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Beitrag zur Theorie des Astigmatismus.' Von bled. Dr. A. aullstrand in Stockholm. (Hierro Tar. 111.) T 1. Die Theorie des Astigmatismus ist ein complicirtes, noch lange nicht vollendetes Lehrgebaude, dessen Grundstein ron Nalus gelegt irurde, als er den Beweis erbrachte, dass ron einem und demselben Punkte ausgegmgene Lichtstrahlen nach Spiegelung oder Brechung in einer Flache, welche einfach brechende Medien begrenzt, immer Nor- malen einer Flgche sind. Seitdem dieses nach Malus benannte Theorem Ton DupinS erweitert worden, wusste man, dass es auch fiir Brechung oder Spiegelung in einer beliebigen Snzahl von Elachen giltig ist, mit der einzigen Einschriinkung , dass die Medien einfach brechend sind. Die Flgche, gegen welche urspriinglich homocentrische Lichtstrahlen senkrecht sind, ist identisch mit der Wellenflkhe der Undulations- theorie; ihre Existenz ist aber von dieser Tneorie ganz unabhiingig und kann direct aus dem Sinustheoreme bewiesen werden. Nach der Emis- sionstheorie wird diese Flache gebildet von slmmtlichen Lichtpartikel- chen, welche in einem und demselben Momente vom leuchtenden Punkte ausgegangen sind. Wenn ich also im Folgenden der Kiirze wegen die Malus'sche Flbhe mit 'dem Namen ,,Wellenflache" bezeichne, so isi damit in Beiner Weise gesagt, dass diese FlZiche von der Hypothese \ * Der Redaction zugegangen den 23. Juii 1890. 2 Malus, Optique. Journal de Picole polytechniqw, cahier XIV, 1. Ch. Dupin, Application de Q6omitrie et de M6camiqae, 4. mhmoire. - Diese Arbeit ist mir nicht zugiinglich gewesen. Man findet den Beweis im Hmtdbwh der phymdogischsn Optik von H, v. Hellirholts, Leipzig 1867, S. 238 ff., und am eintachstendargestellt in A Treatise on Cieomeh.cd Opt&% von R. S. Heath, Cambridge 1887, p. 101-103.

Beitrag zur Theorie des Astigmatismus

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Beitrag zur Theorie des Astigmatismus.' Von

bled. Dr. A. aullstrand in Stockholm.

(Hierro Tar. 111.)

T

1.

Die Theorie des Astigmatismus ist ein complicirtes, noch lange nicht vollendetes Lehrgebaude, dessen Grundstein ron Nalus gelegt irurde, als er den Beweis erbrachte, dass ron einem und demselben Punkte ausgegmgene Lichtstrahlen nach Spiegelung oder Brechung in einer Flache, welche einfach brechende Medien begrenzt, immer Nor- malen einer Flgche sind. Seitdem dieses nach Malus benannte Theorem Ton DupinS erweitert worden, wusste man, dass es auch fiir Brechung oder Spiegelung in einer beliebigen Snzahl von Elachen giltig ist, mit der einzigen Einschriinkung , dass die Medien einfach brechend sind. Die Flgche, gegen welche urspriinglich homocentrische Lichtstrahlen senkrecht sind, ist identisch mit der Wellenflkhe der Undulations- theorie; ihre Existenz ist aber von dieser Tneorie ganz unabhiingig und kann direct aus dem Sinustheoreme bewiesen werden. Nach der Emis- sionstheorie wird diese Flache gebildet von slmmtlichen Lichtpartikel- chen, welche in einem und demselben Momente vom leuchtenden Punkte ausgegangen sind. Wenn ich also im Folgenden der Kiirze wegen die Malus'sche Flbhe mit 'dem Namen ,,Wellenflache" bezeichne, so isi damit in Beiner Weise gesagt, dass diese FlZiche von der Hypothese

\

* Der Redaction zugegangen den 23. Juii 1890. 2 Malus, Optique. Journal de Picole polytechniqw, cahier XIV, 1.

Ch. Dupin, Application de Q6omitrie et de M6camiqae, 4. mhmoire. - Diese Arbeit ist mir nicht zugiinglich gewesen. Man findet den Beweis im Hmtdbwh der phymdogischsn Optik von H, v. Hellirholts, Leipzig 1867, S. 238 ff., und am eintachsten dargestellt in A Treatise on Cieomeh.cd Opt&% von R. S. Heath, Cambridge 1887, p. 101-103.

210 A. GULLSTRAND :

der Wellenbewegung als Wesen des Lichtes abhangig sei; es ist eben nur der Namen der Flache, welcher geandert wird, wenn sich die An- sichten iiber die Natur des Lichtes andern.

Das Malus'sche Theorem gilt nicht fur Brechung in doppelt brechenden Medien. Da jedoch die Gesetze der Breohung in solchen Medien sowohl fur die Ophthalmologie als auch fur die physiologische Optik iiberflussig erscheinen, werde ich im Folgenden nur auf solche Strahlen Rucksicht nehmen, welche senkrecht auf einer Flache stehen, und folglich meine ich mit Strahlenbiindel ein solches, welches zu- gleich ein Normalenbiindel ist.

Da man nun schon fruher die allgemeinen Gesetze der Krummung der Flachen und also auch die Verhaltnisse der Normalen kannte, wusste man, dass die Lichtstrahlen eines in einer beliebigen Anzahl von Flachen gebrochenen, urspriinglich homocentrischen Strahlenbun- dels zusammen zwei Systeme von abwickelbaren Flachen bilden, welche einander langs jedem Strahle untcr rechtem W-inkel schneiden, ent- sprechend den beiden Systemen der Hauptkrummungslinien der Wellen- flache, welche einander in derselben Weise in jedem Punkte der Flache unter rechtem Winkel schneiden; und dass jeder Strahl des Bundels der Tangent zweier Flaohen oder, wenn man will, Doppeltangent einer zweimantlichen Flache, der I<riimmungsmittelpunktflache, sein muss. Ferner konnte man, als die Wellenflache bekannt war, die Eigenschaften des Normalenbundels herleiten oder auf der anderen Seite yon diesen auf die Form jener schliessen.

Auf diesem so gelegten festen Grunde wurde jetzt von S t u r m l gebaut. In seinem MBmoire sur l'optique zeigt er, wie man die Kriim- mung jedes Punktes der Wellenflache eines gebrochenen Strahlenbun- dels berechnen kann, wenn das einfdlende Bundel und die brechende Flache bekannt sind. 1st man der Ansicht, dass das Approximative und besonders das Hypothetische der Feind der cxakten Wissenschaft ist, muss man einraumen? dass S t u r m in dieser Abhandlung auf der Bohe seiner Wissenschaftlichkeit steht. Hier ist namlich Alles mathe- matisch exakt, was nicht yon seinem M6moire sur la thBorie de la vision gesagt werden kann. Da niimlich durch die gefundenen Rela- tionen kein Ausdruck ffir die Form der Wellenflache in ihrer Totalitiit zu erhalten ist, untersucht er in dieser Abhandlung einen unendlich kleinen Theil der U'ellenflache oder, was gleichbedeutend ist, er studirt das

C h. S t ur m , MBmoire Bur l'optique. Journal de Mathdmutiques p u m et uppliqukes, par J. Liouvi l le , 1838. - MBmoire Bur la thP;orie de la vision. Coinples rendus de PAcade'niie des sciences, t. XX, 1845.

BEITRAO ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 271

unendlich diinne StrahlenbiindeL Durch Wegwerfen von unendlich kleinen Grossen zweiter Ordnung in den Gleichungen einer Normale erhalt er das Besultat, dass ein unendlich diinnes Strahlenbiindel immer - gleich dem Normalenbiindel des Scheitelsegmentes vom Paraboloide - zwei gegen einander und gegen den Leitstrahl des Biindels senkrechte Brennlinien besitze, wodurch also das astigmatische Strahlenbiindel die bekannte Form erhalten hat, welche seither mit wenigen Ausnahmen von allen Verfassern wiedergegeben worden ist. 1st das osculirende Para- boloid bekannt, so kennt man nach Sturm's Theorie folglich auch das fragliche Strahlenbiindel. Um das osculirende Paraboloid zu kennen, ist es aber nur nothwendig, die Kriimmungsradien der Wellenflache und die Ftichtung der Hauptmeridiane derselben im osculirten Punkte, d. h. in dem Punkte zu kennen, wo die FlBche vom Leitstrahl des Biindels geschnitten wird. S t u r m hatte also, um ein unendlich dunnes, durch Spiegelung oder Brechung eines bekannten Biindels in einer bekannten Flache entstandenes, astigmatisches Strahlenbiindel kennen zu lernen, nur nothig, seine in der vorigen Abhandlung gegebene Methode an- zuwenden. War nun S t u r m schon durch diese Approximation, deren Tragweite er nicht berechnet hatte, etwas vom Wege der exakten Wissenschaft abgewichen, so that er dies noch mehr, als er in dem- selben MBmoire mittels der aufgestellten Theorie des Astigmatismus ein bisher in seinem Wesen noch nicht sicher gekanntes Phiinomen, niimlich die Accomodation des Auges zu erklien suchte, indem er an- nahm, dass das ,im normalen Auge gebrochene Strahlenbiindel immer astigmatisch sei, und dass die Brennstrecke der Accomodationsbreite entspreche, so dass, wenn das Auge f ir den Fernpunkt eingestellt kit, die hintere Brennlinie, und wenn es fiir den Nahepunkt eingestellt ist, die vordere Brennlinie auf die Retina fallen wiirde. Diese Ansicht ist naoh der Entdeckung des Wesens der Acoolsodation rollig wider- legt worden, und die auf die genannte Approximation gegriindete An- sicht vom Baue des astigmatischen Strahlenbiindels mit seinen zwei gegen einander senkrechten Brennlinien wird in dieser A b h d l u n g niher beleuchtet werden.

Zu derselben Zeit kie S tu rm hat S c h u l t h l in Helsingfors das astigmatische Strahlenbiindel studirt und dabei mesentlich dieselben

N. G. af S c h u l t h , X o t s sur les faisoeaux inwiment menus, hpandus dans l'espace suivamt urn loi analytiqw donnb, in 'den' Memoires pr6sentt% a l'acadimie imperiale de St. Petersbourg. t. IV. 1845. (Vorgetragen in der Aka- demie im Jahre 1836.) Schult6n sagt p. 210: ,,l'intersecl5on du faisceau avec un plan quelconqtle men6 par un des foyers ti angle fini avec le rayon primitif ne pouna donc qu'avoir une seule dimension dirigbe suiv&nC Is ligne !oh ce

272 -4. GULLSTRAND :

Resultate erhalten, die er jedoch auf eine vorsichtigere und exaktere Weise ausspricht. denn es geht aus seiner Darstellung in der That hervor, dass jede durch einen der Brennpunkte gegen die betreffende Fokalebene minkelrecht gelegte Ebene das Strahlenbundel in einer Linie schneidet und ein astigmatisches Strahlenbundel somit in den beiden Brennpunkten eine unendliche Anzahl von Brennlinien besitzt.

Auf alle Falle hat jedoch S tu rm die Formeln fur Berechnung eines gebrochenen astigmatischen Strahlenbundels aufgestellt, welche Formeln mittels seiner in der ersten Abhandlung gegebenen Methode hergeleitet und demnach als mathematisch evakt von der Approxima- tion, welcher die Rrennlinien ihre Existenz serdanken, ganz unabhangig und Follig unantastbar sind.

Zwar hatte schon fruher Hamil ton1 in Transactions of the royal Irish Academy eine nicht weniger durch ihre Eleganz als durch ihre Einheitlichkeit bewunderungswerthe allgemeine Theorie von der Bre- chung und Spiegelung son Lichtstrahlen, basirt auf eine einzige so- genannte charakteristische Function, gegeben und damit auch die Theorie des Ast,igmatismus ebensowohl wie S turm deducirt , so dass dieser, welcher jedoch selbst Hamil ton citirt, nur die sub Lit. V, S. 19 des 16. Bandes fur 1830 von den oben genannten Transactions gegebenen Differentialeqwdionen anzuwenden niithig hatte, um identisch dieselben Formeln zu erhalten, welche er selbst in anderer Weise de- ducirt, doch gehort S tu rm auf alle Falle das Verdienst, diese Formeln in einer solchen Gest,alt gegeben zu haben, dass sie fur die directe Berechnung der Eigenschaften eines gebrochenen Strahlenbundels an- wendbar sind. Diese Formeln sind allgemein giiltig und fur alle Falle, wo es nur darauf ankommt, die Fokalabsthde und Hauptmeridiane eines gebrochenen Strahlenbiindels kennen zu lernen, hinreichend. Sie werden hier in einer zwar weniger symmetrischen aber bequemeren Form wiedergegeben. Wenn namlioh

i den Einfallwinkel des Leitstrahls, r den Brechungswinkel,

den relativen Brechungsindex (so dass sin i -- n sin r),

plan est coupe par le plan focal determine par les rayons qui sortent de l'autre foyer, puisque I'autre de ses dimensions ou celle dont la direction est perpen- diculaire B cette ligne ne pourra, d'aprhs ce qui prechde, s'elever au-dessus de la petitesse du second crdre et sera par codquent infiniment petite par rap- port A la premihe."

Transactions of ths royal Irish AcaLmy, vol. XV, 1828. Swpplements ibid., vol. XVI, Th. 1, 1830, vol. XVE, Th. 2, 1831, vol. XVII, 1837.

* W. R. Hamilton, Theory of systems of rays.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 273

p , p,, die Fokalabstande des einfallenden Strahlenbundels in seinem ersten resp. zweiten Hauptmeridia.ne,

0 den Winkel, welchen der erste Hauptmeridian dieses Strahlen- biindels mit der Brechungsebene bildet,

y, q,, 8, die entsprechenden Griissen des gebrochenen Strahlen- biindels,

R, R,, die Krummungsradien der brechenden Flache und 9 den Winkel, melchen der erste Hauptmeridian mit der Bre-

chungsebene bildet, bezeichnen, so gelten folgende Formeln:

= (n cos 1‘ - cos i )

cosa 0 sina 8

sina 0, q,,

+ cos i (- + F,;-), P,

cos2 9

sina 8 cos2 8

cos? 8 = (n cos r - cos i)

+ (-p,- + p), +a cos r (:, - i) sin 20, = (fi cos r - cos i) - - - sin 2 8 (B

+ cos i (k -;:) sin 28.

Bei der Anwendung dieser Formeln ist zu beachten, dass die Ab- stande p , q, R, u. s. w. naoh dem Brauche franziisisoher Autoren alle in derselben Riohtung, nimlich in der Riohtung der Fortpflanzung des Liohtes positiv zu reohnen sind. Da diese Regel, die Abstiinde zu reohnen, bei der Deduction neuer Formeln vie1 bequemer ist, werde ioh sie im Folgenden beibehalten, obwohl der Brauch der deutschen Autoren ein entgegengesetzter ist.

Dass iibrigens die Winkel 8 d , 6 der Sturm’schen Formel nach einer und derselben Seite, gleiohgiiltig iibrigens nach welcher, positiz gerechnet werden miissen, versteht sich von selbst.

In der oben gegebenen allgemeinen Form sind die Gleichungen indessen sehr unbequem zu losen. Ihre reiohste Anwendung finden sie demnach in dem speoiellen Falle, wo die Hauptmeridiane des ein- fallenden Strahlenbundels und der brechenden Fliche rnit der Brechungs- ebene zusammenfallen. Man hat alsdann 8 = 9 = 0 und erhiilt aus (3) 8, = 0, wonach (1) und (2) folgende Form annehmen:

n cos T - cos i 9, R, P. (4)

n COBS T COS* i + -7 -_ - - ra n cosr - cos i 1 _ - - - + -. Q., R,. P,, (5)

Skandin. Akchiv. 11. 18

274 A. GULLSTRAND:

1st nun zugleich R, = B,, nnd p , =p,, , so gelten diese Formeln fur die Brechung oder Spiegelung eines homocentrischen Strahlenbfh- dels in einer spharischen Fliche. Uebrigens sind sie in diesem Falle identisch mit denjenigen, welche Reusch, ' Hermann ,2 Leroy,3 I m -

Fig. 1.

b er t * in verschiedener Wzise deduciren. Ausserdem sind sie fur diesen speciellen Fall schon von Young5 angegeben worden.

Seit S tu rm scheint die Theorje wahrend langer Zeit keine Fortschritte gemacht zu huhen. Zwar hat Kummer in einer umfassenden Bearbeitung die Untersuchung auch auf Strahlenbundel, melche keine Normalenbundel sind, ausgestreckt, aber, so vie1 ich verstehe, in Betreff der Normalenbundel nichts Keues erbracht. Die Theorie ist indessen fleissig angewandt worden und hat gute Fruchte getragen, unter denen besonders die Untersuchungen Her- mann's' und Matthiessen's8 uber die Periskopie der Krystalllinse hervorzuheben sind. Eine gute Discussion der Formeln ist vo,n Leroys gegeben worden.

Eine Klippe besitzt die Theorie in dem ein- fachen Falle der Brechung eines homocentrischen Sbrahlenbundels unter schiefer Incidenz in einer spharischen Flache. Wenn namlich in Fig. 1 P den

leuchtenden Punkt, 0 den Mittelpunkt der brechenden Flache, P R einen schief einfallenden und R Q den entsprechenden gebrochenen Strahl be-

t E. Reusch, Reflexion und Brechung des Lichtes an sphbischen Fllchen Poggendorff's Ann. d. Phys.

* L. Hermann, Ueber schiefen Durchgang von Strahlenbiindel durch

C. J. A. Leroy , Optique Physiologique. Thborie de l'astigmatisme. Arch.

A. Imber t , De l'astigmatisme. Paris 1883. Th. Young, On the mecanism of the eye. PhiZ. Trans. 1801, Prop.

E. E. Ku m m e r , Allgemeine Theorie der geradlinigen Strahlensysteme.

' L. Hermann, Ueber Brechung bei schiefer Incidenz mit besonderer

8 L. Matt hies s en, Die Differentialgleichungen der Dioptrik der geschich-

unter Voraussetzung endlicher Einfallswinkel. 21. Chem. 1867, Bd. CXXX.

Linsen. Zurich 1874.

d'ophth. 1881. Bd. I.

IV, Coroll 1, 3 und 11, p. 28 ff.

Borchardt's Joum. fiir die reirw wad angewaradte Mathematik 1860.

Berucksichtigung des Auges.

teten Krystalllinse. Ebend. Bd. XIX.

Pfliiger's Arch. Bd. XVIII, XX, XXVII.

a. a. 0.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 275

zeichnen, so findet mail leicht, dass immer eine Ebene durch den Punkt 0 und den einfallenden Strahl PR gelegt werden kann, eine Ebene, welche ausser der sogenannten Directionslinie O P aucli die Normale OR enthalt und demgemass auch den gebrochenen Strahl R Q enthalten muss. Da also die Directionslinie und der gebrochene Strahl immer in derselben Ebene liegen, mussen sie einander schneiden, ausser in dem speciellen Falle, wo sie parallel sind (in diesem Palle liegt der Schnittpunkt in unendlicher Entfernung), oder mit anderen Worten: alle von einem leuchtenden Punkte ausgegangenen, an einer sphari- schen Flache gebrochenen Strahlen mussen die Directionslinie schneiden. Wenn nun in der Figur PR den Leitstrahl eines unendlich diinnen, einfallenden Strahlenbundels vorstellt, so ist R Q der Leit'strahl des ent- sprechenden gebrochenen Strahlenbundels, dessen zweiter Brennpunkt Q ist, was leicht nach (5 ) bewiesen wird. Alle Strahlen des Bundels sollten also nach der Sturm'schen Theorie durch eine in der Papier- ebene liegende, gegen den Leitstrahl RQ im Punkte Q senkrecht stehende Brennlinie gehen. Es ist aber eben bewiesen worden, dass alle Strahlen die Directionslinie schneiden mussen, welche im Punkte Q die genannte Brennlinie unter spitzem Winkel schneidet. Dies ist offenbar nur unter zwei Bedingungen moglich. Entweder miissen alle Strahlen durch den Punkt Q gehen, das Strahlenbundel also homocentrisch spin, was nach (4) und (5) unmoglich ist, oder aber es miissen alle Strahlen des gebrochenen und folglich auch alle des einfallenden Strahlenbiin- deb in einer Ebene liegen, was ebenfalls unmoglich ist. Die Klippe ist, wie man sieht, bedenklich: Dass sie indessen gekannt, ob auch nicht immer anerkannt gewesen ist, ersieht man unter Anderem leicht aus der Weise, in welcher Hermann diese Rage behandelt. Wlhrend er in seinem ersten Aufsatze ,,Ueber schiefen Durchgang" u. P. w. in einer Note unter dem Texte angiebt, dass das gebrochene Stmhlen- bundel im Punkte Q eine in der Papierebene liegende, gegen den Leit- strahl senkrechte Brennlinie besitze, sagt er im Anfange seiner Ab- handlung ,,Ueber Brechung bei schiefer Incidenz" u. s. w. in Pfliiger's Arehiw Bd. XVIII, a s s die Brennlinie in diesem Falle zu einem Punkte reducirt sei. Dass dies nicht der Fall sein kann, ist leicht einzusehen. Wenn namlich alle Strahlen des Bundels durch einen Punkt ghgen, ware ja das Strahlenbundel homocentrisch, und doch beweist Her- mann selbst, dass es astigmatisch ist. Leroy' dagegen weist nach, dass alle Ebenen , welche das Strahlenbiindel senlrrecht gegen die Papierebene im Punkte Q schneiden, in der That von diesem eine Brenn-

a. a. 0. s. 237. 18*

2 76 A. GULLSTRAND :

linie abschneiden, welcher Beweis durch Wegwerfen unendlich kleiner Grossen zweiter Ordnung gegen solche erster Ordnung erbracht wird.

Ich habe gesagt, dass bei der Deduction der S t ur m ’schen Formeln keine Approximation gemacht worden und dieser Theil der Theorie folglich unantastbar ist. Die Brennlinien dagegen sind nur durch eine Approximativrechnung erhalten worden. Nur durch Wegwerfen un- endlich kleiner Grossen zweiter Ordnung gegen solche erster Ordnung hat S t u r m zwei gegen einander senkrechte Brennlinien fur jedes astig- matische Strahlenbundel bekommen. Leroy begeht also keine Incon- sequenz, wenn er, sich auf die Basis der Sturm’schen Theorie stellend, die unendlich kleiiien Grossen der zweiten Ordnung - wegwirft,, um die Theorie mit dem genannten Falle in Einklang zu bringen, aber es ware besser gewesen, wenn sowohl er als S turm deutlich ausgesprochen hatten, dass das, was in ihrer Theorie unter Brennlinie verstanden wird, eine unendlich kleine geschlossene Figur ist, Ton der man nichts weiter weiss, als dass ihre Breite eine unendlich kleine Grosse der zweiten Ordnung ist, sobald die Lange eine unendlich kleine Grosse der ersten Ordnung ist , sowie dass jedes astigmatische Strahlenbundel, welches unendlich diinn ist , unendlich viele solche Brennlinien be- sitzt, unter denen zwei gegen einander und gegen den Leitstrahl senk- recht sind.

Dass man in der Sturm’schen Theorie unter Brennlinie etwas rerstehen muss, was diesen Namen mit Unrecht tragt, wahrend doch eine wirkliche Brennlinie vorkommen kann, beruht demnach darauf, dass bei der Entwickelung der Gleichungen der Normale unendlich kleine Grossen zweiter Ordnung weggeworfen worden sind. Dies ist gleichbedeutend mit der Vernachlassigung der Differentialquotienten und unendlich kleiner Grossen dritter Ordnung in der Gleichung der Flache. Auf dem einen oder anderen Rege gelangt man zum oscu- lirenden Paraboloide mit seinen zwei gegen einander senkrechten Brenn- linien. Will man in dieser Frage zur Klarheit kommen, muss man also, entweder von der Wellenflache ausgehend, unendlich kleine Grossen und Differentialquotienten hoherer Ordnung alu dm zweiten oder, von der Normale ausgehend, unendlich kleine GrBssen hoherer Ordnung als der ersten beriicksichtigen.

Es ist auch gerade die Beriicksichtigung von Grossen, welche von den Differentialquotienten dritter Ordnung der Gleichung der Wellen- flache abhangig sind, wodurch auf der einen Seite Matthiessen, auf der anderen Boklen versucht haben, den Beweis zu fiihren, dass die S turm’sche Theorie gelndert oder complettirt werden muss. Nachdem Matthiessen in einigen kleinen Aufsatzen seine Ansichten iiber die

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 277

Lage der Brennlinien gegen den Leitstrahll und iiber die Bilder un- endlich kleiner Linien nach excent rischer Brechung in einer spharischen Flachez dargelegt hat, giebt ex3 im Arch. f. Ophth. XXX, 2, 1884 cine leicht, verstandliche, auch fur ,,Laien" berechnete Darstellung der Lage der Brennlinien in einem beliebigen, unendlich dunnen astigmatischen S trahlenbundel, wahrend er an anderen Stellen' seine Ansichten mehr rein mathematisch entwickelt,. In seiner der bayerischen Akademie der Wissenschaften eingesandten Abhandlung untersucht er die Form des Strahlenbundels mit Hulfe der Differentialquotienten der Krumniungs- radien der Wellenflache. Werden die Krummungsradien der beiden Hauptmeridiane s, s,, der Wellenflache mit g, ( I , , ~ und die Neigungs- winkel der beiden Brennlinien gegen den Leitstrahl mit w, w,, bezeich- net, so erhalt M a t thiessen fur diese Winkel folgende Ausdrucke:

Diese Formeln, gegen deren Deduction sich kein Einwand machen lisst, zeigen, dass der Neigungswinkel der Brennlinien gegen den Leit- strahl kein rechter sein kann, sofern nicht die Differentialquotienten

-_ L. M a t t h i e s s e n , Ueber die Form eines unendlich diinnen astigmati-

schen Strahlenbiindels und iiber die K u m m er'schen Modelle. Centralxeitung f. Optik und Mechanik, Nr. 24, Leipzig 1882, und Klin. Monatsbl. f . Bugem- h eilkunde, 1 8 8 3.

Ueber die Form der astigmatischen Bilder sehr kleiner gerader Linien bei schiefer Incidenz der Strahlen in ein unendlich kleines Segment einer bre- chenden sphiirischen Fliiche.

Die Brennlinien eines unendlich diinnen astigmatischen Strahlenbiindela nach schiefer Incidenz eines homocentrischen Strahlenbiindels in eine krumme Oberfilche und das Strahlenconoid von S t u r m und Kummer . Arch. f. Ophih. 1884. XXX, 2.

Ueber die Form der unendlich diinnen aatigmatischen Strahlenbiindel und iiber die Kummer'schen Modelle. Sitxungsber. d. math.-phys. Kl. d. K. bayer. Acad. d. Wissensch. 1883. I. - Untersuchungen iiber die Lage der Brennlinien eines unendlich diinnen Strahlenbiindels gegen einander und gegen einen Hauptstrahl. Beta Mathematica, 1884. C8h. 4. - Neue Untersuchungen iiber die Lage der Brennlinien unendlich dunner copulirter Strahlenbundel gegen einander und gegen den Hauptstrahl. SchlSmilch 's Zeitschr. f. Math. U . Phy8. 1884. suppl.

6 Die Bezeichnung Ma t t h i e s s e n '8 ist etwas )on der meinigen abweichend,

da er nilr die Differentialquotienten: * und beriicksichtigt, die er - ds,, d5, du

Arch. f. Ophth.. 1883. XXIX, 1.

d dQ

d r dS uiid -- schreibt.

278 A. GUI~LSTRAND :

de, resp. rerachwinden. Er weist durch Anfuhren einiger Beispiele yon Flachen zweiten Grades iiach, dass dieses ganz exceptionell ist, und dass diese Differentialquotienten fur ein Element einer beliebigen Flache im allgemeinen einen endlichen Werth haben. Endlich raunit er auch ein, dass es eine Einschrankung ist zu sagen, die erste Brenn- linie nach Brechung bei schiefer Incidenz in einer sphiirischen Flache existire wirklich als solche, wahrend sie in der That eine kleine ge- schlossene Figur bildet, die sowohl Breite als Liinge hat, und er he- rechnet das Verhalten zwischen Lange und Breite der ersten Brennlinie fur einen speciellen Fall, wo die Wellenflache als paraboloidisch an- genommen mird (ohne jedoch das Scheitelsegment zu sein). Er zeigt nun, dass die Breite der ersten Brennlinie von dem Differentialquotienten 9 abhangig ist. Es ist zu bedauern, dass er in seinen spateren Ar- ds. beiten nur die eine Seite dieser Frage weiter entwickelt hat. Im ge- nannten Aufsatze im Arch. f i Ophth. zeigt er, dass die Dicke der ersten Brennlinie eine unendlich kleine Grosse der zweiten Ordnung ist, sobald die Lange eine unendlich kleine Grosse der ersten Ordnung ist, und er nimmt dann auf Grund hierron an, dass die Brennlinie mirklich existirt, wonach er auch in seinen rein mathematischen Abhandlungen in Schlo- milch’s Zeitschrift und in Acta Nathematica, von dem Princip ausgehend, dass stets zwei Brennlinien existiren, welche jedoch mit dem Leitstrahl spitze Winkel bilden konnen, das Strahlenbiindel studirt. Obwohl er also durch Beriicksichtigung der Differentialquotienten -& und 4

d S‘, d 8, das Resultat erhilt, dass die Brennlinien nicht senkreoht gegen den Lei tstrahl zu stehen brauchen, glaubt er jedoch die beiden gleich- werthigen Differentialquotienten und !!!& vernachlassigen zu dur- fen; in derselben Abhandlung, in welcher er S turm’s Theorie angreift, weil sie unendlich kleine Grossen zweiter Ordnung gegeniiber solchen erster Ordnung vernachlbsigt und in dieser Weise jedem astigmati- schen Strahlenbiindel zwei gegen den Leitstrahl senkrechte Brennlinien vindicirt , beweist er selbst durch Vernachllssigung unendlich kleiner Gdssen zweiter Ordnung gegeniiber solohen erster Ordnung, dass einem Strahlenbiindel iiberhaupt zwei Brennlinien zukommen. Leroy, wel- cher bereits den Aufsatz Matthiessen’s im Arch. f i Ophth. 1883 an- g e m e n hatte und auf dessen Angriff die genannte Abhandlung des

ds,, ds ,

d d

d ds, ds2,

C. J. A. Leroy, Les lignes focales dans la rdfraction oblique par une sphere et la thborie de Sturm. Rev. gin&. d‘0phth. 1883.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 279

letzteren im Arch. f i Ophth. 1884 eine Antwort ist, fuhrt nun mit Recht, gegen Matthiessen an,l dass er, wenn er daran festhalten will, dass jedes Strahlenbundel zwei Brennlinien besitze, auch einraumen miisse, dass aie beiden senkrecht gegen den Leitstrahl in den beiden Brenn- punkten gelegten Querschnitte des Strahlenbundels mit der gleichen Berechtigung Brennlinien genannt werden konnen. Darf man die un- endlich kleinen Grossen zweiter Ordnung vernachlassigen, wenn man: die Existenz der Brennlinien beweist, so darf man es auch thun, wenn es gilt, die Lage der Brennlinien zu bestimmen. Auch Weingar ten” spricht sich gegen Matthiessen aus, indem er zeigt, dam, wenn man unter Brennlinie eine Link versteht, melche den Leitstrahl schneidet und an welcher alle Strahlen des Bundels in einem gegen die unend- lich kleine Dimension des Biindels verschwindend kleinen Abstande vorbeigehen, alle geraden Linien, welche, in den resp. Fokalebenen ent- halten, die Brennpunkte schneiden, Brennlinien des Bundels sind, und, wenn unter Brennlinie eine Linie verstanden wird, welche alle Strahlen des Bundels in geometrischer Bedeutung schnejdet , ein unendlich diinnes Strahlenbundel uberhaupt keine Brennlinie zu haben braucht.. Xat thiessen gehort unter allen Unistanden das Verdienst, den Be-. griff der Brennlinie eingeengt zu haben (seine Brennlinien entsprechen in der That den beiden dunnsten Querschnitten des Strahlenbiindels,. was nicht auf die Brennlinien der Sturm’schen Theorie zutrifft) und der erste gewesen zu sein, der die Sturm’sche Theorie durch Anwen- dung der Differentialquotienten der Hauptkriimmungsradien der Wellen- fliiche weiter zu entwickeln bestrebt gewesen ist. Spater hat er iibri-- gens auch eine Methode angegeben, die Neigung der Brennlinien eines. astigmatischen Stmhlenbiindels nach Brechung an einer krummen Ober- flache zu berechnen.

Von einer anderen Seite hat Boklen4 das Problem in Angriff genommen. In seiner Abhandlung uber die Kriimmung der Flachen! nimmt er bei der Beurtheilung der Kriimmung einer FlLche die Dif- ferentialquotienten dritter Ordnung mit in Rechnung. Anstatt die

Des diverses manihrcs d; representer le pinceau astigmate. - Le th6o- reme de Sturm et les considbrations de Matthiessen. Rev. g6n6r. d’ophth. 1885,

J. Weingarten, Note uber die Brennlinien eines unendlich diinnen Strahlenbtindels. Borchardt’s Journ. 1885. XCYIII, 4.

Untersuchungen uber die Constitution unendlich dunner astigmatischer Strahlenbtindel nach ihrer Brechung in einer krummen Oberflliche. Schlomilch’s Zeilschr. f i Illafh. u. Php. 1888. XXXIII, 3. - Beitriige zur Dioptrik der Kry- stalllinse, Rap. 2. Zeifschr. f. vergleich. Bugenheilk. 1889. VI, 2.

‘ 0. Boklen, Ueber die Krummung der Fltichen. Borchardk’s Jmm. 1884,

280 A. GULLSTRAND:

Wellenflache durch das osculirende Paraboloid zu ersetzen, construirt er ein Ellipsoid, welches mit der Wellenflache eine Beruhrung dritter Ordnung hat, dies entweder in der Bemerkung, dass es die gleichen ,,Po1streckeniL besitzt , zwei Grossen, welche fur das bekannte Coordi- natensystem p = q = s = 0 ron den partiellen Differentialquotienten

der Gleichung der Wellenflache abhangig sind, oder und __ &i& ax a q 2

a 3 x a 3 x.

dass- ihm diesilben Krummungsradien der Evoluten der Hnuptkrum- mungsmeridiane zukommen, welche Radien fur das genannte Coordi- natensystem von den partiellen Differentialquotienten - und - der Gleichung der Wellenflache abhangen. Da namlich fur eine Flachc zweiten Grades die Differentialquotienten dritter Ordnung nicht von einander uriabhangig sind, indem von ihnen nur zwei beliebig gewahlt werden konnen, ist es einleuchtend, dass eine solche Flache keine voll- standige Beriihrung dritter Ordnung rnit einer gegebenen beliebigen Wellenflache in einem bestimmten Punkte haben kann, und B oklen erhalt daher durch sein Ellipsoid ein Normalenbundel, das in Bezug auf zwei der partiellen dritten Differentialquotienten der Wellenfliiche mit dieser iibereinstimmt, bezuglich der beiden anderen aber von ihr rerschieden ist. Uebrigens zeigt B o klen, dass ein Strahlenbtindel ein oder zwei Brennlinien oder auch gar keine besitzt, je nachdem

8% aSx einer, beide oder keiner von den Differentialquotienten und -s aY

fir das Coordinatensystem p = q = s = 0 verschwindet. Hay2 hat die Bedingungen der Existenz von zwei gegen einander

und gegen den Leitstrahl senkrecht stehenden Brennlinien naher for- mulirt. Wenn namlich z, y, die Coordinaten eines Punktes sind, wo ein dem S trahlenbundel zugehoriger Strahl die xy-Ebene eines drei- axigen rechtwinkeligen Coordinatensystems schneidet, dessen %-Axe mit dem Leitstrahle zusammenfiillt und dessen xx- und yz-Ebenen die Hauptmeridiane enthalten, z,, y,, aber die Coordinaten eines Punktes bezeichnen, wo derselbe Strahl eine mit der q-Ebene parallele Ebene schneidet, so mussen, wenn das Strahlenbundel zwei gegen einander und gegen den Leitstrahl senkrecht stehende Brennlinien hat, die Iden- titiiten x,= Ax,, und y,= By,, bestehen, in welchen A und B zwei fur das Strahlenbundel und die genannte Ebene charakteristische Grossen

a s % a s %

ax3 aYs

' vgl. S. 313. * B a y , Ueber .die analytischen Bedingungen derjenigen Form des astig-

matischen Strahlenbundels, in welcher die beiden Brennlinien auf einander und jede auf der Axe des Bundels senkrecht, stehen u. 8. w. Arch. f. Bugen- umd OhrePrheiCk. 1877. VI, 3.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 281

sind. Dagegen hat er nicht untersucht, ob diese Bedingungen uber- haupt fur jedes Normalenbundel gelten, und es geht demnach auch nicht aus seinem Aufsatze hervor, ob er die Ansicht hegt, dass wirk- liche Normalenbundel existiren, welche nicht die zwei gegen einander senkrechten Brennlinien besitzen, oder ob er nicht vielmehr nur zum Ziele gehabt hat, auf eine einfache Weise die Bedingungen dafur fest- zustellen, dass ein Strahlenbiindel im Allgemeinen ein Normalenbundel ist. Ein spaterer Aufsatz von Hay1 in dieser Frage ist mir leider nicht zuganglich. Auch habe ich kein Referat daruber gesehen.

Von einer rein praktischen Seite hat v. Zehender2 die Losung der Frage angestrebt. Er nahm eine Sanimellinse, die in der Mitte und am Rande uberdeckt war, so dass nur ein schmaler King der Linse die Lichtstrahlen durchliess. Die durch diese Linse erhaltenen Brenufiguren wurden photographirt und mit Hulfe der in dieser Weise erhaltenen Photographien ein Fadenmodell construirt , welches den Gang der Lichtstrahlen nach Brechnng durch schief gestellte Linsen zeigen sollte. Die Form der Brennfigur bei diesem Experimente ist niemals linear, sobald der Schirm senkrecht gegen die Richtung der Lichtstrahlen gehalten wird, doch fand v. Zehender eine Ausnahme: liess er das Licht durch eine planoonrexe, schief gestellte Linse, mit der convexen Flache gegen das Licht gewendet, gehen, so erhielt er annahernd eine horizontale und eine rerticale Brennlinie. Ohne auf Details einzugehen, erklart v. Zehender die Sache ganz einfaoh 80,

dass, da die unregelmiissige Brennfigur sich einstellte, wenn die hintere Pllche der Linse convex war - er erhielt sie niimlich auch mit der planconvexen Linse, sobald die convexe Fllche von dem Lichte abge- wendet wurde - aber nicht, wenn diese Fliiche eben war, so konne sie nur in der hiateren Fllche der Linse entstehen. Der Werth dieser Erkliirung mag von dem Folgenden beleuchtet werden.

11. Wie wir gesehen haben, versteht die Sturm’sche Theorie unter

Brennlinie eine unendlich kleine, geschlossene Figur, deren Breite eine unendlich kleine Grosse der zweiten Ordnung ist, wiihrend die Liinge eine unendlich kleine Grosse der ersten Ordnung ist, und schreibt jedem astigmatischen Strahlenbundel zwei solche Brennlinien zu, welohe in den

Some additional remarks on the theory of the astigmatic pencil. !&ma- act. of the americ. ophth. SOC. 19th meeting.

* W. v. Zehender, Ueber den Gang der Lichtstrahlen bei schriiger In- cidenz. Ber. ub. d. 17. Vers. d. Ophthal. Qesellach. Heidelberg 1885.

282 A. GULLSTRAND :

resp. Brennpunkten den Leitstrahl unter rechtem Winkel schneiden, be- hauptet abek nicht, dass diese Brennlinien den beiden dunnsten Quer- schnitten entsprechen, die das Strahlenbundel je einen an jedem Brenn- punkte besitzt. Mat thiessen dagegen versteht unter Brennlinien die bei- den dunnsten Querschnitte eines Strahlenbundels, gleichviel ob ihre Breite eine unendlich kleine Grosse zweiter oder hoherer Ordnung ist, wenn die Lange eine unendlich kleine Grosse der ersten Ordnung ist. Da Biiklen die Existenz der Brennlinien Ton den Differentialquotienten dritter Ordnung der Gleichung der Wellenfliiche abhangig macht, so stellt er damit fur den Begriff Brennlinie thatsachlich, ohne sie zu formuliren, dieselben Grenzen auf, wie ich es thue, wenn ich sie als eine unendl ich kleine geschlossene F i g u r definire, du rch die a l le S t r ah len des unendl ich kleinen St rah lenbundels gehen mussen und deren Bre i te e ine unendl ich kleine Grosse, wenigstens d r i t t e r Ord- nung, is t ; mahrend die Lange eine unendl ich kleine Grosse der e rs ten Ordnung ist. Der Unterschied zwischen einer Brenn- linie nach der einen oder der anderen Definition ware, wenn man im wirklichen Leben mit unendlich dunnen Strahlenbundeln zu thun hatte, naturlich ein haarfeiner. Da nun indessen solche nicht exi- stiren, sondern das Studium derselben nur den Zweck hat, das un- endlich complicirtere Studium der Strahlenbundel endlicher Dicke xu ersetzen, so muss selbstverstandlich in Betracht gezogen werden, was geschieht, wenn die fur jene gewonnenen Resultate auf diese zur Anwendung kommen, und dann zeigt sich ein grosser Unterschied zwischen einer Brennlinie nach der Definition der S turm’schen Theorie oder nach der meinigen. Wenn z. B. die Dicke des Bundels zu seiner Lange sich wie 1 : 100 verhielte, so dass die Znhl 0.01 an die Stelle einer unendlich klcinen Grosse trate, so wurde nach der ersten Defi- nition die Breite der Brennlinie in Zehntausendsteln, nach der meinigen aber in Millionsteln zu rechnen sein, wahrend nach beiden Definitionen ihre Lange in Hundertsteln auszudrucken ware. Wie aus den weiter d e n angefuhrten verificirenden Experimenten hervorgeht, reicht dieser Unterschied auch hin, urn die hiermit gewonnene Theorie auf die im menschlichen Auge vorkommenden Strahlenbiindel anwendbar zu machen, was be? der unveranderten Sturm’schen Theorie nicht der Pall ist. Eine noch strengere Definition fur den Begriff Brennlinie aufzustellen wire wieder gleichbedeutend mit ihrer ganzlichen Verbannung ausser f i r wenige specielle Falle, und mollte man gar unter Brennlinie eine Linie verstehen, welche in geometrischer Bemerkung alle Strahlen des Biindels schnitte, so murde eine Brennlinie nur existiren, wenn die Wellenflache eine Rotationsflache ware, d. h. wenn der leuchtende Punkt

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 283

sich auf der optischen Axe eines aus centrirten Rotationsflachen zu- sammengesetzten Systems beftinde, wahrend zwei Brennlinien nur dann vorhanden sein konnten, wenn die Wellenflache eine solche Flache ware, die durch Rotation eines Cirkels um eine in seiner Ebene ge- legene Axe entsteht - welcher Fall schwerlich jemals vorkommen diirfte.

Um dem Begriffe der Brennlinie die genannte Definition geben zu kiinnen, miissen wir heim Studium des Baues der unendlich kleinen Strahlenbiindel offenbar in die Gleichungen der Normalen unendlich kleine Grossen zweiter Ordnung oder, was damit gleichbedeutend ist, in die Gleichung der Wellenflache Differentialquotienten und unend- lich kleine Grossen der dritten Ordnung mit aufnehmen. Da nun die Differentialquotienten der Hauptkriimmungsradien von den Differential- quotienten dritter Ordnung der Gleichung der Wellenflache bestimmt werden und hinreichend sind, um diese zu bestimmen, konnen sie offenbar dazu dienen, eine Vorstellung vom Baue des Strahlenbiindels zu geben, wozu wir sie zuerst unter Re- nutzung der einfachen Methode 11 a t - thiessen’s anwenden wollen.

Wir nehmen einstweilen, wie bis- her immer gebrauchlich gemesen ist, an, dass ein unendlich dunnes Strah- lenbiindel im Allgemeinen zwei gegen einander senkrechte Fokalebenen be- sitzt, welohe die Strahlen eiahalten, die den Leitstrahl sehneiden, und lassen Fig. 2 einen Durchschnitt durch ein unendlich diinnes Strahlenbiindel liings dessen erster Fokalebene vor- stellen. b a c ist dann der Durch- schnitt der Wellenflache langs der ersten Hauptkriimmungslinie; a u, u,, ist der Leitstrahl, a, der erste, a,, der zweite Fokalpunlit, so dass die in der Papierebene nachst dem Leitstrahl

Fig. 2.

geiegenen Strahlen ihn in a,, die in einer gegen die Papierebene senkrechten Ebene nachst dem Leitstrahl verlaufenden Strahlen ihn bei a,, schneiden. Da nun die in der Papierebene verlaufenden Strahlen Xormalen der Curve b a c sind, miissen sie, wie die Nor- malen einer Curve uberhaupt, Tangenten der Evolute b, a, c, der-

284 A. GULLSTRAND :

selben sein. und die resp. Krummungsradien in den Punkten b a c sind bb, an, cc,, menn b, a, c, die resp. Tangirungspunkte darstellen. Weiter ist, nach der allgemeinen Eigenschaft einer Evolute, der Bogen- theil’b,a, = aa, - bb,. Tliird daher der Krummungsradius aa, mit p,

und das Bogenelement ab mit ds, bezeichnet, so erhall man = 40, ab cis.'

Wenn 0 den Krumniungsmittelpunkt der Evolnte im Punkte a, be- zeichnet, sind die Linien Ob, und bb, auf der einen Seite, die Linien On, und aa, auf der anderen gegen einander senkrecht. Die Figuren Oa,b, und a , a b sind daher ahnlich nnd der Krummungsradius der

ds. Damit nun das Strahlenbundel eine Brennlinie habe, welche im Punkte a, die Papierebene schneidet, ist es offenbar erforderlich, dass alle Sor- malen der Linie b a e durch den Punkt a, gehen. Aber so lange die Erolute existirt, konnen nicht mehr als zwei Normalen durch eineii Punkt gehen. Eine bestimmte Bedingung der Existenz der ersten Brennlinie ist demnach die, dass das Bogenelement der Evolute im Punkte a, zu einem Punkte reducirt ist, d. i. dass die Eyolute daselbst eine Spitze hat. Dies trifft nur ein, wenn der Krummungsradius sich gleich mit Null zeigt, was wieder nur moglich ist, menn ‘% = 0 ist.

1st dagegen 3 > 0, so hat das Strahlenbundel, wie man leicht ein- sieht, seinen ersten dunnsten Querschnitt gleichwohl im ersten Fokal- punkte. Zwischen a, und P, dem Schnittpunkte der extremen Strahlen bb, b,, und cc, c,,, mussen ja alle Strahlen des Hauptmeridians b a e passiren. Die Dicke des ersten dunnsten Querschnittes wird also durch den Abstand a,P dargestellt. Wenn nun Q den Schnittpunkt der Strahlen aa, a,, und bb, b,, bezeichnet, so erhiilt man, da a, b, unend- lich klein angenommen wird, a,& = +a,b,.’ Da nun auch a b unend- lich klein ist, so sind die Dreiecke a,P& und a , a b b ,a , einander iihn- lich und daher ist a, P: a) Q = a b : a a,. a, Q ist aber = +a, b, = + a b da.

ds, und aa, ist = 0,. Wird daher die Dicke des ersten dunnsten Quer- schnittes a,P mit 6, bezeichnet und ist die Wellenflicche durch eine cirkelrunde Oehung vom R.adius a b = R begrenzt, so erhiilt man:

Evolute im Punkte a, mird bestimmt durch die Relation Oa, = 0 , -. dP,

ds, d ds#

l Dies ist in der That leicht einzusehen. Es gilt ja LQ = tg+(b,Oa,) 0 a,

n b a & i‘ = Oa, a, b.

und (b, Oa), woher denn lim. L- = 3.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 285

In gleicher Weise erhalt man, wenn llngs der zweiten Fokal- ebene ein Schnitt durch das Strahlenbundel gelegt wird, fur die Dicke des zweiten dunnsten Querschnittes:

Successive Schnitte durch das Strahlenbundel geben auch succes- sive Curren, entsprechend b, a, c,, welche Curven zusammen eine Flache, die erste diacaustische Flache, bilden, zu der alle Strahlen des Strahlen- bundels Tangenten sind, und welche auch die zweite, gegen die Papier- ebene senkrechte Fokalebene tangirt. In derselben Weise mussen sammtliche Strahlen eine zweite diacaustische Flache tangiren, von der die erste Fokalebene tangirt wird. Es mag dann b,, a,, c,, die Be- ruhrungslinie zwischen der ersten Fokalebene und die zweite diacaustische Flache sein. Diese Beruhrungslinie muss offenbar den zweiten dunn- sten Querschnitt nach der einen'seite begrenzen. aa,, = Q,, ist der Kriimmungsradius des zweitep , gegen die Papierebene senkrechten Hauptmeridians im Punkt a; bb,,, cc,, haben dieselbe Bedeutung fur die Punkte b und c. Wird nun a,,S senkrecht gegen aa,, im Punkte a,, gezogen, so ist offenbar c,,S = cc,, - aa,, und folglich, wenn ac unendlich klein angenommen wird, ' - - 3, . 1st aber ao unend-

ds, lich klein, wahrend aa, und a,a,, endliche Werthe haben, so kann man, ohne sich dadurch irgend einer Ungenauigkeit schuldig zu machen, aa, statt a Q, und a,a,, statt a,, Q, setzen. Da nun die Dreiecke aoQ, und u,,SQ, einander ahnlich sind und folgkich ac : a,, S = a Q, : a,,Q,, so ist dies demnach gleichbedeutend mit uc:a,,S = aa,: a,a,, oder -

a,, s = A. Wird dann der Winkel a,g, b,, mit w,, bezeichnet, so ist

ac

e,. - e. ... ..

ist, so wird und da c,,S = u c k , aber - = --4. ds. a,,' ac e,, - e,

also der Ausdruck fiir die Neigung des zweiteri diinnsten Querschnittes

1 1 qot w,, = Cs,

gegen den Leitstrahl:

und in der gleichen Weise wird fiir die Neigung des ersten diinnsten Querschnittes gegen den Leitstrahl gefunden :

cot w, = P,, . %. (7 a) - e n ds,, Die Llnge des zweiten diinnsten Querschnittes ist offenbar 2 a,,o,,

--- - 2 a d d - 2ac @#*-@). 1st also der Radius der das Strahlenbfindel sin o,, B. sin m,,

auf der Wellenflache begrenzenden Oeffnung gleich R und wird die

286 A. GULLSTRAKD:

Lange des zmeiten dunnsten Querschnittes halt man :

2R . 9.) -3’. ‘1, = sin;.. e,

mit u,, bezeichnet,, so er-

(8) und ebenso fur die Lange des ersten dunnsten Querschnittes:

2R .P. , - B , . 21 =- ’ sinw, q,, Es zeigt sich demnach, dass ein unendl ich dunnes S t rah len-

biindel im Allgemeinen zwar seine beiden dunns ten Quer- schni t te bei den Fokalpunkten hat , dass die Querschni t te aber keine Brennl in ien sind, wenn nicht die Different ia l - quotienten !!C resp. 9, verschwinden, auch nicht gegen den Lei t s t rah l senkrecht s tehen , so lange die Differentialquo-

ds. ds.,

tienten 2 de resp. %!c nicht gleich Kul l sind. dS,* ds*

Der dunnste Querschnitt wird, wie aus Fig. 2 hervorgeht, auf der einen Seite von der diacaustischen Flache begrenzt. Da die Licht- strahlen sich in dieser Flache, und m a r nur in dieser Flache schnei- den, so muss diese Seite des Querschnittes offenbar vie1 starker be- leuchtet sein als die andere.

Nicht zu vergessen ist hier, dass wir bei dieser vereinfachten Dar- stellung des Baues eines unendlich dunnen Strahlenbundels angenom- men haben , es besitze jedes Strablenbundel zwei Fokalebenen, eine Bnnahme, welche bei Hinzuziehung der Differenzialquotienten der Haupt- krummungsradien eigentlich nicht berechtigt ist , da es gerade diese Differentialquotienten sind, welche bestimmen, ob die beiden gegen einander senkrechten abwickelbaren Normalenflachen eben sind oder nicht. Eigentlich . stellt also Fig. 2 die auf der Papierebene ausge- breitete abwickelbare Flache dar, welche von den Normalen in der ersten Hauptkrummungslinie der Wellenflache gebildet wird. Jedoch ist,, wie aus dem Folgenden hervorgeht, in den erhaltenen Resultaten kein Fehler dadurch entstanden, dass diese Flache als eben angenom- men worden ist.

Diese Methode diirfte indessen zur naheren Untersuchung der Querschnitte des Strahlenbundels kaum anwendbar sein; wenigstens wurde es sich nicht lohnen, sich durch Anwendung der bisher in der S turm’schen Theorie gebrauchten Methode eine Vorstellung von der Form derselben zu verschaffen zu suchen, da diese Methode nur fir Normalenbundel, welche wirklich unendlich dunn sind, und fur Quer- schnitte, welche in endlichem Abstande ron den Fokalpunkten fallen, Giltigkeit hat.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 287

Cm dem Baue des astigmatischen Stralilenbundels etwas niiher zu kommen, wollen wir daher das Normalenbundel einer Flache nnter- suchen, welche rnit einer gegebenen beliebigen Flache (der Wellen- flache) in einem gegebenen beliebigen Punkte eine vollstindige Be- riihrung dritter Ordnung, d. h. rnit ihr alle Differentialquotienten bis zur dritten Ordnung gemein hat. Am einfachsten ware es ohne Zweifel gewesen, wenn hierzu eine FlSche zweiten Grades hatte ange- wendet werden kiinnen, da aber eine solche, wie schon bei Gelegen- heit der Erijrternng von B iiklen's Untersuchungen hervorgehoben worden ist, von eiii-gewissen Relation zwischen den partiellen Diffe- rentialquotienten dritter Ordnung gebunden ist und demnach die ge- gebenen Bedingungen fur eine rollstandige Beriihrung dritter Ordnung nicht erfullen kann, leuchtet es ein, dass wir fiir unseren Zweck eine Flache wenigstens dritten Grades wahlen miissen. Am nachsten liegt es dann zur Hand, auf dem schon eingeschlagenen Wege fortzusetzen, welcher zum osculirenden Paraboloide fuhrt, das bekanntlich durch Entwickelung der Gleichung der Flache in eine Serie nach dem Theorem von Mac Laur in erhalten wird. Dieses Theorem giebt fiir die Glei- chung der Flache x = f (zy ) die convergente Serie:

a s n ya a a b x = f (0) + z.- + y.- + -.- + 2 . z . - d X ay 1.2 ax9 1.2 a ~ a y 1.2 aya

+ -._ a n ax x* 8 2 %

a 8 b y8 asx +3.*.- .+-.- + .... +-.-- 2 8 as% + 3 . 2 % ' - 8 8 b 1.2.3 8x8 1.2.3 ax'ay 1.2.3 8 x 3 ~ ~ 1.2.3 ays

Wir vereinfachen diese Gleichung durch Anwendung des gebrguch- lichen, mit dem Ausdrucke p = q = s = 0 bezeichneten Coordinaten- systems, dessen %Axe mit der Normale der Flache im untersuchten Punkte, d. h. mit dem Leitstrahle des Normalenbiindels zusammenfillt, und dessen 2- und y-Axen die beiden Hauptkriimmungslinien der Fllche im untersuchten Punkte tangiren, und erhalten dann f ( 0 ) = $

lich dunn und das Plachenelement uuendlich klein ist, so sind z, y, z2, y2 u. s. w. unendlich kleine Grossen der Ordnungen 1, 2 u. s. w., und da bisher in die Gleichung der FYache nur die unendlich kleinen Grossen zweiter Ordnung mit aufgenommen worden sind, so hat man also das osculirende Paraboloid

- _ - - a x a" 0. Da nun das untersuchte Normalenbundel unend- ay- &&j=

erhalten. Um diejenige FlPche zu erhalten, welche mit der Wellen- flache eine vollstindige Beruhrung dritter Ordnung besitzt, naibssen

288 A. GULLSTRAND :

wir dagegen Differentialquotienten nnd unendlich kleine Grossen dieser Ordnung mit in die Rechnung aufnehm’en, und wir erhalten dann fol- gende Gleichung :

Uiiter Beibehaltung unserer fruheren Bezeichnung der Haupt- krummungsradien und ihrer Differentialquotienten (Q, Q,, 2 u. s. w.) wollen wir jetzt diese Werthe an Stelle der partiellen Differentialquo- tienten in die Gleichung der Flache einsetzen.

Der Kurze wegen werden wir von folgenden Bezeichnungen Ge- brauch machen:

Die Hauptkrummungsradien werden bekanntlich aus folgenden Formeln erhalten :

Da es nun gilt, diese Gleichungen zu differenziren, um d a m fur das Coordinatensysten p = q = s = 0 die Werthe von dg, und dq,, zu erhalten, und da die Grossen p, q, s nur in der zweiten Dignitat oder mit einander multiplicirt in den Formeln vorkommen, so dass auf alle Falle die Werthe dp, dq, ds verschwinden, so konnen wir von vorn-’

1 1 herein p = q = s = 0 setzen, wodurch g, = und Q,, = - erhalten t wird, und dann erst differenziren (0, ist der Kriimmungsradius der- jenigen Hauptkrummungslinie, welche die x-Axe tangirt,). rch Diffe- rediren wird jetzt erhalten: ,f

Da nun fur dieses Coordinatensystem dx = ds, und dy = ds,, ist, so erhalten wir offenbar:

_ _ a s % 1 . ’ 5- 1 . _ _ a3x I.*. ax* - , ays - @,, ax3 - - e.p d s , ’

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTICMATISMUS. 239

und schreiben demnach die Gleichung der Fliiche:

;/ ist. Flache P (x y x) = 0 sind:

Dieses ist also die Flache, deren Normalenbundel zu untersuohen Die Gleichungen einer Normale in einem Punkte z y x auf einer

aa dx 6 - z + 7 ( c - x ) = o ,

91 - y + - ( 5 - .)= 0 at aY

x xp und geben nach (9)

Da wir in der Gleichung der Flache unendlich kleine Grossen der vierten Ordnung vernachlassigt haben, so ist dieses auch mit un- endlich kleinen Grossen der dritten Ordnung in den Gleichungen der Normale geschehen, daher wir auf dem eingeschlagenen Wege ruhig fortfahren konnen. Da nun x gemass (9) unendlich klein der zweiten Ordnung ist, so erhalten wir schliesslich nach VernachlLsigung unendlich kleiner Griissen dritter Ordnung fur die Normale folgende Gleichungen :

Nan sieht sogleich, dass, wenn die unendlich kleinen Griissen zweiter Ordnung in diesen Gleichungen vernachlassigt .werden, 5 = 0 wird fir 5 = 8, und q = 0 fur 5 = g,, oder mit anderen Worten, dass das Strahlenbiindel zwei gegen einander senkrechte Brennlinien erhalt. Es erubrigtl nun nachzusehen , unter welchen Verhaltnissen Brennlinien existiren, wenn diese Grijscen beibehalten werden. Zu diesem Zwecke wollen wir die beiden diinnsten Querschnitte des Normalenbiindels suchen, von denen der eine offenbar durch Abschneiden mit einer gegen die yz-Ebene senkrechten, der andere mit einer gegen die rcx-Ebene senkrechten Ebene erhalten wird. Mag also

die Gleichung der Ebene sein , welche das Strahlenbiindel schneidet. Durch Elimination von 91 zwischen dieser Gleichung und (11) und nachheriger Einsetzung des so erhaltenen Werthes von 5 in (10) er- halten wir:

g = a q + b

Skandin. Archiv. 11. 19

290 A. GULLSTRAND :

t = X -

oder nach Aufmultiplicirung des Kenners und Vernachlassigung un- endlich kleiner Grossen dritter Ordnung :

Aus dieser Gleichung geht hervor, dass 1 unendlich klein der ersten oder zweiten Ordnung ist, je nachdem der Coefficient von x bleibt oder verschwindet. Die erste Bedingung, uni den dunnsten Querschnitt zu erhalt,en, ist demnach, dass man

b 1 - - = 0 e4

setzt. Die Gleichung 5 = aq + b bezeichnet dann eine Ebene, welche senkrecht gegen die yx-Ebene den Leitstrahl im ersten Fokalpunkte schneidet, und fur eine solche Ebene ist 8 unendlich klein der zweiten Ordnung oder, mit anderen Worten, der Durchschnitt des Strahlen- biindels ist nach der Definition der S turm'schdTheorie eine Brenn- h i e , welche Xeigung gegen den Leitstrahl die Ebene auch haben mag. 1st also b = Q, gemacht worden und 6 demgemass unendlich klein zweiter Ordnung, so ist auch !Z! im ersten Gliede der Gleichung

Qi

(12) unendlich klein dritler Ordnung. Wird dann der Werth ron 5, aus der Gleichung der Ebene erhalten, in (11) eingesetzt und diese Gleichung darnach einerseits mit x multiplicirt , andererseits quadrirt, so erhiilt man mit Vernachlksigung unendlich kleiner Grossen dritter Ordnung :

z y = A . Xl- e// - e, Nach Einsetzung dieser Werthe nimmt die Gleichung (12) folgende Gestalt an:

Da nun die griisste Breite des Querschnittes offenbar dem grossten Unterschiede zwischen g = max. und g = min. bei constantem Werthe von q gleich ist, so wird diese Breite selbstverstiindlich am kleinsten

BEITRAG ZUB THEORLE DES ASTIGMATISMUS. 29 1

erhalten, wenn man a so wahlt, dass xq verschwindet. E m den dunnsten Querschnitt zu erhalten, mussen wir dann

wahlen. Die Gleichung 5 = aq + b der Ebene, welche den dunnsten Quer-

schnitt des Strahlenbundels giebt, nimmt nunmehr die Gestalt

an und bezeichnet eine gegen die yx-Ebene senkrechte Ebene, welche im ersten Fokalpunkte den Leitstrahl unter einem Winkel m, schneidet, der durch den dusdruck

erhalten mird. (vergl. 7a)

Da nun xq verschwindet, gilt fur den ersten dunnsten Querschnitt:

6 Die griisste Breite dieses Querschnittes entspricht dem grossten Unterschied zwischen l = max. und = min. bei einem gegebenen Werthe von q, oder, was damit gleichbedeutend ist, dem Unterschied zwischen denjenigen Werthen von E , welche x = max. und x = 0 ent- sprechen. 1st nun das Strahlenbundel an der Wellenfliche von einer runden Oeffnung mit dern Radius R abgegrenzt, so ist der Maximal- werth von x gleich R und die grosste Breite des ersten diinnsten Quer- schnittes 6, = 1 (max.) - (min.)

(vergl. 6)

Damit dieser Querschnitt zu einer Brennlinie werde, muss offenbar % = 0 sein, was fur die Projection der Brennlinie auf der zy-Ebene d 8, die Gleichung

giebt, aus welcher hervorgeht, dass die Brennlinie eine Parabel ist, deren Scheitel im ersten Fokalpunkte liegt, deren Axe mit der x-ibe parallel und deren Krummungsradius im Sc5eitel gegen dg, umgekehrt.

proportional ist. Hat demnach einen positiven Werth, so ist die ds,

19* d 8,

292 9. GULLSTRAND :

Brennlinie concaT- in der Richtung der positiveh z-Werthe; ist * = 0, d s,

so ist sie eine Gerade, enthalten in der yx-Ebene, und ist negativ, so ist sie convex in der Richtung der positir-en z-Werthe. 1st wiederum !!!& > 0 und wird in der Gleichung des dunnsten Querschnittes z ein d s, constanter Werth gegeben, so stellt die Gleichung zwischen E und 11 die Projection auf der zy-Ebene einer Parabel dar, deren Scheitel in einem gegen x2 proportionalen Abstande vom Fokalpunkte liegt, oder mit anderen Worten: diejenigen Strahlen, welche die zy-Ebene in ver- schiedenen mit der y-*4xe parallelen Linien z = d, z = 2 d , z = 3d 11. s. w. treffen, schneiden den ersten dunnsten Querschnitt in verschie- denen congruenten, coaxialen Parabeln , deren Abst'ande vom Fokal- punkte = kd2, 8 = 4kd2, E = 9 k d a u. s. w. sind. Dieses ist das Gesetz der Beleuchtung des diinnsten Querschnittes, welche demnach von der Seite aus, wo der Fokalpunkt liegt, stetig abnimmt.

Alles, was fir den ersten diinnsten Querschnitt bewiesen worden ist, gilt, mutatis mut,andis, auch fir den zweiten, welcher in der gleichen Weise durch Abschneiden des Strahlenbundels mittels einer gegen die sx-Ebene senkrechten Ebene erhalten wird.

Damit das Strahlenbundel eine erste Fokalebene besitze, d. h. \da- mit die erste Hauptkriimmungslinie der Wellenflache in der sx-Ebene liege, miissen offenbar alle Normalen der FlIche in den versehiedenen Punkten der hinie, in welcher sie die sx-Ebene schneidet, in dieser Ebene bleiben, oder, was dasselbe ist, wenn in der Gleichung der Nor- male y = 0 ist, muss auch 11 = 0 sein. Ein Blick auf (11) lehrt uns sogleich, dass die Bedingung hierfiir die ist, dass * = 0. Ebenso wird gezeigt, dass die Existenzbedingung fir die zweite Fokalebene darin besteht, dass !!& = 0.

Sol1 hinwieder das Strahlenbundel um die erste Fokalebene sym- metrisch sein, so darf q in (11) nur sein Vorzeichen wechseln, doch ohne dass der numerische Werth sich Indert, wenn y sein Vorzeichen wechselt. Zur Erfiillung dieser Bedingung ist es erforderlich, dass za

und yz ausgehen, und es muss demnach nicht nur 3, sondern auch

@ gleich Null sein. Ebenso muss, wenn das Strahlenbiindel urn die ds,, zweite Fokalebene symmetrisch sein soll, nicht nur % = 0, sondern

auch = 0 sein.

d s,

d 8''

ds,

d d 8,

d s,

ds,

BEITRAG ZUR THEORIE DES L4STIGMATISMUS. 293

Wean man sich die Brechung eines duniien homocentrischen Strahlenbundels in einem beliebigen, aus centrirten Rotationsflachen zusammengesetzten optischen Systeme vergegenwartigt, so liegt es klar auf der Hand, dass fur ein schief oder excentrisch einfallendes Strahlen- bundel, dessen Leitstrahl die Axe des Systems schneidet, alle Um- stande zu beiden Seiteq der fur sammtliche Brechungen gemeinsamen Brechungsebene identisch und demzufolge das gebrochene Strahlen- bundel, a priori, um die Brechungsebene symmetrisch sein muss, wah- rend dann, menn der Leitstrahl des einfallenden Strahlenbundels die Axe des Systems nicht schneidet, die Brechungsebenen in den ver- schiedenen FlZichen nicht mehr zusammenfallen und das gebrochene Strahlenbundel daher im Allgemeinen nicht um eine Ebene symmetrisch sein kann. Ebenso ist es verstandlich, dass bei der Brechung eines homocentrischen Strahlenbiindels unter rechtwinkeliger Incidenz im Scheitel einer asymmetrischen Flache das gebrochene Strahlenbundel um die beiden Fokalebenen der brechenden Flache symmetrisch sein muss. Die michtigsten der rorkommenden Strahlenbundel theilen sich also von selbst in drei Gruppen, je nachdem sie zwei, eine oder gar keine Symmetrie-Ebene besitzen. Dieses liefert auch den Grund fiir die folgende Eintheilung der astigmatischen Strahlenbundel in drei Hauptformen.

1. Die ers te Form hat zwei Symmetrie-Ebenen und zwei gegen einander und gegen den Leitstrahl senkrecht stehende gerade Brenn- 1 in i e n .

2. Die zweite Form hat eine Symmetrie-Ebene und demnach eine in dieser Ebene gelegene gerade Brennlinie, welche. jedoch im Allgemeinen spitze Winkel mit dem Leitstrahl bildet. Die Bedingungen

3. Die d r i t t e Form, die allgemeine Form des astigmatischen Strahlenbundels, entbehrt sowohl der Symmetrie-Ebenen wie der geraden Brennlinien und braucht uberhaupt gar keine Brennlinie zu haben. . Wie ersichtlich ist, zeigt diese Eintheilung eine gewisse Aehnlich- keit sowohl mit derjenigen von Matthiessen als auch mit der von Boklen aufgestellten, ohne in der That mit irgend melcher von ihnen Obereinzustimmen. Da namlich Matthiessen nur die Differential- quotienten -4 und !!!& berucksichtigt und demnach fiir seine erste Form die Bedingung aufstellt, dass diese Quotienten gleich Null sein sollen, fallen unter seine erste Form Strahlenbtindel, welche meinen

d d s,, d s,

294 A. GULLSTRAND:

drei Formen angehoren u. s. w. Die drei Formen Boklen’s dagegen werden in der That unter den entsprechenden Formen in meiner Ein- theilung subsumirt, und seine erste Form fallt ganz mit der meinigen zusammen, aber da Boklen nur das Normalenbundel des Ellipsoides untersucht, finden in seiner Eintheilung solche Strahlen bundel, welche fur drei der Differentialqiiotienten den Werth Null haben und die demnach meiner zweiten Form angehoren, oder solche, fur die nur einer der Differentialquotienten verschwindet und die daher meiner dritten Gruppe zufallen u. s. w., keinen Platz.

Was allgemeine Ausdrticke fur die Querschnitte eines Strahlen- bundels betrifft, so bin ich nicht in der Lage, solche anzugeben. Eine Eigenschaft, welche von Werth sein durfte, will ich jedoch andeuten.

Giebt man namlich 5 und 5 in den Gleichungen der Normale constante Werthe, um die Schnittpunkte zwischen einer gegen den Leitstrahl senkrechten Ebene und den Normalen zu untersuchen, welche die zy-Ebene in einer mit der y-Axe parallelen Linie schneiden, so konnnen diese Gleichungen in folgender Form dargestellt werden :

6 + c = w2 + by, 7 + f = dg2 + ey.

Durch Elimination erhalt man :

e(F + 4 - b ( v + f ) - - Y’, ea - bd woraus folgt :

[d (6 + 0) - a (91 + f)Ia = (ea - bd) [e (t + c) - b (91 + f ) ] . Diese Gleichung stellt eine Parabel dar, deren Axe mit der sx-Ebene einen Winkel

- den d d 5, arc tg - = arc tg-

d e,, a -

bildet. Also entspricht einem Systeme mit der y-Axe paralleler senk-

rechten Linien auf der Wellenfliiche ein System von Parabeln auf jedem Querschnitte, und die Axen dieser Parabeln sind unter ein- ander shmtl ich parallel, indem sie mit der sx-Ebene den Winkel arc tg *: !@ bilden. Ebenso entspricht einem Systeme mit der %-Axe paralleler Linien auf der Wellenflache ein anderes System von Parabeln auf jedem Querschnitte, welche Parabeln sammtlich einander

(dr,, ds,)

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS.

parallele Axen haben, die mit der yx-Ebene den Winkel arc tg de. : 2% bilden. Theilt man demnach die Wellenflache in Vierecke ein, deren Seiten mit den Coordinatenaxen parallel sind, so entspricht jedem sol- chen Vierecke auf einem beliebigen Querschnitte eine viereckige, ron parabolischen Linien, von denen je zwei den beiden genannten Systemen angehoren, gebildete Figur. Ob aber durch eine nahere Untersuchung dieser Systemparabeln allgemeine Ausdriicke fir die Form und die Beleuchtung eines beliebigen Querschnittes erhalten werden konnen, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich auf diese ohne Zweifel ziem- lich complicirte Frage nicht naher eingegangen bin.

295

( d s , ds,)

Wir werden jetzt die rerschiedenen Formen des astigmatischen Strahlenbiindels etwas nlher betrachten.

Die ers te Form ist diejenige, welche bisher als fiir alle astig- matischen Strahlenbiindel charakteristisch angesehen worden ist. Die Gleichungen der Normale sind

q = y 1 - - , ( t) und dieselben driicken, wie ersichtlich ist, den Satz aus, welchen Hay als die Bedingung dafiir bezeichnet hat, dass ein Strahlenbiindel zwei gegen einander und gegen den Leitstrahl senkrecht stehende Brenn- linien hat. Die Querschnitte sind die liingst bekannten und unter- suchten: auf der Strecke zwischen der brechenden Fliiche und dem ersten Fokalpunkte Ellipsen mit zynehmender Excentricitiit; in diesem Punkte eine mit der zweiten Fokalebene zusammenfallende Brennlinie ; zwischen den beiden Fokalpunkten eine Ellipse, welche rnit abnehmen- der Excentricitiit in einen Cirkel und dann in eine Ellipse rnit ent- gegengesetzter, zunehmender Excentricitlt iibergeht ; im zweiten Fokal- punkte wieder eine in der ersten Fokalebene liegende Brennlinie und endlich jenseit diesem Punkte eine Ellipse mit abnehmender Excentri- citit. Da in den Gleichungen der Normale gegen x und q gegen y direct proportional sind, finden sich offenbar die Schnittpunkte der Lichtstrahlen mit einer beliebigen, gegen den Leitstrahl senkrechten Ebene gleichmksig iiber den ganzen Querschnitt rertheilt, welcher daher in seiner ganzen Ausdehnung gleichfirmig beleuchtet ist, sobald die Beleuchtung der brechenden Flache durch das einfallende Strahlen- bundel eine gleichmksige ist.

296 9. GULLSTRAKD:

Zweite Form. Da fur ein Strahlenbundel dieser Form zmei der Differentialquotienten den Werth Xu11 haben miissen, wahrend ron den anderen zweien nichts anderes ausgesagt wird, als dass sie nicht beide auf einmal verschwinden diirfen - das Strahlenbundel wurde ja in diesem Falle der ersten Form zufallen - so kann man, je nach- dem einer ron ihnen verschwindet oder nicht, rerschiedene Unterarten unterscheiden. Der gewijhnlichste und wichtigste Fall dieser fiir die physiologische Optik wichtigsten Form ist der? wo z. B. !% = 9, = 0,

d d aber * S O und SO. Da fur ein solches Strahlenbundel d % ds, d s, ds ,

Ton Null rerschieden ist, so existirt lieine erste Brennlinie, da aber - = 0 ist, so steht der erste dunnste Querschnitt senkrecht gegen den ds,, Leitstrahl. Die Scheitelkriimmungsradien der auf diesem Querschnitte rorkommenden congruenten Parabeln sind, was Griisse und Vorzeichen betrifft, von abhangig, und durch das Yorzeichen yon de. wird bestimmt, melche Seite des Querschnittes die starker beleuchtete ist, und zwar in der Weise, dass immer die stiirker beleuchtete Seite des Querschnittes sich ron einer nach aussen conrexen Linie begrenzt zeigt, wenn und f&! dieselben Vorzeichen haben, Ton einer nach aussen concaren Linie dagegen, Tenrl ihre Yorzeichen entgegengesetzte sind. Da weiter 25 gleich Null ist -!& aber einen voll Null rer- schiedenen Werth besitzt, so hat das Strahlenbundel eine zweite Brenn- h i e , welche mit dem Leitstrahl einen spitzen Winkel bildet. Nach welcher Seite diese Brennlinie gewendet ist, wird aus dem Vorzeichen sowohl von L% als von (c,, - 0,) bestimmt. Haben Beide das gleiche Vorzeichen, so ist derjenige Theil der Brennlinie, welcher in der Rich- tung der positiven z-Werthe liegt, der Wellenfllche naher als der andere. Haben sie entgegengesetzte Vorzeichen, so ist auch dns Ver- haltniss umgekehrt. Unter keinen Urnsfinden kann man aber ron einem solchen Strahlenbundel durch Abschneiden mit einer gegen den Leitstrahl senkrechten Ebene eine Brennlinie erhalten.

1st miederum ausser !!!& und -3 auch 9 = 0, so reducirt sich dS>, ds,, d s,

nach dem, was wir schon gesehen, der erste diinnste Querschnitt zu einer parabolischen, gegen den Leitstrahl senkrechten Brennlinie. Nach welcher Seite diese Parabel ihre Convesitiit wendet, ist vom Vorzeichen Ton abhingig. Sie ist immer so gebogen, als wollte sie denjenigen

dS<, ds,,

d d s, d s,

d d s, ds,

d d d s,, ’ ds,

d ds,

d

ds ,

BEITRAG XUR THEORIE DES A4STIGJIATISMVS. 29 i

Theil der zweiten Brennlinie, welcher ihr am nachsten kommt, uni- schliessen. Gerade kann diese Brennlinie niemals sein, denn in sol- chem Fallc wurde die zweite Brennlinie senkrecht gegen den Leit- strahl zu stehen liommen und das Strahlenbfindel der ersten Form angehbren.

Liegt dagegen der Fall dC' , , - - - dC' ( - - 'CJ,, -~ = 0 yore SO hat das dsJ1 ds,

Strahlenbundel zwei Fokalebenen , und der erste dunnste Querschnitt ist nach der heller beleuchteten Seite yon einer Geraden begrenzt. wiihrend die zweite Brennlinie senkrecht gegen den Leitstrahl steht.

Auch die d r i t t e F o r m , welche dadurch gekennzeichnet ist, dass d nicht auf einmal f" und 9.1 oder - ( I r und *, yerschminden durfen.

bietet vcrschiedene T'arietaten dar. Haben allc Tier Differentialquu- tienten endliche Werthe, so besitzt das Strahlenbundel keine Fokal- ebene und auch keine Brennlinie, sondern nur zwei dunnste Quer- schnitte, welche iiberdies schief gegen den Leitstrahl gestellt sind. 1st '?(', oder !?!& oder sind beide gleich Sull. so hat das Strahlenbundel einc. ds, d s/, bezw. zwei parabolische Brennlinien , welche n i t dem Leitstrahl spitzc Winkel bilden. 1st % oder oder sind beide gleich Kull, so steht einer der diinnsten Querschnitte oder beide senkrecht auf den Leitstrahl, und das Strahlenbiindel hat eine, bezw. zwei E'okalebenen. Haben end-

s, ds< d .Q,, ds,,

d d s,, d s,

d d Iich auf einmal 23 und L! oder und * den Werth Null, so hat das Strahlenbundel eine Fokalebene und eine gegen diese senk-

d5, ds,, d 5, d a,,

recht stehende paraholische Brennlinie. Eine gerade- Brennlinie liann es nie haben.

Wenn ein astigmatisches Strahlenbiindel is einer cylindrischen Flache so gebrochen wird, dass der Astigmatismus dadurch verschwin- det, d. h. dass im gebrochenen Strahlenbiindel 0, gleich p,, wird, so ist leicht einzusehen, dass dieses im Allgemeinen nicht dadurch um eine Ebene symmetrisch gemacht werden kann, um welche das einfallende Strahlenbiindel nicht symmetrisch war. Hieraus ersieht man leicht, dass es von sogenannten homocentrischen Strahlenbiindeln drei Formen geben muss, den drei Formen astigmatischer Strahlenbiindel entspre- chend und mit entsyrechenden Bedingungen, so dass die erste Form zwei, die zweite eine und die dritte gar keine Sjmmetrie-Ebene besitzt. Wenn unter einem homocentrischen Strahlenbiindel nur ein solches zu verstehen wiire, dessen sammtliche Strahlen durch einen Punkt gehen, so murde ein astigmatisches Strahlenbundel kaum je homocentrisch

298 A. GULLSTRAND:

gemacht werden konnen. Es durfte darum besser sein, rntweder den Begriff homocentrisch ,auszudehnen und nur g, = q,, als Bedingung der Homocentricitat eines Strahlenbundels aufzustellen, oder auch den Namen homocentrisch nicht anzuwenden, sondern von quasi-homocen- trischen Strahlenbiindeln der verschiedenen Formen zu sprechen. Das letztere ist ohne Zweifel das correctere, und ich spreche daher im Folgenden von den drei Formen quasi-homocentrischer Strahlenbiindel, jedoch mit der Reservation, dass, da ich in Uebereinstimmung mit meiner Definition einer Brennlinie einen Brennpunkt als eine ge- schlossene Figur definiren muss, dessen Dimensionen nach allen Rich- tungen unendlich klein wenigstens dritter Ordnung sind, ich dieser Definition zufolge das Recht habe, die erste Form quasi-homocentrischer Strahlenbundel homocentrisch zu nennen. Da namlich bei dieser Form alle dritten Differentialquotienten der Gleidhung der Wellenflache ver- schwinden, so hat diese vollstiindige Beriihrung dritter Ordnung mit einer Sphiire, und das Strahlenbiindel stimmt demnach bis auf nn- endlich kleine Grossen dritter Ordnung mit dem Normalenbiindel der Sphlre iiberein.

Offenbar entspricht einem quasi-homocentrischen Strahlenbiindel ein Cirkelpunkt, ,,Nabelpunkt“, auf der Wellenflliche. Diese haben be- kanntlich keine bestimmte Hauptmeridiane, weil das eine System der Hauptkriimmungslinien der Fliiche von allen Seiten in sie hinein- lauft. Man kiinnte sich daher vorstellen, dass in einem gegebenen Falle alle vier Differentialquotienten der Hauptkriimmungsradien, be- stimmt, wie sie sind, von der letzten Brechung, welche das Strahlen- biindel erlitten hat, endliche Werthe haben, obgleich das Strahlen- biindel eine Symmetrie-Ebene hat, die jedoch nicht mit den Haupt- ebenen des angemendeten Coordinatensystems zusammenfiillt. In einem solchen Falle wiirde man jedoch durch Transformirung des Coordinaten- systems leicht die Natur des Strahlenbiindels herausfinden kiinnen.

Wird in den allgemeinen Gleichungen der Normale (10) und (11) 5 = g, = g,, = g gesetzt, so resultirt fiir den diinnsten Querschnitt eines quasi-homocent,rischen Strahlenbiindels:

Bus diesen Gleichungen ist es in Verbindung mit der Gleichung des begrenzenden Cirkels x2 + ye = Re leicht, x und y zu eliminiren, wobei eine Cleichung zweiten Grades zwitxhen , und q erhalten wird, welche eine Ellipse vorstellt. Die Normalen, welche die Wellenfliche

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISNUB, 299

langs einem Cirkel schneiden, dessen Mittelpunkt im Origo liegt, schnei- den demnach auch den dunnsten Querschnitt langs einer Ellipse. Wird die Gleichung des Cirkels in folgender Weise geschrieben:

x = R cosu y = Rsinu,

so ist die Gleichung der Ellipse

Werden dann fur den dunnsten Querschnitt die Polarcoordinaten R, v angemendet, so haben wir:

5 = R, cos v 1 = R, sinv

und erhalten durch Division von (14) mit (13)

sowie auch

in welcher Gleichung

Da, wie aus diesen Werthen hervorgeht, v von R unabhiingig ist, sind die Tangenten, die durch den Fokalpunkt zur gefundenen Ellipse gezogen werden und deren Gleichungen v = max. und v = min. sind, auch Tangenten aller ihnlichen Ellipsen, welche entstehen, wenn der Werth von R successive gegen Null hin abnimmt, oder mit anderen Worten: der Querschnitt wird von diesen Tangenten und ron dem- jenigen Theile der Ellipse begrenzt, welcher zwischen den Tsngirungs- punkten liegt. In dem Verhiiltnisse aber, dass R, fiir ein gegebenes Strahlenbiindel, wenn u und folglich auch v constant sind, gegen Ra sich direct proportional zeigt, ist das Gesetz der Beleuchtung des diinn- sten Querschnittes enthalten, und diese Beleuchtung nimmt demnach, am stirksten im Fokalpunkte, constant ab, je mehr man sich von diesem Punkte entfernt.

Was die verschiedenen Formen der quasi-homocentrisehen Strahlen- biindel be t a t , so ist iiber die erste Form, welche das wirklich homo- centrisehe Strahlenbundel reprkentirt, nichts hinzuzufugen.

Wenn wir dagegen fur die zweite Form, deren Bedingungen

so0 A. GULLSTRAND :

entweder @ = a = 0 oder * =

native annehmen, so werden die Gleichungen der Ellipse: = 0 sind, die letztere Alter-

ds, ds , ds,, ds,,

d 'I dF Setzen wir hier - = a, also - = 0, so erhalten wir sin221 = 0, d 5 du

also t c = 0 oder u = 90° und E = ?.%, 31 = 0 oder ij = 2 d g , , 2 g ds, 2 e ' d T '

q = 0. Diese zmei Punkte liegen dann auf der Schnittlinie des dunn- sten Querschnittes mit der zx-Ehene, und die Tangenten der Ellipse liegen in diesen Punkten senkrecht gegen die genannte Linie. Sie sind daher Endpunkte der einen Axe der Ellipse. Die Endpunkte der anderen Axe erhalten wir, wenn wir 2 = 0, also 2 = 0 setzen, wel-

R

d d dE d u

ches cos2u=O, also u= +45O und = -(-+*), R2 de q = +-.- RP de,, 4 8 ds, ds, - 2~ ds,

giebt. Die Breite des Querschnittes ist also, menn 2 und dq,, das- selbe Vorzeichen haben, gleich der grossten dieser Qudntitaten, multi- plicirt mit - , wenn sie aber entgegengesetzte Vorzeichen haben, gleich ihrer Summe, multiplicirt mit demselben Faktor. Die Hohe ist

d 8,

R2 2e

-. R2 -. de,, 1st d e 2 = a, so gehen die Systemellipsen in gerade Linien e ds, ds, ds, uber und der Querschnitt bekommt die Form eines rechtwinkeligen gleichscheukeligen Dreieckes, dessen rechter Winkel im Fokalpnnkte liegt. 1st !!!& = 0, so gehen alle Systemellipsen durch den Fokalpunkt. In dicsem Falle sowie auch dann, menn die beiden Differentialquotienten ent- gegengesetzte Vorzeichen haben, stellt die Ellipse, welche dem begrenzen- den Cirkel der Wellenflache eatsprioht, auch die begrenzende Linie des Querschnittes dar. 1st wiederum dg, = 0, so reducirt sich der diinnste

d 8, Querschnitt zu einer geraden Linie Ton der Lange - . - welche mit der Schnittlinie zwischen der zx-Ebene und der Ebene des Quer- schnittes zusammenfallt und deren Beleuchtung vom Fokalpunkte aus stetig abnimmt.

Da ein Strahlenbundel der d r i t t en Form keine Symmetrie-Ebene besitzt, steht die Ellipse, welche auf dem diinnsten Querschnitte den begrenzenden Cirkel der Wellenflache entspricht, schief gegen die Linie,

ds,

R2 de, 243 ds,'

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGNATISMUS. 301

die ihren Mittelpunkt mit dem Fokalpunkte vereinigt. Um zu einem gegebenen Strahlenbundel diese Ellipse zu construiren, setzt man am besten die vier Werthe ZL = 0, u = & 45O, u = 90° in die Gleichungen (13) und (14) und in den aus diesen erhaltenen Werth fur -? ein. Auf diese Weise erhalt man die Seiten und Tangirungspunkte eines um die gesuchte Ellipse geschriebenen Parallelogramms, mit dessen Hiilfe dann die Ellipse construirt werden kann.

d d 5

Die gefundenen Werthe sind:

und fur diese beiden Punkte:

weiter:

und fiir diese beiden Punkte:

Specielle F2ille sind, wie aus diesen Werthen hervorgeht,

In den beiden ersten Fiillen geht die Ellipse durch den Fokalpunkt und stellt demzufolge die begrenzende Linie des Querschnittes dar. Im letzten Falle dagegen geht die Ellipse in eine Gerade uber und der Qnerschnitt erhalt die Gestalt eines rechtwinkeligen, doch nicht gleichschenkeligen Dreiecks mit dem rechten Winkel im Fokalpunkte. Uebrigens kann es auch geschehen, rlass der Fokalpunkt innerhalb der Ellipse liegt, die also auch in diesem Falle die Begrenzung des Quer- schnittes darstellt.

Wenn es auch im Vorhergehenden an allgemeinen Ausdriicken fur die Gestalt und Beleuchtung der verschiedenen Querschnitte eines unendlich dunnen Strahlenbiindels fehlt, so ist doch in den Gleichungen (10) und (11) das Mittel gegeben worden, um punktweise einen be-

302 A. GULLSTRAND :

liebigen Querschnitt von einem gegebenen Strahlenbundel construiren zu konnen. Durch Anwendung eben dieser Gleichungen will ich nun ein anschauliches Bild von einigen der wichtigsten Querschnitte un- endlich dunner Strahlenbundel zu geben suchen. Es ist einleuchtend, dass die Bilder bei diesem Verfahren sich um so deutlicher gestalten, eine je grossere Anzahl von Punkten des Querschnittes construirt wer- den, da aber auf der anderen Seite zwei Gleichungen fur jeden Punkt eines gegebenen Querschnittes gelost werden mussen, und da die Arbeit hierdurch beschwerlich und zeitraubend, obwohl nicht eben schwer ge-

macht mird, so habe ich fur meine Rechnungen nur 1 7 Punkte auf der Tlrellenflache, so gewghlt, wie es

. . . Fig. 3 zeigt, angewendet. Diese 17 Punkte sind im I. . .6 , . g Bllgemeinen hinreichend, urn eine ziemlich gute

. . . Vorstellung von der Gestalt und Beleuchtung eines beliebigen Querschnittes zu geben, und sie bieten

23 iiberdies den Vortheil fur die Rechnung dar, dass Fig. 3. alle Coordinaten durch die Zahlen 0, 1, 2, 1/% aus-

gedruckt werden. Ich habe nun fiir diese 1 7 Punkte die unten fur jeden Fall angegebenen Werthe in die Gleichungen eingesetzt, dann

die gefundenen Werthe von 1 und q theils mit 100, theils (fur Figg. 6 und 7) mit 20 multiplicirt und die erhaltenen Coordinaten sorgfaltig auf carrirtes (in Millimeter eingetheiltes) Papier eingestochen. Die in dieser Weise erhaltenen Punkte sind dann in der Ordnung, in melcher sie auf einander folgen, mit

@ -a' einer Curve rereinigt und die Figuren darnach in verkleinertem Massstabe phototypirt worden. Figg. 4 und 5 stellen die Querschnitte durch die beiden Fokalpunkte eines astigmatischen Strahlenbundels dar, dessen Constanten R = 2 "lU, 0, = 8 "ln, p,, = 12 mm, de, - - - + 1.28 @ = + 0-36 sind. Vergrosserung d 5, ' ds, 33fach. In Fig. 4, welche den ersten diinnsten Quer-

schnitt zeigt, fallen, wie ersichtlich ist, die Punkte A und C der Fig. 3 zu einem Punkte zusammen, und die doppelte Curve, welche diesen Punkt rnit den Punkten B und D vereinigt, entspricht dem Cirkel der Fig. 3, wiihrend der Fokalpunkt 0 auf der Grenzlinie B O D liegt, die, wie ich gezeigt habe, eine Parabel ist. Da nun der ganze Querschnitt, mit Ausnahme desjenigen Theils, welcher innerhalb der Curre DACBACD liegt, von Strahlen getroffen wird, die den beiden Halften der Cirkel- fliche der Fig. 3 angehoren, wahrend zum genannten Theile nur yon

. n

9

Fig. 4.

~

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 303

der einen Halfte Strahlen kommen, so ist es einleuchtend, dass dieser Theil schwacher beleuchtet sein muss als der ubrige Querschnitt. Dass ubrigens der andere Theil des Querschnittes nicht iiberall gleichmlssig beleuchtet ist, geht aus dem Gesetze der Systemparabeln hervor, nach welchem jeder mit der Linie BOD der Fig. 3 in dem Abstande 1, 2, 3 u. s. w. gehenden parallelen Linie eine mit B O D congruente, in dem Abstande k, 4 k , 9 k gehende Parabel auf dem Querschnitte ent-

setz, das ubrigens auch durch die Lage des auf dem Qeurschnitte zwischen A C und 0 in der Hgur sichtbaren Punktes, der den beiden zwischen A und 0, sowie zwischen C und 0 in der Fig. 3 gelegenen Punkten entspricht, aus- gedruckt wird, lehrt, dass die Be- leuchtung des Querschnittes langs der Linie B O D am starksten ist und von dort aus in der Richtung gegen A C rapide abnimmt. In Fig. 5 wird der Querschnitt durch den zweiten Fokalpunkt desselben Strahlenbundels gezeigt. Hier ent- spricht der Cirkelperipherie eine etwa lemniskateniihnliche Cune, deren Doppelpunkt den beiden Fig. 6. Punkten B und D der Fig. 3 enb spricht. Streng genommen f d t die Begrenzung des Querschnittes nicht mit dieser Curve zusammen, sondern sie stellt die umhullende Curve aller ihnlichen Curven dar, welche entstehen, wenn R gegen Null hin abnimmt und der Punkt BD folg- lich gegen O hin verschoben wird. Da das Strahlenbiindel eine Brenn- linie besitzt, welche in 0 den *, A Leihtrahl unter spitzem Winkel schneidet, muss, falls das Strahlen- biindel unendlich dunn ist, offen-

bei 0 unendlich klein der dritten Ordnung sein. Was die Beleuchtung des Querschnittes betrifft, so geht, da die Felder der Figur ungleich gross sind, obgleich sie gleich groaen Theilen der CirkeMiche in Fig. 3 entsprcchen, d a m s rnit Nothwendig-

>"f

@ Q . g---__, d

spricht. Dieses Ge- Fig. 5.

O@ A6

D- A

bar die Dicke des Querschnittes Fig. 7.

304 A. GULLSTRAND:

keit hervor, dass das grossere, zwischen den Punkten BD und A gelegene Feld schwacher beleuchtet sein muss als das kleinere. 9us der Lage des zwischen BD und A in der Figur sichtbaren Punktes ist es auch leicht zu sehen, dass die Beleuchtung dieses Feldes in der Richtung von BD gegen A hin abnimmt. Dagegen gestattet es die Lage des zwischen C und 0 in der Figur sichtbaren Punktes nicht, denselben Schluss mit Hinsicht auf die Beleuchtung dieses Feldes zu ziehen, weil die Hohe des Querschnittes zu gleicher Zeit von C gegen 0 hin abnimmt.

Die Figg. 6 und 7 zeigen in einer sechsfachen Vergrosserung die berechneten Querschnitte durch die Fokalpunkte eines astigmatischen Strahlenbundels der zweiten Form, dessen Differentialquotienten grossere TVerthe haben. Hier ist R = 5 mm, g, = 20 mm, g,, = 25 mm = 4-00,

TVie aus Fig. 6 sich ersehen lasst, ist der erste diinnste d s, Querschnitt dieses Strahlenbundels im Verhlltniss zu seiner Lange he- deutend dicker als der Querschnitt des eben untersuchten Strahlen- bundels. Die der Cirkelperipherie entsprechende Curve hat eine bretzel- ahnliche Gestalt angenommen, und in den beiden in der Mittellinie der Figur liegenden Feldern treffen sich Strahlen von den beiden Halften der Cirkelflache der Fig. 3, wihrend die beiden ubrigen Felder nur von den Strahlen der einen Halfte dieser Flache getroffen werden und folglich schwacher beleuchtet sein mussen. Uebrigens nimmt die Beleuchtung, wie gezeigt worden ist, von 0 gegen AC hin ab. Dass die bei B und D in der Figur sichtbaren, einschiessenden Winkel nicht auf dem Querschnitte vorkommen konnen, sondern von der umhiillen- den Curve ausgefullt werden mussen, welche entsteht, wenn der Radius der Cirkelperipherie in Fig. 3 gegen Null hin abnimmt, braucht wohl kaum gesagt zu werden. Ebenso ist es einleuchtend, dass der in Fig. 7 nach 0 hin gelegene Theil des Querschnittes von der entsprechenden umhiillenden Curre ausgefillt wird. Was dagegen die in der Figur sichtbaren Felder betrifl, so ist es leicht einzusehen, dass erstens das zwischen C und BD gelegene Feld sarker beleuchtet sein muss als die ubrigen, indem es von Strahlen dsr beiden Hiilften der Cirkelfliiche

getroffen wird, und zweitens von den drei iibrigen Fel- der der Figur die zwei kleineren stirker beleuchtet sein miissen als das grossere, weil die von der ehprechenden Hdfte der Cirkelfliiche herkommenden Strahlen hier auf einem kleineren Raume gesammelt werden, als die von der anderen HSilfte herkommenden. Fig. 8 zeigt den Quer-

schnitt durch den Fokalpunkt eines quasi-homocentrischen Strahlenbiindels zweiter Form, so dargestellt, wie bei Gelegenheit der Beschreibung dieser

d ’ ds,

- deJ/ = 2.5.

qj Fig. 8.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 305

Strahlenbiindel angegeben worden ist. Die Constanten sind R = 2 mm, Q = 20 !!!& = 1 . 5 dq,, = 1.0. Vergrosserung 75fach. Dass der ’ d s . ’ ds. innerhalb der ’ Ellipse gelegene Theil des Querschnittes schwacher be- leuchtet sein muss als der iibrige Theil desselben, sowie dass die &- leuchtung vom Fokalpunkte aus stet,ip abnimmt, braucht kaum erwahnt zu werden.

Eine gute Xethode, sich eine Vorstellung vom astigmatischen St\rahlenbundel zu verschaffen, ist die Anwendung sogensnnter Faden- modelle. Nachdem Kummer seine allgemeine Theorie der geratllinigen Strahlensysteme ausgearbeitet hatte, legte er im Jahre 1860 der Aka- demie der Wissenschaften zu Berlin drei Arten von Fadenmodellen vor, die unendlich diinne Strahleiibiindel vorstellen sollten. Die zwei ersten sollten Strahlenbiindel vorstellen, welche in ein- und zweiaxigen Krystallen entstehen, und diese interessiren uns daher hier nicht; das dritte Modell dagegen sollte ein gewohnliches Normalenbiindel darstellen und hatte, entsprechend der Sturm’schen Theorie, zwei gegen den Leit- strahl und gegen einander senkrpcht stehende Brennlinien. Diese Mo- delle wurden spater Ton einem Mechaniker Apela in Gottingen copirt und in den Handel gebracht, was der Anlass zum Auftreten Matthies- sen’s gepen die Sturm’sche Theorie gewesen zu sein scheint. Mat- thiessen halt, wie schon gesagt, dafiir, dass die diinnsten Querschnitte eines Strahlenbiindels Brennlinien seien , welche Dicke sie auch haben mogen, und liess daher, um den Bau des Strahlenbiindels zu veran- schaulichen, Fadenmodelle anfertigen, welche alle zwei Brennlinien hatten, die rtber verschiedene Neigung gegen den Leitstrahl zeigten. Zehender dagegen hat mit Hulfe seiner schon erwahnten Experimente durch W es t ien in Rostock Fsdenmodelle anfertigen lassen, welche den Gang der Lichtstrahlen nach Brechung in schief gestellten Linsen zeigen sollten. Wenn er hierbei nicht, wie beim Photographiren, nur Randstrahlen, sondern auch die centralen Strahlen angewandt hat, so ist anzunehmen, dass die so erhaltenen Nodelle vom Baue eines astigma- tischen Strahlenbiindels der zweiten Form eine Vorstellung geben. Da aber diese Darstellungsweise sicherlich mit einigen Schwierigkeiten verkniipft ist, iibrigens auch kein Modell existirt, welches ein Strahlen- biindel dritter Form vorstellt, so habe ich, um zuverlissige Modelle zu

Hnraatsberichte der kiinigl. preuss. h a d . d. Wissensch. xu Berlin. 30. Juli 1860. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse.

Vergl. Nagel’s Jahresbericht fur 1882, S. 112. Skandin. Archiv. II. I 40

306 A. GULLSTRAND :

bekommen, solche selbst herstellen mussen. Das Nittel ist einfach. Man hat ja nur die Gleichungen der Normale einzufullen, um den Schnittpunkt deraelben mit einer beliebigen Ebene zu finden. Die durch die 1 7 wie in Fig. 3 angeordneten Punkte gehenden Rtrahlen sind vollig ausreichend. Als Abstand der Ebenen , zwischen welchen die Faden gespannt werden, habe ich 4OCm gewahlt, als Radius des begrenzenden Cirkels 4 cm. Die Spannuug der Faden ist etwas geduld- priifend, weil jeder neue Faden so gezogen werden muss, dass er keinen der schon gespannten biegt oder von ihnen gebogen wird. Da fiir astigmatische und homocentrische Strahlenbiindel erster Form neue Nodelle iiberflussig sind, so reichen vier vollkommen aus, welche astig- matische und quasi-homocentrische Strahlenbiindel der zweiten und dritten Form darstellen. Die Constanten, welche ich gewiihlt habe, sind:

1.

2. 3 = @ = 0, im Uebiigen die gleichen Zahlen, ds,, ds,,

4. 3 = @ = 0, im Uebrigen die gleichen Zahlen wie in No. 3,

und die mit diesen Wcrthen erhaltenen Modelle geben, so scheint es mir, eine gute Vorstellung vom Baue der verschiedenen Arten von Strahlenbiindeln.

ds,, ds,,

111. Der somit dargethane, wesentliche Unterschied zwischen den ver-

schiedenen Formen astigmatischer bezw. quasi-homocentrischer Strahlen- biindel erweist sich, wie man leicht einsehen kann, von urn so ge- ringerer Bedeutuag, je dunner das Strahlenbiindel ist, und derselbe murde geradezu vernachllssigt werden konnen, wenn es sich nicht darum handelte, die Theorie der unendlich diinnen Strahlenbiindel auf solche von endlicher Dicke anzuwenden, sondern im wirklichen Leben unendlich diinne Strahlenbundel vorkamen. Da dies jedoch nicht der Fall ist und der Unterschied bei Strahlenbiindeln endlicher Dicke, wie sie im menschlichen Auge gewohnlich vorkommen, bedeutend ist, so stellt sich von selbst die Aufgabe dar, die Eigenschaften dieser Strahlenbiindel zu erforschen. Im Vorhergehenden haben wir es ge- lerp t, diese Eigenschaften aus den Werthen der Differtialquotienten der Hauptkrummungsradien herzuleiten. Was eriibrigt, ist demnach die Herleitung der Formeln fiir die Berechnuag dieser Differentialquotienten

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 307

nach Brechung eiaes heliebigen Strahlenbiindels in einer gekannten Fliche.

Hierzu bieten uns die von S tu rm gegebenen Gleichungen, die, wie bereits gesagt ist, nnabhangig von der Approximation hergeleitet sind, auf welcher seine Theorie Ton den Brennlinien basirt, ein Mittel dar. Sie geben in der That die Fokalabstande des gebrochenen Strahlen- biindels und lassen sich somit dazu vermenden, die Wellenflache des- selben Punkt fiir Punkt zu construiren, indem sie die Relationen zwischen dem zweiten Differentialquotienten der brechenden Flache und der Wellenflichen des einfallenden und gebrochenen Strahlenbhndels enthalten, und aus diesem Grunde mussen sie a priori durch Differen- zirung Relationen zwischen den dritten Differentialquotienten der be- treffenden Flichen geben konnen. Es gilt demnach zu ermitteln, wie die in die Gleichungen eingehenden Grossen Functionen von den Variabelen sind, hinsichtlich deren die Differenzirung zu bewerkstel- ligen ist.

Wenn wir also unter Beibehaltung der Bezeichnung, welche bei der Wiedergabe von S turm’s Gleichungen angewendet worden ist, ein dreiaxiges , rechtwinkeliges Coordinatensystem annehmen, dessen Origo in demjenigen Punkte der Wellenflache liegt, wo der Leitstrahl ge- brochen wird, dessen %-Axe mit der Normale in diesem Punkte und deren zx-Ebene rnit der Breohungsebene zusammenfallen, so haben wir zu untersuchen, wie die Griissen i p , p,, 8 des einfallenden Strahlen- biindels, R, R,, 9 der brechenden Fllche und T q, q,, 8, des gebrochenen Strahlenbiindels Ton den Coordinaten z y desjenigen Punktes der Flache, wo ein beliebiger Strahl gebroohen wird, Funotionen sind. Da indessen die Gleiohungen S turm’s in der allgemeinen Form theils iiusserst un- bequem sind, theils kaum je angewendet werden, wahrend die fiir den speciellen Fall 8 = 9 = 8, = 0 geltenden Formeln (4) und (5 ) sich leichter anwenden lassen und auch oft angewendet werden, so wollen wir vorerst nur diese beriicksichtigen.

Werden demnach die Differentialquotienten -$ - - . des einfallenden

Strahlenbundels rnit 9.. ., die der brechenden Flache mit L. .., und

die des gebrochenen Strahlenbiindels rnit - a . bezeichnet, so haben wir die Relationen zwischen diesen Differentialquotienten und den durch Differenzirung von (4) und (5 ) erhaltenen Differentialquotienten

Was dagegen i und r betrifft, so ist dx d y dx dx es leicht einzusehen, dass, da die zSEbene rnit der Brechungsebene

d d s,

dR d 8, d5,

*. . .%.. . ?& aufzustellen.

20 *

308 A. GULL~TRAND :

zusammenfallt, diese Winkel nicht rerandert werden, wenn y nur un- endlich wenig rerandert wird, mit anderen Worten, dass - = d r = 0

ist, so dass nur eriibrigt, die Werthe ron

d i dY d9

undTz zu ermitteln. di d r

TVenn also in Fig. 9 O C die Kormale im Punkte 0 der brechen- den E'lache, OA den Leitstrahl des einfallenden und O B den des gebro- chenen Ek-ahlenbundels , sowie 0,C 0,A O,B die Normale, den einfallen- den und den gebrochenen Strahl in

Fig. 9.

daher

\ einem in unendlich kleinem Abstande ron 0 gelegenen Punkte 0, der bre- chenden Flache bezeichnen, so haben wir O A =p, , OB = q,, O C = R,, A A O C = i und A B O C = r und be- zeichnen noch A AO,C mit i , und A BO'C mit r,. 1st nun D der Schnitt- punkt yon A 0 und CO,, so ist

.

AAL)C= A AO,C+ A o,AO= = r \ A O C + A 0 , C o

oder i, - i = A 0,CO - A 0,AO. Der Winkel 0, CO ist aber gleich 9 (der Winkel wird ausgedriickt O C durch das Verhalten vom Bogen zum Radius), und ebenso ist es, wenii um A als Mittelpunkt ein Cirkel durch 0 gezogen wird, dessen Schnittpunkt mit der verlangerten Linie A 0, E bezeich-

EO nen mag, der Winkel 0 , A O = -- 08 Nun ist aber EO = 0 0, cos i , und

R, P, i , - z = . 00, 0 0 , c o s i

d i 00, d x

. . Beim Uebergang zur Limes ist nun = -, mithin

d i 1 cos i _ - - - _ _ . d x - R, P,

' I n ganz gleicher Weise erhalt man:

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 309

di ncosr Da sin i = n sin 'I' und folglich di = - ist, kann offenbar der cos i Werth VOD :L auch auf folgende Weise erhalten werden:

Das Gleichsetzen dieser beiden Werthe giebt eine Gleichung, welche mit (4) identisch ist.

Wenn auf der anderen Seite in Figur 9 O E den Durchschnitt der WellenGche des einfallenden Strahlenbundels darstellt und der erste Hauptmeridian derselben im Punkte 0 den Kriimmungsradius OA, im Punkte E aber den Kriimmungsradius EA, hat, so ist es

AA, - d p offenbar, dass, wenn EO unendlich klein ist, EO - -'. ds,

In Sturm's Gleichungen dagegen bezeichnet p , den Abstand von einem Punkte der brechenden Flache, wo diese von einem Strahle ge- troffen wird, bis zum betreffenden Kriimmungsmittelpunkk, so dass die bei der Differenzirung dieser Gleichungen entstehende Grosse 2 gleich

lim A!o/- Da nun aber A,O, - A 0 = A,A - EO, und E O ,

= 0 0, sin i, A, A wiederum gleich E 0 . 9 = 0 0, cosi .*' ist, so resul-

ist. 0 0,

d 8, ds,

tirt daraus:

und in der gleichen Weise

wiihrend, da die pAxe die zweite Hauptkriimmungslinie der Wellen- fliiche im Punkte 0 tangirt,

ist.

bewiesen : Auf ganz dieselbe Weise wird fiir das gebroohene Strahlenbiindel

310 -1. GULLSTRAND :

und fur die brechende Flache:

P9b) d R , - d R , . d R , d R , . dR,, - (iR,,. dR', - %,. - - 1 --=- - dx ds, rly ds,,' d.z: d s , ' d y ds,,

In Figur 9 sind p q R in der Richtung F O ~ 0 gegen A B C hin, dx ds, in der Richtung von 0 gegen 0, E hin, und i r in der Richtung von OC gegen O A hin positiv gerechnet worden, welche Rechnungs- weise ich auch im Folgenden beibehalten werde.

Da nunmehr alle in die Gleichunger, (4) und (5) eingehenden Grossen von den beiden unabhangigen Variabeln x und y, den Coordi- naten eines Punktes der brechenden Flache, wo ein beliebiger, dem Strahlenbundel angehoriger Strahl gehrochen wird, gekannte Functionen sind, stosst ihre Differenzirung mit. Hinsicht zu diesen Variabeln auf kein Hinderniss. Man erhalt alsdann:

n cos2r dq, n cos r - cos i d R,

s in2i d i n s i n 2 r d r

cos % dp, + !in (e - fi) -.- + T - . -- (I,"'&= -~ El2 dx p , d z R, dx d x

* -9 + __-

PI dx 9, d x

Werden nun in diese Gleichungen die aus den Formeln (15-19) (1 7 a- 19a) (1 9 b) erhaltenen Werthe eingesetzt, so resultiren folgende vier Gleichungen:

3 n sin 2 r 3120s i sin 2 i 3 n c o w sin2r + 29:

- - 2 Q, R, 2P,?

1

n cos r dq,, n cos r - cos i dR,, cos a dp,, sin 2 i -.-= .- +-F.- +-- 4,: ds, R': ds, P,, ds, 2P,B,, (22 a)

welche nur eingefiillt zu werden brauchen, urn, wenn das einfallende Strahlenbfindel und die brechende Fllche gekannt, sind, die Differential-

BEITRAG ZUR THE OR^ DES ASTIGMATISNUS. 31 1.

quotienten des gebrochenen Strahlenbundels zu geben. Dass in diesen Gleichungen, Venn es sich urn Spiegelung anstatt um Brechung handelt, nur n = - 1 zu setzen ist, durfte kaum nothig sein anzudeuten.

Renn ein Strahlenbiindel in mehreren, durch verschiedene Ab- stande getrennten Flachen gebrochen wird, muss die Origo des Coor- dinatensystemes immer wieder zu dem Punkte in der Flache, wo der Leitstrahl gebrochen wird, rerlegt werden , damit diese Gleichungen sich auf jede einzelne Brechung anwenden lassen. Um dies thun zu kijnnen, ist es nothwendig zu wissen, welche T'eranderungen die Con- stanten des Strahlenbundels erleiden, wenn die Wellenflache ein Stuck d, in der Richtung der Fortpflanzung des Lichtes positiv gerechnet, ver- schoben wird. MGgen dann y, y,, 2 u. s. w. die Constanten des Strahlen- bundels in Bezug auf die neue Weilenflache bezeichnen. Es leuchtet ein, dass die Eigenschaften des Strahlenbundels durch diese Verschie- bung der Wellenflache in keiner Weise verandert werden konnen; nur ihre Masse nehnien eine andere Gestalt an. So miissen die Krum- mungsradien der Evoluten der Hauptkriimmungslinien dieselben Werthe behalten, daher (vgl. S. 284)

Ebensowenig kann der Neigungswinkel der dunnsten Querschnitte gegen den Leitstrahl verandert werden? daher gembs (7) gilt:

@)/ . de, = 2. dr, und __. e, - 4% - - r, .d ' r . eu - e, ds,, r,, - r, ds,, e,, - g, ds, r,, - r, ds,

Da man nun ohne Weiteres einsehen kann, dass r, = e, - d und T,, = g,, - d ist, gelten also fiir die neue, in einem Abstande d von der alten, verlegte Wellenflache folgende Werthe :

r, = e, - d ; r,, = el, - d ; dr, - e,, . de,,. - dr , - e/ de,.

dr, =-.- e/, de,. 3- -2L.52. -

ds, q, - d ' ds,' ds,, p,,- d ds,,'

ds,, e,, - d ds,,' ds, g, - d ds,

Wird in die Gleichungen (21a) und (22a)

eingesetzt, so werden dieselben identisch mit den von Matthiesseq nach eiper anderen Methode hergeleiteten Formeln, welche die-Veigung der ,,Brennlinien" eines in einer sphihischen Fliiche gebrochenen Strahlen- biindels gegen den Leitstrahl bestimmen.

312 A. GULLSTRAND:

Als eine kleine controlirende Probe, dass sich bei der Herleitung der Gleichungen kein Fehler eingeschlichen habe, will ich hier die Berechnung des Winkels anfuhren, welchen die zweite Brennlinie eines unter schiefer Incidenz in einer spharischen Flache gebrochenen Strahlen- bundels mit dem Leitstrahl bildet. Wie wir schon in der Einleitung gesehen haben, fallt in diesem Falle die zweite Breunlinie mit der sogenannten Directionslinie zusammen (Fig. 1). Sind nun die einfallen- den Lichtstrahlen parallel, so bildet diese Linie mit dem Leitstrahl des gebrochenen Strahlenbundels den Winkel i - r, welcher Werth dem- nach mit den gefundenen Gleichungen zu erhalten ist. In der That giebt die Gleichung (22a)

woraus nach Einsetzung von den durch (4) und (5 ) gegebenen Werthen von q, und q,, leicht erhalteii wird:

welcher Ausdruck mit Hiilfe von (7) endlich gieht:

cot o,, = - cot (i - 4' Um auch (20a) controliren zu konnen, mussen wir ein anderes

Beispiel wahlen, und wir nehmen dazu den einfachen Fall der Brechung in einer ebenen Flache, so wie diese Brechung sich gestaltet, wenn man einen in Wasser befind- lichen Gegenstand be- trachtet. W-enn namlich in Fig. 10 AQ einen Durchschnitt der bre- chenden Fliiche, S Q einen einfallenden und R Q den entapreohenden gebro- chenenstrahl bezeichnen, und wenn ferner SCH

senkrecht gegen A Q gezogen, CH = SC gemacht und ein Cirkel durch die Punkte SH und Q gelegt worden ist, so lasst es sich unschwer nachweisen,' dass der Locus des Schnittpunktes P zwischen diesem

Fig. 10.

' * Der Beweis ist bei R. S. Heath, A Beatise on Cfeomethcal e t i C 8 , Cambridge 1887, S. 121 zu finden.

BEITRAG ZUR THEOEIE DES ASTIGMATISMUS. 313

Cirkel und der Verlangerung des gebrochenen Strahles eine Ellipse ist, zu welcher der Strahl eine Normale darstellt. Wenn demnach PQR den Leitstrahl eines gebrochenen Strahlenbiindels vorstellt, muss die Wellenflache im Punkte P ein Element eines Rotationsellipsoids sein. Nun gilt aber fir alle Flachen zweiten Grades unter Anwendung des Coordinatensystems p = q = s = 0, dass

a s % a s x axe aya a x a g s * Z G

83% aax 1 - 3. - _._ -

und mithin (siehe S. 288)

welche Bedingung demnach yon den aus (20a) und (22a) zu erhalten- den Werthen der in P gedachten Wellenflache erfiillt werden muss. Wird also SQ mit z bezeichnet, so ist offenbar, da der Winkel A Q S ein Complementswinkel von i und der Winkel aQP ein Complements- winkel von r ist, n = A & sin i und PQ = A Q sin r7 mithin PQ = : - Da weiter die Abstande von der brechenden Fllche aus in der Rich- tung der Fortbewegung des Lichtes positiv zu rechnen sind, so ist p , = p,, = - n, und die Gleichungen (4), (5), (20a), (22a) geben

~t cossr q, = --.- cos 3i ’

q,, = - nn,

welche Werthe fir die Wellen0iiche in Q gelten. Gm die Werthe der in P gedachten Wellenfliiche zu erhalten, wenden mir (24) an und er-

ist. Wir erhalfen dam: innern uns, dass d = PQ = - - n(n8 - 1) p , = - -

ncos9i ’ n (n9 - 1) p,, = -.--

1 2 ’

n 72

* Vgl. BSklen a. a. 0. Der Satz wird tibrigens leicht durch Differen- zirung der allgemeinen Gleichung zweiten Grades bewiesen, wenn in den er- haltenen Ausdriicken p = q = s = 0 gesetzt wird.

314 A. GULLSTRAND :

welche Wert.he, wie ersichtlich ist, die geforderte Bedingung

erfullen. Nach Abschluss dieser Controlrechnungen, mit welchen ich haupt-

sachlich die Zuverllssigkeit meioer Formeln fur Jene habe beweisen wollen, welche die Muhe scheuen oder das Mittel nicht zur Hand haben, die Herleitung selbst zu controliren, konnen wir jetzt zur An- wendung der gewonnenen Resultate auf einige der gewohnlichsten in der Optik, auch der physiologischen , Forkommende Falle ubergehen, doch ohne uns auf eine erschopfende mathematische Discussion der Formeln einzulassen.

Brechung eines homocentrischen St rah lenbundels i n e iner ebenen Flache. Fur diesen Fall haben wir schon oben ge- mass (4), (5), (20a), (22a) gefunden:

n. cos 2r 4, = P - x ,

q,, = "P,

&I, - dq,, - ds,, ds,,

und fiberdies geben (21a) und (23a) - - - - 0. Das gebrochene Strahlenbundel ist demnach, wenn p einen endlichen Werth hat, immer astigmatisoh von der zweiten Form, wofern nicht die Incidenz recht- winkelig ist; und die Differentialquotienten haben, wenn n > 1 ist, negative, im entgegengesetzten Falle positive Werthe. 1st dagegen p = 00, so wird auch q, = q,, = 00 und die Differentialquotienten 9 und % verlieren jegliche Bedeutung, so dass parallel einfallende d s, d 8, Strahlen auch nach der Brechung parallel sind. 1st p = 0 und folg- lich auch q, = q,, = 0, d. h. liegt der leuchtende Punkt auf der Fliiche selbst, so ist naturlich ds, = 0 und 4as Strahlenbiindel bleibt nach der Brechung homocentrisch.

Brechung eines homocentrischen St rah lenbundels i n einem Prisma. Wir nehmen an, dass die Kante des Prismas senk- recht gegen den Leitstrahl steht und die Brechung so nahe der Kante geschieht, dass von der Dicke des Prismas abgesehen werden kann. Fiir die Brechung in der ersten Flache gelten die oben angegebenen Werthe. Um entsprechende, nach der Brechung in der zweiten Fliiche

BEITRAG ZUR THEORIE DES /1STIGMATISMUS. 315

geltende Werthe zu erhalten , haben wir nur die gefundenen Grossen statt p,p, , -' u. e. w. in die Formeln (4), (5), (20a-23a) einzusetzen, unter Beriicksichtigung naturlicherweise , dass fur die Brechung in der zweiten Flache n. st8att rz gesetzt werden muss. Werden mit i, T, der Einfalls- bezw. Brechungswinkel in der zweiten ebenen Flache hezeich- net, so erhalten wir auf diese Weise:

dP d 8,

1

cos *r cos %, CIJS 2i cos %,,

q, = p . rl,, = P,

d s,, und die Werthe fiir 2 und Form umwandeln:

lassen sich leicht in die folgende

(cos 2i tgi , - cos2,; 4q.T) 3 (122 - 1) dql =

ds, ?t cos2 i cos i, cos r, dq,, - id - 1) cos i, __ - (tg i, - tg T). ds, 12 cos r,

Wenn der TVinkel des Prismas mit u bezeichnet und die x-Axe fur beide Brechungen in der Richtung nach der Kante zu positiv ge- rechnet wird, so erhalt man mit Itiicksicht auf die Richtung, in wel- cher die Winkel positiv gerechnet werden, und unter der Annahme, dass n > 1:

mithin r > i, und i > T,

folglich tgi, - t g r < 0

sowie auch cos2i tgi, - cosar, t g r < 0,'

woraus hervorgeht, dass die Differentialquotienten immer negative Werthe haben, wofern u > 0 ist. 1st dagegen u = 0, so geht das Prisma in eine dunne, von p&nparallelen Fliichen bebenzte Platte iiber, und das Strahlenbundel bleibt homocentrisch. Uebrigens kann der Astigmatis- mus nur verschwinden, wenn i = - T, , mithin T = - i,, was eintrifft, menn das Prisma fur das Minimum der Ablenkung eingestellt ist.

Haben r und i, entgegengesetzte Vorzeichen, so dass r > 0 , aber i, < 0 ist, so folgt dieser Satz von selbst. Haben wieder beide ein positives Vorzeichen, so ist cos % < COB %, und da tg i, < tg r ist, folglich auch COB % tg i, < COB *r, tg r ; und wenn beide ein negatives Vorzeichen haben, so dass cos% > cossv, ist, so ist numerisch cos % tg i, > cos %, tg P oder, da beide negativ sind, cos 2i tg i, - COB 'r, tg r < 0.

u = r - i

316 A. GULLSTRAND :

I n diesem Falle ist demnach das gebrochene Strahlenbundel quasi- homocentrisch ron der zweiten Form mit negativen Werthen der Diffe- rentialquotienten , in allen anderen Fallen dagegen astigmatisch von der zweiten Form mit negatiyen Werthen der Differentialquotienten. Dies, sofern p einen endlichen Werth hat; ist dagen p = co oder p = 0, so folgt ebenso wie hei der Brechung in einer ebenen Flache, dass die gebrochenen Strahlen parallel bezw. homocentrisch bleiben - das lebzte nnter der Voranssetzung. dass die Brechung eben in der Kante des Prismas zu Stande kommt.

1st dagegen die Iiante gegen den Leitstrahl nicht senkrecht, so konnen auch die Brechungsebenen nicht in den beiden Flachen zu- sammenfallen, was zur Folge hat, dass das in der zweiten Flache ein- fallende Strahlenbundel nicht um die Brechungsebene in dieser Flache symmetrisch ist und das gebrochene Strahlenbundel demnach von der dritten Form sein muss.

B re c h u n g e i n e s homo c e n t r i sc h e n 5: t ra h 1 e nb u n d e 1 s i n e iner spharischen Fliiche. Aus den Gleichungen (4-5), (20a- 23a) ergeben sich die Werthe:

n cos $r d q 3 sin i cos i 3 sin i cos 1' 3 sin i cos 2i 3 sin i cos

n cos T dq,, sin i cos i sin i COST sini sin i ,

--.L- - .. ~ - ~ _ _ _ p 2 + q,a 7

- 9,P ds , PR Q, R

- ~ . - = -____- .~ - - Q,,P ds , PR 9, R P a +z

Die Werthe fur !!!& und konnen naoh Elimination von q, d s, ds,

bezw. p,, leicht in folgender Form umgewandelt werden : ncosar d q , - 3 s i n ( i - ~ ) c o s i .- - __-

Q,1 ds, n cos % n cos T dq,, sin (2' - r) cos (i - yj cos T

P .-=--

9,: ds, n COB r

Natiirlich verschwindet der Astigmatismus, wenn i = 0, mithin die Incidenz rechtwinkelig oder p = 0 ist, in welch letzterem Falle der leuchtende Punkt sich auf der brechenden Flache befindet. I n den ubrigen Fallen kann der Astigmatismus nur rerschwinden, wenn 4, = p,, ist, woraus sich ergiebt:

cos2r{p(ncos1. - COStJ + Rf =p(ncosr- cosi) + Rcos2i

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGXATISMUS. 317

was wiederum

giebt. ,4us den gefundenen Werthen geht nun hervor, dass das ge-

brochene Strahlenbiindel immer astigmatisch yon der zweiten Form mit negathen Differentidquotienten ist, so lange p < 0 oder p > R(ncos r + cos i ) ist, d. h. wenn die einfallenden Strahlen divergent oder parallel sind oder zu einem in griisserem Abstande als R (n cos r + cos i ) gelegenen Punkte convergiren. 1st dagegen p < R (fi cos r + cos i ) aber

, so ist das gebrochene Strahlenbiindel astigmatisch mit

so tritt die Unter- positiven Differentialquotienten ; ist p = R

art des astigmatischen Strahlenbiindels auf, in velcher !!!& = 0, d4. d 8, d s,

aber > 0 ist. Da in diesem Falle % = 0 ist, so muss offenbar die Brennlinie des gebrochenen Strahlenbiindels senkrecht zum Leitstrahl stehen. Da mir nun in der Einleitnng gesehen haben, dass die Brenn- linie mit der sogenannten Directionslinie, die den Mittelpunkt der spharischen Flache mit demjenigen Punkte rereinigt, zu welchem die einfallenden Strahlen convergiren , zusammenfallt , so muss offenbar, wenn die hier deducirte Theorie richtig ist, diese Linie zum gebrochenen

ist, woraus sich dann COB r Strahle senkrecht stehen, sobald p = R (i - r)

q,, = R 00s r ergiebt. I n der That erhalten wir fiir diesen Fall

p = R (n cos r + cos i )

cos r > Rcos(i - r)

cos r cos( i - 9.)’

d s,

9,) =

COB r

- = R Rs cos (i - r)

-%’+ R cos r (n cos r - c o s ( i - r)

cos 1’)

wodurch eine neue Controle der Richtigkeit meiner Theorie gegeben wird.

ein nega- COB r 1st wider p < Rcos (i - r), aber > R c o s i , so hat

’ ds,

da, tives dq -‘ aber ein positives Vorzeichen, und menn p = R GOS i ist, so ist

= 0, @L aber < 0, d. h. das gebrochene Strahlenbiindel hat zwei d 8, d 8,

Brennlinien, ron denen jedoch die erste, welche senkrecht gegen den Leitstrahl steht, gekriimmt ist, und die zweite schief zum Leitstrahl steht. 1st endlich p < R cos i , so haben beide Differentialquotienten ein negatives Vorzeichen.

* Ich setze hier und im Folgenden voraus, dase n > 1 ist.

318 A. GULLSTRAND :

Im speciellen Falle p = R (n cos r + cos i) verschwinden, wie wir gesehen haben, sowohl die beiden Differentialquotienten als auch der Astigmatismus des gebrochenen Strahlenbundels: welches also wirklich homocentrisch ist, mag der Incidenzwinkel noch so gross sein. Wie man sich leicht durch eine einfache Construction iiberzeugen kann, so trifft nun dieser Fall zu, menn die einfallenden Lichtstrahlen zu einem Punkte convergiren, der auf einer mit der brechenden Plache concen- trischen Sphare vom Radius nR gelegen ist. Nun kann man auch beweisen,' dass diese Strahlen sammtlich so gebrochen merden, dass sie zu demjenigen Punkte auf einer concentrischen Sphare vom Radius

convergiren, wo diese Sphare von der Linie geschnitten wird, welche den Mittelpunkt der brechenden Flache mit demjenigen Punkte ver- einigt , zu welchem die einfallenden Strahlen convergiren. Da dieser Beweis ohne jede Einschrankung oder Approximation gefuhrt wird, so gilt er auch fur Strahlenbiindel endlicher Dicke, welche demnach in diesem speciellen Falle homocentrisch auch nach Brechung in einer spharischen Flache bleiben. Wie man sieht, ist dieses wiederum ein Fall, wo die Richtigkeit meiner Theorie auf einem Gebiete bestatigt wird, wo sie durch schon zugangliche Mittel controlirt werden kann.

Brechung eines homocentr ischen Strahlenbundels durch das Centrum einer schief gestellten unendl ich dunnen Linse. Jede homogene Lime hat bekanntlich einen optischen Mittelpunkt, dessen Kennzeichen das ist, dass ein Lichtstrahl, welcher nach der Brechung in der ersten Fliche durch diesen Punkt geht, nach der Brechung in der zweiten Flache der Lime eine Richtung parallel mit der urspriinglichen erhalt, so dass der Einfallswinkel in der zweiten Fliche dem Brechungswinkel in dew ersten gleich ist und vice versa. Eben der bei der gegebenen schiefen St,ellung der Linse durch den optischen Mittelpunkt gehende Strahl wird uns als Leitstrahl dienen. Die bezuglichen Formeln erhdten wir, wenn wir in (4-5, 20a-23a) statt p , p dp,, die oben fur die Brechung in einer spharischen Flache gefundenen Werthe, fur R den Radius R, der hinteren Linsen-

1 flache und fur n i r bezw. - r i einsetzen. Wir erhalten dann, wenn die Focalabstlnde des Strahlenbundels vor der Brechung in der ersten Flache mit p , nach der Brechung in dieser Flache mit p , p , , und nach der Brechung in der zweiten Linsenfllche mit q,q,, bezeichnet werden :

12

ds, ds,

n

Vgl. Leroy a. a. 0. Arch. d'ophfh. 1881. S. 230 ff.

BEITHAG zuit THEORIE DEB ASTIGMATISMUS. 319

mithin:

ncos lr - n cos r - cos i cos *i - R + - j

P, P 1 - cos i - cos r n cos ?r L cos si n + ~~ 1

- ~

4, P ,

und auf die gleiche Weise: 1 1 = (n cos ‘r - cos i) - -

q,, (k 1) + p a Weiter gemass (20a) und (22a):

1 - cos S i n d_g , - cos3r 3 s i n 2 i p: 3 s i n 2 r p , 3 c o s i s i n 2 i p> q: ds, p: 2ncos3r p R 2 c o s S r R 2 n c 0 s 3 r - p B * - + . ~ - -__. _ - - - (

1 1 3 cos rsin 2 r 3 sin 2 r n 3 c o s r s i n 2 r Iz

3 . -sin2i 3 . - cos i s in2 i -

+ 2 coss r-) + - 2 9 3 ’ 2p,? - + 2 4: 1

1 - c o s i n tgr .c + tgr) + dp,, - cw9r ( p,: sin 2 r p,: . - -___ ._ - .- - --

q,: d s 2 n c o s r p R 2 c o s r p , R PB 1 - sin i 1 -sin 2 i + sin2 r n s inr -+--, n

2P,R, 2 4 3 , PNa 4,: aus welchen Ausdriicken nach Elimination von p , erhalten wird:

cos% dn, 3 s in( i - r) COB i COB i 1 ‘ -.-==- ----- 4: ds, cosr ( p R q,R, R’+&)

Bus. diesen Formeh geht hervor, dass das gebrochene Strahlenbiindel im Allgemeinen astigmatisch von der zweiten Form ist. Der Astig- matismos kknn nicht verschwinden, sofern nicht p = 0 ist, in welchem Falle auch q, = q,, = 0 ist und das Strahlenbiindel homocentrisch bleibt. Um zu untersuchen, ob das Strahlenbiindel in irgend einem speciellen Falle von der ersten Form sein konnte, setaen wir = dp, = 0, woraus, wenn i q, q,, endliche Werthe haben, sich ergiebt:

ds, ds,

cos Z i (i. - iB) - ($ - +) = 0.

Da nun indessen

320 A. GULLSTRAND:

und da

ist, so folgt hieraus:

cos 2i ( i2 - i2) - (L - 8.) = tg 2 i (m cos 1' - COS i ) 2 (a - ;)2, 4,:

so dass in der That immer

cos=i (4f2 - - - j2) - (5 - ;*) > 0

1 ist, wofern nicht - = 0, in welchem Falle die beiden Flachen der Lime congruent und mit einander parallel sind. Ein asstigma- tisches Strahlenbundel von der ersten Form kann also nicht vorkom- men, wenn i q, und q,, endliche Werthe haben. 1st aber q,, = co, wodurch der Differentialquotient dp, jegliche Bedeutung verliert, und

d 8, ist zur gleichen Zeit, wie es sich ereignen kann, $ = 0, so ist offen- bar das gebrochene Strahlenbundel von der ersten Form.

Fiir endliche Werthe von i q, q,, folgt indessen aus dem oben

R,

Gesagten COB si dq, cos i dq,,

ds, > z'ds,' .- woraus wieder herrorgeht, dass dq 2 > 0 ist, wenn * = 0, und dasp

d s, ds, dq, - d% < o ist, wenn - - 0.

ds, ds,

und man erhalt durch einfache Elimination 1st die Lhse biconvex mit gleichen Flachen, so ist R, = - R,

Bus diesen Werthen ergiebt sich, dass 2s 0 ist, je nachdem

- + - 0 und dam, wenn 2 0 ist, d. h. wenn die einfallenden P q , 7 ' P - Lichtstrahlen parallel oder convergent sind, beide Differentialquotienten immer positive Vorzeichen haben. 1st dagegen das einfallende Strahlen- biindel divergent und wird der leuchtende Punkt allmihlich genahert, so wird zuerst in einem gewissen Abstande, wo der numerische Werth ron p grosser als Q, aber kleiner als q,, ist, 3 = 0 und danach ne-

1 1

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGNATISMUS. 321

gativ, wahrend 2 positiv bleibt, bis - p = q, geworden ist, in wel- chem Xomente diese Grosse = 0 wird, und wenn der leuchtende Punkt noch mehr genahert wird, beide Differentialquotienten negative Werthe haben. Durch allmahliche Annaherung des leuchtenden Punktes zur Linse konnen demnach alle Varietaten der zweiten Form, niemals aber die erste Form erhalten werden.

Fur eine planconvexe, mit der conrexen Flache dem einfallenden 1 Lichte zugewendete Linse ist - = 0 und man erhalt durch Elimina-

tion von q, bezw. q,,: cosai dq, 3sin(i-r) 2 n c o s r f c o s i n2 c o s a r - n c o s r c o s i - c o s a i

q: ds, R c o s r cosi dq,, sin(i-r) 2 a c o s r + cosi n 2 c o s 2 r - m c o s r c o s i - 1 q,: ds, R c o s r

R,

) R COP i -.-= ( P + ( P + R -1 -.-=

Sind nun die einfallendeb Lichtstrahlen parallel, so ist die Be- d% - dingung, damit - - 0 werde, die, dass

s,

n2cos2r - n c o s r cosi - cos2i = 0 ist, woraus sich ergiebt:

i=arcsin1/+{nZ+ 1 k(n2-I)fij oder, wenn n = 1.5 ist, i = 28O 29. 1st der Einfallswinkel kleiner, so ist 9 negativ, bei grosserem Einfallswinkel aber hat die genannte

Grosse ein positives Vorzeichen. Damit 9) hei parallel einfallenden Strahlen verschwinde, muss wiedenun

n2cos2r - n c o s r C O S ~ - 1 = 0 sein, woraus , sich ergiebt :

d s,

ds,

oder, wenq n = 1-5 ist, i = 73O 13’. Wenn also bei parallel einfallenden Lichtstrahlen die Lime un-

bedeutend schief gestellt ist, so haben beide Differentialquotienten ne- gative Werthe. Wird danach die Stellung der Linse allmahlich schiefer, so wird zuerst 3 = 0 und danach positiv, wahrend 9 noch negativ

ds, d 8,

ist. Erst bei sehr schiefer Stellung erhalt dieser Differentialquotient einen Werth, der durch Null zu einem positiven iibergeht - alles unter der Voraussetzung, dass der Brechungsindex einen solchen Werth hat, dass die oben gefundenen Werthe von i reel1 sind, was, wie wir ge-

Sknndin. Archiv. 11. 21

322 A. GULLSTRAND :

sehen haben, fur n = 1.5, mit,hin fur eine Glaslinse in der Luft der Fall ist.

1st dagegen die ebene Flache der planconvexen Linse dem ein- fallenden Lichte zugewendet und ist der Radius der convexen Fllche R,,, so haben wir R,, = - R, und 1z = 0. Durch Elimination von q,

ergiebt sich dann:

1

cos8i dq, 3sin(i-r) + cosi nscosar \ + R,,cospip __.- - -. -

q,” ds, R,,cos T

COY i dq,, - sin (i - r) + cos i np cos r cos (i - r) + R,, cos i -) _ _ _ ~

4,: ds, R,,cos r ,

ivoraus hervorgeht, dass beide Differentialquotienten positive Werthe 1)ei convergent oder parallel einfallenden Strahlen haben, sowie dass der leuchtende Punkt der Linse mehr genihert werden muss, als bei einer biconvexen Lime mit gleichen Flachen nijthig ist, damit zuerst */ und dann !!!& gleich Null und spater negativ werden. ds, ds,

Setzt man namlich 1 1 - + - = o , 0 9,

so erhilt man 2 n cos r + cos i ns cos Yr n cos r 1

.P + R,,cossi = BR,cosi + ZR,,

und 2nCOBr f C O S i n * C O B ~ C O S ( i - r )

P - + - R,, cos i 2np COST (cosi cos (i - r) - cosr) + n COB r cos i + cos li

2 R,, cos 9i - -

worms sich ersehen liisst, dass bei demjenigen Werthe von p , bei wel- chem, wenn die Linse biconvex mit gleichen Flichen ware, 2 = 0 und

< 0 sein wiirden, in der That, wenn die Linse planconvex und d 8, ihre ebene FlLche dem einfallenden Lichte zugewendet ist, 2 einen positiven Werth hat, und ebenso auch bei einem kleinen Einfallswinkel 5% wiihrend bei einem grijsseren Incidenzwinkel dieser Differential- ds, ’ quotient einen negativen Werth hat.

Wenn ich im Vorhergehenden nur die fur den speciellen Pall 8 = 9. = 8, = 0 hergeleiteten Gleichungen angewendet habe, so hat dieses darin sainen Gnind, dass fiir diesen speciellen Fall die Reoh-

BEITRAQ ZUR TKEORIE DES ASTIGNATISMUS. 323

nung einigermassen ubersehbar ist, was dagegen nicht vom allgemeinen Falle gesagt werden kann, zumnl die Gleichungen Sturm’s an und fur sich schon in der ganz allgemeinen Form sehr unbequem sind, pin Nachtheil, welchen naturlich in noch hoherem Grade die durch Differenzirung aus ihnen erhaltenen Gleichungen zeigen miissen. Be- Tor wir demnach Formeln fur den allgemeinen Fall herleiten, wollen wir die angegebene Methode noch auf einen anderen speciellen Fall anwenden, denjenigen namlich , wo zwar die Incidenz rechtwinkelig, aber nicht 0 = 9. = 0 ist. Dies ist mit der Linse von Stokes der Fall, welche fruher in der Ophthalmiatrie Anwendung gefunden hat und sie wahrscheinlich hier und da noch heote findet. Sie besteht bekanntlich aus zwei plancylindrischen Glasern, welche einander mit den ebenen Flachen beriihren und deren Axen eine verschiedene Nei- gung gegen einander gegeben werden kann, so dass der Effect des gegebenen Systems einer spharisch-cylindrischen Combination von wech- delnder Starke entspricht. Wenn nun ein homocentrisches Strahlen- biindel unter rechtwinkeligem Einfall durch das Centrum einer solchen Linse gebrochen wird, so entsteht nach der Brechung in der ersten cylindrischen Flache ein astigmatisches Strahlenbiindel der ersten Form, dessen Fokalebenen mit den Hauptmeridianen der zweiten brechenden Flache nicht zusammenfallen konnen, wenn die Axen der cylindrischen Glaser schief gegen einander stehen. Da sowohl das einfallende StrahIen- biindel hei der Brechung in der zweiten cylindrischen Fltiche a19 auch diese Fliche selbst von der ersten Form sind, so werden nach Diffe- renzirung der Gleichungen (1 -3) alle Differentialquotienten der reohten Glieder der erhaltenen Gleichungen gleich Null, und diese Gleichungen geben dann den Werth Null fiir alle Differentialquotienten des ge- brochenen Strahlenbundels, wonach also durch Brechung von einem homocentrischen Strahlenbiindel unter rechtwinkeliger Incidenz in einer S tokes’schen Linse ein Strahlenbiindel der ersten Form entsteht.

Fur die Brechung eines Strahlenbiindels unter rechtwinkeligem Einfalle in einem aus centrirten Rotationsflachen zusammengesetzten optischen Systeme gelten die Gleichungen:

n l l _ - 4, - z + 3 n l l _ - 4N - ic + 3

in welchen F den vorderen Fokalabstand und n das Verhalten der Brechungsindices des ersten und letzten Mediums bedeuten.

Werden diese Gleichungen differenzirt, so erhalt man 21*

324 A. GULLSTRAND:

und fir die ubrigen Differentialquotienten analoge Werthe. Bei Anwendung dieser Formeln beziehm sich die Differentialquo-

tienten des einfallenden Strahlenbundels selbstverstandlich auf die in dem ersten Hauptpunkte gedachte Wellenfliche und die erhaltenen Werthe der Differentialquotienten des gebrochenen Strahlenbundels auf die im zweiten Hauptpunkte gedachte.

Der Vollstiindigkeit halber will ich hier auch allgemeine Formeln fur die Brechung eines unendlich dunnen Strahlenbundels herleiten. Dies konnte sicherlich, wie schon fur einen speciellen Fall geschehen ist, durch DiiTerenzirung der S turm'schen Gleichungen erreicht wer- den, aber der Werth des in die so erhaltenen Gleichungen eingehen- den Differentialquotienten der Winkel 8 gestaltet sich dermassen com- plicirt, dass ich eine andere Methode wahle.

Wir nehmen wie fruher ein rechtwinkeliges, dreiaxiges Coordinaten- system an, dessen Origo sich in dem Punkte der Flache befindet, wo der Leitstrahl gebrochen wird, dessen %-Axe mit der Normale in diesem Punkte zusammenfallt, und dessen *Axe in der Brechungsebene liegt. Die Differentialquotienten bezeichnen wir rnit p q r s t u v w u1 (siehe S. 288) fir die Wellenflache des einfallenden, mit p , q , r, u. s. w. fur die des gebrochenen Strahlenbundels und mit p,, q,, r,, u. s. w. fiir die brechende Flache. Wenn die Richtungscosinuse eines dem einfallen- den Strahlenbiindel angehorigen Strahles rnit u ,6 y, die des entspre- chenden gebrochenen Strahles rnit u, P, y,, und diejenigen der Nor- male in dem Punkte der Flache, wo dieser Strahl gebrochen wird, mit a,, PI, y,, bezeichnet werden, wenn meiter sp sp, der Einfalls-, bezw. Brechungswinkel und p p, die bezaglichen Brechungsindices sind , so kann bekanntlich das Brechungsgesetz p sin sp = p, sin sp, in der folgen- den Weise ausgedriickt werden :

P a - P Y , = La,, P,6 - P,P, = 4% PY - P,Y/ = AYjl

il = pcossp - y,cos sp, in welchen Ausdrucken

ist. Durch Differenzirung entstehen folgende Gleichungen:

HEITRAG OUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 325

pd2a - p,d2a, = ?,d2a,, + 2dkda, , + a,,d'k pd2P - p,d2P, = Rd2P,, + 2dLd/3,, + /j',,d21 p d 2 y - p,d2y, = 3bd2y,, + 2dAdy,, + y,,d2?,

Fur die Richtungscosinuse gelten folgende Ausdrucke : p" p = - - - 9 y = - 1

N ' hT7 a = --

wo N = f 1 +$++pa.

Durch Differenzirung ergiebt sich: N d p - p d N

N 2 d a y -

1 oder, da d N = ( p d p + qdp) ist:

N 7

woraus sich wiederum ergiebt:

326 9. GULLSTRAND :

’ c.

Die Richtungscosinuse u y eines einfallenden Strahles sind demnach bekannte Functionen der Coordinaten E q 5 desjenigen Punktes der WellenflHche, in welchem diese von dem betreffenden Strahle ge- troffen wird. Wenn nun dieser Strahl die brechende Fliiche im Punkte x y x trill%, so entspricht offenbar einem gewissen Punkte E q 5 ein bestimmter Punkt z y x. Da nun 5 eine Function von 6 und q ist’ und x von z und 9, so haben wir:

und erhalten durch Dserenzirung: u =‘fW s = sp (ZY) 9 = v (w)

nebst analogen Werthen fiir p und y.

Dass ein Strahl im Punkte l q 5 zur Wellenflache normal ist und im Punkte x y x die brechende FlHche trifi, wird durch folgende Gleichungen ausgedriickt :

@ - E l fp(x-5) = 0 (9 -4 + q ( x - 0 = 0,

fiir welche gilt: d 5 =pdE + qdq, dp = rdE + sdq u. s. w. und

BEITRAG ZLTR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 32T

d x =p , ,dx + q,,dy, dp,, = r,,dx + s,,dy u. s. w. Durch Differenzirung in Bezug auf x und y erhalten wir:

d x - d d % + p ( d x - d ( ) + ( x - ( ) d P = O d y - dq + q(dx - - ( ) + ( ~ - 5 ) d q = 0

- d 2 8 + p ( d 2 n - d 2 ( ) + 2 d p ( d x - d ( ) + ( X - < ) d a P = O - d2q + q ( d 2 x - d 2 ( ) + 2 d p ( d ~ - - ( ) f ( X - g ) d 2 4 = 0 ,

in welchen Gleichungen fiir den Leitstrahl des Strilhlenbiindels p,, = q,, = q = x = ( = 0, mithin . .

d x = O d ( = p d E d2z = r, ,dx2 + 2s, ,dx d y + t,,dy2 d 2 c = rdE2 + 2 s d E d q + t d q 2 + p d 2 E

einzusetzen ist, wobei folgende Gleichungen entstehen : d x - dE - p 2 d 6 = 0

d y - dq = 0 -dd”E+p(r, ,dx2+ 2s, ,dxdy+t, ,dy2-rdE2 - 2sdEdq - tdq2 - p d a E ) -

- 2pdE(rdE + s d g ) = 0

. . a B a asrl Da mithin - = 3’ = - = 0 und 3 = 1 ist, so erhalten wir a y a x ays aY

aus (D):

nebst analogen Werthen fiir und y.

328 -4. GULLSTEAND :

Fur den Leitstrahl ist nun in unserem Coordinatensysteme a,, = p,, = 0, y,, = 1 und, da p,, = 0 ist, auch dy,, = 0. Aus der letzten Gleichung (A) erhalten wir dann d3. = pdy - p,dy, welchen Werth wir in die zwei ersten Gleichungen (B) einsetzen.

Die dritte Gleichung (B) giebt den Werth von dl,, welchen wir jedoch nicht brauchen. Es entstehen also Tier Gleichungen:

pda - p,da, = Ida,,

p ( d 2 a - 2 d y d ~ , , ) - p, (d2a , - 2dy,da,,) = 3,d2a,, P d P - P/d@, = j*d@,,

P ( d 2 P - 2dydP,,) - P, P2P, - 2dY,dP,,) = )*d2P,,. Wird dann die Differenzirung in Bezug auf die beiden unab-

hangigen Variabeln 2 und y, die Coordinaten desjenigen Punktes der Fliche, wo ein Strahl gebrochen wird, ausgefiihrt, so ergeben sich fol- gende zehn Gleichungen :

1

1

Wenn die allgemeine Gleichung einer Flache im Coordinaten- systeme p = q = s = 0 ist (siehe S. 289)

so erhalten wir fur die Wellenflache des einfallenden Strahlenbundels, wenn der Einfallswinkel sp ist, und der erste Hauptmeridian der Flache mit der Brechungsebene den Winkel 8 bildet, durch Einsetzung von:

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 329

x = ( E cos y - 5 sin y ) cos 8 - 71 sin 8 , y = (1 cos y - 5 sin y ) sin 8 + 11 cos 8, :: = g s i n y + 5 c o s y 1

die Gleichung:

"( t3 cos 3y - 3g25 cos 2y sin y + 365' cosy sin 2y - c3 sin 399) - 6

b - - ( ~ 2 ~ ~ c o s ~ y - 2 ~ ~ i ~ c o s y 2 s i n y + q c 2 sin2y)+ ++( t l i2cosy-q25s iny) - - - ~ ~ 3 - - ( ~ ~ ~ 0 ~ 2 y - 2 ~ ~ c o s y s i n y + d e

6 2 +52s in2y)+ f ( ~ ~ c o s y - - i ~ s i n y ) - ~ . ~ i 2 + ~ s i n y + ~ c o s y = 0 , 9

in welcher: cos $0 de, 3 cos '0 sin I3 de, 3 cos 0 sin $0 de,, sin 30 de,, __ * - + -.-+-.-

e: d s,, 6,: ds, e,/2 ds,,' sin 0 (sin ' I 3 - 2 cos '0) de,, . . ..-+ ~ _ _ - _ _ ~ . _ _

+ a = - . - e> ds ,

e,P d 5 , e? ds,, e,? d s, cos *0 sin I3 de, cos 0 (cos 20 - 2 sin W ) de, .-- b=

cos I3 sin *0 d e, sin I9 (sin a0 - 2 cos 913) d e, ~-__ .-+- . -- ds,

cos0 (cos 0 - 2 sin *0) dp,, +

C = a - + e/a d s , g: d s,, e,? cos90 sin I3 dg,,

+ e,? ds,, . - 1

sin% cos 913 g = - - - + - Q, eN

e . s=--- f . t=-- g . p = - t g v ; q = o ; r=-

sind und aus der sich ergiebt:

cos 3'p' cos 9 9 ' cot3 'p '

u 1 = . d + 3 f g k y . coa 'p

Fur das gebrochene Strahlenbundel ergeben sich analoge Werthe,

In dieser Weise wird der Einfallswinkel in derselben Richtung wie in Fig. 9 S. 308 positiv gerechnet und der Winkel 8, wenn der erste Hauptmeri- dian in der Richtung vom positiven Theile der x-Axe gegen den negativen Theil der y-Axe gedreht ist.

330 9. GVLLSTRAND:

p , Q, u. s. w., fur die brechende Flache dagegen ist 5% = 0; mithin p , , = 9 , , = 0 ; r , , = e , , ; s , , = - f , , ; t, ,=g,,; u,,=--,,; v,,=b,,; w,,=-c, , ; ~ , , = d , , .

Werden nun diese Werthe in (C) und (E), dann die dadurch er- haltenen Werthe in (F) und endlich die aus diesen Gleichungen er- haltenen Werthe in (G) und (H) eingesetzt, so entstehen folgende sieben Gleichungen :

pe cos 2 y - p,e, cos %p, = (p cos y - p, cos y,) e,, , P f cos y - P,f, cos y, = (P cos y - P, cos cp,) f, , 9

Pg - P,9, = (P cos 4" - P, cus rp,)s,, 7 I I. p [u cos 3y - 3 (e2 + f 2 ) cos 2y sin cp + 3 ee,, cos y sin 971 - - p, [a, cos 3y, - 3 (e,2 + t2) cos 2y , sin y , + 3e,e,, cos y , sin y,]=

= (PCOSY - P,COS y,)a,,,

= (P cos q - P, cos Y,) b,, 7

= (P cos v - P, cos Y, ) c,, 7

p [ b cos 2y - 2 (ef + fg - ef,,) cos y sin y + fe,, sin y ] - - P,[b,C0S2Y,- 2(e, f , + f,s,-e,f,,) cosy,sin9F, + f,e,,siny,l=

-P,[C,COSCP,--,2+f,2-2~f,,)sincp,+e,g,,siny,cosy,l=

P [d + 3 fg,, sin 971 - P, Cd, + 3 t9,, sin %I = (P cos Y - P, cos SP,) d,, *

p [c cos y - (g2 + f 2 - 2 f f,,) sin sp + eg,, sin y cos 971 -

Thatsachlich werden namlich die zweite und dritte der Gleichungen (G) identisch und geben die zweite der Gleichungen (I), wahrend auf ahnliche Weise die zweite und vierte der Gleichungen (H), eine jede fur sich, die zweite der Gleichungen (K) und die dritte und fiinfte der Gieichungen (H), ebenfalls eine jede fur sich, die dritte der Glei- chungen (K) geben.

Durch die Gleichungen (I), welche mit den in der Einleitung an- gefuhrten S t u r m'schen Gleichungen identisch sind, werden die Fokal- abstande und die Richtung der Hauptmeridiane des gebrochenen Strahlen- bundels, und durch die Gleichungen (K), welche in dem speciellen Falle 8 = 9 = 8, = 0 mit den oben hergeleiteten Formeln (20a-23a) indentisch sind, die vier Differenzialquotienten der Fokalabstiinde er- halten.

IV. Hat es sich schon aus dem Vorhergehenden ergeben, dass die

Brennlinien der S t u r m'schen Theorie auch im unendlioh diinnen Strahlenbundel nur einer approximativen Rechnung ihre Existenz ver- danken, so werden wir jetzt untersuchen, in wie fern der Unterschied

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIG3IATISMUP. 331

mesentlich ist, wenn die Theorie mit oder ohne diese Approximation auf Strahlenbundel endlicher Dicke angewendet wird. Da mir es nam- lich in der Wirklichkeit niemals mit unendlich diinnen Strahlenbundeln zu thun haben, so scheint es mir, dass die Untersuchungen derselben immer zum Ziele haben mussen, die Strahlenbundel, welche in der That vorkommen, und melche immer eine endliche Dicke haben, kennen zu lernen. Bei solchen Strahlenbiindeln haben wir gesehen, dass die Breite der durch die Focalpunkte senkrecht zum Leitstrahl gelegten Querschnitte ebensowohl einen endlichen Werth hat, als die Lange der- selben, so dass jene nicht mehr rernachlassigt merden darf, wenn nicht das Strahlenbundel von der ersten Form ist, und dass somit die Sturm'sche Theorie n u r auf eine specielle Form des ast ig- m a t i s c h e n S t r a h 1 en b u n d e 1 s an g e m e n d e t we r d en k an n. Unser nachstes Ziel ist dither zu zeigen, dass die Theorie, wenn sie, wie oben geschehen ist, ohne die genannte Approximation entwickelt wird , wirk- lich auf Strahlenbundel endlicher Dicke angewendet werden kann.

Zu diesem Zmecke giebt offenbar das Experiment das beste Mittel ab. Hinreichenden Stoff zu controlirenden Experimenten wird man in den im vorhergehenden Iiapitel hergeleiteten Eigenschaften von Prismen und schief gestellten Linsen finden, und die Experimente sind so ein- fach und so leicht auszufiihren, dass ein jeder, der nur iiber einige Linsen verfiigt, sich selbst von der Richtigkeit der gewonnenen Resul- tate uberzeugen kann. Um einen leiichtenden Punkt zu erhalten, hat man vor einer gewfihnlichen Fotoghlampe nur einen Schirm zu be- festigen, in welchem in der Hohe der Flamme ein Loch von 3 bis 4"" Diameter angebracht ist. Hi l t I man nun eine Linse, zum Bei- spiel eine biconrexe Linse von 9 Dioptrien, Yon der in gewtihnlichen Probekastchen angewendeten Gattung mit einem Diameter von ca. 35"" im Abstande von einigen Met8ern rom leuchtenden Punkte so, dass die Lichtstrahlen das Centrum der Linse unter schiefer Incidenz tlurchlaufen, so ist das gebrochene Strahlenbiindel asti,matisch und von der zweitcn Form, und man kann dann seine Strahlen auf einem Schirme auffangen, der, je nachdem er in geringerer oder weiterer Ent- fernung von der Linse gehalten mird, verschiedene Querschnitte des gebrochenen Strahlenbtindels zeigt. Wir nehmen an, dass hierbei die Linse von einer ursprunglichen, gegen das einfallende Licht senkrechten Stellung aus so gedreht worden ist, dass die rechte Hllfte, vom Lichte aus gesehen, sich durch die Drehung vom leuchtenden Punkte entfernt hat. Nach der friiher zur Anwendung gekommenen Bezeichnung ist dann der Einfallswinkel positiv in horizontaler Richtung nach rechts, und auf die auf dem Schirme dargestellten Querschnitte sind positive

332 A. G ULLSTRAKD :

Werthe Ton x nach dieser Seite hin zu rechnen. Werden nun die entstandenen Querschnitte untersucht, so findet man leicht einen Punkt, wo der Querschnitt in transversaler Richtung schmaler als alle die iibrigen ist. Dies ist der erste dunnste Querschnitt. der bei einem Drehungswinkel der Linse von ungefahr 30° das Aussehen hat, welches Fig. 1 auf der Lichtdrucktafel zeigt. TVenn der Schirm Tom Lichte entfernt wird, zieht sich nlmlich die nach rechts gerichtete Spitze des hellsten Feldes der Figur nach rechts, und mird der Schirm dem Lichte genahert, so breitet sich die iibrige rechte Contur nach rechts aus, so dass der dunnste Querschnitt eben erhalten wird, menn die ge- nannte Spitze, wie in der Figur, genau auf diese Contur fallt. Die Figur hat, wie ersichtlich ist, sehr wenig Aehnlichkeit mit einer Linie, und will man sie daher nicht auf der Basis der Sturm’schen Theorie oder vom Standpunkte Natthiessen’s als eine Brennlinie bezeichnen, so muss man zu der Erklarung greifen, dass das Strahlenbundel zu dick sei, um dass diese Theorie angewendet werden konne. Wenn man aber dieselbe Linse mit einem plancylindrischen Glase von z. B. 2.0 Dioptrien vereinigt und das Licht durch dieses System unter recht- winkeliger Incidenz gehen lasst, so erhalt man zwei rollkommen deut- liche , gegen einander und gegen den Leitstrahl senkrecht stehende Brennlinien. In diesem Falle ist also das Strahlenbiindel nicht zu dick, warum sollte es dann in dem vorigen nicht dunn genug sein? Sehen wir dagegen nach, wie die Gestalt des Querschnittes mit der von mir gefundenen Form ubereinstimmt, so finden wir, wie mir scheint, eine vollkommen zufriedenstellende Uebereinstimmung. Man erkennt die drei Felder der Fig. 4 auf Seite 302, von welchen be- wiesen worden ist, dass die beiden kleineren lichtschwacher als das grossere sind, dessen Beleuchtung uberdies in der Richtung yon diesen Feldern aus gegen die andere Seite hin, wo sie am starksten ist, stetig zunimmt. Da bei der gegebenen Anordnung 2) > 0 ist, so sind die Abscissen der Schnittpunkte der Lichtstrahlen mit der durch den ersten Fokalpunkt senkrecht gegen den Leitstrahl gelegten Ebene positiv, und es ist demnach der linke Rand des Querschnittes am hellsten be- leuchtet : die zwei kleineren, schwiicher beleuchteten Felder befinden sich auf der rechten Seite. Wie ich gezeigt habe, ist fur dieses Strahlen- biindel auch ‘% > 0, und demzufolge muss die den Querschnitt nach links begrenzende Linie nach dem, was bei der Besprechung der astig- matischen Strahlenbundel von der zweiten Form gesagt worden ist, nach aussen convex sein. Der einzige Unterschied zwischen deF be- rechneten und der gefundenen Form dieses Querschnittes wiirde darin

d d 5,

ds,

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 333

liegen , dass die beiden kleinen Felder in der Lichtdruckfigur verhalt- nissmassig zu gross waren. Dies hangt indessen davon ab, dass diese Felder, je nach der Grosse und dem gegenseitigen Verhalten der Differentialquotienten, der Brennstrecke und der begrenzenden Oeffnurig des Strahlenbiizdels, einen sehr verschiedenen Theil des ersten diinnsten Querschnittes einnehmen konnen, und es ist daher absichtlicher Weise ein Strahlenbundel gewahlt worden, welches sie deutlich zeigt. Man vergleiche zum Beispiel Fig. IV auf der Lichtdrucktafel, welche den ersten diinnsten Querschnitt eines unter im ubrigen gleicher Anordnung durch eine ungefahr 45O schief gestellte biconvexe Linse von + 4.0 Dioptrien gebrochenen Strahlenbundels darstellt. Bei diesvm Strahlen- hundel sind die Differentialquotienten und die Dicke des Biindels im Verhaltniss zur Lange der Brennstrecke kleiner als bei dem rorigen. Demzufolge sind auch die fraglichen Felder in dieser Figur bedeutend schmaler.

Wir kehren nun zu dem durch die schief gestellte 9.0 Dioptrien starke Linse gebroohenen Strahlenbiindel zuruck, dessen erster dunnster Querschnitt schon untersucht worden ist, und fangen, indem wir den Schirm ein wenig weiter von der Linse entfernen, denjenigen Quer- schnitt auf, welcher von allen die kleinste Grosse im vertikalen Durch- messer hat. Fig. I1 der Lichtdrucktafel zeigt diesen Querschnittt, welcher leicht zu finden ist, da ein weiteres Entfernen des Schirmes von der Linse sofort zur Folge hat, dass der nach rechts gelegene Theil des- selben hBher wird, wahrend bei Anniiherung des Schirmes zur Linse sogleich der nach links gelegene Theil an Hohe gewinnt. Man braucht in der That nur einen Blick auf diese Figur und auf Fig. 5, S. 303, zu werfen, um zu finden, dass die Uebereinstimmung zufriedenstellend ist. Der Querschnitt hat, wie ersichtlich ist, eine etwa lemniscaten- ahnliche Form: der diinnste Theil ist nahe der Mitte gelegen nnd hier kaum dicker, als daes er als ein Punkt bezeichnet werden k6nnte. Wird nun der Schirm niiher zur Linse verschoben, so zieht sich dieser Punkt nach rechts hiniiber, bis er die Grenze des Querschnittes an dieser Seite erreicht hat, und wenn der Schirm weiter voh der Linse entfernt wird, so wandert er in derselben Weise nach links, bis er die Grenze an dieser Seite erreicht hat. Man sieht daher ein, dass diese Punkte in den verschiedenen Querschnitten zusamhen eine Linie bilden, durch welche alle Strahlen des Bundels ' gehen miissen, und welche Linie den Leitstrahl unter spitzem Winkel schneidet und leicht auf dem Schirme aufgefangen werden kann, wenn dieser um eins verticale Axe in entgegengesetzter Richtung gegen diejenige der Lmse, gedreht wird. Man erhllt auf diese Weise eine scharfe und deutliche Brenn-

334 A. GCLLSTRAND:

h i e ; es ist die gegen den Leitstrahl schief gestellte gerade Brennlinie, welche, wie ich gezeigt habe, fur ein astigmatisches Strahlenbundel von der zweiten Form chardkteristisch ist, und uberdies die einzige Brennlinie, welche aus dem untersuchten Strahlenbundel erlialten werden kann. Wie wir gesehen haben, ist f G bei diesem Strahlenbundel

d s, positiv, und wir kiinnen uns demnach durch einen Blick auf Fig. 2, Seite 283, dal-on uberzeugen. dass der positive Theil der Brennline der Wellenflache ngher liegt als der negative, der Schirm also, wie durch das Experiment sichergestellt wird, in entgegengesetzter Richtung gegen die Lime hin gedreht werden muss, um die Brennline anfzufangen. Giebt man dann noch auf die Beleuchtung des Querschnittes acht, so findet nian eine vollkommene Uebereinstimmung mit dem berechneten Verhalten, indem Ton den beiden Feldern der Figur das nach links gelegene starker beleuchtet ist als das nach rechts gelegene, dessen Helligkeit uberdies deutlich von links nach rechts hin abnimmt.

Wird nun der leuchtende Punkt allmahlich der Linse genahert, was am besten dadurch geschieht, dass nach einander immer stkkere concave GlHser der schief gestellten Linse vorgesetzt werden, aber der Art, dass das Lichk dieselben unter rechtwinkeliger Incidenz durchlauft, so nehmen , wie wir gesehen haben, die Werthe der Differentialquotienten des gebrochenen Strahlenblndels ab. Nun wissen wir, dass die Dicke des ersten dunnsten Querschnittes gegen de. proportional und der Kriimmungsradius der diesen Querschaitt nach der helleren Seite zu begrenzenden Linie gegen 35 umgekehrt proportional ist. Da nun die

ds, Tl'erthe dieser beiden Differentialquotienten gegen Null hin abnehmen, so muss dieses sich an dem ersten dunnsten Querschnitte zeigen, in- dem seine scharfe, nach links begrenzende Linie allmahlich gerade wird, wahrend seine Dicke allmahlich abnimmt. Dies ist bei dem ausgefuhrten Experimente auch der Fall. ll'ird der leuchtende Punkt in dieser Weise der schief gestellten Linse so weit genahert, dass die genannte begrenzende Linie gerade ist, und wird jetzt die Lage der zweiten Brennlinie unteraucht, so zeigt es sich, dass sie senkrecht zum Leitstrahl steht. Beide diese Umstande mussen namlich, wie gezeigt worden ist, zu gleicher Zeit eintreffen, menn * = 0 ist,' und ist dieses

der Fall, so muss 24 > 0 sein, was auch durch das Experiment be- stiitigt wird, indem der erste dunnste Querschnitt noch nicht linear geworden id, wenn die linke begrenzende Linie sich schon als gerade erweist, sondern nach rechts ron derselben eine zwar schmale, jedoch

d s,

d

d 5, d d 5,

BEITRAG ZUR ~'HEOBIE DES ASTIGMATISMUS. 335

vollig deutliche, schwacher beleuchtete Fliche zeigt. Berechnet man den Abstand des leuchtenden Punktes von der Linse, wenn die Be- dingung !% = 0 erfullt ist, so wird man finden, dass dieser Abstand lileiner als der von der Linse zur zweiten Brennlinie, aber grosser als der vom ersten dunnsten Querschnitt ist - gasz wie ich bewiesen habe, dass es sein muss. Wird der leuchtende Punkt etwas mehr genahert,

d so wird !!!& negativ, wahrend 25 noch positiv ist, und man findet in Uebereinstimmung hiermit, dass die den ersten Querschnitt nach links begrenzende Linie nach aussen zu concav wird und man den Schirm, um die zweite Brennlinie auffangen zu konnen, in der gleichen Richtung wie die Linse drehen muss. 1st endlich der leuchtende Punkt der Linse so nahe gekommen, dass der Abstand von ihm zur Linse dem vou der Linse zum erst& dunnsten Querschnitt gleich ist, so hat auch dieser Querschnitt die Form angenommen, welche Fig. 3 der Ihhtdrucktafel miedergiebt, namlich: er ist linear geworden. Es ist die parabolische, gegen den Leitstrahl senkrecht stehende Brennlinie, welche einem astigmatischen Strahlenbundel, dessen sammtliche Diffe- rentialquotienten ausser den Werth Null haben, zukommt, und dies trif€t, wie ich gezeigt habe, bei einer schief gestellten biconvexen Linse mit gleichen Flachen nur dann ein, wenn der leuchtende Punkt sich von der Lime in demselben Abstande wie der erste dunnste Quer- schnitt des gebrochenen Strahlenbundels befindet. Dies ist die einzige Gelegenheit, bei welcher ein durch eine schief gestellte Lime ge- brochenes Strahlenbundel zwei Brennlinien hat, aber dann ist auch die eine gekriimmt und die andere schief gestellt. Wird der leuchtende Punkt noch mehr geniihert, so erhalten beide Differentialquotienten negative Werthe, und in Uebereinstimmung damit zeigt der erste dunnste Querschnitt sich nach der rechten Seite zu am stiirksten be- leuchtet und die nach rechts begrenzende Linie nach a m e n hin conrex, wahrend der Schirm fortwahrend in derselben Richtung wie die Linse gedreht werden muss, um die zweite Brennlinie aufzafangen. Werden wiederum die einfallenden Lichtstrahlen durch Anwendung von Convex- gliiern parallel und dann immer mehr convergent gemacht, so wird in analoger Weise constatirt , dass die Differentialquotienten immer positive Werthe haben.

Weitere Versuche konnen mit einer planconvexen Linse angestellt werden. 1st keine andere Linse zur Hand, so kann sehr wohl eine von einem gewohnlichen Operngucker abgeschraubte Objectivlinse an- gewendet werden. Wenn man sodann zuerst die convexe Seite dem

ds,

ds, d s,

ds,

336 A. GULLSTRAND :

Lichte zuwendet und die Lichtstrahlen unter einem Incidenzwinkel von ca. 15 bis 20° (der Incidenzwinkel ist bei der planconvexen Linse gleich dem Drehungswinkel) durch dns Centrum der Linse gehen lkst, so findet man, dass beide Differentialquotienten negative Werthe haben : die rechte Seite des ersten dunnsten Querschnittes ist die am starksten beleuchtete, und um die zweite Brennlinie auf dem Schirme aufzu- fangen, muss man diesen in der gleichen Richtung wie die Linse drehen. Vc'ird danach der Drehungswinkel der Linse erhoht, so nehmen die Werthe der beiden Differentialquotienten ab, bis zuerst ?!& = 0

wird und die parabolische, nach links concave Brennlinie erscheint,

wonach, wenn 3' positiv geworden ist, der erste dunnste Querschnitt an der nach links begrenzenden Linie, welche, nach links concav, sich immer weniger gekriimmt zeigt, je mehr mit zunehmendem Incidenz- winkel der Werth von dp,, abnimmt, am starksten beleuchtet ist. Wie wir gesehen haben, wurde nun eigentlich bei einem grosseren Inci- denzwinkel auch % gleich Null werden und somit die zweite Brenn- linie gegen den Leitstrahl senkrecht zu stehen kommen. Dies kann indessen durch das Experiment kaum in befriedigender Weise consta- tirt werden. Mtln erinnere sich namlich, dass der Fokalabstand in dem Hauptmeridiane, welcher mit der Brechungsebene zusammenfallt, dem Quadrate des Cosinus des Einfallswinkels proportional, somit bei einem grossen Einfallswinkel sehr klein ist, und man bedenke, dass der Ab- stand, den der Leitstrahl innerhalb der schief gestellten Lime zuruck- zulegen hat, bei einem grossen Incidenzwinkel sehr bedeutend, ja viel- leicht ebenso gross ist, wie der genannte Fokalabstand sein wiirde, wenn die Lime unendlich diinn ware, und man wird einsehen, dass man nicht mit Fug verlangen kann, dass Gesetze, welche fur den Fall berechnet sind , wo die Dicke der Lime neben diesen Fokalabstand vernachliissigt werden dad, volle Geltung haben sollen. Dieser Um- stand gerade ist 'es nebst demjenigen, dass der Strahl, weloher in der Berechnung als Leitstrahl genommen ist, bei einem sehr grossen In- cidenzwinkel nicht mehr als solcher angewendet werden kann, da er im Strahlenbiindel sehr lateral zu liegen kommt, der zur Folge hat, dass, wenn beim Experimente die Linse immer schiefer gestellt wird, eine vollkommen scharfe und deutliche, gegen dep Leitstrahl senkrechte Brennlinie sich nicht erhalten Iasst, bey or der Einfallswinkel nichb bei- nahe ein rechter und mithin das Strahlenbiindel in transrersaler Rich- tung sehr dunn geworden ist.

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'

.BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 33 7

Wird wiederum die ebene Plache der planconvexen Lime dem einfallenden Lichte zugewendet, so wird man finden, dass die Differen- tialquotienten unter allen Umstanden positiv sind. Wird der leuch- tende Punkt mit Hiilfe von Concavglasern genahert, so zeigt es sich in schon erorterter Weise, dass diese Werthe abnehmen, aber noch ehe sie gleich Null geworden sind, zeigen die Fokalabstande des gebro- chenen Strahlenbiindels sich so gross und die Bilder in Uebereinstim- mung hiermit sich so lichtschwach, dass man sie nicht mehr auffangen kann. Werden endlich die einfallenden Lichtstrahlen convergent ge- macht, so nimmt man wahr, dass die Werthe der Differentialquotienten immer positiv bleiben.

Beim Ausfuhren dieser Experimente kann es einem nicht ent- gehen, dass das Aussehen der verschiedenen Querschnitte bedeut,enden Wechselungen unterworfen ist. Dies ist zum Theil schon in Bezug auf die Ausdehnung der beiden kleinen Felder des ersten dunnsten Querschnittes betont worden. Dass indessen die Wechselungen recht bedeutend werden konnen, geht aus den Figg. V und VI der Licht- drucktafel hervor , welche die beiden in transversaler und verticaler Richtung dunnsten Querschnitte eines Strahlenbundels darstellen, das durch eine ca. 20° schief gestellte planconTexe Lime von ungefahr 9 Dioptrien und mit einer Oeffnung von 32mm, deren ebene Fliche dem Lichte zugewendet war, gebrochen worden ist. Diese Versuchs- anordnung giebt, wovon man sich leicht uberzeugen kann, ein Strahlen- biindel, dessen Dicke im Verhiiltniss zu den Fokalabsthden bedeutend ist, und dessen Differentialquotienten im Verhaltnisse zur Liinge der Brennstrecke grosse Werthe haben. Gerade yon einem solchen Strahlen- biindel haben wir in den Figg. 6 und 7 S. 303 die Form der beiden durch die Fokalpunkte senkrecht zum Lichtstrahl gelegten Querschnitte untersucht. Man erinnere sich, was von der Lichtstarke der verschie- denen Felder bewiesen worden ist und vergleiche die Egg. V und V I der Lichtdrucktafel. In Bezug auf Fig. V ist die Uebereinstimmung eine augenscheinliche. In Bezug auf Fig. V I muss man sich nicht dadurch irre fuhren lassen, dass das nach links gelegene helle Feld nicht in Fig. 7 wiederzuhden ist, aelches Verhgltniss ich schon er- klart habe. Dagegen findet man in beiden Figuren das grosse, nach rechts gelegene, schwacher beleuchtete Feld, die zwei kleineren sym- metrisch gelegenen, etwas starker beleuchteten Felder und auch das an dem Vereinigungspunkte dieser Felder gelegene noch sfirker be- leuchtete dreieckige Feld wieder.

In der Figur sind diese Felder zu lichtschwach ausgefallen. Skandin. Archiv. 11. 22

338 A. GULLSTRAND :

Die Uebereinstimmung mit, den Gleichungen der Normale ist dem- nach auch bei Strahlenbundel von hochst bedeutender Dicke zufrieden- stellend; dagegen wird man vergebens somohl in Fig. 7 wie auch in Fig. VI der Lichtdrucktafel nach einem Zeichen davon suchen, dass das Strahlenbundel eine durch den zweiten Fokalpunkt gehende, schiet zum Leitstrahl gestellte Brennlinie besitze, und daruber kann man sich auch nicht wundern, da die Existenz dieser Brennlinie durch Weg- werfen Ton unendlich kleinen Grossen dritter Ordnung aus den Glei- chungen der Normale bewiesen worden ist; man kann namlich dann nicht verlangen, dass sie in so dicken Strahlenbundeln wie das frag- liche wiedergefunden werden sollen. TTebrigens kommen auch alle Uebergangsformen zwischen den in Figg. V und V I gezeichneten und rein linearen Querschnitten vor. Solche Zwischenformen sind die von v. Zehender photographirten.

Auch mit Hulfe eines Prismas konnen controlirende Versuche an- gestellt werden. Wir haben gesehen, dass ein durch ein solclies ge- brochenes Strahlenbundel immer von der zweiten Form ist, wenn die Kante des Prisma senkrecht gegen das einfallende Licht steht, sonst aber der dritten Form angehort, und dass im ersten Falle, wenn die Abscissen nach der Kante des Yrisma zu posit,iv gerechnet werden, die Differentialquotienten immer negative Werthe haben. Fangt man auf dem Schirm das durch eine senkrecht gegen das einfallende Licht ge- haltene biconvexe Linse von z. B. acht Dioptrien hervorgebrachte Bild eines leuchtenden Punktes auf und halt man dann zwischen Lime und Schirm ein Prisma von 20° mit verticaler Kante und um diese Kante so gedreht, dass dieselbe am weitesten von der Linse entfernt ist, so erhalt das Strahlenbundel, da q, > q,, und die Differentialquotienten negativ sind, eine horizontale Brennlinie , welche aufgefangen werden kann, wenn der Schirm in entgegengesetzter Richtung gegen das Prisma gedreht wird, und jenseits dieser Linie einen in transversaler Richtung dunnsten Querschnitt, welcher an der Seite, nach welcher die Kante des Prisma steht, am starksten beleuchtet und hier auch durch eine nach aussen convexe Linie begrenzt ist. Wird wiederum das Prisma so gedreht, dass die Kante desselben der Linse am nachsten bt, SO kommt der in transversaler Richtung diinnste Querschnitt unter Beibehaltung von demselben Typus naher der Linse zu liegen als die Brennlinie, welche, da die Grijsse q,, - 4, ihr Vorzeichen wechselt, ihre Richtung gndert, so dass sie auch jetzt nur auf einem in entgegen- gesetzter Richtung gegen das Prisma gedrehten Schirme aufgefangen werden kann. Bei diesen Versuchen haben die Differentialquotienten aber kleinere Werthe, als bei den oben beschriebenen mit schief ge-

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 339

stellten Linsen! woher diese als deutlicher und pragnanter zu empfeh- len sind.

Stellt man durch Zusammenstellung zweier cylindrischen Glaser von z. B. 6.0 c, welche mit den ebenen Fllchen gegen einander ge- aendet werden und deren Axen einen Winkel von 45O mit einander bilden, eine Stokes’sohe Linse her und untersucht man sodann die Querschnitte eines in diesem Systeme unter senkrechter Incidenz ge- brochenen Strahlenbundels, so findet man in Uebereinstimmung mit dem, was ich bewiesen habe, dass dasselbe zwei gegen den Leitstrahl und gegen einander senkrechte Brennlinien hat.

Durch Ausfuhrung dieser einfachen Versuche kann, so scheint es mir, ein Jeder, auch Derjenige, welcher vielleicht nicht in der Lage ist, die ausgefuhrte theoretische Deduction der nothigen Kritik zu unter- werfen, sich leicht davon uberzeugen, dass die gewonnenen Resultate richtig sind und die Theorie, obwohl fur unendlich dunne Strahlen- bundel bewiesen, dennoch auf solche angewendet werden kann, deren Dicke im Verhaltniss zur Lange der Fokalabstande vie1 bedeutender ist als bei den im menschlichen Auge vorkommenden Strahlenbundeln.

V.

Da wir im Vorhergehenden die Form der unendlich diinnen Strahlenbiindel kennen gelernt und uns die Berechnung der Grossen, von welcher diese Form abhingt, ermoglicht haben, so eriibrigt uns nun noch, zu untersuchen, inwiefern die so gewonnenen Resultate fiir die Dioptrik des Auges von Bedeutung sein kiinnten.

Der dioptrische Apparat des Auges besteht bekanntlich aus drei brechenden Flachen und drei von diesen begrenzten verschiedenen Medien, von denen zwei, das Kammerwasser und der Glaskorper, ho-. mogen sind, wihrend das dritte, die Linsensubstanz, aus verschiedenen Schichten mit einer von der Peripherie gegen das Centrum hin zu- nehmenden brechenden Kraft besteht. Auf diese Eigenschaft der Linse Riicksicht zu nehmen, ist bei der Behandlung der Frage, welche uns jetzt beschaftigt, kaum thunlich. Zwar kennen wir durch die Unter- suchungen Matthiessen’sl die Grossen, welche zur Berechnung des Grades des Astigmatismus bei schiefem Durchgang durch die geschich- tete Krystallinse nothig sind; auf diese Berechnung aber die im Vor- hergehenden gewonnene Theorie anzuwenden , um Einsicht iiber die Form des nach Brechung in der geschichteten Linse entstandenen

a. a. O., Pfliiger’s Archiu Bd. XIX. 22 *

340 A. GULLSTRAND :

Strahlenbundels zu gewinnen, das wiirde sicherlich ein allzu verwickel- tes Problem sein. Wir mussen uns demnach damit begnugen, im Nachfolgenden die Linse als homogen anzusehen nnd den sogenannten totalen Brechungsindex anzuwenden.

Was die Form und Centrirung der brechenden Flachen betrifft, so werden wir darauf zuriickkommen, und wir nehmen einstweilen an, dass sie spharisch und centrirt seien, indem wir der Berechnung das schematische Auge von v. Helmholtz’ zu Grunde legen.

Die erste Aufgabe ist dann die, den Leitstrahl des im Auge ge- brochenen Strahlenbundels zu finden. Dieser ist offenbar der Strahl, welcher nach der Brechung in der Hornhaut durch die Mitte der Pupille geht, oder mit anderen Worten, es ist die sogenannte Visirlinie. Dass gerade diese Linie fur das Sehen die wichtigste ist und der Gesichts- linie bevorzugt werden muss, hat zuerst Bl ix l und nach ihm Leroy2 bewiesen. Die Visirlinie ist diejenige Linie, welche Tom fixirten Punkte in der Richtung des scheinbaren Mittelpunktes der Pupille geht, um nach Brechung in der Hornhaut durch den wirklichen Mittelpunkt zu gehen und darnach, wiederum in der Lime gebrochen, in der Fovea centralis der Netzhaut einzutreffen. Wenn nun die optische Axe des centrirten Auges die Fovea centralis trafe, so wurde auch die Visir- linie mit dieser Axe zusammenfallen und somit wahrend dem ganzen Verlaufe eine Gerade sein. Da nun aber die Fovea temporalwarts von dem Punkte liegt, wo die optische Axe des Auges die Netzhaut schnei- det, so kann die Visirlinie unmoglich mit dieser Axe zusammenfallen, sondern sie muss dieselbe irgendwo schneiden und kann daher wenig- stens nicht alle brechenden Flachen unter rechtwinkeliger Incidenz treffen. Dies ist gleichbedeutend damit, dass das im Auge gebrochene Strahlenbundel nicht von der ersten Form sein kann, wenn nicht etwa eine specielle’ Anordnung sich vorfande, durch welche die Form der brechenden Fliichen die Wirkung der schiefen Incidenz compensirte. Da indessen die verlangerte Visirlinie, der Leitstrahl des einfallenden Strahlenbundels, wenn die Pupille auf der optischen Axe des Auges centrirt ist, diese Axe schneidet, so ist leicht einzusehen, dass die Brechungsebenen bei den Brechungen in den verschiedenen FlHchen mit derjenigen Ebene zusammenfallen miissen, welche die beiden ge- nannten Linien enthalt , und das im Auge gebrochene Strahlenbiindel demnach nicht von der dritten Form sein kann, wenn die Pupille und die brechenden Flachen auf einander centrirt sind.

l a . a . 0 . U . L . F . 1880. De la khtoscopie ou de la forme de la surface cornhenne, dBduite des

images apparentes, rhflhhies par elle. Arch. d’ophth. 1884.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 34 1

Der Factor, welchen wir noch fur die Berechnung der Form des im schematischen Auge gebrochenen Strahlenbundels kennen miissen, ist die Lage der Visirlinie zur optischen Axe des Auges oder den Winkel, welchen diese beiden Linien mit einander bilden. Dieser Winkel ist, streng genommen, nie gemessen worden. Der in der Oph- thalmometrie gewiihnlich rnit u bezeichnete Winkel ist bekanntlich der Winkel zwischen der sogenannten Gesichtslinie und die durch Nessung des Krummungsradius der Hornhaut in drei verschiedenen Punkten construirte Hornhautltxe. Da indessen diese construirte Cornealaxe wahr- scheinlich annaherungsweise rnit der optischen Axe des Auges zusam- menfallt und der Winkel u, wenn, unter Benutzung eines so grossen Abstandes wie bei der Helmholtz’schen Methode gebriiuchlich ist, ge- messen, ebensowohl der Winkel zwischen der optischen Axe des Auges und der Visirlinie wie der Winkel zwischen der ge- nannten Axe und der Ge- sichtslinie sein kann, in- dem der Winkel, den die Gesichtslinie rnit der Visir- linie bildet, bei der Fixa- tion in einem griisseren. Abstande verschwindend klein ist, so scheint es be- rechtigt anzunehmen, dass die Maasse, welche ffir den Winkel a gefunden wor- den sind, im Allgemeinen dem Werthe desjenigen Winkels entsprechen, den die Visirlinie mit der op- tischen Axe des Auges bil- det, um so mehr, als auch Blix gefunden hat, dass der kurzeste Kriimmungs- radius im horizontalen Me- Fig. 11.

ridiane der Hornhaut mit der Visirlinie im Allgemeinen einen Winkel von 1-So bildet. Da wir jetzt zur Berechnung der Form des hn schematischen Auge gebrochenen Strahlenbiindels iibergehen, so kijnnen wir demnach der Rechnung ruhig die Annahme zu Grunde legen, dam die Visirlinie rnit der optischen Axe des Auges im Allgemeinen ehen Winkel von ungefahr 5 O bildet.

342 A. GULLSTRAND :

Fig. 11 stellt in funffacher Vergrosserung das brechende Sytsem des Auges dar. A, A,, A,,, sind die Schnittpunkte der Visirlinie mit den betreffenden Flachen, deren Mittelpunkte in 0, 0,, O,,, liegen. C A I ist der extraoculare Theil der Visirlinie, die, verlangert, die optische Axe des Auges im Punkte B schneidet. Wenn der von der Normale am Einfallspunkte der Visirlinie mit der optischen Axe gebildete Winkel A,, O,A, mit p bezeichnet wird, und wenn weiter i, r, i,, r,, i,,, r,,, die Einfalls- bezw. Brechungswinkel in den betreffenden Flachen, deren Krtim- mungsradien R, R,, R,,, sind, endlich a die beiden gleichen, an der op- tischen Axe gemessenen Abstande zwischen den brechenden Flachen bezeichen, so gelten folgende Relationen:

A A,BO,,, = a = i, + 8, (25) O,A,,: O,A,= sin A O,A,A,,:sin A O,A,,A,

(R, - a) : R, = sin r, : sin (j3 + r,), oder

woher - cot p. R, cot r, = (R, - a) sin @

Weiter : A,A,,:A,,O,= sin/?:sinr,,

somit: (R, - a) sin @ A,A,, = sinr, (27)

somit:

Im schematischen Auge ist nun bekanntlich R, = 7-829"", R,, = 10*0"", R,,, = 6.0mm, a = 3.6"",

und es bleibt nur iibrig, /? so zu wghlen, dass a ungefahr gleich 5 O wird, Dies trifft ein, wenn wir annehmen p = 2.0°.

Wir erhalten dann gem5ss (26): r, = 2O 20' 4 5 ,

Helmholtz a. a. O., 2. umgearb. Aufl. Hamburg u. Leipzig 1886, S. 114.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIQMATISMUS. 343

wonach un merwassers

.ter Anwendung des Brechungsindex n, = 1.3365 des Kam- sich ergiebt:

i, = 30 8' 9" und gemass (25) bezw. (28)

a = 50 8' 9") i,, = 40 2 0 45".

Da nun der Brechungsindex in der vorderen Linsenflache ist:

",,= ~

r,, = 4O 2' 2 8

= 1' 36' 55",

1 4371 1.3365'

so erhalten wir:

und gemass (29):

wonach mit Hiilfe des Brechungsindex in der hinteren Linsenflache n,,, = - sich ergiebt: 1

n,/ r,,/ = 1'44' 1 3 .

Ausserdem wird nach (27) und (30) erhalten: A, A,, = 3*60582"", A,,A,/, = 3.60366 mm.

Fur die Brechung von parallel einfallenden Strahlen in der Horn- haut erhalten wir nach (4) und (5):

g,I = 31.0106 "", q,,I = 31.0626 "",

nach (20a): d q: - - 3 tg r, sin r, COB i, - -- - -0.364293 d 9, sin (i, - r,)

und nach (22a): d 4,: - = - tg2r, cot(i,-rj = - 0.121703.

Nach (24) werden dann die Grossen erhalten, welche fur die Be- rechnung der Brechung in der vorderen Linsenfliche bekannt sein miissen:

ds,

p,I1 = 9: - A,A,/ = 27.40478 "", p,:' = 9,: - A,A,, = 27.45678 mm,

344 A. GULLSTRAND :

und bei der Berechnung des in dieser Flriche gebrochenen Strahlen- bundels nach (4) und (5) ergiebt sich:

q,I1 = 24.41243 mm, q,,I1 = 24.45593 "'"',

sowie nltch (20a):

und nach (22a): 11 a 11 1 1 2 . I 1 *

dp,,=-. cos i,, (i?) . d+ + tg r,, cos t,, * -~ 9 8 , - sin r,, *- I 1

P,"R,, 9,"R,, ds, a,, cos r,, 11 a

- tgr,, (s) + tgr,, = - 0.105 884. PU

Durch Erneuerung dieser Rechnungen fur die hintere Linsenflache, wobei nur zu bemerken ist, dass R,,, ein negatives Vorzeichen hat, er- halten wir:

p,nI = q," - A,,A,,, = 20.80877 m"', P,,~' = q,,I1 - A,,A,,, = 20.85227 mm,

und fur das in der hinteren Linsenflriche gebrochene Strahlenbundel p,II1 = 15.5649 """, q,,ul = 15-5955 mm,

-- - - 0.123982, d ,,I1' ds,

-- - - 0.041 467. d P/ /I1I ds,

Also ein astigmatisches Strahlenbundel yon der zweiten Form, dessen Differentialquotienten negative Werthe haben. Der Grad des Astigmatismus ist unberleutend: die Brennstrecke ist nur 0.03 mm, was einem Astigmatismus von 0- 1 Dioptrie entspricht. Es erubrigt nur, mit Hulfe von den Werthen der Differentialquetienten zu untersuchen, inwiefern der erste dunnste Querschnitt auf die Benennung Brennlinie Anspruch machen kann, und welche Neigung gegen den Leitstrahl die wirklich existirende zweite Brennlinie hat.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 345

Wenn wir zu diesem Zwecke annehmen, dass der Radius der das Strahlenbundel an der hinteren Linsenflache begrenzenden Linie 0.75 mm

sei, was dem Verhaltniss bei einem Radius der Pupille von etwas weniger als 1 mm entspricht, so erhalten wir nach (Sa) fur die Lange des ersten dunnsten Querschnittes:

2.0,75.0,0306 15,5955 ~ = 0.002 943"" 21, =

und nach (6) fur die Breite des gemnnten Querschnittes:

= 0-002240""; (0,75)*.0,123 982 '' = 2.15,5649

endlich nach (7) fur die Neigung der zweiten Brennlinie gegen den Leitstrahl:

15,5649.0;041 467 cot w,, = - 9 0.0306 woraus sich ergiebt:

GI,, = 2' 42' 52".

Der erste dunnste Querschnitt, die erste Brennlinie der Sturm'schen Theorie und Matthiessen's, hat somit in diesem Falle eine Breite, welche 76'1, der Lange ausmmht, und die xweite Brennlinie, welche nmh rler Sturm'schen Theorie senlcrecht gegen den Leitstrahl stehen SOU, bildet mit ihm in der That den lcleinen Winkd urn 2" 42' 52"!

Da nun ausserdem, wenn die Pupille dilatirt wird, v, im gleichen Verhiltnisse wie deren Radius, g, aber wie das Quadrat des Radius wachst, so ist leicht einzusehen, dass bei einer grossen Pupille die Breite der ersten ,,Brennlinie" griisser wird als ihre Linge!

DM die Differentialquotienten, obwohl ihre Werthe so klein sind, dennoch 80 bedeutend auf das Resultat einwirken konnen, hangt offen- bar von der Kiirze der Brennstrecke ab. 1st namlich das Auge durch Asymmetrie der brechenden Flachen mehr astigmatisch, somit die Brenn- strecke' grosser, so ist auch die Lange des ersten diinnsten Querschnittes griisser im Verhiltniss zur Breite, und ebenso auch der Neigungs- winkel der zweiten Brennlinie im Verhiltniss zum Leitstrahl. Da in- dessen ein etwa vorkommender Astigmatismus immer durch entspre- chende Correction so weit als miiglich herunterzubringen ist , wodurch wiederum die Brennstrecke so weit ids miiglich verkiirzt wird, so ist es einleuchtend, dass, wofern die Differentialquotienten des in einem normalen Auge gebrochenen Strahlenbiindels wirklich die Werthe haben, die wir soeben fiir das schematische Auge gefunden haben, das beim physiologischen scharfen Sehen auf die Fovea centralis der Netzhaut einwirkende Strahlenbiindel solche bedeutende Abweichungen von der

346 A. GULLSTRAND:

Form des Sturm'schen Conoides zeigt, dass von einer Anwendung Ton diesem nicht die Rede sein kann.

Wird wieder gefragt, ob dieses Strahlenbundel dem scharfen Sehen in befriedigender Weise entspreche, so muss diese Frage ohne Zogern rnit ja beantmortet werden. TVir wissen ja, dass die Innenglieder der in der Mitte der Forea centralis befindlichen Zapfen einen Durchmesser von 2 bis 2.5 Mikromillimeter haben, wahrend der Durchmesser der Aussenglieder nur 1 Mikromillimeter betragt. Ein Strahlenbundel, dessen Querschnitt unbedeutend grosser als der Querschnitt des Innen- gliedes eines Zapfens ist, braucht demnach, weil das Aussenglied schmaler ist, doch nicht mehr als ein hussenglied eines Zapfens auf einmal zu treffen. Hiermit will ich jedoch keineswegs gesagt haben, dass nicht der dunnste Querschnitt des fraglichen Strahlenbundels zu- folge der spharischen Aberration - fur deren Berechnung Differential- quotienten von hoherer Ordnung als der dritten bei der Entwickelung der Theorie mit in die Rechnung aufgenommen werden mussen - etwas grosser sein konne, als wie oben gefunden worden ist, auch nicht, dass es uberhaupt fur ein scharfes Sehen erforderlich sei, dass das von einem Punkte ausgegangene Strahlenbundel nach der Brechung im Auge nur einen einzigen Zapfen in der Fovea treffe, sondern ich habe nur zeigen wollen, dass der Astigmatismus, welcher dadurch entsteht, dass die Visirlinie mit der optischen Axe des Auges einen VC'inkel von ungefahr 5 O bildet, weder durch den Grad noch durch die Art fur ein scharfes und deutliches Sehen hinderlich ist.

Wurde wiederum der Astigmatismus des im Auge gebrochenen Strahlenbundels durch eine compensirende Asymmetrie der brechenden Flichen corrigirt sein, so ist dasselbe dennoch nur quasi-homocentrisch von der zweiten Form. Thatsachlich findet eine solche Compensirung in den meisten Fallen statt, indem die Hornhaut gewohnlich in dem verticalen Meridian starker brechend ist als in dem horizontalen, j a das Gewohnliche ist eine Uebercompensirung, so dass fur das im Auge gebrochene Strahlenbundel q,;II < 9,'" ist. Nehmen wir indessen an, dass die Ausgleichung vollkommen sei, indem der Kriimmungsradius der Hornhaut im verticalen Meridiane gerade so vie1 als nothig kleiner als 7.829 ist, dass q,," = q , I I I sein kann, so ist das im Auge gebro- chene Strahlenbundel quasi-homocentrisch von der zweiten Form und

mit demselben Werthe von *, wie wir oben gefunden haben. Pie Breite des dunnsten Querschnittes ist dann (siehe S. 345) 0:002 240""

I11

ds,

~

Schwalbe in Wecker et Landolt, Traite'eomplet dopitl~ulmologie, t. IV.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISNUS. 347

oder gleich der des ersten dunnsten Querschnittes des eben unter- suchten Strahlenbundels, und die Form derselben von dem in Fig. 8 auf S. 304 dargestellten Typus mit der Spitze in temporaler Richtung.

Es durfte einiges Bedenken erregen, mollte man ohne Weiteres auf das normale Auge im Allgemeinen anwenden, was jetzt fur das schematische bewiesen worden ist. Dieses zu allererst bezuglich der Form der brechenden Flachen. Was dann wieder die Form der Horn- haut anbelangt, so wird bekanntlich allgemein angenommen, dass sie sich der elliptischen nahert. Dass dies indessen nur annaherungsweise der Fall ist, das hat sowohl Aubert’ wie auch in ein paar Fallen Blix bewiesen. Was dagegen mit Sicherheit aus den vorliegenden Untersuchungen hervorgehen durfte, ist, dass der kleinste Radius der Hornhaut im Allgemeinen nach aussen von dem Punkte liegt, wo sie von der Visirlinie geschnitten wird. Halt man namlich die Resultate der Helmholtz’schen Methode fur zurerlasslich, so geht ja aus ihnen hervor, dass der Scheitel des Hornhautellipsoides temporal vom Ein- fallspunkte der Visirlinie lie& Hegt man dagegen Bedenken, der nach der Helmholtz’schen Methode construirten Ellipse zu trauen, so giebt es ja die Resultate der Messungen von Blix, nach welchen der kleinste Radius der Hornhaut nach aussen von der Visirlinie liegt. Da in- dessen, wie aus Fig. 11 auf Seite 341 hervorgeht, der Einfallswinkel der Visirlinie in allen drei brechenden Flachen positiv gerechnet wird, wenn die Abscissen in temporaler Richtung von den betreffenden Ein- fallspunkten gerechnet werden, und da der Kriimmungsradius in einem Punkte, welcher temporal vom Einfallspunkte in der Hornhaut in einem unendlich kleinen Abstande von ihm liegt, kleiner ist als der Krum- mungsradius in einem Punkte, welcher nasal vom Einfallspunkte diesem unendlich nahe liegt, so folgt hieraus, dass die Grossen -’ und 9

ds, ds, bei der Brechung in der Hornhaut negative Vorzeichen haben, woduroh

dann gemass (20a) und (22a) die Grossen und % des in der Hornhaut gebrochenen Strahlenbiindels grossere negative Werthe be- kommen als der Fall ist, wenn, wie im schematischen Auge, die Horn- haut als spharisch angenommen wird. Um fur ein gegebenes Auge

d R

I

dsl d 81

I die Werthe von -L dq I und d* vollkommen exact berechnen zu kiinnen, ds, ds,

wurde es unter der Annahme, dass die Hauptmeridiane der Hornhaut

H. Aubert , N&hert sich die Hornhautkrtimmung am meisten der Ellipse? Pfluger’s Brehiv u. 8. w. 1885, Rd. XXXV.

2 a. a. 0.

348 A. GULLSTRAND :

horizontal und vertical und die Brechungsebene horizontal sei, nur erforderlich sein , den verticalen und horizontalen Krummungs- radius im Einfallspunkte der Visirlinie und in zwei nahe gelegenen Punkten, einen auf jeder Seite, sowie den Einfallswinkel der Visirlinie zu kennen. Das einzige Instrument, das die Messung des Hornhaut- radius in e inem Punkte moglich macht, ist der von Blix construirte Ophthalmometer, mit welchem ich daher Messungen zum genannten Zwecke anzustellen beabsichtigt habe. Nachdem ich jedoch durch wohl- wollendes Entgegenkommen des Herrn Prof. Holmgren das in dem physiologischen Institut von Upsala befindliche Exemplar dieses In- struments zur Verfiigung erhalten hatte, zeigte sich das Manipuliren mit demselben, specie11 was die Justirung und Einstellung auf einen gegebenen Punkt der Hornhaut betrifft, so schwierig, dass ich die bei den Messungen erhaltenen Resultate, wenn ich solche wirklich erhalten hatte, nicht wurde als zuverlbsig haben ansehen konnen, und da nun auch Blix in seiner mehrmals genannten Abhandlung keine fur diese specielle Frage anwendbare Messungsresultate mitgetheilt hat, so muss ich mich, so vie1 ich sehen kann, bis auf Weiteres wohl damit be- gniigen, zu wissen, dass diese Grossen - d R , und dR,, - bei der Brechung

d s, d 8, in der Hornhaut negative Vorzeichen haben, ohne mit absoluter Ge- nauigkeit ihre Grosse berechnen zu konnen - wofern ich dieselbe nicht aus den Constanten des nach der Helmholtz’schen Methode construirten Hornhautellipsoids berechnen wollte, eine Methode, die nach dem, was wir durch die Untersuchungen Aubert’s wissen, hbchst unzuverlasslich ist und daher fur schlechter als gar keine angesehen werden muss.

Was wieder die Form der vorderen und hinteren Linsenflache anbelangt, so kennen wir diese so gut wie gar nicht. Es giebt in- dessen Grund, anzunehmen, dass sie nicht sphiirisch ist, sondern abge- plattet gegen die Peripherie hin. Wiirde dieses auch wirklich der Fall sein, so hat es gleichwohl keine Bedeutung fur die Brechung in der vorderen Linsenfliche, wenn nur die Pupille auf der optisohen Axe des Auges centrirt ist. Da niimlich in diesem Falle die Visirlinie den Scheitel der vorderen Linsenflache, also den Punkt trifft, wo der Kriimmungsradius dieser Fliiche am kleinsten ist, so sind in diesem Punkte sowohl 6% als auch dR. gleich Null. Dagegen tr8t die

d 8, ds, Visirlinie die hintere LinsenflHche in einem temporalwarts vom Scheitel

Siehe z. B. Matthiessen a. a. 0. Pfluger’s Arehiv u. s. w. Bd. XLX, S. 522.

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 349

gelegenen Punkte, in melchem demnach die genannt.en Grossen end- liche TiC'erthe haben mussen. Da nun der Radius der hinteren Linsen- flache negativ ist und in einem dem Einfallspunkte der Visirlinie un- endlich nahe und temporalwarts gelegenen Punkt'e grosser - d. h. mehr negativ als in diesem Punkte selbst sein muss, so ist es leicht einzusehen, dass in dieser Flache ebenso wie in der Hornhaut die Grossen 2 und s' negative Vorzeichen haben, da aber n,,, < 1, mit- hin n,,, cos T,,, - cos i,,, negativ ist, so ist der Ausdruck in (20a) und

ds ,

Grossen -C d q 'I1 und __ dql/ des im Auge gebrochenen Strahlenbundels kleinere negative Werthe, als wenn die hintere Linsenflache spharisch ware.

Hatte die hintere Linsenflache eine gegen die Peripherie abge- plattete Gestalt, wurde dieser Umstand somit geeignet sein, den Nach- theilen der schiefen Incidenz entgegenzuwirken. Bedenkt man jedoch, wie klein der Incidenzwinkel in der hinteren Linsenflache ist, wie nahe dem Scheitel diese Fliche von der Visirlinie getroffen wird und mie unbedeutend demnach die Abplattung am Einfallspunkte sein muss, so gewinnt es den Anschein, als ob man dieser Abplattung wenigstens keinen grosseren Effect zuschreiben konne, als dass sie hochstens dazu ausreiche, den Effect der Abplattung am Einfallspunkte der Visirlinie in der Hornhaut zu compensiren,l moher demnach der Umstand, dass die brechenden Fliiohen des Auges nicht, wie iom schematisohen Auge

d R d s, d s,

(22a), welcher - dR, bezw. sJ enthalt, positiv, und somit erhalten die I11

d s,

ds, d s,

In der That findet man, wenn - dRl am Einfallspunkte der Visirlinie in dsl

der Hornhaut mit a und der entsprechende Werth am Einfallspunkte in der hinteren Linsenflgche mit y bezeichnet werden, dass zum gefundenen Werthe

von * zu addiren ist: I11

d s,

5. n, COB %-,

. (g)' = 2,334 z - 0,507 y, n,,, cos r,,, - cos i,,, n,,, cos sr,,,

+ 9 *

d R , ds1

und dass demnach - am Einfallspunkte der Visirlinie in der hinteren Linsen-

fllche, welcher Punkt dem Scheitel der Fliiche jedoch bedeutend niiher licgt als der Einfallspunkt in der Hornhaut, einen mehr als viermal grosseren Werth haben muss als an diesem Punkte, damit die Abplattung der hinteren Linsen- fllche dazu ausreiche, den Effect der Abplattung der Hornhaut zu compensiren.

350 A. GULLSTRAND:

angenommen wird, spharisch, sondern gegen die Peripherie hin abge- plattet sind, nur insofern eine Bedeutung hat, als die gefundenen Werthe

- und dqi/ ___ des im Auge gebrochenen Strahlenbbdels wahrschein- d p?I1 d s, cl s,

lich numerisch etwas zu niedrig sind. Dafur , dass der Mittelpunkt der Pupille nicht im Allgemeinen

als mit dem Scheitel der vorderen Linsenflache zusammenfallend an- gesphen werden kann, liegt, so riel mir bekannt ist, kein exacter Beweis vor. Wenn auch Helmholtz1 und andere die Pupille mehr nach innen gefunden haben, so hat sie auf der anderen Seite Reuss2 in 10 von 23 Fallen nach aussen decentrirt gefunden, und ein ahn- licher Fall wird von HallstBn3 angefuhrt. Ausserdem muss man sich erinnern, dass die Lage der Pupille bei diesen Messungen im Verhalt- niss zur Axe des nach der Helmholtz’schen Methode construirten Hornhautellipsoids bestimmt worden ist, woraus folgt, dass in dem- selben Augenblicke, wo die Existenz dieser letzten unsicher geworden ist; auch die auf ophthalmometrischem Wege gefundenen Werthe der Lage der Pupille an Zuverlasslichkeit eingebusst haben.

Ebenso durften wohl im Allgemeinen die brechenden Flachen des Auges als centrirt angesehen werden kiinnen. Zwar hat H e l m h ~ l t z , ~ auf ein Experiment gestutzt, den Schluss gezogen, dass die Lime ge- wohnlich decentrirt ist, aber die Beweiskraft dieses Experiments scheint nach den Untersuchungen Ehrnrooth’s in einem sehr dubiosen Lichte dazustehen, und ebenso scheinen mir die nach einer grundverschiedenen Methode ausgefiihrten Versuche Tscherning’sG nicht beweisend. Ich habe es iersucht, diese Versuche nachzumachen, da ich aber die TrouvB- schen Gluhlichter, die von Tscherning angewendet worden sind, nicht zur Disposition hatte, so benutzte ich anstatt ihrer ein Gluhlicht von 16 Kerzen Starke, dessen Licht mit Hulfe der Spiegel in Woinow’s Apparat in das Auge geworfen wurde. Hierbei deckte indessen, wenn

III

das Licht nicht sehr peripherisch in das Auge kam, das Spiegelbild

a. a. 0. S. 18. a A. v. Reuss, Untersuchungen

pischer Augen. Arch. f. Ophth. 1877. Konrad HBllstBn. Larobok i

uber die optischen Constanten ametro- Bd. XIII, Heft 4, S. 209. Ophthalmometrk. Hehingfors 1872.

‘ a. a. 0. S. 86. Die zweite Auflage enthalt S. 108 eine Anmerkung zu den Versuchen Ehrnrooth’s.

M. Ehrnrooth, Zur Frage uber die Lage der Gesichtslinie und die Centrirung der brechenden Flachen im Auge. Pfliiger’s Arch. u. s. w. 1885. Bd. XXXV.

h’ord. Ophth. Tidskr. 1888. Bd. I.

M. Tscherning, Bidrag ti1 det menneskelige Ojes Dioptrik.

BEITRAG ZUB THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 35 1

i n der Hornhaut regelmassig das in der vorderen Linsenfllche ent- standene. Unter solchen Verhaltnissen kann ea aber nicht erlaubt sein, die Hornhaut als spharisch anzusehen, mie es Tscherning bei der Berechnung thut. Ob auch in den von Tschern ing selbst an- gestellten Versuchen das Licht sehr peripherisch in das Auge geworfen wurde, dariiber sagt seine Angabe iiber die Versuchsanordnung nichts.

Ebenso liegen keine Facta vor, melche beweisen, dass die Linse zur optischen Axe des Auges schief gestellt sei. Young’ hat, da seine Augen auch in Wasser untergetaucht astigmatisch waren, bekanntlich geglaubt, dass der Astigmatismus auf einer schiefen Stellung der Linse beruhe, und er giebt sogar den Grad der Schiefstellung an. Da in- dessen, wie durch die Tintersuehungen Hermann’s2 und Matthies- ,sen’s3 bemiesen worden ist, der geschichtete Bau der Linse sie in dem Grade periskopisch macht, dass die Annahme, dass diese Periskopie, welche durch die mahrscheinlich gegen die Peripherie liin abgeplattete Form der Linsenflachen erhoht mird, hinreichend sei, um I das Entstehen von Astigmatismus bei denjenigen Graden von Schiefstellung, melche als im Auge vorkommend gedacht merden kijnnen, zu verhindern gerechtfertigt erscheint, so folgt hieraus, dass ein Astigmatismus, welcher, wie der yon Young, beweislich den Sitz in der Linse hat, nicht fuglich einer schiefen Stellung derselben zugeschrieben werden kann, sondern in anderen Verhaltnissen, wie ungleicher Krummung in verschiedenen Meridianen, Abnormitat der Schichtung u. dgl. m. seinen Grund haben muss. Die Versuche Tscherning’s uber die schiefe Stellung der Linse sollen aber nur beweisen, dass die Lime zur Visirlinie (oder zur Gesichtslinie, wie Tscherning sich ausdruckt) schief gestellt ist, was natiirlich der Fall sein .muss, wenn das Auge oentrirt is$ da die Visirlinie nicht mit der optischen Axe zusammenfallt.

Alles in Allem genommen, lhsst es sich nicht annehmen, dass nicht die mit dem schematisohen Auge gefundenen Werthe im Allgemeinen fur das normale Gultigkeit haben, mit der einzigen Einschrankung nur, dass sie wahrscheinlich etwas zu niedrig sind.

Wenn dieses aber der Fall ist, so muss es auch durch irgend ein physiologisches Experiment bewiesen werden k6nnea. Da nimlich die

m Differentialquotienten - dqtm und __ dq” negative Vorzeichen haben und

ds, ds, die Abscissen in temporaler Richtung vom Leitstrahl positiv gerechnet

a. a. 0. a. a. 0. Pfluger’s Arch. Bd. XVIII. XX. XXVII. a. a. 0. Ebendas. Bd. XIY.

352 A. GULLSTRAND:

werden, so sind die Querschnitte des gebrochenen Strahlenbundels bei den Fokalpunkten im temporalen Theile starker belenchtet als im nasaleq und da beim Sehen die Querschnitte aller den verschiedenen Punkten eines leuchtenden Gegenstandes entsprechender Strahlenbundel zusammen auf der Xetzhaut eine Abbildung des gesehenen Gegen- standes hervorrufen, so muss offenbar die temporale Grenze des Netz- hautbildes scharfer markirt sein als die nasale, oder mit anderen Worten: wenn man mit einem Auge einen hellen Gegenstand auf dunklem Hintergrund betrachtet, so muss die aussere (temporale) Contur weniger scharf gesehen werden als die innere (nasale). In der Absicht nun, zu untersuchen, ob sich dieses Verhaltniss direct zeigen lasse, habe ich mit einer rectangularen weissen Figur auf dunklem Hinter- grunde Versuche angestellt. An den Seiten des Rectangels wurden Zipfel von 2 mm Hohe und doppelt so grosser Breite ausgeschnitten, so dass die ganzen Rander continuirlich gezipfelt waren. Ich versuchte nun, ob ich bei Zudeckung des einen Auges die Zipfel der einen Seite in einem Abstande deutlich sehen konnte, in welchem die Zipfel der anderen Seite nicht mehr getrennt gesehen wurden. Zwar glaubte ich, auf diese Weise einen Unterschied zu finden, der dafiir sprechen wiirde, dass die innere (nasale) Kante scharfer als die andere gesehen wird, aber die Resultate waren sehr unsicher, theils weil die Differenz sehr unbe- deutend war, theils weil der Abstand wahrscheinlich wegen der Schwierig- keit, die Accomodation hinreichend zu beherrschen, bei den versohiedenen Versuchen sehr verschieden ausfiel, wodurch ich mich veranlasst sah, eine andere Methode zu wahlen. Die rerringerte Sehscharfe giebt nam- lich nicht das scharfste Krite,num einer Verschwommenheit des Netz- hautbildes ab; eine noch empfindlichere Probe bietet uns die chroma- tische Abweichung dar. Wenn man durch ein Kobaltglas eine Licht- flamme betrachtet, so wird dieselbe, wenn das Auge fiir den Abstand eingerichtet ist, in welchem die Flamme sich befindet, violett gesehen; ist dagegen das Auge fiir einen naher gelegenen Punkt eingerichtet, so erscheint die violette Flamme ron einer schonen blauen Zone um- geben, und wenn es fiir einen weiter entfernten Punkt eingestellt ist, scheint sie rothe Kanten zu haben. Das Kobaltglas lasst namlich nur blaues, violettes und rothes Licht durch, und wenn das Auge z. B. fir einen naher als die Flamme gelegenen Punkt eingestellt ist, wiirde, wenn das Licht homogen ware, e in Bild der Flamme vor der Netz- haut entstehen; da aber nun die blauen und violetten Strahlen einen hoheren Brechungsindex als die rothen haben, so entstehen thatsach- lich zwei Bilder, von denen das eine, das blaue, weiter nach vorn liegt als das rothe, mithin auch grossere Zerstreuungskreise giebt. Die Zer-

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 353

streungskreise auf der Setzhaut haben demnach eine innere Zone, in welcher violette, blaue und rothe Strahlen zusammentreffen und den Eindruck von violettem Lichte geben, und eine aussere, die nur blaue und violette Strahlen enthalt und, da die ersteren uberwiegen, blau erscheint. Wenn nun diese aus den verschiedenen Punkten der Licht- flamme hervorgegangenen Zerstreuungskreise zu einer Abbildung dieser Flamme zusammengesetzt werden, ist daher das Bild violett und von einer blauen Zone umgeben. Ware nun das im Auge gebrochene Strahlenbundel homocentrisch oder astigmatisch von der ersten Form, so dass die Sturm'sche Theorie Gultigkeit hatte, so liegt es offen zu Tage, dass die blaue Zone zu beiden Seiten der Flamme gleich breit sein miisste. Dagegen sieht man bei einem Blicke auf Fig. 2 S. 283 leicht ein, dass, wenn das St,rahlenbundel von der zweiten oder dritten Form ist, die blaue Zone derjenigen Strahlen, welche in der Nahe con b b, b,, verlaufen, und sich in dem mehr nach vorn, somit weiter ab von der Wetzhaut abgelegenen Punkt b, treffen, grijsser sein muss als diejenige der nachst c c, c,, verlanfenden, welche sich in dem naher zur Netzhaut gelegenen Punkte c, schneiden. Da nun die Differential- quotiehten des im Auge gebrochenen Strahlenbundels negative Werthe haben und die Abscissen in temporaler Richtung vom Leitstrahl positiv gerechnet werden, so entspricht b b, b,, denjenigen Strahlen, welche, vom leuchtenden Punkte ausgegangen, auf der Netzhaut den nasalen Theil des Zerstreuungskreises bilden. Dieser Threil muss demnach eine breitere blaue Zone haben als der temporale Theil, oder mit anderen Worten: der leuchtende Punkt muss von einer blauen Zone umgeben erscheinen, die nach aussen (temporal) breiter ist als nach innen (nasal).

Dies wird auch zu voller Evidenz vom Experimente bestatigt. Sehr deutlich tritt der Unterschied hervor, wenn man bei Zudeckung des einen Auges das andere 1-5 Dioptrien myopisch macht und dann in einem Abstande von 1 Meter durch das Kobaltglas einen leuchten- den Punkt betrachtet, den man einfach dadurch herstellt, dass man in einem vor eine gute Lampe gestellten Schirm in der Hohe der Flamme ein rundes Loch von 3-4"" Durchmesser macht. Um diejenigen Fehler, welche durch schiefe Stellung oder Decentrirung des angewen- deten Correctionsglases entstehen konnen, zu eliminiren, muss dies so- wie auch das Kobaltgh.9 in einem Brillenglase eingesetzt und ausser- dem darauf gesehen werden, dass der Kopf nicht gedreht wird. Der Unterschied in der Breite der blauen Zone an den beiden Seiten ist bei dieser Versuchsanordnung fiir die meisten Augen, welche ich unter- sucht habe, unzweideutig, daher ich berechtigt zu sein glaube, ihn als physiologisch zu erklaren.

Skandin. Archiv. 11. 23

334 A. GULLSTRAND :

Nan murde sich nun denken kiinnen, dims dieses Experiment sich ganz einfach nur ans der chromatischen Abweichung des Auges er- kliiren lasse. Da niimlich die Lichtstrahlen in der Hornhaut in na- saler Richtung gebrochen werden, mussten ja die blauen Strahlen, welche einen hijhereii Brechungsindex haben als die rothen, starker a1.s diese gebrochen werden und somit die Netzhaut in einem mehr nasal gelegenen Punkte treffen. Dies ist auch ohne Zweifel der Fall, aber wenn man bedenkt, wie verhaltnissmbsig kleiii der Einfdlswinkel in der Hornhaut ist und wie unbedeutend daher die Farbenzerstreuung mit einem Brechungsindex von 1.3365 sein muss, so wird man kaum geneigt sein, dieser Zerstreuung die Ursache des beschriebenen Phii- nomens zuzuschreiben. Wurde diese namlich auf einer solchen Zer- streuung beruhen, so musste man sich vorstellen, das dann, wenn das Auge fur den leuchtenden Punkt eingestellt ist, in der That eiii mehr nasal gelegenes blaues und ein mehr temporal gelegenes rothes Bild des leuchtenden Punktes auf der Netzhaut entstande. Wenn demnach das Auge myopisch gemacht wurde, so wiirden die Zerstreuungskreise des blauen Lichtes um den Punkt concentrisch sein, wo fruher der blaue Bildpunkt sich befand, und die des rothen Lichtes ihrerseits um den Punkt, wo fruher der rothe Bildpunkt war. Da nun die blauen Zerstreungskreise, wie gezeigt worden ist, grosser als die rothen sind, so wurde auf diese Weise ein ebensolches Bild entstehen wie das Ex- periment es giebt. Aber wenn man nun bedenkt, dass in diesem Falle der Unterschied in der Breite der blauen Zone an den beiden Seiten nicht grosser sein kann als der doppelte Abstand zwischen den Mittel- punkten der rerschiedenen Zerstreuungskreise, so sieht man leicht ein, dass 8s kaum denkbar ist, dass dieser Unterschied so deutlich hervor- treten konnte, wie er es in der That im Experimente thut, ohne her- vorzutreten, wenn das Auge fir den leuchtenden Punkt eingestellt ist, der dann an der einen Seite eine rothe, an der anderen eine blaue Kante haben miisste. Der auf theoret ischem Wege er- b rach te Beae is , dass das im Auge gebrochene S t r ah lenbunde l von de r zweiten Form ist , sche in t mir demnach experimen- te l l bes t a t ig t zu sein.

Obwohl wir nun freilich gesehen haben, dass dies Verhiiltniss das Sehen kaum beeintrachtigt, wenn das Auge sonst normal ist, so kann es sehr leicht moglich sein, dass unter abnormen Verhaltnissen die Werthe der Differentialquotienten des im Auge gebrochenen Strahlen- bundels hinreichen konnen, um eine Herabsetzung der Sehacharfe zu bewirken. Es wurde daher Ton Werth sein, wenn man diese Grossen fir ein gegebenes Auge wenigstens annaherungsweise berechnen konnte.

BEITRAG BUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 355

Um dieser Frage niiher zu kommen, diirfte es zuerst von Gewicht sein zu un tersuchen, ein wie grosser Theil dieser Werthe auf Rechnung der Hornhaut und ein wie grosser auf Rechnung der Krystalllinse zu schreiben ist. Zu diesem Zweclie wollen wir annehmen, dass die Lin- senaxe im schematischen Auge mit dem in der Hornhaut gebrochenen Leitstrahl zusammenfalle, dnss mithin die Visirlinie nur in der Horn- haut gebrochen werde, die Iirj-stalllinse aber ungebrochen lings der optischen Axe durchdringe.

gende Grossen bestimmt: Das in der Hornhaut gebrochene Strahlenbundel wird

q,'= 31~0106"", q,: = 31 a0626 "",

Der Abstand vom vorderen Hauptpunkte der Linse ist

durch fol-

5.7260 mm, wonach das Strahlenbhndel in Bezug auf diesen Punkt durch folgende Griissen bestimmt wird:

p,IV = 31.0106 - 5.7260 = 25*2846"", p,,IV = 31.0626 - 5.7260 = 25.3366"",

l)er Fokalabstand der Linse im schematischen Auge ist 50.617 mm. Durch die Gleichungen

1 1 1 -- 4, IV - 50,617 + p,Iv' 1 1 1

-=50,617+z, 4,)

ergiebt sich fiir das in der Linse gebrochene Strahlenbiindel in Bezug auf den zweiten Hauptpunkt der Linse:

p,'V = 16*8617-, p,,N = 16.8848 mm, A- dq IV - - 0.1987,

ds, IV

dq,, = - 0.0663. d s,

23 *

356 A. GULLSTRAND:

Der Sbstand vom hinteren Hauptpunkte der Linse zur hint,eren Linsenfliche ist 1 -276 mm. Fur die hier gelegene Wellenflache des gebrochenen Strahlenbundels erhalten wir demnach:

q,V = p,IV - 1.276 = 15.586""', q,, V = q,," - 1-276 = 15.609 mm,

Die so erhaltenen M'erthe der Differentialquotienten des gebro- chenen Strahlenbtindels sind also, wenn der Effect der Krystalllinse in dieser Weise abgerechnet wird, etwas hoher als sonst. In der That wissen wir ja, dass eine schief gestellte Linse im Allgemeinen positiye Werthe der Differentialquotienten giebt, wenn das einfallende Licht convergent ist, und da diese Werthe bei einer planconvexen Linse, deren ebene Flache dem einfallenden Lichte zugewendet ist, grosser merden als bei einer biconvexen Linse mit gleichen Flachen, so ist offenbar die Krystalllinse drtdurch, dass die hintere Flache starker ge- kriimmt ist als die vordere, sehr geeignet, die Nachtheile einigei-maassen zu compensiren, welche durch die schiefe Incidenz in der Hornhaut entstehen. Da nun indessen die Form der brechendeii Flachen nicht spharisch, sondern gegen die Peripherie abgeplattet sind, was in Betreff der Hornhaut ein Factum, in Betreff der Flachen der Krystalllinse aber wenigstens wahrscheinlich ist, und da, wie ich gezeigt habe, hier- durch die gefundenen Werthe der Differentialquotienten des im sche- matischen Auge gebrochenen Strahlenbundels wahrscheinlich etwas zu niedrig sind, so durfte dieser Fehler einigermaassen von der durch die Krystalllinse bedingten compensatorischen Wirkung aufgewogen wer- den, so dass man die durch die schiefe Incidenz in der Hornhaut ent- standenen Werthe, oder mit anderen Worten, diesen Incidenzwinkel selbst als einen Messer der mehr oder weniger ungunstigen Beschaffen- heit des im Auge gebrochenen Strahlenbundels anzusehen berechtigt sein durfte.

Diesem Umstande ist ein um so grosserer Werth beizulegen, als der Einfallswinkel der Visirlinie leicht zu messen ist. Wenn man mit einem Keratoskope oder einem Astigmometer die Hornhaut untersucht und dabei den Mittelpunkt des Instrumentes fixiren lasst, so h d e t man, dass das Spiegelbild in der Hornhaut nicht in der Mitte der Pupille gesehen wird, sondern gewohnlich mehr nach innen. Dieses

BEITRAG ZUR THEORIE DES ASTIGMATISMUS. 357

schon von Mayerhausen’ angedeutete Verhaltniss hingt eben davon ab, dass die Incidenz der Visirlinie nicht rechtwinkelig ist. Ginge die Visirlinie ungebrochen durch die Hornhaut und fiele sie somit mit der Normale im Einfallspunkte zusammen, so wiirde die Mitte der Keratoskopscheibe eben in diesem Punkte gespiegelt werden und das Spiegelbild also in die Nitte der Pupille fallen. Da nun indessen wegen des Winkels a! der extraoculare Theil der Visirlinie gewohnlich von der optischen Axe des Auges nasal liegt und die Visirlinie diese Axe im Nittelpunkte der Pupille, die vor dem Kriimmungsmittelpunkte der Hornhaut liegt, schneiden muss, so ist es leicht einznsehen, dass der extraoculare Theil der Visirlinie im Allgemeinen nasalwarts von der Normale im Einfallspunkte liegen muss. Mag dann Fig. 11 S. 341 einen Horizontalschnitt durch das linke Auge, von oben gesehen, vor- stellen. Wenn nun dieses Auge den Nittelpunkt der Keratoskopscheibe fixirt, so muss dieser Punkt sich an der Verlangerung der Linie CA, be- finden. Er muss dann in dem Punkte der Hornhaut gespiegelt werden, in welchem dieselbe von der Linie geschnitten wird, welche den Krummungs- mittelpunkt der Hornhaut mit dem Mittelpunkte der Keratoskopscheibe vereinigt, wonach dann dieser dem Untersucher mehr nasal gelegen er- scheinen muss, als der Mittelpunkt der Pupille. Ern den Einfallswinkel zu messen, braucht man daher, wie Leroy2 gezeigt hat, nur das Spiegelbild eines in einer gegen die Visirlinie senkrechten Ebene zu beweenden Oegenstandes mit dem Mittelpunkte der Pupille zusammen- fallen au lassen, wahrend das Auge die Pupille des Untersuchers fisirt, und den Abstand der Hornhaut des untersuchten Auges zur Ebene, ia weloher aieh der gespiegelte Gegenstand bewegt, sowie den senk- rechten Abstand dfeses Gegenstandes zur Visirlinie zu messen. Diem mit jenem dividirt giebt dann die Tangente dea doppelten Einfalb winltels, Will man ein genaues Resultaf haben, so i$t es am besten, mit Hiilfe von Belmholtz’ Ophthalmometer und unter Anwendung der in der Ophthalmometrie bei der Bestimmung der Lage des Mittel- punktes der Pupille gebrauchlichen Nethode zu controliren, wann das Spiegelbild einer Lichtflamme wirklich im Mittelpunkte der Pupille er- scheint. Begntigt man sic dagegen damit, den Einfallswinkel bis aaf 1/2-lo zu kennen, so ka man ein Perimeter anwenden, oder, ganz einfach eine schwarze, in der Mitte durchbohrte Scheibe, an weleher eich eine wehse Marke in radiarer Richtung bewe@. Wird diem Sohehe

4 Notie zur Veranschaulichung des WMels y. Centralbl. f. prakt. Augm-

heilk. 1882. Eigentlich hebt Mayerhsusen hervor, dam daa Spiegelbild nicht in die Mitte der Hornhaut frillt.

a. a. 0. Arch. d‘ophlh. 1884. S. 149.

3 5 8 A. GULLSTRAND:

in bestimmtem Abstande von dem das Centrum der Scheibe fixirenden untersuchten Auge gehalten, so brsucht man nur den Abstand dieses Centrums zur Marke zu messen, wenn dtls Spiegelbild dieser dem durch das Loch im Centrum der Scheibe untersuchenden Auge gerade in der Mitte der Pupille zu liegen scheint. Xit einem solchen Instrumente, befestigt an den zu meinem dstigmonieter gehorenden Tubus, kann man leicht und geschwind ein Xaass des Einfallswinkels der Visirlinie erhalten, wobei jedoch selbstverstandlich keine grossere Genauigkeit zu fordern ist, als dass der Cntersuchungsfehler nicht bis auf l o steigt. Ob eine ausgedehntere Untersuchung des Einfallswinkels der Visirlinie bei versehiedenen Refractionszustanden und verschiedener Sehscharfe zu irgend einem Resultate fuhren kiinnte, daruber kann ich kein Vr- theil abgeben. In augen mit normaler Sehscharfe in die E’erne habe ich ihn indessen zwischen O o und 6 O variirend, ja in einem Falle so- gar negativ gefunden (d. h. der extraoculare Theil der Visirlinie lag temporalwarts Tun der Normale im Einfallspunkte).

Dieser Fall galt einem in Stockholm wohnenden Arzte, der eben- falls mit dem rechten Ange die blaue Zone breiter nach links als nacb rechts sah. Bei . einer aus diesem Grunde vorgenommenen naheren Untersuchung erkljrte sich dieses damit, dass der Einfallswinkel der Visirlinie , welcher mit Hulfe der vom H e 1 m h o 1 t z ’schen Ophthalmo- meter gelieferten Controle gemessen wurde, negativ war (50 53 - 5”). Die Sehscharfe dieses Auges war zwar etwas kleiner als die des linken, jedenfalls aber nahezu normal (deutlich > 0.9). n a die Vorzeichen der Differentialquotienten des in der Hornhaut gebrochenen Strahlen- biindels wechseln, wenn der Einfallswinkel negativ wird, und da es dieser Winkel ist, der den allergrossten Theil der Werthe der Diffe- rentialquotienten bestimmt, so liegt es offen zu Tage, dass im genann- ten Falle die blaue Zone beim Versuche mit dem Kobaltglase in der That breiter nach links erscheinen musste 81s nach rechts, so dass dieser Fall nur eine weitere Bestitigung der hier dargestellten Theorie geliefert hat.

Uebrigens habe ich bei einigen Myopen gefunden, dass die blaue Zone am breitesten nach der nasalen Seite erschien, and in diesen Fallen habe ich auch feststellen konnen, dass der Einfallswinkel n ativ war. Dass dieses bei Myopen ofter der Fall zu sein scheint, st&t gut damit uberein, dass der Winkel a bei Myopen bekanntlich in der Regel einen niedrigen Werth hat und oft negativ ist.

Bei der Messung des Einfallswinkels der Visirlinie findet man

Xord. Ophth. Tidskr. 1889. Bd. 11, Hft. 2.

BEITRAG ZUR THEORIE DES L4STI0.MATISYUS. 359

nicht selten, dass der Gegenstand, dessen in der Hornhaut abgespie- geltes Bild untersucht wird, nicht gerade nach a m e n in horizontaler Richtung, sondern z. B. nach a m e n unten gefiihrt werden muss, da- mit das Spiegelbild in die Nitte der Pupille falle, so dass die Ringe der Keratoskopscheibe von vornherein der inneren oberen Kante der Pupille am nachsten erscheinen, nncl in einem solchen Falle findet man dann auch, dass die blaue Zone beim Versuche mit dem Kobalt- glas sich nach aussen unten am breitesten zeigt, so dass man im All- gemeinen aus der Lage, welche das Spiegelbild der Ringe der Kerato- skopscheibe in der Pupille einnimmt, voraussagen kann, welcher Theil der genannten blauen Zone am breitesten erscheinen wird.

Wenn es auch wahr ist, dass das normale Auge kaum unter den Folgen der schiefen Incidenz leidet, so ist es doch einleuchtend, dass bei gewissen pathologischen Verhaltnissen, wo die Incidenz vermehrt ist, die Sache sich anders gestaltet. Sofern nur der Mittelpunkt der Pupille verschoben ist, sei es durch eine Synechie oder sei es dadurch, dass eine Iridectomie gemacht worden ist, so wird auch der Eihfalls- winkel der Visirlinie ein anderer, und ist gar die Pupille nach aussen hin verzogen, oder ist die Iridectomie nach dieser Seite hin gemacht worden, so ist das Verhaltniss nur um so ungiinstiger, da in diesem Falle der Effect sich zu dem schon durch die normale schiefe Inci- denz hervorgebrachten addirt. 1st dann dazu noch die Hornhaut astig- matisch und fillt gar der eine Hauptmeridian nicht mit der Brechungs- ebene zusammen, so ist, wie man leicht einsehen wird, das gebrochene Strahlenbtindel von der dritten Form und dadurch noch unvortheilhafter.

Indessen ist es nicht meine Sbsicht, hier auf diese oder andere hierher gehorige Fragen, wie z. B. ob der nach einer combinirten Staar- extraction entstehende Astigmatismus am hesten durch ein schief ge- stelltes spharisches oder durch ein combinirtes spharisch-cylindrisches Glas corrigirt werde - naher einzugehen, da das Ziel dieser Abhand- lung nur das ist, zu der Theorie des Astigmatismus einen Beitrag zu geben.

Dem Herrn Prof. R. Tigerstedt, welcher mir ziir Ausfiihrung meiner Versuche gutigst das Laboratorium des physiologischen Insti- stuts zur Verfiigung gestellt hat;, spreche ich daftir hiermit meinen herzlichsten Dank aus.