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1.80 Euro Juli 2012 | 90 Cent für den Verkäufer 08 | Für Angst bleibt keine Zeit | Gewalt gegen Rettungskräfte 04 | Momo und der Staatsanwalt | Der Schauspieler Christian Tasche 32 | Prekäres Wohnen | Spekulation, Hartz IV und „Antikraak“ 21 | 18 Verlosungen | z.B. Juicy Beats 17 im Westfalenpark Dortmund Das Straßenmagazin bodo

bodo Juli 2012

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Die Juli-Ausgabe des Straßenmagazins.

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Page 1: bodo Juli 2012

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1.80 EuroJuli 2012 | 90 Cent für den Verkäufer

08 | Für Angst bleibt keine Zeit | Gewalt gegen Rettungskräfte

04 | Momo und der Staatsanwalt | Der Schauspieler Christian Tasche

32 | Prekäres Wohnen | Spekulation, Hartz IV und „Antikraak“

21 | 18 Verlosungen | z.B. Juicy Beats 17 im Westfalenpark Dortmund

Das Straßenmagazin

bodo

Page 2: bodo Juli 2012

2

EDITORIAL

BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS

Herausgeber | Verleger | Redaktion

bodo e.V.

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:

Bastian Pütter | [email protected]

0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20

Layout und Produktion:

Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign

0231 – 106 38 31 | [email protected]

Veranstaltungskalender:

Benedikt von Randow | [email protected]

Anzeigenleitung:

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Oliver Philipp | [email protected]

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Autoren dieser Ausgabe:

Theresa Baumeister, Bianka Boyke (bb), René

Boyke (rb), Tino Buchholz, Kurt-Michael Co-

ennen, Wolfgang Kienast (wk), Tobias Müller,

Bastian Pütter (bp), Benedikt von Randow

(bvr), Rosi, Sebastian 23, Sebastian Sellhorst

(sese), Bianka Schacht (bs)

Fotos: Andre Noll (S.3,4,5,9,10,29,39),

Claudia Siekarski (S.2,6,7,10), Volker Ma-

cke (S.7), Bianka Boyke (S.12), Sebastian

Sellhorst (S.3,7,11,14,16,30), Markus Gierse

(S.38), Wohnzimmer Alsenstraße e.V. (S.20),

Christoph Neumann (S.20), Sander Holloway

(S.32,33), Tino Buchholz (S.34), Netzwerk X

(S.35)

Titelbild: Andre Noll

Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann

Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.

Auflage | Erscheinungsweise:

12.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)

Redaktions- und Anzeigenschluss:

für die August-Ausgabe 10.07.2012

Anzeigen:

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 7

Vertriebe:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-

tenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert ein-

gesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung

übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehal-

ten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen

Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrückli-

chen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und

namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Verein:

bodo e.V. | als gemeinnützig eingetragen

im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

bodoev.de | facebook.com/bodoev

Vorstand:

Nicole Hölter | Brunhilde Dörscheln |

Andre Noll | [email protected]

Geschäftsleitung | Verwaltung:

Tanja Walter | [email protected]

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bodos Bücher | Modernes Antiquariat:

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Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

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Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

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Anlaufstelle Bochum:

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Mo., Mi. und Fr. von 14 – 17 Uhr

Di. und Do. von 10 – 13 Uhr

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Stadtsparkasse Dortmund

BLZ: 440 501 99, Kto. 104 83 76

Sparkasse Bochum

BLZ: 430 500 01, Kto. 10 406 254

IMPRESSUM

02

Liebe Leserinnen und Leser,

vielen Dank, dass Sie sich für das Straßenmagazin

entschieden und damit eine unserer Verkäuferinnen

oder einen unser Verkäufer unterstützt haben – auf

die bessere Art, wie wir finden. Die meisten unserer

rund hundert MitarbeiterInnen lehnen eine Spende

nicht ab, doch allen ist es wichtig, dass der Verkauf

des Straßenmagazins sich grundsätzlich davon un-

terscheidet, einfach die Hand aufzuhalten.

Wer bodo anbietet, zeigt, dass er oder sie bereit

ist, das eigene Leben wieder selbst in die Hand zu

nehmen. Der Verkauf ist eine Arbeit auf Augenhöhe,

der faire Tausch Magazin gegen Kaufpreis ist etwas

ganz anderes als das Empfangen von Almosen.

Bei vielen, die neu zu uns kommen, beobachten wir

bereits in den ersten Wochen die Entwicklung hin zu

mehr Selbstvertrauen, mehr Offenheit und hinaus

aus der Isolation hin zu einer Vielzahl von sozialen

Kontakten, die ohne das Straßenmagazin nicht ent-

standen wären. Eine Aufgabe zu haben, angenommen

zu werden in der Gruppe, den freundschaftlichen und

unbürokratischen Zugang zu Hilfsangeboten und den

Kontakt zu Menschen in ganz anderen Lebenssituati-

onen zu haben, ist die Basis, auch das eigene Leben

neu zu sortieren. Helfen Sie dabei, indem Sie mit uns

für den Kauf des Straßenmagazins werben.

In dieser Ausgabe treffen wir den Schauspieler

Christian Tasche, fahren Rad im Dortmunder Wes-

ten und an der Ruhr in Witten. In einem kleinen

Schwerpunkt beschäftigen wir uns mit prekärem

Wohnen zwischen Wohnungsspekulation und Hartz

IV und Mietern ohne Rechte im niederländischen

„Antikraak“-Modell. In Bochum besuchen wir ein

Nachbarschaftsprojekt, in dem sich eine ganze

Straße ein gemeinsames Wohnzimmer geschaffen

hat. Titelthema ist die zunehmende Gewalt gegen

Rettungskräfte, die eine Studie der Ruhruni ermit-

telt hat. Wir haben bei den „Sanis“ des Wittener

ASB nachgefragt.

Ausnahmsweise haben wir in diesem Heft die Seite

39, die sonst Ihren Leserbriefen und Kommentaren

vorbehalten ist, „zweckentfremdet“. Wir suchen

Unterstützung für die Außenwerbung an unserem

neuen Vereinssitz am Schwanenwall 36 – 38 in

Dortmund. Und wir zeigen Ihnen, wie es hier hof-

fentlich bald aussieht.

Ihre Meinungen, Anregungen und Ihre Kritik sind

uns jedoch weiterhin wichtig: Schreiben Sie uns, was

Ihnen gefällt, was Ihnen fehlt oder sie stört und was

Sie sich von uns wünschen. Im nächsten Heft wird die

„Leserseite“ wieder ihre ursprüngliche Form haben.

Sichtbar zu sein, ist für uns als Organisation und

im Besonderen für unseren Buchladen wichtig. Mit

dem Umzug vom Hafen in die Dortmunder Innen-

stadt hat sich hier bereits eine Menge getan. Wir

freuen uns über mehr Kunden im Laden als früher

und über schöne Buchspenden.

Wenn alles klappt, wird bald unsere erste Auszubil-

dende ihre Prüfung bestanden haben und „Aus-

zubildende Nummer 3“ wird ihren Vertrag bei uns

unterschreiben.

Besuchen Sie unseren Sonderverkauf im Juli mit

1.000 Büchern zum Thema Kochen, Wellness,

Gesundheit zu besonders günstigen Preisen. Und

denken Sie an uns, wenn Sie die Ferienzeit zum

„Ausmisten“ Ihres Bücherregals nutzen.

Viele Grüße von bodo,

Bastian Pütter – [email protected]

Page 3: bodo Juli 2012

3

INHALT 03

02 Editorial | Impressum

04 Menschen Christian Tasche von Bianka Boyke

Der Dortmunder Schauspieler Christian Tasche mag – im Film – die Rolle des

Bösewichts. Und irgendwie passt das auch zu ihm, zumindest äußerlich.

06 Neues von bodo

08 Straßenleben Gewalt gegen Rettungskräfte von Sebastian Sellhorst

Sie sind unterwegs, um das Leben anderer Menschen zu retten, und nicht

selten setzen sie dabei das eigene aufs Spiel. bodo war beim Arbeiter-

Samariter-Bund in Witten zu Gast und hat mit zwei Rettungsassistenten

über die Gefahren und Risiken ihrer alltäglichen Arbeit gesprochen.

11 Verkäufergeschichten Kurt-Michael von Kurt-Michael Coennen Kurt schreibt über sich selbst, über bodo und über viele andere Straßen-

zeitungen in ganz Deutschland.

12 Recht Mutprobe: DVDs auf Ebay verkaufen von René Boyke

Was einem passieren kann, wenn man eine alte DVD auf Ebay verkaufen

möchte, erklärt Rechtsanwalt René Boyke.

12 Kultur Alsenwohnzimmer von Bianka Schacht

Mehr als eine nachbarschaftliche Einstellung braucht man nicht, um beim

Wohnzimmer Alsenstraße e.V. mitzumachen. bodo hat das Gemeinschaftspro-

jekt, das Raum für die unterschiedlichsten Aktivitäten bietet, besucht.

13 Wilde Kräuter Giersch von Wolfgang Kienast

Wer den Giersch im Garten hat, bekommt diesen Monat ein leckeres Re-

zept mit Schalotten und Möhren an die Hand. Getreu dem Motto: „If you

can‘t beat it. Eat it.“

14 Reportage Westwärts! Von Wolfgang Kienast Dortmund im 19. Jahrhundert. Ein dösendes Dorf, das von längst vergange-

nen Hanseherrlichkeiten träumt und plötzlich wachgeküsst wird - von der

Industrie. Eine historische Fahrradtour.

18 Kommentar Von Sportwagen und Kältebussen von Bastian Pütter

Die Idee des Sozial-Profiteurs, der flexibel ein „Arbeitsfeld“ wählt, um

zuerst sich selbst eine Stelle zu schaffen, ist – um es vorsichtig zu formu-

lieren – moralisch wie fachlich ein Problem.

18 News | Skotts Seitenhieb

20 Lesebühne Bunte Haare von Sebastian 23

Sebastian 23 ist Kabarettist, Liedermacher und einer der bekanntesten

Poetry-Slammer Deutschlands – für uns hat er was gereimt.

20 Kinotipp Attenberg im endstation.kino

21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow

28 Interview Abwärtsspirale Wohnen von Theresa Baumeister

Kommunen und Großunternehmen verkaufen ihre Wohnungsbestände, In-

vestoren und Private Equity-Fonds spekulieren und schöpfen Gewinne ab.

Der Stadtsoziologe Dr. Sebastian Müller hat Dortmunds ehemalige Stahlar-

beitersiedlungen untersucht und sagt: Wohnungsspekulation und Hartz IV

lassen Wohnen prekär werden.

32 Reportage »Antikraak« – Wohnen als Job von Tino Buchholz

Wohnen in einem Schloss für wenig Geld? Das kann man in den Niederlan-

den, wenn man auf sämtliche Rechte als Mieter verzichtet. „Antikraak“ ist

eine drittklassige Wohnform, die sich inzwischen auch nach Deutschland

ausbreitet – prekär ist gar kein Ausdruck.

35 Stadtkultur Ein X für ein U von Bastian Pütter

Das „Netzwerk X“ verbindet Gruppen im Ruhrgebiet, die an der Schnitt-

stelle von Kunst und sozialem Raum arbeiten. Die Ziele sind ehrgeizig: In

einem neuen Anlauf versucht die junge, freie Szene, Räume, Mitsprache

und Verteilungsgerechtigkeit zu erkämpfen.

36 Literatur Deutschland ohne Ausländer von Bastian Pütter

Die Journalisten Pitt von Bebenburg und Matthias Thieme nehmen die

düstere Utopie vom „reinen“ Nationalstaat ernst. In einer dokumentarischen

Fiktion spielen sie durch, was geschähe, wenn eine rechtspopulistische Re-

gierung die sieben Millionen Ausländer in Deutschland per Dekret auswiese.

37 Rätsel | von Volker Dornemann

38 bodo geht aus Schleusenwärterhäuschen von Wolfgang Kienast

Viele Wege führen nach Witten, doch der schönste ist der Ruhrtalradweg

entlang des Flusses. bodo hat sich aufs Rad gesetzt und eine etwas unge-

wöhnliche Gastronomie gefunden. Ein Ausflugstipp.

39 Leserseite | Cartoon

Unser Titelbild der Juli-Ausgabe:

Gewalt gegen Rettungskräfte (s.S.8).

Foto: Andre Noll

08141128 04

Page 4: bodo Juli 2012

4

Christian TascheMomo und der Staatsanwalt

MENSCHEN | von Bianka Boyke | Fotos: Andre Noll04

Der Dortmunder Schauspieler Christian Ta-sche mag – im Film – die Rolle des Böse-wichts. Und irgendwie passt das auch zu ihm, zumindest äußerlich. Christian Tasche ist groß, wirkt sportlich. Zu Jeans trägt er Turnschuhe, doch sein Blick ist meist ernst, zuweilen geradezu streng. Christian Tasche liebt seinen Beruf, aber eben auch sein Pri-vatleben. Dabei gebraucht er keine unnöti-gen Floskeln. Wozu auch? Was er nicht sagen möchte, sagt er nicht.

Christian Tasche begann seine Karriere als Schau-

spieler vor über 30 Jahren am Kinder- und Ju-

gendtheater in Dortmund. Damals war er noch

als „jugendlicher Charakterdarsteller“ gebucht.

Irgendwann blieben für ihn am KJT nur noch die

Vaterrollen. Christian Tasche wollte neue Her-

ausforderungen. So ging er 1989 schließlich zum

Schauspielhaus Dortmund. Er nahm viele schöne

Erinnerungen aus guten und erfolgreichen Produk-

tionen wie „Momo“ – über 200 Vorstellungen vor

„glänzenden und staunenden Kinderaugen“ – mit.

Trotz der frühen Erfolge am KJT gab es auch mal

finanziell harte Zeiten. Doch das es auch mal so

kommen kann, war dem Dortmunder immer klar.

Deshalb fuhr Christian Tasche bei seiner Ausbil-

dung zweigleisig, schloss sein Sozialpädagogik-

Studium ab. Ihm war immer bewusst, „dass man

im Showgeschäft auch ganz schnell baden gehen

kann“. Christian Tasche hatte schon früh Fami-

lie und war sich seiner Verantwortung immer be-

wusst, hielt sich deshalb ein – wenn auch unge-

liebtes – Hintertürchen offen.

Natürlich gab es auch Zeiten, in denen er die

Entscheidung für seinen Beruf als Schauspieler

bereute. „Oft habe ich über die ständige Unsi-

cherheit nachgedacht. Es gab viele schlaflose

Nächte, in denen ich mich fragte, wie ich die

nächste Miete bezahlen soll und wie ich meinen

Kindern eine gesicherte Zukunft und Ausbildung

bieten kann. Warum bin ich nicht Beamter mit

geregelten Arbeitszeiten und Pensionsanspruch?

Trotzdem habe ich es mit Glück und Können

geschafft, mir ein Standing in diesem Beruf zu

schaffen und inzwischen die Gelassenheit erlernt,

dass es immer irgendwie weitergeht, man muss

es nur wollen und etwas dafür tun.“ Heute kann

Page 5: bodo Juli 2012

5

Christian Tasche es sich nicht mehr vorstellen, je-

mals als Sozialpädagoge tätig zu werden. „Ich bin

den Weg gegangen und werde ihn fortsetzen, mit

allen Höhen und Tiefen.“

Ein bisschen Pädagoge steckt dann aber doch in

ihm, wenn er Jugendliche in Schauspiel-Work-

shops warnt, nicht zu blauäugig in ihre Zukunft

zu schauen. „Inzwischen haben es angehende

Schauspieler mindestens doppelt so schwer, an

gute Rollen zu kommen. Es gibt immer mehr Nach-

wuchs für viel zu wenig Arbeit“, erzählt er den

Jugendlichen. „Für Frauen ist es sogar schwieri-

ger. Das Verhältnis im Job liegt bei 3 (Frauen) zu

7 (Männer).“

Christian Tasche hat es längst geschafft, sich zu

etablieren. Er kann auf zahlreiche Fernsehproduk-

tionen, Bühnenengagements und Hörbuchproduk-

tionen zurückblicken. Bereits seit über 20 Jahren

steht er für die Erfolgsrevue Liebesperlen auf der

Bühne. Trotzdem: Es war vor allem eine Rolle, die

ihn im Oktober 1997 ganz schnell einem breiten

Publikum bekannt machte: Die des Staatsanwalts

Wolfgang von Prinz im Kölner Tatort.

Es gibt Schauspieler, die mögen es nicht, bei

jedem Interview auf eine bestimmte Rolle an-

gesprochen, vielleicht sogar über sie definiert

zu werden. Christian Tasche ist da anders. „Ich

fühle mich durch das Ansprechen auf meine Rol-

le des Staatsanwalts von Prinz im Kölner Tatort

keineswegs reduziert. Im Gegenteil.“ Christian

Tasche sieht den Tatort als die Bundesliga unter

den Krimiformaten im Fernsehen. „Da ist es doch

eine Ehre, schon so lange und durchgehend da-

bei sein zu dürfen.

Christian Tasche mag den Tatort, würde sogar

gerne mal im neuen Dortmunder Tatort mitwir-

ken. Vielleicht eine Zusammenarbeit der Dort-

munder und Kölner? „Vielleicht irgendwann“,

sagt Sonja Goslicki, Tatort-Produzentin. Der

neue „Dortmunder Oberkommissar“ Jörg Hart-

mann und Christian Tasche kennen sich sogar.

2011 begegneten sich die beiden Männer aus

dem Ruhrgebiet bei der Berlinale. Jörg Hart-

mann sprach Christian Tasche an: „Dich kenne

ich doch.“ „Wirklich? Woher?“ „Na, vom Kinder-

und Jugendtheater in Dortmund.“ Ganz lang-

sam machte es bei Christian Tasche Klick. Jörg

Hartmann half ihm etwas auf die Sprünge: „Nach

meinem Abi habe ich bei euch ein Praktikum ge-

macht und für euch immer Kaffee gekocht.“

Durch das Bekanntwerden im Tatort bekam Chris-

tian Tasche natürlich weitere interessante Ange-

bote, doch hat er seine Ziele noch längst nicht

alle erreicht. „Ein historischer Kostümfilm würde

mir Spaß machen, à la ,Die Päpstin‘ oder ,Das Par-

füm‘“. Eine besondere Rolle hat er dabei nicht im

Auge. Aber eine Figur mit Ecken und Kanten soll

es dann schon sein. Den Traum von einer großen

Karriere in Hollywood hatte er nie, auch nicht

als Jugendlicher. „Man muss schon realistisch

bleiben.“ Aber lachend fügt er hinzu: „Zu einer

deutsch-französisch-italienischen Co-Produktion

würde ich nicht Nein sagen.“ (bb)

INFOBis Ende Juni drehte Christian Tasche in Köln

den neuen Tatort „Scheinwelten“, der noch in

diesem Jahr ausgestrahlt wird.

www.christiantasche.de | www.liebesperlen.net

05

Page 6: bodo Juli 2012

6

06 NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev

schafft Chancenbodo

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[email protected] | 0231 – 950 978 0

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bodo ist für Sie da

Geschäftsleitung

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montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr

unter dieser zentralen Rufnummer:

0231 – 950 978 0

Mail: [email protected] | Fax: 0231 – 950 978 20

Oder Sie besuchen uns:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr

Di. u. Do. 10 – 13 Uhr

Ferienzeit ist Lesezeit. Und die Zeit, im wahrsten Sinne die Füße hochzulegen, sich zu entspannen und vom Stress der letzten Monate zu erholen. Sie ahnen es: Unser Buchteam am Dortmunder Schwanenwall 36 – 38 hat den Juli zum Wellness-Monat erklärt.

Zu den 10.000 guten Büchern, die Sie auch über

unsere Online-Shops bestellen können, bauen un-

sere Auszubildenden große Sonderflächen auf. Eine

ganze Palette mit über tausend Büchern zum The-

ma Kochen, Wellness, Gesundheit ist in den letzten

Monaten sortiert und gepackt worden. Den ganzen

Monat über werden frische Ratgeber, Taschenbücher

und Bildbände (ab 1 Euro!) auf die Ausstellungsflä-

chen geräumt – regelmäßige Besuche lohnen sich.

Die Aktion beginnt mit Wellness-Nagelkosmetik: Am

Samstag, 30.6. zwischen 10 und 14 Uhr lädt Corinna

Sierpinski zum kostenlosen Fingernägel-Lackieren.

80 vegane Nagellacke hat sie dabei.

In den Ferien sind wir durchgehend für Sie da: Buch-

verkauf, Umzüge und natürlich Erstellung und Ver-

kauf des Straßenmagazins gehen ohne Pause weiter.

Gerne nehmen wir auch Ihre Buch- und Sachspenden

entgegen, wenn Sie die Ferienzeit zum Ausmisten

nutzen. Mehr auf www.bodoev.de

Sommer, Wellness, Kochen Alles Gute, Claudia!

Es ist ein relativ großer Kreis von Journalistinnen und Journalisten, die neben Bastian und Sebasti-an in der Redaktion jeden Monat die Inhalte für das Straßenmagazin liefern.

Trotzdem gibt es schon lange einen „harten Kern“.

Seit der Verein bodo e.V. das Straßenmagazin

selbst herausgibt, immerhin seit der Dezember-

ausgabe 2001, gibt es ein festes Team, das das

Rückgrat der Redaktion bildet: Unser Grafiker

Andre Noll, Bene von Randow mit dem Veranstal-

tungskalender, Volker Dornemann für die Illustra-

tionen – und Claudia Siekarski, unsere Fotografin

seit zehneinhalb Jahren.

Claudia verabschiedet sich nun in eine Festan-

stellung abseits der Fotografie. Sie hat das Stra-

ßenmagazin durch alle Krisen, Umschwünge und

Veränderungen begleitet. Statt 32 schwarzweißer

Zeitungsseiten drucken wir inzwischen ein 40seiti-

ges farbiges Magazin, und auch über den nächsten

Schritt denken wir schon nach.

Wir gratulieren Claudia zu ihrem neuen Job und be-

danken uns für die lange, schöne Zeit und die tolle

Zusammenarbeit. Alles Gute, Claudia! Naja, und aus

den Augen verlieren werden wir uns wohl nicht...

Page 7: bodo Juli 2012

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07

Das war eine ganz besondere Erfahrung! Mit Dutzen-den NordstadtbewohnerInnen inszenierte Regisseur Lukas Matthaei am Schauspiel Dortmund ein Spiel, das eine, nein: verblüffend viele neue Perspektiven auf den „Problemstadtteil“ ermöglichte.

Das Prinzip: Die Bewohner „machten das Spiel“, The-

aterbesucher wurden „Aktien“ und damit Spielball

der „Checker“, die mit ihren Portfolios spekulierten,

sie per Handy durch die Nordstadt schickten, Auf-

gaben erledigen und Erfahrungen machen ließen.

Das hatte nichts von bürgerlicher Safari durch den

wilden Norden und machte im Gegenteil diejenigen,

über die sonst verfügt, geschrieben und geschimpft

wird, zu selbstbewussten Gestaltern.

Wir, die wir als Theatergäste teilnahmen, sahen uns

händeringend an unserer „Performance“ arbeiten,

singen, argumentieren, spielen, um die „Checker“

nicht zu enttäuschen. Das war inspirierend, ein-

drucks- und lustvoll und machte richtig Spaß.

Besonders schön: Insgesamt vier VerkäuferInnen

des Straßenmagazins waren in zum Teil tragenden

Rollen beteiligt, gemeinsam mit vielen Freunden

und Bekannten aus dem Norden waren sie die „Ma-

cher“. Glückwunsch und unseren Respekt Metin,

Adolf, Tabitha und Günter!

Crashtest Nordstadtbodo schulbuchreif

Kunst für bodo

bodo auf „Familienbesuch“

Unsere Wattenscheider Verkäuferin Resi erzählt ihre Geschichte ab sofort an ganz ungewohnter Stelle. Unser Porträt über sie findet sich in den Unterrichtsmaterialien für Religionsunterricht in der Sekundarstufe des Friedrich-Verlags.

Zum Thema „Gutes Tun“ ist auch bodo – beziehungs-

weise Resi – Thema. Besonders gut gefallen uns die

Arbeitsaufträge: „Verabredet, wer aus der Klasse ein

Exemplar eines Straßenmagazins mitbringen kann.

a) Verteilt die Artikel und lest sie durch. b) Notiert

mithilfe der Mindmap-Methode die Themen bzw.

Problematiken, die vorkommen.“

Kleiner Vorschlag: Mit einem Klassensatz Straßen-

magazine lässt sich viel einfacher arbeiten als mit

einer einzelnen Zeitung. Nicht nur Resi ist gerne be-

reit, auch größere Mengen zu verkaufen. :-)

Aber auch wir selbst waren vor den Ferien wieder

unterwegs, um Schülern von unserer Arbeit zu be-

richten und Verkäufer des Straßenmagazins aus

ihrem Leben berichten zu lassen. In einem SoWi-

Kurs am Dortmunder Phoenix-Gymnasium sagte ein

Schüler, nachdem Verkäufersprecher Günter und Re-

daktionsleiter Bastian eine Stunde gestaltet hatten:

„Das sollten Sie unbedingt auch in anderen Schulen

machen.“ Werden wir!

Im Juni besuchten wir – Bastian Pütter für die Redaktion und Oliver Philipp für den Vertrieb – unsere KollegInnen vom Asphalt-Magazin in Hannover.

Asphalt verkauft monatlich 25.000 Zeitungen in

15 Städten Niedersachsens. Nicht zuletzt eine lo-

gistische Leistung, die unseren Vertriebler inter-

essierte. Mit der Redaktion diskutierten wir über

Blattgestaltung und Produktionsabläufe, im Ver-

triebsbüro machte uns Helmut Jochens (rechts)

Mut, unsere fertig konzipierten Projekte „bodo

macht Schule“ und die „soziale Stadtführung“

endlich umzusetzen. Vielen Dank für Eure Gast-

freundschaft!

Zuletzt waren wir bei fiftyfifty in Düsseldorf – da-

bei sprang nebenbei unsere Titelgeschichte im Mai

heraus. Mit Fotos übrigens des großartigen Kolle-

gen Mauricio Bustamente vom Hamburger Straßen-

magazin Hinz&Kunzt.

Im nächsten Jahr veranstalten die Jahreskonferenz

unseres Verbandes INSP die Münchener KollegIn-

nen von BISS. Da sehen wir dann endlich unsere

Freunde von den Straßenzeitungen zwischen Korea

und Kolumbien wieder, denn für „Familienbesuche“

dort reicht unser Reisebudget leider nicht.

Nicht nur das Straßenmagazin fiftyfifty aus der Kunstmetropole Düsseldorf bekommt Kunst geschenkt. Auch bodo freut sich, Empfänger von Kunstspenden zu sein. Der Graffiti- und Streetart-Künstler „Herr Orm“ spendete bodo drei seiner Bilder. Dreimal Graffiti auf Leinwand. Bunt, knallig, schräg.

Das erste Mal wurden wir auf „Herr Orm“ aufmerk-

sam, als wir für bodo 04/12 über das Nordstadt-

projekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ be-

richteten. Im Rahmen dieses Projektes gestaltete

der Künstler mit Jugendlichen aus der Dortmunder

Nordstadt große Leinwände, die einige Wochen spä-

ter im RWE-Tower ausgestellt wurden. Persönlich

lernten wir ihn dann einen Monat später kennen, als

wir ihn für eine Reportage über Streetart und Graf-

fiti interviewten. Nach einem spannenden Besuch

verließen wir damals sein Atelier in Recklinghausen

nicht nur mit einer Menge Informationen über Graf-

fiti und Streetart, sondern auch mit drei Leinwänden

unter dem Arm.

In unserem neuen Buchladen am Schwanenwall war

schnell ein Platz gefunden, an dem die Leinwände

gut zur Geltung kamen. Doch auch wenn sie noch so

gut in unseren Buchladen passten, mussten wir uns

irgendwann wieder von ihnen trennen. Unter den drei

GewinnerInnen, ist unsere Leserin Pia Wolter, die sich

hoffentlich jetzt genau so an dem Bild erfreut, wie

wir, als es noch bei uns war. Glückwunsch an die Ge-

winnerInnen, vielen Dank „Herr Orm“!

Page 8: bodo Juli 2012

8

08 REPORTAGE | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Andre Noll

Für Angst bleibt keine ZeitDie Gewaltbereitschaft gegen Rettungskräfte nimmt zu

Sie sind unterwegs, um das Leben anderer Menschen zu retten, und nicht selten setzen sie dabei das eigene aufs Spiel. Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum werden Rettungskräfte immer häufiger das Ziel körperlicher und verbaler Gewalt. bodo war beim Arbeiter-Samariter-Bund in Witten zu Gast und sprach mit zwei Rettungsassistenten über die Gefahren und Risiken ihrer alltäglichen Arbeit.

98% aller Rettungskräfte wurden im letzten Jahr Opfer von Gewalt. Angefangen bei Beschimpfungen, über

Anspucken bis hin zu körperlichen Angriffen kommt es immer öfter zu eskalierenden Situationen im Ret-

tungsdienst. Immer mehr Rettungskräfte fühlen sich in ihrem Job bedroht und innerhalb ihrer Ausbildung

schlecht auf Gewaltsituationen vorbereitet. Sanitäter des Roten Kreuzes in Nürnberg tragen mittlerweile

Stichschutzwesten, um sich vor Angriffen zu schützen.

Ist die Situation so dramatisch? Das möchte ich von Mark Zalamea (Foto rechts) wissen. Der 29jährige ist

seit sechs Jahren Rettungsassistent und war schon im Sauerland und in Bochum im Einsatz. Aktuell ist er

für den ASB in Witten unterwegs. „Eigentlich schon. Oft werden wir zu stark alkoholisierten und hilflosen

Personen gerufen. Es kommt vor, dass die sich bedroht fühlen, wenn wir zielstrebig auf sie zukommen.

Meist wissen die Patienten in dem Moment ja gar nicht, was gerade mit ihnen los ist. In solchen Situati-

onen kann es dann leicht zu Missverständnissen kommen. Dass man da geschubst oder beschimpft wird,

passiert oft“, erzählt er.

Daniel Müller (Foto links), Leiter des Katastrophenschutzes, ebenfalls Rettungsassistent beim ASB und

Coach für Gewaltprävention, beschreibt ähnliche Szenarien. Er sieht sich bei seiner Arbeit oft im Konflikt

zwischen Fürsorgepflicht und Patientenrechten. „Probleme entstehen, wenn der Patient sich nicht helfen

lassen will. Dann kommen wir in Konflikt mit unserer Fürsorgepflicht, wenn der Patient aufgrund seines Zu-

standes nicht mehr geschäftsfähig ist. In solchen Situationen müssen wir dann meist einen Arzt hinzuzie-

hen, da Entscheidungen getroffen werden müssen, die unsere Kompetenzen übersteigen. Wir dürfen einen

Patienten zum Beispiel nicht fixieren.“

Doch nicht immer beschränken sich die Probleme auf verbale Gewalt durch Betrunkene und Patienten unter

Drogeneinfluss. Es gebe auch Fälle, bei denen man sich als Rettungskraft sehr schnell in akut lebens-

bedrohlichen Situationen wiederfindet. „Es ist auch schon mal ein Patient mit einem Messer auf mich

losgegangen“, erinnert sich Mark. „Wir wurden zu einem versuchten Suizid gerufen. Recht unerwartet für

den Patienten standen wir in seiner Wohnung. Plötzlich befindet sich der Patient wild mit einem Messer

herumfuchtelnd vor mir. Da er im Rollstuhl saß, konnte ich ihn zum Glück etwas zurückstoßen. Im Ge-

spräch konnte ich ihn dann davon überzeugen, das Messer zur Seite zu legen. Aber solche Situationen sind

schon sehr heikel“, kann er die Situation mittlerweile recht nüchtern betrachten.

In seinem speziellen Fall spielen auch rassistische Anfeindungen immer wieder eine Rolle. „Ich will dieses

Schlitzauge nicht sehen! Den Gelben da will ich nicht im Rettungswagen haben“, so etwas habe er schon

oft gehört. „Doch daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Wenn ich die Leute ernst darauf anspreche,

dann entschuldigen sich viele. Skurril bleibt es trotzdem, wenn ich erlebe, wie Leute, die anhand ihrer Tä-

towierungen klar der rechten Szene zuzuordnen sind, mit sich zu kämpfen haben, sich von mir behandeln

zu lassen“, erzählt der gebürtige Philippine.

Auch Daniel erinnert sich an einige Einsätze, bei denen er direkt körperlich angegriffen wurde. „Nach

langen Diskussionen hatten wir einen Patienten endlich davon überzeugt, sich von uns ins Krankenhaus

bringen zu lassen. Ich saß mit ihm hinten im Wagen, als er auf einmal aufspringt und anfängt, mich anzu-

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Die Gewaltbereitschaft gegen Rettungskräfte nimmt zu

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greifen. Zum Glück konnte ich ihn recht schnell überwältigen. Wir haben dann sofort Verstär-

kung durch die Polizei angefordert. Wenn man in so einer Situation dem Gegenüber körperlich

unterlegen ist, kann es schnell sehr gefährlich werden.“

Sind sich die beiden Rettungsassistenten einig, was grundlegende Deeskalationsstrategien

angeht, so gehen ihre Meinungen, was die nötige Vorbereitung auf derlei Situationen angeht,

auseinander. Daniel würde sich eher erweiterte Ausrüstung wie z.B. Pfefferspray zur Selbstver-

teidigung wünschen. „Ich habe lieber Ausrüstung bei mir, die ich nicht brauche, als umgekehrt.“

Sein Kollege sieht in Ausrüstung dieser Art eher ein Problem. „Wie soll ich denn eine Situation

aufbauen, in der ein Patient mir vertraut, wenn ich solche Sachen an meinem Holster trage.“

Dass Rettungskräfte besser auf Gewalt im Einsatz vorbereitet werden müssen, da sind sich

die beiden aber einig. „In unserer Ausbildung werden wir zwar darüber informiert, dass es zu

schwierigen Situationen kommen kann. Auch darauf, dass Eigenschutz oberste Priorität hat,

werden wir immer wieder hingewiesen. Aber konkrete Coachings für Konfliktsituationen gibt

es nicht“, weiß Mark. Ein ähnliches Bild gibt auch die Studie der Ruhr-Universität wieder. Rund

55% der Befragten gaben an, dass sie durch ihre Ausbildung nicht gut auf mögliche Konfliktsi-

tuationen vorbeireitet wurden.

Dem will Daniel mit speziellem Selbstverteidigungstraining für Rettungskräfte entgegen wir-

ken. Einfache Techniken, die sich leicht anwenden lassen, will er seinen Kollegen zeigen, mit

denen sie sich gegen potenzielle Angreifer zu Wehr setzen können. „Oft macht alleine schon

die Körperhaltung den Unterschied, ob ich sehr angreifbar bin oder mich gut verteidigen

kann“, weiß Daniel.

Mark sieht den Bedarf eher im Bereich des Selbstcoachings: „Wenn ich nachts vielleicht gera-

de 15 Minuten geschlafen habe und dann in eine Messi-Wohnung gerufen werde, in der mich

ein Patient beleidigt, schubst oder anspuckt... – In solchen Situationen cool und professionell

zu bleiben, ist immer eine Herausforderung.“ Da sehe er auch die Hauptanforderung seines Be-

rufes. „Wir kommen immer wieder in neue Wohnungen, lernen immer neue Menschen kennen,

müssen uns auf immer neue Situationen einstellen. Das ist es, was unseren Job so anstren-

gend, aber auch so spannend macht.“

Auf die Frage, ob sie Angst haben, wenn sie zu einem Einsatz fahren, bekomme ich von beiden

fast die gleiche Antwort. Für Angst bleibe meist einfach keine Zeit. Mark meint: „Richtig

Angst hatten ich in sechs Jahren Rettungsdienst vielleicht ein oder zwei Mal. Aber es ist nie

eine ausweglose Angst, da man immer genau die eigenen Möglichkeiten vor Augen hat. Man

weiß, dass man innerhalb von ein paar

Minuten die halbe Polizei des Kreises

vor Ort hat. Wir haben einen Notruf-

knopf an unseren Funkgeräten. Wenn

wir den drücken, werden alle Mikrofone

freigeschaltet und jeder auf unserer

Frequenz kann uns hören. Status 0. Aber

meistens denkt man nur daran, was zu

tun ist, um dem Patienten zu helfen.“

So nehmen die beiden eine sehr pro-

fessionelle Haltung ein, die es ihnen

kaum erlaubt, sich selbst als Opfer

wahrzunehmen. Mark meint: „Der ganze

Rettungsbereich, das ist so ein harter

Job, in dem man einfach die Ellbogen

ausfahren muss und keine Schwäche

zeigen darf. Sonst ist man ganz schnell

wieder raus. Nicht wenige schmeißen

deshalb schon während der Ausbildung

wieder hin.“ (sese)

NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi

Liebe Leserinnen und Leser,

hier bin ich wieder. Wie geht es Ihnen allen

so? Mir ging es nicht so gut. Grund: Meine

Knieoperation musste ich jedes Mal verschie-

ben. Sei es eine Erkältung oder irgendetwas

anderes. Das zehrt so langsam an meinen

Nerven. Ich hoffe, dass es dieses Mal was

wird. Dieses Mal wird es im Brambauer Kli-

nikum gemacht.

Es war ja ein tolles Singen in der Stadt. Haben

Sie auch Ihre Kehlen angestrengt und mitge-

sungen? Ich kannte diese Lieder nicht, jeden-

falls nicht alle.

Wie Sie vielleicht gemerkt haben, haben wir

einige neue Verkäufer. Es gibt gute Verkäufer

und nicht so gute. Nicht so gut ist, wenn sich

Kunden beschweren, dass man ihnen die Zei-

tung unter die Nase hält und den Kunden noch

hinterherrennt und dabei nach einer Spende

fragt. Das muss doch nicht sein, oder? Viele

unserer Kunden schenken uns schon 20 Cent.

Da muss man doch nicht noch betteln. Das

wirft ein schlechtes Licht auf uns alle und

auch auf den Verein.

Mittwoch war das Wetter richtig nasskalt.

Man musste eine dicke Jacke anziehen. Sogar

meine Jeans waren an den Füßen nass.

Was gibt es sonst noch zu berichten? Gera-

de findet die Europameisterschaft im Fußball

statt. Wer wird gewinnen? Das ist jetzt die

Frage, aber Sie wissen es schon. Überall sind

große Leinwände aufgebaut. Ich wünsche al-

len viel Glück.

Im Fredenbaumpark ist vom 30. Juni bis zum

1. Juli das große Afroruhr-Festival. Da kann

man essen und trinken. Viele Kostproben gibt

es dort und viele Spezialitäten. Vielleicht

kann ich da auch schon wieder hinlaufen.

Dann sind auch bald die Sommerferien. Die

Kinder können die ganzen Ferien im Big-Tipi

klettern oder basteln. Es ist für jeden etwas

dabei.

So, liebe Leserinnen und Leser. Das war es erst

einmal wieder. Wie ich immer sage: Tschüss

bis zum nächsten Mal, Ihre Rosi

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VERKÄUFERPORTRÄT | von Kurt-Michael Coennen | Foto: Sebastian Sellhorst

»Geht nicht, gibt es nicht!«Oft müssen wir unsere neuen Verkäufer erst davon überzeugen, uns ein wenig von sich zu erzählen. Ganz anders Kurt. Der stand plötzlich in der Re-daktion und drückte uns seine Geschichte in die Hand. Und bei der geht es nicht nur um bodo, son-dern auch um viele andere Straßenzeitungen in ganz Deutschland.

„Ich muss schon lange zurückdenken, wo und wann

ich meine erste Straßenzeitung verkauft habe.

Mein erste habe ich 1994 in Hamburg verkauft.

Hinz & Kunzt startete 1993 mit dem damals neuen

Projekt im November. Ein Exemplar kostete damals

eine Mark, 50 Pfennige davon für den Verkäufer.

Als Epileptiker war es für mich damals schier un-

möglich, eine richtige Arbeit zu finden. Ich hatte

damals bereits drei Jahre für eine Drückerkolonne

gearbeitet. Gut ein Jahr lebte ich danach vom Ver-

kauf der Zeitung.

1995 zog es mich dann wieder in meine Heimatstadt

Krefeld. Im Januar erfuhr ich dann per Zufall, dass

es im Ruhrgebiet auch ein Straßenmagazin gibt. Das

war damals der „Wohnungslose“ aus Essen, den es

heute nicht mehr gibt. Ich nahm damals Kontakt zu

den Verkäufern und damit auch zur Redaktion auf.

Bei der Arbeit lernte man dann auch Verkäufer von

anderen Magazinen kennen und tauschte sich aus.

Das Essener Magazin hatte ein großes Problem. Mit-

unter mussten die Verkäufer drei Monate auf eine

neue Ausgabe warten. So kam ich 1997 das erste Mal

zu bodo, wo ich mich gleich sehr wohl fühlte, denn

dort war alles sehr familiär.

1998 musste ich dann leider den Verkauf einstellen

und ging wieder nach Krefeld. Dort gab es mittler-

weile die fiftyfifty. Da Bochum von Krefeld aus nur

noch schwer zu erreichen war und die Anfahrt mich

immer viel Zeit gekostet hätte, schloss ich mich fif-

tyfifty an, dem Düsseldorfer Straßenmagazin. 2005

habe ich es dann aus Neugierde mal in Moers pro-

biert und fühlte mich dort während meiner gesam-

ten Verkäufertätigkeit eigentlich am wohlsten.

Die Mentalität in Bergbau- und Ruhrgebietsstädten

ist halt immer noch die beste. Mit Freundlichkeit,

Standhaftigkeit und ein wenig Humor erreicht man

dort sehr viel, auch wenn es natürlich mal schlech-

te Phasen gab. Mein Gesicht wurde mir geschenkt,

aber lächeln muss man selber. Ein fester Platz, an

dem man immer steht, ist wichtig, dann hat man

nach einiger Zeit eine Stammklientel und kennt

das Sicherheitspersonal und die Geschäftsleute. In

Moers war ich sogar, genau wie in Gelsenkirchen,

mit dem Fahrradpolizisten per du.

Im Oktober 2008 musste ich für 13 Monate in Haft

und zog nach Verbüßung der Strafe in eine Wohnung

nach Moers. Ostern traf ich dann einen Verkäufer

Kurt-Michael aus Witten:

Seit 17 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine

Verkäufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und Umge-

bung. Viele haben feste Verkaufsplätze und einen eigenen

Kundenstamm. Manche sind schon seit Jahren bei uns, andere

nur auf der Durchreise. Für alle jedoch ist der Verkauf des Stra-

ßenmagazins eine Arbeit, die Halt gibt und Selbstbewusstsein

schafft. bodo stellt regelmäßig einen Verkäufer vor.

bodo-VerkäuferInnen

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von bodo in der Bochumer Fußgängerzone wieder.

Wir kannten uns schon ewig und gerieten ins Plau-

dern. Er sagte mir, dass es bodo immer noch gibt

und sie auch noch Verkäufer suchten, und ich dachte

mir, warum es nicht noch mal versuchen.

Gestern war ich dann bei bodo und habe meinen Ver-

käuferausweis bekommen und zehn Startexemplare.

Als der Verkauf dann sofort gut klappte und ich von

den Kunden in Witten freundlich empfangen wurde,

merkte ich, dass es noch geht, und war gleich wie-

der voll motiviert. Jetzt bin ich wieder bei bodo und

freue mich auf meinen Wiedereinstieg. Denn meine

Devise ist wie immer: Geht nicht, gibt es nicht!“

(Kurt-Michael Coennen)

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KULTUR | von Bianka Schacht | Foto: Wohnzimmer Alsenstraße e.V.

Seine direkten Nachbarn kennt man meist noch. Die Oma im ersten Stock, die meist nur sonntags Besuch von ihren Kindern bekommt. Die WG nebenan mit dem gut ausgestatteten Werkzeugkoffer, und den Typen von oben, der nicht bei jedem Wolfgang-Petry-Hit mitsingen müsste („Hölle, Hölle, Hölle…“). Mit dem Kennen hört es dann auch schon auf. Vor der Haustür begegnen sich vielleicht noch die einen oder anderen bekannten, namenlosen Gesichter. Grüßen spart man sich generell.

In der Bochumer Alsenstraße ist derartiges Ver-

halten merkwürdig. „Bei uns im Viertel herrscht

keine Anonymität. Hier geht keiner lang, ohne

zu grüßen“, erzählt Steffi Kirmse (45) über ihren

Wohnort. Steffi, auf der Alsenstraße als Steffa

bekannt, ist Vorsitzende des Vereins „Wohnzim-

mer Alsenstraße e.V.“. Zusammen mit 91 weiteren

(auch ehemaligen) Anwohnern der Alsenstraße

und Umgebung gründete sie im letzten Frühjahr

den Verein, um ein Wohnzimmer für die Straße zu

schaffen. Die Grundidee dahinter ist recht simpel:

Die Anwohner wünschten sich einen Ort mit Dach,

an dem sie sich treffen können.

Anklingeln und Schuhe ausziehen sind nicht

nötig, betritt man das Alsenwohnzimmer. „Das

Prinzip, das wir hier vertreten, ist offen und

flexibel ausgelegt. Gemacht werden kann, was

der Gemeinschaft gefällt und in den Räumlichkei-

ten möglich ist. Nur an die Nachbarschaft muss

gedacht werden. Wir sind ja auch nur Mieter“,

erklärt Schatzmeisterin Nina Selig (32). So kann

das Wohnzimmer als Sportraum für Yogakurse,

für gemütliche Filmabende, als Werkstatt, um

Skateboards zu bauen, für Kinderspielaktionen,

zum Panini-Bilder-Tauschen oder zum Abhalten

eines Imker-Workshops dienen. Bis auf die Küche

hat nichts einen festen Platz. Das komplett aus

Spenden bestehende Mobiliar ist opportun, lässt

sich erweitern oder verschieben. „Da unser Verein

aus so unterschiedlichen Menschen mit den

verschiedensten Berufen besteht, konnten wir

die Räumlichkeiten komplett alleine renovieren

und nach unserem Geschmack herrichten. Bei der

Küche hat zum Beispiel ein Schiffsbauer ganze

Arbeit geleistet“, erklärt Steffi.

Welche Aktion wann und wie ablaufen wird,

entscheidet der Verein in seiner monatlichen

Mitgliederversammlung. Mitglied werden kann

grundsätzlich jeder. Wohnen muss man dafür

nicht unbedingt in der Alsenstraße, Vorbedin-

gung ist jedoch eine nachbarschaftliche Einstel-

lung. „Was ich so spannend an dem Alsenwohn-

Ein Wohnzimmer für eine StraßeWo Menschen Leidenschaften teilen

12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke

DVDs auf Ebay verkaufen – die neue Mutprobe

Manche Fälle eignen sich,

einem das Vertrauen in

den deutschen Rechtsstaat schlagartig zu

entziehen. Vor wenigen Tagen bat mich eine

Mandantin um Hilfe, da gegen sie – aus hei-

terem Himmel – eine einstweilige Verfügung

erlassen wurde. Streitwert: 10.000 Euro.

Was war geschehen? Sie bot über Ebay eine ori-

ginal Musik-DVD an, die sie selbst vor einigen

Jahren bei Karstadt gekauft hatte. Aufgrund

des Ebay-Angebots erhielt sie ein Schreiben ei-

ner Anwaltskanzlei, in dem diese meiner Man-

dantin zu erklären versuchte, dass sie die DVD

nicht anbieten dürfe und für dieses Schreiben

nun bitte innerhalb von 14 Tagen 651,80 Euro

Anwaltsgebühren zahlen solle.

Selbstverständlich konnte meine Mandan-

tin nicht einsehen, dass sie einen Fehler

gemacht haben sollte und reagierte nicht

auf dieses Schreiben. Doch der Gegner blieb

nicht untätig und zog still und heimlich vor

das Landgericht Hamburg und erwirkte in-

nerhalb von ein paar Tagen – ohne Wissen

und Anhörung meiner Mandantin – im Eil-

verfahren eine einstweilige Verfügung. Nun

wurde ihr durch das Landgericht Hamburg

der private (!) Verkauf der DVD verboten und

ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro ange-

droht. Kosten für meine Mandantin: 2.596,84

Euro – für das Anbieten einer original im Ein-

zelhandel gekauften DVD.

Begründung: Angeblich hätte meine Mandan-

tin nicht die nötigen Rechte, um die DVD zu

verkaufen. Die Scheibe hätte bereits nicht in

den Einzelhandel gelangen dürfen. Und? Wo-

her sollte meine Mandantin dies wissen? Of-

fensichtlich haben die Hamburger Richter sich

diese Frage aber gar nicht erst gestellt. Ent-

weder mögen sie keine Rockmusik oder – was

wahrscheinlicher und wesentlich bedenklicher

ist – ihnen ist nicht einmal aufgefallen, dass

Kosten in Höhe von 2.596,84 Euro für das An-

bieten einer äußerlich völlig unscheinbaren,

im Einzelhandel erworbenen DVD absurd sind.

Doch wenn nicht einmal Richter erkennen,

dass das Urheberrecht zu derart unsachgemä-

ßen Ergebnissen führen kann, dann ist dies

das beste Argument für eine grundlegende

(piratige?) Änderung des Urheberrechts. In

diesem Sinne: Ahoi! (rb)

www.kanzlei-boyke.de

Page 13: bodo Juli 2012

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man seiner auf diese Weise ledig wür-

de. Schweren Herzens griffen die Nach-

wuchsgärtner zu einem leichten Gift,

einem ökologisch unbedenklichen. Jetzt

breitet sich ihr Doldenblütler wenigstens

nicht weiter aus.

Was auch noch helfen kann ist: essen. If

you can‘t beat it, eat it. Giersch schmeckt

nach Petersilie, Sellerie und Möhre. Er

enthält neben Calcium, Magnesium, Si-

licium, Proteinen und ätherischen Ölen

reichlich Vitamin A und C. In der Küche

werden Blätter, Blüten und die Samen

verwendet. Man könnte ein Kochbuch nur

mit Gierschrezepten schreiben.

Folgendes Rezept darf dabei nicht fehlen:

2 Schalotten gehackt in Sonnenblumenöl

und Butter glasig dünsten. 2 daumengro-

ße Ingwerstücke frisch gerieben zufügen,

dann 300 g Möhren in kleinen Würfeln und

150 g Gierschblätter, grob geschnitten.

(Anmerkung: Junge Blätter sind sehr zart.

In ihrem Fall die Möhren im Dämpfer vor-

garen. Ältere Blätter sind härter, schme-

cken aber deutlich würziger. Hier die Stie-

le entfernen und eine insgesamt längere

Garzeit kalkulieren.) Schalotten, Ingwer,

Möhren und Giersch in einer großen Pfan-

ne mit etwas Wasser bei geschlossenem

Deckel erhitzen, bis das Grün zusammen-

fällt. Gelegentlich umrühren. 250 ml tro-

ckenen Weißwein zugeben, hin und wieder

rühren und ohne Deckel köcheln lassen,

bis die Flüssigkeit nahezu verdampft ist.

1 Becher Sahne zufügen, salzen, pfeffern,

ein letztes Mal aufwallen lassen. Salzkar-

toffeln und Frikadellen passen dazu.

Vieles spricht dafür, von dem Gemüse

mehr zu kochen, als man eigentlich be-

nötigt. Wie auch die meisten Kohlgerich-

te schmeckt es aufgewärmt am nächsten

Tag noch besser. Und

wer den Giersch im

Garten hat... (wk)

wildkraeuter.bodo/19_giersch/

Einer meiner Lieblingswitze ist der mit

den beiden Planeten. „Hey, lang nicht

mehr gesehen. Alles klar bei dir? Siehst

abgespannt aus”, grüßt der erste. „Abge-

spannt? Wenn s das nur wäre. Mir geht s

verdammt dreckig.” „Was ist passiert?

Kann ich dir helfen?” „Danke”, stöhnt der

Angesprochene. „Aber mir ist nicht mehr

zu helfen. Ich habe die Menschen.”

Ähnlich fatalistisch klang Frau K., als sie

mir erzählte, sie hätten den Giersch. Herr

und Frau K. pachten eine Schrebergarten-

parzelle. Sie sind jung. Ein Generations-

wechsel vollzieht sich in den Kleingarten-

vereinen, denen längst nicht mehr der Ruf

anhaftet, letzter Normspießerhort der

Republik zu sein. Herr und Frau K. schät-

zen die Vielseitigkeit dieser innenstadt-

nahen, bunten Oasen. Sie bezeichnen

sich augenzwinkernd als Superökos und

freuen sich jedes Jahr auf selbstgezoge-

nes Biogemüse. Ihr Wortschatz kennt den

Begriff Unkraut nicht. Den Giersch ließen

sie zunächst gewähren.

Der machte, was Giersch so macht und

begann, jede grüne Konkurrenz im Beet

zu überwuchern. Er okkupierte weiteres

Terrain. Nachbarn klopften, mahnten

Maßnahmen gegen das Problemgewächs

an. Da hilft es wenig, zu wissen, dass das

wilde Kraut in alten Klostergärten extra

angebaut wurde, als Nothelfer bei Gicht

dem Heiligen Gerhard geweiht, Bestand-

teil der Neunstärke-Suppe war, einer Art

Zaubertrank des Mittelalters. Herr und

Frau K. rupften und zupften, sie gruben

um und aus.

In Gartenhandbüchern steht, dass aus je-

dem noch so kleinen Rest Wurzel im Bo-

den eine neue Pflanze treibt, dass man

dem Zeug konventio-

nell mechanisch eher

hilft, sich zu

verbreiten,

als dass

Ein Wohnzimmer für eine Straße

13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast

zimmer finde, ist, dass es ein Ort ist, wo Menschen

Leidenschaften miteinander teilen“, sagt Nina. „Mit

dem gemeinsamen Raum haben wir uns einen Stück

öffentlichen Raum zurückgeholt. Vorher haben

wir uns oft an einer Bank in der Straße getroffen.

Da ist unser Wohnzimmer schon gemütlicher und

vielseitiger nutzbar.“

Das Verständnis von nachbarschaftlicher Gemein-

schaft ist in der Alsenstraße durch die seit Jahren

stattfindenden Straßenfeste gewachsen. Dass es

wiederum zu dem ersten Fest kam, war der Not

geschuldet. Wenn der Vermieter verbietet, im Hin-

terhof einen Flohmarkt zu veranstalten, muss man

eben auf die Straße ziehen. Genauso wie bei den

Straßenfesten sind auch im „Offenen Café“ jeder-

zeit Nicht-Mitglieder willkommen. Bisher öffnet das

Café jeden Donnerstag ab 19 Uhr, geplant ist aber,

künftig häufiger zu öffnen. Neben den bisherigen

unzähligen Nutzungsmöglichkeiten freuen sich die

Mitglieder der Alsenstraße besonders, dass das

Wohnzimmer auch als Ausstellungsort für Künstler

aus der Umgebung genutzt wird.

Die nächste Ausstellung feiert am 6. Juli um 19 Uhr

Vernissage und heißt „Verlass die Stadt die keine ist

– Stadtlandschaften“. Die Künstlerin ist Britta Meier.

Zahlreiches Erscheinen ist sehr erwünscht. (bs)

INFOwww.alsenstrasse.com

Wohnzimmer Alsenstraße e.V.

Alsenstraße 27 | 44789 Bochum

Page 14: bodo Juli 2012

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Westwärts!Kohle, Biere, Tanzlokale

Dortmund im 19. Jahrhundert. Ein dö-sendes Dorf, das von längst vergangenen Hanseherrlichkeiten träumt und plötzlich wachgeküsst wird - von der Industrie. Aber noch im Jahr 1862 lehnen es Magistrat und Stadtverordneten-Versammlung ab, einen Stadtbebauungsplan für den rasant wach-senden Montanstandort zu entwickeln. Auf diesen Industrie-Schwindel werde man nicht hereinfallen, lassen die städtischen Kollegi-en verlautbaren. Eine Fehleinschätzung, wie sich bald herausstellen soll. Mit Kohle und Stahl kommen Menschen und Geld und die Stadt in Schwung. Eine bodo-Zeitreise.

„So etwas von Kneipenleben in Dortmund, wie

damals, habe ich nie und nirgends wieder gese-

hen!” (1) bestaunte Karl Richter, Redakteur des

populären General-Anzeigers, die ungestümen

1890er Jahre. Seine zeitgenössische Zustands-

beschreibung galt nicht nur für das Stadtzen-

trum innerhalb der Wälle. Eine Hauptachse der

Entwicklung im Zuge der Industrialisierung

bildete sich entlang des Hellwegs heraus, der

alten Handelsroute, die Dortmund Hunderte

von Jahren zuvor schon einmal hatte aufblühen

lassen. Bis zur Emscherbrücke vor Dorstfeld

lässt sich die Hellwegtrasse sicher bestimmen.

Ihr heutiger Name: Rheinische Straße. Um 1900

hatten allein acht Bierbrauereien ihren Sitz

direkt an der Rheinischen oder in unmittelbarer

14 GESCHICHTE | von Wolfgang Kienast | Fotos: Sebastian Sellhorst

Page 15: bodo Juli 2012

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Nähe. Eine von ihnen, die Union-Brauerei,

sollte 1926 mit ihrem Kellerhochhaus ein

Wahrzeichen der Stadt errichten.

Das „Dortmunder Adreß-Buch für das Jahr

1894” listet außerdem fünfundzwanzig „Wir-

the”, die auf eintausendfünfhundert Metern

Kneipen betrieben. Die durchgehende Bebau-

ung endete zu der Zeit an der Einmündung

Huckarder Straße. Auf diesem Eckgrundstück,

Rheinische Straße 141, gründete Heinrich

Kramberg bereits 1857 die Stern-Brauerei.

Zu den Spezialitäten des Hauses zählte unter

anderem ein „Dortmunder Sanitätsbier für

Kranke und Reconvalescenten” (2). Später

wechselte das Unternehmen mehrfach Namen

und Geschäftsform. Von 1899 bis 1902 hieß es

Genossenschaftsbrauerei, bis 1904 Rhenania

Brauerei, anschließend Glückauf Brauerei AG

und zwischen 1912 und 1920 Bürgerbräu AG.

Die Ritterbrauerei übernahm schließlich den

Betrieb, aus dessen Geschichte nur wenige Re-

likte die Zeit überdauert haben. Ein Briefkopf

zeigt das Gebäude mit seiner bis heute kaum

veränderten Fassade, ein 1902 ausgestellter

Liefervertrag belegt vis-a-vis einen Abnehmer

der Produkte: Rheinische Straße 146, das

„Blaue Haus”, Baujahr 1870, das vielen noch

als Traditionsgaststätte „Zum Treppchen”

in Erinnerung sein dürfte. Das Erdgeschoss

beherbergte zunächst eine Bäckerei, später

die Gaststätte. Das alte Adressbuch nennt

einen Herrn Dreinhöfer als Betreiber. Um Bier

von der einen auf die andere Straßenseite zu

transportieren, hatte man praktischerweise

einen Tunnel gegraben. Heute gehört das

denkmalgeschützte „Blaue Haus” in die Reihe

der zahlreichen neuen Kulturorte im Viertel.

Nahezu alle zeitgenössischen Reiseführer

empfahlen Besuchern der Stadt einen Ausflug

ins benachbarte Dorstfeld. „Dorstfeld ist das

erste Dorf in Deutschland, welches elektrisches

Licht als Strassenbeleuchtung einführte. Links

am Eingang des Dorfes liegt an der Emscher das

Ziegler‘sche Etablissement mit grossem Saale

(Wintergarten) und schönen Gartenanlagen”

(3). Hartnäckig hält sich das Gerücht, hier

sei der sogenannte „Alte Verband” und damit

ein unmittelbarer Vorläufer der „Industriege-

werkschaft Bergbau und Energie” gegründet

worden. Tatsächlich trafen sich am 18. August

des Jahres 1889 in Dorstfeld Delegierte der

rheinisch-westfälischen Knappenvereine. Ziel

der Versammlung war die Gründung eines

Verbandes, der sich für bessere Arbeitsbedin-

gungen im Bergbau stark machen sollte. Die

Tagung fand jedoch nicht bei Ziegler statt,

sondern schräg gegenüber, im „Gasthaus

Schemmann” auf der anderen Seite der Straße.

Die Kahnfahrten auf der Emscher, die „Fahrten

nach Amerika”, welche der Ziegler-Wirt für

Kinder und Jugendliche organisierte, sind da-

gegen eindeutig belegt. Geleitet wurden diese

Flussfahrten von einem Dorstfelder Original

namens Lehrmacher, Endstation der Reise war

natürlich nicht die Neue Welt, man trieb 500

Meter emscherabwärts bis zur Hahnenmühle.

10 Pfennig kostete das unter Umständen recht

zweifelhafte Vergnügen: „Auch kahnfahren

kann man, wenn man die nichts weniger als

klaren Fluthen nicht scheut” (4), spöttelte ein

in Zürich herausgegebener Reiseführer.

So lebhaft es im ausgehenden 19. Jahrhun-

dert zuging, so trostlos war das Ende. Nach

einem letzten Aufbäumen als Ersatzbühne für

das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadt-

theater, verfiel das mehr als 200 Jahre alte

Gebäude und wurde Ende der 60er Jahre ab-

gerissen. Die Fundamente dürften unter dem

Asphalt der Dorstfelder Allee zu suchen sein.

Die Emscherquerung, das sei ergänzend noch

erwähnt, hat in gastronomischer Hinsicht eine

Tradition, die lang vor Zieglers Etablissement

ihren Anfang nimmt. Eine erste Wirtschaft

ist hier bereits um 1600 nachgewiesen. Auch

diente der strategisch dafür gut geeignete Ort

als Zoll- und Mautstation: Der Hellweg war

eine viel genutze Ost-West-Verbindung, das

breite, sumpfige Emschertal ein Gelände mit

tückischem Charakter; an dieser Stelle aber

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war das Flüsschen einigermaßen bequem

zu passieren und glaubt man dem Etymo-

logen, weist der Name Dorstfeld auf diesen

Sachverhalt hin: „Der Name in der frühes-

ten Erwähnung lautet ,Dorstidfelde‘, später

,Durstveld‘ (...) Von mehreren Deutungsver-

suchen erscheint jener am ehesten plausibel,

der in dem ersten Namensbestandteil das

Wort ,Dor‘ = ,Tür‘, ,Durchgang‘ erkennen will.

Dorstfeld wäre danach die Siedlung im Felde

am Übergang über die Emscher.” (5)

Der weitere Verlauf des Hellwegs über Dorstfeld

hinaus nach Lütgendortmund ist nicht mehr gesi-

chert nachweisbar. Mehrere Trassen sind denkbar,

und wahrscheinlich gab es alternative Routen,

welche je nach Witterung und Wegverhältnissen

genutzt werden konnten. Die südliche, über

Martener und Lütgendortmunder Hellweg, ist aus

heutiger Sicht eher unattraktiv. Sie führt durch

eine ausfallstraßentypische Ansammlung von Au-

tohäusern, Bau- und Möbelmärkten. Interessan-

ter ist die Strecke über die Heyden-Rynsch- bis

zum Abzweig Planetenfeldstraße, wo man hinter

der Autobahnbrücke erneut vor die Wahl gestellt

wird. Es gibt die Möglichkeit, einen nördlichen

Bogen über die Martener Straße zu nehmen, oder

aber, meist parallel der Bahngleise, via Schulte-

Heuthaus- und Steinhammerstraße die südwest-

lichen Ausläufer Martens kennenzulernen. Und

dort das „Ashok-Hotel”.

Bei der Gelegenheit ein weiterer Zwischen-

stopp beim Etymologen, der vermutet, dass

der Name Marten auf ein germanisches Wort

„mart” oder „mert” zurückzuführen sein

könnte – mit der Bedeutung Stein oder Fels.

Und ein Marthammer ist ein Steinhammer. An

der nach diesem Werkzeug benannten Straße

wurde 1855 der erste Schacht der Zeche

Germania abgeteuft. Sie sollte später zu einer

der größten und modernsten im gesamten

Ruhrgebiet werden. Allein im Jahr 1964 lag

die Fördermenge bei 1.822.300 Tonnen Kohle.

Dessen ungeachtet kam es bereits wenige Jah-

re später zur Stilllegung. Ein Förderturmgerüst

der Germania steht seitdem am Bergbaumuse-

um in Bochum und überragt als industriehis-

torisches Denkmal die Stadt.

Unweit der Stelle, wo die Germania- von der

Steinhammerstraße abzweigt, befindet sich das

„Ashok Hotel”. Der Besitzer, Herr Pathmanathan,

führt es seit drei Jahren. Ein lebendiger Ort, der

multikulturelles Leben spiegelt. Türkische Hoch-

zeiten werden gefeiert, Festtage der Sinti und

Roma begangen und natürlich die der tamilischen

Gemeinde. Der Vater des Betreibers musste aus

Sri Lanka fliehen. Am Tresen treffen sich biswei-

len auch ältere Anwohner der Straße und erzählen

Geschichten aus der Zeit, als das Haus unter dem

Namen Bockhalle von einiger Bedeutung für das

Leben in der Siedlung war. Sie freuen sich über

die gelungene Rettung ihres öffentlichen Wohn-

zimmers vor dem drohenden Verfall. Ashok, ins

Deutsche übersetzt, heißt Hoffnung.

Der Steinhammerstraße folgend über Lütgen-

dortmunder Hellweg und Straße erreicht man

das „Musiktheater Piano”. Ein imposantes

Gebäude. Veranstalter haben dort das seltene

Glück, über einen nahezu unverändert erhal-

tenen Jugendstil-Saal zu verfügen. 1873 als

Bäckerei und Gasthof „Zum deutschen Haus”

errichtet, wurde das Bauwerk bedarfsgerecht

mehrfach erweitert. Mit dem dabei entstande-

nen großen Saal, der Bühne und dem Balkon

bot Inhaber Wilhelm Roggenkämper den

ansässigen Familien und Vereinen ein ideales

Ambiente für deren Feiern und Darbietungen.

Auf Postkarten warb Roggenkämper mit dem

Ausschank von Westfalia Bier. In den 1920er

Jahren, zeitgleich mit der Bürgerbräu AG, wurde

die Lütgendortmunder Brauerei von Ritter über-

nommen. Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten

Weltkrieg veranlasste den Staat, den knappen

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Rohstoff Malz zu kontingentieren. Beabsichtigt

war der Schutz kleinerer Betriebe, die sich je-

doch oft gezwungen sahen, das ihnen zustehen-

de Kontingent an kapitalkräftigere Konkurrenten

zu verkaufen. Kurzfristig zwar liquide, fehlte

ihnen dann leider das Material für ihre Produkti-

on. Über kurz oder lang führte das meist doch zu

einer Übernahme durch die Großen.

Wilhelm Roggenkämper wird auch Ritterbier

gut verkauft haben. Der Stern des „Deutschen

Hauses” begann erst in den 1960er Jahren zu

sinken, als die ehemalige Kundschaft begann,

ihre Abende zu Hause vor dem Fernseher zu

verbringen. In den 1970er Jahren nutzte man

deshalb vorübergehend einen Teil des Anwesens

als Studentenwohnheim. Schön, dass es ein

Revival als überregional bekannte Institution

in Sachen Party- und Livemusik erleben darf.

Die älteste Lütgendortmunder Gaststätte ist

das Haus „Zur alten Post” an der evangelischen

Kirche. 1833 beantragte Gottfried Westhoff die

„Concession zur Ausübung der Schenkwirth-

schaft”, welche ihm bald erteilt wurde. Anfangs

braute er sogar eigenes Bier. 1877 baute sein

Sohn Heinrich das Geschäftsfeld mit der Eröff-

nung der ersten Lütgendortmunder Postagentur

weiter aus. Der Name erinnert noch heute an

diesen Schachzug. Dass sich vor dem Haus die

(Pferde-) Bushaltestelle der Linie Lütgendort-

mund – Marten befand, dürfte sich ebenfalls

positiv ausgewirkt haben. Wie der Gasthof „Zum

deutschen Haus” wurde auch die Wirtschaft

der Familie Westhoff mehrfach vergrößert, ein

Wintergarten mit Springbrunnen kam dazu,

ein Tanzboden, eine Kegelbahn. Doch wie am

„Deutschen Haus” zogen auch an der „Alten Post”

die Jahrzehnte nicht spurlos vorüber. In den

1990er Jahren galt der Abriss des mittlerweile

sanierungsbedürftigen Gebäudes im Prinzip als

beschlossene Sache. Im letzten Moment fand sich

jedoch ein engagierter Betreiber, der 2001 das

Café „Am Schweinemarkt” eröffnete. Ohne das

nötige Glück allerdings. Wieder unter dem alten

Namen führt derzeit Andrea Geißer das Traditi-

onslokal erneut als rustikal charmante Gaststätte.

Ob es Karl Richter jemals bis Lütgendortmund

geschafft hat, ist fraglich. In seinen Auf-

zeichnungen ist kein solcher Ausflug erwähnt.

Aber der feierfreudige Agent hätte seinen

Spaß haben können. Über die Eröffnung des

Wintergartens im Dezember 1889 jedenfalls

wurde berichtet, dass Speisen und vor allem

Getränke in vorzüglicher Weise mundeten und

die Gäste in heiterster Stimmung dem anbre-

chenden Morgen entgegensahen. (wk)

Wir danken dem Stadtarchiv Dortmund, Herrn Ruhmann von

der Biermacher eG und allen Betreibern der noch bestehenden

Traditionslokale für die freundliche Unterstützung.

Zitate:

(1) aus: „Ein Dortmunder Agent. Der Mann der Karlchen Richter

hieß. Seine Aufzeichnungen neu an den Tag gebracht von Horst

Mönnich”, Walter Rau Verlag, Düsseldorf, 1974

(2) Gewerbliche Anzeige in: Schütz, „Führer durch Dortmund,

1886, (Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed96)

(3) aus: Prümer, „Taschenadressbuch und Führer durch Dort-

mund”, 1889, (Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed97)

(4) aus: Brausewetter, „Städte-Bilder u. Landschaften aus aller

Welt”, Verlag Julius Laurencic, Zürich, 1891, (Stadtarchiv Dort-

mund, Bestand Ed98)

(5) aus: Norbert Reimann, „Kleine Geschichte des Amtes Lüt-

gendortmund sowie der Ämter Dorstfeld und Marten”, herausge-

geben von der Stadtsparkasse Dortmund, 1993

Weitere Quellen:

W. Crüwell, „Führer durch Dortmund - Zum deutschen Bergmanns-

tage”, Dortmund, 1901

W. Crüwell, „Die Geschichte eines Dorfes: Dorstfeld bei Dort-

mund”, Dortmund 1934

Otto Faehre, „Dortmunder Adreß-Buch für das Jahr 1894”, Nach-

druck Beleke Verlag, Essen, 1991

Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark, „Hei-

mat Dortmund”, Ausgabe 3/2003, Thema: Bier

Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark, „Hei-

mat Dortmund”, Ausgabe 2/2006, Thema: Alles fließt. Das Wasser

der Emscher

Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark, „Hei-

mat Dortmund”, Ausgabe 3/2009, Thema: Historische Orte des

Genusses. Traditionsgaststätten in Dortmund

Paul Lenz, „Die Entwicklung des Dortmunder Brauwesens” in:

„Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark”,

Band 33, Verlag des Historischen Vereins Dortmund, 1926

Gustav Luntowski, „Geschichte Dortmunds im 19. und 20. Jahr-

hundert – Die kommunale Selbstverwaltung”, Verlag des Histori-

schen Vereins Dortmund, 1977

Reinhard Wolters, „Die Dortmunder Straßennamen und ihre Be-

deutung”, Eigenverlag, 1998

Page 18: bodo Juli 2012

18

Von Sportwagen und Kältebussen

Wenn jemand in den letzten Jahren der

deutschen Wohnungslosenhilfe wirklich

nachhaltig geschadet hat, ist es der Mase-

rati fahrende Ex-Geschäftsführer der Berli-

ner Treberhilfe, Hans-Harald Ehlert, der sich

von Treberhilfe gGmbH unter anderem mit

einem Jahresgehalt von 365.000 Euro ver-

sorgen ließ.

Das Geschäftsmodell seines Sozialkonzerns,

das ihm das Lob und die Unterstützung

der Unternehmensberatung Kienbaum ein-

brachte, heißt „Social Profit“. Im Kern: pro-

fitorientiertes Sozial-Unternehmertum.

Was bei der Treberhilfe in einen Sozialskan-

dal mündete, macht sich nun ausgerechnet

in Dortmund ein Verein zum Vorbild. Einen

Kältebus und später auch eine Übernach-

tungsstelle für Obdachlose will der Dort-

munder Verein Pro-Obdach ins Leben rufen,

dessen Namensnähe zu den rechtspopulis-

tischen Pro-Parteien zumindest unglücklich

ist. Der Verein wirbt um Spenden, um im

zweiten Schritt die Kommune in die Pflicht

zu nehmen. So der Pro-Obdach-Vorsitzende

gegenüber den Ruhr Nachrichten.

Und der ist umtriebig: Für einen weiteren Ver-

ein sucht er Menschen, die „in Wohngebieten

(von Haus zu Haus), Fußgängerzonen und vor

Geschäften“ für ihn Geld für einen Tiernot-

arztwagen sammeln, seine „Kinderhilfe Rhein-

Ruhr“ wirbt ebenfalls um Spendensammler.

Mal ehrlich, wir kennen das so: Wir ge-

meinnützigen Akteure im sozialen Bereich

reagieren auf „Bedarfe“, Versorgungslücken

und eine sich stetig verändernde Nachfrage

nach unseren Angeboten. Wir sehen, wo et-

was fehlt, wer etwas braucht, das er in den

bestehenden Strukturen nicht bekommt, wo

Hilfe nötig ist. Daraus entwickeln wir Kon-

zepte, Kooperationen, Angebote und bemü-

hen uns dann um die Finanzierung.

Die Idee des Sozial-Profiteurs, der flexi-

bel ein „Arbeitsfeld“ wählt, um zuerst sich

selbst eine Stelle zu schaffen, ist – um es

vorsichtig zu formulieren – moralisch wie

fachlich ein Problem. Ein Kältebus macht

noch keinen Maserati. Aber: Wer unabhängig

von Bedarf, Angebotsstruktur und vermeint-

licher Zielgruppe erst einmal Geld fordert,

darf zumindest mit Skepsis rechnen. (bp)

NEWS | von Sebastian Sellhorst18 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter

Gerhard Richter spendet Drucke an Düsseldorfer Straßenmagazin

Der deutsche Künstler Gerhard

Richter spendet Drucke im Wert

von über 300.000 Euro an die Kol-

legen des Düsseldorfer Straßenma-

gazins „fiftyfifty“. Richter gilt als

einer der bedeutendsten Künstler

des 20. und 21. Jahrhunderts.

Seine Werke werden auf interna-

tionalen Auktionen für teilweise

mehrere Millionen Euro gehandelt.

Zuletzt begeisterte er mit Ausstel-

lungen in der Tate Modern London

und der Neuen Nationalgalerie

Berlin die Kunstwelt. Richter hatte

bereits mehrmals das Düsseldorfer

Straßenmagazin unterstützt. Sei-

ne Spende enthält unter anderem

Drucke der weltberühmten Gemäl-

de „Kerze“ und „Betty“, welche

innerhalb kürzester Zeit einen Käu-

fer gefunden haben. Der Erlös aus

dem Verkauf der Drucke wird einem

Obdachlosenhaus zugutekommen,

das in Düsseldorf gebaut werden

soll. Insgesamt werden dafür cir-

ca zwei Millionen Euro benötigt.

Richter habe dem Verein mit seiner

Unterstützung aus einer schweren

Spendenkrise geholfen, so eine

Sprecherin von fiftyfifty.

SKOTTS SEITENHIEB

Envio-Skandal:Gutachten ermöglicht

Der Envio-Opferfonds war erfolg-

reich: In nur wenigen Wochen

sammelte die Initiative insgesamt

10.000 Euro, um den betroffenen

Arbeitern die Finanzierung unab-

hängiger Gutachter zu ermögli-

chen. Seit dem 9. Mai 2012 steht

die Envio-Führungsspitze vor Ge-

richt. Die Angeklagten werden

wegen vorsätzlicher Körperverlet-

zung in über 50 Fällen angeklagt.

In der größten PCB-Katastrophe

der letzten Jahrzehnte wurden am

Dortmunder Hafen zahlreiche Men-

schen mit PCB schwer vergiftet.

Bereits am ersten Prozesstag brüs-

kierte der Envio-Anwalt Neuhaus

die Opfer, indem er behauptete,

die bis zu 25.000-fach erhöhten

PCB-Werte seien dem ungesunden

Lebensstil der ehemaligen Arbei-

ter geschuldet. (bodo 6/12) Aus

Solidarität mit den Opfern hat

bodo e.V. ein Spendenkonto zur

Verfügung gestellt und die Weiter-

leitung der Spenden übernommen.

Spenden über die benötigte Sum-

me hinaus, werden an den Förder-

verein des Westfälischen Kinder-

zentrums e.V. weitergeleitet.

10 Jahre Drogenkonsumraum in Dortmund

Vor zehn Jahren eröffnete in Dort-

mund unter Trägerschaft der Dort-

munder Aidshilfe e.V. der Dortmun-

der Drogenkonsumraum. Damals

war er der vierte seiner Art in NRW.

Mittlerweile blickt die Einrichtung

auf eine Viertel-Million Konsumvor-

gänge, 40.000 medizinische Hilfen

und 900 Notfallsituationen zurück.

Die 11.000 Beratungsgespräche, die

die Sozialarbeiter seit Eröffnung

führten, unterstrichen die enorme

Wichtigkeit eines solchen Angebo-

tes. Guntram Schneider, Minister für

Arbeit, Integration und Soziales des

Landes Nordrhein-Westfalen, mein-

te in seinem Grußwort: „Die Dort-

munder Aidshilfe hat mit dem Kon-

sumraum Pionierarbeit geleistet.

Vor zehn Jahren ging er als einer der

Ersten in NRW an den Start. Seitdem

wurden hier viele Leben gerettet

und Drogensüchtige in weiterfüh-

rende Beratung oder Behandlung

vermittelt.“ Die Stadt Dortmund

stellt ab sofort 300.000 Euro jähr-

lich zur Verfügung und ermöglicht

es damit, die Öffnungszeiten der

gesamten Einrichtung um 15 Stun-

den in der Woche zu erweitern.

Page 19: bodo Juli 2012

19

ANZEIGE

Page 20: bodo Juli 2012

20 LESE

BUEHNE

Alles, was Spätzünderin Marina über men-

schliches Verhalten und Sexualität weiß,

kennt sie aus den Tierdokumentationen von

Sir David Attenborough („Attenberg“). Ihre

einzige Bezugsperson, abgesehen von ihrem

krebskranken Vater, ist ihre Freundin Bella.

Bella bemüht sich, Marina aufzuklären, und

weiht sie in ihre eigenen Erfahrungen und

Phantasien ein. Während Marinas Interesse

am Zwischenmenschlichen langsam erwacht,

geht das Leben ihres Vaters zu Ende. Ihre

letzten Gespräche mit ihm werfen noch mehr

Fragen auf. Und erst als ein Fremder in die

Stadt kommt, beginnt Marina die Mysterien

der menschlichen Fauna auf eigene Faust zu

untersuchen.

In den letzten Jahren taucht Griechenland

hauptsächlich durch die Wirtschaftskrise

in den Schlagzeilen Europas auf. Dennoch:

Gerade in dieser Zeit entstanden einige der

innovativsten griechischen Filme der letz-

ten Jahre.

Attenberg verschmilzt geschickt Anthropo-

logie mit griechischer Industrie-Tristesse

und einem Soundtrack zwischen No-Wave

und französischem Chanson. Regisseurin

Athina Rachel Tsangari zeigt eine junge

Frau, die die Regeln und Absurditäten des

Lebens mit der Neugier eines Kindes erkun-

det, und entwirft dabei das Bild einer ab-

strakten Spezies Mensch.

Fr. 27.07 bis Mi. 01.08. um 21 Uhr

(außer Sonntag, 29.07.)

Endstation Kino im Bahnhof Langendreer

Wallbaumweg 108, 44894 Bochum

Telefon 0234 – 68 71 620

www.endstation-kino.de

endstation.kino & bodo präsentieren:Attenberg

20 KINOTIPP | von endstation.kino

Ich weiß noch, als wir freier waren

Mit 15 und mit bunten Haaren

Dem großen Ganzen widersprachen

Flaschen am System zerbrachen

Und in Splittern barfuß tanzten

Uns in Punkrocktapes verschanzten

Weil wir gerne sehen wollten

Wie Autoritäten grollten

Ungebunden Frohnaturen

Zweifelsohne Scheißfrisuren

Anders ist heut nicht nur das

Wieder sind es 15 Jahre

30 sind wir – wisst ihr was?

Keiner hat noch bunte Haare!

Punkrock hört der eine schon noch

Liegend in der Couch beim Kiffen

Mit nem Blick wie das Ozonloch

Hackt sich mit gekonnten Griffen

Sein Gras klein und sich noch kleiner

Sein Gesetz ist fest wie Schrauben

„Ohne Arbeit lebt‘s sich feiner“

Sagt‘s und kann schon fast dran

glauben

Ein Zweiter trimmt die Rasenfläche

Vor halbiertem Doppelhause

Auch er eine gewisse Schwäche

Für Ferien und Mittagspause

Wandelnde Verlustanzeige

Keine Lava mehr im Krater

Alles Schräge geht zur Neige

Und wird grade, wie beim Vater

LESEBÜHNE | von Sebastian 23 | Foto: Christoph Neumann

Vom Papier vors Mikrofon aufs Papier. In unserer Kolumne präsentieren

wir Texte der lebendigen Poetry-Slam- und Lesebühnenszene der Region.

Diesmal: Sebastian 23.

INFO

Sebastian 23 ist Kabarettist, Liedermacher und einer der be-

kanntesten Poetry Slammer Deutschlands. 2008 gewann er

bei den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in

Zürich den Einzelwettbewerb.

Bunte HaareDer Dritte ist jetzt Öko-Ritter

Kettet sich auch mal an Eichen

Hört nur noch nicht das Gewitter

Ist ja grade selbst ein Zeichen

Kennt genau das Gut und Böse

Tofu, TAZ und Grüngenießer

Vom Rebell blieb nur Getöse

Unter Dreadlocks lebt ein Spießer

Der Vierte hört sich selbst gern reden

Davon, was man machen müsste

Webt die Worte so wie Fäden

Von den Bergen bis zur Küste

Widerspricht dem großen Ganzen

Und Autoritäten loben

Sein In-Scherben-Tanzen

Was hat sich denn da verschoben?

Wann sind wir denn steh‘n geblieben?

Wieso sind da plötzlich Wände?

Ist das Buch denn schon geschrieben?

Warten wir nur auf das Ende?

Wieso sind wir ohne Zweifel?

Scheiße, was ist nur passiert?

Sind wir stubenreine Teufel?

Wer hat uns so gut frisiert?

Page 21: bodo Juli 2012

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21

Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:

[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:

bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund

Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner

werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.

Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.07.2012

19.07. | Jazzkantine | Strobels, Dortmund | 3 x 2 Karten

20.07. | Nightwash Comedy Special | Spiegelzelt am U, Dortmund | 3 x 2 Karten

26.07. | Molotov | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten

28.07. | Michael Steinke | Zauberkasten, Bochum | 3 x 2 Karten

28.07. | Juicy Beats | Westfalenpark, Dortmund | 3 x 2 Karten

27.07. – 01.08. | Attenberg | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten

Deutschland ohne Ausländer. Ein Szenario. | Pitt von Bebenburg, Matthias Thieme | 2 Exemplare

Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!

Juicy Beats 17Die fruchtigste Versuchung seit es Open-Air-Festivals gibt

mit Casper, Modeselektor, Shantel & Bucovina Club, Get Well Soon, DJ Koze, Analogik, Kakkmaddafakka, Prinz Pi,

Electro Ferris, Nosliw, Egotronic, Ante Perry, DJ Larse u.v.m.

Samstag 28.7. ab 12 UhrWestfalenpark Dortmund

bodo verlost 3 x 2 Karten

VERANSTALTUNGEN JULI 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS | zusammengestellt von Benedikt von Randow

Page 22: bodo Juli 2012

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DI 03 | 07 | 12

Musik | Ma Valise

Aus Clisson/Frankreich, dem Weinanbaugebiet südlich

von Nantes, kommen Ma Valise. Der Name der Band, auf

Deutsch „Mein Koffer“, spiegelt nicht nur die Reiselust

der Gruppe wider, sondern schlägt sich auch in ihrem

einzigartigen Musikstil nieder. Spielerisch fusionieren

Ma Valise Balkan, Afro, Dub, Chanson, Ska und Reggae

zu einer wilden Melange. Sie bringen ein irrwitziges

Tempo im Wechsel mit entspannten Rhythmen zu fran-

zösisch, englisch, rumänisch, creolisch und spanisch

gesungenen Texten auf die Bühne. Die Sprachen wer-

den ebenso durcheinander gewirbelt wie ihre auch un-

tereinander im Wechsel gespielten Instrumente. Ihre

Texte hinterfragen kritisch die gesellschaftlichen Ver-

hältnisse und zeugen von der Solidarität mit Flücht-

lingen, desillusionierten und ausgebeuteten Arbeitern

und anderen Verlierern einer globalisierten Welt. Trotz

der ernsten Themen bewahren Ma Valise Humor und

stecken mit ihrer tanzbaren Musik ihr Publikum an.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

Salongeschichten | Treff für ältere Menschen

Von der mittelalterlichen Truhe bis zum Design-Klassi-

ker: Möbelkunst aus 600 Jahren. Das Museum für Kunst

und Kulturgeschichte beherbergt eine große Anzahl von

Möbelstücken aus verschiedensten Epochen – alt und

neu. Anhand von ausgewählten Exponaten erhalten die

Besucher einen Überblick über die in der Schausammlung

ausgestellten Möbel und Möbel-Ensembles. Ausgehend

von kunstvoll gefertigten, spätmittelalterlichen Holz-

truhen über prachtvoll verzierte Kabinettschränke des

Barock oder ganzen Möbel-Ensembles aus dem Empire,

Biedermeier oder Jugendstil, schlägt die Veranstaltung

eine zeitliche Brücke bis hin zum modernen, mit Werk-

stoffen wie Glas, Stahl oder Kunststoff experimentieren-

dem Design des 20. Jahrhunderts.

Museum für Kunst und Kulturgeschichte, DO, 14.30 Uhr

MI 04 | 07 | 12

Mischmasch | Independence Day – 4th of July Party

Austauschprogramme für Schüler und Studenten sind die

Gelegenheit, sich besser kennenzulernen und zu verste-

hen. Die Dortmunder Fakultät und die Deutsch-Amerika-

nische Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft wollen

jungen Menschen aus beiden Ländern zwanglos Gelegen-

heit geben, ihre Erfahrungen auszutauschen. Eingeladen

sind auch alle, die sich für einen Austausch und die USA

interessieren. Am „Independence Day“, dem amerikani-

schen Unabhängigkeitstag, findet die gemeinsame „4th

of July Party“ statt: ab 20 Uhr im Daddy Blatzheim und

rundum auf der See-Terrasse am Barbecue mit Burger,

Spare Rib, Chicken Wings. Gerald Baars, der ehrenamt-

liche Leiter der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft,

und Walter Grünzweig, Professor für Amerikanistik an der

TU, werden mit den Austauschstudierenden über ihre Er-

fahrungen und die eigenen „talken“. Anschließend sor-

gen „Bombergirl and The Mechanic“ aus Hell‘s Kitchen,

New York City und der gebürtige Amerikaner und 1Live

DJ Mike Litt, für Party-Stimmung.

Daddy Blatzheim im Westfalenpark, Dortmund, ab 20 Uhr

Musik | Fangesänge

Fußball ist das Sportereignis weltweit. Doch was wäre

der Fußball ohne seine Fans und deren Gesänge? Sie

erst geben dem Fußball jene emotionale Dimension,

die über das Stadion hinaus eine globale Gemeinschaft

der Fußballbegeisterten schafft. Dieser Begeisterung

01 – 31 | 07 | 12 Borussia Commondale

22 VERANSTALTUNGEN JULI 2012

04 | 07 | 12 Independence Day – 4th of July Party

SO 01 | 07 | 12

Theater | Vor Sonnenaufgang

Alfred Loth, der wegen politischer Agitation für

zwei Jahre ins Gefängnis musste, trifft nach sei-

ner Entlassung auf seinen alten Kommilitonen

Hoffmann und dessen Schwägerin Helene Krause.

Hoffmann ist durch eine geschickte Heirat und den

Abbau von Kohle zu großem Reichtum gekommen. Dafür

nimmt er auch die Ausbeutung der Bergarbeiter in Kauf.

Doch Helene ist von Loths Idealen und seinem Einsatz

für gerechte Arbeitsbedingungen fasziniert. Haupt-

manns eindrückliches und berührendes Sozialdrama aus

dem Jahr 1889 inszeniert von Intendant Anselm Weber.

Schauspielhaus, Bochum, 17 Uhr

SO 01 | 07 – DI 31 | 07 | 12

Ausstellung | Borussia Commondale

Wie sehr Fußball Menschen verbinden und Freude berei-

ten kann, weiß man in einer Stadt wie Dortmund ganz

besonders zu schätzen. Um dieses Lebensgefühl in die

Welt zu tragen, engagiert sich der Dortmunder Förder-

verein Borussia Commondale e.V. in der südafrikanischen

Provinz Mpumalanga und bringt dort mit der Freude an

dem beliebten Ballsport junge Menschen zusammen. Mit

der Ausstellung „Borussia Commondale. Miteinander ler-

nen und gewinnen – Ein perfekter Doppelpass“, gibt der

Verein nun Einblicke in seine Arbeit. Gezeigt werden die

Stationen einer ungewöhnlichen Bildungsreise von vier

Vereinsmitgliedern, die der Fotograf Falko Husman mit

Foto- und Videokamera begleitet hat. Der Förderverein

Borussia Commondale zählt derzeit 89 Mitglieder. Durch

Spendenaktionen konnte er bereits mehrere hundert

Fußballschuhe und Sportbekleidung in die Region schi-

cken. Ebenfalls bildet der Verein mit Hilfe des Südafri-

kanischen Fußballverbandes Trainer für das Projekt aus.

Ziel ist es, mindestens eine Mannschaft am regulären af-

rikanischen Spielbetrieb teilnehmen lassen zu können.

Weitere Projektphasen sehen einen Arbeitseinsatz von

Dortmunder Fußballfans in Mpumalanga vor, um unter

anderem den Bau eines Fußballplatzes zu realisieren. Die

Ausstellung kann zu den regulären Öffnungszeiten des

Museums besucht werden. (www.mondomio.de)

mondo mio! – Kindermuseum im Westfalenpark, DO

JOE JACKSON | The Duke (earMusic / Edel)

„Ich verehre den Duke, aber ich wollte kein ehrfürchtiges Album machen“, sagt Joe Jackson über sein Tribute-Album an

die Jazzlegende Duke Ellington. Und so ist seine Verbeugung vor dem Meister des Big-Band-Jazz auch wirklich speziell

geworden. Mutig verzichtet Jackson vollständig auf Bläser und transportiert Ellingtons Songs in sein eigenes musika-

lisches Universum; man könnte auch sagen, er dreht sie durch seinen ganz eigenen musikalischen Fleischwolf. Dabei

fusioniert er unbekümmert, aber jederzeit wohlbedacht im Stile eines klassischen Arrangeurs eine unglaubliche Vielfalt

der Musikstile. Unterstützt wird er u.a. von dem einzig wahren Iggy Pop, Guitar-Hero Stevie Vai, Funk-Diva Sharon

Jones, der iranischen Sängerin Sussan Deyhim, Lilian Vieira vom brasilianisch-niederländischen Brazilectro-Kollektiv

Zuco 103 und Band-Mitgliedern von The Roots. Herausgekommen ist ein außergewöhnliches Tribute-Album, das eine

große Vielfalt an Eindrücken hinterlässt und sich garantiert nicht schon nach ein- bis zweimaligem Hören komplett

erschließt. Auch definitiv keine Musik für mal so nebenher als „Hintergrundgeräusch“. Aber großartige Musik, serviert

von echten Könnern und das auch noch auf Basis von Kompositionen eines der ganz Großen der Musik. Wer sich nicht

mit dreiminütigen Pop-Nummern in seinem Leben zufrieden gibt, wird hier dran seine wahre Freude haben. (BvR)

CD-TIPP

Page 23: bodo Juli 2012

23

will das Projekt Fangesänge nachspüren und im „Kraft-

werk der Gefühle“, der Oper, Werke zur Aufführung

bringen, die oftmals hohe Kunst, wenngleich im Ka-

non der Hochkunst nicht zu finden sind. Fangesänge

aus vielen Ländern und von allen Kontinenten verei-

nen sich zu einem Oratorium der Leidenschaften, das

das Faszinosum Fußball als soziales, kulturelles und

politisches Ereignis erfahrbar macht.

Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr (auch 08.07., 18 Uhr)

Musik | Nordland

Schönheit und Reiz der nordischen Länder finden ihren

Ausdruck in der Musik des berühmtesten Komponisten

Norwegens: Edvard Grieg (1843-1907). Er verstand es,

in seinen Kompositionen die norwegische Kultur und

Volksmusik zu verarbeiten. Bereits zu seinen Lebzeiten

fand seine Musik große Anerkennung. Im Planetarium

Bochum erlebt man mit Griegs Musik den Norden mit

seinen eindrucksvollen Naturschönheiten. Zuweilen wird

die Landschaft in farbenprächtige Nordlichter getaucht.

Wie bunte wehende Vorhänge tanzen diese Lichter dann

über den Himmel. Die Schönheit der Landschaft spiegelt

sich in den kosmischen Wundern wider, die der Nacht-

himmel zu bieten hat: ferne Galaxien oder Nebel in den

verschiedensten Formen und Farben.

Planetarium, Bochum, 19.30 Uhr (auch 21.07.)

DO 05 | 07 – SO 08 | 07 | 12

Festival | Bochum Total

Was dem Dortmunder sein Juicy Beats und dem Bonner

seine Rheinkultur (leider in diesem Jahr abgesagt!), ist

dem Bochumer sein Bochum Total. Vom 5. bis 8. Juli

2012 wird sich die Bochumer Innenstadt wieder in ein

fettes Festivalgelände verwandeln. Und auch diesmal

heißt es bei der 27. Auflage des Musikfestivals: vier Tage

volles Programm, mehr als 60 Bands und Künstler vom

regionalen Newcomer bis zum Top-Act, vier Bühnen und

das alles bei freiem Eintritt. Bis jetzt sind unter anderem

folgende Bands bestätigt: Max Prosa, Glasperlenspiel,

H-Blockx, Montreal, Thomas Godoj, Phrasenmäher, Frit-

tenbude, Stereolove, Letzte Instanz, Pamela Falcon, Max

Buskohl, Artig, Mambo Kurt, La Papa Verde, Plan B, Fiva,

Benzin und Susanne Blech. Mehr zum kompletten Pro-

gramm ständig aktualisiert unter www.bochum-total.de.

Innenstadt, Bochum

DO 05 | 07 | 12

Musik | Cerebral Ballzy

Viele denken, New Yorks ehemaliger Bürgermeister Rudy

Giuliani hätte die Kriminalität in New York City besiegt.

Hat er aber nicht – er hat sie lediglich verlagert. Aus den

Augen, aus dem Sinn. Wenn man aber die Statistiken ge-

nau liest, gibt es immer noch einen Mord pro Tag im Big

Apple, jedoch finden diese in East New York statt, wo alle

Kriminellen, die früher am Times Square abhingen, jetzt

wohnen. In der Mitte dieses fauligen Teils der Stadt hat

sich eine Bande von jugendlichen Punks unter dem Na-

men Cerebral Ballzy zusammengefunden, um eine Band

zu starten, die genauso klingt wie ihre Umgebung. Beses-

sen von Skaten, Pizza, Bier und Beavis & Butthead, sind

sie keine College-Kids, die denken, „Die Slums haben so

viel Soul“. Cerebral Ballzy sind geboren und aufgewach-

sen im „Arschloch von New York“. Doch statt darüber zu

Jammern, schreien sie sich durch ein intensives Durchei-

nander aus 80er-Hardcore und Punkrock.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

Mischmasch | Mord im Museum

In Dortmund findet zurzeit (noch bis zum 05.08.) eine in-

teraktive Ausstellung zur Kriminaltechnik statt. Der Muse-

umsdirektor wurde ermordet in seinem Büro aufgefunden.

Das DASA-Publikum geht auf Spurensuche und taucht ein

in die Welt der Kriminaltechnik. In verschiedenen Labora-

torien gilt es, wasserdichte Fakten zu analysieren, bis der

Mörder der Justiz übergeben werden kann. Die Ausstel-

lung zeigt die ausgeklügelten Techniken der Ermittler und

macht naturwissenschaftliche Methoden aus der Chemie,

Biologie oder Physik anschaulich. „Mord im Museum“ ist

eine überraschende, lehrreiche und interaktive Schau,

die den Spürsinn der DASA-Besucher auf eine harte Pro-

be stellt. Am 05.07. finden dort von 9.30 bis 12.15 Uhr

unter dem Titel „Von Beruf: Rechtsmediziner trifft Krimi-

Autorin“ Berufsinformationsgespräche für Schülerinnen

und Schüler statt. Und um 18 Uhr lädt die Kriminalpolizei

Dortmund zum Workshop „Helfen oder wegschauen?“

DASA, Dortmund

Mischmasch | ErsterWerktagDonnerstag

Zahlreiche Ateliers, Werkstätten und Büros sind am ers-

ten Donnerstag eines Monats im Zeitraum von 17 bis 20

Uhr geöffnet. Die Besucher dürfen hinter die Türen und

Kulissen von Kunst und Handwerk blicken und die Viel-

falt des Depots in der ehemaligen Straßenbahnhaupt-

werkstatt erleben, Neues entdecken und auch die eine

oder andere Frage an die „Macher“ stellen.

Depot, Dortmund, ab 17 Uhr

FR 06 | 07 | 12

Kleinkunst | Geierabend Open Air

Geiern bis zum Abwinken! An diesem Wochenende

schlägt das Comedy Open Air des Geierabends mit

05 – 08 | 07 | 12 Bochum Total 05 | 07 | 12 Mord im Museum05 | 07 | 12 Cerebral Ballzy

einer vollen Breitseite aus Kabarett, Satire und Kla-

mauk in bester Ruhrpott-Tradition im Biergarten von

Tante Amanda in Dortmund-Westerfilde auf. Für das

zweistündige Sommerprogramm bringen die Geier ne-

ben vielen Klassikern und den Lieblings-Nummern der

vergangenen Session auch einige brandneue Sketche

auf die Freiluft-Bühne: So geben die schrägen Brüder

„Wemser und Missgeburt“ ebenso wie die Vorort-Komi-

ker „Siegfried und Roy“ einen Vorgeschmack auf ihre

kommenden Programme. Zudem sorgt die schrullige

Schönheitskönigin Miss Annen als Wutbürgerin für

Aufruhr im idyllischen Biergarten. Als Special Guest

ist Neueinkauf Benedikt Hahn beim Open Air mit da-

bei, und nach dem Double des BVB dürfen selbstver-

ständlich die „Zwei vonne Südtribüne“ nicht fehlen.

Mit ihrem Kult-Song „Boh ey Borussia“ schafften es

die bierseligen Fußballphilosophen jüngst zu unver-

hofftem Ruhm. BVB-Spieler Kevin Großkreuz verkün-

dete in einem Interview: „Dieses Fanlied machte uns

zum Meister.“ Nach den Vorstellungen am Freitag und

Samstag wird wieder bis in die Nacht weiter gefeiert.

Gemeinsam mit Bassist Milla Kapolke von Grobschnitt

heizen die Geier ihrem Publikum mit einer großen

Rock‘n‘Roll Live-Show ein.

Tante Amanda, Dortmund, 19 Uhr (auch 07. & 08.07.)

Theater | Die Räuber

Sie sind ungleiche Brüder. Karl hat im Kampf um

Freiheit eine Räuberbande um sich gescharrt und

verbreitet raubend und mordend Angst und Schre-

cken. Franz hat derweil eine Intrige gegen seinen

Bruder gesponnen, durch die er sich des erbbe-

rechtigten Erstgeborenen entledigen will und auch

seines Vaters. Und dann müht er sich um die Gunst

von Karls Verlobter. Karl sinnt auf Rache und opfert

dafür seine letzten Freiheitsideale. Schillers erstes

Drama inszeniert von Jan Klata, der aus Polen nach

Bochum kommt, um nach „Amerika“ zum zweiten Mal

am Schauspielhaus zu arbeiten.

Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr

Party | Plöpp

Passend zum Bochum Total Festival serviert Heinz

Plöpp am 6. Juli Musik zum Feiern, Wundern und Trin-

ken, wie immer mit gewollten Unwägbarkeiten und

ohne musikalische Schubladen. Das bekannte Ebstein

im 70er-Flohmarkt-Charme bietet hier ein weiteres Mal

die perfekte Verpackung und bewegt sich mit kleiner

Tanzfläche auf der Grenze zwischen Club, Lounge und

Kneipe. Der Tanzfaktor steht im Vordergrund, das Zu-

sammensein, das Zusammenfeiern.

Ebstein, Bochum, 22 Uhr

Page 24: bodo Juli 2012

24

SA 07 | 07 | 12

DJ Picknick | Manuel Tur, Ingo Sänger & Carsten Helmich

Auch in diesem Sommer sorgen die Summersounds

DJ-Picknicks umsonst & draußen mit HipHop, Nu-

Jazz, House und Electronic Beats für Partystimmung

in den Dortmunder Parks. Auftakt ist am 7. Juli im

Westpark. Die Deep House Spezialisten Manuel Tur,

Ingo Sänger und Carsten Helmich sorgen für den richti-

gen Groove zum entspannten Sommertag.

Westpark, Dortmund, 14 – 22 Uhr

Musik | 12 Jahre Sissikingkong

Das Sissikingkong wird zwölf. Das muss feste gefeiert

werden. Tommy Cortéz ist eine One-Man-Rock'n'Roll-

Show. Echter Rock'n'Roll aus der Zeit, als Pettycoats

und stark pomadisierte Köpfe noch das Straßenbild

prägten. Eine musikalische Zeitreise in die Ära der

stampfenden Rhythmen, eingängigen Akkorde und

schmalzigen Texte der 50er und 60er. Radioaisle, die

zweite One-Man-Band des Abends, aber ganz anders.

1 Mann, 1 Gitarre, 2 Mikrofone, 3 Verstärker und eine

große Anzahl Effektgeräte. Sisterkingkong, die rich-

tige, die große Band des Abends. Die Musik der fünf

Dortmunder steht für unverkrampftes Singer/Songwri-

tertum, ebenso einfach wie schön, mit der richtigen

Dosis Pathos. Und zum Abschluss La Boum, die Ach-

terbahnfahrt durch zehn Jahrzehnte Musikgeschichte.

Hinter den Plattentellern: das Timmi Twister DJ-Duo.

Der Eintritt ist frei.

Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

Theater | Zapping!

Wenn man zu Hause am Fernseher die Möglichkeit hat-

te umzuschalten, sobald man etwas nicht mehr sehen

möchte, hatte man am Theater bisher nur zwei Mög-

lichkeiten: einschlafen oder den Saal verlassen. Das

Ensemble der Studiobühne wird nun in diesem den

Versuch unternehmen, die Möglichkeit des Zappings in

das Theater im Musischen Zentrum der Ruhr Universität

Bochum zu integrieren. Der Zuschauer wird die Mög-

lichkeit erhalten, zwischen mehreren Stücken hin- und

herzuschalten, wodurch jeden Abend etwas Neues ent-

stehen wird. Der Eintritt ist frei.

Ruhr-Uni, Bochum, 19.30 Uhr

Tanztheater | Dortmund tanzt!

Dortmund. Eine Stadt in Bewegung. Schwerpunkte ver-

lagern, Blickwinkel verschieben sich. Von Tag zu Tag ver-

ändert sich der urbane Raum. Was macht eine Stadt aus?

Was hält sie am Leben? Welchen Beitrag leisten Kultur

und Wirtschaft gemeinsam für die Qualität eines Lebens-

raumes? In enger Zusammenarbeit zwischen dem Ballett

Dortmund und DSW21 entstand Xin Peng Wangs tänzeri-

sche Hommage an die Westfalen-Metropole und ihre Be-

wohner. Tanzkunst tritt in Dialog mit der Mobilität einer

im Wandel begriffenen Gesellschaft. Der Eintritt ist frei.

Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

SO 08 | 07 | 12

Theater | Cyrano de Bergerac

Cyrano de Bergerac lebte von 1619 bis 1655. In seinen

Schriften reiste er zur Sonne und zum Mond und wusste

genau, dass der Mond eine Welt unter vielen ist, so wie

die Erde, die sich bewegt und um die Sonne kreist. Das

war vermessen und mutig in einer Zeit, in der Galileo wi-

derrufen musste und die Scheiterhaufen noch schwelten.

Keine Regel respektierte er und kein Gesetz, am wenigs-

ten das der Kirche. Wen wundert es, dass dieses heiße

Herz sich mit allen anlegte und aller Wahrscheinlichkeit

nach einem Anschlag zum Opfer fiel. Seine Schriften ver-

schwanden und wir wissen nicht viel mehr über ihn als

das, was Edmond Rostand in seinem Stück 1897 über ihn

verewigt hat. Ob es Roxanne wirklich gab, das wissen wir

nicht, aber wir glauben ganz sicher an die Reinheit und

Tiefe seiner Liebe zu ihr, die er verschwieg ein Leben

lang. Und noch eines wissen wir: Er hatte eine große

Nase. Armin Rohde spielt den Cyrano de Bergerac in der

Regie von Katharina Thalbach.

Schauspielhaus, Bochum, 17 Uhr

24 VERANSTALTUNGEN JULI 2012

06 | 07 | 12 Die Räuber 08 | 07 | 12 Cyrano de Bergerac

DI 10 | 07 | 12

Musik | Rudelsingen

David Rauterberg und Matthias Schneider präsentie-

ren die schönsten Lieder zum Mitsingen aus den Be-

reichen Schlager, Evergreens, Pop und Rock. Bei dem

rund zweistündigen Programm strahlt ein Beamer die

Verse an die Leinwand, Matthias Schneider begleitet

die Sänger am Klavier und David Rauterberg geleitet

mit Charme und Witz von Lied zu Lied – für jeden ist

etwas dabei, und das Publikum darf aus vollem Hals

loslegen. „Singen macht doch am meisten Spaß, wenn

man laut singen darf und dann noch mit vielen ande-

ren zusammen!“, erklärt David Rauterberg. Er war es

nach seinen Worten „satt, immer alleine in der Bade-

wanne zu singen“.

Werkstadt, Witten, 19 Uhr

MI 11 | 07 | 12

Musik | New York Nights

Seit mehr als zehn Jahren lädt Pamela Falcon jeden

Mittwoch zu den „New York Nights“ ins Riff. Zusam-

men mit ihrer Band „The Good Vibrations“ performed

die gebürtige New Yorkerin jede Woche die musika-

lischen Highlights – nicht nur der letzten 30 Jahre,

sondern auch aktuelle Chartthemen. Angefangen

bei kernigen Rocksongs bis hin zu Pop, Soul, funky

Grooves. Bob Marley sagte über Pamela Falcon „I hear

an angel“. Grad beim ersten Acoustic Set ab 21 zeigt

Pamela Falcon, wie gut sie als Sängerin ist. Früh da

sein lohnt sich also, nicht nur wegen des kostenlosen

Buffets. Anschließend gibt es dann noch die passen-

den Grooves von DJ Patty.

Riff, Bochum, 20 Uhr

MO‘ HORIZONS | Coming Home (Stereo Deluxe / Warner)

„Wir mögen diese Art persönliches Mixtape sehr. Es ging uns nicht darum, besonders hippe und coole Tracks

zu suchen, sondern auch darum, unsere eigene Geschichte in eine neue musikalische Perspektive zu stellen“,

sagen Ralf Droesemeyer und Mark Wetzler aka Mo‘ Horizons zu ihrem „Spezialauftrag“ für die „Coming Home“

Reihe. Mit einer ungeheuren Leichtigkeit und einem hohen Maß an Groove verbindet das DJ- und Produzenten-

Duo aus „Bosshannover“ seit mehr als zehn Jahren die Welten südamerikanischer Musik und Rhythmen mit eu-

ropäischem Club‘n‘Lounge-Gespür. „Come touch the Sun“ war 1999 ein echter Trendsetzer und ist ein absolutes

All-Zeit-Meisterwerk des weltumspannenden Grooves mit ganz viel positiven Vibes. Ihre darauf folgenden Alben

konnten einen dann zwar nicht mehr so flashen wie das Debüt – was aber nicht ungewöhnlich ist nach einer

so Trend setzenden Platte – waren aber alle amtlich. Ihr nun vorliegendes Mixtape „Zum Nachhausekommen“

ist nun aber wieder wirklich großartig gelungen. Eine zeitlose Mischung aus Soul, Cool Jazz, Bossa Nova, Deep

Funk, Afro, Reggae, World-Beats, mit Tracks, die einem meist völlig unbekannt sind und dennoch angenehm

vertraut klingen. Diese Scheibe ist schon jetzt ein Dauerbrenner in meinen Musikabspielgeräten. (BvR)

CD-TIPP

Page 25: bodo Juli 2012

25

11 | 07 | 12 New York Nights 14 | 07 | 12 DJ Picknick: The Digtionaries14 | 07 | 12 Funkhaus Europa Odyssee: Raggabund

DO 12 | 07 | 12

Festival | Kulturtage des Hochkonsums

Zum ersten Mal finden die Kulturtage des Hochkonsums

statt. Alles rund um die Konsumgesellschaft wird ver-

wurstet und auf die Bühnen, Leinwände und Tanzflächen

gebracht. Hier gibt es ein voll gepacktes Programm mit

einer Theater-Performance der Konsumisten, einem Open

Air Poetry Slam, einem Konzert der Condit.or.ei und

Adama. Außerdem die Tour de Vinyl und wem das nicht

reicht, der zappelt bei der „Ich tanze, also bin ich“-Party

noch mal so richtig ab. Bei diesem Festival wird an der

Kassendame gespart: Der Eintritt ist immer frei. Aus-

führliche Infos zum Festival gibt es unter:

www.treff-werkstadt.com/programm/special-events/.

Werkstadt, Witten, 19 Uhr (auch 13., 14.07., ab 19 Uhr)

SA 14 | 07 | 12

Musik | Funkhaus Europa Odyssee: Raggabund

On the Road an der Ruhr! Die Funkhaus Europa Odyssee

geht wieder mit brandaktuellen Global Sounds umsonst

& draußen auf die Piste. Den Anfang macht in diesem

Jahr Raggabund: Ihr Sound, ihre Texte und ihre Beats

fahren in Kopf und Beine: Paco Mendoza und Don Cara-

melo aka Raggabund sind die Könige des Reggae, Dance-

hall und Latin HipHop. Und dann nehmen die Brüder in

ihren geschliffenen Texten noch die Formatradios aufs

Korn, preisen die Señoritas und rütteln die Konsumge-

sellschaft aus ihrer Lethargie – auf Deutsch, Spanisch

und Französisch. Support: Jean Felix, der Singer/Song-

writer, der früher mal bereits auf Tour mit Patrice war.

Freilichtbühne, Wattenscheid, 19.30 Uhr

DJ Picknick | The Digtionaries & Max Gyver

Jede Menge Beats, Breaks und Scratches bringen die

Summersounds DJ-Picknicks umsonst & draußen auf

die Tremonia Wiese. Wenn Ex-RAG-Member und Ruhr-

pott-MC-Legende Aphroe & DJ Cut Stewen aka The Dig-

tionaries gemeinsam hinter den Plattentellern stehen,

dann ist von Old School Breaks bis NuFunk nahezu alles

möglich – Hauptsache, die Bassline hat den richtigen

Groove. Nicht anders sieht das „Beat me up“-Partyini-

tiator Max Gyver, der in Sachen fetter Beats derzeit zu

den eifrigsten Partyaktivisten der Region zählt.

Tremonia Wiese, Dortmund, 14 – 22 Uhr

MO 16 | 07 | 12

Musik | Nada Surf unplugged

Mit bisher sechs Studioalben und einem Hit („Popu-

lar“), den so ziemlich jeder mitsingen kann, der Mitte

der Neunziger regelmäßig in die Indiedisco gegangen

ist, sind Nada Surf eine Institution in Sachen Indie Pop.

Seit bald 20 Jahren begeistert das New Yorker Trio mit

einfachen, melancholischen Melodien eingebettet in

großartige Popsongs. Nun kommen Matthew Caws (Ge-

sang, Gitarre), Daniel Lorca (Bass, Gesang) und Ira Elliot

(Schlagzeug, Gesang) für vier „Special Acoustic Perfor-

mances“ zurück nach Deutschland.

FZW, Dortmund, 21 Uhr

DO 19 | 07 | 12

VERLOSUNG | Jazzkantine

Das Projekt Jazzkantine rund um den Bassisten und Pro-

duzenten Christian Eitner ist seit den 90ern bekannt für

interessante Crossover-Pro-

jekte von HipHop meets Jazz

mit deutschen Texten bis

hin zu swingenden Rockklas-

sikern („Hell‘s Kitchen“). Ihr

unverwechselbarer Sound

animiert immer wieder die unterschiedlichsten Musiker

zur Mitarbeit: Götz Alsmann, Till Brönner, Joo Kraus,

Bill Evans, Gunter Hampel, Wu-Tang-Clan, Smudo, Edo

Zanki oder Xavier Naidoo sind schon mit der Jazzkan-

tine aufgetreten oder haben für sie Titel geschrieben.

Nun haben sich die Köche der Jazzkantine auf eine For-

schungsreise ins Innere der deutschen Seele begeben,

zu den Ursprüngen von Gesang und Gemüt: Sie erkunden

unser aller Heimat und sie erforschen dabei die Wurzeln

populärer Musik im Volkslied.

Strobels, Dortmund, 19 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

FR 20 | 07 | 12

Mischmasch | Zoo bei Nacht: Geführter Abendspaziergang

Wer den Zoo und seine Bewohner in einer besonderen At-

mosphäre kennenlernen möchte, den lädt der Zoo Dort-

mund zu einem geführten Abendspaziergang ein. Denn

dabei kann man viel erleben: Zum Beispiel die vielen

nachtaktiven Tiere, die den Tag verschlafen haben und

sich erst in der Abenddämmerung zeigen. Außerdem gibt

es jede Menge Informationen über die Tierwelt und die

Arbeit im Zoo Dortmund.

Zoo Dortmund, Dortmund, 21 Uhr

Kabarett | Özgür Cebe

Ethno-Pop, ein interaktiver Crashkurs „Türkisch für Deut-

sche“ und Comedy mit Hang zum Kabarett, Talent als

Shakespeare-Rezitator, der Hamlet „live rüberbringt“:

Das und noch viel mehr präsentiert Özgür Cebe in seinem

Programm „Shöw mit Ö“. Ob als nahezu perfekt sächseln-

der Englischlehrer „I see black for you“, mit seinem ganz

persönlichen Casting-Format „Deutschland sucht den

Supertürken“, als Kaufhausdetektiv, der von Erlebnissen

mit dem Russlandaussiedler „Wladimir“ berichtet, als

feinsinniger Dichter oder durch seine Verurteilung von

jedweder Art von Fanatismus und Rassismus: Cebe nimmt

kein Blatt vor den Mund und bedient fast jedes Klischee.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

VERLOSUNG | Nightwash Comedy Special

Was als Geheimtipp in einem Kölner Waschsalon begann,

begeistert inzwischen immer mehr Menschen in der gan-

zen Republik. Moderator Knacki Deuser und seine „Band

Alex Flucht“ präsentieren

Lisa Feller, Jens Heinrich

Claassen und Frank Fischer.

Mutmachlieder: So nennt

Jens Heinrich Claassen seine

Stücke, die er gekonnt am

Klavier vorträgt. In Lisa Fellers neuem Programm dreht

sich alles rund um ihre Familie, um die Schwangerschaft,

Kinder und Ehemänner. Im neuen Programm von Frank

Fischer bekommt man es mit der Angst zu tun. Denn es

gibt über 600 anerkannte Phobien – Zeit also für ein

Programm zu diesem Thema. Die Veranstaltung läuft im

Rahmen von RuhrHochdeutsch im Spiegelzelt am Dort-

munder U. Einen Überblick über das gesamte Programm

erhält man unter: www.ruhrhochdeutsch.de.

Spiegelzelt am U, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

SA 21 | 07 | 12

Musik | Funkhaus Europa Odyssee: Grupo Fantasma

On the Road an der Ruhr, umsonst & draußen, Teil

zwei: Die Grupo Fantasma: Welche Musik bringt man

mit Austin, Texas in Verbindung? Country? Texmex?

Blues? Grupo Fantasma geben ein wenig Nachhilfeun-

terricht: Ihr Markenzeichen ist ein stilistischer He-

xenkessel, der es in sich hat: Funk, Mambo, Merengue

und Cumbia schwimmen lebhaft darin, gespickt mit

herzhaft zupackenden Rocksequenzen. Für ihr letztes

Album „El Existential“ bekamen sie gar einen Gram-

my. Grupo Fantasma kommen zur Odyssee mit einer

tighten Rhythmussektion aus pumpendem Bass,

peitschenden Drums und fein abgestimmtem Percus-

sionarsenal. Eine kochende Schweineorgel und eine

energiegeladene Funkgitarre heizen das Geschehen

an, und natürlich ist da dieser Bläsersatz von schnei-

Page 26: bodo Juli 2012

26

denden Trompeten bis zu grunzendem Baritonsax.

Support: Funkommunity mit modernem Soul aus

Auckland/Neuseeland.

Freilichtbühne, Wattenscheid, 19.30 Uhr

Impro-Theater | Doug Nunn

Nachdem in diesem Jahr bereits diverse Größen

des Improvisationstheaters aus Kanada und Bel-

gien ihrer Einladung in Bochums sympathisches freies

Theater gefolgt sind, begrüßen Balzer & Regener nun

mit dem großartigen Doug Nunn einen hippiesk-ent-

spannten Vertreter dieser schönen Kunst aus Mendoci-

no im Norden Kaliforniens. Wie es nun schon seit fünf

Jahren Tradition ist, wird Doug mit der tatkräftigen

Unterstützung diverser, bunt zusammengewürfelter

Spieler einen knackigen improvisierten Theaterabend

auf die Bühne bringen, wobei sich das Team dieses Mal

vor allem auf ur-amerikanische Genres konzentriert

und einen Hauch von Tarantino, Williams, Chandler

und Allen in improvisierter Form zum Besten geben

wird. Ansonsten behält man sämtliche traditionelle

Zutaten dieses erfrischenden Sommer-Cocktails bei:

kühle Getränke, heißes Grillgut und Spielfreude galore

im und ums Thealozzi herum.

Thealozzi, Bochum, 20 Uhr

DJ Picknick | Jazzanova DJ-Set & Oliver Korthals

Ein ganz besonderes Highlight versprechen die Sum-

mersounds DJ-Picknicks umsonst & draußen am

Phoenix See. Mit dem Jazzanova DJ-Set vom Sonar Kol-

letiv aus Berlin und Mojo-Club Gründer Oliver Korthals

aus Hamburg ist gleich eine doppelte Ladung NuJazz,

Funky Grooves und soulful Electronic Beats garantiert.

Phoenix See, Dortmund, 14-22 Uhr

Party | The Golden Era of Hip Hop & a Fistful of Funk

Die goldene Ära des Hip Hop ist jene Zeit, in der Rap-

musik eine Bewegung war und noch nicht als Synonym

für dicke Autos, schwere Goldketten und Macho-Alü-

ren „harter Jungs“ herhalten musste. Eine Zeit, in der

es noch cool war, Funk- und Soul-Klassiker zu samp-

len, ein fettes Ding daraus zu drehen und mit sinnvol-

len Lyrics politische Zustände zu kritisieren oder man

einfach nur witzig sein wollte. Als Reiseführer durch

Old School HipHop, Breakbeat Classics & Funky Beats

stehen Der Wolf und die Crew von Soultrippin‘: Stipp

Visit, BoomBoxBali & Super Klep an den Turntables.

Cosmotopia, Dortmund, 23 Uhr

DO 26 | 07 | 12

VERLOSUNG | Molotov

Der Crossover der Latin-Rock-Superstars aus Mexiko

City aus Flamenco-Gitarrenriffs, Turntable-Scratches

und einem meist harten, basslastigen Klangteppich

brachte Molotov Ende der

90er große Erfolge ein. Ihr

Debüt „Donde Jugaran Las

Ninas?“ wurde von Publikum

wie Kritikern gleichermaßen

gefeiert. In ihren Texten

rechneten die Vier mit der konservativen Gesellschaft ab

und erhielten damit auch prompt ein Verkaufsverbot. So

brachten sie die Platte einfach selbst an die Leute, und

die Fans rissen ihnen die Scheiben nur so aus der Hand.

Kurzerhand waren die vier Verrückten in allen lateiname-

rikanischen Staaten bekannt, in Spanien schafften sie

es sogar zur erfolgreichsten mexikanischen Band aller

Zeiten. Ihr explosiver Sound, der spezielle Humor, ihre

Kritik und politischen Ansichten haben Molotov in der

Zwischenzeit weltweit bekannt gemacht.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20.30 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

FR 27 | 07 | 12

Musik | Elvis Pummel

1993 kürte man den stilechten Rock’n’Roller zum

schlechtesten Gitarristen von Nordrhein-Westfalen. Nur

ein guter Grund, ihn beim Rockabilly Fever die Hütte

zerlegen zu lassen. Denn über den Titel hinaus hat der

Sohn iranischer Einwanderer nicht nur den unglaub-

lichsten Hüftschwung seit „Elvis the pelvis“, sondern

auch eine stets frisch gelegte Presley-Gedächtnis-Tolle.

Jedoch betreibt der sympathische Doppelgänger des

King of Rock‘n‘Roll nicht etwa eine Memphis-Tribute-

Imitations-Show: Mit seinem ganz eigenen „Wild &

Primitive Songwriting“ als Gesamtkunstwerk bereist er

regelmäßig die ganze Nation, tritt immer wieder auch

über seine Grenzen hinaus und kapert ohne Rücksicht

auf Verluste Tische, Stühle und Tresen für seine legen-

dären Live-Performances. Den geschätzten Zuhörer

erwarten energiegeladener, humoriger Trash, grob ge-

spielter Rockabilly, rauher One-Man-Band-Rock’n’Roll,

schmalziger Teensound, gebrochene Herzen, desperater

Blues, nachdenklicher Honky-Tonk. Der Eintritt ist frei.

subrosa, Dortmund, 20.30 Uhr

Kleinkunst | Kay Ray

Rotzjunge, Charmeur oder zynischer Kritiker? Alle drei

Figuren vereint Kay Ray auf sich und versprüht seinen

Witz und seine ironischen Kommentare. Er kratzt an den

Grenzen des guten Geschmacks und nimmt sein Publi-

kum mit auf seine Reisen in die Absurditäten des All-

tags. Hierfür muss schon mal die bequeme Sitzposition

korrigiert werden, denn das Publikum wird selbst zum

Teil der Show von Kay Ray. Zur Entspannung stimmen

er und seine musikalische Begleitung am Klavier hu-

morvolle Lieder an, aber nur, um den Gästen eine kurze

Verschnaufpause zu gönnen. Die Veranstaltung läuft im

Rahmen von RuhrHochdeutsch im Spiegelzelt am Dort-

munder U. Einen Überblick über das gesamte Programm

erhält man unter: www.ruhrhochdeutsch.de.

Spiegelzelt am U, Dortmund, 20 Uhr

26 VERANSTALTUNGEN JULI 2012

16 | 07 | 12 Nada Surf 20 | 07 | 12 Özgür Cebe

OSAMU TEZUKA | Buddha 01 – Kapilavastu (Carlsen Comics)

Der als „Gott des Manga“ geltende Osamu Tezuka, als Japaner selbst in einer buddhistischen Kultur aufgewachsen,

arbeitete zehn Jahre an seinem Comic-Epos „Buddha“, bevor er ihn Anfang der 1970er Jahre veröffentlichte. Nun wird

dieses Werk endlich auch hierzulande veröffentlicht. Und auch wenn die Sprache ab und an etwas hölzern wirkt und

man von Manga-Comic-Zeichnungen halten möge, was man will, dieser Graphic-Novel-Comic ist etwas Besonderes. Voller

Fabulierlust widmet Tezuka sich dem Leben und Wirken des Begründers des Buddhismus und entführt mit seinen Schwarz-

Weiß-Strips in das historische Indien. Mit Humor, Sozialkritik und Action erzählt er die abenteuerliche und teils schräge

Geschichte des Fürstensohns Siddharta Gautama, der vor circa 2.500 Jahren aus seiner Tradition ausbrach und zum

„Erleuchteten“ wurde. Der große Art Spiegelmann (u.a. „Maus“) sagt dazu: „Osamu Tezuka hat eine komplett neuartige

Sprache der Comicerzählung erfunden und sein Platz in der Geschichte des japanischen Comics ist ebenso zentral wie der

Platz Siddhartas in der Geschichte des Buddhismus.“ (BvR)

COMIC-TIPP

Page 27: bodo Juli 2012

27

21 | 07 | 12 Doug Nunn21 | 07 | 12 Funkhaus Europa Odyssee: Grupo Fantasma

SA 28 | 07 |12

VERLOSUNG | Juicy Beats Festival

Dieses fruchtige Festival muss man als Musik- und Par-

tyfreund einfach lieben. Ein Haufen cooler Live-Acts

und DJs – für jeden was

dabei – auf unzähligen Büh-

nen und in schrägen Lokati-

onen überall im Westfalen-

park verstreut: Das macht

Laune, vor allem wenn auch

noch das Wetter mitspielt. Der musikalische Obstkorb

für das siebzehnte Juicy Beats Festival ist wieder reich

gefüllt, ich sag nur: Casper, Modeselektor, Shantel

& Bucovina Club, Get Well Soon, DJ Koze, Analogik,

Kakkmaddafakka, Prinz Pi, Electro Ferris (Ferris Hilton

von Deichkind), Two Gallants, Nosliw, Egotronic, Julia

Marcell, Dillon, Ante Perry, DJ Larse, Klaus Fiehe, die

Global Player Residents, Matt Flores, Ingo Sänger... ach

guckt es euch einfach selber an auf www.juicybeats.

net. Insgesamt verwandeln nämlich weit über hundert

international, national und regional bekannte Acts und

DJs auf mehr als zwanzig Bühnen und Dancefloors den

Park in eine der schönsten Open Air Locations der Re-

publik. Sechzehn Stunden großes Festival-Kino & Party

total in Dortmund – leider geil!

Westfalenpark, Dortmund, 12 – 04 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Musik | Funkhaus Europa Odyssee:

Malik Belili & Schwarz-Rot Atemgold 09

On the Road an der Ruhr, umsonst & draußen, die Ab-

schluss-Fete mit Malik Belili & Schwarz-Rot Atemgold

09. Schon in der letztjährigen Ausgabe der Funkhaus

Europa Odyssee kam es zu einer furiosen Kollaborati-

on – die Ruhrgebiet-Fanfare Schwarz-Rot Atemgold 09

traf auf Balkantronica aus Berlin. Die Bläser aus dem

Pott sorgen auch dieses Jahr für eine satte Grundie-

rung in einem Stelldichein: Zu Gast ist dieses Mal der

algerische Künstler Malik Belili. Der Berber geleitet mit

seiner rauen Stimme durch ein hochgradig tanzbares

Repertoire, das die Traditionen des Atlasgebirges mit

urbaner Partylaune vereint. Melodieselige Chansons

auf Französisch treffen auf rasante Arabesken und vor-

wärtspreschende Rhythmen. Dazu gesellt sich dann die

Energiegeladene Brass-Power von Schwarz-Rot Atem-

gold 09. Den passenden Einheizer geben DJ AliT & Ori-

ental Beats aus Casablanca/Marokko.

Freilichtbühne, Wattenscheid, 19.30 Uhr

VERLOSUNG | Michael Steinke

Er ist charmant, komisch und auch ein wenig boshaft:

In seinem neuen Programm „Funky! Sexy! 40!“ zündet

der preisgekrönte Komödi-

ant sein Humorfeuerwerk.

Hatten Sie eine schwe-

re Kindheit? Ideal! Dann

geht‘s Ihnen besser als

Michael Steinke – der Mann

hat obendrein noch eine schwere Gegenwart. Denn er

fühlt sich funky – er fühlt sich sexy – aber er fühlt

auch den Körper eines Mittvierzigers. Und kann man

in diesem Alter noch Spaß haben? Oh ja – man kann.

Der Meister der Stand Up Tragedy wird Sie auf einen

Streifzug durch die 70er Jahre mitnehmen – in eine

Zeit, in der Telefone noch nicht in die Hosentasche

passten, Mustertapeten uns die Sinne vernebelten

und in der Küche Prilblumen blühten.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

SO 29 | 07 | 12

Film | Fiege KinoOpenAir: Greenpeace Multivisions Show

Der Film gibt mit wunderschönen, mitreißenden Bildern

und live erzählten Geschichten einen Einblick in diese

faszinierenden Wälder vor unserer Haustür. Der Besucher

reist quer durch Europa und erlebt die wilden Wälder

im Wandel der Jahreszeiten. Egal, ob er von deutschen

Urwaldresten vor unserer Haustüre erzählt, von Wande-

rungen durch die russische Wildnis in den Bergen des

Urals, von seinen Begegnungen mit Wölfen in Finnland

oder den Wisenten in Polen berichtet, immer zeigt Mar-

kus Mauthe Bilder in höchster fotografischer Qualität.

Dieser Vortrag soll Menschen für die Natur begeistern.

Gleichzeitig soll er auch zeigen, wie sich jeder Einzel-

ne in seinem Alltag mit einfachen Mitteln für die Natur

einsetzen kann und dabei aktiv zum Klimaschutz bei-

trägt. Der Einlass erfolgt ab 20 Uhr, der Film beginnt bei

Sonnenuntergang. Das ganze Programm des Fiege-Kino-

Open-Airs gibt es unter www.fiege-kino.de.

Innenhof der Fiege-Brauerei Bochum, 20 Uhr

21 | 07 | 12 DJ Picknick: Oliver Korthals

Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10

Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62

Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20

Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45

Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0

HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6

Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00

Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25

Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012

Museum Bochum, Kortumstraße 147, 910 42 30

Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36

Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17

Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01

RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30

Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30

Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30

Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90

Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03

Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35

Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17

Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56

Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50

Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00

Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46

DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79

Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45

domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30

Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25

F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72

FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20

Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194

Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00

Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22

Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206

Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25

Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33

Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47

Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78

Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60

Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07

SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23

Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20

U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23

Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40

Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00

Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11

Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52

Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99

Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24

Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2012.

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28

28 INTERVIEW | von Theresa Baumeister | Fotos: Andre Noll · Sebastian Sellhorst

AbwärtsspiraleWohnen in Zeiten von Finanzinvestoren, Schrottimmobilien und Hartz IV

Kommunen und Großunternehmen verkau-fen ihre Wohnungsbestände, Investoren und Private Equity-Fonds spekulieren und schöpfen Gewinne ab. Der Stadtsoziologe Dr. Sebastian Müller hat Dortmunds ehema-lige Stahlarbeitersiedlungen untersucht und sagt: Wohnungsspekulation und Hartz IV lassen Wohnen prekär werden.

bodo Reden wir über Prekarisierung…

SM Prekarisierung ist ein Phänomen unse-

rer Zeit. Menschen wird das Leben schwer

gemacht. Es ist ein Prozess des gesellschaft-

lichen Ungleichmachens und der Margina-

lisierung von Bevölkerungsgruppen. Hinter

Prekarisierung steht Armut. Der Begriff

Prekarisierung wurde ursprünglich für prekäre

Beschäftigung verwendet, wenige Stunden

oder Tage arbeitend, oft ohne Vertrag oder So-

zialversicherung und in denen kein existenzsi-

cherndes Einkommen erzielt werden kann.

bodo Und was ist dann prekäres Wohnen?

SM Ich denke, es greift zu kurz, nur die

Prekarität von Beschäftigungsverhältnissen

zu betrachten, auch wenn dies sehr wichtig

ist. Das vernachlässigt jedoch Menschen,

die aus der Arbeitswelt bereits weitgehend

ausgeschlossen sind, „überflüssige“ Lang-

zeitarbeitslose und Hartz IV-BezieherInnen.

Prekäre ökonomische Verhältnisse weiten sich

auf andere Lebenslagen aus. Unter prekärem

Wohnen verstehe ich Wohnverhältnisse, die

Menschen normales, ruhiges Wohnen un-

möglich machen. Auseinandersetzungen um

die Miete, um Wohnstandards, Reparaturen

und Verträge mit den Vermietern fressen das

Leben auf. Wohnungen werden vernachlässigt

und befinden sich in einem beklagenswerten

Zustand. Die Orte, wo wir diese Wohnungen

finden, sind gesamtstädtisch oftmals „aufge-

gebene Orte“. Das zeigt sich deutlich in der

schlechten Substanz der Gebäude, aber auch in

fehlenden sozialen Verbindlichkeiten seitens

der EigentümerInnen oder der Wohnungspoli-

tiker. Die betroffenen Siedlungen sind keine

„Ghettos“, aber sind durchaus von Ghettoisie-

rung bedroht.

bodo Wer ist davon betroffen?

SM In den Siedlungen in Dortmund, die ich

untersucht habe, waren es sehr unterschied-

liche Leute – mit Migrationshintergrund,

RentnerInnen, die ihr ganzes Leben in den be-

troffenen Siedlungen leben, Menschen in un-

terschiedlichsten Arbeitsverhältnissen. Aber

auffallend viele von ihnen sind auch Hartz-

IV-EmpfängerInnen. Es sind Menschen, die an

den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Sie werden zunehmend vergessen, sind aber

noch nicht ganz abgeschrieben. Beispielswei-

se sind sie nicht direkt von Obdachlosigkeit

bedroht, und ich habe auch kaum Fälle von

Zwangsumzügen beobachten können. Viele

sind arm, aber sie kommen mit ihrem Einkom-

men gerade eben über die Runden, aber wenn

unerwartete Zahlungen anstehen, wird es oft

sehr eng.

bodo Was sind die Ursache prekären Wohnens?

SM Soziale Unterschiede, die sich auch räum-

lich in der Stadt niederschlagen, gab es schon

immer. Eine Verschärfung der Lage trat im

Zuge der Verkäufe von Wohnungen an interna-

tionale Finanzinvestoren auf. Seit 2004/2005

kauften solche Finanzinvestoren, wie z.B. Cer-

berus, Griffin, Deutsche Annigton oder White-

hall massenhaft Mietwohnungen in ehemaligen

Stahlarbeiter- und Bergmannswohnsiedlungen

auf. Die Privatisierung fiel in die Zeit, in

der durch die Hartz-IV-Sozialgesetzgebung

Sozialhilfe und Kosten der Unterkunft (KdU)

gekürzt wurden. Das Zusammenspiel hat eine

negative Dynamik, die die Abwärtsspirale in

den Vierteln stärker werden ließ.

bodo Was hat sich mit dem Eigentümerwech-

sel durch die Finanzinvestoren geändert?

SM Die Siedlungen waren im Ruhrgebiet

meist in privatwirtschaftlicher Hand, nicht in

öffentlicher. Sie waren allerdings mit Geldern

¬

Der Wohnkoloss Hannibal I in der

Dortmunder Nordstadt. Sein Gegen-

stück in Dorstfeld wurde zuletzt als

Spekulationsobjekt für das Doppelte

des Verkehrswerts versteigert.

Page 29: bodo Juli 2012

29

29

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30

der öffentlichen Hand, dem sozialen Wohnungs-

bau, errichtet worden und waren im Besitz von

unternehmensgebundenen Wohnungsbaugenos-

senschaften. Sie hatten für damalige Verhält-

nisse einen hohen Wohnstandard und boten

dem ArbeiterInnenmilieu ein gesellschaftlich

gleichberechtigtes Leben. Heute sieht es

ganz anders aus. Die neuen EigentümerInnen

kümmern sich nicht um die Wohnbestände, un-

terlassen Renovierungs- und Modernisierungs-

maßnahmen, sie sind nicht vor Ort präsent

und haben keine AnsprechpartnerInnen für

die MieterInnen. Es kann von einer bewussten

Standardreduzierung gesprochen werden.

bodo Wie nehmen die BewohnerInnen die

Prekarisierung der Wohnverhältnisse wahr?

SM Alle BewohnerInnen, mit denen ich

gesprochen habe, beschweren sich über die

unzureichenden Zustände in den Wohnungen.

Sie beklagen Schimmel an den Wänden, ver-

müllte Hinterhöfe, Wasserschäden, verzogene

und nicht schließende Haustüren, muffige

und feuchte Kellerräume und dergleichen.

In einem zwölfstöckigen Haus in Westerfilde

war zum Beispiel über Wochen der Aufzug de-

fekt. Trotz immerwährender Beschwerden und

Nachfragen hat sich der Eigentümer nicht

um diesen Schaden gekümmert. In einem

Haus in Wickede wurde über ein halbes Jahr

lang eine kaputte Glasscheibe einer Haustür

nicht repariert. Der heruntergekommene Zu-

stand der Wohnungen und Gebäude ist eine

Zumutung für die BewohnerInnen und neben

alltäglichen Anstrengungen und Quälereien

müssen sie sich auch darum noch kümmern.

Das ist ziemlich zermürbend und belastend,

und die Menschen finden keine Erholung von

alltäglichen Strapazen. So kommt es auch

zum Teil zwischen den BewohnerInnen zu

Streit, aber trotz der hohen Belastungen

gibt es noch eine funktionierende Solidarge-

meinschaft. Sie bilden zum Beispiel Mieter-

Inneninitiativen und kümmern sich um den

Zustand der Wohnungen in den Siedlungen.

bodo Wie geht es mit den Orten des prekären

Wohnens weiter?

SM Gerade in Dortmund als einer „Hauptstadt

der prekären Wohn-, Arbeits- und Lebens-

verhältnisse“ gibt es große Schwierigkeiten.

Jedoch ist Prekarisierung ein drängendes

Problem auch anderenorts. Glücklicherweise

erfährt das in der letzten Zeit ein verstärktes

öffentliches und politisches Interesse. Auch

seitens der Kommune ist jetzt mehr Problem-

bewusstsein zu erkennen. Jetzt wird auch

mal über die betroffenen Siedlungen anstatt

immer nur über glänzende Orte wie Phönix

West diskutiert. Die soziale Lage kann nur ver-

bessert werden, wenn das Armutsmilieu ernst

genommen wird und kreativ und nachhaltig

Hilfe organisiert wird. Die Augen davor zu

verschließen, hilft gar nicht.

bodo Vielen Dank für das Interview.

INFODr. Sebastian Müllers Studie „Wie Wohnen prekär

wird – Finanzinvestoren, Schrottimmobilien und

Hartz IV“ ist in der Reihe „fair statt prekär“ der

Kooperationsstelle Wissenschaft – Arbeitswelt

in der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund

erschienen.

Die Studie kann dort in Einzelexemplaren

kostenlos bezogen werden.

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Page 31: bodo Juli 2012

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32

Wohnen in einem Schloss für wenig Geld? Das kann man in den Niederlanden, wenn man auf sämtliche Rechte als Mieter verzichtet. „Antikraak“ ist eine drittklassige Wohnform, die sich inzwischen auch nach Deutschland ausbreitet – prekär ist gar kein Ausdruck.

Margriet* hatte zuerst gedacht, die Nachbarskin-

der, die sie draußen vor ihrer Erdgeschosswoh-

nung wähnte, würden gleich einen Klingelstreich

machen. Sie hatte Zahnschmerzen und blieb im

Bett liegen. Doch statt des Klingelns hörte sie

das Geräusch eines Schlüssels: Jemand öffnete

die Wohnungstür. Irritiert warf Margriet sich

einen Bademantel über, trat aus dem Schlaf-

zimmer in den Flur und traf auf den Kontrolleur.

„Was zum Teufel machen Sie hier?“ fragte sie.

„Nur das, was Sie unterschrieben haben“, kam es

knapp zurück.

Unterschrieben hat Margriet, eine Psychologiestu-

dentin um die 30, tatsächlich: eine Überlassungs-

vereinbarung, die ihr vorübergehend die Nutzung

einer 60 Quadratmeter großen Wohnung einräumt.

Überraschende Begegnungen im Flur sind seither

Teil ihres Alltags. „Jederzeit“, so steht es im

Vertrag, kann ein solcher Kontrollbesuch im Haus

stattfinden, „um den Zustand der Wohnung zu

prüfen.“ Ob angekündigt oder nicht, Margriet

ist verpflichtet, der Agentur Alvast Zugang zu

gewähren.

So ist das, wenn man „Antikraak“ wohnt. So wird

in den Niederlanden ein Zwischennutzungsmo-

dell der besonderen Art genannt. Firmen wie

Alvast verdienen ihr Geld damit, Zwischenmieter

für Immobilien zu finden, die abgerissen oder

verkauft werden sollen. Eigentümer und Versi-

cherungen bewerten die Immobilien weiterhin zu

ihrem Buchwert als Leerstand. Die Bezeichnung

„Antikraak“ verweist darauf, dass die Immobilien

so vor Verfall und Vandalismus, aber eben auch

vor Hausbesetzern geschützt sind. Die Zwi-

schennutzer, die keine Mieter sind, da es keine

Mietverträge gibt, können so relativ günstig

wohnen, müssen sich aber auf viele Kompromisse

einlassen.

Margriets Fall ist keine Ausnahme. Die von ihr

bewohnte Zweizimmerwohnung kostet monatlich

115 Euro zuzüglich Nebenkosten und gehört der

Wohnungsbaugesellschaft Rochedale, genau wie

die meisten der rotbraunen, viergeschossigen

Mietshäuser in diesem schmucklosen Kiez in

Amsterdam-Oost. Mit der Unscheinbarkeit soll hier

aber bald Schluss sein, denn auch Rochedale reno-

viert derzeit den Bestand, wertet Wohnungen auf

und verkauft sie als Eigentumswohnungen. Auch

mit dem Haus, in dem Margriet wohnt, soll das

passieren. Die letzten Mieter sind längst ausgezo-

gen, wann der nächste Schritt folgt, ist ungewiss.

Lange war ein solches Objekt dazu prädestiniert,

besetzt zu werden. Bis 2010 nämlich wurde „kra-

aken“ in den Niederlanden nicht strafrechtlich

verfolgt, vorausgesetzt, die besetzte Immobilie

32

»Antikraak« – Wohnen als Job

REPORTAGE | von Tino Buchholz und Tobias Müller | Fotos: Sander Holloway

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33

stand mindestens ein Jahr lang leer. Zwischen

1965 und 1999 gab es zwischen Maastricht und

Groningen rund 50. 000 Hausbesetzer. Um ihnen

die rechtliche Grundlage zu entziehen, engagier-

ten Eigentümer schon ziemlich bald die ersten

„Antikraaker“, die in den leerstehenden Immo-

bilien wohnen durften und die Aufgabe hatten,

diese zu bewachen. Das Wohnen wurde so zum

Job. Inzwischen hat sich das Verhältnis verkehrt:

Heute sind es rund 50. 000 Menschen, die anti-

kraak wohnen. Doch während die „Antikraaker“

der ersten Stunde für ihre Wachschutzfunktionen

bezahlt wurden, gibt es heute Wartelisten für

diese Wohnform, und es sind die bewachenden

Bewohner, die Agenturen wie Alvast für ihre

Vermittlung bezahlen.

Das niederländische Geschäftsmodell „Antikraak“

wird seit mehreren Jahren auch in andere euro-

päische Länder exportiert. Marktführer ist dabei

die Firma Camelot, die in Belgien, Großbritanni-

en, Irland und seit 2010 auch in Frankreich und

Deutschland (vor allem in Hamburg und Düssel-

dorf) tätig ist.

In den Niederlanden bewerben sich inzwischen

rund 50 Agenturen meistbietend um die lukra-

tive Bewirtschaftung von rund 313. 000 leerste-

henden Wohnungen (Stand 2009) und aktuell gut

7,5 Millionen Quadratmeter ungenutzter Büro-

fläche. Auf angespannten Wohnungsmärkten wie

in London, Amsterdam und Düsseldorf leisten

die Bewohner bereits mietähnliche Zahlungen.

So hat sich in den vergangenen Jahren neben

Eigentum und Miete ein dritter Wohnungsmarkt

etabliert.

Die Leerstandsverwaltung funktioniert dank

eines Sanktionssystems, welches Abmahnun-

gen, Bußgeld und schließlich die Kündigung

vorsieht. Margriet erfuhr das im Herbst am

eigenen Leib. Auf dem Weg zu ihrem neuen Job

hatte sie ein paar Klamotten, ihre Sporttasche

und den vollen Mülleimer im Raum zurückgelas-

sen. Als sie zurückkam, fand sie eine schriftli-

che Beschwerde des Kontrolleurs vor, es folgte

die Kündigung. Margriet schrieb an die Agentur

und erklärte die Situation. Sie bekam einen

Brief zurück. „Auch wir finden es furchtbar

schade, dass unsere Zusammenarbeit so enden

muss. Wir wollen nur ordentliche Bewohner. Auf

unseren endlosen Wartelisten stehen Tausende

Menschen, die auf eine Wohnung in Amsterdam

warten.“ Margriet schaltete einen Anwalt ein

und konnte bleiben. Auf diese Idee aber kom-

men die meisten „Antikraaker“ nicht.

In der Regel reicht zur Abschreckung der

Katalog an Disziplinierungsmaßnahmen, die

in den Überlassungsvereinbarungen enthal-

ten sind: keine Kinder, keine Haustiere, keine

Parties, Zusammenwohnen und Urlaub nur nach

Absprache. Zudem ist kein direkter Kontakt zum

Eigentümer erlaubt, und auch Medien gegen-

über dürfen „Antikraaker“ sich nicht über ihre

Wohnsituation äußern.

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34

Zur „dritten Klasse“ auf dem Wohnungsmarkt

gehören in den Niederlanden immer mehr junge,

prekär beschäftigte Menschen, Künstler und

Studierende. Sie sind die Zielgruppe für Zeitver-

träge, die vom Eigentümer terminiert und binnen

zwei bis vier Wochen beendet werden können.

Auch in Frankreich gibt es ein ähnliches Modell

zur temporären Nutzung staatlicher Immobi-

lien, dort sind Staatsbedienstete eine weitere

Zielgruppe. Dafür hat die Regierung sogar eigens

ein Gesetz namens „Lancelot“ verabschiedet. In

England verlangen die Agenturen ein polizeili-

ches Führungszeugnis.

Den Firmen geht es um ein Maximum an Flexi-

bilität in der Immobilienwirtschaft, de facto

betreiben sie die Abschaffung der Kündigungs-

frist. Aus der Perspektive des Eigentümers eine

phantastische Idee, aber was passiert, wenn aus

der Nische ein Massenphänomen wird?

Für die Wohnungsbaugesellschaft Brabant Wonen

ist „Antikraak“ aus zwei Gründen attraktiv: „Wir

halten die Siedlung lebenswert und die Wohnung

instand“, sagt Sprecherin Willemien van Rossum.

„Dazu bieten wir jüngeren Zielgruppen eine

Chance, schneller Wohnraum zu bekommen.“

Die oft betonte Freiheit, „Antikraak“-Überlas-

sungsvereinbarungen zu unterschreiben, genie-

ßen Menschen, die vor der Entscheidung „Friss

oder stirb“ stehen. Die Verträge beinhalten

eine Reihe bizarrer Klauseln, die rechtlich kaum

haltbar sind. Demnach hat der Bond Precaire

Woonvormen (BPW) über 50 Regeln gefunden,

die gegen 20 verschiedene Gesetze verstoßen.

Vor allem der Eingriff in die Privatsphäre, der

Hausfriedensbruch durch Kontrolleure sowie

Bewohner- und Menschenrechte sind betroffen.

BPW-Sprecher Abel Heijkamp sieht das Thema

„Antikraak“ in einem größeren Zusammenhang:

„Dass Menschen keine vernünftige Unterkunft

haben, ist ein politisches Problem. Kommunen

entledigen sich ihrer sozialen Verantwortung,

indem sie die Bewirtschaftung von Wohnraum

an ,Antikraak‘-Büros auslagern.“ Deshalb for-

dert er unumwunden, „Antikraak“ abzuschaffen.

Ende April rief der BPW landesweit „Antikraa-

ker“ dazu auf, eigenhändig ihre Wohnungs-

schlösser auszutauschen, um sich ein Minimum

an Autonomie zurückzuholen und den Kontrol-

len einen Riegel vorzuschieben.

Die heutigen Bedingungen kommentiert Abel

Heijkamp mit einem Wort: „Wildwest“. In der ju-

ristischen Grauzone „Antikraak“ haben Bewohner

zwar Pflichten, aber keine Rechte. „Antikraaker“

sind Wachschutz, Hausmeister und Putzpersonal,

nur keine Mieter. Hohe Mobilität der Bewohner

und die Möglichkeit einer kurzfristigen Räu-

mung der Immobilien, darum geht es bei dieser

Wohnform. Denn der Leerstand wird nur nutzbar,

wenn die bewachenden Bewohner sämtlichen

Wohn- und Mietrechten entsagen. Sie müssen

mit dem Risiko des Vertragsbruchs leben und in

der Lage sein, sich binnen weniger Wochen ein

neues Obdach zu organisieren.

Eine bizarre Situation, meint auch Viktor* aus

Groningen, der für Carex wohnt und dessen

Wohnsituation in einer offiziell nicht bewohn-

baren Schule geduldet, aber nicht als „Wohnen“

anerkannt wird. Die Anerkennung des Wohnver-

hältnisses würde ein Mietverhältnis bedeuten,

das wäre „zweitklassiges“ Wohnen. Viktor spielt

drittklassig. Und es sieht so aus, sagt er, als

würde das auch noch eine ganze Weile so blei-

ben. (Tino Buchholz und Tobias Müller)

*Namen geändert

Fotos: Tino Buchholz

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Ein X für ein U»Wir wollen die Großstadt. Ohne umzuziehen.«

35STADTKULTUR | von Bastian Pütter | Foto: Netzwerk X

Wenn sich eine schrumpfende Region der lee-ren Kassen etwas wünschen dürfte, wären es wohl engagierte junge KünstlerInnen und Kreative, die nicht wegziehen wollen wie so viele andere, die Leerstände beleben, die sich nicht vom Elfenbeinturm herab, sondern von der sozialen Wirklichkeit aus definieren, die Kunst, Kultur, Politik und Stadtentwicklung zusammen denken. Das Ruhrgebiet hat solche Menschen.

Das Unverständliche: Gerade sie scheinen den

Ruhrgebietskommunen lästig zu sein. Rückblick:

Im Sommer 2010 öffnet die Dortmunder Initia-

tive für ein Unabhängiges Zentrum (UZDO) die

leerstehende Kronenbrauerei, um sie mit Kunst-

ausstellungen und -aktionen, Konzerten und

Diskussionsveranstaltungen zu bespielen. Nach

wenigen Stunden räumt die Polizei. Bis heute

verfallen die Gebäude weiter.

Etwas länger darf zuvor die Essener Initiative

„freiraum“ das DGB-Haus an der Schützenbahn

nutzen, bevor der Hausherr den Rauswurf durch-

setzt. Ausgerechnet der DGB.

Im letzten Dezember besetzt das Bündnis „DU

it yourself“, das seit Jahren versucht, der Stadt

ein selbstfinanziertes soziokulturelles Zentrum

anzubieten, eine leerstehende ehemalige Schule

in Duisburg Laar. Auch auch hier erzwingt nach

wenigen Stunden eine Hundertschaft der Bereit-

schaftspolizei den Abzug.

Räume, Mitsprache, Verteilungsgerechtigkeit

Nun sind Besetzungen kein Selbstzweck. Sie

sind Signale, dass etwas schiefläuft und eben

das, „was passiert, wenn nichts passiert“ – in

einer Formulierung von UZDO. Jetzt haben sich

die verschiedenen Initiativen einen gemein-

samen Rahmen gegeben. Der neue Anlauf, der

jungen, freien Szene heißt „Netzwerk X“. Ein

breites Bündnis: Die ehemaligen Leerstandsbe-

setzer von UZDO, DU it yourself und „freiraum“,

Kunstkollektive (Labsa e.V.), Theatergruppen

(Theater Lebendich), Kultur- und Stadtentwick-

ler (UMQ e.V., Urbanisten), die Club- und DJ-

Szene (Beatplantation, Feel Vergnuegen), lokale

Zusammenschlüsse von Kreativen (Neue Kolonie

West) – mehr als 20 Gruppen organisieren sich

im „Netzwerk X“.

Ihre Ziele sind ehrgeizig. Sie erheben weiterhin

Anspruch auf die kulturelle Zwischennutzung

leerstehender öffentlicher Gebäude, für sie sind

Leerstände „rechtlich blockierte Räume“. Und

sie fordern Teilhabe: Das Netzwerk will einbe-

zogen werden, Ansprechpartner sein für „künst-

lerische, soziale und stadtplanerische Inhalte“,

Zugang bekommen zu städtischen Produktions-

und Spielorten und Berücksichtigung finden in

der kommunalen Förderstruktur.

Ein Recht auf Stadt

Der Logik der Kreativwirtschaft, der ständigen

Inwertsetzung von Kunst und Kultur erteilen sie

klare Absagen: „Wir sprechen nicht länger die

Sprache der Versprecher, die uns ein U für ein

X vormachen, Gameboywirtschaft als Kunst und

Subventionierung von Immobilien als Kreativ-

förderung verkaufen.“

„Man kann doch noch nicht einmal Theaterexpe-

rimente in der U-Bahn machen, ohne vertrieben

zu werden“, sagt Melanie Schmitt-Nagler, deren

Theater Lebendich Teil des Netzwerks ist. „Es

gibt so viele gute Gruppen, die kein Gehör fin-

den, und denen es um andere Dinge geht, als

darum, welche gerade die nötigen Schlagwörter

für Förderanträge sind. Davon sind nun viele im

Netzwerk X.“

Nach Auftakt-Pressekonferenzen in Duisburg,

Essen und Dortmund präsentierte sich das

Netzwerk, Ende Juni auf der Duisburger Konfe-

renz „Recht auf Stadt“. Und selbst im desolaten

Duisburg blühte Optimismus: „Wir leben viel-

mehr im Paradies der Leerstände, Mieten sind

meist moderat, Internet gibt’s auch, die öf-

fentliche Infrastruktur funktioniert noch leid-

lich.“ Ganz gute Voraussetzungen im Vergleich

zu Großstädten wie Berlin oder Hamburg. Nun

müssten die Kommunen sie nur lassen. (bp)

Pressekonferenz der anderen Art.

„Aliens“ in der Dortmunder Innen-

stadt fordern „Ein Recht auf Stadt“.

Page 36: bodo Juli 2012

36

LITERATUR | gelesen von Bastian Pütter

Alle Ausländer raus?Eine Simulation

Wer gern in der Bahn oder im öffentlichen Raum liest, kann sich auf etwas gefasst machen: Mit seinem schwarzweißroten Wirtschaftsverlags-Hardcover, auf dessen Umschlag riesig der Titel „Deutschland ohne Ausländer“ prangt, machen die bösen Blicke der Mitreisenden dieses Buch zu einer ganz eigenen Leseerfahrung. Das ist das kleine von zwei Problemen mit einem fas-zinierenden Sachbuch.

„Deutschland den Deutschen – Ausländer raus.“

Auf die einfache Lösung, die Neonazis, Neue Rech-

te und Rechtspopulisten der Mitte wie Thilo Sarra-

zin in verschiedenen Schattierungen propagieren,

wird zumeist mit fundierten Gegenpositionen ge-

antwortet. Freie und pluralistische Gesellschaften

sind ohne die historische Realität von Migration

nicht denkbar. Andererseits: In Umfragen er-

scheint einem großen Teil der Bundesbürger ein

solches Deutschland erstrebenswert.

Die Journalisten Pitt von Bebenburg und Matthias

Thieme nehmen die düstere Utopie vom „reinen“

Nationalstaat ernst. In einer dokumentarischen

Fiktion spielen sie durch, was geschähe, wenn

eine fiktive rechtspopulistische Regierung die

sieben Millionen Ausländer in Deutschland per

Dekret auswiese. Was wäre, wenn?

Auf der Grundlage einer Vielzahl von Studien, Sta-

tistiken und Experten-Interviews (das Literatur-

verzeichnis umfasst allein 10 Seiten) kommen die

beiden Autoren zu einem überraschend verhee-

renden Ergebnis: Das Land kollabiert.

In einem wilden Textsortenmix mit dramatisierter

Fiktion, Faktenstakkato und Experteninterviews

führen die Autoren vor: Krankenhäuser und Pfle-

geeinrichtungen, die Gastronomie, Reinigungs-

dienste, die Automobilindustrie – ganze Branchen

brechen zusammen. Die Einführung von Zwangs-

regimen wird die einzige Mög-

lichkeit, überlebenswichtige

Sektoren mit Arbeitskräften

zu versorgen. Nicht der viel-

beschworene soziale Frieden

stellt sich ein, sondern ein bür-

gerkriegsähnlicher Zustand.

Multinationale Unternehmen,

ausländische Banken und Ak-

tiengesellschaften ziehen sich

zurück. Die Folge: Kapitalman-

gel und Börsencrash. Die Brut-

toinlandsproduktion schrumpft

um bis zu 200 Milliarden Euro,

das Steueraufkommen um 50

Milliarden. Irreparable Schäden für Volkswirtschaft

und öffentliche Kassen wären die Folge.

Die Autoren rechnen vor: Zwar ist das Steuerauf-

kommen von Menschen ohne deutschen Pass sta-

tistisch gesehen geringer, doch beziehen sie auch

weniger Transferleistungen: „Von den Migranten

sind im Durchschnitt mehr Menschen produktiv als

von den alteingesessenen Deutschen.“ Mit vielen

Fakten wie diesen hat das Buch stellenweise das

Zeug zum Anti-Sarrazin. Andererseits kommt hier

das zweite, größere Problem des Buches zum Tra-

36

ANZEIGEN

gen. Die Konsequenz seiner Versuchsanordnung

geht vorbei an den Forderungen der wohl meisten

„Nationalen“ und Rassisten. Niemand fordert eine

Ausweisung aller schwedischen Staatsbürger.

Ausländer ist nicht gleich Ausländer. Zusätzlich

ist längst der „reine“ Rassis-

mus von einem in Marktka-

tegorien überformt. So kann

selbst der besonders Fremde

ein guter – ein nützlicher –

Ausländer sein, nicht nur,

wenn er gut Fußball spielt.

Und andererseits bleibt der

Türke Türke, auch wenn er

Deutscher ist. Dass die Gräben

in Deutschland längst nicht

mehr entlang der Passgrenze

verlaufen, führen die Autoren

selbst vor. „Die Überraschung

wird groß sein in Deutsch-

land“, schreiben sie. Während die sieben Millio-

nen Ausländer fehlen, werden mehr als acht Mil-

lionen eingebürgerte Migranten zeigen, dass aus

Deutschland kein homogener „Volksstaat“ mehr

werden wird. Das immerhin ist tröstlich. (bp)

Pitt von Bebenburg, Matthias Thieme

Deutschland ohne Ausländer. Ein Szenario

Redline Verlag | 272 Seiten

ISBN 978-3-86881-338-8 | 19,99 Euro

bodo verlost 2 Exemplare (s.S. 21)

Page 37: bodo Juli 2012

37

Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!

RÄTSEL | von Volker Dornemann

Fehlersuchbild – Lösung:

1) König Alexander fragt Dioge-

nes nach einem Punsch statt nach

einem Wunsch, 2) sein Haarreifen

ist gemustert, 3) sein Haar hinten

etwas voller 4) und sein Umhang ist

ein Stück kürzer, 5) Diogenes hat

keine zusammengewachsenen Au-

genbrauen 6) und an seinem Ober-

lippenbart fehlt ein kleines Stück,

7) die mittlere Düne ist spitzer, 8)

am Boden liegt ein Stein mehr, 9)

der Griff des Spatens ist kleiner und

10) beim Schattenwurf fehlt der

Spatengriff ganz.

37

Rätsel-Lösung: KASSIBER

Page 38: bodo Juli 2012

38

„Viele Wege führen nach Witten, doch der schönste ist der Ruhrtalradweg entlang des Flusses”, verheißt die Internetseite der Wabe. Aufgabe und Ziel der „Wittener Ge-sellschaft für Arbeit und Beschäftigungs-förderung” ist die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Men-schen. Zwischen Herdecke und Witten un-terhält die Wabe diverse Einrichtungen, die darüber hinaus ihren Beitrag leisten, die At-traktivität des Naherholungsgebietes an den Ruhrauen zu steigern. bodo hat sich aufs Rad gesetzt. Ein Ausflugstipp.

seen, Gärten und Biotope. Ein Ballungsraum an

Sehenswürdigkeiten. Wer die Offerten nutzen

will, muss auch mal Pause machen. Eine ausge-

sprochen schöne Gelegenheit bietet das Wehr

bei Witten-Herbede, Flusskilometer 69,2. Auf

der linken Seite des Flusses lohnt die Besichti-

gung der Burgruine Hardenstein mit einem go-

tischen Turmhaus aus dem 14. Jahrhundert. In

unmittelbarer Nähe wechselt der Ruhrtalradweg

die Uferseite. Hier betreibt die Wabe ihre promi-

nentesten Projekte: die Ruhrtal-Fähre „Harden-

stein“ und das Preußisch Königliche Schleusen-

wärterhaus als Biergarten. Mitarbeiter der Wabe

bedienen die Fähre als lebendige Brücke; an die

150.000 Fußgänger und Radfahrer nutzen sie in

jeder Saison. Das Erlebnis kostet nicht mehr als

eine freiwillige Spende.

Vis-a-vis der Ruine unterhält die Wabe mit dem

Schleusenwärterhaus eine Außengastronomie an

einem besonderen Relikt der Industrialisierung.

Errichtet wurde der kleine Fachwerkbau im Jahr

1835, die erste Schleusenanlage an dieser Stelle

ermöglichte bereits im 18. Jahrhundert den Gü-

tertransport auf dem Wasserweg. Im ausgehenden

19. Jahrhundert verlor die Anlage ihre Bedeutung.

Zu einem erneuten Ausbau führte der Wunsch,

Ausflugsschiffe auf der Ruhr pendeln zu lassen.

Die mittlerweile ehemalige Schwerindustrieregion

war ins touristische Blickfeld gerückt.

Die Angebote werden angenommen. Von Bord

der Schiffe winken Passagiere, an den Ufern

der Ruhr sind Solisten, Familien und Vereine

unterwegs. Schichten- und altersübergreifend.

Man sieht Riemchenschuh und Wanderstiefel,

Rennrad und Rollator, Hightech- und Holland-

rad. Und alle, die Platz am renovierten Schleu-

senwärterhäuschen nehmen, werden gut und

preiswert versorgt. Unter schattenspendenden

Bäumen gibt es Kaffee für 1,- und Kuchen für

2,- Euro, Salate, Pommes, Gegrilltes und Flamm-

kuchen. Zum Preis von 6,- Euro, ein Glas Wein

inklusive, wird letzterer in zwei Varianten an-

geboten: klassisch oder vegetarisch.

Manchmal, im Rahmen gelegentlich stattfinden-

der Veranstaltungen, kommt sogar Volksfeststim-

mung auf. Am 19. August zum Beispiel wird ein

Bundesliga-Triathlon Station an der Schleuse ma-

chen. Dann werden, um alle Gäste versorgen zu

können, Zelte und Pavillons aufgestellt. Neu in

diesem Jahr ist das Chillen am Schleusenwärter-

haus. Von Donnerstag bis Samstag, zwischen 18

und 21.30 Uhr, arbeiten Schüler und Studenten

im Service, es gibt eine erweiterte Speisekarte

und chillige Musik für die Abendstunden. Die

Betriebszeiten richten sich in aller Regel nach

denen der Fähre. Die „Hardenstein“ pendelt in

den Sommermonaten von 9 bis 21 Uhr. Wetterun-

abhängig. Der Biergarten bleibt bei Regen aller-

dings geschlossen. (wk)

Königliches SchleusenwärterhausInsel 1 | 58456 Witten

www.ruhrtalservice.de/bewirten-und-bewegen

April / Oktober: Mo. – So. 10 – 18 Uhr

Mai / Sept.: Mo. – So. 9 – 19 Uhr

Juni / Juli / August: Mo. – So. 9 – 21 Uhr

Pause machen in Witten

Königliches Schleusenwärterhaus

38 BODO GEHT AUS | von Wolfgang Kienast | Fotos: Markus Gierse

In Deutschland gibt es mehr als 200 Radfernwege.

Damit Radler den Überblick behalten, werden die-

se regelmäßig vom ADFC (Allgemeiner Deutscher

Fahrrad-Club) getestet. Nur drei Strecken können

bislang mit der Bestnote von fünf möglichen Punk-

ten für sich werben. Vier Punkte wurden 2010 dem

Ruhrtalradweg verliehen. Ein verdientes Kompli-

ment für die rund 230 Kilometer lange Trasse zwi-

schen Quelle und Mündung. Und – nichts gegen das

Sauerland, es hat unbestreitbar seine Reize – nicht

wenige halten den Landstrich rechts und links der

Ruhr bei Witten für den schönsten und spannends-

ten Abschnitt am Fluss.

Historische Ortskerne, Herrenhäuser und Ruinen,

Denkmäler der frühen Industriegeschichte, Mu-

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CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann

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bodo dankt: Sparkasse Bochum Sabine Raddatz, Jochen Otto Ley, Petra Danielsen-Hardt, Petra Schaeckermann, Silke Harborth, Dolf Mehring, Timo Zimmermann, Doris Buderus, Harald Gering, Ute Soth-Dykgers, Annette Düe, Herbert Schwittay, Theater Fletch Bizzel, Olaf Jaekel, VKK Dortmund Creatickreis Petri Nicolai, Oliver Stiller, Carsten Piel, Brigitta Goetz, Johannes Syre, Dr. Rinnert Siemssen, Volker Schaika, Christa Janke, Kathrin Bohr, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Chris-tina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Mari-anne Linnenbank, Klara Lehmann, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Ge-ers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Rich-ter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Otfried Ladwig, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schro-eder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barba-ra Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bonbardt, Das Grafikhaus/O. Schäfer, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goral-ski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheu-er, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Heike Pannitz, Frank Siewert, Ilona Zarnow-ski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rü-diger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Thorsten Matern, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Else Stockert, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Ha-ring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wort-mann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel

bodo sichtbar machenUnser gemeinnütziger Buchladen, Straßenmagazin, Verwaltung, Umzugsunternehmen – alles unter einem Dach.

Wir sind rundum glücklich mit dem neuen Vereinssitz am Dortmunder Schwanenwall.

Doch etwas fehlt. Als nach dem Umzug unser Budget aufgebraucht war, war klar: Für die Außenwerbung reicht

es zurzeit nicht. Nun überzeugen wir lieber mit den Erfolgen unserer Arbeit als mit schriller Werbung, aber

sichtbarer zu sein würde uns doch sehr helfen. Damit Menschen, die zu uns möchten, uns auch finden, bitten

wir um Ihre Mithilfe. 1.000 Euro fehlen, damit dieser – wie wir finden: richtig schöne – Entwurf für eine pas-

sende Außenwerbung am Schwanenwall Wirklichkeit werden kann. Mehr auf www.bodoev.de.

Sparkasse Dortmund | BLZ 440 501 99 | Konto-Nr. 104 83 76

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