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676 A. Ragheb, W. Machu u. W. H. Boctor: Beitrag zur Theorie des Bleiakkumulators ren Zehnerpotenzen erhoht. Wahrend bei 750 und 850' C im allgemeinen die Zunderkonstante bis zu Wasserdampf- gehalten von 70 % und mehr stetig ansteigt, wird dagegen bei 950 und 1050' C haufig bei bereits geringeren Wasser- dampfgehalten ein Grenzwert der Oxydationsgeschwin- digkeit erreicht. Khnlich wie Wasserdampf wirken Zu- gaben von Kohlendioxyd zum Sauerstoff. Metallographische Untersuchungen der Zunderschichten zeigten, dafl die an der Grenze Metall/Zunder befindliche Eisensilikatschicht bei Gegenwart von Wasserdampf oder Kohlendioxyd in der Gluhatmosphare stark aufgelockert und in eine Wiistiomatrix eingebettet wird. Ferner wird der innere Teil der Zunderschicht stark porig. Vor Beginn der Oxydation auf der Metalloberflache aufgebrachte Mar- lrierungen werden nach der Oxydation an der Grenze Eisensilikat/Wustit bzw. (Eisensilikat + Wiistit)/Wustit gefunden. Zur Deutung der Beobachtungen wird ein Mechanismus vorgeschlagen, na& dem bei der Oxydation in wasser- dampf- oder kohlendioxydhaltigen Gasen in den Poren nahe der Metall/Oxyd-Grenze ein H,/H,O- bzw. CO/CO,-Gemisch entsteht, das Sauerstd uber die Gas- phase vom Wustit zur Metalloberflache transportiert. Hierdurch wird eine Oxydneubildung unmittelbar auf der Metalloberflahe moglich, wodurch einmal als Folge von Flieflbehinderungen der Zunderschicht auftretende Obertrittshemmungen an der Grenze MetallJOxyd ab- gebaut und zum anderen die Silikatteilchen in eine Wiistit- matrix eingebettet werden. (Eingegangen: 14. 12. 1964) Anschrift: Dr. rer. nat. Alfred Rahmel i. Hs. Mannesmann- Forschungsinstimt GmbH. 41 Duisburg-Huckingen, Postfach 67 SchriRtum: 1. A. Rahmel und J. Tobolski: Corr. Sci. 5 (1965) 333146. 2. L. B. Pfeil: J. Iron Steel Inst. 119 (1929) 501160. 3. A. M. Portevin, E. PrCtet und H. Jolivet: Rkv. Metallur- gie 31 (1936) 101115, 186194 und 219136; J. Iron Steel Inst. 130 (1934) 219171. 4. E. Scheil und K. Kiwit: Arch. Eisenhuttenwes. 9 (1936) 405146. 5. G. Bandel: Arch. Eisenhuttenwes. 13 (1941/42) 271184. 6. J. W. Evans und S. K . Chatterji: J. Electrochem. SOC. 7. N. G. Schmahl, H. Baumann und H . Schenck: Arch. 8. N. G. Schmahl, H. Kiippersbusch und H. Schenck: Arch. 106 (1959) 860/70. Eisenhuitenwes. 30 (1959) 267173 und 41516. Eisenhuttenwes. 34 (19631 115123. 9. H. Schpck und k. Kkppersbusch: Stahl u. Eisen 83 (1963) 154162. 10. C. W. ~ Twk: First International Congress on Metallic Corrosion (London: 1961; Butterworths) S. 221131. 11. A. U. Seybold und E. -J. Allessandrini: Trans. AIME 12. A. U. Seubold: Trans. AIME 215 [1959\ 75619. 212 (1958) 50719. 13. C. L. Clark: Trans. ASME 64 (1942) 3i3. 14. J. A. Rohrig, R. M. van Duzer und C. H . Fellows: Trans. 15. A. Rahmel: Mitt. VGB, H. 74 (1961) 319132. 16. J. F. Cordes: Chem.-1ng.-Techn. 30 (1958) 34216. 17. W. Morawitz: 2. Electrochem. 57 (1953) 539148. 18. N. A . Burley und J. J. Dale: Metallurgia 65 (1962) 19. A . Rahmel: Z. Elektrochem. 66 (1962) 36317. 20. G. Tammann: Z. anorg. allg. Chem. 111 (1920) 78189. 21. N. B. Pdlina und R. E. Bedworth: 1. Inst. Metals 29 ASME 66 (1944) 277190. 20314. (1923) 52919r. LI 22. A. Rahmel. W. Ianer und R. Korn: Arch. Eisenhutten- wes. 34 (1,963) 279150. Eisenhuttenwes. 30 (1959) 34519. Metals und Alloys, 2. Ed. (London: 1962) S. 235. (1952) 1070. 23. N. G. Schmahl, H. Baumann und H . Schenck: Arch. 24. vgl. 0. Kubaschewski und B. E. Hopkins: Oxidation of 25. W. Batz, H. W. Mead und C. E. Birchenall: J. Metals 4 Beitrag zur Theorie des Bleiakkumulators Von A. Ragheb, W. Machu und W. H. Boctor, Wien/Osterreich In der einschlagigen Fachliteratur (1 bis 4) werden die elektrochemischen Vorgange, die an der Anode und Kathode im Bleiakkumulator vor sich gehen, im all- gemeinen kurz wie folgt dargestellt: An der Anode wird vorerst das Blei unmittelbar in Bleisulfat umgewandelt, das dann bei weiterer anodischer Behandlung bei Potentialen von uber 2 V in Bleidioxyd ubergefuhrt wird. Bei der kathodischen Reduktion gehen diese Vorgange dann in umgekehrter Richtung vor sich. Gelegentlich der Untersuchung des anodischen und kathodischen Verhaltens von Bleielektroden in verdunn- ter Schwefelsaure haben wir diese Vorgange bei Anwen- dung hoherer Stromdichten bestatigen konnen. Wir haben jedoch gefunden, dafl auch noch Fin weiterer Vorgang an beiden Bleielelrtroden stattfindet, der der direkten Reak- tion von gelosten Bleiionen zuzuschreiben ist. Dieser Vor- gang ist jedoch wegen der niedrigen Konzentration von freien Bleiionen in verdunnter Schwefelsaure wegen der geringen Loslichkeit von Bleisulfat in dieser Losung nicht sehr scharf ausgepragt. Er kann, wie hier bereits bemerkt sei, nur bei einem sehr langsamen Verlauf der Vorgange deutlich sichtbar gemacht werden, fur welchen Zweck sehr kleine Stromdichten besonders geeignet sind. Strom- starken von etwa 1 mA/cm2 sind bereits zu hoch. Werden hohere Stromdichten als etwa 1 mA/cmz angewendet, dann wird der Vorgang der direkten Oxydation, bzw. Reduktion von freien Bleiionen durch andere, rascher verlaufende Vorgange uberdeckt. Dieses Verhalten ist wahrscheinlich der Grund dafur, dafl in den hier an- gefuhrten Arbeiten (1-4) die von uns beobachteten Haltepunkte im Verlaufe der Potential-Zeit-Kurven, die den Reaktionen der freien Bleiionen zuzuschreiben sind, bisher nicht beobachtet wurden. Die Bildung von freien Bleiionen aus Blei, selbst an der passiven, mit Bleidioxyd bedeckten Bleielektrode ist jedoch, wie noch gezeigt wer- den wird, fur das Verstandnis des Formierungsvorganges Werlrstoffe und Korrosion

Beitrag zur Theorie des Bleiakkumulators

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Page 1: Beitrag zur Theorie des Bleiakkumulators

676 A. Ragheb, W. Machu u. W. H. Boctor: Beitrag zur Theorie des Bleiakkumulators

ren Zehnerpotenzen erhoht. Wahrend bei 750 und 850' C im allgemeinen die Zunderkonstante bis zu Wasserdampf- gehalten von 70 % und mehr stetig ansteigt, wird dagegen bei 950 und 1050' C haufig bei bereits geringeren Wasser- dampfgehalten ein Grenzwert der Oxydationsgeschwin- digkeit erreicht. Khnlich wie Wasserdampf wirken Zu- gaben von Kohlendioxyd zum Sauerstoff.

Metallographische Untersuchungen der Zunderschichten zeigten, dafl die an der Grenze Metall/Zunder befindliche Eisensilikatschicht bei Gegenwart von Wasserdampf oder Kohlendioxyd in der Gluhatmosphare stark aufgelockert und in eine Wiistiomatrix eingebettet wird. Ferner wird der innere Teil der Zunderschicht stark porig. Vor Beginn der Oxydation auf der Metalloberflache aufgebrachte Mar- lrierungen werden nach der Oxydation an der Grenze Eisensilikat/Wustit bzw. (Eisensilikat + Wiistit)/Wustit gefunden.

Zur Deutung der Beobachtungen wird ein Mechanismus vorgeschlagen, na& dem bei der Oxydation in wasser- dampf- oder kohlendioxydhaltigen Gasen in den Poren nahe der Metall/Oxyd-Grenze ein H,/H,O- bzw. CO/CO,-Gemisch entsteht, das Sauers td uber die Gas- phase vom Wustit zur Metalloberflache transportiert. Hierdurch wird eine Oxydneubildung unmittelbar auf der Metalloberflahe moglich, wodurch einmal als Folge von Flieflbehinderungen der Zunderschicht auftretende Obertrittshemmungen an der Grenze MetallJOxyd ab- gebaut und zum anderen die Silikatteilchen in eine Wiistit- matrix eingebettet werden.

(Eingegangen: 14. 12. 1964) Anschrift: Dr. rer. nat. Alfred Rahmel i. Hs. Mannesmann- Forschungsinstimt GmbH. 41 Duisburg-Huckingen, Postfach 67

SchriRtum: 1. A. Rahmel und J. Tobolski: Corr. Sci. 5 (1965) 333146. 2. L. B. Pfeil: J. Iron Steel Inst. 119 (1929) 501160. 3. A. M. Portevin, E . PrCtet und H . Jolivet: Rkv. Metallur-

gie 31 (1936) 101115, 186194 und 219136; J. Iron Steel Inst. 130 (1934) 219171.

4. E. Scheil und K . Kiwit: Arch. Eisenhuttenwes. 9 (1936) 405146.

5. G. Bandel: Arch. Eisenhuttenwes. 13 (1941/42) 271184. 6. J. W. Evans und S. K . Chatterji: J . Electrochem. SOC.

7. N. G. Schmahl, H . Baumann und H . Schenck: Arch.

8. N. G. Schmahl, H . Kiippersbusch und H . Schenck: Arch.

106 (1959) 860/70.

Eisenhuitenwes. 30 (1959) 267173 und 41516.

Eisenhuttenwes. 34 (19631 115123. 9. H. Schpck und k. Kkppersbusch: Stahl u. Eisen 83

(1963) 154162. 10. C. W. ~ T w k : First International Congress on Metallic

Corrosion (London: 1961; Butterworths) S. 221131. 11. A . U . Seybold und E . -J. Allessandrini: Trans. AIME

12. A. U. Seubold: Trans. AIME 215 [1959\ 75619. 212 (1958) 50719.

13. C. L. Clark: Trans. ASME 64 (1942) 3 i3 . 14. J . A . Rohrig, R . M. van Duzer und C. H . Fellows: Trans.

15. A . Rahmel: Mitt. VGB, H . 74 (1961) 319132. 16. J. F . Cordes: Chem.-1ng.-Techn. 30 (1958) 34216. 17. W. Morawitz: 2. Electrochem. 57 (1953) 539148. 18. N. A . Burley und J. J . Dale: Metallurgia 65 (1962)

19. A . Rahmel: Z. Elektrochem. 66 (1962) 36317. 20. G. Tammann: Z. anorg. allg. Chem. 111 (1920) 78189. 21. N. B. Pdlina und R . E . Bedworth: 1. Inst. Metals 29

ASME 66 (1944) 277190.

20314.

(1923) 52919r. LI

22. A. Rahmel. W. Ianer und R . Korn: Arch. Eisenhutten- wes. 34 (1,963) 279150.

Eisenhuttenwes. 30 (1959) 34519.

Metals und Alloys, 2. Ed. (London: 1962) S. 235.

(1952) 1070.

23. N. G. Schmahl, H . Baumann und H . Schenck: Arch.

24. vgl. 0. Kubaschewski und B. E . Hopkins: Oxidation of

25. W. Batz, H . W . Mead und C. E . Birchenall: J . Metals 4

Beitrag zur Theorie des Bleiakkumulators Von A. Ragheb, W. Machu und W. H . Boctor, Wien/Osterreich

In der einschlagigen Fachliteratur (1 bis 4) werden die elektrochemischen Vorgange, die an der Anode und Kathode im Bleiakkumulator vor sich gehen, im all- gemeinen kurz wie folgt dargestellt:

An der Anode wird vorerst das Blei unmittelbar in Bleisulfat umgewandelt, das dann bei weiterer anodischer Behandlung bei Potentialen von uber 2 V in Bleidioxyd ubergefuhrt wird. Bei der kathodischen Reduktion gehen diese Vorgange dann in umgekehrter Richtung vor sich.

Gelegentlich der Untersuchung des anodischen und kathodischen Verhaltens von Bleielektroden in verdunn- ter Schwefelsaure haben wir diese Vorgange bei Anwen- dung hoherer Stromdichten bestatigen konnen. Wir haben jedoch gefunden, dafl auch noch Fin weiterer Vorgang an beiden Bleielelrtroden stattfindet, der der direkten Reak- tion von gelosten Bleiionen zuzuschreiben ist. Dieser Vor- gang ist jedoch wegen der niedrigen Konzentration von freien Bleiionen in verdunnter Schwefelsaure wegen der

geringen Loslichkeit von Bleisulfat in dieser Losung nicht sehr scharf ausgepragt. Er kann, wie hier bereits bemerkt sei, nur bei einem sehr langsamen Verlauf der Vorgange deutlich sichtbar gemacht werden, fur welchen Zweck sehr kleine Stromdichten besonders geeignet sind. Strom- starken von etwa 1 mA/cm2 sind bereits zu hoch. Werden hohere Stromdichten als etwa 1 mA/cmz angewendet, dann wird der Vorgang der direkten Oxydation, bzw. Reduktion von freien Bleiionen durch andere, rascher verlaufende Vorgange uberdeckt. Dieses Verhalten ist wahrscheinlich der Grund dafur, dafl in den hier an- gefuhrten Arbeiten (1-4) die von uns beobachteten Haltepunkte im Verlaufe der Potential-Zeit-Kurven, die den Reaktionen der freien Bleiionen zuzuschreiben sind, bisher nicht beobachtet wurden. Die Bildung von freien Bleiionen aus Blei, selbst an der passiven, mit Bleidioxyd bedeckten Bleielektrode ist jedoch, wie noch gezeigt wer- den wird, fur das Verstandnis des Formierungsvorganges

Werlrstoffe und Korrosion

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von Bleianoden sehr wesentlich. Nachstehend sol1 kurz uber die Ergebnisse unserer Untersuchungen von Blei- elektroden in verdunnter Schwefelsaure bei sehr niedrigen Stromdichten berichtet werden.

Versuchsmethodik Die angewandte Versuchsmethodik bestand im wesent-

lichen darin, dai3 zylindrische Bleianoden aus chemisch reinem Blei der Reinheit 99,9937 Pb ‘)), rnit einem Quer- schnitt von 0,54 cmz in der von W. J . M u l h und W. M a c h (5) beschriebenen Form der geschutzten Elek- troden benutzt wurden. Bei dieser Anordnung ist die Bleioberflache horizontal gelagert. Sie wird von einem einige mm vorstehenden Gummischlauch uberragt, so dai3 an der Bleioberflache keine storenden Konvektionen statt- finden konnen. Als zweite Elektrode wurde, falls er- forderlich, Platin verwendet.

Die Vorbereitung der Bleianoden bestand darin, dai3 diese zuerst mit mehreren Sorten von Schmiergelpapier zunehmenden Feinheitsgrades geschliff en und poliert wur- den. Sie wurden dann mit Filterpapier abgewischt, um feinverteiltes metallisches Blei und Schleifkorner zu ent- fernen. Nach dem Zusammensetzen zur geschutzten Elek- trode wurden sie in die verdunnte Schwefelsaurelosung eingebracht und je nach den Versuchsbedingungen fur eine bestimmte Zeit bei einer bestimmten Stromstarke katho- disch behandelt. Die auf der Bleioberflache nach der Reduktion allenfalls vorhandenen Wasserstoffblaschen wurden mit einem Gummiwischer entfernt. Die verwen- deten Losungen waren nicht entliiftet, und es wurden auch keine Vorkehrungen zur Fernhaltung des Sauer- stoff es der Lufi getroff en.

Bei der Ermittlung der Potential-Zeit-Kurven wurde eine Anordnung benutzt, welche die Konstanthaltung des polarisierenden Stromes ermoglichte. Die zeitliche Ande- rung des Potentials der Bleielektroden wurde rnit Hilfe eines Tinsley-Potentiometers verfolgt. Als Bezugselek- trode wurde eine gesattigte Kalomel-Elektrode verwen- det. Die angegebenen Potentiale sind auf die Wasser- stoffelektrode als Nullelektrode bezogen.

Zur Verminderung der Diffusionsstromung wurde eine Agar-Agar-Natriumnitrat-Salzbrucke zur Verbindung der Bleielektroden mit der Kalomel-Elektrode benutzt. Die Bleielektroden befanden sich in einem Becherglas, und dieses wieder in einem Thermostaten, dessen Temperatur auf f O,I0 C konstant gehalten werden konnte.

Ergebnisse der Potentialmessungen Um die elektrochemischen Vorgange an den Bleielek-

troden verfolgen zu konnen, wurde der zeitliche Verlauf des Potentials bei gleichzeitiger anodischer Polarisierung bei sehr kleinen, konstant gehaltenen Stromen ermittelt. Fur die verschiedenen Versuche wurde die Stromdichte zwischen den Werten 0,17 und 0,93 mAlcm2 geandert. Wie die Abb. 1 erkennen 1&, wurde sowohl bei niedrigen als auch bei hoheren Stromdichten ein gleichartiger Ver- lauf der Potential-Zeit-Kurven erhalten, zumindest was den Anstieg des Potentials betria. Das Potential steigt

’:) Dieses Blei wurde uns freundlicherweise von der Fa. Boliden Mining Co., Bolidens Gruwaktiebolaget, Schweden, zur Ver- fiigung gestellt.

nach dem Einschalten des Stroms anfanglich leicht an und wird bei einem Wert von -0,25 V praktisch kon- stant. Dieser Wert entspricht off ensichtlich dem Poten- tialwert E, des Systems Pb/PbSO,, der nach W. M. La- timer ( 6 ) -0,36 V betragt. Durch statische Potential- messungen wurde von uns in 3 n H,SO, fur dieses System ein Wert von -0,237 V erhalten.

Dieser etwas positivere, von uns gemessene Wert ist vermutlich darauf zurudrzufuhren, dai3 die von uns an- gewendete Vorbehandlung der Bleielektroden noch nicht zu einer vollig von Oxyd,en und Sulfaten freien Blei- oberflache gefuhrt hat. Dieser Zustand ist aber repro- duzierbar gewesen. Wie bei der Erorterung des katho- dischen Reduktionsvorganges noch gezeigt werden wird, ist auch der Endwert des Potentiales des Bleis nach der Reduktion der gleiche gewesen wie am Anfang der Ver- suche, namlich - 0,27 V.

Aus dem Verlauf der Potential-Zeit-Kurve kann ge- schlossen werden, dai3 die erste Stufe der elektro- chemischen Vorgange an der Bleielektrode bei anodischer Polarisierung tatsachlich der Bildung von Bleisulfat an der Bleioberflache entspricht.

1st die Bleianode praktisch vollstandig mit Bleisulfat bedeckt, dann wird an ihr der Zustand der Passivitat er- reicht. Dieser Schritt ist mit einem starken und schnelleu Anstieg des Potentiales auf Werte von + 2,O V verbun- den. Es findet nun die auch visuell beobachtbare Um- wandlung der weigen, passivierenden Deckschicht von Bleisulfat in eine dunkelbraun gefarbte Dedrschicht von Bleidioxyd statt. Mit dem Fortschreiten dieser Umwand- lung fallt das Potential etwa auf einen Wert von + 1,8 V ab, bei welchem es etwa 30 min lang konstant bleibt (Kurve b). Die Umwandlung von Bleisulfat in Bleidioxyd geht nach folgender Gleichung vor sich:

PbSO, + 2 H,O = PbO, + SO,” + 4 H’ + 2 e. Nach Latimer (6) entspricht diesem Vorgang ein

thermodynamisches Gleichgewichtspotential von + 1,69 V. Dieser Wert stimmt mit unseren Versuchsergebnissen gut uberein. Bei niedrigen Stromdichten (Kurve b, 0,17 mA/ cmz) tritt nach einer gewissen Zeit, die von der angewen- deten Stromdichte abhangt, aber nochmals ein Absinken des Potentiales auf einen Wert von etwa + 1,6 V ein. Auf diesem Wert bleibt das Potential wieder langere Zeit (60 min) konstant, ohne dai3 eine Bildung von Sauerstoff- blaschen zu beobachten ware. Die Sauerstoffentwicklung erfolgt bei konstant gebliebenem Potentialwert bei nied- rigen Stromdichten erst nach etwa 140 min.

Bei der hoheren Stromdichte von 0,97 mA/cm2 (Kurve a) wird der Potentialwert von + 1,6 V aber nicht erreicht. Es findet vielmehr bei Potentialen uber oder um + 2,0 V bereits fruher eine Sauerstoffentwicklung statt. Die Anwendung hoherer Stromdichten ist vermutlich der Grund dafur, dai3 in der einschlagigen Fachliteratur (1-4) auch neueren Datums das von uns beobachtete Absinkeii des Potentialwertes auf + 1,6 V nicht erwahnt ist.

Sehr wahrscheinlich entspricht der von uns ermittelte Potentialwert von + 1,6 V dem Vorgang der direkten Oxydation von Bleiionen zu Bleidioxyd, wobei die Blei- ionen innerhalb der Poren der Bleidioxydschicht durch anodische Auflosung von Bleimetall gebildet werden. Der Oxydationsvorgang verlaufi nach folgender Gleichung:

Pb++ + 2 H,O = PbO, + 4 H+ + 2e. Nach Latimer (6) geht ein solcher Vorgang bei einem

Potential von + 1,5 V vor sich. Dieser Wert stimmt rnit

Jahrgang 1965 Heft 8

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> 3 0 8 - 5 06 2 0 4

dem von uns bei sehr niedrigen Stromdichten experimen- tell gefundenen Werten fur den zweiten Potentialabfall gut uberein.

Der Auflosungsvorgang von metallischem Blei in den Poren der Deckschicht aus Bleidioxyd wird dadurch be- gunstigt, dai3 die durch Umwandlung der Bedeckung aus Bleisulfat in Bleidioxyd entstandene Deckschicht wesent- lich poroser ist als die Deckschicht aus Bleisulfat. Dies konnte von uns eindeutig bei der Untersuchung des anodischen Verhaltens von Blei in verdiinnter Schwefel- saure gezeigt werden (7).

Bei der nur wenig hoheren Stromdichte von 0,93 mA/cm2 (Kurve a) ist, wie bereits oben erwahnt wurde, dieser zweite Abfall des Potentiales von + 1,s V auf + 1,6 V nicht mehr sichtbar. Viefmehr findet bei dieser hoheren Stromdichte statt eines Absinkens des Potentials mit der Zeit ein leichter Potentialanstieg statt. Die Entwicklung von Sauerstoff tritt auch nicht erst nach 140 min, sondern bereits nach 24 min ein, vom Einschalten des Stromes an gerechnet. Bei der hoheren Stromdichte von 0,93 mA/cm2 wurde die Passivitat, erkennbar am starken Potential- anstieg bereits nach 3 min erreicht, verglichen mit 44 min bei 0,17 mA/cm2. Dieser starkeren Beschleunigung aller elektrochemischer Vorgange an der Bleielektrode bei hohe- ren Stromdichten ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, da8 der Potentialabfall auf + 1,6 V nicht mehr sichtbar wird. Bemerkt sei no&, dai3 im Zustande der Sauerstoffent- wicklung die Bleioberflache infolge der Bildung von Blei- dioxyd dunkelbraun gefarbt ist.

Die Anwendung niedrigerer Stromdichten erwies sich auch bei der Untersuchung des kathodischen Reduktions- vorganges von Bleidioxyd zu Bleisulfat und Blei als sehr aufschlufireich. Vorerst wurde zur Bildung eines mog- lichst dicken Oberzuges von Bleidioxyd die Bleianode stufenweise anodisch oxydiert, und zwar nach dem Polieren und kathodischen Reduzieren fur 2 min bei 4 mA/cm2 in der folgenden Weise:

Es wurde anodisch bei 0,5 mA/cmz fur 2 min behandelt, dann bei 0,s mA/cm2 fur 3 min, und schliefilich bei 6 mA/cm2 wahrend 5 min. Es trat bereits eine deutliche Sauerstoff entwicklung auf. Hierauf wurde bei einer kon- stant gehaltenen Stromdichte von 0,56 mA/cm2 katho-

-

02- Elaschenauf der Anode 02-Entwicklunq

noch keine 0,-Blaschen

f

" ' C I a I -0 2- -0.41 j , ~, , , , , , , , , , , -0.6

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28IKurveal

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1001101201301401Kurvebl rn Zeii min

Abb. 1 . Potentiaf-Zeit-Kurven fiir Bleianoden in 3 .-%SO, Kurve (a) bei einer Stromdichte von 0,93 mA/cm2, Kurve (b) bei einer

Stromdichte von 0,17 mA/cm*

disch behandelt. Der zeitliche Verlauf des Potentials an der so vorbehandelten Elektrode ist in der Abb. 2 wieder- gegeben. Wie ersichtlich, treten 3 deutliche Haltepunkte im Potentialverlauf vor einer Wasserstoffentwicklung auf, und zwar bei + 1,7, bei - 0,12 und bei - 0,27 V. Die Wasserstoff entwicklung findet nach einem erneuten Ab- fall des Potentials erst bei etwa - 0,9 V statt. Hervorzu- heben ist, dai3 die mittlere Potentialstufe von -&I2 V in den fruheren Arbeiten (1-4) gleichfalls nicht beschrie- ben ist, wahrscheinlich aus dem gleichen Grunde wie dies fur den von uns beobachteten Potentialwert von + 1,6 V bei der anodischen Behandlung angegeben wurde, nam- lich infolge der Verwendung von zu hoher Stromdichte.

Tatsachlich werden bei Verwendung von hoheren Stromdichten in der Groi3enordnung von nur 1 mA/cm2 diese Haltepunkte des Potentials bei + 1,6 V, bzw. -0,12 V, bereits so stark verwischt, dai3 sie der Be- obachtung entgehen.

Bemerkt sei auch noch, dai3 die Potential-Zeit-Kurven fur die kathodische Reduktion von Bleianoden in Ge- mischen von Schwefelsaure und Perchlorsaure praktisch den gleichen Verlauf wie in reinen Schwefelsaurelosungen zeigen (7).

Auf Grund unserer Untersuchungen des Verhaltens des Bleis in verdunnter Schwefelsiiure bei anodischer und kathodischer Behandlung bei sehr niedrigen Stromdichten verlauft die Reduktion des Bleidioxydes in verdunnter Schwefelsaure wie folgt:

Zuerst wird das Bleidioxyd beimpotential von + 1,7 V fur das System PbO,/PbSO, in Bleisulfat umgewandelt. Sobald diese Umwandlung beendet ist, fallt das Poten- tial auf einen Wert von -0,12 V ab, bei welchem die in der Losung auf Grund des Loslichkeitsproduktes von Bleisulfat vorhandenen, freien Bleiionen zu metallischem Blei reduziert werden. In diesem Zustand kann die Elek- trode als eine Pb/Pb++-Elektrode betrachtet werden. Die- ses Potential wird durch die Aktivitat der Bleiionen ge- geben, die ihrerseits durch das Loslichkeitsprodukt von Bleisulfat bestimmt werden (0. Gutty und E. C. R. Spooney [ 81). Das thermodynamische Pb/Pb++-Potential betragt nach Latimer (6) -0,126 V. Dieser Wert stimmt sehr gut mit dem von uns ermittelten Haltepunkt in der Potential-Zeit-Kurve bei - 0,12 V uberein.

Die Reduktion der Bleiionen zu metallischem Blei an der Elektrodenoberflache fuhrt sodann zu einer Ver- armung von Bleiionen und das Potential fallt dann weiter zu dem bekannten Werte fur den Potentialsprung im System BleiiBleisulfat ab.

EinfluB der Formierungsart auf die KapazitIt von Blei- anoden Durch di,e Form~i~erung trachtet man bekanntlich, die

aktive Oberflache der Bleielektrode im Bleiakkumulator zu vergroflern, wobei diese Formierung in einer wieder- holten anodischen Oxydation und kathodischen Reduk- tion der Bleielektroden besteht. Dabei geht die Umwand- lung des Bleis an der Anode, wie bereits erwahnt, haupt- sachlich uber die primare Bildung von Bleisulfat und Bleidioxyd aus Blei, an der Kathode von Bleidioxyd zu Bleisulfat und Blei vor sich. Nach unseren vorstehend be- schriebenen Messungen des zeitlichen Potentialverlaufs bei niedrigen Stromdichten findet aber auch noch ein wei- terer Vorgang statt, namlich die direkte Oxydation von

Werkstoffe und Korrosion

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Bleiionen zu Bleidioxyd (bei einem Potentialwerte von 4- 1,6 V) und die Reduktion von Bleiionen zu metalli- schem Blei bei einem Potential von - 0,12 V.

Von diesen beiden Vorgangen ist insbesondere die direkte Oxydation von Bleiionen zu Bleidioxyd auch an der passiven, bereits mit Bleidioxyd bedeckten Anode fur den Formierungsvorgang von Bedeutung. Nehmen wir an, daB die aktive Bleioberflache nur durch das deck- schichtfreie Blei gegeben sein sollte, das primar aus der Bleioberflache durch Umwandlung von Blei zu Bleisulfat, dann von diesem zu Bleidioxyd und wieder zuriick uber Bleisulfat zu Blei entstanden war. Es hatte dann keine VergroBerung der aktiven Bleioberflache festgestellt wer- den konnen, wenn immer nur die gleiche Bleimenge oxydiert und reduziert worden ware, denn die Menge des aktivenBleis wiirde sich bei diesen Vorgangen nicht andern. Tatsachlich wird aber eine VergroBerung der aktiven Blei- nienge beim Formierungsvorgang beobachtet, da ja die Kapazitat der formierten Bleielektroden immer gr6Ber wird. Diese Kapazitatszunahme, die einer Vergroflerung der aktiven Bleimenge oder Bleioberflache gleichzusetzen ist, koinmt vorwiegend durch das Blei zustande, das in den Poren der Bleidioxyd-Deckschicht durch anodische Auflosung von metallischem Blei entsteht. Teilweise wird auch aus dem in der Schwefelsaure gelosten Bleisulfat. also aus den in der Losung vorhandenen Bleiionen durch einen Reduktionsvorgang metallisches, aktives und fein- verteiltes Blei niedergeschlagen.

Um zu zeigen, dai3 tatsachlich eine Vergrogerung der Kapazitat der Bleianoden auftritt, wenn diese nicht nur bis zur Bildung von Bleisulfat, sondern von Bleidioxyd unter Sauerstoffentwidrlung behandelt werden, wurden von uns Versuchsreihen ausgefiihrt, bei welchen die Kapa- zitat verschiedenartig vorbehandelter Bleianoden gemes- sen wurde. Als MaB zur Ermittlung der Kapazitat wurde die Passivierungszeit tp herangezogen, die bei der ano- dischen Behandlung einer Bleielektrode in 3 n H,SO, und bei einer bestimmten Anfangsstromdichte gemessen wird. Diese Passivierungszeit wird klein sein, wenn die aktive Bleioberflache klein ist. Mit zunehmender Gro8e der Bleioberflache, also bei steigender Kapazitat der Blei- elektrode, mui3 die Passivierungszeit grader werden, wenn die iibrigen Versuchsbedingungen konstant gehalten wur- den.

Wenn bei der Formierung die Bleimenge und die aktive Bleioberflache gleich geblieben waren, also keine neue Quelle fur Bleiionen und damit zur Bildung von Blei- sulfat und Bleidioxyd auch wahrend der Formierungs- vorgange hinzugekommen ware, dann hatte auch bei wiederholter, mehrmaliger Oxydation und Reduktion eine gleichgroBe, also konstante Passivierungszeit vor- handen sein mussen. Tatsachlich treten jedoch zusatzlich immer neue Anteile der Bleioberflache bei dieser For- mierung in Reaktion, wie aus dem kontinuierlichen An- stieg der Passivierungszeit ersichtlich gemacht werden kann.

U m vergleichbare Versuchsbedingungen zu schaff en, wurde sowohl die Vorbehaadlung, die Oxydation, als auch die Redukaioln stets in gleicher Weise vorgenom- men. Die Bleielektroden wurden zuerst mechanisch mit Schmiergelpapier poliert, mit Filterpapier abgewischt und dann in die geschiitzte Anordniung von Elektroden nach Miil ler-Mach (5) zusammengesetzt. Diese Anoden wurden dam in 3 n-H,SO, kanhodism bei einer Strom-

dichte von 9,26 mA/cm2 genau 2min lang behandelt. Hienauf wurde der Strom unterbrochen und die Elek- trode schwach geschiittelt, um an der Bleioberfliche an- haftende Wasserstoffblhchen zu entfernen. Sodann wurde anadisch bei einer Stromdichte von 9,26 mA/cm2 zur Ermittlung der Passivierungszeit polarisiert ; dann wurde entweder unmittelbar nach Eintritt des passiven Zustandes oder nach den unten naher beschriebenen Zeiten die Deckschicht von Bleisulfat, bzw. Blei- dioxyd mit genau der gleichen Strommenge reduziert, und zwar durch eine 2 min dauernde Behandlung bei einer konstant gehaltenen Stromdichte von 9,26 mA/cm2. Diese kathodische und anodische Behandlung wurde stets in genau der glmeich'en Weise wiedterholt.

Bei der ersaen Versuchsreihe wurde der Strom bei der anodischen Behandlung 'in dem Aulgenblick unter- brochen, in welchem der schnelle Abfall der Strom- starke mftrat, also die Passivitat durch Ausbildung einer Deckschicht von Bleisulfat erreicht worden war. Es trat weder eine Umwandlung von Bleisulfat in Blmeidioxyd, noch auch eine Sauerstoffentwicklung auf, da sofort nach Eintreten ,der Passivitat h r Strom unteobrochen wurde. Ohne die Bleianode aus der verdiinnten Schwefelsaure zu entfernen, wurdie nunmehr sofort bei genau 9,26 mA/cm2 2 rnin lang kathodisch bebandelt. Hierauf wurde bei der gleichen Stromdichte durch elne unmittel- bar anschlieBende, anodische Behandlung die Passivie- rungszeit ermittelt. Wie aus der Kurve a der Abb. 3 ersiichtlich ist, steigt die Passivierunlgszeit von umprung- lich 5 sec innerhalb einer 30maligen Wiederholung die- ses Behandlungszyklusses prakdsch linear auf etwa 65 sec an. Nach 30 Zyklen wird der Anstileg der Passivierungs- zeit langsamer und aach etwa 50 Zyklen ilst diese bei etwa 82 sec iiberhaupt konstant geworden.

Dieser Anstieg der Pasvivierungszeit ist nur mit einem GroBerwerden der aktiven Bleioberflache bei der wieder- holten Oxydation und Reduktion zu erklaren. Das Konstantwerden der Passivierungszeit ist auf die Er-

-12 ' ' ' ' ' ' ' ' I ' 0 5 10 15 20 25 30 35 LO L5

Zeit min

Abb. 2. Potential-&it-Kurven fur eine Bleielektrode bei kathodischer Behandlung in 3 n €&SO, bei einer Stromdidne von 0,56 mAlcrn2

Jahrgang 1965 Heft 8

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reichvng eines konstanten Zuistandes, also eines kon- stanten Wertes der aktiven Bleioberflache, zuruckzu- fuhren.

Die Tatsache, dai3 die erhaltenen Werte jedoch nur relativ auf Grund unserer Versuchsdurchfuhrung zu nehmen sind, geht daraus hervor, dai3 bei einer Verlange- rung der kathodischen Reduktionszeit von 2 min auf 3 min bei der gleichen Stromdichte am Ende des 55. Behand- lungszyklusses die Passivierungszeit von 82 sec auf 102 sec angestiegen war. Dieses Verhalten ist darauf zuruckzu- fuhren, dai3 die bei unserer Versuchsdurchfuhrung an- gewendete, bestimmte Elektrizitatsmenge bei der 2 min dauernden kathodischen Behandlung bei 9,26 mA/cm2 nicht ausreichte, um alles gebildete und vorhandene Blei- sulfat zu Blei zu reduzieren.

Wird nun die passivierende Bleisulfat-Deckschicht auch nach Eintritt der Passivitat noch weiter anodisch be- handelt, wobei eine Umwandlung von Bleisulfat zu Blei- dioxyd erfolgt, und auch eine Sauerstoff entwicklung auf- tritt, dann erfolgt die VergroBerung der aktiven Blei- oberflache oder ihrer Kapazitat rascher und auch wesent- lich leichter. Dieses Verhalten geht aus der Kurve b der Abb. 3 hervor. Bei dieser Versuchsreihe wurde nach dem

la1

oi k Ib 1; 2’0 2’5 3’0 3’5 do IwIoLB3J Zahl der Behandlungszyklen

50 55

Abb. 3. EinfluS der Behandlungszyklen auf die Passivierungszeit von Bleinnoden in 3 n H2S0,

starken Abfall der Stromstarke beim Eintritt der me- chanischen Passivitat durch die Ausbildung der Deck- schicht aus Bleisulfat noch 1 min langer anodisch be- handelt. Es konnte daher Bleidioxyd entstehen, und Sauerstoff entwickelt werden. Die starke Xnderung der Passivierungszeit je Behandlungszyklus bei der Ver- suchsreihe b zeigt, dai3 diese Behandlungsweise bei der Formierung gunstiger ist, um eine starkere Vergroi3erung der Kapazitat der Bleianoden zu erreichen. Der Anstieg der Passivierungszeit je Behandlungszyklus betrug bei der Versuchsreihe der Kurve b 2,7 sec, bei jener fur die Kurve a 2,3 sec. Auch wurde die konstante Passivierungs- zeit bei der Versuchsreihe b bereits nach etwa 30 Behand- lungszyklen erreicht.

Es ergibt sich daher, dai3 die Kapazitat um so groBer wird, je mehr Bleidioxyd sich bilden kann, und je weiter der Oxydationsvorgang, namlich bis zur Sauerstoffent- wicklung, gefuhrt wird. Ungunstiger ist eine Unter- brechung der anodischen Behandlung unmittelbar nach Ausbildung der Bleisulfatdeckschicht ohne Umwandlung derselben in Bleidioxyd. Weiter folgt aber aus diesem

Verhalten, dai3 zusatzlich zu den Bleimengen, die aus Bleisulfat, bzw. dessen Umwandlungsprodukt Bleidioxyd entstanden sind, auch noch eine weitere Quelle fur die Bildung von metallischem Blei in fein verteilter Form vorhanden gewesen sein mu& da ja die Kapazitat der Bleielektroden groi3er geworden war. Diese zusatzliche Bleimenge wird durch jene Bleiionen gebildet, die wah- rend der Verlangerung der Formierungsperiode um 1 min durch anodische Auflosung von Bleimetall in den Poren der Bleidioxydschicht entstanden waren. Es ist dies der Vorgang, den wir bei der anodischen Behand- lung der Bleielektroden bei niedrigen Stromdichten beim Potential von + 1,6 V beobachtet haben.

Noch wirksamer als eine Verlangerung der anodischen Behandlung bis zur Sauerstoffentwicklung in der Ver- suchsreihe fur die Versuche der Kurve b war ein strom- loses Rastenlassen der Bleianode fur eine weitere min (Kurve c). Der Anstieg der aktiven Bleioberflache geht jetzt noch rascher vor sich, wie aus dem steileren Verlauf der Kurve c ersichtlich ist. Fur einen Behandlungszyklus steigt die Passivierungszeit bereits um 3,3 sec an. Sie wird auch bereits nach 10 Behandlungszyklen konstant. Es nimmt daher die Zahl der Zyklen zur Erzielung kon- stanter Werte fur die Passivierungszeit, bzw. entspre- chender aktiver Bleioberflachen, in der Reihung der Be- handlungen von a uber b nach c ab. Sehr wahrscheinlich nimmt der relative Betrag der Oxydationsprodukte und der wahren Bleioberflache mit zunehmender Anzahl der Behandlungszyklen praktisch linear zu, und zwar ain starksten bei der Behandlungsweise c.

Die groi3ere Menge des nicht reduzierten Bleisulfats auf der Bleioberflache im Zustande c ergibt sich auch daraus, dai3 die Passivierungszeiten bei gleicher An- fangsstromdichte in der Reihe a, b und c von 82 auf 69 und sodann 44 sec zuriickgehen.

Der Zustand der - unvollstandigen - Reduktion durch die begrenzte, konstante Elektrizitatsmenge fur die Reduktion wird schneller im Falle der anodischen Oxy- dation von Bleisulfat zu Bleidioxyd, am schnellsten bei nachherigem, stromlosem Rastenlassen, und am lang- samsten bei der Unterbrechung des Oxydationsvorganges bei der Bildung von Bleisulfat erreicht.

Sehr wahrscheinlich besteht der Effekt des stromlosen Rastenlassens der mit Bleidioxyd bedeckten Elektrode darin, dai3 das Bleidioxyd seinerseits als Oxydations- inittel die chemische Auflosung des Bleis durch die Schwe- felsaure in den Poren der Bleidioxyd-Deckschicht be- gunstigt und dadurch mehr Bleiionen fur die darauffolgen- den Reaktionen zur Verfugung stehen.

Zusammenfassung Es wurde gezeigt, dai3 es bei der Untersuchung der

anodischen und kathodischen Vorgange an Bleielektroden im Bleiakkumulator bei Verwendung sehr kleiner Strom- dichten inoglich ist, zwei weitere Vorgange an den Blei- elektroden festzustellen. Einer dieser Vorgange findet an der bereits mit Bleidioxyd bedeckten Bleianode statt und besteht in einer anodischen Auflosung des Bleis unter Bildung von Bleiionen in den Poren der stark porosen Bleidioxydbedeckung. Diese Bleiionen werden direkt zu Bleidioxyd oxydiert. Dieser Vorgang findet bei einem Potential von + 1,6 V statt.

Werkstoffe unrl Knrrncinn

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Desai: Der Wirkungsmechanismus der Gelatine als Inhibitor der Korrosion von Messing 68 1

Der zweite Vorgang geht nach der Reduktion der mit Bleidioxyd bedeckt gewesenen Elektrode zu Blei- sulfat vor sich und besteht in der Abscheidung von metal- lischem Blei aus Bleiionen, die infolge der Loslichkeit von Bleisulfat in der Losung vorhanden waren. Dieser Vorgang geht bei einem Potential von -0,12V vor sich.

Beide Vorgiinge sind fur die Formierung und die Vergrofierung der Kapazitat der Bleielektroden von grofierer Bedeutung, da es vornehmlich diese Vorgange sind, die zu einer Verniehrung der aktiven Bleimenge und zur Vergrofierung der reaktionsfahigen Bleioberflache fuhren. Denn nur diese Bleiionen sind die Quellen fur die zusatzlichen Bleiionen, die fur die Vergroflerung der aktiven Bleioberflache bei einem mehrmals wieder- holten Oxydations- und Reduktionsvorgang erforder- lich sind.

(Eingegangen: 22. 3. 1965)

AiischriR : Prof. Dr. Willibald M a c h , Patentanwalt Wohllebengasse 16 Wien IV/23sterreich

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haviour of Corroding Metals in aqueous Solutions (Ox- ford: 1938) S. 143.

Der Wirkungsmechanismus der Gelatine als Inhibitor der Korrosion von Messing in Citronensaure

[HOOC CH,C(OH) (COOH) CH,COOH], untersucht mittels Potential- und Polarisationsmessungen

Von M . N. Desai, Ahmedabad (Indien)

Ober die Wirkung verschiedener Konzentrationen van Gelatine, acacia, Starke, Ei-Albumin, Agar und Dextrin auf die Korrosion von Messing in Citronensaure (l), Essig- saure (2) und Apfelsaure (3) wurde schon fruher berichtet. Die vorliegende Arbeit behandelt den mit Hilfe von Potential- und Polarisationsmessungen ermittelten Wir- kungsmechanismus der Gelatine als Korrosionsinhibitor in Citronensaure.

Die direkte Messung der Lokalelement-Potentiale auf liorrodierenden Metallen und die Messung des Potentials der Lokalanoden und -kathoden (in Abhangigkeit vom Korrosionsstrom, mit und ohne Inhibitorzusatz) mufite an sich wichtige Aufschlusse uber die mit der Inhibierung der Korrosion verbundenen Vorgange liefern, doch sind der- artige direkte Messungen in der Praxis nicht moglich, ein- mal, da Lokalelemente mikroskopisch klein sind, zum anderen, weil sie regellos uber der Metalloberflache verteilt sind. Dazu kommt, dafi wahrend dei Korrosion anodische Stellen kathodisch werden konnen und umgekehrt.

Mit indirekten Methoden 1aBt sich indessen feststellen, in welcher Weise Korrosionsinhibitoren das Polarisations- verhalten korrodierender Metalle beeinflussen. Die Mes- sung des Elektrodenpotentials von Metallen in wafirigen Losungen ist ein Hilfsmittel, das bei der Untersuchung der Korrosion und ihrer Inhibierung seit langem benutzt wird. Die Methode besteht darin, das Potential des korrodieren- den Metalls gegenuber einer Bezugselektrode - gewohn-

lich gesattigte Kalomel-Elektrode oder Silber/Silberchlo- rid-Elektrode - zu messen. Die Kalomel-Elektrode ist in- sofern von Vorteil, als ihr Potential im allgemeinen durch pa-ibinderungen oder durch in den Elektrolyten eindiff un- dierende Fremdstoff e nicht beeinflufit wird. Quecksilber- ionen, die aus der Elektrode in das angreifende Mittel diff undieren, konnen zwar die Korrosion beeinflussen, do& laflt sich dagegen etwas unternehmen.

Das in der oben angegebenm Weise erhaltene Elektro- denpotential eines Metalls entspricht etwa dem mittleren Potential der Lokalelemente. Im allgemeinen verandert es sich mit der Zeit und erreicht nach einer gewissen Zeit einen'stationaren Wert. Dieser Wert entspricht dann dem Mittel der Konvergenzpunkte des Potentials der Lokal- anoden und -kathoden und deutet dann auf einen statio- naren Korrosionsvorgang hin.

Energetisch betrachtet gibt es zwei Moglichkeiten fur den Obergang eines Metallatoms (als Ion) in die Losung. Verringert sich die Energie des reagierenden Systexs nicht, dann 'ist die Reaktion als reversibel zu bezeichnen, wah- rend es Gch um eine irreversible Reaktion handelt, wenn die Energie des Systems abnimmt. Befinden sich die Reak- tionsteilnehmer im Gleichgewicht oder in einem nur in- finitesimal ~ davon verschiedenen Zustand, so wird eine Reaktion reversibd ablaufen. Dieser Fall tritt in wafirigen Elektrolytlosungen nur rnit einigen edleren Metallen auf. Bei der uberwiegenden Mehrzahl der Metalle sind jedoch

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