Wirtschaft
der Familie Westhoff mehrfach vergrößert, ein
Wintergarten mit Springbrunnen kam dazu,
ein Tanzboden, eine Kegelbahn. Doch wie am
„Deutschen Haus” zogen auch an der „Alten Post”
die Jahrzehnte nicht spurlos vorüber. In den
1990er Jahren galt der Abriss des mittlerweile
sanierungsbedürftigen Gebäudes im Prinzip als
beschlossene Sache. Im letzten Moment fand sich
jedoch ein engagierter Betreiber, der 2001 das
Café „Am Schweinemarkt” eröffnete. Ohne das
nötige Glück allerdings. Wieder unter dem alten
Namen führt derzeit Andrea Geißer das Traditi-
onslokal erneut als rustikal charmante Gaststätte.
Ob es Karl Richter jemals bis Lütgendortmund
geschafft hat, ist fraglich. In seinen Auf-
zeichnungen ist kein solcher Ausflug erwähnt.
Aber der feierfreudige Agent hätte seinen
Spaß haben können. Über die Eröffnung des
Wintergartens im Dezember 1889 jedenfalls
wurde berichtet, dass Speisen und vor allem
Getränke in vorzüglicher Weise mundeten und
die Gäste in heiterster Stimmung dem anbre-
chenden Morgen entgegensahen. (wk)
Wir danken dem Stadtarchiv Dortmund, Herrn Ruhmann von
der Biermacher eG und allen Betreibern der noch bestehenden
Traditionslokale für die freundliche Unterstützung.
Zitate:
(1) aus: „Ein Dortmunder Agent. Der Mann der Karlchen Richter
hieß. Seine Aufzeichnungen neu an den Tag gebracht von Horst
Mönnich”, Walter Rau Verlag, Düsseldorf, 1974
(2) Gewerbliche Anzeige in: Schütz, „Führer durch Dortmund,
1886, (Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed96)
(3) aus: Prümer, „Taschenadressbuch und Führer durch Dort-
mund”, 1889, (Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed97)
(4) aus: Brausewetter, „Städte-Bilder u. Landschaften aus aller
Welt”, Verlag Julius Laurencic, Zürich, 1891, (Stadtarchiv Dort-
mund, Bestand Ed98)
(5) aus: Norbert Reimann, „Kleine Geschichte des Amtes Lüt-
gendortmund sowie der Ämter Dorstfeld und Marten”, herausge-
geben von der Stadtsparkasse Dortmund, 1993
Weitere Quellen:
W. Crüwell, „Führer durch Dortmund - Zum deutschen Bergmanns-
tage”, Dortmund, 1901
W. Crüwell, „Die Geschichte eines Dorfes: Dorstfeld bei Dort-
mund”, Dortmund 1934
Otto Faehre, „Dortmunder Adreß-Buch für das Jahr 1894”, Nach-
druck Beleke Verlag, Essen, 1991
Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark, „Hei-
mat Dortmund”, Ausgabe 3/2003, Thema: Bier
Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark, „Hei-
mat Dortmund”, Ausgabe 2/2006, Thema: Alles fließt. Das Wasser
der Emscher
Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark, „Hei-
mat Dortmund”, Ausgabe 3/2009, Thema: Historische Orte des
Genusses. Traditionsgaststätten in Dortmund
Paul Lenz, „Die Entwicklung des Dortmunder Brauwesens” in:
„Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark”,
Band 33, Verlag des Historischen Vereins Dortmund, 1926
Gustav Luntowski, „Geschichte Dortmunds im 19. und 20. Jahr-
hundert – Die kommunale Selbstverwaltung”, Verlag des Histori-
schen Vereins Dortmund, 1977
Reinhard Wolters, „Die Dortmunder Straßennamen und ihre Be-
deutung”, Eigenverlag, 1998
18
Von Sportwagen und Kältebussen
Wenn jemand in den letzten Jahren der
deutschen Wohnungslosenhilfe wirklich
nachhaltig geschadet hat, ist es der Mase-
rati fahrende Ex-Geschäftsführer der Berli-
ner Treberhilfe, Hans-Harald Ehlert, der sich
von Treberhilfe gGmbH unter anderem mit
einem Jahresgehalt von 365.000 Euro ver-
sorgen ließ.
Das Geschäftsmodell seines Sozialkonzerns,
das ihm das Lob und die Unterstützung
der Unternehmensberatung Kienbaum ein-
brachte, heißt „Social Profit“. Im Kern: pro-
fitorientiertes Sozial-Unternehmertum.
Was bei der Treberhilfe in einen Sozialskan-
dal mündete, macht sich nun ausgerechnet
in Dortmund ein Verein zum Vorbild. Einen
Kältebus und später auch eine Übernach-
tungsstelle für Obdachlose will der Dort-
munder Verein Pro-Obdach ins Leben rufen,
dessen Namensnähe zu den rechtspopulis-
tischen Pro-Parteien zumindest unglücklich
ist. Der Verein wirbt um Spenden, um im
zweiten Schritt die Kommune in die Pflicht
zu nehmen. So der Pro-Obdach-Vorsitzende
gegenüber den Ruhr Nachrichten.
Und der ist umtriebig: Für einen weiteren Ver-
ein sucht er Menschen, die „in Wohngebieten
(von Haus zu Haus), Fußgängerzonen und vor
Geschäften“ für ihn Geld für einen Tiernot-
arztwagen sammeln, seine „Kinderhilfe Rhein-
Ruhr“ wirbt ebenfalls um Spendensammler.
Mal ehrlich, wir kennen das so: Wir ge-
meinnützigen Akteure im sozialen Bereich
reagieren auf „Bedarfe“, Versorgungslücken
und eine sich stetig verändernde Nachfrage
nach unseren Angeboten. Wir sehen, wo et-
was fehlt, wer etwas braucht, das er in den
bestehenden Strukturen nicht bekommt, wo
Hilfe nötig ist. Daraus entwickeln wir Kon-
zepte, Kooperationen, Angebote und bemü-
hen uns dann um die Finanzierung.
Die Idee des Sozial-Profiteurs, der flexi-
bel ein „Arbeitsfeld“ wählt, um zuerst sich
selbst eine Stelle zu schaffen, ist – um es
vorsichtig zu formulieren – moralisch wie
fachlich ein Problem. Ein Kältebus macht
noch keinen Maserati. Aber: Wer unabhängig
von Bedarf, Angebotsstruktur und vermeint-
licher Zielgruppe erst einmal Geld fordert,
darf zumindest mit Skepsis rechnen. (bp)
NEWS | von Sebastian Sellhorst18 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter
Gerhard Richter spendet Drucke an Düsseldorfer Straßenmagazin
Der deutsche Künstler Gerhard
Richter spendet Drucke im Wert
von über 300.000 Euro an die Kol-
legen des Düsseldorfer Straßenma-
gazins „fiftyfifty“. Richter gilt als
einer der bedeutendsten Künstler
des 20. und 21. Jahrhunderts.
Seine Werke werden auf interna-
tionalen Auktionen für teilweise
mehrere Millionen Euro gehandelt.
Zuletzt begeisterte er mit Ausstel-
lungen in der Tate Modern London
und der Neuen Nationalgalerie
Berlin die Kunstwelt. Richter hatte
bereits mehrmals das Düsseldorfer
Straßenmagazin unterstützt. Sei-
ne Spende enthält unter anderem
Drucke der weltberühmten Gemäl-
de „Kerze“ und „Betty“, welche
innerhalb kürzester Zeit einen Käu-
fer gefunden haben. Der Erlös aus
dem Verkauf der Drucke wird einem
Obdachlosenhaus zugutekommen,
das in Düsseldorf gebaut werden
soll. Insgesamt werden dafür cir-
ca zwei Millionen Euro benötigt.
Richter habe dem Verein mit seiner
Unterstützung aus einer schweren
Spendenkrise geholfen, so eine
Sprecherin von fiftyfifty.
SKOTTS SEITENHIEB
Envio-Skandal:Gutachten ermöglicht
Der Envio-Opferfonds war erfolg-
reich: In nur wenigen Wochen
sammelte die Initiative insgesamt
10.000 Euro, um den betroffenen
Arbeitern die Finanzierung unab-
hängiger Gutachter zu ermögli-
chen. Seit dem 9. Mai 2012 steht
die Envio-Führungsspitze vor Ge-
richt. Die Angeklagten werden
wegen vorsätzlicher Körperverlet-
zung in über 50 Fällen angeklagt.
In der größten PCB-Katastrophe
der letzten Jahrzehnte wurden am
Dortmunder Hafen zahlreiche Men-
schen mit PCB schwer vergiftet.
Bereits am ersten Prozesstag brüs-
kierte der Envio-Anwalt Neuhaus
die Opfer, indem er behauptete,
die bis zu 25.000-fach erhöhten
PCB-Werte seien dem ungesunden
Lebensstil der ehemaligen Arbei-
ter geschuldet. (bodo 6/12) Aus
Solidarität mit den Opfern hat
bodo e.V. ein Spendenkonto zur
Verfügung gestellt und die Weiter-
leitung der Spenden übernommen.
Spenden über die benötigte Sum-
me hinaus, werden an den Förder-
verein des Westfälischen Kinder-
zentrums e.V. weitergeleitet.
10 Jahre Drogenkonsumraum in Dortmund
Vor zehn Jahren eröffnete in Dort-
mund unter Trägerschaft der Dort-
munder Aidshilfe e.V. der Dortmun-
der Drogenkonsumraum. Damals
war er der vierte seiner Art in NRW.
Mittlerweile blickt die Einrichtung
auf eine Viertel-Million Konsumvor-
gänge, 40.000 medizinische Hilfen
und 900 Notfallsituationen zurück.
Die 11.000 Beratungsgespräche, die
die Sozialarbeiter seit Eröffnung
führten, unterstrichen die enorme
Wichtigkeit eines solchen Angebo-
tes. Guntram Schneider, Minister für
Arbeit, Integration und Soziales des
Landes Nordrhein-Westfalen, mein-
te in seinem Grußwort: „Die Dort-
munder Aidshilfe hat mit dem Kon-
sumraum Pionierarbeit geleistet.
Vor zehn Jahren ging er als einer der
Ersten in NRW an den Start. Seitdem
wurden hier viele Leben gerettet
und Drogensüchtige in weiterfüh-
rende Beratung oder Behandlung
vermittelt.“ Die Stadt Dortmund
stellt ab sofort 300.000 Euro jähr-
lich zur Verfügung und ermöglicht
es damit, die Öffnungszeiten der
gesamten Einrichtung um 15 Stun-
den in der Woche zu erweitern.
19
ANZEIGE
20 LESE
BUEHNE
Alles, was Spätzünderin Marina über men-
schliches Verhalten und Sexualität weiß,
kennt sie aus den Tierdokumentationen von
Sir David Attenborough („Attenberg“). Ihre
einzige Bezugsperson, abgesehen von ihrem
krebskranken Vater, ist ihre Freundin Bella.
Bella bemüht sich, Marina aufzuklären, und
weiht sie in ihre eigenen Erfahrungen und
Phantasien ein. Während Marinas Interesse
am Zwischenmenschlichen langsam erwacht,
geht das Leben ihres Vaters zu Ende. Ihre
letzten Gespräche mit ihm werfen noch mehr
Fragen auf. Und erst als ein Fremder in die
Stadt kommt, beginnt Marina die Mysterien
der menschlichen Fauna auf eigene Faust zu
untersuchen.
In den letzten Jahren taucht Griechenland
hauptsächlich durch die Wirtschaftskrise
in den Schlagzeilen Europas auf. Dennoch:
Gerade in dieser Zeit entstanden einige der
innovativsten griechischen Filme der letz-
ten Jahre.
Attenberg verschmilzt geschickt Anthropo-
logie mit griechischer Industrie-Tristesse
und einem Soundtrack zwischen No-Wave
und französischem Chanson. Regisseurin
Athina Rachel Tsangari zeigt eine junge
Frau, die die Regeln und Absurditäten des
Lebens mit der Neugier eines Kindes erkun-
det, und entwirft dabei das Bild einer ab-
strakten Spezies Mensch.
Fr. 27.07 bis Mi. 01.08. um 21 Uhr
(außer Sonntag, 29.07.)
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Telefon 0234 – 68 71 620
www.endstation-kino.de
endstation.kino & bodo präsentieren:Attenberg
20 KINOTIPP | von endstation.kino
Ich weiß noch, als wir freier waren
Mit 15 und mit bunten Haaren
Dem großen Ganzen widersprachen
Flaschen am System zerbrachen
Und in Splittern barfuß tanzten
Uns in Punkrocktapes verschanzten
Weil wir gerne sehen wollten
Wie Autoritäten grollten
Ungebunden Frohnaturen
Zweifelsohne Scheißfrisuren
Anders ist heut nicht nur das
Wieder sind es 15 Jahre
30 sind wir – wisst ihr was?
Keiner hat noch bunte Haare!
Punkrock hört der eine schon noch
Liegend in der Couch beim Kiffen
Mit nem Blick wie das Ozonloch
Hackt sich mit gekonnten Griffen
Sein Gras klein und sich noch kleiner
Sein Gesetz ist fest wie Schrauben
„Ohne Arbeit lebt‘s sich feiner“
Sagt‘s und kann schon fast dran
glauben
Ein Zweiter trimmt die Rasenfläche
Vor halbiertem Doppelhause
Auch er eine gewisse Schwäche
Für Ferien und Mittagspause
Wandelnde Verlustanzeige
Keine Lava mehr im Krater
Alles Schräge geht zur Neige
Und wird grade, wie beim Vater
LESEBÜHNE | von Sebastian 23 | Foto: Christoph Neumann
Vom Papier vors Mikrofon aufs Papier. In unserer Kolumne präsentieren
wir Texte der lebendigen Poetry-Slam- und Lesebühnenszene der Region.
Diesmal: Sebastian 23.
INFO
Sebastian 23 ist Kabarettist, Liedermacher und einer der be-
kanntesten Poetry Slammer Deutschlands. 2008 gewann er
bei den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in
Zürich den Einzelwettbewerb.
Bunte HaareDer Dritte ist jetzt Öko-Ritter
Kettet sich auch mal an Eichen
Hört nur noch nicht das Gewitter
Ist ja grade selbst ein Zeichen
Kennt genau das Gut und Böse
Tofu, TAZ und Grüngenießer
Vom Rebell blieb nur Getöse
Unter Dreadlocks lebt ein Spießer
Der Vierte hört sich selbst gern reden
Davon, was man machen müsste
Webt die Worte so wie Fäden
Von den Bergen bis zur Küste
Widerspricht dem großen Ganzen
Und Autoritäten loben
Sein In-Scherben-Tanzen
Was hat sich denn da verschoben?
Wann sind wir denn steh‘n geblieben?
Wieso sind da plötzlich Wände?
Ist das Buch denn schon geschrieben?
Warten wir nur auf das Ende?
Wieso sind wir ohne Zweifel?
Scheiße, was ist nur passiert?
Sind wir stubenreine Teufel?
Wer hat uns so gut frisiert?
21
21
Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:
[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:
bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner
werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.
Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.07.2012
19.07. | Jazzkantine | Strobels, Dortmund | 3 x 2 Karten
20.07. | Nightwash Comedy Special | Spiegelzelt am U, Dortmund | 3 x 2 Karten
26.07. | Molotov | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten
28.07. | Michael Steinke | Zauberkasten, Bochum | 3 x 2 Karten
28.07. | Juicy Beats | Westfalenpark, Dortmund | 3 x 2 Karten
27.07. – 01.08. | Attenberg | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten
Deutschland ohne Ausländer. Ein Szenario. | Pitt von Bebenburg, Matthias Thieme | 2 Exemplare
Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
Juicy Beats 17Die fruchtigste Versuchung seit es Open-Air-Festivals gibt
mit Casper, Modeselektor, Shantel & Bucovina Club, Get Well Soon, DJ Koze, Analogik, Kakkmaddafakka, Prinz Pi,
Electro Ferris, Nosliw, Egotronic, Ante Perry, DJ Larse u.v.m.
Samstag 28.7. ab 12 UhrWestfalenpark Dortmund
bodo verlost 3 x 2 Karten
VERANSTALTUNGEN JULI 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS | zusammengestellt von Benedikt von Randow
22
DI 03 | 07 | 12
Musik | Ma Valise
Aus Clisson/Frankreich, dem Weinanbaugebiet südlich
von Nantes, kommen Ma Valise. Der Name der Band, auf
Deutsch „Mein Koffer“, spiegelt nicht nur die Reiselust
der Gruppe wider, sondern schlägt sich auch in ihrem
einzigartigen Musikstil nieder. Spielerisch fusionieren
Ma Valise Balkan, Afro, Dub, Chanson, Ska und Reggae
zu einer wilden Melange. Sie bringen ein irrwitziges
Tempo im Wechsel mit entspannten Rhythmen zu fran-
zösisch, englisch, rumänisch, creolisch und spanisch
gesungenen Texten auf die Bühne. Die Sprachen wer-
den ebenso durcheinander gewirbelt wie ihre auch un-
tereinander im Wechsel gespielten Instrumente. Ihre
Texte hinterfragen kritisch die gesellschaftlichen Ver-
hältnisse und zeugen von der Solidarität mit Flücht-
lingen, desillusionierten und ausgebeuteten Arbeitern
und anderen Verlierern einer globalisierten Welt. Trotz
der ernsten Themen bewahren Ma Valise Humor und
stecken mit ihrer tanzbaren Musik ihr Publikum an.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
Salongeschichten | Treff für ältere Menschen
Von der mittelalterlichen Truhe bis zum Design-Klassi-
ker: Möbelkunst aus 600 Jahren. Das Museum für Kunst
und Kulturgeschichte beherbergt eine große Anzahl von
Möbelstücken aus verschiedensten Epochen – alt und
neu. Anhand von ausgewählten Exponaten erhalten die
Besucher einen Überblick über die in der Schausammlung
ausgestellten Möbel und Möbel-Ensembles. Ausgehend
von kunstvoll gefertigten, spätmittelalterlichen Holz-
truhen über prachtvoll verzierte Kabinettschränke des
Barock oder ganzen Möbel-Ensembles aus dem Empire,
Biedermeier oder Jugendstil, schlägt die Veranstaltung
eine zeitliche Brücke bis hin zum modernen, mit Werk-
stoffen wie Glas, Stahl oder Kunststoff experimentieren-
dem Design des 20. Jahrhunderts.
Museum für Kunst und Kulturgeschichte, DO, 14.30 Uhr
MI 04 | 07 | 12
Mischmasch | Independence Day – 4th of July Party
Austauschprogramme für Schüler und Studenten sind die
Gelegenheit, sich besser kennenzulernen und zu verste-
hen. Die Dortmunder Fakultät und die Deutsch-Amerika-
nische Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft wollen
jungen Menschen aus beiden Ländern zwanglos Gelegen-
heit geben, ihre Erfahrungen auszutauschen. Eingeladen
sind auch alle, die sich für einen Austausch und die USA
interessieren. Am „Independence Day“, dem amerikani-
schen Unabhängigkeitstag, findet die gemeinsame „4th
of July Party“ statt: ab 20 Uhr im Daddy Blatzheim und
rundum auf der See-Terrasse am Barbecue mit Burger,
Spare Rib, Chicken Wings. Gerald Baars, der ehrenamt-
liche Leiter der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft,
und Walter Grünzweig, Professor für Amerikanistik an der
TU, werden mit den Austauschstudierenden über ihre Er-
fahrungen und die eigenen „talken“. Anschließend sor-
gen „Bombergirl and The Mechanic“ aus Hell‘s Kitchen,
New York City und der gebürtige Amerikaner und 1Live
DJ Mike Litt, für Party-Stimmung.
Daddy Blatzheim im Westfalenpark, Dortmund, ab 20 Uhr
Musik | Fangesänge
Fußball ist das Sportereignis weltweit. Doch was wäre
der Fußball ohne seine Fans und deren Gesänge? Sie
erst geben dem Fußball jene emotionale Dimension,
die über das Stadion hinaus eine globale Gemeinschaft
der Fußballbegeisterten schafft. Dieser Begeisterung
01 – 31 | 07 | 12 Borussia Commondale
22 VERANSTALTUNGEN JULI 2012
04 | 07 | 12 Independence Day – 4th of July Party
SO 01 | 07 | 12
Theater | Vor Sonnenaufgang
Alfred Loth, der wegen politischer Agitation für
zwei Jahre ins Gefängnis musste, trifft nach sei-
ner Entlassung auf seinen alten Kommilitonen
Hoffmann und dessen Schwägerin Helene Krause.
Hoffmann ist durch eine geschickte Heirat und den
Abbau von Kohle zu großem Reichtum gekommen. Dafür
nimmt er auch die Ausbeutung der Bergarbeiter in Kauf.
Doch Helene ist von Loths Idealen und seinem Einsatz
für gerechte Arbeitsbedingungen fasziniert. Haupt-
manns eindrückliches und berührendes Sozialdrama aus
dem Jahr 1889 inszeniert von Intendant Anselm Weber.
Schauspielhaus, Bochum, 17 Uhr
SO 01 | 07 – DI 31 | 07 | 12
Ausstellung | Borussia Commondale
Wie sehr Fußball Menschen verbinden und Freude berei-
ten kann, weiß man in einer Stadt wie Dortmund ganz
besonders zu schätzen. Um dieses Lebensgefühl in die
Welt zu tragen, engagiert sich der Dortmunder Förder-
verein Borussia Commondale e.V. in der südafrikanischen
Provinz Mpumalanga und bringt dort mit der Freude an
dem beliebten Ballsport junge Menschen zusammen. Mit
der Ausstellung „Borussia Commondale. Miteinander ler-
nen und gewinnen – Ein perfekter Doppelpass“, gibt der
Verein nun Einblicke in seine Arbeit. Gezeigt werden die
Stationen einer ungewöhnlichen Bildungsreise von vier
Vereinsmitgliedern, die der Fotograf Falko Husman mit
Foto- und Videokamera begleitet hat. Der Förderverein
Borussia Commondale zählt derzeit 89 Mitglieder. Durch
Spendenaktionen konnte er bereits mehrere hundert
Fußballschuhe und Sportbekleidung in die Region schi-
cken. Ebenfalls bildet der Verein mit Hilfe des Südafri-
kanischen Fußballverbandes Trainer für das Projekt aus.
Ziel ist es, mindestens eine Mannschaft am regulären af-
rikanischen Spielbetrieb teilnehmen lassen zu können.
Weitere Projektphasen sehen einen Arbeitseinsatz von
Dortmunder Fußballfans in Mpumalanga vor, um unter
anderem den Bau eines Fußballplatzes zu realisieren. Die
Ausstellung kann zu den regulären Öffnungszeiten des
Museums besucht werden. (www.mondomio.de)
mondo mio! – Kindermuseum im Westfalenpark, DO
JOE JACKSON | The Duke (earMusic / Edel)
„Ich verehre den Duke, aber ich wollte kein ehrfürchtiges Album machen“, sagt Joe Jackson über sein Tribute-Album an
die Jazzlegende Duke Ellington. Und so ist seine Verbeugung vor dem Meister des Big-Band-Jazz auch wirklich speziell
geworden. Mutig verzichtet Jackson vollständig auf Bläser und transportiert Ellingtons Songs in sein eigenes musika-
lisches Universum; man könnte auch sagen, er dreht sie durch seinen ganz eigenen musikalischen Fleischwolf. Dabei
fusioniert er unbekümmert, aber jederzeit wohlbedacht im Stile eines klassischen Arrangeurs eine unglaubliche Vielfalt
der Musikstile. Unterstützt wird er u.a. von dem einzig wahren Iggy Pop, Guitar-Hero Stevie Vai, Funk-Diva Sharon
Jones, der iranischen Sängerin Sussan Deyhim, Lilian Vieira vom brasilianisch-niederländischen Brazilectro-Kollektiv
Zuco 103 und Band-Mitgliedern von The Roots. Herausgekommen ist ein außergewöhnliches Tribute-Album, das eine
große Vielfalt an Eindrücken hinterlässt und sich garantiert nicht schon nach ein- bis zweimaligem Hören komplett
erschließt. Auch definitiv keine Musik für mal so nebenher als „Hintergrundgeräusch“. Aber großartige Musik, serviert
von echten Könnern und das auch noch auf Basis von Kompositionen eines der ganz Großen der Musik. Wer sich nicht
mit dreiminütigen Pop-Nummern in seinem Leben zufrieden gibt, wird hier dran seine wahre Freude haben. (BvR)
CD-TIPP
23
will das Projekt Fangesänge nachspüren und im „Kraft-
werk der Gefühle“, der Oper, Werke zur Aufführung
bringen, die oftmals hohe Kunst, wenngleich im Ka-
non der Hochkunst nicht zu finden sind. Fangesänge
aus vielen Ländern und von allen Kontinenten verei-
nen sich zu einem Oratorium der Leidenschaften, das
das Faszinosum Fußball als soziales, kulturelles und
politisches Ereignis erfahrbar macht.
Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr (auch 08.07., 18 Uhr)
Musik | Nordland
Schönheit und Reiz der nordischen Länder finden ihren
Ausdruck in der Musik des berühmtesten Komponisten
Norwegens: Edvard Grieg (1843-1907). Er verstand es,
in seinen Kompositionen die norwegische Kultur und
Volksmusik zu verarbeiten. Bereits zu seinen Lebzeiten
fand seine Musik große Anerkennung. Im Planetarium
Bochum erlebt man mit Griegs Musik den Norden mit
seinen eindrucksvollen Naturschönheiten. Zuweilen wird
die Landschaft in farbenprächtige Nordlichter getaucht.
Wie bunte wehende Vorhänge tanzen diese Lichter dann
über den Himmel. Die Schönheit der Landschaft spiegelt
sich in den kosmischen Wundern wider, die der Nacht-
himmel zu bieten hat: ferne Galaxien oder Nebel in den
verschiedensten Formen und Farben.
Planetarium, Bochum, 19.30 Uhr (auch 21.07.)
DO 05 | 07 – SO 08 | 07 | 12
Festival | Bochum Total
Was dem Dortmunder sein Juicy Beats und dem Bonner
seine Rheinkultur (leider in diesem Jahr abgesagt!), ist
dem Bochumer sein Bochum Total. Vom 5. bis 8. Juli
2012 wird sich die Bochumer Innenstadt wieder in ein
fettes Festivalgelände verwandeln. Und auch diesmal
heißt es bei der 27. Auflage des Musikfestivals: vier Tage
volles Programm, mehr als 60 Bands und Künstler vom
regionalen Newcomer bis zum Top-Act, vier Bühnen und
das alles bei freiem Eintritt. Bis jetzt sind unter anderem
folgende Bands bestätigt: Max Prosa, Glasperlenspiel,
H-Blockx, Montreal, Thomas Godoj, Phrasenmäher, Frit-
tenbude, Stereolove, Letzte Instanz, Pamela Falcon, Max
Buskohl, Artig, Mambo Kurt, La Papa Verde, Plan B, Fiva,
Benzin und Susanne Blech. Mehr zum kompletten Pro-
gramm ständig aktualisiert unter www.bochum-total.de.
Innenstadt, Bochum
DO 05 | 07 | 12
Musik | Cerebral Ballzy
Viele denken, New Yorks ehemaliger Bürgermeister Rudy
Giuliani hätte die Kriminalität in New York City besiegt.
Hat er aber nicht – er hat sie lediglich verlagert. Aus den
Augen, aus dem Sinn. Wenn man aber die Statistiken ge-
nau liest, gibt es immer noch einen Mord pro Tag im Big
Apple, jedoch finden diese in East New York statt, wo alle
Kriminellen, die früher am Times Square abhingen, jetzt
wohnen. In der Mitte dieses fauligen Teils der Stadt hat
sich eine Bande von jugendlichen Punks unter dem Na-
men Cerebral Ballzy zusammengefunden, um eine Band
zu starten, die genauso klingt wie ihre Umgebung. Beses-
sen von Skaten, Pizza, Bier und Beavis & Butthead, sind
sie keine College-Kids, die denken, „Die Slums haben so
viel Soul“. Cerebral Ballzy sind geboren und aufgewach-
sen im „Arschloch von New York“. Doch statt darüber zu
Jammern, schreien sie sich durch ein intensives Durchei-
nander aus 80er-Hardcore und Punkrock.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
Mischmasch | Mord im Museum
In Dortmund findet zurzeit (noch bis zum 05.08.) eine in-
teraktive Ausstellung zur Kriminaltechnik statt. Der Muse-
umsdirektor wurde ermordet in seinem Büro aufgefunden.
Das DASA-Publikum geht auf Spurensuche und taucht ein
in die Welt der Kriminaltechnik. In verschiedenen Labora-
torien gilt es, wasserdichte Fakten zu analysieren, bis der
Mörder der Justiz übergeben werden kann. Die Ausstel-
lung zeigt die ausgeklügelten Techniken der Ermittler und
macht naturwissenschaftliche Methoden aus der Chemie,
Biologie oder Physik anschaulich. „Mord im Museum“ ist
eine überraschende, lehrreiche und interaktive Schau,
die den Spürsinn der DASA-Besucher auf eine harte Pro-
be stellt. Am 05.07. finden dort von 9.30 bis 12.15 Uhr
unter dem Titel „Von Beruf: Rechtsmediziner trifft Krimi-
Autorin“ Berufsinformationsgespräche für Schülerinnen
und Schüler statt. Und um 18 Uhr lädt die Kriminalpolizei
Dortmund zum Workshop „Helfen oder wegschauen?“
DASA, Dortmund
Mischmasch | ErsterWerktagDonnerstag
Zahlreiche Ateliers, Werkstätten und Büros sind am ers-
ten Donnerstag eines Monats im Zeitraum von 17 bis 20
Uhr geöffnet. Die Besucher dürfen hinter die Türen und
Kulissen von Kunst und Handwerk blicken und die Viel-
falt des Depots in der ehemaligen Straßenbahnhaupt-
werkstatt erleben, Neues entdecken und auch die eine
oder andere Frage an die „Macher“ stellen.
Depot, Dortmund, ab 17 Uhr
FR 06 | 07 | 12
Kleinkunst | Geierabend Open Air
Geiern bis zum Abwinken! An diesem Wochenende
schlägt das Comedy Open Air des Geierabends mit
05 – 08 | 07 | 12 Bochum Total 05 | 07 | 12 Mord im Museum05 | 07 | 12 Cerebral Ballzy
einer vollen Breitseite aus Kabarett, Satire und Kla-
mauk in bester Ruhrpott-Tradition im Biergarten von
Tante Amanda in Dortmund-Westerfilde auf. Für das
zweistündige Sommerprogramm bringen die Geier ne-
ben vielen Klassikern und den Lieblings-Nummern der
vergangenen Session auch einige brandneue Sketche
auf die Freiluft-Bühne: So geben die schrägen Brüder
„Wemser und Missgeburt“ ebenso wie die Vorort-Komi-
ker „Siegfried und Roy“ einen Vorgeschmack auf ihre
kommenden Programme. Zudem sorgt die schrullige
Schönheitskönigin Miss Annen als Wutbürgerin für
Aufruhr im idyllischen Biergarten. Als Special Guest
ist Neueinkauf Benedikt Hahn beim Open Air mit da-
bei, und nach dem Double des BVB dürfen selbstver-
ständlich die „Zwei vonne Südtribüne“ nicht fehlen.
Mit ihrem Kult-Song „Boh ey Borussia“ schafften es
die bierseligen Fußballphilosophen jüngst zu unver-
hofftem Ruhm. BVB-Spieler Kevin Großkreuz verkün-
dete in einem Interview: „Dieses Fanlied machte uns
zum Meister.“ Nach den Vorstellungen am Freitag und
Samstag wird wieder bis in die Nacht weiter gefeiert.
Gemeinsam mit Bassist Milla Kapolke von Grobschnitt
heizen die Geier ihrem Publikum mit einer großen
Rock‘n‘Roll Live-Show ein.
Tante Amanda, Dortmund, 19 Uhr (auch 07. & 08.07.)
Theater | Die Räuber
Sie sind ungleiche Brüder. Karl hat im Kampf um
Freiheit eine Räuberbande um sich gescharrt und
verbreitet raubend und mordend Angst und Schre-
cken. Franz hat derweil eine Intrige gegen seinen
Bruder gesponnen, durch die er sich des erbbe-
rechtigten Erstgeborenen entledigen will und auch
seines Vaters. Und dann müht er sich um die Gunst
von Karls Verlobter. Karl sinnt auf Rache und opfert
dafür seine letzten Freiheitsideale. Schillers erstes
Drama inszeniert von Jan Klata, der aus Polen nach
Bochum kommt, um nach „Amerika“ zum zweiten Mal
am Schauspielhaus zu arbeiten.
Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr
Party | Plöpp
Passend zum Bochum Total Festival serviert Heinz
Plöpp am 6. Juli Musik zum Feiern, Wundern und Trin-
ken, wie immer mit gewollten Unwägbarkeiten und
ohne musikalische Schubladen. Das bekannte Ebstein
im 70er-Flohmarkt-Charme bietet hier ein weiteres Mal
die perfekte Verpackung und bewegt sich mit kleiner
Tanzfläche auf der Grenze zwischen Club, Lounge und
Kneipe. Der Tanzfaktor steht im Vordergrund, das Zu-
sammensein, das Zusammenfeiern.
Ebstein, Bochum, 22 Uhr
24
SA 07 | 07 | 12
DJ Picknick | Manuel Tur, Ingo Sänger & Carsten Helmich
Auch in diesem Sommer sorgen die Summersounds
DJ-Picknicks umsonst & draußen mit HipHop, Nu-
Jazz, House und Electronic Beats für Partystimmung
in den Dortmunder Parks. Auftakt ist am 7. Juli im
Westpark. Die Deep House Spezialisten Manuel Tur,
Ingo Sänger und Carsten Helmich sorgen für den richti-
gen Groove zum entspannten Sommertag.
Westpark, Dortmund, 14 – 22 Uhr
Musik | 12 Jahre Sissikingkong
Das Sissikingkong wird zwölf. Das muss feste gefeiert
werden. Tommy Cortéz ist eine One-Man-Rock'n'Roll-
Show. Echter Rock'n'Roll aus der Zeit, als Pettycoats
und stark pomadisierte Köpfe noch das Straßenbild
prägten. Eine musikalische Zeitreise in die Ära der
stampfenden Rhythmen, eingängigen Akkorde und
schmalzigen Texte der 50er und 60er. Radioaisle, die
zweite One-Man-Band des Abends, aber ganz anders.
1 Mann, 1 Gitarre, 2 Mikrofone, 3 Verstärker und eine
große Anzahl Effektgeräte. Sisterkingkong, die rich-
tige, die große Band des Abends. Die Musik der fünf
Dortmunder steht für unverkrampftes Singer/Songwri-
tertum, ebenso einfach wie schön, mit der richtigen
Dosis Pathos. Und zum Abschluss La Boum, die Ach-
terbahnfahrt durch zehn Jahrzehnte Musikgeschichte.
Hinter den Plattentellern: das Timmi Twister DJ-Duo.
Der Eintritt ist frei.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
Theater | Zapping!
Wenn man zu Hause am Fernseher die Möglichkeit hat-
te umzuschalten, sobald man etwas nicht mehr sehen
möchte, hatte man am Theater bisher nur zwei Mög-
lichkeiten: einschlafen oder den Saal verlassen. Das
Ensemble der Studiobühne wird nun in diesem den
Versuch unternehmen, die Möglichkeit des Zappings in
das Theater im Musischen Zentrum der Ruhr Universität
Bochum zu integrieren. Der Zuschauer wird die Mög-
lichkeit erhalten, zwischen mehreren Stücken hin- und
herzuschalten, wodurch jeden Abend etwas Neues ent-
stehen wird. Der Eintritt ist frei.
Ruhr-Uni, Bochum, 19.30 Uhr
Tanztheater | Dortmund tanzt!
Dortmund. Eine Stadt in Bewegung. Schwerpunkte ver-
lagern, Blickwinkel verschieben sich. Von Tag zu Tag ver-
ändert sich der urbane Raum. Was macht eine Stadt aus?
Was hält sie am Leben? Welchen Beitrag leisten Kultur
und Wirtschaft gemeinsam für die Qualität eines Lebens-
raumes? In enger Zusammenarbeit zwischen dem Ballett
Dortmund und DSW21 entstand Xin Peng Wangs tänzeri-
sche Hommage an die Westfalen-Metropole und ihre Be-
wohner. Tanzkunst tritt in Dialog mit der Mobilität einer
im Wandel begriffenen Gesellschaft. Der Eintritt ist frei.
Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr
SO 08 | 07 | 12
Theater | Cyrano de Bergerac
Cyrano de Bergerac lebte von 1619 bis 1655. In seinen
Schriften reiste er zur Sonne und zum Mond und wusste
genau, dass der Mond eine Welt unter vielen ist, so wie
die Erde, die sich bewegt und um die Sonne kreist. Das
war vermessen und mutig in einer Zeit, in der Galileo wi-
derrufen musste und die Scheiterhaufen noch schwelten.
Keine Regel respektierte er und kein Gesetz, am wenigs-
ten das der Kirche. Wen wundert es, dass dieses heiße
Herz sich mit allen anlegte und aller Wahrscheinlichkeit
nach einem Anschlag zum Opfer fiel. Seine Schriften ver-
schwanden und wir wissen nicht viel mehr über ihn als
das, was Edmond Rostand in seinem Stück 1897 über ihn
verewigt hat. Ob es Roxanne wirklich gab, das wissen wir
nicht, aber wir glauben ganz sicher an die Reinheit und
Tiefe seiner Liebe zu ihr, die er verschwieg ein Leben
lang. Und noch eines wissen wir: Er hatte eine große
Nase. Armin Rohde spielt den Cyrano de Bergerac in der
Regie von Katharina Thalbach.
Schauspielhaus, Bochum, 17 Uhr
24 VERANSTALTUNGEN JULI 2012
06 | 07 | 12 Die Räuber 08 | 07 | 12 Cyrano de Bergerac
DI 10 | 07 | 12
Musik | Rudelsingen
David Rauterberg und Matthias Schneider präsentie-
ren die schönsten Lieder zum Mitsingen aus den Be-
reichen Schlager, Evergreens, Pop und Rock. Bei dem
rund zweistündigen Programm strahlt ein Beamer die
Verse an die Leinwand, Matthias Schneider begleitet
die Sänger am Klavier und David Rauterberg geleitet
mit Charme und Witz von Lied zu Lied – für jeden ist
etwas dabei, und das Publikum darf aus vollem Hals
loslegen. „Singen macht doch am meisten Spaß, wenn
man laut singen darf und dann noch mit vielen ande-
ren zusammen!“, erklärt David Rauterberg. Er war es
nach seinen Worten „satt, immer alleine in der Bade-
wanne zu singen“.
Werkstadt, Witten, 19 Uhr
MI 11 | 07 | 12
Musik | New York Nights
Seit mehr als zehn Jahren lädt Pamela Falcon jeden
Mittwoch zu den „New York Nights“ ins Riff. Zusam-
men mit ihrer Band „The Good Vibrations“ performed
die gebürtige New Yorkerin jede Woche die musika-
lischen Highlights – nicht nur der letzten 30 Jahre,
sondern auch aktuelle Chartthemen. Angefangen
bei kernigen Rocksongs bis hin zu Pop, Soul, funky
Grooves. Bob Marley sagte über Pamela Falcon „I hear
an angel“. Grad beim ersten Acoustic Set ab 21 zeigt
Pamela Falcon, wie gut sie als Sängerin ist. Früh da
sein lohnt sich also, nicht nur wegen des kostenlosen
Buffets. Anschließend gibt es dann noch die passen-
den Grooves von DJ Patty.
Riff, Bochum, 20 Uhr
MO‘ HORIZONS | Coming Home (Stereo Deluxe / Warner)
„Wir mögen diese Art persönliches Mixtape sehr. Es ging uns nicht darum, besonders hippe und coole Tracks
zu suchen, sondern auch darum, unsere eigene Geschichte in eine neue musikalische Perspektive zu stellen“,
sagen Ralf Droesemeyer und Mark Wetzler aka Mo‘ Horizons zu ihrem „Spezialauftrag“ für die „Coming Home“
Reihe. Mit einer ungeheuren Leichtigkeit und einem hohen Maß an Groove verbindet das DJ- und Produzenten-
Duo aus „Bosshannover“ seit mehr als zehn Jahren die Welten südamerikanischer Musik und Rhythmen mit eu-
ropäischem Club‘n‘Lounge-Gespür. „Come touch the Sun“ war 1999 ein echter Trendsetzer und ist ein absolutes
All-Zeit-Meisterwerk des weltumspannenden Grooves mit ganz viel positiven Vibes. Ihre darauf folgenden Alben
konnten einen dann zwar nicht mehr so flashen wie das Debüt – was aber nicht ungewöhnlich ist nach einer
so Trend setzenden Platte – waren aber alle amtlich. Ihr nun vorliegendes Mixtape „Zum Nachhausekommen“
ist nun aber wieder wirklich großartig gelungen. Eine zeitlose Mischung aus Soul, Cool Jazz, Bossa Nova, Deep
Funk, Afro, Reggae, World-Beats, mit Tracks, die einem meist völlig unbekannt sind und dennoch angenehm
vertraut klingen. Diese Scheibe ist schon jetzt ein Dauerbrenner in meinen Musikabspielgeräten. (BvR)
CD-TIPP
25
11 | 07 | 12 New York Nights 14 | 07 | 12 DJ Picknick: The Digtionaries14 | 07 | 12 Funkhaus Europa Odyssee: Raggabund
DO 12 | 07 | 12
Festival | Kulturtage des Hochkonsums
Zum ersten Mal finden die Kulturtage des Hochkonsums
statt. Alles rund um die Konsumgesellschaft wird ver-
wurstet und auf die Bühnen, Leinwände und Tanzflächen
gebracht. Hier gibt es ein voll gepacktes Programm mit
einer Theater-Performance der Konsumisten, einem Open
Air Poetry Slam, einem Konzert der Condit.or.ei und
Adama. Außerdem die Tour de Vinyl und wem das nicht
reicht, der zappelt bei der „Ich tanze, also bin ich“-Party
noch mal so richtig ab. Bei diesem Festival wird an der
Kassendame gespart: Der Eintritt ist immer frei. Aus-
führliche Infos zum Festival gibt es unter:
www.treff-werkstadt.com/programm/special-events/.
Werkstadt, Witten, 19 Uhr (auch 13., 14.07., ab 19 Uhr)
SA 14 | 07 | 12
Musik | Funkhaus Europa Odyssee: Raggabund
On the Road an der Ruhr! Die Funkhaus Europa Odyssee
geht wieder mit brandaktuellen Global Sounds umsonst
& draußen auf die Piste. Den Anfang macht in diesem
Jahr Raggabund: Ihr Sound, ihre Texte und ihre Beats
fahren in Kopf und Beine: Paco Mendoza und Don Cara-
melo aka Raggabund sind die Könige des Reggae, Dance-
hall und Latin HipHop. Und dann nehmen die Brüder in
ihren geschliffenen Texten noch die Formatradios aufs
Korn, preisen die Señoritas und rütteln die Konsumge-
sellschaft aus ihrer Lethargie – auf Deutsch, Spanisch
und Französisch. Support: Jean Felix, der Singer/Song-
writer, der früher mal bereits auf Tour mit Patrice war.
Freilichtbühne, Wattenscheid, 19.30 Uhr
DJ Picknick | The Digtionaries & Max Gyver
Jede Menge Beats, Breaks und Scratches bringen die
Summersounds DJ-Picknicks umsonst & draußen auf
die Tremonia Wiese. Wenn Ex-RAG-Member und Ruhr-
pott-MC-Legende Aphroe & DJ Cut Stewen aka The Dig-
tionaries gemeinsam hinter den Plattentellern stehen,
dann ist von Old School Breaks bis NuFunk nahezu alles
möglich – Hauptsache, die Bassline hat den richtigen
Groove. Nicht anders sieht das „Beat me up“-Partyini-
tiator Max Gyver, der in Sachen fetter Beats derzeit zu
den eifrigsten Partyaktivisten der Region zählt.
Tremonia Wiese, Dortmund, 14 – 22 Uhr
MO 16 | 07 | 12
Musik | Nada Surf unplugged
Mit bisher sechs Studioalben und einem Hit („Popu-
lar“), den so ziemlich jeder mitsingen kann, der Mitte
der Neunziger regelmäßig in die Indiedisco gegangen
ist, sind Nada Surf eine Institution in Sachen Indie Pop.
Seit bald 20 Jahren begeistert das New Yorker Trio mit
einfachen, melancholischen Melodien eingebettet in
großartige Popsongs. Nun kommen Matthew Caws (Ge-
sang, Gitarre), Daniel Lorca (Bass, Gesang) und Ira Elliot
(Schlagzeug, Gesang) für vier „Special Acoustic Perfor-
mances“ zurück nach Deutschland.
FZW, Dortmund, 21 Uhr
DO 19 | 07 | 12
VERLOSUNG | Jazzkantine
Das Projekt Jazzkantine rund um den Bassisten und Pro-
duzenten Christian Eitner ist seit den 90ern bekannt für
interessante Crossover-Pro-
jekte von HipHop meets Jazz
mit deutschen Texten bis
hin zu swingenden Rockklas-
sikern („Hell‘s Kitchen“). Ihr
unverwechselbarer Sound
animiert immer wieder die unterschiedlichsten Musiker
zur Mitarbeit: Götz Alsmann, Till Brönner, Joo Kraus,
Bill Evans, Gunter Hampel, Wu-Tang-Clan, Smudo, Edo
Zanki oder Xavier Naidoo sind schon mit der Jazzkan-
tine aufgetreten oder haben für sie Titel geschrieben.
Nun haben sich die Köche der Jazzkantine auf eine For-
schungsreise ins Innere der deutschen Seele begeben,
zu den Ursprüngen von Gesang und Gemüt: Sie erkunden
unser aller Heimat und sie erforschen dabei die Wurzeln
populärer Musik im Volkslied.
Strobels, Dortmund, 19 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
FR 20 | 07 | 12
Mischmasch | Zoo bei Nacht: Geführter Abendspaziergang
Wer den Zoo und seine Bewohner in einer besonderen At-
mosphäre kennenlernen möchte, den lädt der Zoo Dort-
mund zu einem geführten Abendspaziergang ein. Denn
dabei kann man viel erleben: Zum Beispiel die vielen
nachtaktiven Tiere, die den Tag verschlafen haben und
sich erst in der Abenddämmerung zeigen. Außerdem gibt
es jede Menge Informationen über die Tierwelt und die
Arbeit im Zoo Dortmund.
Zoo Dortmund, Dortmund, 21 Uhr
Kabarett | Özgür Cebe
Ethno-Pop, ein interaktiver Crashkurs „Türkisch für Deut-
sche“ und Comedy mit Hang zum Kabarett, Talent als
Shakespeare-Rezitator, der Hamlet „live rüberbringt“:
Das und noch viel mehr präsentiert Özgür Cebe in seinem
Programm „Shöw mit Ö“. Ob als nahezu perfekt sächseln-
der Englischlehrer „I see black for you“, mit seinem ganz
persönlichen Casting-Format „Deutschland sucht den
Supertürken“, als Kaufhausdetektiv, der von Erlebnissen
mit dem Russlandaussiedler „Wladimir“ berichtet, als
feinsinniger Dichter oder durch seine Verurteilung von
jedweder Art von Fanatismus und Rassismus: Cebe nimmt
kein Blatt vor den Mund und bedient fast jedes Klischee.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
VERLOSUNG | Nightwash Comedy Special
Was als Geheimtipp in einem Kölner Waschsalon begann,
begeistert inzwischen immer mehr Menschen in der gan-
zen Republik. Moderator Knacki Deuser und seine „Band
Alex Flucht“ präsentieren
Lisa Feller, Jens Heinrich
Claassen und Frank Fischer.
Mutmachlieder: So nennt
Jens Heinrich Claassen seine
Stücke, die er gekonnt am
Klavier vorträgt. In Lisa Fellers neuem Programm dreht
sich alles rund um ihre Familie, um die Schwangerschaft,
Kinder und Ehemänner. Im neuen Programm von Frank
Fischer bekommt man es mit der Angst zu tun. Denn es
gibt über 600 anerkannte Phobien – Zeit also für ein
Programm zu diesem Thema. Die Veranstaltung läuft im
Rahmen von RuhrHochdeutsch im Spiegelzelt am Dort-
munder U. Einen Überblick über das gesamte Programm
erhält man unter: www.ruhrhochdeutsch.de.
Spiegelzelt am U, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
SA 21 | 07 | 12
Musik | Funkhaus Europa Odyssee: Grupo Fantasma
On the Road an der Ruhr, umsonst & draußen, Teil
zwei: Die Grupo Fantasma: Welche Musik bringt man
mit Austin, Texas in Verbindung? Country? Texmex?
Blues? Grupo Fantasma geben ein wenig Nachhilfeun-
terricht: Ihr Markenzeichen ist ein stilistischer He-
xenkessel, der es in sich hat: Funk, Mambo, Merengue
und Cumbia schwimmen lebhaft darin, gespickt mit
herzhaft zupackenden Rocksequenzen. Für ihr letztes
Album „El Existential“ bekamen sie gar einen Gram-
my. Grupo Fantasma kommen zur Odyssee mit einer
tighten Rhythmussektion aus pumpendem Bass,
peitschenden Drums und fein abgestimmtem Percus-
sionarsenal. Eine kochende Schweineorgel und eine
energiegeladene Funkgitarre heizen das Geschehen
an, und natürlich ist da dieser Bläsersatz von schnei-
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denden Trompeten bis zu grunzendem Baritonsax.
Support: Funkommunity mit modernem Soul aus
Auckland/Neuseeland.
Freilichtbühne, Wattenscheid, 19.30 Uhr
Impro-Theater | Doug Nunn
Nachdem in diesem Jahr bereits diverse Größen
des Improvisationstheaters aus Kanada und Bel-
gien ihrer Einladung in Bochums sympathisches freies
Theater gefolgt sind, begrüßen Balzer & Regener nun
mit dem großartigen Doug Nunn einen hippiesk-ent-
spannten Vertreter dieser schönen Kunst aus Mendoci-
no im Norden Kaliforniens. Wie es nun schon seit fünf
Jahren Tradition ist, wird Doug mit der tatkräftigen
Unterstützung diverser, bunt zusammengewürfelter
Spieler einen knackigen improvisierten Theaterabend
auf die Bühne bringen, wobei sich das Team dieses Mal
vor allem auf ur-amerikanische Genres konzentriert
und einen Hauch von Tarantino, Williams, Chandler
und Allen in improvisierter Form zum Besten geben
wird. Ansonsten behält man sämtliche traditionelle
Zutaten dieses erfrischenden Sommer-Cocktails bei:
kühle Getränke, heißes Grillgut und Spielfreude galore
im und ums Thealozzi herum.
Thealozzi, Bochum, 20 Uhr
DJ Picknick | Jazzanova DJ-Set & Oliver Korthals
Ein ganz besonderes Highlight versprechen die Sum-
mersounds DJ-Picknicks umsonst & draußen am
Phoenix See. Mit dem Jazzanova DJ-Set vom Sonar Kol-
letiv aus Berlin und Mojo-Club Gründer Oliver Korthals
aus Hamburg ist gleich eine doppelte Ladung NuJazz,
Funky Grooves und soulful Electronic Beats garantiert.
Phoenix See, Dortmund, 14-22 Uhr
Party | The Golden Era of Hip Hop & a Fistful of Funk
Die goldene Ära des Hip Hop ist jene Zeit, in der Rap-
musik eine Bewegung war und noch nicht als Synonym
für dicke Autos, schwere Goldketten und Macho-Alü-
ren „harter Jungs“ herhalten musste. Eine Zeit, in der
es noch cool war, Funk- und Soul-Klassiker zu samp-
len, ein fettes Ding daraus zu drehen und mit sinnvol-
len Lyrics politische Zustände zu kritisieren oder man
einfach nur witzig sein wollte. Als Reiseführer durch
Old School HipHop, Breakbeat Classics & Funky Beats
stehen Der Wolf und die Crew von Soultrippin‘: Stipp
Visit, BoomBoxBali & Super Klep an den Turntables.
Cosmotopia, Dortmund, 23 Uhr
DO 26 | 07 | 12
VERLOSUNG | Molotov
Der Crossover der Latin-Rock-Superstars aus Mexiko
City aus Flamenco-Gitarrenriffs, Turntable-Scratches
und einem meist harten, basslastigen Klangteppich
brachte Molotov Ende der
90er große Erfolge ein. Ihr
Debüt „Donde Jugaran Las
Ninas?“ wurde von Publikum
wie Kritikern gleichermaßen
gefeiert. In ihren Texten
rechneten die Vier mit der konservativen Gesellschaft ab
und erhielten damit auch prompt ein Verkaufsverbot. So
brachten sie die Platte einfach selbst an die Leute, und
die Fans rissen ihnen die Scheiben nur so aus der Hand.
Kurzerhand waren die vier Verrückten in allen lateiname-
rikanischen Staaten bekannt, in Spanien schafften sie
es sogar zur erfolgreichsten mexikanischen Band aller
Zeiten. Ihr explosiver Sound, der spezielle Humor, ihre
Kritik und politischen Ansichten haben Molotov in der
Zwischenzeit weltweit bekannt gemacht.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20.30 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
FR 27 | 07 | 12
Musik | Elvis Pummel
1993 kürte man den stilechten Rock’n’Roller zum
schlechtesten Gitarristen von Nordrhein-Westfalen. Nur
ein guter Grund, ihn beim Rockabilly Fever die Hütte
zerlegen zu lassen. Denn über den Titel hinaus hat der
Sohn iranischer Einwanderer nicht nur den unglaub-
lichsten Hüftschwung seit „Elvis the pelvis“, sondern
auch eine stets frisch gelegte Presley-Gedächtnis-Tolle.
Jedoch betreibt der sympathische Doppelgänger des
King of Rock‘n‘Roll nicht etwa eine Memphis-Tribute-
Imitations-Show: Mit seinem ganz eigenen „Wild &
Primitive Songwriting“ als Gesamtkunstwerk bereist er
regelmäßig die ganze Nation, tritt immer wieder auch
über seine Grenzen hinaus und kapert ohne Rücksicht
auf Verluste Tische, Stühle und Tresen für seine legen-
dären Live-Performances. Den geschätzten Zuhörer
erwarten energiegeladener, humoriger Trash, grob ge-
spielter Rockabilly, rauher One-Man-Band-Rock’n’Roll,
schmalziger Teensound, gebrochene Herzen, desperater
Blues, nachdenklicher Honky-Tonk. Der Eintritt ist frei.
subrosa, Dortmund, 20.30 Uhr
Kleinkunst | Kay Ray
Rotzjunge, Charmeur oder zynischer Kritiker? Alle drei
Figuren vereint Kay Ray auf sich und versprüht seinen
Witz und seine ironischen Kommentare. Er kratzt an den
Grenzen des guten Geschmacks und nimmt sein Publi-
kum mit auf seine Reisen in die Absurditäten des All-
tags. Hierfür muss schon mal die bequeme Sitzposition
korrigiert werden, denn das Publikum wird selbst zum
Teil der Show von Kay Ray. Zur Entspannung stimmen
er und seine musikalische Begleitung am Klavier hu-
morvolle Lieder an, aber nur, um den Gästen eine kurze
Verschnaufpause zu gönnen. Die Veranstaltung läuft im
Rahmen von RuhrHochdeutsch im Spiegelzelt am Dort-
munder U. Einen Überblick über das gesamte Programm
erhält man unter: www.ruhrhochdeutsch.de.
Spiegelzelt am U, Dortmund, 20 Uhr
26 VERANSTALTUNGEN JULI 2012
16 | 07 | 12 Nada Surf 20 | 07 | 12 Özgür Cebe
OSAMU TEZUKA | Buddha 01 – Kapilavastu (Carlsen Comics)
Der als „Gott des Manga“ geltende Osamu Tezuka, als Japaner selbst in einer buddhistischen Kultur aufgewachsen,
arbeitete zehn Jahre an seinem Comic-Epos „Buddha“, bevor er ihn Anfang der 1970er Jahre veröffentlichte. Nun wird
dieses Werk endlich auch hierzulande veröffentlicht. Und auch wenn die Sprache ab und an etwas hölzern wirkt und
man von Manga-Comic-Zeichnungen halten möge, was man will, dieser Graphic-Novel-Comic ist etwas Besonderes. Voller
Fabulierlust widmet Tezuka sich dem Leben und Wirken des Begründers des Buddhismus und entführt mit seinen Schwarz-
Weiß-Strips in das historische Indien. Mit Humor, Sozialkritik und Action erzählt er die abenteuerliche und teils schräge
Geschichte des Fürstensohns Siddharta Gautama, der vor circa 2.500 Jahren aus seiner Tradition ausbrach und zum
„Erleuchteten“ wurde. Der große Art Spiegelmann (u.a. „Maus“) sagt dazu: „Osamu Tezuka hat eine komplett neuartige
Sprache der Comicerzählung erfunden und sein Platz in der Geschichte des japanischen Comics ist ebenso zentral wie der
Platz Siddhartas in der Geschichte des Buddhismus.“ (BvR)
COMIC-TIPP
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21 | 07 | 12 Doug Nunn21 | 07 | 12 Funkhaus Europa Odyssee: Grupo Fantasma
SA 28 | 07 |12
VERLOSUNG | Juicy Beats Festival
Dieses fruchtige Festival muss man als Musik- und Par-
tyfreund einfach lieben. Ein Haufen cooler Live-Acts
und DJs – für jeden was
dabei – auf unzähligen Büh-
nen und in schrägen Lokati-
onen überall im Westfalen-
park verstreut: Das macht
Laune, vor allem wenn auch
noch das Wetter mitspielt. Der musikalische Obstkorb
für das siebzehnte Juicy Beats Festival ist wieder reich
gefüllt, ich sag nur: Casper, Modeselektor, Shantel
& Bucovina Club, Get Well Soon, DJ Koze, Analogik,
Kakkmaddafakka, Prinz Pi, Electro Ferris (Ferris Hilton
von Deichkind), Two Gallants, Nosliw, Egotronic, Julia
Marcell, Dillon, Ante Perry, DJ Larse, Klaus Fiehe, die
Global Player Residents, Matt Flores, Ingo Sänger... ach
guckt es euch einfach selber an auf www.juicybeats.
net. Insgesamt verwandeln nämlich weit über hundert
international, national und regional bekannte Acts und
DJs auf mehr als zwanzig Bühnen und Dancefloors den
Park in eine der schönsten Open Air Locations der Re-
publik. Sechzehn Stunden großes Festival-Kino & Party
total in Dortmund – leider geil!
Westfalenpark, Dortmund, 12 – 04 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Musik | Funkhaus Europa Odyssee:
Malik Belili & Schwarz-Rot Atemgold 09
On the Road an der Ruhr, umsonst & draußen, die Ab-
schluss-Fete mit Malik Belili & Schwarz-Rot Atemgold
09. Schon in der letztjährigen Ausgabe der Funkhaus
Europa Odyssee kam es zu einer furiosen Kollaborati-
on – die Ruhrgebiet-Fanfare Schwarz-Rot Atemgold 09
traf auf Balkantronica aus Berlin. Die Bläser aus dem
Pott sorgen auch dieses Jahr für eine satte Grundie-
rung in einem Stelldichein: Zu Gast ist dieses Mal der
algerische Künstler Malik Belili. Der Berber geleitet mit
seiner rauen Stimme durch ein hochgradig tanzbares
Repertoire, das die Traditionen des Atlasgebirges mit
urbaner Partylaune vereint. Melodieselige Chansons
auf Französisch treffen auf rasante Arabesken und vor-
wärtspreschende Rhythmen. Dazu gesellt sich dann die
Energiegeladene Brass-Power von Schwarz-Rot Atem-
gold 09. Den passenden Einheizer geben DJ AliT & Ori-
ental Beats aus Casablanca/Marokko.
Freilichtbühne, Wattenscheid, 19.30 Uhr
VERLOSUNG | Michael Steinke
Er ist charmant, komisch und auch ein wenig boshaft:
In seinem neuen Programm „Funky! Sexy! 40!“ zündet
der preisgekrönte Komödi-
ant sein Humorfeuerwerk.
Hatten Sie eine schwe-
re Kindheit? Ideal! Dann
geht‘s Ihnen besser als
Michael Steinke – der Mann
hat obendrein noch eine schwere Gegenwart. Denn er
fühlt sich funky – er fühlt sich sexy – aber er fühlt
auch den Körper eines Mittvierzigers. Und kann man
in diesem Alter noch Spaß haben? Oh ja – man kann.
Der Meister der Stand Up Tragedy wird Sie auf einen
Streifzug durch die 70er Jahre mitnehmen – in eine
Zeit, in der Telefone noch nicht in die Hosentasche
passten, Mustertapeten uns die Sinne vernebelten
und in der Küche Prilblumen blühten.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
SO 29 | 07 | 12
Film | Fiege KinoOpenAir: Greenpeace Multivisions Show
Der Film gibt mit wunderschönen, mitreißenden Bildern
und live erzählten Geschichten einen Einblick in diese
faszinierenden Wälder vor unserer Haustür. Der Besucher
reist quer durch Europa und erlebt die wilden Wälder
im Wandel der Jahreszeiten. Egal, ob er von deutschen
Urwaldresten vor unserer Haustüre erzählt, von Wande-
rungen durch die russische Wildnis in den Bergen des
Urals, von seinen Begegnungen mit Wölfen in Finnland
oder den Wisenten in Polen berichtet, immer zeigt Mar-
kus Mauthe Bilder in höchster fotografischer Qualität.
Dieser Vortrag soll Menschen für die Natur begeistern.
Gleichzeitig soll er auch zeigen, wie sich jeder Einzel-
ne in seinem Alltag mit einfachen Mitteln für die Natur
einsetzen kann und dabei aktiv zum Klimaschutz bei-
trägt. Der Einlass erfolgt ab 20 Uhr, der Film beginnt bei
Sonnenuntergang. Das ganze Programm des Fiege-Kino-
Open-Airs gibt es unter www.fiege-kino.de.
Innenhof der Fiege-Brauerei Bochum, 20 Uhr
21 | 07 | 12 DJ Picknick: Oliver Korthals
Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10
Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62
Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20
Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45
Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0
HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6
Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00
Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25
Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012
Museum Bochum, Kortumstraße 147, 910 42 30
Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36
Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17
Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01
RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30
Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30
Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30
Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90
Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03
Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35
Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17
Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56
Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50
Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00
Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46
DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79
Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45
domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30
Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25
F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72
FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20
Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194
Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00
Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22
Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206
Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25
Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33
Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47
Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78
Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60
Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07
SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23
Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20
U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23
Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40
Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00
Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11
Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52
Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99
Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24
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28 INTERVIEW | von Theresa Baumeister | Fotos: Andre Noll · Sebastian Sellhorst
AbwärtsspiraleWohnen in Zeiten von Finanzinvestoren, Schrottimmobilien und Hartz IV
Kommunen und Großunternehmen verkau-fen ihre Wohnungsbestände, Investoren und Private Equity-Fonds spekulieren und schöpfen Gewinne ab. Der Stadtsoziologe Dr. Sebastian Müller hat Dortmunds ehema-lige Stahlarbeitersiedlungen untersucht und sagt: Wohnungsspekulation und Hartz IV lassen Wohnen prekär werden.
bodo Reden wir über Prekarisierung…
SM Prekarisierung ist ein Phänomen unse-
rer Zeit. Menschen wird das Leben schwer
gemacht. Es ist ein Prozess des gesellschaft-
lichen Ungleichmachens und der Margina-
lisierung von Bevölkerungsgruppen. Hinter
Prekarisierung steht Armut. Der Begriff
Prekarisierung wurde ursprünglich für prekäre
Beschäftigung verwendet, wenige Stunden
oder Tage arbeitend, oft ohne Vertrag oder So-
zialversicherung und in denen kein existenzsi-
cherndes Einkommen erzielt werden kann.
bodo Und was ist dann prekäres Wohnen?
SM Ich denke, es greift zu kurz, nur die
Prekarität von Beschäftigungsverhältnissen
zu betrachten, auch wenn dies sehr wichtig
ist. Das vernachlässigt jedoch Menschen,
die aus der Arbeitswelt bereits weitgehend
ausgeschlossen sind, „überflüssige“ Lang-
zeitarbeitslose und Hartz IV-BezieherInnen.
Prekäre ökonomische Verhältnisse weiten sich
auf andere Lebenslagen aus. Unter prekärem
Wohnen verstehe ich Wohnverhältnisse, die
Menschen normales, ruhiges Wohnen un-
möglich machen. Auseinandersetzungen um
die Miete, um Wohnstandards, Reparaturen
und Verträge mit den Vermietern fressen das
Leben auf. Wohnungen werden vernachlässigt
und befinden sich in einem beklagenswerten
Zustand. Die Orte, wo wir diese Wohnungen
finden, sind gesamtstädtisch oftmals „aufge-
gebene Orte“. Das zeigt sich deutlich in der
schlechten Substanz der Gebäude, aber auch in
fehlenden sozialen Verbindlichkeiten seitens
der EigentümerInnen oder der Wohnungspoli-
tiker. Die betroffenen Siedlungen sind keine
„Ghettos“, aber sind durchaus von Ghettoisie-
rung bedroht.
bodo Wer ist davon betroffen?
SM In den Siedlungen in Dortmund, die ich
untersucht habe, waren es sehr unterschied-
liche Leute – mit Migrationshintergrund,
RentnerInnen, die ihr ganzes Leben in den be-
troffenen Siedlungen leben, Menschen in un-
terschiedlichsten Arbeitsverhältnissen. Aber
auffallend viele von ihnen sind auch Hartz-
IV-EmpfängerInnen. Es sind Menschen, die an
den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Sie werden zunehmend vergessen, sind aber
noch nicht ganz abgeschrieben. Beispielswei-
se sind sie nicht direkt von Obdachlosigkeit
bedroht, und ich habe auch kaum Fälle von
Zwangsumzügen beobachten können. Viele
sind arm, aber sie kommen mit ihrem Einkom-
men gerade eben über die Runden, aber wenn
unerwartete Zahlungen anstehen, wird es oft
sehr eng.
bodo Was sind die Ursache prekären Wohnens?
SM Soziale Unterschiede, die sich auch räum-
lich in der Stadt niederschlagen, gab es schon
immer. Eine Verschärfung der Lage trat im
Zuge der Verkäufe von Wohnungen an interna-
tionale Finanzinvestoren auf. Seit 2004/2005
kauften solche Finanzinvestoren, wie z.B. Cer-
berus, Griffin, Deutsche Annigton oder White-
hall massenhaft Mietwohnungen in ehemaligen
Stahlarbeiter- und Bergmannswohnsiedlungen
auf. Die Privatisierung fiel in die Zeit, in
der durch die Hartz-IV-Sozialgesetzgebung
Sozialhilfe und Kosten der Unterkunft (KdU)
gekürzt wurden. Das Zusammenspiel hat eine
negative Dynamik, die die Abwärtsspirale in
den Vierteln stärker werden ließ.
bodo Was hat sich mit dem Eigentümerwech-
sel durch die Finanzinvestoren geändert?
SM Die Siedlungen waren im Ruhrgebiet
meist in privatwirtschaftlicher Hand, nicht in
öffentlicher. Sie waren allerdings mit Geldern
¬
Der Wohnkoloss Hannibal I in der
Dortmunder Nordstadt. Sein Gegen-
stück in Dorstfeld wurde zuletzt als
Spekulationsobjekt für das Doppelte
des Verkehrswerts versteigert.
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der öffentlichen Hand, dem sozialen Wohnungs-
bau, errichtet worden und waren im Besitz von
unternehmensgebundenen Wohnungsbaugenos-
senschaften. Sie hatten für damalige Verhält-
nisse einen hohen Wohnstandard und boten
dem ArbeiterInnenmilieu ein gesellschaftlich
gleichberechtigtes Leben. Heute sieht es
ganz anders aus. Die neuen EigentümerInnen
kümmern sich nicht um die Wohnbestände, un-
terlassen Renovierungs- und Modernisierungs-
maßnahmen, sie sind nicht vor Ort präsent
und haben keine AnsprechpartnerInnen für
die MieterInnen. Es kann von einer bewussten
Standardreduzierung gesprochen werden.
bodo Wie nehmen die BewohnerInnen die
Prekarisierung der Wohnverhältnisse wahr?
SM Alle BewohnerInnen, mit denen ich
gesprochen habe, beschweren sich über die
unzureichenden Zustände in den Wohnungen.
Sie beklagen Schimmel an den Wänden, ver-
müllte Hinterhöfe, Wasserschäden, verzogene
und nicht schließende Haustüren, muffige
und feuchte Kellerräume und dergleichen.
In einem zwölfstöckigen Haus in Westerfilde
war zum Beispiel über Wochen der Aufzug de-
fekt. Trotz immerwährender Beschwerden und
Nachfragen hat sich der Eigentümer nicht
um diesen Schaden gekümmert. In einem
Haus in Wickede wurde über ein halbes Jahr
lang eine kaputte Glasscheibe einer Haustür
nicht repariert. Der heruntergekommene Zu-
stand der Wohnungen und Gebäude ist eine
Zumutung für die BewohnerInnen und neben
alltäglichen Anstrengungen und Quälereien
müssen sie sich auch darum noch kümmern.
Das ist ziemlich zermürbend und belastend,
und die Menschen finden keine Erholung von
alltäglichen Strapazen. So kommt es auch
zum Teil zwischen den BewohnerInnen zu
Streit, aber trotz der hohen Belastungen
gibt es noch eine funktionierende Solidarge-
meinschaft. Sie bilden zum Beispiel Mieter-
Inneninitiativen und kümmern sich um den
Zustand der Wohnungen in den Siedlungen.
bodo Wie geht es mit den Orten des prekären
Wohnens weiter?
SM Gerade in Dortmund als einer „Hauptstadt
der prekären Wohn-, Arbeits- und Lebens-
verhältnisse“ gibt es große Schwierigkeiten.
Jedoch ist Prekarisierung ein drängendes
Problem auch anderenorts. Glücklicherweise
erfährt das in der letzten Zeit ein verstärktes
öffentliches und politisches Interesse. Auch
seitens der Kommune ist jetzt mehr Problem-
bewusstsein zu erkennen. Jetzt wird auch
mal über die betroffenen Siedlungen anstatt
immer nur über glänzende Orte wie Phönix
West diskutiert. Die soziale Lage kann nur ver-
bessert werden, wenn das Armutsmilieu ernst
genommen wird und kreativ und nachhaltig
Hilfe organisiert wird. Die Augen davor zu
verschließen, hilft gar nicht.
bodo Vielen Dank für das Interview.
INFODr. Sebastian Müllers Studie „Wie Wohnen prekär
wird – Finanzinvestoren, Schrottimmobilien und
Hartz IV“ ist in der Reihe „fair statt prekär“ der
Kooperationsstelle Wissenschaft – Arbeitswelt
in der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund
erschienen.
Die Studie kann dort in Einzelexemplaren
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Wohnen in einem Schloss für wenig Geld? Das kann man in den Niederlanden, wenn man auf sämtliche Rechte als Mieter verzichtet. „Antikraak“ ist eine drittklassige Wohnform, die sich inzwischen auch nach Deutschland ausbreitet – prekär ist gar kein Ausdruck.
Margriet* hatte zuerst gedacht, die Nachbarskin-
der, die sie draußen vor ihrer Erdgeschosswoh-
nung wähnte, würden gleich einen Klingelstreich
machen. Sie hatte Zahnschmerzen und blieb im
Bett liegen. Doch statt des Klingelns hörte sie
das Geräusch eines Schlüssels: Jemand öffnete
die Wohnungstür. Irritiert warf Margriet sich
einen Bademantel über, trat aus dem Schlaf-
zimmer in den Flur und traf auf den Kontrolleur.
„Was zum Teufel machen Sie hier?“ fragte sie.
„Nur das, was Sie unterschrieben haben“, kam es
knapp zurück.
Unterschrieben hat Margriet, eine Psychologiestu-
dentin um die 30, tatsächlich: eine Überlassungs-
vereinbarung, die ihr vorübergehend die Nutzung
einer 60 Quadratmeter großen Wohnung einräumt.
Überraschende Begegnungen im Flur sind seither
Teil ihres Alltags. „Jederzeit“, so steht es im
Vertrag, kann ein solcher Kontrollbesuch im Haus
stattfinden, „um den Zustand der Wohnung zu
prüfen.“ Ob angekündigt oder nicht, Margriet
ist verpflichtet, der Agentur Alvast Zugang zu
gewähren.
So ist das, wenn man „Antikraak“ wohnt. So wird
in den Niederlanden ein Zwischennutzungsmo-
dell der besonderen Art genannt. Firmen wie
Alvast verdienen ihr Geld damit, Zwischenmieter
für Immobilien zu finden, die abgerissen oder
verkauft werden sollen. Eigentümer und Versi-
cherungen bewerten die Immobilien weiterhin zu
ihrem Buchwert als Leerstand. Die Bezeichnung
„Antikraak“ verweist darauf, dass die Immobilien
so vor Verfall und Vandalismus, aber eben auch
vor Hausbesetzern geschützt sind. Die Zwi-
schennutzer, die keine Mieter sind, da es keine
Mietverträge gibt, können so relativ günstig
wohnen, müssen sich aber auf viele Kompromisse
einlassen.
Margriets Fall ist keine Ausnahme. Die von ihr
bewohnte Zweizimmerwohnung kostet monatlich
115 Euro zuzüglich Nebenkosten und gehört der
Wohnungsbaugesellschaft Rochedale, genau wie
die meisten der rotbraunen, viergeschossigen
Mietshäuser in diesem schmucklosen Kiez in
Amsterdam-Oost. Mit der Unscheinbarkeit soll hier
aber bald Schluss sein, denn auch Rochedale reno-
viert derzeit den Bestand, wertet Wohnungen auf
und verkauft sie als Eigentumswohnungen. Auch
mit dem Haus, in dem Margriet wohnt, soll das
passieren. Die letzten Mieter sind längst ausgezo-
gen, wann der nächste Schritt folgt, ist ungewiss.
Lange war ein solches Objekt dazu prädestiniert,
besetzt zu werden. Bis 2010 nämlich wurde „kra-
aken“ in den Niederlanden nicht strafrechtlich
verfolgt, vorausgesetzt, die besetzte Immobilie
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»Antikraak« – Wohnen als Job
REPORTAGE | von Tino Buchholz und Tobias Müller | Fotos: Sander Holloway
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stand mindestens ein Jahr lang leer. Zwischen
1965 und 1999 gab es zwischen Maastricht und
Groningen rund 50. 000 Hausbesetzer. Um ihnen
die rechtliche Grundlage zu entziehen, engagier-
ten Eigentümer schon ziemlich bald die ersten
„Antikraaker“, die in den leerstehenden Immo-
bilien wohnen durften und die Aufgabe hatten,
diese zu bewachen. Das Wohnen wurde so zum
Job. Inzwischen hat sich das Verhältnis verkehrt:
Heute sind es rund 50. 000 Menschen, die anti-
kraak wohnen. Doch während die „Antikraaker“
der ersten Stunde für ihre Wachschutzfunktionen
bezahlt wurden, gibt es heute Wartelisten für
diese Wohnform, und es sind die bewachenden
Bewohner, die Agenturen wie Alvast für ihre
Vermittlung bezahlen.
Das niederländische Geschäftsmodell „Antikraak“
wird seit mehreren Jahren auch in andere euro-
päische Länder exportiert. Marktführer ist dabei
die Firma Camelot, die in Belgien, Großbritanni-
en, Irland und seit 2010 auch in Frankreich und
Deutschland (vor allem in Hamburg und Düssel-
dorf) tätig ist.
In den Niederlanden bewerben sich inzwischen
rund 50 Agenturen meistbietend um die lukra-
tive Bewirtschaftung von rund 313. 000 leerste-
henden Wohnungen (Stand 2009) und aktuell gut
7,5 Millionen Quadratmeter ungenutzter Büro-
fläche. Auf angespannten Wohnungsmärkten wie
in London, Amsterdam und Düsseldorf leisten
die Bewohner bereits mietähnliche Zahlungen.
So hat sich in den vergangenen Jahren neben
Eigentum und Miete ein dritter Wohnungsmarkt
etabliert.
Die Leerstandsverwaltung funktioniert dank
eines Sanktionssystems, welches Abmahnun-
gen, Bußgeld und schließlich die Kündigung
vorsieht. Margriet erfuhr das im Herbst am
eigenen Leib. Auf dem Weg zu ihrem neuen Job
hatte sie ein paar Klamotten, ihre Sporttasche
und den vollen Mülleimer im Raum zurückgelas-
sen. Als sie zurückkam, fand sie eine schriftli-
che Beschwerde des Kontrolleurs vor, es folgte
die Kündigung. Margriet schrieb an die Agentur
und erklärte die Situation. Sie bekam einen
Brief zurück. „Auch wir finden es furchtbar
schade, dass unsere Zusammenarbeit so enden
muss. Wir wollen nur ordentliche Bewohner. Auf
unseren endlosen Wartelisten stehen Tausende
Menschen, die auf eine Wohnung in Amsterdam
warten.“ Margriet schaltete einen Anwalt ein
und konnte bleiben. Auf diese Idee aber kom-
men die meisten „Antikraaker“ nicht.
In der Regel reicht zur Abschreckung der
Katalog an Disziplinierungsmaßnahmen, die
in den Überlassungsvereinbarungen enthal-
ten sind: keine Kinder, keine Haustiere, keine
Parties, Zusammenwohnen und Urlaub nur nach
Absprache. Zudem ist kein direkter Kontakt zum
Eigentümer erlaubt, und auch Medien gegen-
über dürfen „Antikraaker“ sich nicht über ihre
Wohnsituation äußern.
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Zur „dritten Klasse“ auf dem Wohnungsmarkt
gehören in den Niederlanden immer mehr junge,
prekär beschäftigte Menschen, Künstler und
Studierende. Sie sind die Zielgruppe für Zeitver-
träge, die vom Eigentümer terminiert und binnen
zwei bis vier Wochen beendet werden können.
Auch in Frankreich gibt es ein ähnliches Modell
zur temporären Nutzung staatlicher Immobi-
lien, dort sind Staatsbedienstete eine weitere
Zielgruppe. Dafür hat die Regierung sogar eigens
ein Gesetz namens „Lancelot“ verabschiedet. In
England verlangen die Agenturen ein polizeili-
ches Führungszeugnis.
Den Firmen geht es um ein Maximum an Flexi-
bilität in der Immobilienwirtschaft, de facto
betreiben sie die Abschaffung der Kündigungs-
frist. Aus der Perspektive des Eigentümers eine
phantastische Idee, aber was passiert, wenn aus
der Nische ein Massenphänomen wird?
Für die Wohnungsbaugesellschaft Brabant Wonen
ist „Antikraak“ aus zwei Gründen attraktiv: „Wir
halten die Siedlung lebenswert und die Wohnung
instand“, sagt Sprecherin Willemien van Rossum.
„Dazu bieten wir jüngeren Zielgruppen eine
Chance, schneller Wohnraum zu bekommen.“
Die oft betonte Freiheit, „Antikraak“-Überlas-
sungsvereinbarungen zu unterschreiben, genie-
ßen Menschen, die vor der Entscheidung „Friss
oder stirb“ stehen. Die Verträge beinhalten
eine Reihe bizarrer Klauseln, die rechtlich kaum
haltbar sind. Demnach hat der Bond Precaire
Woonvormen (BPW) über 50 Regeln gefunden,
die gegen 20 verschiedene Gesetze verstoßen.
Vor allem der Eingriff in die Privatsphäre, der
Hausfriedensbruch durch Kontrolleure sowie
Bewohner- und Menschenrechte sind betroffen.
BPW-Sprecher Abel Heijkamp sieht das Thema
„Antikraak“ in einem größeren Zusammenhang:
„Dass Menschen keine vernünftige Unterkunft
haben, ist ein politisches Problem. Kommunen
entledigen sich ihrer sozialen Verantwortung,
indem sie die Bewirtschaftung von Wohnraum
an ,Antikraak‘-Büros auslagern.“ Deshalb for-
dert er unumwunden, „Antikraak“ abzuschaffen.
Ende April rief der BPW landesweit „Antikraa-
ker“ dazu auf, eigenhändig ihre Wohnungs-
schlösser auszutauschen, um sich ein Minimum
an Autonomie zurückzuholen und den Kontrol-
len einen Riegel vorzuschieben.
Die heutigen Bedingungen kommentiert Abel
Heijkamp mit einem Wort: „Wildwest“. In der ju-
ristischen Grauzone „Antikraak“ haben Bewohner
zwar Pflichten, aber keine Rechte. „Antikraaker“
sind Wachschutz, Hausmeister und Putzpersonal,
nur keine Mieter. Hohe Mobilität der Bewohner
und die Möglichkeit einer kurzfristigen Räu-
mung der Immobilien, darum geht es bei dieser
Wohnform. Denn der Leerstand wird nur nutzbar,
wenn die bewachenden Bewohner sämtlichen
Wohn- und Mietrechten entsagen. Sie müssen
mit dem Risiko des Vertragsbruchs leben und in
der Lage sein, sich binnen weniger Wochen ein
neues Obdach zu organisieren.
Eine bizarre Situation, meint auch Viktor* aus
Groningen, der für Carex wohnt und dessen
Wohnsituation in einer offiziell nicht bewohn-
baren Schule geduldet, aber nicht als „Wohnen“
anerkannt wird. Die Anerkennung des Wohnver-
hältnisses würde ein Mietverhältnis bedeuten,
das wäre „zweitklassiges“ Wohnen. Viktor spielt
drittklassig. Und es sieht so aus, sagt er, als
würde das auch noch eine ganze Weile so blei-
ben. (Tino Buchholz und Tobias Müller)
*Namen geändert
Fotos: Tino Buchholz
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Ein X für ein U»Wir wollen die Großstadt. Ohne umzuziehen.«
35STADTKULTUR | von Bastian Pütter | Foto: Netzwerk X
Wenn sich eine schrumpfende Region der lee-ren Kassen etwas wünschen dürfte, wären es wohl engagierte junge KünstlerInnen und Kreative, die nicht wegziehen wollen wie so viele andere, die Leerstände beleben, die sich nicht vom Elfenbeinturm herab, sondern von der sozialen Wirklichkeit aus definieren, die Kunst, Kultur, Politik und Stadtentwicklung zusammen denken. Das Ruhrgebiet hat solche Menschen.
Das Unverständliche: Gerade sie scheinen den
Ruhrgebietskommunen lästig zu sein. Rückblick:
Im Sommer 2010 öffnet die Dortmunder Initia-
tive für ein Unabhängiges Zentrum (UZDO) die
leerstehende Kronenbrauerei, um sie mit Kunst-
ausstellungen und -aktionen, Konzerten und
Diskussionsveranstaltungen zu bespielen. Nach
wenigen Stunden räumt die Polizei. Bis heute
verfallen die Gebäude weiter.
Etwas länger darf zuvor die Essener Initiative
„freiraum“ das DGB-Haus an der Schützenbahn
nutzen, bevor der Hausherr den Rauswurf durch-
setzt. Ausgerechnet der DGB.
Im letzten Dezember besetzt das Bündnis „DU
it yourself“, das seit Jahren versucht, der Stadt
ein selbstfinanziertes soziokulturelles Zentrum
anzubieten, eine leerstehende ehemalige Schule
in Duisburg Laar. Auch auch hier erzwingt nach
wenigen Stunden eine Hundertschaft der Bereit-
schaftspolizei den Abzug.
Räume, Mitsprache, Verteilungsgerechtigkeit
Nun sind Besetzungen kein Selbstzweck. Sie
sind Signale, dass etwas schiefläuft und eben
das, „was passiert, wenn nichts passiert“ – in
einer Formulierung von UZDO. Jetzt haben sich
die verschiedenen Initiativen einen gemein-
samen Rahmen gegeben. Der neue Anlauf, der
jungen, freien Szene heißt „Netzwerk X“. Ein
breites Bündnis: Die ehemaligen Leerstandsbe-
setzer von UZDO, DU it yourself und „freiraum“,
Kunstkollektive (Labsa e.V.), Theatergruppen
(Theater Lebendich), Kultur- und Stadtentwick-
ler (UMQ e.V., Urbanisten), die Club- und DJ-
Szene (Beatplantation, Feel Vergnuegen), lokale
Zusammenschlüsse von Kreativen (Neue Kolonie
West) – mehr als 20 Gruppen organisieren sich
im „Netzwerk X“.
Ihre Ziele sind ehrgeizig. Sie erheben weiterhin
Anspruch auf die kulturelle Zwischennutzung
leerstehender öffentlicher Gebäude, für sie sind
Leerstände „rechtlich blockierte Räume“. Und
sie fordern Teilhabe: Das Netzwerk will einbe-
zogen werden, Ansprechpartner sein für „künst-
lerische, soziale und stadtplanerische Inhalte“,
Zugang bekommen zu städtischen Produktions-
und Spielorten und Berücksichtigung finden in
der kommunalen Förderstruktur.
Ein Recht auf Stadt
Der Logik der Kreativwirtschaft, der ständigen
Inwertsetzung von Kunst und Kultur erteilen sie
klare Absagen: „Wir sprechen nicht länger die
Sprache der Versprecher, die uns ein U für ein
X vormachen, Gameboywirtschaft als Kunst und
Subventionierung von Immobilien als Kreativ-
förderung verkaufen.“
„Man kann doch noch nicht einmal Theaterexpe-
rimente in der U-Bahn machen, ohne vertrieben
zu werden“, sagt Melanie Schmitt-Nagler, deren
Theater Lebendich Teil des Netzwerks ist. „Es
gibt so viele gute Gruppen, die kein Gehör fin-
den, und denen es um andere Dinge geht, als
darum, welche gerade die nötigen Schlagwörter
für Förderanträge sind. Davon sind nun viele im
Netzwerk X.“
Nach Auftakt-Pressekonferenzen in Duisburg,
Essen und Dortmund präsentierte sich das
Netzwerk, Ende Juni auf der Duisburger Konfe-
renz „Recht auf Stadt“. Und selbst im desolaten
Duisburg blühte Optimismus: „Wir leben viel-
mehr im Paradies der Leerstände, Mieten sind
meist moderat, Internet gibt’s auch, die öf-
fentliche Infrastruktur funktioniert noch leid-
lich.“ Ganz gute Voraussetzungen im Vergleich
zu Großstädten wie Berlin oder Hamburg. Nun
müssten die Kommunen sie nur lassen. (bp)
∆
Pressekonferenz der anderen Art.
„Aliens“ in der Dortmunder Innen-
stadt fordern „Ein Recht auf Stadt“.
36
LITERATUR | gelesen von Bastian Pütter
Alle Ausländer raus?Eine Simulation
Wer gern in der Bahn oder im öffentlichen Raum liest, kann sich auf etwas gefasst machen: Mit seinem schwarzweißroten Wirtschaftsverlags-Hardcover, auf dessen Umschlag riesig der Titel „Deutschland ohne Ausländer“ prangt, machen die bösen Blicke der Mitreisenden dieses Buch zu einer ganz eigenen Leseerfahrung. Das ist das kleine von zwei Problemen mit einem fas-zinierenden Sachbuch.
„Deutschland den Deutschen – Ausländer raus.“
Auf die einfache Lösung, die Neonazis, Neue Rech-
te und Rechtspopulisten der Mitte wie Thilo Sarra-
zin in verschiedenen Schattierungen propagieren,
wird zumeist mit fundierten Gegenpositionen ge-
antwortet. Freie und pluralistische Gesellschaften
sind ohne die historische Realität von Migration
nicht denkbar. Andererseits: In Umfragen er-
scheint einem großen Teil der Bundesbürger ein
solches Deutschland erstrebenswert.
Die Journalisten Pitt von Bebenburg und Matthias
Thieme nehmen die düstere Utopie vom „reinen“
Nationalstaat ernst. In einer dokumentarischen
Fiktion spielen sie durch, was geschähe, wenn
eine fiktive rechtspopulistische Regierung die
sieben Millionen Ausländer in Deutschland per
Dekret auswiese. Was wäre, wenn?
Auf der Grundlage einer Vielzahl von Studien, Sta-
tistiken und Experten-Interviews (das Literatur-
verzeichnis umfasst allein 10 Seiten) kommen die
beiden Autoren zu einem überraschend verhee-
renden Ergebnis: Das Land kollabiert.
In einem wilden Textsortenmix mit dramatisierter
Fiktion, Faktenstakkato und Experteninterviews
führen die Autoren vor: Krankenhäuser und Pfle-
geeinrichtungen, die Gastronomie, Reinigungs-
dienste, die Automobilindustrie – ganze Branchen
brechen zusammen. Die Einführung von Zwangs-
regimen wird die einzige Mög-
lichkeit, überlebenswichtige
Sektoren mit Arbeitskräften
zu versorgen. Nicht der viel-
beschworene soziale Frieden
stellt sich ein, sondern ein bür-
gerkriegsähnlicher Zustand.
Multinationale Unternehmen,
ausländische Banken und Ak-
tiengesellschaften ziehen sich
zurück. Die Folge: Kapitalman-
gel und Börsencrash. Die Brut-
toinlandsproduktion schrumpft
um bis zu 200 Milliarden Euro,
das Steueraufkommen um 50
Milliarden. Irreparable Schäden für Volkswirtschaft
und öffentliche Kassen wären die Folge.
Die Autoren rechnen vor: Zwar ist das Steuerauf-
kommen von Menschen ohne deutschen Pass sta-
tistisch gesehen geringer, doch beziehen sie auch
weniger Transferleistungen: „Von den Migranten
sind im Durchschnitt mehr Menschen produktiv als
von den alteingesessenen Deutschen.“ Mit vielen
Fakten wie diesen hat das Buch stellenweise das
Zeug zum Anti-Sarrazin. Andererseits kommt hier
das zweite, größere Problem des Buches zum Tra-
36
ANZEIGEN
gen. Die Konsequenz seiner Versuchsanordnung
geht vorbei an den Forderungen der wohl meisten
„Nationalen“ und Rassisten. Niemand fordert eine
Ausweisung aller schwedischen Staatsbürger.
Ausländer ist nicht gleich Ausländer. Zusätzlich
ist längst der „reine“ Rassis-
mus von einem in Marktka-
tegorien überformt. So kann
selbst der besonders Fremde
ein guter – ein nützlicher –
Ausländer sein, nicht nur,
wenn er gut Fußball spielt.
Und andererseits bleibt der
Türke Türke, auch wenn er
Deutscher ist. Dass die Gräben
in Deutschland längst nicht
mehr entlang der Passgrenze
verlaufen, führen die Autoren
selbst vor. „Die Überraschung
wird groß sein in Deutsch-
land“, schreiben sie. Während die sieben Millio-
nen Ausländer fehlen, werden mehr als acht Mil-
lionen eingebürgerte Migranten zeigen, dass aus
Deutschland kein homogener „Volksstaat“ mehr
werden wird. Das immerhin ist tröstlich. (bp)
Pitt von Bebenburg, Matthias Thieme
Deutschland ohne Ausländer. Ein Szenario
Redline Verlag | 272 Seiten
ISBN 978-3-86881-338-8 | 19,99 Euro
bodo verlost 2 Exemplare (s.S. 21)
37
Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!
RÄTSEL | von Volker Dornemann
Fehlersuchbild – Lösung:
1) König Alexander fragt Dioge-
nes nach einem Punsch statt nach
einem Wunsch, 2) sein Haarreifen
ist gemustert, 3) sein Haar hinten
etwas voller 4) und sein Umhang ist
ein Stück kürzer, 5) Diogenes hat
keine zusammengewachsenen Au-
genbrauen 6) und an seinem Ober-
lippenbart fehlt ein kleines Stück,
7) die mittlere Düne ist spitzer, 8)
am Boden liegt ein Stein mehr, 9)
der Griff des Spatens ist kleiner und
10) beim Schattenwurf fehlt der
Spatengriff ganz.
37
Rätsel-Lösung: KASSIBER
38
„Viele Wege führen nach Witten, doch der schönste ist der Ruhrtalradweg entlang des Flusses”, verheißt die Internetseite der Wabe. Aufgabe und Ziel der „Wittener Ge-sellschaft für Arbeit und Beschäftigungs-förderung” ist die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Men-schen. Zwischen Herdecke und Witten un-terhält die Wabe diverse Einrichtungen, die darüber hinaus ihren Beitrag leisten, die At-traktivität des Naherholungsgebietes an den Ruhrauen zu steigern. bodo hat sich aufs Rad gesetzt. Ein Ausflugstipp.
seen, Gärten und Biotope. Ein Ballungsraum an
Sehenswürdigkeiten. Wer die Offerten nutzen
will, muss auch mal Pause machen. Eine ausge-
sprochen schöne Gelegenheit bietet das Wehr
bei Witten-Herbede, Flusskilometer 69,2. Auf
der linken Seite des Flusses lohnt die Besichti-
gung der Burgruine Hardenstein mit einem go-
tischen Turmhaus aus dem 14. Jahrhundert. In
unmittelbarer Nähe wechselt der Ruhrtalradweg
die Uferseite. Hier betreibt die Wabe ihre promi-
nentesten Projekte: die Ruhrtal-Fähre „Harden-
stein“ und das Preußisch Königliche Schleusen-
wärterhaus als Biergarten. Mitarbeiter der Wabe
bedienen die Fähre als lebendige Brücke; an die
150.000 Fußgänger und Radfahrer nutzen sie in
jeder Saison. Das Erlebnis kostet nicht mehr als
eine freiwillige Spende.
Vis-a-vis der Ruine unterhält die Wabe mit dem
Schleusenwärterhaus eine Außengastronomie an
einem besonderen Relikt der Industrialisierung.
Errichtet wurde der kleine Fachwerkbau im Jahr
1835, die erste Schleusenanlage an dieser Stelle
ermöglichte bereits im 18. Jahrhundert den Gü-
tertransport auf dem Wasserweg. Im ausgehenden
19. Jahrhundert verlor die Anlage ihre Bedeutung.
Zu einem erneuten Ausbau führte der Wunsch,
Ausflugsschiffe auf der Ruhr pendeln zu lassen.
Die mittlerweile ehemalige Schwerindustrieregion
war ins touristische Blickfeld gerückt.
Die Angebote werden angenommen. Von Bord
der Schiffe winken Passagiere, an den Ufern
der Ruhr sind Solisten, Familien und Vereine
unterwegs. Schichten- und altersübergreifend.
Man sieht Riemchenschuh und Wanderstiefel,
Rennrad und Rollator, Hightech- und Holland-
rad. Und alle, die Platz am renovierten Schleu-
senwärterhäuschen nehmen, werden gut und
preiswert versorgt. Unter schattenspendenden
Bäumen gibt es Kaffee für 1,- und Kuchen für
2,- Euro, Salate, Pommes, Gegrilltes und Flamm-
kuchen. Zum Preis von 6,- Euro, ein Glas Wein
inklusive, wird letzterer in zwei Varianten an-
geboten: klassisch oder vegetarisch.
Manchmal, im Rahmen gelegentlich stattfinden-
der Veranstaltungen, kommt sogar Volksfeststim-
mung auf. Am 19. August zum Beispiel wird ein
Bundesliga-Triathlon Station an der Schleuse ma-
chen. Dann werden, um alle Gäste versorgen zu
können, Zelte und Pavillons aufgestellt. Neu in
diesem Jahr ist das Chillen am Schleusenwärter-
haus. Von Donnerstag bis Samstag, zwischen 18
und 21.30 Uhr, arbeiten Schüler und Studenten
im Service, es gibt eine erweiterte Speisekarte
und chillige Musik für die Abendstunden. Die
Betriebszeiten richten sich in aller Regel nach
denen der Fähre. Die „Hardenstein“ pendelt in
den Sommermonaten von 9 bis 21 Uhr. Wetterun-
abhängig. Der Biergarten bleibt bei Regen aller-
dings geschlossen. (wk)
Königliches SchleusenwärterhausInsel 1 | 58456 Witten
www.ruhrtalservice.de/bewirten-und-bewegen
April / Oktober: Mo. – So. 10 – 18 Uhr
Mai / Sept.: Mo. – So. 9 – 19 Uhr
Juni / Juli / August: Mo. – So. 9 – 21 Uhr
Pause machen in Witten
Königliches Schleusenwärterhaus
38 BODO GEHT AUS | von Wolfgang Kienast | Fotos: Markus Gierse
In Deutschland gibt es mehr als 200 Radfernwege.
Damit Radler den Überblick behalten, werden die-
se regelmäßig vom ADFC (Allgemeiner Deutscher
Fahrrad-Club) getestet. Nur drei Strecken können
bislang mit der Bestnote von fünf möglichen Punk-
ten für sich werben. Vier Punkte wurden 2010 dem
Ruhrtalradweg verliehen. Ein verdientes Kompli-
ment für die rund 230 Kilometer lange Trasse zwi-
schen Quelle und Mündung. Und – nichts gegen das
Sauerland, es hat unbestreitbar seine Reize – nicht
wenige halten den Landstrich rechts und links der
Ruhr bei Witten für den schönsten und spannends-
ten Abschnitt am Fluss.
Historische Ortskerne, Herrenhäuser und Ruinen,
Denkmäler der frühen Industriegeschichte, Mu-
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CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann
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bodo dankt: Sparkasse Bochum Sabine Raddatz, Jochen Otto Ley, Petra Danielsen-Hardt, Petra Schaeckermann, Silke Harborth, Dolf Mehring, Timo Zimmermann, Doris Buderus, Harald Gering, Ute Soth-Dykgers, Annette Düe, Herbert Schwittay, Theater Fletch Bizzel, Olaf Jaekel, VKK Dortmund Creatickreis Petri Nicolai, Oliver Stiller, Carsten Piel, Brigitta Goetz, Johannes Syre, Dr. Rinnert Siemssen, Volker Schaika, Christa Janke, Kathrin Bohr, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Chris-tina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Mari-anne Linnenbank, Klara Lehmann, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Ge-ers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Rich-ter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Otfried Ladwig, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schro-eder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barba-ra Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bonbardt, Das Grafikhaus/O. Schäfer, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goral-ski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheu-er, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Heike Pannitz, Frank Siewert, Ilona Zarnow-ski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rü-diger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Thorsten Matern, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Else Stockert, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Ha-ring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wort-mann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel
bodo sichtbar machenUnser gemeinnütziger Buchladen, Straßenmagazin, Verwaltung, Umzugsunternehmen – alles unter einem Dach.
Wir sind rundum glücklich mit dem neuen Vereinssitz am Dortmunder Schwanenwall.
Doch etwas fehlt. Als nach dem Umzug unser Budget aufgebraucht war, war klar: Für die Außenwerbung reicht
es zurzeit nicht. Nun überzeugen wir lieber mit den Erfolgen unserer Arbeit als mit schriller Werbung, aber
sichtbarer zu sein würde uns doch sehr helfen. Damit Menschen, die zu uns möchten, uns auch finden, bitten
wir um Ihre Mithilfe. 1.000 Euro fehlen, damit dieser – wie wir finden: richtig schöne – Entwurf für eine pas-
sende Außenwerbung am Schwanenwall Wirklichkeit werden kann. Mehr auf www.bodoev.de.
Sparkasse Dortmund | BLZ 440 501 99 | Konto-Nr. 104 83 76
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