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Universität Luzern 12.10.2007 Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Hans Jurt Soziologisches Seminar Museggstrasse 20 Sichtbarkeit von Religion CH-6004 Luzern Christine Matter, Felix Keller [email protected] Sommersemester 2007 0041 79 776 70 55 Abb. 1: Eine Frau beim Bildschnitzer. Erhard Schön 1533 AUREOLA UND DER HL. APOLLINARIS EIN PRIVATER BILDERSTURM LUZERN 1522

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Universität Luzern 12.10.2007 Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Hans Jurt Soziologisches Seminar Museggstrasse 20 Sichtbarkeit von Religion CH-6004 Luzern Christine Matter, Felix Keller [email protected] Sommersemester 2007 0041 79 776 70 55

Abb. 1: Eine Frau beim Bildschnitzer. Erhard Schön 1533

AUREOLA UND DER HL. APOLLINARIS

EIN PRIVATER BILDERSTURM

LUZERN 1522

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Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm

AUREOLA UND DER HL. APOLLINARIS: EIN PRIVATER BILDERSTURM ....................1

1 DIE BERÜHMTE FRAU GÖLDLI................................................................................1

2 EIN BRIEF AN ZWINGLI ............................................................................................2

2.1 Der Absender............................................................................................................ 3

2.2 Die Stifterin ............................................................................................................... 6

2.3 Der Heilige ................................................................................................................ 7

3 FRÖMMIGKEITSFORMEN.........................................................................................9

3.1 Ein neues Kloster ..................................................................................................... 9

3.2 Wunder und Wallfahrten......................................................................................... 11

3.3 Bildbetrachtung in Venedig .................................................................................... 12

3.4 Schaufrömmigkeit ................................................................................................... 14

3.5 Die Bildschnitzer ..................................................................................................... 17

3.6 Die Luzerner Heiligen ............................................................................................. 18

4 DIE GEWISSENSBISSE DER AUREOLA................................................................20

4.1 Die Bilderstürmerin ................................................................................................. 21

4.2 Die Abtuhung .......................................................................................................... 22

4.3 Die Predigt .............................................................................................................. 25

5 ZWINGLIS ANTWORT .............................................................................................27

6 JÖGLI, NUN BUCK DICH, DU MUOST IN DEN OFFEN! ........................................29

7 ANHANG ..................................................................................................................31

7.1 Oswald Myconius an Zwingli (19. Dezember 1522) .............................................. 31

8 LITERATUR..............................................................................................................32

8.1 Primärliteratur ......................................................................................................... 32

8.2 Darstellungen.......................................................................................................... 32

8.3 Abbildungsverzeichnis............................................................................................ 36

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Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm

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AUREOLA UND DER HL. APOLLINARIS: EIN PRIVATER BILDERSTURM

1 DIE BERÜHMTE FRAU GÖLDLI

In einer Übersichtsdarstellung zum Phänomen Bildersturm von Sergiusz Michalski bin

ich unverhofft auf eine Bilderstürmerin aus Luzern gestossen. Im Zusammenhang mit

der Aussage, dass die Bilderstürmer oft die früheren Bilderstifter gewesen seien, er-

wähnt Michalski die berühmte Frau Göldli, die 1522 in Luzern, durch reformatorische

Gewissensbisse gepeinigt, die von ihr einige Jahre früher gestiftete Statue des hl. Apol-

linaris zerstörte.1 So berühmt scheint die Frau Göldli zu sein, dass Michalski, der sonst

alles in seinem Aufsatz ausführlich belegt, es nicht für nötig hält, die Herkunft seiner

Aussage anzumerken. Warum ist diese Frau Göldli so berühmt und bei wem? Bei den

Reformationsforschern oder nur bei den Spezialisten des Ikonoklasmus? Wie berühmt

ist sie in Luzern selber?

In der immer noch aktuellen Luzerner Geschichte zum 16. und 17. Jahrhundert von Se-

bastian Grüter2 wird Frau Göldli mit keinem Wort erwähnt. In Buch „Das alte Luzern“,

verfasst vom damaligen Staatsarchivar Liebenau, findet Frau Göldli mit einer falschen

Jahresangabe eine Erwähnung im Zusammenhang mit dem Beginenkloster im Bruch.

Dorothea Göldlin habe 1524 das den Beginen geschenkte Bild des hl. Apolinaris aus

der Kapelle nehmen und verbrennen lassen. Liebenau versieht diese Angabe mit dem

etwas süffisant wirkenden Zusatz: also ein kleiner Bildersturm im frommen Luzern!3

Auch Kasimir Pfyffer erwähnt den Vorfall in seiner Luzerner Geschichte von 1850. Bei

ihm heisst die Stifterin Dorothe Seiler, die das Bild des heiligen Apolinaris verfertigen

und im Frauenkloster im Bruch zu Luzern aufhängen liess. Wegen der Verehrung die-

ses Bildes seien den Klosterfrauen Lebensmittel zugebracht worden. Die Göldli fühlte

sich darüber in ihrem Gewissen beunruhigt, und habe das Bild deswegen wieder weg-

nehmen und verbrennen lassen.4 Wie Liebenau gibt auch Pfyffer seine Quellen nicht

bekannt. In der Geschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern von Willy

Brändly finden sich schliesslich die gewünschten Quellenhinweise. Brändly hat dem

Ereignis ein eigenes Kapitel gewidmet: Der verbrannte heilige Apollinaris.5 Die Ge-

schichte um Frau Göldli ist laut Brändly in keiner Akte überliefert, sondern ist dem

1 Michalski 1990, S. 122. 2 Grüter 1945. 3 Liebenau 1881, S. 28. 4 Pfyffer 1850, S.250. 5 Brändly 1956, S. 45f.

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Briefwechsel zwischen Myconius und Zwingli vom Dezember 1522 zu entnehmen. Der

Luzerner Schulmeister Myconius bat seinen Freund Zwingli in der Angelegenheit

Göldli um Rat. Zwingli beantwortete den Brief umgehend.

Dass die Frau Göldli in der Gelehrtenwelt so berühmt wurde, ist nun allerdings nicht

der Luzerner Geschichtsschreibung zu verdanken, sondern dem amerikanischen Refor-

mationsforscher Charles Garside. Garside’s Buch „Zwingli and the arts“6 aus dem Jahr

1966 scheint unter den Ikonoklasmusforschern breit aufgenommen und wichtig zu sein.

Wo der Fall Göldli erwähnt ist, wird meistens auf das Buch von Garside hingewiesen.

Diese häufige Erwähnung wird Michalski bewogen haben, die Frau Göldli als berühmt

zu bezeichnen.7 Dass das Buch von Garside in keiner Luzerner Bibliothek zu finden ist,

hat wohl weniger mit dessen Bedeutung, sondern mit der hiesigen Ausrichtung auf eher

katholische Themen zu tun.

In dieser Arbeit soll versucht werden, ausgehend vom Fall Göldli, das Frömmigkeits-

verhalten und die Bildverehrung am Ende des Mittelalters zu betrachten. Gleichzeitig

soll ein Blick auf den reformatorischen Bildersturm geworfen werden. Das Hauptau-

genmerk soll dabei auf den Luzerner Verhältnissen liegen. Die in den Text eingefügten

Bilder sind meistens zeitgenössischen Ursprungs und dienen als Illustrationen.

2 EIN BRIEF AN ZWINGLI

Am 19. Dezember 1522 schreibt Oswald Myconius einen Brief an seinen vorzüglichen

Freund (amico primo) Ulrich Zwingli.8 Zuerst schildert er den Sachverhalt: Aureola sei

vor einiger Zeit erkrankt und habe versprochen, eine Statue zu stiften, wenn sie wieder

gesund werde. Nach überstandener Krankheit liess sie eine Statue des heiligen Apolli-

naris anfertigen und stellte sie in der Kapelle der Beginen von Luzern auf. Nach eini-

ger Zeit hatte sich die Einstellung der Aureola zur Heiligenverehrung offenbar massiv

verändert. Sie wurde von Gewissensbissen geplagt, umso mehr als die Heiligenstatue

für gewisse Leute zum Anlass genommen wurde, den Klosterfrauen Hühnchen zu brin-

gen. So holte Aureola die Figur kurzerhand aus der Kapelle und verbrannte sie. Die Tat

wurde bemerkt und Aureola hatte vor dem Rat der Stadt Luzern zu erscheinen. Sie habe

6 Garside 1966. Zu Göldli siehe das Kapitel „The problem of iconoclasme“. S. 98-103. 7 Eine Auswahl der Erwähnung des Falles Göldli ist hier eher zufällig und unvollständig. Im Sammel-band Bilder und Bildersturm von 1990 wird Göldli dreimal erwähnt: Michalski 1990, S. 122, Jezler 1990, S. 149 und Aston 1990, S. 193. Jezler komm ein weiters mal 1991 darauf zu sprechen (Jezler 1991, S. 91f). Schnitzler erwähnt Göldli auf Seite 193 (Schnitzler 1996). Im Grossen Ausstellungskatalog zum Thema Bildersturm vom 2000 wird der Frau Göldli eine eigene Seite gewidmet Reichen 2000. 8 Zwingli et al. 1911 Band 7, Brief 261, S. 640-41.

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Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm

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gegen den Glauben, gegen die katholische Kirche, gegen das Evangelium Christi und

gegen alles Heilige und Profane verstossen9 und wurde deshalb zu einer Busse von

vierzig Goldstücken verurteilt. Dazu musste sie eine Beichtbescheinigung der Tat vor-

weisen und die Statue wieder ersetzen. Die Geldbusse und das Gespräch mit dem Pries-

ter schienen der Aureola nicht viel auszumachen. Was ihre Gewissensbisse jedoch ver-

doppelte, war der Umstand, dass sie das Heiligenbild ersetzen musste. Aureola ging

deshalb Myconius um Rat an. Für beide schien klar zu sein, dass es sich beim Heiligen-

bild um nichts als um eine Götze handle,10 deren Verehrung den Geboten Gottes wider-

spreche. Da sie nicht weiter wussten, fragte Myconius nun Zwingli um Rat: wie sollte

Aureola sich verhalten? Wem ist mehr zu gehorchen: Gott oder den Menschen? Unter-

zeichnet ist der Brief mit: Myconius tuus, Dein Myconius.

2.1 Der Absender

Am Schluss des Briefes erfahren wir, dass Myconius Luzern schon bald verlassen wer-

de. Er warte nur noch auf seine Auszahlung durch die Chorherren. In welcher Stellung

Myconius in Luzern tätig war, können wir dem Antwortbrief von Zwingli entnehmen.

Der Brief vom 22. Dezember ist adressiert An

meister Osuladen, schülmeister zuo Lucern.11 Es

war der letzte Brief, den Zwingli nach Luzern ge-

schickt hatte. Die meisten seiner Luzerner Freunde

werden die Stadt Luzern zum Teil freiwillig und

zum Teil gezwungenermassen verlassen. Wer war

dieser Myconius, der so vertraut mit Zwingli kor-

respondierte? Er scheint weder in der Luzerner

noch in der Schweizer Geschichtsschreibung gros-

se Spuren hinterlassen zu haben. Seine Schriften

und Briefe sind nur zu einem kleinen Teil editiert.

Der Versuch, ihn als Luzerner Reformator zu etab-

lieren, scheint nicht richtig geglückt zu sein. In

Luzern ist immerhin das reformierte Kirchenge-

meindehaus nach ihm benannt und im Eingangs-

9 Der Wortlaut des Briefes ist in meiner deutschen Übersetzung im Anhang nachzulesen. 10 …idolum enim est, praeterea nihil Zwingli et al. 1911, S.641. 11 Zwingli et al. 1911, Brief 263, S. 646.

Abb. 2: Myconius. 17. Jahrhundert

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Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm

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bereich der evangelisch-reformierten Matthäuskirche in Luzern ist eine Gedenktafel

angebracht.12

Schon zu seinen Lebzeiten wurde Myconius von der Luzerner Öffentlichkeit weitge-

hend totgeschwiegen. Laut Brändly sind zu Myconius nicht die geringsten Hinweise in

Luzerner Ratsprotokollen zu finden.13 Dabei hat Myconius wie kaum ein anderer Lu-

zerner seiner Zeit bis heute greifbare Spuren hinterlassen. Publiziert scheint Myconius

nicht viel zu haben. Doch hat er immerhin als erster eine Zwingli-Biographie verfasst.14

Viel beachtet ist auch sein Kommentar zu Glareans Beschreibung Helvetiens.15 Mehr

als wegen den wenigen Veröffentlichungen ist

Myconius durch seine Briefe bekannt. Er

pflegte ein grosses Korrespondentennetz mit

anderen Humanisten und Reformatoren.16 Mit

Zwingli korrespondierte Myconius sicher

schon seit seiner ersten Schulmeisterzeit in Zü-

rich. Im Oktober 1518 schrieb Myconius an

Zwingli nach Einsiedeln, dass in Zürich die

Stelle des Leutpriesters am Grossmünster va-

kant sei und bat ihn, sich darum zu bewerben.

Myconius scheint sich im Hintergrund für

Zwingli stark gemacht zu haben und informier-

te ihn über das, was ihm seine Kritiker vorwar-

fen.17 Zwingli wurde anfangs 1519 in Zürich

angestellt. Insofern kann man sagen, dass die Rolle Myconius für die Reformation in

der Schweiz nicht zu unterschätzen ist. Ihm ist ein wesentlicher Anteil anzurechnen,

dass Zwingli überhaupt nach Zürich kam und die entsprechende Umgebung für seine

Ideen fand. Myconius selber blieb nach der Ankunft Zwinglis nur noch kurze Zeit in 12 Der reformierte Pfarrer von Luzern, David A. Weiss, erklärte mir auf eine entsprechende Anfrage, dass kaum jemand weiss, weshalb unser Kirchgemeindehaus und seit kurzem auch der Pfarrkreis diesen Namen tragen. Mail vom 16.08.2007. Ich danke Herrn Weiss für den Hinweis auf einen Artikel von sei-nem Vorgänger Peer Jäggi. Der Aufsatz Myconius - Luzerner Humanist und Reformator war zum zehn-jährigen Bestehen des Myconiushauses erschienen. 13 Brändly 1945. S. 170. 14 Die Zwingli Biographie, auch bekannte unter dem Namen „De vita e obitu Zwinglii“ wurde erstmals 1536 gedruckt. Eine Neuausgabe mit Übersetzung erschien 1979. Myconius, Rüsch 1979. Vgl. auch Rüsch 1980, besonders S. 238-250. 15 Glarean, Myconius 1983. 16 Offenbar sind noch lang nicht alle Briefe Myconius editiert. Fabian erwähnt alleine mehr als 1600 Briefe, die Myconius als Antistes von Basel an seine Mitarbeiter gesandt hat. Fabian 1992. 17 Briefe 44- 48. Zwingli et al. 1911. S.101-113. Vgl. auch Garside 1966. S 16f.

Abb. 3: Myconius. Ad Sacerdotes. 1523

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Zürich. Im November 1519 zog er mit seiner Familie nach Luzern, wo ihm die Stelle

als Lateinlehrer an der Stiftschule angeboten worden war.18

So kehrte Myconius in seine Heimatstadt zurück. Hier in Luzern war er 1488 als Os-

wald Geisshüsler geboren worden. Seit seiner Studentenzeit in Rottweil und Bern nann-

te er sich Molitoris, was darauf hinweist, dass sein Vater Müller gewesen war. Ab 1510

war er an der Universität in Basel eingeschrieben. Seit 1514 war er als Lateinlehrer tä-

tig. In Basel lernte er zwei bedeutende Persönlichkeiten kennen: den Humanist Erasmus

von Rotterdam und den Maler Hans Holbein den Jüngeren. Erasmus war nicht nur

durch seine Schriften prägend für Oswald Müller, von ihm soll er auch seinen neuen

Namen „Myconius“ erhalten haben.19 Holbein soll für Myconius das Reklameschild für

seine Schule gestaltet haben.20

Abb. 4: Aushängeschild eines Schulmeisters. Basel 1516

Holbein scheint mit Myconius gut befreundet gewesen zu sein. Bemerkenswert ist, dass

er dessen Exemplar des Erasmus-Werkes „Lob der Torheit“ mit Randzeichnungen ver-

sehen hatte. Das Buch, das bis heute erhalten ist, enthält auch handschriftliche Rand-

bemerkungen von Myconius.21 Vor allem wegen der Zeichnungen Holbeins ist es von

unschätzbar kulturhistorischer Bedeutung. Nach sechs Jahren Aufenthalt in Basel wur-

de Myconius als Lehrer an die Lateinschule am Grossmünster in Zürich berufen, wo er 18 Zum Leben von Myconius ist kein neueres Werk vorhanden. Ich beziehe mich im folgend vor allem auf Brändly’s Geschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern von 1956 sowie auf die Aufsätze von Fa-bian. Fabian 1992 und von Peer Jäggi. Jäggi 10.06.1989. Eine eigentliche Myconius Biographie stammt aus dem 19. Jahrhundert. Hagenbach 1859. 19 Es gibt zwei Erklärungsversuche für Myconius. Entweder wird er vom griechischen Wort für meckern hergeleitet, was auf Geisshüsler zeigt oder von der Insel Mykonos, deren Bewohner als kahlköpfig gal-ten. Vgl. Brändly 1945 S. 169f. 20 Das Reklameschild wurde 1516 von Ambrosius und Hans Holbein gemalt und befindet sich heute im Kunstmuseum Basel. Brändly bezweifelt, ob das Bild wirklich für Myconius gemalt wurde. Brändly 1955. 21 Das Werk ist im Original erhalten und als Faksimileausgabe greifbar. Laut Rüsch sind die Randbemer-kungen Myconius meist philologischer Art, da Myconius das Buch wohl auch für seinen Lateinunterricht verwendet hat. Das Geburtsjahr von Myconius ist einzig durch eine Randnotiz bekannt. Rüsch 1980. S. 253. Vgl. auch Rüsch 1983.

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bis 1519 blieb. Wohl auf Anraten seines Luzerner Freundes Xilotectus22 nahm er darauf

die Schulmeister-Stelle an der Stiftschule in Luzern an. Myconius eckte mit seiner e-

vangelischen Haltung schon bald an. Er wurde als Lutheraner bezeichnet und fühlte

sich immer weniger wohl in Luzern. Zum Zeitpunkt, als er den Brief bezüglich der Au-

reola an Zwingli schrieb, war ihm bereits gekündigt worden. Ende 1522 verliess er Lu-

zern und kehrte nach einer kurzen Tätigkeit an der Klosterschule in Einsiedeln 1523 als

Lehrer nach Zürich zurück. Dort blieb er bis zum Tode Zwinglis. 1532 wurde Myconi-

us in Basel als Oekolampads Nachfolger zum Antistes (Vorsteher der Basler Kirche)

gewählt. In Basel blieb er bis zu seinem Tode im Jahre 1552.

2.2 Die Stifterin

Wo und wann Myconius die Bilderstifterin/Bilderschänderin Aureola kennen gelernt

hat, geht aus dem Brief nicht hervor. Wer war überhaupt diese Aureola? Offensichtlich

ist eine Aureola nirgends nachweisbar. Emil Egli, der Herausgeber der Zwinglibriefe,

schreibt in einer Fussnote zum Brief: Man hat an die zweite Frau Junker Renwart

Göldlis, des Ritters und Reisläufer von Zürich, gedacht.23 Tatsächlich wird im Brief

von Myconius erwähnt, dass Aureola beim Besuch ihres Mannes in Zürich erkrankt sei

und darum eine Statue gestiftet habe.24 Meistens wird der bereits von Kasimir Pfyffer

gemachten Vermutung zugestimmt, dass es sich bei der Aureola um Dorothea Seiler,

der Tochter von Schultheiss Ludwig Seiler handelt, die mit dem Renward Gödli verhei-

ratet war. Dass der Name nicht mit dem Namen im Brief übereinstimmt, muss in die-

sem Kontext nicht von Bedeutung sein. Es kann durchaus möglich sein, dass Myconius

den Namen der Frau anonymisierte und Aureola als eine latinisierte Form von Göldli

wählte.25 Ein weiterer Hinweis auf Frau Göldli ist im Luzerner Ratsbuch zu finden. Un-

ter dem Datum vom 19. September 1520 ist eine Vergabung von Renwarten Göldlis

husfrowen an die Schwestern im Bruch erwähnt. Wenn auch heute nicht mit Bestimmt-

heit gesagt werden kann, wer diese Aureola war - ihre Tat und die Bestrafung ist offen-

22 Xilotectus, alias Johannes Zimmermann, stammte wie Myconius aus Luzern und war ebenfalls Huma-nist und Lateinlehrer. Als Chorherr heiratete er 1522 heimlich Margarte Feer. Wegen seiner reformatori-schen Gesinnung musste er Luzern 1526 verlassen. Er zog nach Basel, wo er 1526 an der Pest starb. Von Xilotectus ist ein Portrait von Hans Holbein erhalten geblieben, das ihn als Harfenspieler zeigt (Germani-sches Nationalmuseum Nürnberg), vgl. Brändly 1956. 23 Zwingli et al. 1911, S. 640. Fn. 1. 24 Das veranlasst wohl Fritz Glauser, die Aureola in seiner Abhandlung über die Beginen in Luzern, als Zürcherin zu bezeichnen. Glauser 1995. 25 Lat: aurum = Gold, aureus = golden, aureolus = schön golden (demin. von aureus): Langenscheid La-teinisch-deutsch. München 1982. Aureola, Aureole wird auch als Bezeichnung für den Heiligenschein verwendet.

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bar nirgends verzeichnet-, so darf doch mit einiger Gewissheit angenommen werden,

dass Aureola eher aus der Oberschicht stammte. Das ist nur schon daraus zu entneh-

men, dass ihr das Zahlen einer Busse von vierzig Gulden keine Mühe machte; man

muss bedenken, dass zu dieser Zeit ein Handwerker im Jahr kaum 200 Gulden verdien-

te. Auch das Erstellen einer Statue konnten sich nur begüterte Personen oder Körper-

schaften leisten.26 Im Brief selber kommt auch eine Abgrenzung gegen die vulgi indoc-

ti,27 dem ungebildeten Pöbel, zum Ausdruck. Der Umstand, dass einfache Leute Hühner

sozusagen als Opfer für den heiligen Apollinaris ins Kloster brachten, war ja eine Ursa-

che für ihre Gewissensbisse.

2.3 Der Heilige

Warum die Statue des Heiligen Apollinaris zu

einem Gegenstand der Verehrung wurde,

kann aus dem Brief nicht entnommen werden.

Wurde sie verehrt, weil sie wundertätig war?

War vielleicht sogar die Aureola selber die

Ursache, wurde sie doch durch die Stiftung

der Statue von ihrer Krankheit geheilt? Hatte

sich die Klosterkapelle St. Anna im Bruch

wegen der Statue zu einem kleinen Wall-

fahrtsort entwickelt? Cysat erwähnt, dass die

Kapelle 1515 erweitert wurde, weil viel wun-

derwerk geschah.28 Tatsächlich sind Ende des

15. und Anfang des 16. Jahrhunderts die Zahl

der kleinen Wallfahrtsorte sprunghaft ange-

stiegen.29 Abrechnungen aus jener Zeit bele-

gen, dass es anlässlich solcher Wallfahrten

üblich war viva sacrificia, wie Hühner, Hähne

und sogar Kälber als Opfergaben darzubrin-

26 Vergleiche dazu Baxandall Die Kunst des Bildschnitzer. Hier besonders der Abschnitt „Kundenkreis“ im Kapitel „Der Markt“. Baxandall 1984. S. 105-112. 27 Zwingli et al. 1911. S. 640. 28 Zitiert nach Glauser 1995. S. 498. 29 Was Rapp in einer Untersuchung über das Elsass nachweist, kann auch für den Schweizerischen Raum angenommen werden. Rapp 1992.

Abb. 5: Unbekannter hl. Bischof

Fischbach/LU um 1520

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gen.30 Es ist nicht verwunderlich, dass die Schwestern vom Bruch die Wegnahme der

Statue sehr bedauerten und einen Ersatz forderten, ging es doch direkt um ihre Einkünf-

te. Ob die Statue des heiligen Apollinaris je wieder hergestellt wurde, ist nicht bekannt.

Andere erhalten gebliebene Statuen aus dem 16. Jahrhundert zeigen Apollinaris in Pon-

tifikaltracht mit Buch und Bischofstab.31 Dass Aureola gerade den Apollinaris als ihren

Stifterheiligen ausgewählt hat, dürfte aus

dessen Heiligenvita herausgelesen werden.

Die Informationen über die einzelnen Hei-

ligen konnten die mittelalterlichen Men-

schen der Legenda Aurea des Jakobus de

Voraigne, einer weit verbreiteten Schrift

mit Heiligenlegenden entnehmen. Nach

dieser Schrift war Apollinaris ein Jünger

des Apostel Petrus gewesen und von die-

sem von Rom nach Ravenna geschickt

worden.32 Dort wurde er von den Heiden

mit Keulen halb totgeschlagen, weil er den

Götzen nicht opfern wollte. Er habe gesagt,

man solle das Gold und das Silber der Göt-

zenbilder lieber den Armen geben. Später

wurde Apollinaris aus Ravenna vertrieben. Als er wieder zurückkehrte, sollte er erneut

gezwungen werden, im Tempel zu opfern. Sobald er das Götzenbild sah, verfluchte er

es, und es stürzte unverzüglich zu Boden. Trotz dieses erneuten Vergehens lebte Apol-

linaris noch einige Jahre versteckt in Ravenna, bevor er von aufgebrachten Heiden zu

Tode geschlagen wurde. Am Schluss der Legende werden noch mal alle die Wunder

des Märtyrers aufgezählt. Unter anderem habe er ein totes Mädchen wieder zum Leben

erweckt, einen Blinden wieder sehend und einen Stummen wieder sprechend gemacht.

Auch habe er ein grausames Götzenbild mitsamt seinem Tempel zerstört. Es ist anzu-

nehmen, dass Apollinaris mehr wegen seinen Krankenheilungen als wegen seiner Göt-

zenverachtung verehrt wurde.

30 Ebd., S. 135. 31 Keller 1984, S. 56f. 32 Die Angaben zu Apollinaris sind einer aktuellen deutschen Übersetzung der Legenda Aurea entnom-men. Weidinger 1986, S. 265-267.

Abb. 6: Apollinaris. Legenda Aurea um 1420

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Ob Aureola bei der Bestellung der Statue wohl geahnt hatte, dass sie den Heiligen, wel-

cher der Legende nach sich immer gegen Götzenverehrung gewehrt hatte, selber später

als Götze bezeichnen und eigenhändig zerstören würde?

3 Frömmigkeitsformen

Um sich von ihren Gewissensnöten zu befreien, hatte Aureola die von ihr gestiftete Sta-

tue aus der Kapelle der Beginen geholt und verbrannt. Welcher Art waren diese

Gewissensbisse? Warum wurde sie plötzlich von ihnen geplagt? Was ist in der kurzen

Zeit passiert, seit sie die Statue ohne Skrupel gestiftet hatte? Warum machte ihr die

Wiederherstellung dermassen Sorge?

Um das besser verstehen zu können, muss vorerst versucht werden, das

Frömmigkeitsverhalten in der vorreformatorischen Zeit zu beleuchten. Ende des 15.

Jahrhunderts kann im Raum der heutigen Schweiz, wie in Gesamteuropa ein ausseror-

dentliches Anwachsen religiöser Aktivitäten beobachtet werden. Besonders sichtbar

wird das im Bereich der Kirchenbauten und der Herstellung von Kirchenzierden wie

Bilder, Heiligenstatuen und Kultgegenständen, sowie im Ansteigen der Wallfahrts- und

der Pilgerorten. 3.1 Ein neues Kloster

In gewissen Gebieten hat in den letzten Jahrzehnten vor der Reformation eine kirchli-

che Bauwut um sich gegriffen. Peter Jezler belegt für die Zürcher Landschaft, dass zwi-

schen 1468 und 1523 jede zweite Kirche neu errichtete oder wesentlich (Chor, Schiff

oder Turm) erweitert worden ist.33 Die ganze Ostschweiz ist in einem eigentlichen Bau-

boom mit neuen Dorfkirchen überzogen worden. Alleine in Graubünden sind in dieser

Zeit 140 Neubauten entstanden. Ähnliche Beobachtungen sind im Aargau, Baselbiet

und Kanton Bern zu machen.34 In der Innerschweiz und in Luzern war es nicht an-

ders.35

33 Jetzler 2000. Hier S. 75. Jezler bezieht sich auf seine frühere Untersuchung von 1988: Der spätgoti-sche Kirchenbau in der Zürcher Landschaft. Die Geschichte eines„Baubooms“ am Ende des Mittelalters. 34 Jezler 1991, hier S. 90. 35 Zu Luzern und der Innerschweiz gibt es allerdings noch keine spezifischen Untersuchungen.

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Das Kloster St. Anna im Bruch ist gerade in dieser Zeitperiode als Beginenkloster ge-

gründet worden. Die Beginenbewegung entstand im ausgehenden 12. Jahrhundert in

Belgien und fand schon bald in ganz Europa grosse Verbreitung. Es waren alleinste-

hende Frauen und Witwen die sich in religiösen Gemeinschaften zusammenfanden. In

Luzern sind solche Schwesterngemeinschaften seit dem 13. Jahrhundert bekannt.36 Im

15. Jahrhundert scheint es in der Stadt keine einheimischen Schwestern mehr gegeben

zu haben.37 Seit 1486 bemühte sich

der Rat für das leer stehende

Schwesternhaus wieder Bewohner

zu finden. Im Jahre 1498 trafen

fünf Terziarinnen Schwestern aus

Solothurn in Luzern ein. Im

Bruchquartier wurde ihnen um

1500 das beginen hus und 1509 ei-

ne erste Kapelle gebaut.38 Das

kleine Schwesternhaus entwickelte

sich gut. Es wurde von Anfang an

von wohlhabenden Bürgern der

Stadt finanziell unterstützt. Der Ruf der Kapelle als Gnaden- und Wunderort zog viele

Menschen an, sodass die Kapelle schon nach wenigen Jahren erweitert werden musste.

Die wirtschaftliche Lage der Schwestern erlaubte es, dass sie nach der Kapellenerweite-

rung von 1515 auch ihr Haus zu einem ansehnlichen dreistöckigen Haus ausbauen

konnten. Das Kloster St. Anna im Bruch stand zum Zeitpunkt der Stiftung und der

Verbrennung des Apollinaris in bester Blüte. Ausser dem Fall Göldli und der Erwäh-

nung einiger Schenkungen ist wenig bekannt aus den Anfangsjahren des Klosters. Ab

Mitte des 16. Jahrhunderts schien ein finanzieller und disziplinarischer Zerfall einge-

setzt zu haben. Die Schwestern wurden 1576 vom Rat ausquartiert. Das Schwestern-

haus diente jetzt vorübergehend den Jesuiten als Unterkunft. 1596/97 wurde das Kloster

von der Stadt als Pestlazarett hergerichtet. Der Garten wurde zum Pestfriedhof be-

36 Allgemein zu den Beginen und Begarden in der Schweiz siehe Sommer-Ramer 1995. Darin enthalten ist ein Beitrag zu Luzern. Glauser 1995. 37 Glauser 1987, S. 10f. Glauser führt das Verschwinden der Brüder- und Schwesterngemeinschaften auf den empfindlichen Bevölkerungsrückgang in der Stadt zurück und weisst entsprechend nicht auf gesell-schaftliche Zusammenhänge hin, wie sie auch an anderen Orten zur Entleerung von Klöstern führte. 38 Die Angaben zum Kloster St. Anna im Bruch sind der Monographie von Glauser entnommen. Glauser 1987.

Abb. 7: St. Anna im Bruch . Stadtplan Luzern 1597

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stimmt. Erst 1619 waren wieder Schwestern in St. Anna im Bruch anzutreffen. Die Ge-

bäude wurden völlig neu erbaut und die Schwesterngemeinschaft oblag nun den Regeln

eines Reformordens.

3.2 Wunder und Wallfahrten

Wie in den Jahren vor der Reformation ein boomhafter Kirchenbau festzustellen war,

so kann auch ein enormes Anwachsen des Wallfahrtswesens beobachtet werden. Fran-

cis Rapp belegt diese Entwicklung für das Elsass. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts

waren dort nur fünf Wallfahrtsorte belegt, die allesamt Heiligengräber waren. Im Spät-

mittelalter war die Liste der Wallfahrtsort auf 34 angewachsen.39 Die meisten dieser

Orte wurden nicht mehr wegen Gräber oder Reliquien besucht, sondern vorwiegend

wegen bildlichen Darstellungen von heiligen Fürbittern, die sich mit Wundern hilfsbe-

reit gezeigt hatten. Diese neu entstandenen elsässischen Wallfahrtsorte befanden sich

meist ausserhalb der Stadt in kleineren ländlichen Ortschaften.

In der Innerschweiz ist eine ähnliche Entwicklung im Wallfahrtswesen zu beobachten.

Neben den drei grossen internationalen Wallfahrtenorten (Santiago, Rom und Jerusa-

lem) und dem grössten Pilgerort in der Eidgenossenschaft (Einsiedeln) entwickelten

sich immer mehr kleinere Heiligtümer.40

Von den im Spätmittelalter entstandenen neuen Wallfahrtsorten im Kanton Luzern ist

als erster die Sakramentskapelle in Ettiswil zu erwähnen. Die Kapelle wurde 1452, auf-

grund eines angeblichen Wunders, das sich nach dem Hostien-Diebstahl der Anna

Vögtlin ereignet haben soll, erbaut. Anna Vögtlin wurde als Hexe verbrannt. Ettiswil

entwickelte sich zu einem sehr beliebten Pilgerort, auch weil der Besuch des „Hexenab-

lass“ schon bald den Status einer Romfahrt erhielt und mit entsprechenden Ablässen

verbunden war.41 Einzelne Wallfahrtsorte standen untereinander in Konkurrenz. Das

wurde in den Mirakelbüchern, in denen alle Wunder und Wohltaten verzeichnet wur-

den, sichtbar. Dass in Willisau, nur ein paar Kilometer von Ettiswil entfernt, ebenfalls

ein Wallfahrtsort lanciert wurde, kann auch mit dieser Konkurrenzsituation zu tun ha-

ben. Die vielen Pilger konnten zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor werden. Die

Heiligblutkapelle von Willisau wurde 1497 erbaut. Als Grundlage der Verehrung galten

hier Kreuzpartikel aus Jerusalem und Bluttropfen Christi auf einem Willisauer Jass-

39 Rapp 1992. Hier besonders S. 129. 40 In einem Verzeichnis aus dem Jahr 1661 sind im Kanton Luzern 36 Gnadenorte aufgeführt. Wicki 1990, S. 244. 41 Zur Wallfahrt in Luzern vgl. Wicki 1990, hier und zum folgenden S. 242-260.

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tisch. Einige Jahre vorher (1480 erstmals erwähnt) war im Entlebuch eine Heiligkreuz-

kapelle, deren Grundlage ebenfalls eine Legende um Kreuzpartikel war, errichtet wor-

den. In der näheren Umgebung der Stadt Luzern entstanden in der Wende zum 16.

Jahrhundert die Pilgerorte St. Jost in Blatten

(1495) und Hergiswald bei Kriens (1504). Als

letzter grösserer Wallfahrtsort Luzerns wurde

1520 die Wallfahrtskirche in Wertenstein erbaut.

Werthenstein entwickelte sich später, neben Ein-

siedeln, zu einem der beliebtesten Pilgerorte der

Zentralschweiz. Erwähnenswert ist, dass die

„wundertätige“ hölzerne Pietà von Werthenstein

ein Erbstück aus der Reformation ist. Das

Vesperbild gelangte 1528 aus einem durch die

Berner Reformation aufgehobenen Pilgerort des

Oberaargaus nach Werthenstein.42

Für den eidgenössischen Raum blieb Einsiedeln

nach wie vor der wichtigste Pilgerort. Mindestens einmal im Leben nach Einsiedeln zu

pilgern, war für viele Gläubige erstrebenswert. Die Wallfahrt nach Einsiedeln entwi-

ckelte sich zuweilen zu einem regelrechten Massenereignis. An der zweiwöchigen Fest-

lichkeit zur „Engelsweihe“ von 1466- das Wunder der Erscheinung Jesus war 500 Jahre

zuvor vom Papst bestätigt worden- sollen laut einem zeitgenössischen Bericht an die

130'000 Pilger und 400 Priester teilgenommen haben. Eine entsprechende Zahl von

Pilgerzeichen, -münzen und –zetteln mit einem Abbild des Gnadenbildes sollen ver-

kauft worden sein.43

3.3 Bildbetrachtung in Venedig

Daneben nahm die Beliebtheit der überregionalen Pilgerziele Rom, Santiago und Jeru-

salem besonders für die reicheren Gläubigen immer mehr zu. Wenn man die Anzahl der

überlieferten Reiseberichte betrachtet, so scheint es in den Jahren zwischen 1460 und

42 Ebd. S. 246. 43 Vgl. Dupeux et al. 2000, S. 250. Es darf wohl als Zufall betrachtet werden, dass unsere Briefschreiber (und Wallfahrt-Kritiker) Myconius und Zwingli beide für eine gewisse Zeit in Einsiedeln tätig waren: Myconius als Lehrer und Zwingli als Leutpriester.

Abb. 8: Fernpilger. Hans Holbein d. J.

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1520 zu einem eigentlichen Jerusalem-Reisefieber gekommen zu sein.44 In Luzern sind

aus dieser Zeit Jerusalemfahrten dreier angesehener Bürger aus dem Patriziat überlie-

fert. 1497 machte sich Hans Schürpf zusammen mit Hans von Meggen auf den Weg

und 1519 Melchior Zur Gilgen. Solch eine Pilgerfahrt war allerdings nicht ungefähr-

lich. Hans von Meggen starb nach einem Kaperungsversuch auf der Hinfahrt in Kreta,

Zur Gilgen erlag der Pest auf der Heimreise und wurde in Zypern beerdigt.45

Hans Schürpf hat nicht nur einige Reliquien und Reiseandenken für Luzerner Kirchen

mit nach Hause genommen, sondern er hat uns einen kultur- und religionsgeschichtlich

interessanten Reisebericht hinterlassen.46 Bereits im ersten Teil der Reise, von Luzern

bis Venedig, erfahren wir einiges über die Bilder- und Reliquienverehrung eines spät-

mittelalterlichen Luzerners sowie über das Ablasswesen. Die Pilgerfahrt führte die Ge-

fährten zuerst nach Einsiedeln, wo vermutlich die ersten Ablässe geholt wurden. Quasi

beim Vorbeigehen wurde dann in Trient kurz die Reliquie des kleinen Simon, den die

Juden gemartert hand, besucht. Danach gelangten die drei Pilger (ab Schwyz war Hans

Wagner dazu gestossen) über Trevisio nach Venedig. Dort mussten sie mehr als einein-

halb Monate auf die Abfahrt des Pilgerschiffes nach Jerusalem warten. Diese Zeit

konnten sie sinnvoll nutzen, indem sie die verschiedenen Heiligtümer besuchten. Vene-

dig erwies sich als wahre Fundgrube von heilswirksamen und ablassträchtigen Objek-

ten. Schon im ersten Kloster sahen sie ein Stück vom Kreuz, den Daumen von Kaiser

Konstantin, ein Stück aus der Brust von Maria Magdalena, sowie einen Dorn aus der

Dornenkrone Christi. Am nächsten Ort wurden ihnen der Arm vom heiligen Georg und

der Kopf Jakobs gezeigt. Im dritten Kloster bestaunten sie die aussergewöhnlichen Bil-

der einer Grabesszene:

Und sind vil bilden darum. Unsry frow, Sant Johannes, und die dry Marien, Nico-demus, und Joseph von Aromathia, und endrj bild; die sind so schön gemacht, wer si siht der vermeindt sy weinendt alle umb den Heeren; Und meindt jetlicher, dass sy lebendig Sygent. Da sind ouch Engel Jm grab, sie sich rührend, das man wendt sy sigent lebent. Und wie lang sy einer ansieht, So ist doch dhein verdriessen nit da.47

Die drei kamen kaum zum Staunen heraus. Nachdem sie noch weitere Heiligtümer in

Venedig angesehen hatten, machten sie sich nach Padua auf, wo auch vil heltumb da

litt. Besonders beeindruckt waren sie in der Pfarrkirche. Da hing ein Bild von Maria

44 Vgl. Ganz-Blättler 1991. Statistik der Jerusalemtexte S. 40. 45 Sowohl Schürpf wie Zur Gilgen haben Reisebeschreibung hinterlassen Die Pilgerberichte sind zusam-men mit anderen Innerschweizer Berichten veröffentlicht. Schmid 1957. 46 Das Original des Berichtes, aufgeschrieben vom Leutpriester Peter Wächter liegt in der ZHB Luzern., erstmals editiert wurde er 1852. Ostertag 1852. 47 Ostertag 1852, S. 185.

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und dem Jesuskind, gemalt vom Evangelisten Lukas, der die Mutter Gottes persönlich

gekannt hatte. Da seytent uns die priester, wer sy andächtig ansicht, der werde von Jra

niemerme gescheyden.48 Als sie sich endlich auf der Reise Richtung Jerusalem befan-

den, unterliessen sie keine Gelegenheit, weitere Reliquien anzuschauen. So sahen sie

etwa den Schuh von Nikolaus, den Krug, in welchen Wasser zu Wein verwandelt wur-

de, einen Zahn des Christophorus oder ein Kreuz, das aus dem Fussbecken der Fusswa-

schung gegossen war. Es schien Hans Schürpf und seine Mitpilger nicht zu stören, dass

ihnen sowohl der Arm von Georg wie auch das Haupt von Jakobus ein zweites Mal ge-

zeigt wurde.

In Palästina haben die Pilger die heiligen Stätten anhand eines Pilgerbuches besucht. So

war es Hans Schürpf wohl auch möglich, alle gewonnenen Ablässe wie ein Buchhalter

getreulich festzuhalten. Auffallend ist die Tatsache, dass sich ein religiöses Verhalten

der Pilger fast ausschliesslich im Betrachten von heilsbringenden Objekten und Orte

äussert. Nur selten kommt eine innere religiöse Haltung im Gebet zum Ausdruck. Ein-

mal bei einem Sturm lagent wir vf vnsre knüw und ruffent gott an49 und vor einem An-

griff von Piraten flüchteten die Pilger unter Deck und beteten fünf Pater noster vnd

fünf Ave Maria mit zertanden Armen50 Ansonsten scheint die Reise vor allem einen

Zweck erfüllt zu haben, nämlich das Verringern der zeitlichen Strafe im Fegefeuer

durch das Sammeln möglichst vieler Ablässe.

3.4 Schaufrömmigkeit

Wie Heiligenverehrung im Mittelalter funktioniert hatte, zeigt das Beispiel der Luzer-

ner Pilger anschaulich. Allein das andächtige Anschauen des angeblich von Lukas ge-

malten Marienbildes in Padua genügte, damit man immer mit der Mutter Gottes ver-

bunden blieb. Anschauen war nicht ein einseitiger Akt vom Betrachter zum Bild. Das

Bild selber wirkte umgekehrt auf den Betrachter. Wie Guy Marchal ausführt, entspricht

das durchaus den Optiktheorien des Mittelalters, die von einer physischen Verbindung

zwischen dem Betrachter und dem betrachteten Objekt ausgehen. Zwischen den beiden

fliesse eine Energie, ein „Sehpneuma“. Sehen erschien als eine besondere sinnliche

Handlung, als ob sich Betrachter und Betrachtetes gegenseitig berührten.51 Mit Schau-

en konnte die Grenze zwischen Erde und Himmel überschritten werden. Der Blick war

48 Ebd. S. 187. 49 Ebd. S. 189. 50 Ebd. S. 195. 51 Marchal 1993, S.263f., Schnitzler 2002, S. 222.

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Ausdruck und Medium der Versenkung des Beters. Die Beter schauten das Bild an und

hofften dadurch in die Welt der Himmlischen entrückt zu werden52 Das gegenseitige

Wirken der Bilder und der Beter kommt nicht nur bei der Reliquien- und Heiligenver-

ehrung zum Ausdruck, sondern auch in einigen sakramentalen Praktiken. Bob Scribner

spricht vom sakramentalen Schauen und erwähnt in diesem Zusammenhang besonders

die Hostien-, Christopherus- und Kreuzverehrung.53 Die Hostienverehrung nimmt einen

zentralen Platz in der spätmittelalterlichen Schaufrömmigkeit ein. Die Elevation, die

Erhebung der Hostie während der Wandlung wurde zum wichtigsten Ereignis bei der

Messliturgie.54 Der Moment, in dem der Priester die konsekrierte Hostie erhob, wurde

zu einem feierlichen, fast magischen Erlebnis gestaltet. Fast alle Sinne wurden an-

gesprochen. Kerzen wurden auf dem Altar angezündet, das Chorgitter geöffnet, die

Gläubigen knieten nieder, Glocken wurden geläutet und Weihrauch angezündet. Die

Elevation wurde zu einem nahezu totalen sinnlichen Erlebnis.55 Das Schauen der Hostie

kam so einer sakramentalen Handlung gleich und war auch gleichzeitig der einzige

Moment, bei dem der Gläubige in die Liturgie einbezogen war. So kamen viele der 52 Vgl. dazu den Aufsatz von Thomas Lentes: Inneres Auge, äußerer Blick und heilige Schau. Lentes 2002, hier S. 207f. 53 Scribner gilt als einer der wichtigen Autoren der Reformations- und der Frömmigkeitgeschichte zu Beginn der frühen Neuzeit. Hier besonders zu erwähnen sind der Aufsatz Vom Sakralbild zur sinnlichen Schau, Scribner 1992 und Das Visuelle in der Volksfömmigkeit, Scribner 1990. 54 Scribner 1990, S 13f. 55 Ebd. S.14.

Abb. 9: Messfeier in Bern. Urs Graf. 1509

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Laien nur zur Messe, um diesem Moment beizuwohnen und verliessen die Kirche

gleich danach. Eine ähnlich zentrale Rolle wie die Hostienverehrung kam der Vereh-

rung des Kruzifixes zu. Das Kreuz, vielfach mit der Darstellung der trauernden Maria

und Johannes auf der Seite, hatte einen zentralen Platz in der Kirche. Vor diesem Hin-

tergrund wurde die Elevation durchgeführt. Das Kreuzzeichen wurde durch die ausge-

streckten Arme des Priesters und durch das Kreuzgeschmückte Messgewand verstärkt.

Dem Kreuz kam auch im Totenkult eine starke Bedeutung zu. Bei der Verleihung des

Sterbesakraments wurde dem Sterbenden ein Kreuz

hingehalten, gleichsam in einem magischen Beschwö-

rungsritual. Eine andere magisch-religiöse Praktik der

Schaufrömmigkeit kam in der Christopherusverehrung

zum Ausdruck. Ein Blick auf dessen Bild sicherte dem

Schauenden Schutz vor einem plötzlichen Tode oder

garantierte einen Tod versehen mit den Sterbesakra-

menten.56 Die Christopherus-Bilder wurden wohl gera-

de deshalb an den Kirchenfassaden angebracht, damit

jedermann täglich die Möglichkeit hatte, nur schon

beim Vorbeigehen sich eines christlichen Todes zu

versichern. In Luzern beispielsweise ist bis heute die

älteste Kirche, die St. Peterskapelle, mit einem Chris-

topherusbild geschmückt. Bei der Franziskanerkirche

ist ein Fragment einer Christopherusdarstellung an

der Fassade freigelegt worden.

Die Heiligenverehrung, im Sinne eines Bildkultes,

war weniger in den sakramentalen Gebrauch eingebettet. Bilder gehören laut Scribner

in einen Schattenbereich zwischen offiziell approbierter Frömmigkeit und inoffizieller,

volksfrommer Praxis.57 Verehrung von Heiligen sei immer mit einer bildlichen Darstel-

lung des Heiligen verbunden gewesen, da Beten im Allgemeinen als eine bildhafte, ja

sinnliche Handlung aufgefasst worden sei.58 Die Kritik am Bildkult war somit auch eine

Kritik an der Rolle der Sinnlichkeit. Eine Kritik an der überbordenden Bilderverehrung

ist nicht erst von den Reformatoren formuliert worden, sondern kam bereits vorher aus

56 Lentes 2002, S. 209. 57 Scribner 1990, S. 17. 58 Ebd. S. 15.

Abb. 10: Marienverehrung.

Hans Holbein d. J.

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humanistischen Kreisen, von Erasmus von Rotterdam, Sebastian Brandt, Johannes Gei-

ler, Thomas Murner und anderen.59 Stellvertretend für diese vorreformatorische Bilder-

kritik sei hier auf Erasmus hingewiesen, auch deshalb, weil seine spöttischen Bemer-

kungen gegen Bilderkult im Lob der Torheit in der Ausgabe von Myconius durch Hans

Holbein so trefflich veranschaulicht wurden. Erasmus schrieb, es sei zwar beruhigend,

wenn ein geschnitztes oder gemaltes Bild des Christopherus vor plötzlichem Tode

schütze oder wenn ein Gebet zur heiligen Barbara vor einem Tod auf dem Schlachtfeld

bewahre. Dieser Glaube sei jedoch ebenso töricht, wie wenn jemand an bestimmten

Tagen mit bestimmten Kerzlein und mit bestimmten Gebetlein sich dem Erasmus nä-

hern würde und meinte, er sei nun ein gemachter Mann.60 Ähnlich sarkastisch äussert

sich Erasmus zu Marienkult, Wallfahrtswesen und Wunderglauben. So ist es nicht ver-

wunderlich, das Erasmus’ Lob der Torheit für reformatorische Bildgegner so etwas wie

ein Handbuch geworden ist.61

3.5 Die Bildschnitzer

All die Kritik am übertriebenen Bilderkult bewirkte nicht im Geringsten, dass die Pro-

duktion von religiösen Gegenständen zurückging. Im Gegenteil, die Bilderschnitzer und

Bildermaler hatten Hochkonjunktur. Das hatte einerseits mit der oben erwähnten hekti-

schen Kirchenbautätigkeit in der vorreformatorischen Zeit zu tun, aber auch damit, dass

die Kirchen mit immer mehr Seitenaltären ausgestattet wurden. Von Bruderschaften

wurden Altäre gestiftet, die zu deren gesellschaftlichen und religiösen Mittelpunkt wur-

den.62 Daneben traten auch vermehrt private Stifter und Stifterinnen auf, wie etwa Au-

reola Göldli.

Aureola wird es keine Mühe bereitet haben, in Luzern einen Bildschnitzer für ihren

Apollinaris zu finden. Um die Wende zum 16. Jahrhundert war in Luzern, wie in vielen

Städten der Eidgenossenschaft und des Reichs, ein lebhafter Aufschwung des künstleri-

schen Schaffens63 festzustellen. Baum meint, dass aus der Zahl der erhaltenen Bildwer-

59 Göttler 1990, S. 267. Göttler geht in ihrem Aufsatz in erster Linie auf die nachreformatorische Bilder-kritik der katholischen Theologen ein. 60 Erasmus von Rotterdam, Hartmann 1966, S. 81f. 61 Feld 1990, S. 112. Feld betont den Einfluss von Erasmus: Die Auseinadersetzung der Reformatoren mit Reliquien und Bildverehrung, Wallfahrten und Zeremonien […]ist ohne die Kritik des Erasmus am Kult nicht denkbar. S, 110. Vgl. auch das Kapitel: Erasmus as critic of late medieval piety in Eire 1989, S. 28-53. 62 Baxandall 1984, S. 67f. 63 Baum et al. 1965, S.45. Das Werk von Julius Baum: Die Luzerner Skulpturen bis zum Jahre 1600 ent-hält eine umfassende Darstellung der Skulpturenproduktion im Gebiet des Kantons Luzern. Allgemein zu

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Abb. 11: Hl. Dreifaltigkeit. Fischbach/LU um 1500

ke auf eine mächtige Steigerung der künstlerischen Schaffenskraft geschlossen werden

könne. Immer mehr Künstler werden seit den 1490er Jahren in Luzerner Urkunden er-

wähnt. Sie sind oft zugewandert aus dem süddeutschen Raum. Anfänglich traten die

Künstler in die Safranzunft ein, in der neben den Krämern auch Handwerker Aufnahme

gefunden hatten. Als ihre Zahl immer grösser wurde, gründeten sie im Jahre 1506 die

St. Lukas-Bruderschaft, in der Maler, Bildschnitzer, Bildhauer, Goldschmiede und an-

dere Kunsthandwerker organisiert waren.64 Die meisten der damals entstandenen

Skulpturen können allerdings (heute) keinem Künstler zugeordnet werden, da sie selten

signiert wurden. Namentlich bekannt ist der Schöpfer des Weinmarktbrunnen Conrad

Lux, sowie Jörg Keller, der von Luzern aus den Hochaltar der Pfarrkirche von Münster

im Goms geschaffen hatte.65 Ausser diesen beiden Künstlern sind noch einige andere

Bildhauer und Bildschnitzer aus den Akten bekannt, oft weil sie in irgendwelche Ge-

richtshändel verwickelt waren. Andere werden in den Hintersässenrodel namentlich mit

der Berufsbezeichnung erwähnt oder sie tauchen in der Mitgliederliste der Lukasbru-

derschaft auf. Baum kommt so

auf gut ein Dutzend Bildschnit-

zer, die anfangs des 16. Jahrhun-

derts in Luzern aktiv waren.66

3.6 Die Luzerner Heiligen

Die überlieferten Skulpturen las-

sen sich grob in zwei Kategorien

unterteilen. Die eine Kategorie

umfasst Bildnisse, die direkt mit

dem Leben Jesu zu tun haben,

die andere Kategorie beinhaltet Darstellungen von Heiligen. Die erste Kategorie lässt

sich unterteilen in Darstellungen des Leiden Christi, darunter sind die Kruzifixe, die den Bildschnitzer siehe das wichtige Buch von Michale Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer Baxan-dall 1984 (Originaltitel: The Limewood sculpture of renaissance Germany. London 1980). 64 Unter den Mitgliedern dieser Innung ist auch Hans Holbein aufgeführt. Liebenau 1888, S126f. Hans Holbein d. J. hatte sich zusammen mit Vater und Bruder von 1517-19 in Luzern aufgehalten. Das von ih-nen bemalte Hertensteinhaus wurde im 19. Jahrhundert abgerissen. 65 Jörg Keller gilt als der bedeutendste Luzerner Bildschnitzer der Luzerner Spätgotik (Uta Bergmann). Als Mitglied der Bekrönungsbruderschaft wirkte er 1501 an der Errichtung von deren Altar in der Hof-kirche (nicht erhalten). Vgl. Bergmann 1994 und früher Schmid 1948. 66Baum widmet den Künstlern ein eigenes Kapitel: Die urkundlich überlieferten Meister. Zu den zwölf erwähnten Künstlern dürfte noch eine Anzahl nicht aktenkundiger Bildschnitzer dazugezählt werden. Insgesamt eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass Luzern zu dieser Zeit kaum 4000 Einwohner zählte.Baum et al. 1965, S. 45-51.

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trauernde Maria und Johannes, sowie die Auferstehungsdarstellungen zu zählen. Die

zweite Gruppe umfasst Mariendarstellungen. Das ist wohl die grösste Gruppe über-

haupt. Je etwa zwanzig Skulpturen der Muttergottes mit dem Jesuskind und zwanzig

Vesperbilder (Maria mit dem toten Jesus auf dem Schoss) sind im Raum Luzern erhal-

ten geblieben. Zu der Gruppe der Marienbilder lässt sich auch die Figur der Anna

Selbdritt zurechnen, von der ebenfalls zwanzig Statuen erhalten sind. Johannes der Täu-

fer ist recht gut vertreten, Gottvater und die

Apostel jedoch kaum, Figuren aus dem Alten

Testament überhaupt nicht. Interessant und

wohl auch einzigartig ist der Versuch eines

Künstlers, die Dreifaltigkeit bildlich

darzustellen. Es entstand ein Büste mit drei

Nasen und vier Augen, zusammengehalten

durch eine Dornenkrone.

Die Kategorie der Heiligen lässt sich in Frauen

und Männer unterteilen. Unter den Frauen

scheint Barbara am beliebtesten gewesen zu

sein (12), gefolgt von Maria Magdalena und

Katharina (je fünf). Die Liste der Männer wird

angeführt durch die beiden Bischöfe Nikolaus

und Martin, sowie durch die bäuerlichen

Heiligen Antonius und Wendelin. Neben den

vielen Einzelheiligen wird in der Aufzählung

von Baum eine grössere Gruppe von un-

bekannten Bischöfen erwähnt. Unbekannt deshalb, weil kein Attribut auszumachen ist,

welches eine eindeutige Zuordnung erlaubt. Zu dieser Gruppe von Heiligen müsste

wohl auch der heilige Apollinaris der Aureola zugeordnet werden. Der Heilige Apolli-

naris war um 1500 im Raum Luzern vermutlich gar nicht so unbekannt. Darauf deutet

hin, dass mindestens ein gemaltes Bild von dem heiligen Bischof in einer anderen Lu-

zerner Kirche vorhanden war, nämlich auf einem Altarbild in der ehemaligen Pfarrkir-

che von Sempach. Der Altarretabel stammt aus einer Luzerner Werkstatt und ist um

1515 entstanden. Apollinaris ist auf einem Altartflügel zusammen mit dem populären

St. Blasius abgebildet. Auf dem anderen Flügel sieht man die ebenfalls bekannten Hei-

ligen Nikolaus und Sebastian. Die vier Heiligen sind nicht zu verwechseln, da sie mit

Abb. 12: Apollinaris. Sempach um 1515

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Namen versehen sind.67 In Luzern waren damals offensichtlich nicht nur Bildschnitzer,

sondern auch Maler sehr geschätzt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren einige in Lu-

zern tätig und haben ihre Spuren in der religiösen Malerei hinterlassen.68 Daneben wur-

den aus der Luzerner Bürgerschaft auch Aufträge für nicht religiöse Motive vergeben.

So liessen sich Mitglieder der Familie Hertenstein von Hans Holbein porträtieren. Hans

Holbein und sein Vater, die sich von 1517-1519 in Luzern aufhielten, hatten den Auf-

trag, das „Hertensteinhaus“ innen und aussen mit Malereien zu versehen. Dass dieses

Haus dem „Bildersturm“ des 19. Jahrhunderts zum Opfer fiel, sei hier nur am Rande

vermerkt.69

4 DIE GEWISSENSBISSE DER AUREOLA

Wieso Aureola Göldli eine Heiligenstatue für die Kapelle St. Anna gestiftet hatte, kann

aus der spätmittelalterlichen Laienfrömmigkeit gut nachvollzogen werden. Heilige gal-

ten als eine Art Versicherung für unvorhergesehene negative Ereignisse. Sie halfen ein

empfangenes Übel zu vertreiben oder ein zukünftiges zu verhindern. Für jede erdenkli-

che Krankheit gab es Heilige: wie zum Beispiel die heilige Apollonia bei Zahnweh, der

heilige Rochus gegen die Pest. Gewisse Heilige waren für den Erfolg einer bestimmten

Berufsgattung zuständig, wieder andere sorgten für reiche Ernte auf den Feldern und

Fruchtbarkeit in den Ställen. Für was alles Apollinaris zuständig war, könnte besser

verstanden werden, wenn bekannt wäre, an was Frau Göldli erkrankt war, als sie die

Stiftung versprach.

Neben dem rein irdischen, egoistischen Wunsch nach Heilung der Krankheit, könnten

auch jenseitige Heilserwartung mitgespielt haben. Ein Bild zu stiften, eine Statue

schnitzen zu lassen, galt durchaus als Gutes Werk. Die evangelische Forderung, all sein

Gut zu verkaufen und an die Armen zu verteilen, liess sich nach der frühchristlichen

Zeit kaum je durchsetzten. Das Gebot konnte aber von der Kirche beliebig für ihre

67 Der Altarretabel gilt als Meisterwerk Luzernischer Sakralkunst aus der Spätgotik. Ob er immer in der ehemaligen Pfarrkirche von Sempach stand, kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Bemer-kenswert an den Altarflügeln ist neben der künstlerischen Qualität ist ihr Schicksal. Die Flügel galten lange Zeit als verschwunden. Erst im Jahr 2001 tauchten sie in einem Londoner Aktionshaus auf. Sie Bilder waren Ein Kunsthistoriker wurde darauf aufmerksam und konnte sie dem Altar von Sempach zu-ordnen. Die beiden Flügel, die zuletzt in einem nordenglischen Priesterseminar hingen, wurden vom Kanton Luzern aufgekauft und befinden sich heute im Historischen Museum. Siehe die Broschüre: Ins Licht gerückt: Aus der Sammlung des Historischen Museums Luzern: Zwei Flügel eines Altarretabels aus der ehemaligen Pfarrkirche St. Martin auf Kirchbühl bei Sempach, Luzern 2002. 68 Vgl. dazu den Aufsatz mit den Titel: Einige Luzerner Maler im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts. Hu-gelshofer 1928. 69Riedler 1978, Liebenau 1888.

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Zwecke ausgedehnt werden. Im Mittelalter scheint ein breiter Konsens bestanden zu

haben, dass Spenden und Stiftungen für die Kirche gleichwertig dem Verteilen von

Almosen seien.70 Diese Ausweitung des Armutsgebotes und die Erfindung des Fege-

feuers haben laut Jezler unerhört kulturgeschichtliche Folgen. Für die Kunstproduktion

sei dadurch eine goldene Zeit angebrochen. Aureola wird keineswegs die einzige Stifte-

rin von Kirchenzierden gewesen sein. Neben den Bruderschaften, die ganze Altäre stif-

teten, haben Personen aus der begüterten Bürgerschaft Einzelstatuen in Auftrag gege-

ben. Das explosionsartige Ansteigen der Bildwerke um 1500 ist ein Zeichen dafür. Die

Bilderstiftung der Aureola entsprach durchaus dem üblichen Frömmigkeitsverhalten.

Wieso Aureola schon so kurz nach der Stiftung von Gewissenbissen geplagt wurde und

sie die Statue aus der Kapelle holte und verbrannte, hat jedoch ganz andere Ursachen.

Es soll nun versucht werden, einige mögliche Gründe für den ersten Bildersturm in der

Schweizer Reformationsgeschichte anzuführen.71

4.1 Die Bilderstürmerin

Dass Aureola die erste reformatorische Bilderstürmerin war, stimmt zwar für Luzern.

Aus Zürich wird allerdings schon zwei Jahre zuvor auch von einem „privaten“ Bilder-

sturm berichtet. Im Sommer 1520 wurde ein Uli Kennelbach aus dem Toggenburg we-

gen Gotteslästerung enthauptet.72 Kennelbach hatte in einem Wirtshaus in Uznach ein

Bild der Kreuzigungsszene mit seinem Degen zerstochen und zerrissen.

Uly Andres (war) uffgestanden und hat den Tegen ussgezogen und geredt, er wölle anfahen, dz Fenster witer ze machen, und damit frefenlich gestochen und gehowen in die Bildtnis unsers Herren, siner würdigen Muoter und des heligen Sant Jehans, und als er daran ist gestöupt und zu ihm geredt wor-den, was es des bedörffte, hat er sich daran nüdtzit kert, sonnders erst sölich Gemäldt zerrissen und gesagt, die Götzen nützent nüdt da, und sy möchtind nüdt gehelffen.73

Zwingli war zu diesem Zeitpunkt bereits Leutpriester in Zürich. Er wird das Urteil ge-

kannt haben Es ist nicht überliefert, dass er den Bilderstürmer verteidigt hätte. Was

Zwingli später bei Frau Göldlin als hehre Geisteshaltung betrachtete, war hier noch

70 Vgl. dazu Jezler 2000a, hier S.20. 71 Siehe dazu den Untertitel „Aureola Göldli- in der Schweiz beginnt der Bildersturm mit einer Frau“. Dupeux et al. 2000, S.115. 72 Egli 1973, S. 24. Kennelbach scheint fast so „berühmt“ zu sein wie Frau Göldli., wird er doch in der Literatur häufig erwähnt; so etwa beiWandel 1990, S 125, Garside 1966, S. 99, Michalski 1990, S. 87. 73 Zitiert nach Perter Kamber, der mir freundlicherweise seine unveröffentlichte Dissertation zur Verfü-gung stellte. Kamber.

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nichts anderes als Blasphemie und eine dreiste Herausforderung der Obrigkeit.74 Guy

Marchal zeigt in seinem Aufsatz zum Bildersturm, dass das Verhalten, wie es Kennel-

bach an den Tag legte, durchaus kein Einzelfall war. Marchal nennt unzählige Beispiele

aus dem Mittelalter, bei welchen Hostien und Heiligenbilder geschändet wurden. Nicht

selten seien Eidgenossen in den Krieg gezogen, hätten sich dem Schutz der Maria emp-

fohlen und dann im feindlichen Gebiet unser lieben frawen und sant Jorgen bildung

zerhowen.75 Nach Beendigung des Feldzugs seien sie über Einsiedeln gezogen, um ih-

rer Muttergottes für die erfahrene Hilfe zu danken.76 Offensichtlich mussten die Gottes-

lästerer deswegen nicht mit dem Tod rechnen. Blasphemie scheint toleriert worden zu

sein, vor allem dann, wenn sie in Feindesland und von „Durchschnittschristen“ ausge-

führt wurde. Bildersturm wurde erst dann verfolgt, wenn er als ketzerisch oder aufrüh-

rerisch betrachtet wurde. Vermutlich sind weder Kennelbach noch Aureola Göldli we-

gen ihrer reformatorischen Gesinnung verurteilt worden. Bei Kennelbach könnte der

Grund für die Bestrafung obrigkeitsschädigendes Verhalten, bei Göldli Verletzung der

Besitzrechte des Kloster St. Anna gewesen sein.

4.2 Die Abtuhung

Ein Jahr vor Aureolas privatem Bildersturm hat der

erste reformatorische Bildersturm in Deutschland, in

Wittenberg stattgefunden. Initiiert wurde dieser ers-

te Angriff auf die römisch-katholische Bildvereh-

rung nicht etwa von Luther, sondern von seinem

Dozentenkollegen Andreas Bodenstein von Karl-

stadt. Karlstadt, ursprünglich ein Erasmianer,77 war

ein früher Mitkämpfer der Reformation. Zusammen

mit Luther trat er an der Leibziger Disputation ge-

gen Johann Eck an. In der päpstlichen Bannandro-

hungsbulle von 1520 wurden Luther und Karlstadr

als Irrlehrer nebeneinander aufgeführt.78 Jetzt, da

Luther sich nach dem Reichstag von Worms auf der

74 Garside 1966, S. 99. 75 Marchal 1993, hier S. 276. 76 Ebd. S. 259. 77 Eire 1989, S. 55. Zu den Ereignissen in Wittenberg Schnitzler 1996, besonders S. 237-254. 78 Für ein Kurzportrait vom Karlstadt siehe Sider 1978, hier S. 21.

Abb. 13: Andreas Bodenstein von

Karlstadt.

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Wartburg versteckt hielt, veröffentlichte Karlstadt viele Streitschriften in Wittenberg

und versuchte von der theologischen Diskussion zur praktischen Reform überzuge-

hen.79 Karlstadt heizte mit seinen Predigten die ohnehin schon antiklerikale Stimmung

an und so kam es zu ersten bilderstürmerischen Aktionen in Wittenberg. Anfangs De-

zember 1521 zerstörten Studenten den Holzaltar der Barfüsserkirche und im Januar

1522 wurde unter der Führung des früheren Mönches Zwilling die Augustinerkirche

ausgeräumt.80 Dazwischen wurde an Weihnachten 1521 unter der Leitung von Karlstadt

der erste evangelische Abendmahlsgottesdienst gefeiert. Diese Messe hatte grossen Zu-

lauf und es kam noch am selben Abend zu Ausschreitungen: Die „Ewigen Lichter“

wurden zerschlagen und anwesende Priester angepöbelt und verspottet.81 Dass Karl-

stadt provokativ das Zölibat brach und heiratete, ging offensichtlich in die gleiche stra-

tegische Richtung: die Reformation sollte vorangetrieben werden. Karlstadt hatte Er-

folg: Der Rat sanktionierte die neue Abendmahlfeier und die Armenversorgung wurde

neu organisiert. Bilder und Altäre sollten nach obrigkeitlicher Verordnung aus den Kir-

chen geräumt werden. Am 27. Januar lieferte Karlstadt in einem Traktat Von der abtu-

hung der Bylder die theologische Begründung nach. Nur ein paar Tage später kam es zu

einem dritten Bildersturm in Wittenberg; diesmal wurde die Pfarrkirche verwüstet. Als

Luther von den bilderstürmerischen Exzessen82 erfahren hatte, kehrte er früher als ge-

plant nach Wittenberg zurück. Er verurteilte vehement die von Karstadt gepredigte Bil-

derfeindschaft. Luther widerrief bereits im März die vorgenommenen Änderungen und

Karlstadt erhielt ein Predigtverbot. Der Bruch der beiden ersten Reformatoren konnte

nicht mehr verhindert werden.

Ob die Nachrichten um den ersten Bildersturm an der Geburtsstätte der Reformation bis

in die Innerschweiz, bis zu Aureola Göldli gelangten, ist nicht bekannt. Schon eher

wurde vom Traktat Karlstadts Kenntnis genommen. Die Schrift Von der Abtuhung der

Bylder, und das kein Betdler unther den Christen seyn soll wurde 1522 in zwei Aufla-

gen gedruckt und vertrieben. Unter Theologen und in sympathisierenden Städten wurde

sie breit rezipiert. Die Schrift gilt als Schlüsseltext der frühen Reformationszeit.83 Die

hohe Verbreitung wird nur schon dadurch sichtbar, dass bereits wenige Wochen nach

79 Ebd. S. 21. 80 Michalski 2000, S. 46. 81 Schnitzler 1996, S. 240f. 82 Michalski 2000, S. 47. 83Eine ähnlich gelagerte Schrift zur Bilderfrage, die von Ludwig Hätzer 1523 in Zürich erschien, hatte vermutlich Karlstadt Flugschrift als Vorlage. Hätzer 1523. Vlg. Eire 1989, S. 67f. Für eine Typisierung der Bilderkritik: Eire 1990.

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dem Erscheinen zwei Gegenschriften namhafter altgläubigen Theologen im Umlauf

waren.84

Drei Forderungen zu einer dringlichen Reformation zählt Karlstadt in der Einleitung

auf: 1. Einführung des neuen Messritus (die Messe einheilliger weiß vñ form), 2. Weg-

schaffen der Bilder (die betruegliche bilder vnd Olgetzen wegnhemen vñ abthun) und

3. Neuordnung des Armenwesens (Arme leuthe wollen sie williglich neren). Die Schrift

selber ist zweigeteilt: der erste Teil steht unter dem Titel Von abthuhung der Olgotzen

und der zweite das keyn Bedtler unther den Christen seyn sollen.

Drei Thesen stellt er gegen die Bildverehrung auf:

(1) Das wir bilder in Kirchen vñ gots hewßern haben / ist vnrecht / vnd wider das erste gebot. Du solst nicht frombde gotter haben.

(2) Das geschnitzte vnd gemalthe Olgotzen vff den altarien stehnd ist noch schade-licher vnd Tewffellischer.

(3) Drumb ists gut / notlich / loblich / vñ gottlich / das wir sie abthun / vñ ire recht vñ vrteyl der schrifft geben.

Karlstadts Argumentation ist streng biblizistisch geprägt, dabei bezieht er sich vor al-

lem auf die Autorität des Alten Testamentes. Die massgebende Stelle gegen die Bilder

stammt aus den Zehn Geboten. Es heisst bereits im ersten Gebot: Du sollst keine frem-

den Götter haben und du sollst dir kein Bildnis machen.85 Das Argument der Gegensei-

te, sie beten ja nicht die Bilder an, sondern sie beten wegen der Heiligen, die sie darstel-

len, lässt Karlstadt nicht gelten. Gott habe die Bildverehrung mir deutlichen Worten

verboten:

Du salst nit anbetten. Du salst sie nit eheren. Gloßiers wie du kanst / du salt sie stracks nit anbeten / du salst kein knye vor yhn byegen / du solst kein licht vor yhn antzunnen.86

Die Schrift erlaubt keinen Zweifel. Gott liebt die Bilder nicht. Mit gleichem Nachdruck

wendet sich Karlstadt gegen die Auffassung, dass Bilder die Bücher der Armen seien,

wie es von Papst Gregor formuliert worden war.87 Aus den Bildern könne nur Äusserli-

84 Es handelt sich um eine Schrift von Johannes Eck und um die Schrift von Ludwig Emser mit dem Titel Emsers vorantwortungauff das ketzerische buch Andres Carolstats von der abttheung der bilder. Schnitzler 1996, S. 14. Vgl. auch Göttler 1990. 85 Der wegen saget got bald darnach (alß ehr das gebot gab. Du solst nit fromde gotter haben) Du solst kein geschnitzte oder gehawben bild machen. Du solt kein gleichnis machen / das oben / ym hyemel ist / oder das vnthen in der erden ist / oder das ym wasser ist. Du solst sie nit anbeten. Du solst sie nit eheren. Ich byn dein gott / ein starcker vnd rachsamer gott / ein eusserer / dero boßheiten der vetter in yren So-nen strafft. Exo. XX. Karlstadt 1522, S. 6. 86 Und weiter: Wan ichs haben wolt. spricht gott. dastu mich / oder meine heiligen / solst in bildnis ehe-ren / ich wolt dirs nit verbotten haben / bildnis vnd gleichnis tzumachen. Karlstadt 1522, S. 7. 87 Bis zum Anfang des 16. Jahrhundert wurde zur Bildverehrung immer auf die Doktrin Gregor des Grossen verwiesen. Mit der biblia-pauperum-Lehre wird der Bildverehrung drei Funktionen zugeordnet:

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ches, Fleischliches und nichts Innerliches, Spirituelles erfahren werden.88 Auch dem

Argument, dass etliche Bilderküsser (bildekusser) sagen, das alte Gesetz verbiete zwar

die Bilder, das neue jedoch nicht, widerspricht Karlstadt. Er verweist auf die unverän-

derte Gültigkeit des Alten Testamentes. Karlstadt betont die Wichtigkeit des Bilderver-

botes, umso mehr, da es an erster Stelle unter den Zehn Geboten aufgeführt ist. Es sei

somit das wichtigste und grösste Gebot, noch vor Unkeuschheit und Dieberei. Es würde

ja auch niemand Ehebrecherey, dyeberey, morderey vnd der gleychen in den Kirchen

dulden, bloss weil es im Alten Testament verboten ist.89

Wie Karlstadt die Sinnlosigkeit der Bilderverehrung aus der Bibel herleitet, so ent-

nimmt er auch die Aufforderung zum Bildersturm aus dem alten Testament.

Alßo solt yr yen thuen spricht gott. Deu. vii. Ire altaren solt yr vmbkeren / vñ vmbsturtzen. Ire bilder solt yr tzebrechen. Ire linden solt ir abhauwen / vñ yre geschnitzte bilder solt yr verbronnen.90

Die Aufforderung, sich auf die Bibel zu besinnen mündete somit klar in einer Aufforde-

rung zum Bildersturm.

Wenn Myconius sich des langen mit Aureola über den Apollinaris unterhalten hatte und

sie zum Schluss gekommen sind, es handle sich bei dieser Figur um nichts anderes als

um eine Götzenfigur (idolum enim est, praeterea nihil), so werden sie ähnlichen Argu-

menten gefolgt sein, wie sie aus der Schrift Karlstadts zu entnehmen sind. Ob Myconi-

us oder allenfalls Aureola die Schrift kannten, kann höchstens vermutet werden.91

4.3 Die Predigt

In Zürich kam es erst im Sommer 1523 zu grösseren bilderfeindlichen Aktionen, also

anderthalb Jahre nach dem Bildersturm von Wittenberg und mindestens ein halbes Jahr,

nachdem Aureola Göldli den Apollinaris verbrannt hatte.92 Mit Sicherheit hat Zwingli

1. Erziehung der Ungelehrten, 2. Anregung zu Andacht, 3. Unterstützung des Gedächtnisses. Vgl. Scrib-ner 1990, S. 10f. 88 Waß kunden doch leyhen auß bildern guts lernen? Du must ye sprechen. das man eytel fleischlich le-ben vñ leyden darauß lernet / vñ das sie nit weider furen dan yns fleisch / ferner mogen sie nit brengen. Exemplum / Auß dem bild des gecreusigten Christi lernestu nicht / dan das fleischlich leyden Christi.. Karlstadt 1522, S. 8. 89 Karlstadt 1522, S. 26. 90 Karlstadt 1522, S. 24. 91 Myconius hat später in seiner Basler Zeit Karlstadt kennen gelernt. Karlstadt hatte nach dem Bruch mit Luther ein wechselvolles Schicksal. Sein fluchtartiger Weg führte in später über Strassburg und Basel nach Zürich. Myconius holte ihn schliesslich, als er Antistes in Basel war, an die theologische Fakultät von Basel. Ihre gemeinsame Zeit in Basel war geprägt von persönlichen Auseinadersetzungen und Zwistigkeiten. Brändly 1960, S. 285f., Hagenbach 1859, S. 341ff. 92 Zum Bildersturm in Zürich: Jezler 2000b, Wandel 1990, Jezler 1990, Garside 1966, Kamber.

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bereits früher gegen die Heiligenverehrung und den Bilderkult in Zürich gepredigt.93

Vom Pfarrer Rudolf Ammann aus Knonau ist bekannt, dass er vor September 1522 ge-

predigt hatte, zuo den Heiligen loufen syg nüt verstand gepotten uss der geschrift.94 In

Luzern selber wird Aureola kaum bilderfeindliche Predigten gehört haben. Myconius

und seine reformerisch gesinnten Freunde wagten es nicht, sich öffentlich zur Reforma-

tion zu äussern. Myconius schrieb an Zwingli, durch die ganze Stadt werde gerufen,

Luther sei zu verbrennen und mit ihm der Schulmeister. Myconius wurde vor den Rat

zitiert. Es wurde ihm verboten, mit den Schülern Luther zu lesen, geschweige denn des-

sen Name zu erwähnen.95 Xilotectus, ein anderer Luzerner Humanist und Zwingli-

freund schrieb in einem Brief an Rhenan: Wir müssen schweigen, oder es geht uns

schlecht, so hat unser Pfarrer das Volk instruiert.96

Für Myconius wurde die Lage immer ungemütlicher. In den Predigten wurde gegen die

Häresie der Lutheraner gewettert, aber Myconius hatte das Gefühl, die Predigten seien

gleichzeitig gegen ihn gerichtet. Am liebsten hätte er Luzern wieder verlassen.

In dieser angespannten Situation wurde im Vorfrühling, wie jedes Jahr, die Museggpro-

zession durchgeführt. Der „Musegger Umgang“ war eines der grossen Ereignisse im re-

ligiösen Kalender der Stadt. Bereits seit dem 13. Jahrhundert waren die Einwohner von

Luzern angehalten, an dieser Prozession teilzunehmen. Am Umgang wurden die kirch-

lichen Heiligtümer mitgetragen und um Schutz gegen Feuersbrunst und Kriegsgefahren

gebetet.97 Seit 1512 war die Prozession mit denselben Ablassprivilegien wie eine Rom-

fahrt ausgestattet und wurde zu einem grossen Publikumserfolg. Drei- bis fünftausend

Personen sollen jeweils teilgenommen haben. Darunter waren bis zu fünfhundert Pries-

ter, die von der Stadt mit Fisch und Wein versorgt worden sind.98 Um der Wichtigkeit

des Ereignisses gerecht zu werden, wurden jeweils berühmte fremde Prediger eingela-

den. Es wurde je eine Predigt in Latein und in Deutsch gehalten. Im Jahr 1522 wurde

Konrad Schmid, der Komtur der Johanniterkommende Küsnacht (ZH), eingeladen.

Wieso gerade Konrad Schmid als Prediger ausgewählt wurde, ist nicht bekannt. Es

dürfte wohl nicht verborgen gewesen sein, dass Schmid ein guter Freund von Zwingli

war. So kam es zur ersten und für lange Zeit auch letzten reformatorischen Predigt in 93 Bereits im Dezember 1521 reichte der Chorherr Konrad Hofmann eine Klageschrift gegen Zwingli ein. Er verlangte, Zwingli solle nicht weiter gegen die Heiligenlegenden predigen. Egli 1973, S. 64. 94 Ebd. S. 96. Ammann wurde vom Bischof von Konstanz mit dem Bann belegt, unter anderem weil er sich gegen Heiligenverehrung und Wallfahrt ausgesprochen hatte. 95 Brändly 1956, S. 29. 96 Der Brief datiert vom Juli 1521.Brändly 1956, S. 30. 97 Wicki 1990, S. 254-258, hier S. 254. 98 Brändly 1956, S. 35f.

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Luzern. In Anwesenheit des gesamten Innerschweizer Klerus und einer unzähligen

Menschenmenge legte er die neue reformatorische Lehre breit aus.99 Natürlich äusserte

er sich auch zur Heiligenverehrung:

Was wellent wir Gott bekümmeren mit den knechten [Heiligen], so er uns gu-otwillgklich alle ding durch sinen lieben sun will geben, wess wir bedoerfen? Dann so meer der menschen hoffnung setzt in die heiligen, so minder er in Gott hofft.100

Schmid war kein extremer Bilderfeind. Er fügt beschwichtigend hinzu: Die heiligen

recht eeren, das schilt ich nit, sunder das lob ich, aber er finde es besser, ihrem Leben

nachzufolgen als sie zu verehren. Schmid ist bekannt für seine moderate Haltung. Als

ein Jahr später die zweite Zürcher Disputation (26.-28. Oktober 1523) abgehalten wur-

de, setzte sich seine Meinung durch. Das innere Bild im Herzen sei viel wichtiger als

das äussere.101 Ein Bildersturm war noch nicht das dringendste für die Zürcher Refor-

mation. So wurde die Bilderfrage vorerst vertagt. Immerhin wurde beschlossen, dass es

den Stiftern erlaubt sei, ihre eigenen Bilder aus der Kirche zu holen, unter der Bedin-

gung, dass es in einem ordentlichen Rahmen geschehe.102 Anders als in Luzern, wo

mindestens eine Stifterin ihre eigene Statue aus der Kirche holte, scheint in Zürich nie-

mand von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht zu haben.103 Es kam jedoch weiterhin

zu wilden ikonoklastischen Aktionen.104 Im Sommer 1524 wurde eine organisierte

Räumung der Zürcher Kirchen beschlossen. Stifter bekamen nochmals eine Gelegen-

heit, ihre Bilder zurückzuholen. Darauf wurde unter Aufsicht von Vertretern der Zünfte

der Zürcher Bildersturm von städtischen Werkleuten fachmännisch und sehr gründlich

durchgeführt.105

5 ZWINGLIS ANTWORT

Die Antwort, die Zwingli auf den Brief von Myconius gab, gleicht in gewisser Weise

seinem Verhalten während der zweiten Zürcher Disputation. Er schlug im Falle der Au-

99 Brändly widmet dem Ereignis ein eigenes Kapitel: Die erste evangelische Predigt in Luzern. Brändly 1956, S. 35-40. 100 Ebd. S. 39. Die Predigt und die Auseinandersetzung mit Pfarrer Bodler wurden publiziert und sind er-halten geblieben. 101 Desshalb von nözen usserliche bild nit mer schaden dann innerliche bild im hertzen. Zwingli et al. 1908, S. 709f. 102 dass weder geistlich nach weltlich der Bilder halb fürhin, bis uf witern Bescheid, der in kurzem – ob Gott will – uss dem Wort Gottes geben wirt, nieman uss nach in die Kilchen einicherlei Bild trage oder verwandle, es habe dann einer eigne Bild in die Kilchen geordnet; die mag er widerum zuo sinen Handen nemen, doch der Gstalt, dass hierus dhein Unrat uferstande. Egli 1973, S. 173f. 103 Jezler 1990, S. 149f. 104 Ebd. S. 151. 105 Jezler 2000b, S. 78f.

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reola Göldli ein abwartendes und taktisches Vorgehen vor. Vielleicht befürchtete

Zwingli, dass das Leben von Frau Göldli auf dem Spiel stand. Noch nicht vor langer

Zeit war Ulrich Kennelbach wegen ähnlichem Vergehen in Zürich hingerichtet worden.

Zwingli beantwortete den Brief von Myconius unmittelbar, nachdem er ihn erhalten

hatte.106 Nach einer kurzen Einleitung ist der Brief in Ich-Form abgefasst. Zwingli

schreibt, wenn er Frau Göldli wäre, würde er folgendermassen vorgehen: Sie solle mit

dem Rat ein Gespräch suchen und angeben, die Statue nicht aus frommer Gesinnung

sondern aus Scheinheiligkeit (hypocrisis) gestiftet zu haben. Deshalb sei sie von argen

Gewissenbissen geplagt worden und habe die Statue verbrannt. Danach solle sie den

Rat bitten, er solle nicht eine unglückliche Frau dazu zwingen, gegen ihr Gewissen den

Apollinaris wieder herstellen zu müssen. Sie solle sich bereit erklären, dem Kloster den

Gegenwert für die Statue auszubezahlen. Die Beginen könnten dann frei über das Geld

verfügen.

Erst wenn die Gegenseite nicht auf den Vorschlag eingehen sollte, dann könne er –nun

spricht Zwingli wieder zu Myconius- nichts anderes raten, als was die Apostel sagten:

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Dann rate ich ihr, lieber zu sterben, als nachzugeben.107

Wie die Sache ausging, ist nicht bekannt. Ein weiteres Urteil gegen eine Frau Göldli ist

nicht bekannt. Ebenso wenig wissen wir, ob ein neuer Apollinaris im Kloster St. Anna

im Bruch aufgestellt wurde. Myconius verliess die Stadt Luzern schon wenige Tage

nach Erhalt der Antwort von Zwingli. Nach ihm verliessen andere Anhänger der neuen

Lehre Luzern, so etwa Jost Kilchmeyer, Xilotectus und Collinus. Luzern war mit einem

Schlag seiner humanistischen Elite beraubt.108 Offenbar verliessen nicht nur die Gelehr-

ten die Stadt, sonder auch einige der Künstler. Wie den noch heute erhaltenen Bilder

und Heiligenstatuen abzulesen ist, kam die künstlerische Produktion um 1520 fast ganz

zum erliegen. Was in Luzern einsetzte, war nicht ein Bildersturm sondern ein Bilder-

stopp.109

Ein etwas anderer Bildersturm fand Anfangs 1523 in Luzern auf dem Weinmarkt statt.

Hier wurde nämlich ein Bild von Zwingli anlässlich eines Fastnachtspiels öffentlich

verbrannt. Das gleiche hatte man vorher schon mit seinen Schriften getan. Zwingli sel- 106 Zwingli 1911 #65} Band 7, Brief 263, S. 644-646. Myconius schrieb den Brief am 19. Dezember, Zwingli antwortete bereits am 22. Dezember. 107 „Obedire oportet deo magis quam hominibus.“Unde jubeo mortem potius obire, quam cedere.Vgl. dazu Garside 1966, S. 100ff, Reichen 2000, S. 115, Brändly 1956, S. 46. Jezler weist darauf hin, dass Zwingli in diesem Fall die Eigentumsrechte vor das Bildverbot stellte. Jezler 1990, S. 149. 108 Kilchmeier und Xilotectus verliessen Luzern 1524. Brändly 1956, S. 65ff. 109 Vgl. Bergmann 2001 und Baum et al. 1965.

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ber wurde im Juli desselben Jahres durch Tagsatzung zur Verhaftung ausgeschrieben.

Sobald er sich in der Grafschaft Baden oder im Thurgau zeige, sollte er aus Ursachen,

die jeder kennt, festgenommen werden.110 Zwingli hütete sich dann auch in diese Ge-

biete zu reisen. Das war wohl der Grund, weshalb er nicht an der Badener Disputation

von 1526 teilnahm. Einem anderen wurde jedoch der Aufenthalt in der Grafschaft Ba-

den zum Verhängnis. Klaus Hottinger, einer der prominentesten Bilderstürmer Zürichs,

wurde dort festgenommen und nach Luzern überführt. Hottinger wurde 1524 in Luzern

durch das Schwert hingerichtet. Luzern kam somit die zweifelhafte Ehre zu, für einen

der ersten reformatorischen Märtyrer verantwortlich zu sein.111

6 JÖGLI, NUN BUCK DICH, DU MUOST IN DEN OFFEN!

Nachdem Myconius Luzern verlassen hatte, übernahm er nach kurzem Aufenthalt in

Einsiedeln die Stelle als Lehrer an der Fraumünsterschule in Zürich. Von hier aus ver-

fasste Myconius 1524 eine Schrift, in der er den gegen Zürich lästernden Priestern den

Rat gibt, das Lästern einzustellen. Man hat den Eindruck, diese Schrift sei an seine alt-

gläubigen Kollegen seiner Heimat gerichtet.112 In dieser Schrift versucht er die refor-

110 Brändly 1956, S. 49f. 111 Ebd. S. 59f. 112 Osvaldi Myconii Lucernani Ad sacerdotes Helvetiae, qui Tigurinis male loquuntur suasoria, ut male loqui desinant (Zürich 1524). Eine deutsche Fassung ist zu finden bei Hagenbach 1859, S. 388ff.

Abb. 14: Klaus Hottinger, der Bilderstürmer aus Zürich, wird in Luzern 1524 hingerichtet

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matorische Glaubenshaltung darzulegen und zu verteidigen. Naturgemäss äussert er

sich darin auch zur Bilderfrage. Er legt dar, dass Heiligen- und Bilderverehrung Göt-

zendienst sei. Die Bilder würden mit Korallen und Perlen und Edelsteinen geschmückt.

Die Kranken laufen herbei, bringen ihnen Wachs, Geld, Hähne und Hühner und suchen

bei ihnen Heilung.113 Ob Myconius da an Aureola und den Heiligen Apollinaris gedacht

hatte?

Zur selben Zeit wie Myconius war der ehemalige Walliser Geisshirte Thomas Platter in

Zürich eingetroffen. Er hat in seiner Autobiographie ein lebendiges Bild aus jener Zeit

vermittelt. In Zürich angekommen versuchte Platter bei Myconius, den er als gar geler-

ter man und trüwer schuolmeister, aber grusam wunderlich114charakterisierte, als Schü-

ler aufgenommen zu werden. Dies gelang ihm und Platter durfte sogar bei der Familie

Myconius wohnen und essen. Er musste dafür den Dienst eines custos (eine Art Diener,

Haushaltshilfe) verrichten. Unter anderem hatte er die Aufgabe, am Morgen die Stube

einzuheizen. Als er eines Morgens gerade kein Holz fand, dachte er sich: du hast kein

holtz, und sind soviell götzen in der kilchen; und die will noch niemantz do was, gieng

ich in die kilchen zum nechsten altar, erwutst ein Johannes, und mit in die schuoll in

den ofen und sprach zuo im: Jögli, nun buck dich, du muost in den offen! Als die Ofen-

tür endlich zu war, kam Myconius mit seiner Frau herein und Myconius sagte zu Plat-

ter: „Custos, du hasst hüt woll holtz ghan.“ Ich dacht: Johannes hatt das best

gethan.[…]Myconius wusst nit, was das was; aber Johannes wardt nit mer funden.115

Ein kleiner, privater Bildersturm in der Schulstube vom Myconius.

113 Hagenbach 1859, S. 390. 114 Platter, Hartmann 1944, S. 60. 115 Ebd., S. 61f.

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Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm

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7 ANHANG

7.1 Oswald Myconius an Zwingli (19. Dezember 1522)116

Als Aureola einmal in Zürich bei ihrem Gatten war, wurde sie von einer Krankheit be-

fallen (ich weiss nicht von welcher). So liess sie eine Statue des hl. Apollinaris herstel-

len und stellte sie in der Kirche der Beginen auf, damit die Krankheit verschwinde.

Jetzt hat sie jenes Bildnis wieder aus der Kirche geholt und verbrannt, damit sich ihr

Gewissen erleichtere. Die Statue hatte nämlich das einfache Volk dazu bewegt, den

Beginen junge Hühnchen zu bringen, welche diese mit grösstem Vergnügen verschlan-

gen. Als die Sache (die Tat der Aureola) entdeckt wurde, liess der Rat sie vorladen und

es wurde ihr unwürdiges Verhalten vorgeworfen. Sie wurde vom Rat folgender Sachen

beschuldigt: Sie habe gegen den Glauben, gegen die katholische Kirche, gegen das E-

vangelium Christi und gegen alles Heilige und Profane verstossen. Deswegen wurde

sie zu einer Busse von 40 Gulden, zur Wiederherstellung der Statue und zur Beichte des

Vergehens verurteilt. Nach der Gutmachung hatte sie die vom Leutpriester unterschrie-

bene Beichtbestätigung vorzuweisen. Die Busse bezahle sie gerne. Sie ging auch gerne

zum Priester, jedoch nicht um zu Beichten, sondern um aus der heiligen Schrift belehrt

zu werden, worin sie sich versündigt habe (wenn er das könne). Wirklich schwer fiel

ihr jedoch, das Bild wieder herstellen zu lassen. Sie sah nun, dass ihr Gewissen doppelt

belastet würde. Zum alten Skrupel kam jetzt ein neuer dazu, nämlich ob sie den Men-

schen mehr als Gott gehorchen solle. Wir haben nun die Sache überdacht und von allen

Seiten abgewogen. Wir haben jedoch nicht herausfinden können, wie sie mit einem rei-

nen Gewissen die Götze (idolum) wieder ersetzen kann; es ist nämlich ein Götzenbild

und nichts anderes. Wir fragen dich jetzt, was du in dieser Sache zu tun rätst, dass es

für die Seele gut ist. Wie zählen ganz auf dich.

[…]

116 S. Aureola, dum adhuc esset Tiguri apud maritum, morbo adfecta…Zwingli et al. 1911 Band 7, Brief 261, S. 640-41.

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8 LITERATUR

8.1 Primärliteratur

Emil Egli: Aktensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation. In den Jahren 1519-1533. Aalen 1973.

Erasmus von Rotterdam; Alfred Hartmann: Das Lob der Torheit. Basel 1966.

Heinrich Glarean; Oswald Myconius: Descriptio de situ Helvetiae, et vicinis gentibus, per eruditissimum virum Henricum Glareanum Helvetium, poetam laureatum… cum commentariis Osvaldi Myconii Lucernani. Leiden 1983;1519.

Ludwig Hätzer: Ein urteil gottes unsers ee gemahels, wie man sich mit allen götzen und bildnussen halten sol usz der heiligen gschrifft gezoge. Zürich 1523.

Andreas Karlstadt: Von der Abtuhung der Bylder, und das kein Betdler unther den Christen seyn soll. Wittenberg 1522.

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Thomas Platter; Alfred Hartmann: Lebensbeschreibung. Basel 1944.

Konrad Schmid: Antwurt Bruoder Conradt Schmids, Sant Johansen Ordens Com-menthür zuo Küssnach am Zürich See, uff etlich Wyderred dero so die Predig durch jn gethon in der loblichen Statt Lucern geschmächt und kätzerisch gescholten habend, antreffend dz Christus ein einig, ewig Houpt syner Kilchen, Gwalthaber unnd für Bitter syge. … Zürich getruckt jm Jar nach der Geburt Christi do man zalt 1522.

Ulrich Zwingli; Emil Egli; Georg Finsler: Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Die Akten der zweiten Disputation vom 26.-28. Oktober 1523 (S. 664-731). Leibzig 1908.

Ulrich Zwingli; Emil Egli; Georg Finsler: Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Zwinglis Briefwechsel 1510-1522. Leibzig 1911.

8.2 Darstellungen

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Michael Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer. Tilman Riemenschneider, Veit Stoss und ihre Zeitgenossen. München 1984.

Uta Bergmann: Jörg Keller. Ein Luzerner Bildschnitzer der Spätgotik. Luzern 1994.

Uta Bergmann: Die Luzerner Bildhauerei 1300-1900. In: Stiftung Dr. Edmund Müller (Hg.): Ora pro nobis. Heiligenfiguren in der Sammlung Dr. Edmund Müller. Beromüns-ter 2001, S. 6–12.

Peter Blickle; André Holenstein; Heinrich Richard Schmidt, et al. (Hg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. München 2002.

Willy Brändly: Myconiana. In: Zwingliana, Jg. 8 1945, S. 169–171.

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Willy Brändly: Der Schulmeisterschild Hans Holbein und Myconius. In: Zwingliana, Jg. 10 1955, S. 261–262.

Willy Brändly: Oswald Myconius in Basel. In: Zwingliana, Jg. 11 1960, S. 183–192.

Willy Brändly: Geschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern. Luzern 1956.

Cécile Dupeux; Peter Jezler; Jean Wirth (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wil-le? Katalog zur Ausstellung, Bernisches Historisches Museum, Musée de l'Oeuvre Notre-Dame, Strassburg. Zürich 2000.

Carlos M. N. Eire: War against the idols. The reformation of warship from Erasmus to Calvin. Cambridge 1989.

Carlos M. N. Eire: The Reformation Critique of the Image. In: Scribner, Bob (Hg.): Bil-der und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1990, S. 51–68.

Ekkehart Fabian: Zur Biographie und zur geplanten Erstausgabe der Briefe und Akten von Oswald Myconius und seiner Basler Mitarbeiter. In: Zwingliana, Jg. 19 1992, S. 115–130.

Helmut Feld: Der Ikonoklasmus des Westens. Leiden 1990.

Ursula Ganz-Blättler: Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger. Tübingen 1991.

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Fritz Glauser: Luzern, Schwestern und Brüder, 13.-16. Jh. In: Sommer-Ramer, Cécile (Hg.): Die Beginen und Begarden in der Schweiz. Basel 1995, S. 491–503.

Hans-Jürgen Goertz (Hg.): Radikale Reformatoren. 21 biographische Skizzen von Thomas Müntzer bis Paracelsus. München 1978.

Christine Göttler: Die Disziplinierung des Heiligenbildes durch altgläubige Theologen nach der Reformation. Ein Beitrag zur Theorie des Sakralbildes im Übergang von Mit-telalter zur Frühen Neuzeit. In: Scribner, Bob (Hg.): Bilder und Bildersturm im Spätmit-telalter und in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1990, S. 263–298.

Sebastian Grüter: Geschichte des Kantons Luzern im 16. und 17. Jahrhundert. Luzern 1945.

Karl Rudolf Hagenbach: Johann Oekolampad und Oswald Myconius. Die Reformato-ren Basels. Leben und ausgewählte Schriften. Elberfeld 1859.

Walter Hugelshofer: Einige Luzerner Maler im 1. Viertel des 16. Jahrhunderts. Ein Bei-trag zur Geschichte der spätgotischen Malerei in der Innerschweiz. In: Der Geschichts-freund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte, Jg. 83 1928, S. 76–103.

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Peter Jezler: Etappen des Zürcher Bildersturms. Ein Beitrag zur soziologischen Diffe-renzierung ikonoklasitsicher Vorgänge in der Reformation. In: Scribner, Bob (Hg.): Bil-der und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1990, S. 143–174.

Peter Jezler: Spätmittelalterliche Frömmigkeit und reformatorischer Bilderstreit. In: Schneider, Bernhard (Hg.): Alltag in der Schweiz seit 1300. Zürich 1991, S. 86–99.

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Peter Jezler: Von den Guten Werken zum reformatorischen Bildersturm. Eine Einfüh-rung. In: Dupeux, Cécile; Jezler, Peter; Wirth, Jean (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille? Zürich 2000, S. 20–27.

Peter Kamber: Reformation als bäuerliche Revolution. Bildersturm, Klosterbesetzun-gen und Kampf gegen die Leibeigenschaft in Zürich zur Zeit der Reformation (1522–1525). Dissertation (Manuskript).

Hiltgart L. Keller: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. Stuttgart 1984.

Thomas Lentes: Inneres Auge, äußerer Blick und heilige Schau. Ein Diskussionsbei-trag zur visuellen Praxis in Frömmigkeit und Moraldidaxe des späten Mittelalters. In: Schreiner, Klaus (Hg.): Frömmigkeit im Mittelalter. München 2002.

Theodor von Liebenau: Das Alte Luzern. Luzern 1881.

Theodor von Liebenau: Hans Holbein d. J. Fresken am Hertenstein-Hause in Luzern. nebst einer Geschichte der Familie Hertenstein. Luzern 1888.

Guy P. Marchal: Bildersturm im Mittelalter. Eine offene Frage. In: Historisches Jahr-buch, Jg. 113 1993, S. 255–282.

Sergiusz Michalski: Das Phänomen Bildersturm. Versuch einer Übersicht. In: Scribner, Bob (Hg.): Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Wies-baden 1990, S. 69–125.

Sergiusz Michalski: Die Ausbreitung des reformatorischen Bildersturms. 1521-1537. In: Dupeux, Cécile; Jezler, Peter; Wirth, Jean (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Got-tes Wille? Zürich 2000, S. 46–51.

Carl Pfaff: Pfarrei und Pfarreileben. Ein Beitrag zur spätmittelalterlichen Kirchenge-schichte. In: Historischer Verein der Fünf Orte; Schweiz (Hg.): Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft. Olten 1990, Bd. 1, S. 203–282.

Kasimir Pfyffer: Geschichte der Stadt und des Kantons Luzern. Vom Ursprunge bis zur Staatsumwälzung im Jahre 1798. Zürich 1850.

Francis Rapp: Zwischen Spätmittelalter un Neuzeit. Wallfahrten der ländlichen Bevöl-kerung im Elsass. In: Schreiner, Klaus (Hg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. München 1992, S. 127–136.

Quirinius Reichen: Aureola Göldli - in der Schweiz beginnt der Bildersturm mit einer Frau. In: Dupeux, Cécile; Jezler, Peter; Wirth, Jean (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille? Zürich 2000, S. 115.

Michael Riedler: Blütezeit der Wandmalerei in Luzern. Fresken des 16.Jahrhunderts in Luzerner Patrizierhäusern. Luzern 1978. Ernst Gerhard Rüsch: Bemerkungen zur Zwingli-Vita von Oswald Myconius. In: Zwingliana, Jg. 15 1980, S. 238–258.

Ernst Gerhard Rüsch: Vom Humanismus zur Reformation. Aus den Randbemerkun-gen von Oswald Myconius zum "Lob der Torheit" des Erasmus von Rotterdam. In: Theologische Zeitschrift Basel, Nr. 39 1983, S. 1–78.

Josef Schmid: Jörg Keller, Hans Viktor Wegmann, Niklaus Hartmann. Drei Luzerner Künstler und deren Werke in der Pfarrkirche Unserer Lieben Frau und in der St.-Peters-Kirche, Münster im Oberwallis Goms. Luzern 1948.

Bernhard Schneider (Hg.): Alltag in der Schweiz seit 1300. Zürich 1991.

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Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm

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Norbert Schnitzler: Ikonoklasmus - Bildersturm. Theologischer Bilderstreit und iko-noklastisches Handeln während des 15. und 16. Jahrhunderts. München 1996.

Norbert Schnitzler: Illusion, Täuschung und schöner Schein. Probleme der Bilderver-ehrung im späten Mittelalter. Schaufrömmigkeit - ein Missverständnis. In: Schreiner, Klaus (Hg.): Frömmigkeit im Mittelalter. München 2002, S. 221–239.

Klaus Schreiner (Hg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge. München 1992.

Klaus Schreiner (Hg.): Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen. München 2002.

Klaus Schreiner; Norbert Schnitzler (Hg.): Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit . Mün-chen 1992.

Bob Scribner (Hg.): Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neu-zeit. Wiesbaden 1990.

Bob Scribner: Das Visuelle in der Volksfrömmigkeit. In: Scribner, Bob (Hg.): Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1990, S. 9–20.

Bob Scribner: Vom Sakralbild zur sinnlichen Schau. Sinnliche Wahrnehmung und das Visuelle bei der Objektivierung des Frauenkörpers in Deutschland im 16. Jahrhundert. In: Schreiner, Klaus; Schnitzler, Norbert (Hg.): Gepeinigt, begehrt, vergessen. Mün-chen 1992.

Ronald J. Sider: Andreas Bodenstein von Karlstadt. zwischen Liberalität und Radikali-tät. In: Goertz, Hans-Jürgen (Hg.): Radikale Reformatoren. München 1978, S. 21–29.

Sara Stocker: Vom Kultbild zum Sammlungsgegenstand. Zum Funktionswandel von sakralen Skulpturen. In: Stiftung Dr. Edmund Müller (Hg.): Ora pro nobis. Heiligenfigu-ren in der Sammlung Dr. Edmund Müller. Beromünster 2001, S. 13–20.

Lee Palmer Wandel: Iconoclast in Zurich. In: Scribner, Bob (Hg.): Bilder und Bilder-sturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1990, S. 125–142.

Erich Weidinger (Hg.): Legenda aurea. Das Leben der Heiligen. Jacobus de Voragine. Aschaffenburg 1986.

Hans Wicki: Staat, Kirche, Religiosität. Der Kanton Luzern zwischen barocker Tradition und Aufklärung. Luzern 1990.

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8.3 Abbildungsverzeichnis

1) Eine Frau beim Holzbildhauer. Erhard Schoen um 1533: Ungehobelter Mann (Aus-schnitt). In: Michael Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer. Tilman Riemenschnei-der, Veit Stoss und ihre Zeitgenossen. München 1984.

2) Myconius als 2. Antistes von Basel: Stich von Jakob Schönauer 17. Jahrhundert. In: Willy Brändly: Geschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern. Lu-zern 1956.

3) Frontispiz von Hans Holbein d. J.. Osvaldi Myconii Lucernani Ad sacerdotes Helve-tiae, qui Tigurinis male loquuntur suasoria, ut male loqui desinant. Tiguri anno 1524 mense Eebruario. Mary Rasmussen: The case of the flutes in Holbein's The ambassadors. In: Early Music, Jg. XXIII, 1995.

4) Aushängeschild eines Schulmeisters: Ein Schulmeister und seine Frau bringen

drei Knaben und einem Mädchen das Lesen bei. Ambrosius und Hans Holbein. Basel 1516 (Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum).

5) Unbekannter hl. Bischof, Fischbach LU, um 1520, Höhe 80,5 cm (heute im

Schweizerischen Landesmuseum Zürich). Julius Baum; Josef Schmid; Peter Walli-ser: Die Luzerner Skulpturen bis zum Jahre 1600. Luzern 1965.

6) Von sant appollinaris: Die Ermordung des hl. Apollinaris: Elsässische Legenda Au-

rea. Strassburg - Elsässische Werkstatt von 1418/1419. Universitätsbibliothek, Hei-delberg. Cod. Pal. germ. 144.

7) Kloster St. Anna im Bruch. Martin Martini, Prospekt der Stadt Luzern von Süden,

Kupferstich 1597 (Ausschnitt). 8) Da pilgert einer nach Jerusalem oder nach Rom… Randzeichnung von Hans Hol-

bein d. J.. In: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Basel 1966. S. 102. 9) Messe in Bern, Holzschnitt von Urs Graf 1509. In: Thomas Murner: Von den fier

ketzeren. Berlin 1929. 10) Wie viele sieht man der Muttergottes ein Kerzchen… Randzeichnung von Hans

Holbein d. J.. In: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Basel 1966. S. 99. 11) Hl. Dreifaltigkeit, Fischbach LU, um 1500, Höhe 15 cm (heute im Historischen Mu-

seum Luzern). Julius Baum; Josef Schmid; Peter Walliser: Die Luzerner Skulpturen bis zum Jahre 1600. Luzern 1965.

12) Hl. Apollinaris um 1515 (Ausschnitt). In: Zwei Flügel eines Altarretabels aus der

ehemaligen Pfarrkirche St. Martin auf Kirchbühl bei Sempach. Luzern 2002. 13) Andreas Bodenstein von Karlstadt, einzig bekanntes Porträt. In: Hans-Jürgen

Goertz (Hg.): Radikale Reformatoren. München 1978. 14) Klaus Hottinger wird in Luzern hingerichtet. Illustration in Bullingers Reformations-

geschichte 1605/06. In: Dupeux, Cécile; Jezler, Peter; Wirth, Jean (Hg.): Bilder-sturm. Wahnsinn oder Gottes Wille? Zürich 2000.