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Beitrage zur Theorie des Nahrwertes von Stsrke und Rohrzucker. Von Dr. Phil. u. med. Georg von Wendt, Professor a. d. Univers. Helsinglors. (Aus dem Institut fur Haustierlehre der Universitat Helsingfors.) Beini Vergleich der in den nordischen Landern iiblichen kt das Futter der Haustiere zu bewerten, der sogenannten Futtereinheits- berechnung, mit der Kellnerschen Starkewertberechnung, zeigte sich eine groBe ifbereinstimmung hinsichtlich allen solchen Futtermitteln, die eine groBere Redentung als Erhaltungsfutter oder in der Mast haben. Das typische Futter fur Milchtiere, Olkuchen u. dgl. werden aber in der Futtereinheitsberechnung bedeutend hiiher bewertet als in der Starlre- wertberechnung. In einer kleinen Abhandlung ,,Zur Frage iiber den physiologischeii Wert des EiaeiDes"l habe ich dieser: Umstand naher studiert und gezeigt, vie betrachtlich der Salinvert des EiweiSes variieren kann, wie auch, daS die ungleiche Bewertung eben auf dieser Variabilitiit beruht. Bei Restinimung des Starkewertes ist die Mastwirkune eines Futtermittels entscheidend gewesen. In dcr Futtereinheitsberechnung hat man wiederum die Milchleistung als das Hauptsachliche betrachtet. Im ersten Falle ist es cler physiologische Thesaurierungswert des EiweiSes, der zur Geltung kommt, im zweiten der Assimilationswert. In meiner eben zitierten Untersuchung ist der Thesaurierungs- wert2 der Futtereinheit, in Warmeeinheiten ausgedriickt, zu 2136 Kal. geschatzt, der Assimilationswert bei einem fiir Milchproduktion ansreichen- den EiweiBgehalt 2596 Kal. Dies Archiv. Bd. XXIX. S. 217. S. 224 u. 232. -2 Ebenda.

Beiträge zur Theorie des Nährwertes von Stärke und Rohrzucker

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Page 1: Beiträge zur Theorie des Nährwertes von Stärke und Rohrzucker

Beitrage zur Theorie des Nahrwertes von Stsrke und Rohrzucker.

Von Dr. Phil. u. med. Georg von Wendt,

Professor a. d. Univers. Helsinglors.

(Aus dem Institut fur Haustierlehre der Universitat Helsingfors.)

Beini Vergleich der in den nordischen Landern iiblichen k t das Futter der Haustiere zu bewerten, der sogenannten Futtereinheits- berechnung, mit der Kellnerschen Starkewertberechnung, zeigte sich eine groBe ifbereinstimmung hinsichtlich allen solchen Futtermitteln, die eine groBere Redentung als Erhaltungsfutter oder in der Mast haben. Das typische Futter fur Milchtiere, Olkuchen u. dgl. werden aber in der Futtereinheitsberechnung bedeutend hiiher bewertet als in der Starlre- wertberechnung.

In einer kleinen Abhandlung ,,Zur Frage iiber den physiologischeii Wert des EiaeiDes"l habe ich dieser: Umstand naher studiert und gezeigt, vie betrachtlich der Salinvert des EiweiSes variieren kann, wie auch, daS die ungleiche Bewertung eben auf dieser Variabilitiit beruht. Bei Restinimung des Starkewertes ist die Mastwirkune eines Futtermittels entscheidend gewesen. In dcr Futtereinheitsberechnung hat man wiederum die Milchleistung als das Hauptsachliche betrachtet. Im ersten Falle ist es cler physiologische Thesaurierungswert des EiweiSes, der zur Geltung kommt, im zweiten der Assimilationswert.

In meiner eben zitierten Untersuchung ist der Thesaurierungs- wert2 der Futtereinheit, in Warmeeinheiten ausgedriickt, zu 2136 Kal. geschatzt, der Assimilationswert bei einem fiir Milchproduktion ansreichen- den EiweiBgehalt 2596 Kal.

Dies Archiv. Bd. XXIX. S. 217. S. 224 u. 232. - 2 Ebenda.

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GEORG VON WENDT: NAHRWERT VON S T ~ K E u. ROHRZUCKER. 265

Bei sonst iibereinstimnienden Bedingungen ist der Xiihrwert eines EiweiBstOffeS von der Anwendung im Organismus abhiingig und zwar kann der Wert ganz betriichtliche Schwanhngen unterliegen. Manche sich widersprechende Untersuchungsergebnisse erhalten in diesem Um- stande eine befriedigende Erklarung.

Wir ersehen aus den angefrihrten Rechnungenl, daB auch der Wert der Kohlehydrate, wenn die Futtereinheit eine assimilatorische Ver- wendung hat, etwas hohcr eingeschatzt werden muS, als wenn es eine reine Thesaurierung gilt.

Es erscheint aber, als \Care die Variabilitat des Nahrwertes mit den hier knrz besprochenen Unistandcn, unter denen ungleiche Werte vorkommen, nicht erschopft.

Es ist schon lange bekannt, daS der ltohrzuclier ein Stihrstoff ist, der bei Krafterzeugung eine sehr giinstige Wirkung hat. Kellner2 bezeichnet Rohrzucker als eine Kraftquelle ersten Ranges und G r a n d e a u und Ale kan3 haben den Rohrzucker bei andauernder Kraftleistung als Futtermittel probiert bei den unifassenden Untersuchungen an Miet- pferden in Paris und die Ergebnisse waren fur den Rohrzucker sehr giinstig.

In Schweden hat H a n s s on recht unifassenrle Versuche mit rohr- zuckerreichen Futterstoffcn gemacht4r5, und seine Ergebnisse be- statigen den hohen Wert des Rohrzuekers ini Graftstoffwechsel.

Xach Ru bne r7 ersetzen beim hungernden Fleischfressw Stkke- niehl, Rohrzucker und Traubcnzncker 100 g Korperfett derniaBen, daB die Wirliung von

'232 g Starkeinehl glcich der von 234 g Rohrzucker oder 256 g Traubenzucker ist.

Im Thesaurierungsstoff\echsel* ist das Verhaltnis jedoch ein ganz anderes. Sach K e l l n e P ergeben 1000 g Starke beim Mastochsen

Dies drchkv. Bd. XXIX. 8. 221, 232. 2 ,,Die Verfutterung der Zuckerfuttermittel".

3 Annales de la Science agron.

5 Ibidem. 1910. Nr. 29. 6 Ibidem. lp14. Nr. 98. 7 Cesetze des Energieverbrauches bei der Ernahrung. 8 Wenn Fett thesauriert wird. 9 Die Ernahrung der landw. Nutztiere.

Arbeiten der Deutschen Landw.-Gesell. Berlin 1909. H. 152.

1901. Centralanstaltens mtddelanden. 1099. Sr . 12.

Lei p i g 1902.

Berlin 1905.

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zsa GEORG vow WENDT:

248 g Pett und lo00 g Rohrzucker nur 188 g. Im Ersatzstoffwechsel des Fleischfressers war das Verhaltnis Starke zu Rohrzucker = 100 : 101, im Thesaurierungsstoffwechsel des mastfahigen Wiederkaiiers wiedenmi

Die Mastversuche von Schneidewindl an Schweinen zeigen, daS die Fahigkeit der Schweine Starke und Rohrzucker zu thesaurieren, bedeutend groJ3er ist als die der Mastochsen, denn 1000 g Starkc leisteten 355 g Fett, lo00 g Rohrzucker 281 g. Das Verhatnis zwischen der Leistungsfahigkeit der Starke und des Rohrzuckers im Thesau- rierungsstoffwechsel des Schweines war doch anniihernd dasselbe, d. h. = 100: 79.

Entsprechendr, von Hansson2 ausgefiihrte Versuche niit Mast- schweinen geben ein ganz ahnliches Resultat. Die Mastfahigkeit von 0.9 kg Kartoffeltrockensubstanz ist gleich groS %e die von 1 .I kg Futterriibentrockensubstanz. Die Trockensubstanz der Kartoffeln ent- hielten etwa 70 Proz. Starke und die der Futterriiben etwa 60 Proz. Rohrzucker. Stiirke und Rohrzucker hatten somit einen entscheidenclen EinfluS auf die Zusammensetzung der betreffenden Futtermittel und das Verhiiltnis des erzielten Ansatzes der vorwiegend starkehaltigen zur rohrzuckerhaltigen "rockensubstanz war == 100 : '80.

Es ist also offenbar, daB der Rohrzucker im Thesaurierungsstoff- wechsel kaum mehr als 75 bis 80 Proz. der Leistung der Stiirke ent- spricht. Wo es gilt, Korperfett beim Fleischfresser zu schiitzen, ver- halten sich Starke und Rohrzucker, wie gesagt, wie 100: 101.

Eine Untersuchung des Assimilationswertes der beiden Stoffe liegt nicht vor. Das Verhaltnis konnte z. B. bci der Milchproduktion studiert werden. Zuverlassige Versuche in dieser Richtung konnten doch kaum ohne Respirationskalorimeter ausgefiihrt werden. Versuche in Dane- mark3, Schweden4 und Norwegen5 an Milchkiihen erlauben zwar keine ganz genauen Berechnungen , immerhin geht aus denselben ganz deutlich herror, daS der Wert des Rohrzuckers groBer bei der Assinii-

= 100 : 76.

Landw. Jahrbucher 1907. Bd. XXXIX. S. 686. Centralanstaltens Meddelande. Stockholm 1919. Nr. 194. Fors6gslaboratoriets. Kopenhegen 1902, 1904 u. 1911. 53., 55. u. 76. Be-

Centralanstultena Meddelande. Stockholm 1919. Nr. 194. Isaacksen, Sukker och stivelse i melkepmduksjonen. Nordisk Jordbruks-

retning.

forskning. 1921. S. 360.

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'THEOBIE DES NAHRWERTES VON u.'ZhwmucmR. e67

lation ist als im Thesaurierungsstoffwechsel. Nach den von Hanssonl Rusgefiihrten Berechnungen wke das Verhdtnis Stiirke zu Rohrzucker = 100 : 90. Hier tritt offenbar aber der Assiniilationswert des Rohr- zuckers nicht allein zutage. Sehr wahrscheinlich hat der Rohrzucker auBer im Selaetionsstoffwechsel aukh im Thesaurierungsstoffwechsel mitgewirkt , welches die erhaltene ZaM wohl etwas erniedrigt hat.

Ein ganz anderes Bild ergibt das Verhiiltnis der betreffenden Stoffe ini Kraftstoffwechsel. Hier ist der Rohrzucker der Stiirke offenbar sogar iiberlegen.

Hansson hat in der eben zitierten Zusammenstellung verschiedeney, hauptsiichlich von der 'landwirtschaftlichen Zentralversuchsanstalt in Schweden ausgefiihrten Versuche iiber die Verwendung der Hack- friichte als Produktionsfutter fur Pferde darauf hingewiesen, da8 Melasse- futter sogar einen 23 Proz. hoheren Wert fur arbeitende Pferde als fiir Milch produzierende Kiihe hat. Im Kraftstoffwechsel des Pferdes ver- halt sich adf Grund dieser Versuche Starke zu Rohrzucker wie 100 : 105 bis 110, ja vielleicht sogar 115.

Eine ganz genaue Bewertung des relativen Wertes der beiden be- sprochenen Stoffe im Kraftstoffwechsel erlauben diese praktischen Versuche von Hansson also nicht. Die i fber legenhei t des Rohr- zuckers in1 Kraf ts toffwechsel i s t sehr wahrscheinlich und kann bei den betreffenden Arbei tspferden zu mindestens 10 Proz. gescha tz t merden, und i n keinem Fal le i s t der Wer t cles Rohrzuckers ger inger a l s der der Stiirke.

Ein komplettierender Versuch mit Zugochsen ware angezeigt, weil oben besprochene Resultate bei verschiedenen Tiergattungen gewonnen sind und moglicherweise spezifische Eigenschaften der Art hier mit- gewirkt haben.

Moglicherweise konnte der geringere Wert des Rohrzuckers auf eine laiigsamere Uberfiihrung in Monosaccharide und daher ausgiebigere Zerstorung durch Garung beim Wiederkauer beruhen. Dagegen spricht allerdings der Umstand, da9 Rohrzucker .im Produktionsfutter der Milchkuh einen hoheren Wert als im Mastfutter des Ochsen hat und somit offenbar die Art der Verwendung und nicht die Verdauung eine gofiere Bedeutung fur den zeitmeiligen Wert hat.

St&rkelsens och sockreta o l i b varde vid skilde pmduktionsriktningar. Xordisk Jordbruks/orskning. 1919. S. 351.

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268 ' GEORG VON WENDT:

Leider konneii mehr umfassende Versuche mit Zugochsen z. I3. in Finnland nicht ausgefiihrt werden, weil Zugochsen in der Landwirt- schaft hier nicht benutzt werden. Allem Anschein nach wiirden solche aber eine weitere Steigerung des Wertes des Rohrzuckers, wenn diese Zuckerart einem Tiere mit groBer Arbeitsleistung gegeben wird, be- statigen. Moglicherweise wird aber die Wertsteigerung nicht uber den entsprechenden Wert der Starke gehen, wenn Garungsverluste im Ver- dauungsorgane des Wiederkauers in entgegengesetzter Richtung wirkeii.

Die Ursache dieser schwankenden Werte der Starke und des Rohr- zuckers scheint Hanssonl , sich auf Kel lner und iibrigens auf ganz allgemein herrschenden Anschauungen berufend, hauptsachlich in einer ungleichen Verdauungs- und Resorptionsgeschwindigkeit der beideii Xahrstoffe zu sehen. Hansson mncht doch die Hemerkung, daB, wo Stiirke und Rohrzucker bei derselben Art bei verschiedenen Kutzungs- richtungen einen verschiedenen Wert haben, doch auch andere Erklarungs- griinde notig sind. Wenn H a n s son schlieSlich doch in seiner dies- beziiglichen Betrachtung mit den Worten : ,,Es ist sehr wahrscheinlich, daB der verschiedene Wert der Starke und des Rohrzuckers fur ver- schiedene Produktionsrichtungen doch kunftig in nachster Verbinduiig mit der Geschwindigkeit und Leichtheit gebracht werden wird, mit der sie im Verdauungsapparat ins Blut iibergefiihrt werden", schlie5t und

- also nicht andere Erklarungsgrunde naher behandelt, ist er doch klar bewuSt, daB die Anschauung nur einen wahrscheinlichen Wert hat. Der in der Fiitterungslehre allgemeinen Anschauung gems, wird der Rohrzucker iiberaus leicht resorbiert und ware soniit die uberlegenheit des Stoffes darauf beruhend, daB der arbeitende Korper eine unmittelbar verfugbare Energiequelle darin hatte.

In dieser Richtung driickt sich Kel lner und gevrisscrma5en auf seiner Autoritat sich also stiitzend, H a n s s o n aus.

Gegeii eine solche Anschauung konnen jedoch sehr schwerniegende theoretische Einwande erhoben aerden.

Wir wollen erst die Hypothese, dalS Rohrzucker oder richtiger die Rohrzuckerkomponenten soviel schneller als die der Starke zur He- sorption kommen, aufrecht halten. Das Tier. das zur Arbeit benutzt wird, ist ja nicht beim Anfang derArbeit in einer solchen Verfassung, daS nicht ein bedeutender Glykogenvorrat in den Muskeln und in der Leber vorhanden wlre. Erst wenn ein betrachtlicher Teil dieses Vorrates verbraucht ist, konnte die Gegenwart von groBeren Mengen Rohrzucker-

A. a. 0. ~ _ _ ~-

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-THEORIE DES NAHRWERTES VON STARKE u. ROHRZUCKER. 260

ltomponenten im Blute von Bedeutung sein und zwar nur dann, wenn die Erganzung des Muskelglykogens dur& Rohrzuckerkomponenten eine besondere Vergeudung bedeuten sollte und diese Komponenten direkt im Kraftstoffwechsel des Muskels Verwendung finden konnten. Die Resorptionsgeschwindigkeit hit te also auch in diesem Falle nur eine indirekte Bedeutung, die Hauptbedeutung ware mit der Narstoff- verwendungsart im Organismus verkniipft.

Dieser Umstand kijnnte aber kaum erklken, warum der Rohrzucker bei Fettansatz einen so niedrigen Wert hat, wenn nicht eine Glykogen-, bildung der Fettsynthese vorausgehen miiBte, was durch keine Er- fahrungen gestutzt wird.

Die Amahme, daD Rohrzucker schneller als Stiirke dem Kraftstoff- mrechsel zugute kommen wiirde, kann aber kaum aufrecht erhalten werden.

Bekanntlich gibt der Resorptionsquotient deutlichen Ausschlag Unter andereni

hat schon Magnus-Lev yl Untersuchungen ausgefiihrt, die in dieser Beziehung verwertet werden konnen. Beim Menschen miiBte der Unter- schied in Resorptionsgeschaindigkeit, wenn ein solcher vorhanden w&e, deutlicher Zuni Vorschein kommen, als z. €3. beim Pferde. In der Tat zeigte sich aber in zwei ausgedehnten Versuchen an derselben Person mit etwa 295 g WeiBbrot im ersten und 155 g Rohrzucker im anderen Falle der hochste Resqtionsquotient WeiBbrot (Stiirke) in der vierten und mit Rohrzucker erst in der fiinften Stunde. Schon in der ersten Stunde schnellte der Resorptionsquotient auch im Versuche mit WeiBbrot recht hoch einpor und dei. Unterschied zwischeii WeiBbrot und Rohrzucker war nicht grog.

Dieses Verhaltnis ist auch gana naturlich. Erstens ist ja die Re- sorption von Kohlenhydraten auBerst gering, bevor der Futterbrei den Magen verllBt - hinsichtlich der Bedurfnisse des Kraftstoffwechsels eines arbeitenden Tieres kann die Magenresorption = 0 gesetzt werden. Der amylolytische Teil der Magenverdauung (hesonders beim Pferde) bringt schon eine so ausgiebige Spaltung von Stlrke zustande, daB recht betrachtliche Mengen Maltose, Isonialtose und Glukose bereits bei der Entleerung durch den Pylorus im Futterbrei vorhanden sind. Bekannt- lich wer den hauptsachlich nur Monosaccharide rworbiert. Rohrzucker wird iiberhaupt gar nicht als solches im Kreislauf aufgenommen. Der, Organismus hat ja keine Fahigkeit , bereits im Kreislauf eingefuhrten

1 Resp. Gaswechs. b. Xahrungsaufnahme. Pflugers Arch. Bd. LV. S. 1.

. bei steigender Kohlenhydratverwendung im Korper.

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Rohrzucker zu spalten (invertieren), und parenteral eingefiihrter ltohr- zucker wird daher beinahe quantitativ init dem Harn ausgeschieden. Maltose kann ja resorbiert werden in geringeren Mengen und ist aucli in der Vena Portae angetroffen n7orden.l Beinahe alle Gewebe dcs Korpers besitzen die Pahigkeit, Maltose zu spalten. In dieser Beziehung hat die Naltose also als ein wichtiges Zwischenprodukt der Starkeverdauung einen Vorslirung vor den1 liohrzucker. und wenn man noch weiter beriicli- sichtigt, da13 die lhk tose , d. h. die eine Halfte des Rohrzuckermolekiils langsanier aufgenoninien wird als dcr Traubenzucker2* 3. d. h. die andere Halfte des Rohrzuckermolekiils und die beiden des aus der Starke kommen- den Malzzuckers, ist eine entscheidende Resorptionsiiberlegenheit des Rohrzuckers kaum zu behaupten. Die Verhaltnisse vor und wahrend der Resorption ltonnen also nicht eine Erklarung iiber den hoheren Wert des Rohrzuckers bei der Arbeit abgeben. Durch V e r g h n g im Verdauungs- apparat kann ja der Wert des Rohrzuckers eingeschmalert werden. Lange nicht alle Versuche ergehen aber eine solche groSere Garung. Eine solche reicht jedoch lange nicht aus, um den niedrigeii Wert ini Thesaurierungsstoffwechsel oder vielleicht richtiger fur die Fettbildung zu erklaren und fur den hoheren Wert in der Milchproduktion und ganz besonders im Kraftstoffwerhsel wurden diese behaupteten groDereii Garungsprozesse eine negative Redeutung haben.

Die Starke wird hauptshhlich als Glukose resorbiert. Die Spaltungs- stufe Maltose wird vor Resorption groStenteils in Glukose zerlegt. Die Einwirkung von Invertase oder die Invertierung des Rohrzuckers ergibt gleichviel Glukose iind Fruktose. Das ungleiche Verha l t en des Rohrzuckers u n d de r Sti irke muS also darauf beruhen , d a S i m Molekiil des e r s t en aul3er Glukose zur Hal f t e F r u k t o s e vorhanden ist. Eine Untersuchung iiber das Verhalten der Fruktose im Stoffwechsel mul3te dariiber Auskunft oder wenigstens Andeutung geben, worauf die Wertverschiedenheit beruht.

Ich will Beobachtungen und Berechnungen hier nur kurz theoretisch besprechen, und komme kiinftig im anderen Zusanimenhange darauf ausfiihrlicher zuruck. -

Johansson4 hat in seinen schonen Untersuchungeii iiber den Kohlehydratstoffwechsel gezeigt, daS eine reichlichere Zufuhr von Glukose

v. Mehring, A d . u. Physiol. Arch. 1878. S. 379. Nugano, Pfliigers Arch. Bd. XC. S. 389. Graham Lusk, T L Jmrn. of Bwbg. C h i a t . Vol. XX. p. 590 Johansson, Dies Archiv. Bd.XX1. S.0.

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THEORIE D E S NAHRWERTES VON 8 r A R K E U. XOHRZUCKER. 271

nicht unbetrachtlich die C0,-Abgabe steigert. 1st der Glykogenvorrat der Untersuchungsperson durch kraftige Muskelkraft erschopft, bleibt cliese Steigerung aus.

Die Uberfuhrung yon Glukose in Glykogen geschieht bekanntlich ohne nachweisbare Verluste. 170 der Vorrat des Korpers an Glykogen sehr eingeschmalert ist, wird Glykogen gelagert und der Thesaurierungs- stoffwechsel veriauft bei Glukosezufuhr annahernd verlustlos. Sind aber die Glykogenvorrate des Organismus gefiillt, geschieht die Regelung bei weiterer Traubenzuckerzufuhr durch Thesaurierung des in Fett unigebauten Traubenznckers. Die Untersuchungen der letzten Zeit, und besonders die sehr genauen von Graham Lusk machen e6 sehr wahrscheinlich, da13 die Fettsynthese der Glukose von der Abbaustufe Azetaldehyd beginnt, daD somit beim Abbau 2 C-Atome der Glukose f iir die Synthese verloren gehen und weiter oxy diert werden. J o h a n s s o n

' fand zwar nur 13.8 Proz. der Zuckerkohle in der Kohlensauremehr- ausscheidung wieder. Hier ist aber nur die Kohlenstiure ein Indikator auf den im Koq& sich abspielenden Prozeasen. Die zur Synthese nicht , venvendeten C-Atome der' Glukose wurden in Johanssons Versuche

nicht quantitativ wiedergefunden, nur immer ein aliquoter Teil. Nach Graham Luskl verlguft der Umbau der Glukose in Fett

folgendermaDen :

I rt: f

OH-C-H \ I

H-C-OH I

HCOOH + 0 = CO, H*O

A

CH8 I I + -

HCOHH,

H-C-HO

d -+

H 9

CH, I CH, +

I COOH AH*

d-Glnkose Methylglyoxal Azetaldehyd Aldol Buttera%nre

Einfach geschrieben sieht diese Reaktion aus wie folgt : C6Hl,06 + 0, = C4H80, + 2C0, + 2 Q O

und die des Palmitinsaureaufbaues : 4 C6HI2O6 + 0, = C,,H,,O, + 8 CO, + 8 H,O .

A. a. 0. S. 589.

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272 GEORG VON WEKDT:

Verlauft die Pettsynthese in Gbereinstimmung init dieser Hypthese wiirden 1000 g Glukose 354 g Fett liefern. In 1000 g Glukose haben ivir 3692 Kalorien. In 354 g Fett 3363. Der Abfall ist also 173 Kalorien. Kiinnen diese Ahfallskalorien eine Aufgabe im Warmehaushalt des Tieres erfiillen, d. h. Glukose ersetzen, ist ein Ansatz ron weiter

= 17-5 g Fett theoretischl noch moglich. also zusammen 372 g. Dieses setzt aber voraus, daB die Resorption verlustlos vor sich ginge, was jedoch nicht der Fall ist. Schneidewind hat, wie an- gegeben, von 1000 g; Starke einen Fettansatz von 355 g konstatiert beim Mastschwein - eiii Resultat, welches der theoretischen Zahl sehr nahe komm t.

Die Aldehyde und Ketone verhalten sich bei der Oxydation recht verschieden. Die Fruktose ist eine Ketose. Die wahrscheinlichsten Angriffspunkte des Abbaues sind in Reihenfolge der Linien cler nach- stehenden Konstitutionsformel angegeben.

173-7.95 9-45

CQOH I

C-0 I

OH-C-H I

d-Fr ukiose

Der Ketoteil wird offenbar sehr leicht abgebaut und als Unterlage fur Aldolbildung kommt wahrscheinlich nur die andere Hiilfte (der init Hammer versehene Ted) des Fruktosemolekiils in Frage. Es sind also fur die Aldolbildung immer 2 Molekiile Fruktose notig. Statt 4 GAtome der Glukose kommen nur 2 C-Atome der Fruktose zur Verwendung bei der Fettsynthese. Es entsteht daher doppelt soviel Kohlensaure als Abfall bei der Fettsynthese aus Fruktose. In Joha,nssons Versuche war die Steigerung der Kohlensaureausscheidung bei Fruktose auch genau doppelt groSer als bei Glukose. Vom Rohrzuckermolekiil kann also anscheinend nur 3/4 - der ganze Glukosenteil und die Halfte von der Fruktose - zur Fettbildung beitragen. Von 1O00g Rohrzucker

Die Rechnung fur Stiirke gibt einen etwas hiiheren Wert, vorausgesetzt,, dsB in derselben keine Glukose der Verbrennung entzogen wird.

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THEORIE DES NXHRWERTES VON STARKE u. HOHRZUCKER. 273

konnen daher hochstens 265.5 g Fett gebildet werden. Wenn der fiir dic Fettsynthese unbenutzte Ketoteil der Fruktose vollstandig zu Kohlen- saure und Wasser abgebaut aird, wurde eine ganz betrachtliche Warme- . produktion zustandekommen. Der Warmeabfall wiire fur 1000 g Rohr- zucker dann nahe tausend Kalorien. Die Untersuchungen von Graham Lusk zeigen nber, daB die Warmeproduktion, wenn aoch recht be- deutend hoher als nach Uarreichung von Glukose, doch nicht eine solche Hohc erreicht. Xehmen wir an, daS die Wiirmeproduktion etwa der voll- standigen Oxydation der Halfte des Ketoteils entsprache und daS dicsr Warmc im Warmehaushalt des Tieres Verwendung finden konnte, warc also der griiBte Fcttansatz, der 1000 g Rohrzucker ergeben konnte, ctwa 265.5 + ___ ;= 315.5 g. Die Versuche von Schneidewind an Mastschweinen ergaben als Mittel 281g fur 1OOOg Rohrzucker. In Yrozent vom Fettansatz durch Stiirke werden von Rohrzucker beim Mast- ochsen 76 Proz. und beim Mastschwein 79 Proz. thesauriert, also Zahlen, welch e mi t den t h e o r e t is c h en Vo r au s s e t zu ng e n g u t ii b erei n- s t imm en.

Die Untersuchungen von Johanssonl , in denen der Korper nach groBeren Glykogenverbrauch eine bedeutende Menge Monosaccharid auf- nehmen konnte, ohne daS die Kohlensaureabgabe darnach vermehrt wurde, lieBen einen deutlichen Unterschied zwischen der Glukose und der Fruktose zum Vorschein kommen. Kur in einem Fdle wurde nach vorhergehender Arbeit die Kohlensaureabgabe nieht durch Fruktoseeinnahme gesteigert. In allen ubrigen konnte man eine deutliche, wenn auch nicht groSe Steigerung wahrnehmen, obgleich die Yersuche so angelegt wurden, daS die Glykogenarmut bei der Fruktosedarreichung immer am groBten war.

Fur den Glykogenaufbau ist also die Fruktose nicht ganz eben- burtig mit der Glukose. Moglicherweise spielt auch hier die leichtere Zersetzbarkeit der Ketose eine Rolle. Der Unterschied zwischen Glukose und Fruktose ist aber sehr gering und jedenfalls gar nicht so grot3 wie bei der Thesaurierung. Machen sich bei der Milchzuckerbildung die- selben Umstande geltend wie bei der Glykogenbildung, ist es somit nicht ausgeschlossen, daB der Rohrzucker ohne den Wert der Stiirlte zu erreichen, doch einen Wert sehr nahe der Starke haben kann. DaB der Wert nicht ganz so hoch ist, bestatigen auch die besprochenen Er, fa,hrungen in Schweden, Danemark und Norwegen.

950 2X9.45

--- 1 Dies Archiv, a. a. 0.

Skaudln. Arch{?. X&m. 18

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271 GEORG VON WENDT: NAHRWERT VON STARKE u. ROHRZUCKER,

Sind die Beobachtungen von Hansson richtig und hat der Rohr- zucker tatsachlich einen 10 Proz. hoheren Wert als die Starke in1 Kraft- stoffwechsel, so ist nur eine Erlrlarung moglich, namlich die, daGI der arbeitende Muskel einen grooeren Teil der Energie der Fruktose als der der Glukose in mechanische Arbeit umwandeln kann.

Wir wissen, daS der Muskel nicht imnier dieselbe Menge Energic der Nahrstoffe in mechanische Arbeit umwandelt. ?ie neuesten Unter- suchungenl haben gezeigt, daB die Energie der R’ahrstoffe bei der Muskel- arbeit wahrscheinlich mit der Reversion der Prozesse des arbeitenden Musltels in Zusammenhang stehen, welche die Milchsaurebildung als die Endphase haben. Die Milchsaurebildung hat, wie unter anderem die schonen Untersuchungen von Hill zeigen, nichts mit dem Abbau der Nahrstoffe zu tun, sondern ist sozusagen eiii Teil des Motors des Muskels. Der le ich te Abbau der F ruk tose a l s Ketose kann sehr wohl die Moglichkeit gewahren, daS ein groaerer Teil der Energie aus der F ruk tose i n mechanische Arbei t verwandel t werden kann a19 aus der Glukose. Geeignet ausgefuhrte ver- gleichende Versuche mit reiner Fruktose und Glukose konnten wahrschein- lich genau den Wertunterschied ergeben und vielleicht zugleich die Resultate von Hansson bestatigen.

Vergleiohe Ergebnisse der Phyhol. Hill, Jahrg. XV. S. 340 u. Fiirst, Jahrg. XVII. 8.363.

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